Zeitschrift für
vaterländische
eT-XTeullesıc-
und
Altertumskun...
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Univ.
* 4 —
[mar 11945”
—
Geſchichte und Alterthumskunde.
—
GSeitſchrift _ CALIFORR
für vaterländifche
Herausgegeben
von dem
Verein für Geſchichte und Alterthumskunde
Weitfalens,
durch
deſſen Directoren
Domkapitular WU. Tibus und Dr C. Mertens
in Münjter in Paderborn.
Sehsundpvierzigiter Band.
Mit neun lithographirten Tafeln.
Münjter, 1888.
Trud und Verlag der Negensberg’ihen Buchhandlung.
(8. Theiffing.)
271136
DDMAI
— 424
des ſechsundvierzigſten Bandes.
I. —tbtbeilung.
II. Deber * — des Seälehte von Bolmeringhauen
on Pfarrer Aug. Heldmann :
IV. ll u R von Klarhol;. Ein Beitrag zur di hichte
: |
It
VI. Sit Dietrich von Stich: eim — Berfafle er der drei jo
Sonttanzer Zractate? Quellen unterJucht von k_ 157
TU, Sur älteren — en Überlieferung des Klo —
IX. — 206
X. Chronik des — (Abtheilung Münſter.) . . 213
II. Abtheilung.
I. Geſchichtliche Nachrichten über Stadt und Pfarre Borghol
Don ah re — in Borgholz. (Schluß.) 3
II. Weſtfalen und die fran ngöfile ——— Von —
Hechelmann, Gymnaſial⸗Direktor 33
III. Die Paderborner en vom Zah 1938. Don
Hermann Hoogemweg 92
IV. Die Gnitaheide. Wo lie at fie? und wel es find die Dörfer
Horus und Kiliandr? Bon ©. U. B. Schierenberg . 123
V. Regeiten und Urfunden zur Gejchichte der ehemaligen Bene:
diftiner-Abtei Marienmünfter unter Berückſichtigung der früher
incorporierten Pfarreien. Gejammelt von Fr. X. Schrader,
Pfarrer zu Napungen, Kreis Warburg. (Hortjegung.) . 132
VI. Chronik ded Vereins. (Abtheilung Paderborn.) . j . 201
VII Mitgliederverzeihniß. (Abtheilung Paderborn.) . . 210
— — — — —
Erſte Abtheilung
herausgegeben
vom Director der Münſter'ſchen Abtheilung
Donkapitular A. Tibns.
J.
Humanismus
und die
kirchlichen Neuerungen
des 16. Jahrhunderts
ſowie deren Bekämpfung in Rheine.
Von
Prof. Dr. F. Darpe.
· —
Dürgerte ih in der Hauptjtadt des Hochſtifts Münfter der
Humanismus zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch Rudolf
von Langen? Bemühungen ein, jo machte fih um jene Zeit
auch in den übrigen Städten des Miünsterlandes humaniſtiſche
Bildung geltend; bis nad Oldenburg und Dftfriesland hin
hatte ſich ſchon in der eriten Hälfte des 16. Jahrhunderts
der Einfluß des Humanismus verbreitet.)
Eine humaniftifche Bildungsanftalt, die lateiniiche Stadt:
ihule, die im 17. Jahrhundert in Rheine beitand, hatte
wahricheinlich ſchon im 16. Jahrhundert die Söhne der wohl:
habenderen Bürger unterwielen; wenigitens zeigen Andeu—
tungen, 3. B. die Inſchriften der Dionyſius- und Paulus:
Slode der Kirche zu Rheine?) ſowie die Mottos vorn im
Rrotofollbude de3 Stadtrats zu Rheine vom Jahre 1609 ff.:
Non solum nobis nati sumus u. Omnia, quae a nobis
9) Bgl. Nordhoff, Der Humaniſt Henr. Scheve, in dem Jahreaberichte
des hiſtor. Vereins zu Münfter 1875 ©. 212 ff.
2) Nordhoff, Denkwürdigfeiten des münfterichen Humanismus ©. 53.
Die Injchriften mögen von dem Pfarrer Joh. v. Drünthen herrühren.
XLVI. 1.
2
geruntur, non ad nostram utilitatem et commodum,
sed ad patriae salutem conferre debemus u. a., daß
humanijtiihe Bildungselemente im Orte lebendig waren.
Auf dasfelbe deutet die Thatjahe hin, daß im 15. und
16. Sahrhundert aus Nheine und Umgegend mehrere Dumas
niſten umd Gelehrte hervorgingen. Dieſen ift wohl nicht,
wie Nordhoff a. a. D.!) thut, Gerh. Lijter (Lijtrius) beizu—
zählen, jener befannte Humanift, der eine Zeit lang Lektor
an der Schule zu Münjter war und eine Bejchreibung des
Ütrechter Landes in Herametern, eine Lobrede auf einige
Ütrechter Biſchöfe und einen gelehrten Kommentar zu Eras—
mu3 Encomium moriae?) und zur Dialektif des Petrus
Hijpanus u. a. herausgab. Er heißt allerdings Rhenensis?),
ftammte aber wohl, den obigen Titeln feiner Schriften nad),
aus der Ütrechter Stadt Nenen, die auf dem rechten Rhein-
ufer liegt, nit aus dem münſterſchen Rene oder heine
an der Ems. Dagegen gehört dem letteren zweifelsohne
der von Horlenius in feinen Epigrammen wegen jeiner treff—
lihen Bibliothek und bedeutenden Gelehrjamfeit ehrenvoll
erwähnte Pfarrer zu St. Jalobi in Münſter Bernhardus
Dreyers Woldensis de Rhene an,*) indem das „Wandt—
madher- Ampt3buch der Stadt Rheine” (Staatsarch. Münfter
M. 8 A. Gilden und Zünfte 91) fol. 17a eine Familie
Dreierwalt, nämlih Lüke Dreierwalt und ſyn husfraw
Grete, ald im Orte Wandmacherei betreibend zum Sabre
1562 ff. anführt,5) zum Jahre 1708 (fol. 215) SHerm.
) Desgl. Kumann, Mfkr. 29. IM.
?) Darüber vgl. Vischer, Erasmiana 56; Janſſen, Geſch. des deutjchen
Volkes II. 56.
”) Hamelmann, Op. gen. hist. p. 177, 336.
+) Wal. Driever, Biblioth. Monaster. p. 35; Nunnine, Momum.
Monaster. deenr. I. p. 370 59.
>) Benannt it die Familie wohl von ihrer Heimat, dem Rheine be:
nachbarten Dorfe Dreierwalde, weshalb auch die adjektiviiche Latini—
ſierung Dreiers Woldensis, eigentlid) Dreierwoldensis.
Dreierwalt und Geſe Mersmans, ſyn husfraw. Der in
Scheves Briefen erwähnte Nechtögelehrte Theod. Hepperth,
Rentmeifter zu Kloppenburg, ftanımte ebenfalls aus Nheine.!)
Aud den Dr. jur. Johannes de Renis, den Buschius im
2. Buche jeiner Epigramme feiert mit denWorten:
Exigui quamvis occurras ruris alumnus,
Ut surgant patriae moenia magna tuae,
Tu facis, extollant vicina per oppida famam
Cunctaque sint patrio tecta minora tuo.
Te vidit docto stipata Bononia coetu
Et tenuit longa non sine laude mora.
u. j. w. dürfen wir wohl mit Hamelmann (l. c. p. 211)
unjerm Rheine zuweilen. Johann von Rheine wird als
Propſt zu Oldenzaal genannt; er wurde 1445 jeitens des
Bateler Konzil mit einem Schreiben an die Univerfität Er:
furt entjandt 2). Ebenjo ijt bier aus früherer Zeit zu nen-
nen der Auguſtiner-Chorherr Fr. Hermannus Ryd (GRiet)
de Rhene (Rene, Renen), geboren 1408, ſeit 1427 Au:
auftiner indem reformierten Chorherrnitift Wittenburg in der
Diöceſe Hildesheim, feit 1448 Prior zu Neumerf bei Halle
und Reformator diejes jowie des Tyroler Kloſters Neuzelle
und jeeliorglic thätig zu Neuwerk bis zu feinem Tode 1476,
ein Mann, der, wie in jeinem Wirken, jo in mehren Schrif-
ten, 3. B. in der de vita et honestate clericorum, als
energiiher Befämpfer damaliger kirchlicher Mißſtände auftritt,
deſſen daher Joh. Buſch u. a. als Freundes gedenken. Am
Ende zweier jeiner Schriften wird er gradezu ein Weitfale
jeiner Herkunft nah genannt®). oh. Hammaler, welchen
Nordhoff a. a. D. auch unter die rheinefhen Humanijten
1) Nordhoff, Der Humaniſt Scheve, a. a. D. ©. 214.
2) Würdtwein, Subsid. dipl. IX. 64.
2) ©. Evelt in Ztſchr. für Geſch. u. Altertumst. Weit. Bd. 23. ©. 308 ff.
1*
4
zählt, gehört, wie unten jich ergeben wird, wohl nur feinem
zeitweiligen Aufenthalte nad) der Stadt an.
Hattedie erjte in Rudolf v. Langen verkörperte Generation der
mäünfterländijchen Humanijten ihre Befriedigung in dem von je:
der Feffel freien Studium alter Dichter und Schriftfteller und
in Aneignung ihrer Spradform gefunden, war fie aber im
übrigen durhaus innerhalb des Kreiſes der überfommenen
Seen, auch beſonders in religiöjer Hinficht, ſtehen geblie-
ben, fo betrat in der zweiten Generation der münjterlän:
diiche Humanismus draußen vielfah die Pfade der Oppo—
fition gegen das alte Kirhentum?); eine derartige Feind-
jeligkeit desfelben tritt jedoh in Rheine zunächſt nicht
hervor. Dagegen blieben die wiedertäuferiihen Bewegungen
im Stifte Münfter auch in Rheine nicht ohne Rüdwirkung
auf die Gemüter, zumal die Nachbarſchaft Hollands und der
Handelsverfehr mit den Niederlanden dem Wiedertäufertum
hier größeren Anhalt bot.?) Den Mittelpunkt des Wieder:
täuferanhangs in Rheine bildete das Haus der Schweiter
Gerd Reninks oder Neininfs, der ſchon 1530 in enger Be-
ziehung zu Rothmann ftand und dann am Hofe Johanns
v. Leiden die Stellung eines königlichen Rates einnahm. ?)
Als die Wiedertäufer von Münfter aus durch Senpdlinge
aufrühreriiche Schriften im Stift verbreiteten, um das Volf
zur Entjegung Münſters aufzufordern, gingen die Sendun—
gen für Nheine an die wiedergetaufte Neininf und dieje gab
!) Cornelius, Die münfterfhen Humaniſten und ihr Verhältnis zur
Neformation ©. 46.
2) Es jei hier bemerkt, dab zu Anfang des 14. Jahrhunderte in Rheine
ein Beghinenkonvent beitand, welcher mit Wernbold von ütrecht in
Verbindung ftand und in einen Inquiſitionsprozeß verwidelt wurde,
Auszügl. Mitteilung darüber findet fit) bei Mosheim, De beguar-
dis et beguinabus.
®) Kerijenbroid, Geſch. der Wiedertäufer ©. 150; Nieſert M. U. S.
I. 28 u. 53.
5
auch den Sendlingen jelbit Herberge und leiftete ihnen allen
möglichen Borjchub. !)
Es jcheint danach eine Feine Wiedertäufergemeinde in
Nheine beftanden zu haben. Cbendarauf deutet auch die
Thatjahe Hin, daß 1534 in der Nachbarvefte Bevergern,
wo die Regierung des Amts Rheine -Bevergern ihren Sik
hatte, 6 Wiedertäufer verbrannt wirrben.?) Doc fcheinen
die Miedertäufer in Nheine als biichöflicher Feſtung ſich um
jo vorfichtiger geheim gehalten zu haben, als die Edifte des
Kaiſers und der Landes-Negierung ihnen die jchärffte Be—
ftrafung androhten; man mochte hier, wie anderort3, erft
das ſchließliche Schickſal Münſters abwarten. Inzwiſchen
ſehen wir grade von Rheine aus die erſten Schritte geſchehen
zur Bewältigung des münfterjchen Wiedertäuferreiches: 1533
tagte der Landtag in Rheine, welcher Müniter zu belagern
und von den Wiedertäufern zu ſäubern beichloß;?) 1534
zog Franz v. Walded von Rheine aus mit feinem Keere
zur Belagerung Münſters aus. Die Stabtvertretung von
Rheine aber juchte mit dem Stadtrate von Warendorf,
Bedum, Ahlen und Werne, als jih die Belagerung
Münfters Hinzog nnd der Sturm der Bilchöflihen am 31.
Auguft abgeichlagen war, am 2. Dftober 1534 zwiſchen Bi:
ichof Franz und Johann v. Leiden zu vermitteln.d) Diefer
Schritt iſt vielleicht bezeichnend für die damalige Stimmung
auch im Stadtrate zu Rheine; Rheine erjcheint hier an der
1) Nieſert a. D. ©. 147, 149.
2) Keller, Geſch. der MWiedertäufer S. 164.
*) Cornelius, Seid). des Münſterſchen Aufruhrs I. 203—206. 11.198;
Nil. M. U. B. J. 1. 225. Kerſſenbroick a. O. ©. 286 f.
) Erhard, Geh. Miüniters ©. 334. Junker Wilten Stedinf, dem
ber Biſchof ale Etatthalter neben Gerd v. Schedelich den Oberbefehl
in Miünfter nadı deffen Eroberung übertrug, ſtammte vielleicht aus
Rheine, zu dejjen Udelshöfen der Stedinfhof zählte,
>) Keller a. O. ©. 263 f.
6
Seite von Städten, welche notoriſch den religiöjen Neuerun—
gen anbingen!).
Der Fall Münfters, die Hinrichtung der Wiedertäufers
häupter, die jtrenge Fahndung auf alle Neuerer und die
erwähnte Verbrennung der 6 Wiedertäufer in Bevergern
wird einichüchternd und ernüchternd auf die wiedertäuferiich
gejinnten Elemente in Rheine gewirkt haben. Aber die Milde,
welche Franz von Walded bald walten ließ, indem er ji
mit Landesverweilung der Wiedertäufer begnügte, welche
Mahregel bei der Schwäche der Regierung teilweije gar
nicht zur Ausführung fam, in Verbindung mit der erneuer:
ten Bropaganda der flüchtigen Wiedertäufer, namentlich Heinr.
Krechtings, der in Rheine wahriheinlih Familienbeziehun:
gen hatte?) und zunächſt von Lingen aus zur Rache ſchürte
wider dievom Blute „der Gerechten“ triefenden „Gottloſen“,
führten dahin, daß die Wiedertäufer bald mit neuem Mute
das Haupt erhoben. Zu Bevergern jaß Werner Scheyf:
fahrt (Sceffer), ein aufgegriffener Wiedertäufer ?), im Ser:
fer und der Drofte wendet fih am 31. Aug. 1536 an bie
Regierung um bejondere Weifung, mit Rüdjiht darauf,
daß der Bilchof befohlen, den Gefangenen „up geborlife
orffeyde, borgen und geloven‘ frei zu laſſen. Der Biichof
wird grade in Rheine damals um fo mehr durch harte Map:
regeln Mipliebigfeit zu vermeiden gejucht haben, als bei den
Feindfeligfeiten, welche der die Anabaptiſten, und unter diefen
I) Nett M. U. B. 11.©. 213 ff. (Ahlen betr)., ©. 237 f. (Waren-
dorf betr.).
2) Das ſchon erwähnte Wandtmacder-Amptsbudy der Stadt Rheine
führt als Amtsbrüder an zum I. 1562 ff. Bernd Krechting und
ſyn husfraw, Wilm Krechting und ſyn husfraw Neile, Wilm Krech—
ting und ſyn husfraw Ahleke, zum Jahre 1593 Henr. und Wilm
Krechting nebſt ihren rauen.
) Bol. Münſt. Geſch. Quellen 11. 292. Keller in der wejtdeutichen
Zeitichr. 1. 459 ff. ſpricht von mehreren ergriffenen Miedertäufern,
7
— — — — — —
auch den flüchtigen Krechting, als eventuelle Bundesgenoſſen
ſchützende Graf Anton v. Oldenburg ſeit 1536 gegen ſeinen
ſchwachen münſterſchen Nachbar behufs Wiedergewinnung
Delmenhorſts zu eröffnen drohte, das feſte Rheine der nächſte
bedrohte Punkt des Stifts war, deſſen Bürgerſchaft alſo zu
thatkräftiger Verteidigung zu gewinnen durchaus die Klug—
beit riet: Am 16. Juli 1537 meldete Klaus von Münch—
haufen, Droite von Rheine: Bevergern, der Negierung, daß
die MWiedertäuferei in ‚‚etlichen Eingeſeſſenen“ des Amtes
Anhänger beiige, die ‚auf etlihe Tage zu Berfammlungen
bei einander fämen; den Verjanmlungsort habe er noch
nicht ausgefundichaftet, nur daß fie an Sonn und Feier:
tagen in ihrer Kirchipielsfirche zu Neuenkirchen bloß der
Predigt beimohnen und dann nach Haufe gehen.” Er bat
zugleich um Berhaltungsmaßregeln, insbejondere, „ob er jie
auf dem Kirhhofe, wo fie insgeſamt und am beiten zu
befommen wären, angreifen laſſen folle..!) Die Regierung
wies ihn an, zunächſt das Thatjächliche feftzuftellen. Dar:
auf meldete Münchhaufen am 2. Aug., daß zu Neuenkirchen
bei Rheine eine volljtändig eingerichtete Wiedertäufergemeinde
beſtehe; in Beders Haufe hätten fie ihren „Anlauf“,; die
Frau Beder, 2 ihrer Töchter, ihr älteiter Sohn Weſſel und
deſſen Frau feien Wiedertäufer, während Beder jelbft und
fein jüngiter Sohn Claes fih von der Sekte fernhielten;
die alte Schirlemaniche und ihre Tochter feien ebenfall be:
teiligt und in deren Haufe hielten bie Täufer ihre Gefell-
ichaft oder „‚ Synagogen’; auch fänden wohl bei Heinr. Elbers,
der mit jeiner Frau und Mutter dem MWiedertäufertum an:
hange, Zujammenfünfte ſtatt; Johann, Sohn des Schulzen
zu Offenheim, zähle zu den Seftirern; Gerd Xoe jei ihr
Diener, Herm. to Johanninks Sohn zu Mejum, Dirif ge:
nannt, jei ihr Bote; Bauer Arlings Sohn Bernd fei jeiner
1) Staatsarch. Miünfter M. 2%. U. 518 ff. IX.
8
Mutter entlaufen um der Sekte willen, 2 Knete und der
Schäfer des Evert Roleffing jowie deſſen Tochter Elje jeien
ebenfalls Genofjen der Sekte; auch Bedemanns Söhne Joh.
und Gerd, Xubbert Henrilings 2 Knete, Keven Knecht,
der junge Duyiterbed und Herm. Kreyen Frau; Gords Alife,
Kreyen Hermanns Schweiter, führe Regiſter und Kaffe der
Gemeinde. Ein Weib von Neuenkirchen, das die Belagerung
in Münfter durchgemacht, begnadigt und mit cinem Kinde
heimgefehrt wäre, wolle auch jett Vater und Mutter nicht
fennen, weil Dieje zum MWiedertäufertum nicht übertreten
wollten; fie wohne bei Kreyen Alike; alle Genannten hätten
fich vergangene Oſtern nicht nach der kirchlichen Ordnung
gehalten; was aber ihr Handeln und Vornehmen jei, könne
er nicht angeben, außer dann fie den Gruß der Nichtmit-
glieder mit „Gott lohn' (et)! ermwiderten.!) Der Amt:
mann erhielt nun am 10. Aug. 1537 Befehl, mit Hülfe
„reiſiger Hofdiener“ des Biſchofs die Verdächtigen wo möge
lih mit einem Sclage zu verhaften und mit Beihülfe des
Scharfrichters von Dsnabrüd und der Folter zu verhören.
Bei der nächſten Berjammlung der Wiedertäufergemeinde
umftellte man das Haus, aber ein Genofie (9. Beder),
der Wind befommen, warf den Feuerbrand ins Haus und
bei der jo entitandenen Berwirrung gelang es den meilten
zu entlommen.?) Nur 9 Berfonen, darunter Hinrifings
Knecht, die Bedemannihe nebit ihren Söhnen Gerd und
Johann, die Bederjche und 2 alte Weiber, Kreyen Geſe
und Elbers Geje, wurden ergriffen. Beim peinlichen Verhöre
leugneten die meilten, ſelbſt zur Sekte zu gehören; fie woll-
ten nur von derjelben gehört haben. Einer jagteu. a. aus,
1) a. O.
2) So die Angabe bei Keller a. D., die ſich ſtützt auf den Bericht des
Droften vom 17. Aug. 1537, wo aber auffallend dieſer Vorfall
auf Faſtnacht verlegt wird.
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es heiße, Joh. Loe jei der König der Wiedertäufer; ein an-
derer gab an, der gemeine Dann jage, die nicht zu Biere
gingen, das wären Wiedertäufer; einige Täufer, mit denen
er verkehrt habe, hätten ihm auch die Trunfenheit als große
Sünde bezeichnet. Die Gefangenen wurden, da der Drofte ihr
Bergehen ihrem Geſtändniſſe nach als nicht todeswürdig bezeich:
nete und für etliche jeiner in Bevergern gefangen gehaltenenteute
der Graf Arndt von Bentheim, Herr zu Steinfurt, beim Bifchofe
jih verwandte (28. Aug.), gegen Bürgschaft alsbald zufolge Be:
fehl3 vom 28. Aug. wieder auf freien Fuß gelegt.) Sol:
ches Vorgehen der Behörden mochte die Sektirer draußen
im Amte höchſtens zu forgfältigerer Geheimhaltung ihrer
Zufammenfünfte führen. Wiedertäuferayoftel reifeten herum
und juchten die Hoffnung auf Wiedereroberung Miünfters zu
nähren; in Greven hielt man jogar regelmäßige Zufammen-
fünfte u. gottesdienftliche Übungen ab; Abgejandte aus verſchie—
denen Gegenden, jo ein Sendling Krechtings aus Oldenburg,
der Vorfteher der Neuenkirchener Gemeinde Heinr. Beder,
Anton Schmitz, ein Noitator aus der Mark, u. a. begegne:
ten ji dort. Der 1538 ergriffene Goldichmied oh. Lucas,
zu Dülmen anfällig, einer ber „Brüderapoſtel“, geſtand,
von dem in Telgte wohnhaften „Biſchofe“ Peter Glaßma—
cher unweit Burgiteinfurt getauft zu fein, und fannte in
legterem Orte und in Bentheim Miedertäufer?). Der 1544
zu Münfter verbrannte Gerd Eilfenann nannte einen zu
Sobenbüren wohnhaften Genofjen.?) Wenn bei folder Ver:
breitung des Miedertäufertums in der Umgegend von der
Sekte in Rheine ſelbſt nicht3 verlautet, jo liegt da® wohl
daran, daß nach dem Landtagsabichiede vom 31. Mai 1536
‘in den Städten das Recht der Unterfuhung, ob jemand der
) Staatsarch. Mitr. a. D.; Keller a. O.
2) Ebendaſ.
3) Nieſert M. U. ©. I. 303.
10
m m ne
MWiedertäuferei ſchuldig jei oder nicht, dem Magiftrate, nicht
dem Amtsdroften, zuſtand, grade die Magiſtrate aber fait
in allen Städten des Münfterlandes damals jelbit mit den
Neuerern Iympathilierten oder doch infolge perjönlicher Be—
ziehungen Duldung walten liefen, von Hinrichtungen aber
jelbit in ermwiejenen Fällen nichts willen wollten; ein Rück—
ihluß auf die Verhältniffe in der Stadt ericheint jomit aus
den Verhältniſſen der Umgegend vielleicht gejtattet.
Die Schon länger drohende Feindichaft zwiſchen Olden—
burg und Münfter fam inzwifchen zum Ausbrud. Am 24.
Mai 1558 eröffnete Oldenburg wirklich mit Braunſchweig
und Tedlenburg im Bunde die Fehde gegen dag Stift Mün—
fter; nach der Einnahme von Wildeshaujen, Vechta und
Kloppenburg, rüdten die Oldenburger gegen Rheine heran.
Die Ankunft des biichöflichen Heeres nötigte fie aber zur
Umkehr; nach Wiedereroberung der vom Feinde eroberten
Drte fielen die Münſterſchen felbit in Oldenburg ein, worauf
e3 zum Frieden Fam.)
Nunmehr veröffentlichte die füritbiichöfliche Regierung
gegen Ende des Jahres 1538 ein von den Yandftänden ge:
nehmigtes Mandat, daß alle Führer und „Lehrer“ der
Täuferei ſowie die Nüdfälligen vom Leben zum Tode ge:
bracht, die einfältig VBerführten aber anderweit geftraft wer:
den jollten; die Kontrolle der Fremden jolle verjchärft ges
handhabt werden?). Gegen 1540 jaßen danach wieder
mehre wiedergetaufte PBerjonen, darunter der von dem ge—
fangenen Heinrih Horſtmann aus Greven im VBerhöre 1538
(26. Nov.) angegebene Heinr. Beder, „Paſtor tho Nienkerken
geweit”, und fein Sohn, in Bevergern gefangen.?) Von
1) M. G. Q. J. S. 339; Erhard, Geſch. Münft. ©. 365; Eſſellen,
Geſch. der Grafſchaft Tecklenburg S. 140 f.
2) Keller a. O. S. 466.
+), Ebendaſ. S. 461 und 465. Der alte Becker bekannte, bei Emblichem
11
ſcharfen Maßregeln des Biſchofs verlautet aber nichts; that:
ſächlich ließ er Duldung walten. !)
E3 zeigte jih nun bald, daß Franz von Walded unter
Benugung der neuerungsfüchtigen Stimmung, welche in den
meiften Städten berrichte, und der politifhen Konftellation
im Reihe den Plan verfolgte, duch Einführung der Re:
formation im Stift ji ein erbliches Fürftentum zu gründen.
Daher der Pakt mit den Städten, darunter au Rheine,
„zu gegenfeitigem Schuge und Beiftande‘ 1542; die Städte,
denen er ihre Privilegien beitätigte, follten dem Domkapitel
und der Ritterihaft gegenüber ihm helfen zur Ausführung
jeines Planes. 1543 trat er auf dem Landtage offen mit
jeinem Plane hervor; zugleich bewarb er ih um Aufnahme
in den ſchmalkaldiſchen Bund. War feit Febr. 1543 in der
ihm ebenfall3 unterjtehenden Stadt Osnabrück mit feinem
Gutheigen eine evangeliiche Kirchenordnung eingeführt, To
leiftete er gleichem Vorgehen auch in den Städten des Stifts
Münfter Vorſchub. Als jih das Domkapitel darüber 1544
beichwerte, erflärte er, zwar feine Nötigung anwenden, aber
den, der jich freiwillig zur evangeliichen Lehre befenne, da—
bei jhügen zu wollen. Dieſe Verhältniſſe jcheinen es zu
erklären, wenn auch in Rheine in der Folge, während die
wiedertäuferiihen Tendenzen zurüdtreten, reformatorische
Strebungen uns begegnen. Die Keime waren ja vorhanden
(im Bentheimſchen) die Wiedertaufe erhalten zu haben nebſt jei-
nem Weibe.
1) Aus Warendorf meldet unterm 3. März 1540 der Pfarrer an der
alten Kirche Joh. Weſſum, „er habe mit großem Fleiße das Wort
Gottes verkündet, aber feine große Frucht vorgebracht — leider um
mannigerhande heimliche Sekten, die noch dar verborgen feien, als
jedem guten Herzen wohl bewußt“; Staatsarch. Münſter M. 2. 4.
295. 1. Mennoniten-Gemeinden beftanden in Bocholt, Borken, Vre—
den, Goesfeld, Dülmen, Warendorf, Steinfurt, Hamm, Soeſt und
Osnabrüd ; vol. Blaupot ten Gate, Geſchiedenis der Doopsgezinden
— — —
in Friesland 1.29. u uud
12
und harrten nur der Befruchtung, um fich in eine beſtimmte
Form zu Heiden; die ftaatli einzig mögliche Form eines
abweichenden religiöjen Befenntniffes war aber feit der Be—
fämpfung und Niederwerfung des MWiedertäufertums durch
den Staat jet das Luthertum in Deutichland geworden.
In das Bett des Luthertums ergoß ſich daher um jo eher
der Strom religiöfer Sonderaniihten, als das Wiedertäu—
fertum mit dem Überhandnehmen der Batenburger fchließlich
in Räuber: und Mordbrennertum auslief und fo vollends
aud beim Volke in Miskredit kam; zwar wurde Bilchof
Franz bald darauf vermocht, von der Protejtantifierung des
Landes abzuftehen, aber da derjelbe ebenfo wenig den Ka:
tholizismus zu befeitigen fuchte, eine Richtung, welche aud)
jein Nachfolger, der milde und duldfame Wilh. v. Ketteler,
einbielt, während nad) diefem Bernd. v. Naesfeld nicht volle
Entichlojfenheit zeigte, jo Fonnte der Proteſtantismus ich
ziemlich unbehindert im Lande entfalten.
In den firchlichen Verhältniſſen treten eben damals arelle
Mißſtände hervor. Charakteriftiich in diefer Beziehung ift
für Nheine ein Vorgang des J. 1558. „Da 2 Hausleute
im Kirchipiel Rheine und Bauerjchaft Elte geſeſſen, ſich un—
ter einander umb jchuldige geringe Schult, als nämlich mit
) Mal. den Aufſatz Keller in Raumers hifter. Taſchenbuch 1882.
In manden Orten des Münfterlandes, fo in Bocholt, Porfen und
im Anıte Ahaus, hielt ſich auch jpäter das Wiedertäufertum bis ins
17. Sahrhundert. Der letzte Wiedertäufer im Stifte Münfter, Joh.
Welſing, der zu Bocholt am Markte wohnte, wurde 1632 auf Er:
juchen des Grafen Diedrih v. Bronkhorſt zu Anholt vom Fürſt—
biichofe Ferdinand auf Grund feines Alters und feines und feiner
Frau Wohlverhaltene, welches Stadtrichter und Magiftrat zu Pors
holt bezeugten, begnadigt, aud) wurde ihm die Rücktehr nach feiner
Vaterftadt Bocholt, wo feine Vorfahren ein Spital aeftiftet hatten.
geftattet; da er aber nicht widerrufen wollte, wurde er auf Veran—
laſſung des Generalvifars Petrus Nicolartius am 7. Febr. 1633 neu«
erdings ausgewiefen. Staatsarchiv Münfter M. 2. U. 2, 1 16.
13
Namen de Redeker den Walter, gebannen, aljo dat ein In:
terdiftum jegen den Walter utgegangen und erequert ift
worden, darmit dat ganze Keripel un gemeine Volk irent:
halben Gadesdenjtes privert u. berovet moet ſyn“, jo ba—
ten Paſtor, Gograf und Rat zu Nheine den Droften, von
Amts wegen ein Einjehen zu thun, „damit dat Interdiktum
affgedaen und dat arme jimpele Volk dermalen van Gades-
denjte nicht geholden mochte werden.” Darauf befahl der
Droſte dem Gografen, den 2 Hausleuten anzujagen, fie
jollten fothanen Bann abſchaffen, Berklagter entweder deu
Kläger bezahlen oder ſich doh aus dem Kirchſpiel Rheine
fortbegeben, damit jeinethalben der Gottesdienjt nicht unter:
bleibe. Vergebens; jene jchlugen alles verädhtlih in den
Wind, „aljo dat de Kerke to Rhene nu aver twe
Maent Tydes togeftanden und darin Gotsdenft
niht geövet worden. Demwile dann dat den andern
unichuldigen Serjpelsverwandten ganz hoichbeſchwerlich“, daß
um der beiden willen fein Gottesdienft jtattfand, jo wandten
ih Baitor, Gograf und Nat zu Rheine wieder an den Dro-
jten „um Troit und Beiltand, damit jie der Beſweer des
Bannes enthoben würden, Godes Ehr u. Denſt darmede by
dem gemeinen Mann im Smwange to holden.” Der Drofte
Herm. v. Belen fragt darauf am 28. Febr. 1558 bei den
fürjtlichen Näten an, wie er jih da verhalten jolle. Am
2. März erfolgt die Antwort, der Biichof habe entichieden,
der Bellagte jolle nochmals aufgefordert werden, den Bann
abzuſchaffen; falls er dann nicht folgjam, ſolle er handfeſt
gemacht werben!). — Am 17. April 1558 „uf hillige Paeſch—
avende” bitten in ähnlichen Anlaſſe jämliche Bauern der
Bauerihaft Höne den Biſchof, „watgeitalt eyner unſer Me—
denaeber, Joh. Engelbertink genompt, Schulde halven in
veirerley Banne verſtrickt“ und deshalb ſämtliche 8 Bitt—
1) Staatsarch. Münſter: Stadt Rheine, Ecclesiastica (M. L. U. 265),
jteller von den Gläubigern im Bann erhalten würden, ſo
daß, „Gott ſei's geklagt, deshalb ihnen die Saframente
der h. chriſtl. Kirche entzogen und verweigert würden, dem
ein Einjehen zu thun und zu veranlaffen, daß jie, die Nach—
barn, des unverjchuldeten Bannes entledigt würden.” 1)
Man fieht, der religiöje Sinn war lebhaft im Volke, aber
man ließ ihn verfümmern. So griff denn GSittenlofigfeit
und religiöje Gleichgültigfeit oder Abwendung vom alten
Glauben allgemah um id).
Pfarrer in Rheine war nad oh. v. Siberih (oder
Siborch), der 1552 geitorben zu jein jcheint, Arnd tom
Drede?). Unter diefem vollzog ſich die Proteftantifierung
Rheines allmählich und unbemerkt. Zwar fügte es fich, daß
am 25. März 1561 grade zu Rheine oder vielmehr in dem
Kreuzherrenklojter Bentlage bei Rheine Bilchof Bernhard
v. Raesfeld nebſt jeinem Bruder und Vetter und den Räten
mit dem päpftlihen Nuntius zufammentraf, um mit dieſem
nad) Entgegennahme eines beziglichen päpftlihen Breves
wegen Beihidung des wiederzueröffnenden Konzils von Trient
zu unterhandeln, 3) jowie daß der Nachfolger Biſchof Bern:
hards, Joh. v. Hoya, in Bentlage durd den Weihbiſchof
Joh. Kridt unter Aififtenz der 3 Benediktineräbte von Ab-
) Staatsarch. Münfter: Stadt Rheine, Ecclesiastica (M. L. U. 265).
2) 1605 bemerft dejjen Nachfolger in einem Echreiben, daß U. tom
Drede „in die 55 Sahre die Pfarre zu Rheine mit loffende Ehre
bedient. Dred ſtammte wohl von der Dredhove zu Yeer Kreis
Steinfurt (j. Darpe, Codex trad. Westf. II. ©. 24°).
5) Zu Bentlage leiftete auch am 7. Okt. 1567 der zum Pfarrer des
von wiedertäuferiichen Anschauungen erfüllten Dorfes Willen bei Ahaus
beitimmte Werner Kemener vor dem Weihbiſchofe, den 3 Nbten,
dem Domdechanten und Domjcolaftitus und 8 Doktoren den Eid
auf das Tridentinum. Keller, die Gegenreformation in Mejtfa-
len und am Niederrhein I. Nr. 272. Das Keller fragliche incul-
patum heit ſchuldlos, frei von Verſchuldung, Verfäumnis; Bentleri
iſt Ortsbeftimmung: zu Bentlage.
15
dinahof, Liesborn und Iburg am 5. Dit. 1567 die bifchöfliche
Weihe erhielt); der alte Glaube und die ftrenge Sitte be:
gann aber in Rheine mehr und mehr zu jchwinden. Nur
durch ſcharfe Beauffichtigung des Klerus, insbefondere durch)
Wiederheritellung des ehelofen Lebens der Geiftlichen, ſo
mahnte Papit Pius V. 1566 den Bilchof Bernhard von
Müniter, könnten die Reſte des Katholizismus in Deutich-
land vor völligem Untergange gerettet werden.?) Bei der
dann vom Fürftbiichofe Joh. v. Hoya auf Grundlage des
Tridentinums und der Kanones angeordneten SKirchenviit-
tation vom Jahre 1571/2 ergab jich, daß in Rheine und
Bevergern das h. Abendmahl unter beiden Geſtalten geſpen—
det wurde; zwar heißt es, daß es in Nheine meijt wohl
ftehe bezüglich der Religion, während in Bevergern Lauig—
feit herriche, in Steinfurt Religionswechjel eingetreten fei;
aber die Mipitände in heine ließen ſich nicht leugnen ?).
Es erichienen nämlih am 9. September 1572 die Pfarrer
von Rheine, Mejum, Emsdetten und Bevergern im Kloſter
Bentlage vor der biihöflihen Viſitations-Kommiſſion; Vikare
erichienen nicht, obſchon in Rheine 8 Vikarieen bejtanden,
auch in Bevergern ein zweiter Geiltlicher amtierte. Die 4
Erjchienenen von den 12 äußerten ſich zwar über die Glau—
bensfragen katholiſch;“) aber 3 derjelben, nämlich die Pfar—
rer von Rheine, Emsdetten und Bevergern, lebten im Kon
fubinate, zeigten jich jedoch bereit, ihre Konfubinen zu ent:
1) Hüſing Kampf um die fat. Neligion im Pistum Münfter 1555
—855 ©. 21 f.
2) Keller a. ©. I. Ar. 264.
3) Keller a. D. I. ©. 385 und die Anmertungen 1 u. 2S. 384,
In dem benachbarten Teile des Archidiafonats Winterswyf, näm—
lich zu Schüttorf, Nordhorn und Gildehaus, war alles evangeliic.
Keller a. O. I. Nr. 291.
+) Hüfing a. D. ©. 54; das NAbendinahl wurde jedoch (j. o.) in 2
Orten unter beiden Geftalten geipendet. Ebenda S. 236,
16
lajien. Da es nun bei der bloßen Bifitation verblieb und
„feine Exekution folgte”, jo entitand „täglich mehr Jrrung,
Unordnung und Religionsverahtung.”1) Das Domkapitel
flagte 1582, daß die Pfarrer in ihrer Lehre wankelhaft,
die Unterthanen vom rechten Wege abgeführt würden, die
Schulen in Verfall feien, die Klöfter ihre Güter verzehrten
und verkauften und die Archidiakonen Widerſtand fänden bei
den Städten und dem Adel, deren einige „die Wiedertäufer
und andere verführeriihe Lehrverwandte hinläſſig bei ſich
pafjieren ließen.) Unitreitig von hohem Einfluffe war
dann, um Rheine dem Protejtantismus zuzutreiben, unter
ſolchen Umständen der längere Aufenthalt, den der allgemein
beliebte frühere Biſchof Wild. v. Ketteler in diefer Stadt nahm. ?)
Wir treffen ihn dort Schon um die Mitte des J. 1564 an
und zwar in engeren Beziehungen zu dem im Orte ange:
fefjenen Engelbert v. Langen, der feine religiös = politifchen
Gelinnungen zu teilen fcheint.%) Bon der Teilnahme bei-
der an den politiihen Zeitläuften zeugen Die beiden aus
Rheine datierten Briefe an den Bilchof Bernhard v. Raes—
feld, worin v. Ketteler für Rüdgabe der eingezogenen Gü-
ter der Wiedertäufer in Münſter Sich verwendet.5) Ketteler,
dejien Urteil, Wiſſen und Beredſamkeit Hamelmann wieder:
holt preifet, hatte jich immer offener und entjchiedener einer
ipezifiich deutichen Färbung des Katholizismus und dem Pro-
tejtantismus zugewandt. Sein früherer Studiengenofle, ©)
') Außerungen des Domkapit 3. 1582 bei Keller a.O. ©. 512 f.
2) Ebendaſelbſt; vgl. Kolde in Rödigers deutfcher Pit. Zeitung vom 19.
Aug. 1882,
3) Vgl. Hamelm. 1. e. p. 84, 1302 n. 1312.
4) Yudger und Greta dv. Yangen aus derjelben Familie hatten zur Wies
dertäufer-Sekte gehört; Keller a. ©. II. ©. 273.
5) Beide ungedrudte Schreiben nebit einem ebenfalls ungedrudten Briefe
des Biſchofs Wilhelm v. Ketteler an die Königin Maria jind im
Anhange unten beigefügt.
°) Hamelm, l. c. p. 547.
17
der Magijter Joh. Hammaker, derjelbe, welcher von der
biſchöflichen Viſitations-Kommiſſion am 5. Dt. 1571 als
Prarrverwalter in Angelmodde, weil im Glauben verdächtig,
ſcharf eraminiert wurde und meiltens in lutheriihem Sinne
antwortete, war damals Kaplan bezügl. Prediger beim frü—
heren Biſchofe v. Ketteler!) und zog auch in dieſer Eigen-
Ihaft mit ihm in Rheine ein, um alsbald durch feine Pre—
digten eine protejtantiiche Propaganda im Orte zu entfalten ;
auch reichte er die Sakramente auf proteftantiihe Weije?).
Ein jolches Beijpiel und jolde Anregung mußte auf die
läſſigen und ſchon wanfelhaften Gemüter der Bürger bejtim:
mend und enticheidend einwirken, zumal auch der Adel der
Stadt und Umgegend zum Teile, wie wir wijjen, die Wege
der religiöjen Neuerung betrat. ‚Rudolf von Müniter,
Herm. v. Valke und Herbert (Engelbert?) v. Yangen” in
Rheine unterftügten ‚aus guter Gewogenheit“ ihren luthe:
riihen Pfarrer 1588 mit Beilteuern bei Erweiterung des
Prarrhaujes, um dieſes zu einer Familienwohnung einzu-
rihten.?) Engelbert von Langen jahen wir vorhin an der
Seite v. Kettelers in Sachen des Wiedertäufer- Beligtums
thätig®); daß die Familie wahrjcheinlih zum Proteftantis-
mu3 übergetreten ift, wird ji unten ergeben. Bei Rheine
1) Hüfing a. DO. ©. 48. Der dem Verfaſſer zweifelhafte Ausdrud
a coneionibus hat eben jenen Sinn. Bol. Keller a. DO. 1. Nr. 292:
In Angelmodde pastor Joh. Hameker, de cuius doetrina constat(!).
2) v. Ketteler ſtarb 1582 und wurde in der Jakobikirche zu Coesfeld
begraben. Driver Bibl. Mon. p. 75. — Bgl. die Notiz bei Niefert
Mint. Urk. ©. VII. ©. 18 über ihn,
»), Schreiben Dreds v. 2. Juli 1608.
*) Unter den bei dem Wiedertäufer Claus Loyſink zu Wüllen bejchlag:
namten Briefen (den einzigen erhaltenen Handichriften münſterſcher
Miedertäufer) findet fidh ein „Engelbert v. L. wohlbefannt ‘‘ unter:
zeichnetes Schreiben v. 1. Eept. 1563 (M. U. A. 518/519. Nr.
259 und 260); dem Inhalt zufolge ftammt es aber von E. v. Yan:
gen zu Rheine wohl nicht her.
XLVI. 1. 2
18
ſaßen damals auf dem jetzigen Kevenbrinf3 Erbe die v. Ke—
ven (Keffen)brint; auch diefe waren der neuen Lehre zuge:
than. Der Junker Joh. v. Münfter zu Surenburg und Herr
zu Vortlage im Tedlenburgiichen unmeit Rheine ging jogar
joweit, daß er auf feinem Gute um 1574—1580 „bei Weib
und Kind und Gelinde predigweis’ veformatoriihe Lehren
„vortrug und dur Weitfalen ausjtreuete,‘ legteres in jei-
ner um 1580 erjchienenen Schrift: „Erflärung der ganzen Lehr
von Abendmahl Ehrifti, verfaflet in Form etlider Vermah—
nungen oder Predigten”, ein Vorgehen, das ihm eine lite:
rariihe Fehde mit dem Rektor des Jeſuitenkollegs zu Mün—
fter Peter Michaelis eintrug, den das Volk jpäter befannt-
lih von einer feiner Streitjchriften, dem jogen. Brillenfäft-
lein, den Brillenmafer nannte.) Überhaupt war im Stifte
Münfter einem Berichte v. 3. 1579 zufolge damals die Mehr:
zahl des Adels der Augsburger Konfeilion zugethan.?) In
der Bürgerihaft von Rheine, die bei ihrem lebhaften Han—
del mit Holland, bei den Beziehungen zu den benahbarten,
eben damals (1574—1587) mit ihrem Landesheren zur re:
formierten Konfeſſion übergetretenen Grafichaften Bentheint,
Zedlenburg und Steinfurt?) mannichfach auch von draußen
Anregung zur Änderung ihrer hergebrachten religiöfen Über:
zeugungen erhalten mochte, finden wir denn auch im legten
Viertel des 16. Jahrhundert den Proteftantismus feit ſich
einbürgern. Wie fehr hierbei die Nachbarichaft Hollands
von Belang war, erjehen wir daraus, daß 1580 von den
vereinigten Niederlanden, um die Wahl eines bairiſchen Prin—
zen zum Fürftbiichofe von Münfter zu hindern, Striegsvolf
ausrüdte und Hinter dem über Rheine voraufreifenden Statt-
halter von Geldern und Zütphen, Johann v. Naſſau, her
) ©. Driver, Bibl. Mon. p. 100 sq. und 104; Müller, Geich. von
Tecklenburg ©. 262; vgl. Keller a. O. II. ©. 278.
2) Keller a. O. Urt. Nr. 469.
°») Vgl. Eſſelen, Geſch. der Grafſch. Tecklenburg.
19
etlihe Fähnlein desfelben fogar in Nheine einrücdten!) und
armierte Schiffe Hollands auf der Ems zum Angriffe bereit
ftanden.?) Nicht zum mindeiten war die Proteftantijierung
auch dem Verhalten des ſchon oben genannten Pfarrers
Arn. tom Drede zuzufchreiben. Diejer ftand ebenjo wie der
Pfarrer von Bevergern, dem Bilitationsprotofoll von 15923)
zufolge, in feiner Praxis auf evangelifhem Standpuntte,
teilte das Abendmahl unter beiden Geftalten aus, indem er
den Wein außerhalb der Meſſe konſekrierte, jpendete auch
die Olung nicht mehr, unter dem Vorgeben, er habe ſol—
hen Brauch bei feiner Ankunft vorgefunden und nicht än—
dern fönnen. Er hatte als Konfubinar außer andern Kin:
dern) einen Sohn, Namens Hermann; dem fuchte er, wo
möglih, die Nachfolge in feiner Pfründe zu fichern. Diejes
Ziel auch angeſichts der von Münfter her drohenden Tatho-
ihen Reſtauration zu erreichen, galt es behutſam vorzugehen.
Er ließ feinen Sohn auf fatholiihen Schulen ftudieren, zu:
nächſt zu Münfter, dann auf der Univerſität zu Köln, mo
er au geraume Zeit im Jeſuitenkonvikt war; indem der
Sohn jih „damals und ftet3, jo viel als möglich, der al:
ten römiſch-katholiſchen Lehre gemäß verhielt,“ °) gelang es
dem Vater, mit Bewilligung der Herforder Abtijfin, der
Patronin der Pfarre Rheine, feinen Sohn vorerft in die
1) Keller a. DO. Nr. 488 u. 493; vgl. Nr. 526. Erzbiſchof Gebhard
Truchſeß warnt die münsterichen Städte, durdy die Wahl Ernits v.
Paiern der Sache der Spanier zu dienen; ebenjo warnen die allge-
meinen Stände der Niederlande das Domtapitel zu Münſter. Kel—
ler a. O. Nr. 525 u. 526.
2) Keller a. D. II. Nr. 250.
3, Niefert M. U. ©. VII. 36.
+) ©. dad Schreiben des Dred jun. v. 2. Juli 1608, weldhes aud)
erwähnt, da Dred sen. ein Haus in Münster beſaß, welches er
vermietet hatte.
5) Für diefe und die folgenden, Dred Vater und Sohn betr. Angaben
finden fie) die Belege im Staatsarchiv Münfter M. Y. U. 265.
2*
20
Pfarre zu Neuenkirchen zu bringen, die als Filiale von
Aheine der dortigen Pfarre einverleibt geblieben war und
je na dem Vorjchlage des Baitors zu Nheine noch jeßt
ihren Pfarrer erhält!)., Wenn wir den eigenen Angaben
des jungen Dred Glauben ſchenken wollen, entwidelte er
als Pfarrer in Neuenkirchen, wo wir oben die Wiedertäu-
ferzufammenfünfte trafen, eine rege Thätigfeit: „er fand die
Kirche dort faft deformiert, ließ Predigtftuhl und andere Ge-
jtühle auf eigene Koſten machen, da die Kircheneinkünſte
mangelten, renovierte und vermalete mit eigener Hand Altar
und Bilder und, als damals die Kirche zu Schüttrup durch
den Grafen von Bentheim deformiert und die Bilder ausge:
worfen wurden?), lief er dahin, nahm jteinen Bilder auf
feine Schultern und trug fie gen Nienterfen, um die Kirche
zu verzieren; als jpäter die Spanier?) und Geufen auf ihren
Plünderungszügen Thüre, Kilten und Kaſten dev Neuenfir-
chener Kirche erbrahen und andere Ornamente wegnahmen,
verehrte er mank anderem auf jeine Unkoſten ein Mißgewand,
jo über 30 Thlr. geloftet, und ein Miſſale in die Kirche.‘
Sp hatte er jchlieflih, wie Bürgermeijter und Nat von
Rheine in einem Schreiben vom 4. juni 1596%) bezeugen,
„ſonderliche Gunſt bei dem gemeinen Pöbel erreicht” und
e3 war die Zeit gelommen, wo der alte Dred, geftüßt auf
die Gunft, in die er ſich beim Stadtrate von Nheine zu
jegen gewußt, e3 wagen durfte, mit Beziehung auf fein
hohes Alter feinen Sohn zur Beförderung in die eigene
1) Staatsarch. Münfter, Abtei Herford, Akten Nr. 68.
2) Die Kirche zu Schüttorf, wo ſich 3 herrliche, kunſtvolle Altäre be-
fanden, wurde 1588 ausgeraumt. Möller, Geſch. der Grafſch. Bent—
heim ©. 316.
s), Schon 1587 verwülteten dieje die Gegend und ſteckten Emsdetten in
Prand; j. Keller a. ©. II. Wr. 257; im März 1590 plünderten fie
Wettringen und Neuentirdhen. |
9) Staatsarh. Münfter., Herf. Uiten a. O. (Urig.)
21
Stelle vorzuichlagen. Das gejhah dann 1596, und in dem
eben angezogenen Briefe wenden ſich Bürgermeilter und
Rat!) der Stadt Rheine bittend an Magdalena Gräfin zur
Lippe, Übtiffin zu Herford: „da der wiürdige und wohl:
gelehrte Herr Baitor Arnold zum Drede, ihr lieber und
getreuer Freund, den Wunſch geäußert, nachdem er an
die 44 Jahre mit guter, reiner Lehre und erbaulicher Con:
verjation ihnen vorgeitanden, wegen hohen Alters zurüdzu:
treten, die Poſſeſſion aber zeitlebens zu behalten, jo bäten
fie, damit nicht nach feinem Tode ein ander vermeinter
Seeljorger, mit neuer Religion inficiert, ihnen und
den ihrigen zum hohen Nachteil und Abbruch mit gerürter
Paſtorat providiert werde, zu weldem Ende ihr Paſtor den
auch würdigen und gelehrten Hermanfen Dred, feiner Wür—
den leiblichen Sohn, ernennet, — diefem die Pfarre zu über:
tragen per resignationem patris in aliquem tertium sive
personam interpositam. Vorab möge die Abtifiin dem
Pfarrer und jeinem Sohne, auf deſſen jorgfältige Erziehung,
Studien und Beliebtheit jie hinweilen, in der Sache Audienz
geben und die Stelle diefem dann jo verleihen, daß er nad)
jeined Vaters Tode in Vollbejig derfelben trete.” Die Ten:
denz des Antrages it augenscheinlich, durch zeitige Einſchie—
bung einer dritten ‘Berjönlichkeit, den ſpäter etwa zu erhe—
benden Einwand unkanoniſcher Amts:Erwerbung gegen die
Amtsnachfolge des jungen Dred abzujchneiden, der nicht
direkt jeinem Bater im Amte folgen fonnte. Die Familie
Dred hatte aber neben der jiheren Beförderung des jungen
Dred noch ein weiteres Intereſſe bei der Sache: Dred jun.
hatte jeine Magd Elſchina Hoet, die Tochter Dietrich Hoets
) Unter den Ratsherrn zählte bejonders Gerh. Stüve zu des Paſtors
Freunden; er ſchenkte demielben bei Ginricdytung feiner Familien—
wohnung einen eijernen fen für 15 Thlr. (Schr. Dreds vom
2/7 1608).
22
zu Rheine, zu feiner ‚, Chehausfrauen‘ angenommen; deren
Schweiter war mit Herm. v. Eltern verheirathet, den man
gern in die Neuenkirchener PBfarritelle bringen wollte. 1)
Die Iutheriihe Äbtiſſin v. Herford wie den Stadtrat von
Rheine juchte man dadurch zu gewinnen, daß man die Bes
fürchtung betonte, die eingeleitete Konfejlionsänderung möchte
durch einen anderen Nachfolger paralyfiert werden. Daraus
übrigens, daß Bürgermeifter und Rat von Rheine einen
jolden Plan zu dem ihrigen machen, erjieht man zugleich,
dab der Protejtantismus in der Stadtvertretung bereitö Die
Oberhand hatte.
Die ſchlaue Bolitif der Familie Dred fiegte; „durch
in der ‚Abtei Herford üblihe und mwohlhergebradhte Refig-
nation jeitens eines dritten Beſitzers, durch Gollation und
Inveſtitur der Äbtiſſin“ (nicht per successionem) trat der
junge Dred an feines Vaters Stelle in Rheine, ſein Schwa—
ger jodanı an feine Stelle in Neuenkirchen; die nötige
Dispenfation erhielt Dred jun., wie er jelbit jpäter anführt,
von dem in Köln wohnhaften apoftoliihen Nuntius und
Biihof von Calatia Octavius. Den Stadtrat von Rheine
hatte der neue Paſtor auf jeiner Seite und bei der dama—
ligen kommunalen Selbjtändigfeit der Städte und der Herr:
Ichaft des Broteftantismus auch in anderen Städten des
Hochſtifts Münfter mochte er glauben, daß niemand ihm
würde etwas anhaben können.
Inzwiſchen bereitete ich aber, jeit Ernft von Baiern,
von 1555 ab Biihof von Münfter, den kirchlichen und
wiſſenſchaftlichen eilt im Münfterlande neuzubeleben juchte,
wie dies längit von allen EinfichtSvolleren als dringend be—
zeichnet war, und zwar mitteljit Berufung der Jeſuiten,
welche 1588 in Münfter einzogen, von Münfter aus ein
1) Bal. das Schreiben Dreds v. 4. Nov. 1605, Staatsarch. Müniter,
Herf. Akten a. O.
23
völliger Umſchwung der kirchlichen Berhältniffe vor; durch
Beleitigung aller bislang geduldeten religiöfen Sonderanfich-
ten erftrebte man die Rüdfehr zur kirchlichen Einheit, durch
genaue Inſtruktion und Beauffihtigung des Klerus fittliche
Beflerung von Geijtlichkeit und Bolk!). Mit einem Kirchen:
regiment diejer Nichtung mußte der Paſtor von Rheine in
Kollijion fommen, denn er amtierte in vollends proteftanti-
iher Weile. In einem Schreiben des Stadtrichter8 oh.
Borhorft an die Regierung v. 22. Mai 1604 wird berich—
tet, daß „er (Dred) als (wie) jein jel. Vater uf lut-
terijh und der Kaplan uf fatholiich vergangenen Dftern
die Salramente ausgeteilt”; in einem Schreiben
Dreds v. 20. Nov. 1603 an die geiltliche Behörde gefteht
Dred jelbft zu, daß bereit3 die Gewohnheit in feiner Ge—
meinde beitehe, jtatt der bejonderen Beichte nur ein allge:
meines Sündenbefenntnis abzulegen. Ganz erftorben war
zwar der Katholizismus in Rheine nicht; das erjehen wir
daraus, dab der Kaplan noch 1604 die Saframente auf
katholiſche Weile ausipendete; daß aber mwenigftens der maß—
gebende Teil der Bürgerichaft dem Luthertum anhing, er:
giebt jich daraus, daß 1600 die Stadt Rheine dem Schuß:
bündniſſe beitrat, welches die münfterländijchen Städte ge:
gen die auf Beleitigung des Difjidententums in den Städten
gerichteten Mapregeln der Regierung jchloffen, und daß 1603
ſowohl Bürgermeifter und Rat, als auch Kirchenräte und
Kirhenvorfteher von Rheine ihrem Paſtor das Zeugnis aus:
ftellten, „daß er jein Amt chriſtlich und wohl verwaltet habe,
jo daß man dort mit ihm gut zufrieden ei.’ 2)
Die Kataftrophe erfolgte, nachdem das Münfterland
eben von den Raub: und Wlünderungszügen der Spanier
und Holländer aufzuatmen begann, infolge der Berichte
über Dred, welche, wie es fcheint, unter Mitwirkung des
1) Erhard, Geih. Müniters ©. 429.
?) Beilage zum Schreiben der Abtijjin v. Herford v. 6. Dez. 1608.
24
fürftliden Stadtrichters Joh. Borghorſt, welcher zugleich
Gograf zu Rheine und Bevergern war, an die bifchöfliche
Behörde gelangt waren. Dred wurde der unfanonijchen
Amtserwerbung, der Verlegung des Cölibats und lutheriicher
Lehre und Amtierung angeklagt; man lud ihn jchlieklich
unter Androhung der Erfommunifation zu mündlicher Er-
Härung nah Münfter vor. Srankheitshalber, wie er ſelbſt
angibt, erſchien er aber nicht, ließ jich jedoch, um einem
Kontumazialverfahren vorzubeugen, durch feinen Prokurator
in Münſter, Gerh. Bernink, entihuldigen; in etwa wieder:
bergeftellt, juchte er in einem Schreiben d. d. Müniter,
20. Nov. 16053 fich zu verteidigen. Bezüglich feines Amtes
wies er auf die oben berührte nur mittelbare Erwerbung
von jeinem Vater hin; feine Magd babe er „weit genug
von ſich abgeichafft und darin gehorſamt“; jeine katholiſche
Gelinnung ſuchte er durch die oben erwähnten Daten aus
jeiner Amtsführung in Neuentirchen, jodann durch fein Ber:
halten in Rheine zu ermweilen. Seine Angaben in letter
Beziehung find charakteriftiih, wie für die Politik Dreds,
jo für die damaligen kirchlichen Verhältniffe in der Stadt:
„Zu Rheine befördert, jagt er, habe er populum satis
dissolutum befunden, daher jelbes nicht fobald in ordinem
bringen können und jolle ihm feiner in Wahrheit nachjagen
fönnen, daß er in concionibus, in celebrandis divinis
je nachläſſig befunden fei; im Gegenteile habe er die Vikare,
jo fih hin und wieder verhalten, ad residentiam in Güte
voziert und, als das nicht geholfen, im Rechtswege gegen
fie verfahren, wie beiliegendes Dffizialatsmandat ergebe.
Wie er auf eigene Koften die Altäre und Kirchen zu Rheine
zu erneuern jebt thätig jei, juche er auch möglichit den ka—
tholiihen Glauben dort zu verteidigen und Kebereien aus:
zurotten. Er habe dies thatſächlich und mit Lebensgefahr
zu Rheine ante anni Japsum bewiejen, da ein verfluchter
Keper ſich heimlich in die Stadt eingeſchlichen und bei Nacht
25
angefangen, suo modo zu predigen und feine Schafe zu
verführen: er habe fleißig gefahndet, ſei bei Nacht einge:
broden, babe ihr verdammtes Fürnehmen zeritört und 2
Bücher davon gebradt,!) jo noch bei ihm vorhanden und
er den Herrn Räten zu behändigen bereit jei; er habe jofort
beim Droften Anzeige gemacht und beim Dffizial Mandate
erwirtt, daß jolde Wölfe möchten zeritreuet werden, wie
aus beiliegendem Mandat erjichtlich jei. Was dann Das
betreffe, daß die Beicht turmatim gejchehe, jo habe er
publice und privatim feine anbefohlenen Bürger und Kirch:
ſpielsleute unterſchiedlich ermahnt und ihnen auferlegt, juxta
praescriptum S. catholicae et Romanae ecclesiae einzeln
bejonders die Beicht zu thun, ihnen zum Troſte ihrer Seelen
und Seligfeit, habe aber bisher nichts oder wenig erhalten
fönnen; er bitte daher, ihn von oben herab in diejem Punkte
zu unterjtügen. Gr hoffe, man werde die angedrohte Er:
fommunifation nicht in Kraft treten laſſen, bitte ſonſt um
Losſprechung von derjelben und, jofern er ſich vergangen,
um Berzeihung.“ Dred wurde jedoch am jelben Tage
(20. Nov. 1603) feines Amtes entjegt und ihm aufgegeben,
bei hoher Strafe binnen 4 Wochen den Wedemhof (die Pa—
ftorat) zu räumen. Er fagt jelbit jpäter in einem Briefe,
„weil der firhlide Nat in Münfter die Konfejjion der
evangeliſchen Religion nicht zulailen wollte, habe er
jeine chriftliche Gemeinde dem reißenden päpſtlichen Wolfe
übergeben ſollen.“ „Betrübten und befümmerten Gemütes
eilte Dred alsbald nach Herford und die lutheriiche Batronin
jeiner Stelle, die wohledle Äbtiffin Magdalena, geborne
Gräfin zu Lippe, legte jih auf fein Anſuchen alsbald un—
term 6. Dez. 1603 beim Fürftbiichofe für ihn ins Mittel;
Dred jei, wie jie bezeugen müſſe, kanoniſch eingelegt und
in Rheine, wo er die Paftorat wiedererbauet und große
') spolia ampla! bemerft der Biſchof jpöttiicd dazu amı ande.
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Koſten angewandt, wohlgelitten, wie die beiliegenden Zeug:
niffe der Ortsbehörden (ſ. ob.) befundeten; kraft ihres Pa-
tronatrechtes erjuche fie den Biſchoff, das Mandat jeiner
Räte, das den Paſtor mitten in beſchwerlicher Winterzeit
jeiner Pfarre beraube, rüdgängig zu machen, ihn vielmehr
im Beige der Pfarre, die fie ihm verliehen, zu jhühen.
In gleihem Sinne wandte fie ſich am jelben Tage an die
fürſtbiſchöflichen Räte. Geſtützt auf diejes Einjchreiten führte
Dred, trogdem das Dffizialat in Münfter die Abfegung auf:
recht hielt und den weltliden Arm anzurufen drohte, jein
Amt in NhHeine fort „zum höchſten Ärgerniſſe der Katho—
lifen, ſtellte fih von Tag zu Tag ärgerlicher an, drohte,
einen etwa von Münfter ihm gejandten Nachfolger dermaßen
zu empfangen, daß ihm das Lachen vergehen jolle, übte
allerlei Mutwillen, verwundete fogar feinen (fatholiih ge:
jinnten) Kaplan tödlich), jo daß die Kirche nicht ohne gerin-
ge3 Ärgernis 12 Tage geſchloſſen blieb. 1) Das bifchöfliche
Offizialat ruft daraufhin am 6. April 1604 den weltlichen
Arm wider den Abgejegten an.?) Ein Schreiben des Stabt-
richterd Borchorſt an die Negierung v. 22. Mai mit neuen
Belegen über das ärgerlide, Unruhe veranlafjende Auftre:
ten Dreds, vor deſſen Mutwillen er mit Weib und Kind
nicht mehr jicher jei, verjchärfte noch die gereizte Stimmung
in Münfter gegen Dred. Die Abjegung Dreds wird darauf
am 12. Juli 1604 in latiori forma allgemein fundgemadt;
Dred fjolle Regifter und Einkünfte der Pfarre dem Richter
ausliefern und den Wedemhor räumen, der Richter jofort
alles und jedes, was Dred gehöre, mit Beichlag belegen,
bis Dred diefem Dekret Folge geleijtet. Da alles erfolglos
blieb, trat endlih am 1. März 1605 die angedrohte Ere-
fution duch den weltliden Arm ein. Die fürftlichen Be:
!) So das Dffizialatsichreiben v. 6. April 1604.
2) Keller a. O. U. Nr. 338.
ar
amten zu Bevergern hatten unterm 25. Febr. 1605 ſeitens
der fürftlihen Räte Befehl erhalten, Dred mit Gewalt aus
dem Pfarrhauſe zu vertreiben und gefangen zu nehmen,
bis er Gehorjam gelobt und verbürgt habe. !) Sie mögen
es aber mit Rüdiiht auf das gemwaltthätige Weſen Dreds
und die Stimmung der Bürgerihaft für rätlich gehalten
haben, vorfichtiger aufzutreten; unter Zuziehung des Rich:
ter3 laſen jie Dred den Ausweijungsbefehl vor und for:
derten ihn auf, binnen 24 Stunden „de Wedthumb“ zu
verlajjen. Dred proteftierte unter Berufung auf jein von
Herford ihm verbrieftes Recht; Tags darauf und neuerdings
am 7. März bat er die Regierung, bis zur Erledigung
feiner Beichwerden den Befehl zu fiftieren, indem er am 6.
März zugleich wieder das Einfchreiten der Äbtiſſin von Her:
ford nachſuchte. Es wird von Belang fein, feitzuitellen, wie
die Bürgerjchaft von Nheine jich jet zur Sade ſtellte: Bür—
germeilter und Rat treten auf Anſuchen Dreds alsbald am
4. März bei der Regierung für diejen ein, „inmaßen jie
das anders nicht fpürten noch wühten, dann daß ihre jänt-
lihe Gemeinde und Bürgerihaft mit ihrem Paſtor ein herz:
lihes Mitleid getragen und aud noch ſämtlich wünjchten,
dag für einmal dieſer beichwerliden Anmutung überjehen
und (jelbe) zum beftändigen Stillftand gejeßt werden
möchte. 2)
In ein neues Stadium trat die Angelegenheit dadurch,
daß Dred jih in den nächſten Tagen erbot, den Pfarrhof
zu räumen, wenn ihm Erſatz geleiftet würde für die Koften,
die er auf das Pfarrhaus verwandt habe, und vor Ablauf
der Stägigen Räumungsfriſt mit Weib und Kindern aus der
Wedeme in Bertlints Haus am Markt, und dann in Otto
v. Münſters leer ftehendes Haus dem Wedemhofe gegenüber
) Keller a. D. II. Nr. 342.
2) Herforder Alten a. D.
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309, während er Gefinde und Vieh im Pfarrhofe belieh.
Bezeichnend für die Stimmung in der Stadt ilt, dab der
Stadtrichter aus Furcht vor einem Aufruhr nicht wagt,
auf die bloße Hülfe feiner Gerichtsdiener geftügt, den Dreck—
jhen Hausrat aus dem Pfarrhofe zu jchaffen, und der Ne:
gierung rät, die Bürgermeilter mit der Gefangennahme
Dreds zu beauftragen, indem man diefen erit aufs Nathaus
lade.) Die Dred ergebenen PBroviforen der Kirche (Otto
Bertlinf, Tonies Hoet — Dreds Schwager — und Gerdt
ton Sande) berufen jich in einem Schreiben v. 15. Märzan
die Äbtiſſin v. Herford jelbitredend auf das für Dred rege
Mitgefühl der „ſembtlichen Gemein und Bürgerjchaft.
Dred paftorierte inzwijchen weiter, unterließ aber nicht, am
14. März die bifchöfliche Behörde nochmal3 um Gnade zu
bitten; er wolle fich jeder Cenfur unterwerfen und fein Le—
ben ändern; man möge ihn in feiner Stelle belajjen oder
doc) entichädigen. Während nun der Amtsdroite Herm. vd.
Velen riet, Dred, außer dem nur ein Kaplan in Rheine
jei, aus der Stadt zu Schaffen, da Oſtern bevoritehe, woll-
sen die fürftlichen Näte noch verjuhen, ob Dred nicht zur
Kaution de non offendendo vermodht werden und jo von
feiner Verhaftung abgeiehen werden fünne?). So jchleppte
jih die Sache unverändert bis in den uni hinein. Da
läuft (am 7. Juni) Anzeige bei der Negierung ein, mit
Dred jei gar nicht auszufommen; er trete nur mehr be=
warrnet auf, drohe und beichimpfe fatholiihe Bürger; er
babe ih einen auten Anhang verichafft und es fei ein
Aufruhr von ihm nach Ketzerart zu befürchten; er predige
’) Edjreiben Borchorſts v. 9. März 1605.
?) Um 20. Mai klagt Dre der Abtiſſin v. Herford, er müſſe inmitten
der ihm aubhangenden Gemeinde wie ein Oefangener fich erhalten;
er habe ſichere Nachricht, das man ihn gefangen ſetzen wolle und
die Paſtorat jchon einem anderen verlichen habe,
und paftoriere indes weiter; nur feine Entfernung aus der
Stadt werde Nbhülfe bringen. Darauf hin erfolgte dann
Tags darauf Anweilung an die Beamten in Bevergern,
Dred gefangen zu ſetzen, zugleich aber ihm billige Erſtattung
zu geben. Zur Ausführung diejes Befehls am Mittwochen 22.
März waren zufolge Tags vorher eingelaufener Anweiſung
mit dem Stadtrichter auch die beiden Bürgermeilter von
Nheine herangezogen; Rentmeiſter Volbier rüdte an jenem
Mittwoch vormittags mit einer Heinen Abteilung Soldaten
vorjichtig nach Rheine, ließ die Bewaffneten vorerjt draußen
und wollte jo, wo möglih, ohne Aufheben! zu machen,
während die bevoritehende Verhaftung Dreds noch nicht ruch:
bar geworden, mit den oben genannten Givilperfonen und
den Ratsdienern die WBerhaftung bewerfjtelligen — aber
man fand das Neſt leer: Dred hatte Durch jeine Freunde
in der Stadtvertretung!) Wind befommen und war
in der Nacht vorher um 2 Uhr auf Veranlaſſung jener
„Ratsverwandten” durch die Pförtner am Münſterthore aus
der Stadt gelajjen; von O. Bertlint bis an den Bünerberg
begleitet, hatte er unterwegs ein übers andere Dial geichrieen
und die Hände ringend nad der Ztadt fih umgewandt mit
den Worten: „O du edle Nene, ich jehe dich jeßt mein
Tage nicht mehr!” Mit feinem Schwager, dem Bizefuratus
zu Neuenkirchen, v. Münſter,?) der mit ihm Nheine verließ,
zog er durch Sutrum über Horftmar, wo die Paſtores dem
Bolizeiberichte zufolge in Hausfods Haufe 3 Kannen Wein
getrunfen, ins Ausland. „Aus der Fremde, wo er mit
jchweren Koften leben müſſe,“ bittet er (ohne Ortsangabe)
wiederholt zu Anfang Juli die Negierung um freies Geleit
nah Rheine, um jein Korn einzuernten und feine Vermö—
) So die Ausſage des Rentmeiſters v. Pevergern in der anonymen,
an die Regierung gerichteten Bittichriit 1605.
2, Ein anderer Schwager, Chr. Edeling, war Paſtor v. Dingden.
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gensverhältnifie zu regeln!); er wolle ſich jo verhalten, daß
feine Klage entitände; man möge ihm eine andere Pfarre
zu jeinem Unterhalte verleihen; für feine Aufwendungen
verlangte er Schadenerfag. Sowie er jelbit, wandte fih dann
alsbald auch der Stadtrat von Rheine an die Abtiffin
von Herford mit der Bitte, ſie möge bei der Regierung zu
feinen Gunſten einjchreiten?), was denn aud, jedoch ohne
Erfolg, geihah. Die bijchöfliche Behörde verlieh die rhei:
neſche Prarritele dem Joh. Schmeddes (wohl aus Horftmar
gebürtig), der bis dahin „auf der Univerfität Löwen in
päpftlicher Heiligkeit Kollegio’ Theologie ftudiert hatte; am
1. Juli 1605 führten ihn „‚‚etlihe Herren des geiftlichen
Rates“ ein und bejichieden dann Bürgermeijter und Lohn—
herren in die Kirche, ihnen die Einjegung befannt zu geben
und vorzubalten, daß fie den neuen Pfarrer in feiner Stel-
lung „ſchützen und manutenieren‘ möchten, worüber ver:
wundert die Stadtbehörde alsbald (8. Juli) an die Abtiffin
von Herford berichtete. Der neue Pfarrer „‚paitorierte jeit-
dem die Gemeinde allein nach der alten Kirche Ceremonien.“
Er hatte aber einen jchweren Stand in der Stadt. Beim
Eintritt in das Pfarrhaus mußte er gewahren, daß ‚des
abgejegten Paſtors Köchin und Freunde, davon die ganze
Stadt voll, das Wedemhaus jo entblößt und ausgeräumt
hatten, daß nur allein die alten Wände darin zu ſehen;“
Bücher, Negiiter und Belege über Stiftungen, Gefälle nnd
Einkünfte der Pfarrjtelle, der Bilarieen und Kirche hatte
Dred mit fortgenommen, jo daß Paſtor Schmeddes jich und
!) Seit dem 25. Juli befand er fih „auf Haus Rodenleuwen“
im Glevifchen, von wo er 27. Juni und 18. Juli Schreiben nad)
der Propftei Ejjen richtete, um dort bei ihrer Anweſenheit die Abtifjin
von Herford ſelbſt zu treffen. Cr hatte danadı bei Herm von
Yangen (j. u.) Unterkunft gefunden und blieb dort in brieflichen
Verkehr mit Bürgern von Rheine.
2) Vgl. die Antwort der Abtiffin v. 2. Juli 1605 (Herf. Alten a. ©.)
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jeinen Kaplan aus jeinem Privatvermögen unterhalten mußte.
Der neue Pfarrer jchwebte, wie feine ihm den Haushalt
führende Mutter der Regierung Hagte, jogar in täglicher
Lebensgefahr. Als im Dftober 1605 „der gewöhnliche Herbit-
jend im Wedemhofe vom Archidiakon Sander Lennep gehal:
ten wurde und die SKirchendiener dort verjammelt waren,
fam des abgejegten Paſtors angegebene Frau ungeſtüm herein,
jeßte fih, während mit Hellebarden bewehrte Burſchen hinter
ihr eintraten, zu den auf der Kammer Verjammelten, fragte
ironiſch nach dem abmejenden Nichter, Ichalt den Pfarrer
und ließ verlauten, es jolle ihm das Herz kalt gemacht wer:
den; auch die Kirchenräte madten fi dann unnüß über
den neuen Pfarrer und jchlugen ihm Knippen für.” Man
fieht, die proteitantiichen Elemente herrichten noch in der
Stadt und waren in ihrer erregten Stimmung keineswegs
gewillt, der in Münfter durch die Jeſuiten inaugurierten
Richtung gegenüber zu Kreuze zu kriechen.
Die Unruhe wurde noch vermehrt durch das Gerücht,
der entfernte Baftor weile wieder dort in der Gegend, fo
daß die Regierung auf denjelben zu fahnden und ihn zu
verhaften befahl. Dred aber hatte zu Anfang Oktober 1605
‚ih in der Generaljtaaten Dienſt begeben und eine Prediger:
ftelle in der holländischen Feitung Covorden angenommen,
die ihm eine Bejoldung bot, Weib und Kinder ehrlich durch—
zubringen.”1) Bon dort aus wandte er ſich in wieberhol-
ten Gejuchen, worin er ji als Diener des göttlihen Wor-
tes tho Govorden unterzeichnet, an die münfterfche Negie-
rung um Erftattung der Koften, die fein Vater und er auf
Pfarrländereien und Pfarrhaus in Rheine aufgewandt hät:
ten; fein jel. Bater habe einen neuen Saal und eine Stube
an den Pfarrhof gebauet u. j. w. Dieje Forderungen un—
terjtüßte, da Dred jebt zu jeinem Gouvernement gehöre,
2) Schreiben Dreds v. 4. Dit. 1605 (Herf. Alten a. DO.)
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auf Dreds Erfuchen Wilhelm Ludwig Graf zu Naffau durd
ein unterm 12. Juli 1607 an die münſterſche Negierung
gerichtete8 Schreiben.). Dieje aber bat den Grafen am
4. Sept. 1607 auf Grund einer vom neuen Pfarrer Schmeb:
des ausgeführten Widerlegung der Dredichen Bejchwerden,
den Beichwerdeführer abzumeiien. Dred aber wandte jich
im Juli des folgenden Jahres, „nachdem er eine langwie:
rige Krankheit überftanden,” unter bejonderer Aufitellung
jeiner Forderungen bejfonders mit Betonung des Umſtandes,
daß man ihm väterliches Privatgut vorenthalte, neuerdings
an den Grafen, jo daß diejer nebit Krynn de Blacu zu Co:
vorden die fürftlich Münfterjche Negierung aufforderte, Dred
„ohne langen Verzug klaglos zu ftellen.” Der Gegenbericht
des Pfarrers Schmeddes griff Punkt für Bunft Dreds Auf:
ftellungen an; wenn PBatrimonialgut nicht unterjchieden werde,
fomme dies nur daher, daß Dred alle Regiiter mitgenom:
men; die möge er erit ausliefern. In diefem Sinne erwi:
dern die füritlichen Näte unterm 3. Nov. dem Grafen, der
alsbald, indem er den Standpunkt Dreds fejthielt, welchem
man „aus Haß der Religion‘ das Seine vorenthalte, durch
ein Schreiben d. d. 's Graven Haag 15. Nov. (neuen
Stils) 1608 „das ernite Begehren‘ wiederholte, Dred zu
befriedigen, midrigenfalld® er „bedenken werde, ihm mit
andern Mitteln und Wegen zum Seinigen zu verbel:
fen.” Mittlerweile fand Dred, der bislang, wie er jagt,
auf Befehl der Äbtiffin von Herford „die Jura und Negi-
fter der Baltory von Rene verwahrjamlich vorenthalten, 2)
fih veranlaßt, auf Erfordern derjelben Äbtiſſin jetzt, da man
2) Dal. Keller a. O. II. Wr. 363.
?) Selbe waren ſchon 1605 von ihm nad) Herford eingeliefert, einem
Schreiben der Abtiſſin v. Herford v. 23. Aug. 1605 zufolge; die
Briefe Dreds v. 12. Ott. 1614 und 20, Nov. 1621 zeigen, daß
er die Haupturkunden zurüdbehalten hatte und wohl nad Her:
ford, aber nicht nad) Münfter ausliefern wollte,
35
gegen Einlieferung derjelben feine Güter frei zu laſſen ver:
iprah, „dem ehrbaren Rate dero Stadt Reine einen Kalten
mit Briefen verwahrjamlich zu überantworten‘. Als man
aber auch nun jeine Anfprüce nicht befriedigte, forderte
auf jein Anfuchen der Graf Wilhelm Ludwig d. d. Leuwar—
den 12. Mai 1610 die miünfterfchen Näte „zum lebten
Male nad jo langer Geduld” auf, Dred klaglos zu ftellen,
widrigenfall8 er andere Mittel brauchen müſſe.
Währenddes behaupteten in Rheine die protejtantijchen
Elemente da3 Übergewicht troß der Einfeßung eines katho—
liihen Pfarrers und trog des Verbot, andere als fatholijche
Perjonen in den Stadtrat zu wählen, !) und trogden man
denen, welche nicht Fatholiich fommunizierten, das Firchliche
Begräbnis verweigerte. ?2) Daß der Nat auf Seiten des ab-
geſetzten Baftors jtand, erhellt Schon daraus, da ſowohl diejer
als die Äbtiſſin von Herford dem Stadtrate das Pfarrarchiv
in Verwahrung gaben, um es eventuell nur nach ihrem Wil-
len verabfolgt zu willen. Die tiefe Kluft, welche die Stadt:
vertretung und den Fatholiichen Pfarrer trennte, zeigt jich
in einem Vorfalle des Jahres 1611, welden das Rats—
protofollbuch meldet.?) Die Honoratioren der Stadt waren
am 27. Juli 1611 von Mbreht v. Langen zum Rodeleu:
went) auf deilen in der Stadt belegenen adeligen Hof ge:
laden. Als man auf gegenjeitiges Wohlergehen ſich den
Humpen zutranf, brachte Bürgermeilter Michael Balkhaufen
e3 auch dem Pfarrer Joh. Schmeddes zu „auf der Bürger:
meifter, des Rats und der ganzen Bürgerei Gefundheit und
Wohlfahrt.” Der Pfarrer ſchien das anfangs nicht zu ver:
) Keller a. ©. II. ©. 287.
?) 0. D. Nr. 400.
*) Protok. v. 1609—1625 (Pergam.:Bd. Staatsarch. Münſter) fol. 10 f.
9 Rodelewe it urfprünglic) Name eines Gutes im Kſp. Hoetmar; ſ.
Darpe, Cod. trad. Westf. IL, p. 191, val. p. 207 sg.
XLVI. 1. 3
34
jtehen, als aber der Bürgermeilter feine Worte wiederholte,
fuhr Schmedde3 „ſchier aus Drunkenheit“, troßdem Herr
von Langen ihn zurüdzuhalten juchte, mit injuriöſen Schimpf—
wörtern gegen Bürgermeilter und Nat los, Die er insge—
jamt nur „für Hurdelers und Prachers halte.‘ Er wei:
gerte ih, auf das Wohl der Natsverwandten zu trinfen,
und der Nat lieg am 4. Auguit den Junker Yangen als
Zeugen in der Injurienſache amtlich vernehmen. Tier Ein:
fluß des abgeiegten Pfarrers war dagegen, wie e3 jcheint,
noch jo ſtark, daß evangeliich geſinnte Bürger diejen nad:
zogen; wenigitens beruft ſich Dred gegen Ende April 1610
auf „die Bürger der Stadt Renen, jo jetzo binnen dieſer
Stadt Covorden ankommen ſein.“,') Mit welchen Miß—
trauen in firdliden Dingen vie fürſtbiſchöfliche Regierung
der Stadtvertretung von heine gegenüber erfüllt war, be-
fundet die Thatjache, daß man den 76jährigen Geiftlichen
Herd Keritiens aus Rheine, welchem Bürgermeitter und Nat
1612 die Bilarie am neuen Hoſpital daſelbſt verliehen hats
ten, troß wiederholter Bitten, ihm Doch die 20 Goldaulden
Gehalt auszjuzahlen, welche der Amtsrentmeifter von Saſſen—
berg ihm aus der Mühle zu Warendorf jährlich zu zahlen
hatte, 4 ‚jahre hindurch vergebens auf ſein Geld warten lie,
obſchon der jeit 1605 an Borchorits Stelle getvetene Stadtrichter
Lie. Erasmus Yethmate die fatholiiche Belinnung des Gewähl—
ten beicheinigte, ja hervorhob, derjelbe ſei von den Ztatiihen
(Hollündern) propter religionem aus feiner Bräbende zu
Delden in der Imwente vertrieben — er gebe jetzt Sonn u.
Seiertags, um Gotiesdienit zu halten, von Rheine nad Di:
denzaal —, und die Aufhebung des Einkommen-Arreſts be—
fürmortete.
1) Ditob. 1614 und Nov. 1621 unterzeichnet jih tom Dredte als Pre—
Diger der Gemeene Goedes der Herrlichkeit Middelſum in Gronin—
gerland.
35
Bei abwartenden Mißtrauen ließ es aber die Regie:
rung bald nicht mehr bewenden: mit dem Negierungsantritte
Ferdinands von Baiern hörte die Duldung abweichender
Bekenntniſſe im Münſterlande grundjäslid auf und den
Diſſidenten blieb bald feine andere Wahl, als das katho—
liiche Belfenntnis anzunehmen oder das Yand zu verlajien;
gegen jeden, der ih von der Meile fern hielt, ging man
unnachſichtlich mit Yandesverweifung und Gütereinziehung
vor.) Wie Bocholt und Borfen,?) jo wurden im Nord:
weiten des Hochitifts auc) Vreden, Ahaus, Meteln und Borg:
horit meiit zwangsweiſe dem Katholizismus wieder zugeführt. ?)
Den Bewohnern wurde ein Termin gelegt, bis zu dem jie
der Neuerung entjagen oder den Ort verlaljen mußten. *)
Manche mögen da, um Heimat, Haus und Hof nicht ver:
laiten zu müſſen, zu Kreuze gefrochen fein; andere aber er:
griffen den Wanderſtab. Damit beginnt dann in Rheine
eine Zeit der Auswanderung protejtantiicher Elemente; die
Zhatjache der Auswanderung ſelbſt und ihr Umfang geben
uns den Gradmeſſer Fiir die Feſtigkeit der Überzeugung und
die Ausdehnung, welde der Protejtantismus in der Stadt
erlangt hatte.
Von dem in der Stadt bis dahin angejeffenen Adel
finden wir die von Münjter, welche wir oben in nahen Be:
ziehungen zu Paſtor Dred trafen, ſchon 1618 nicht mehr
vertreten;?) Albrecht von Langen, deſſen Stamm feit mehren
ı) Erhard a. D. ©. 446.
2) Nidert, M. U. ©. I. 366 ft.
) ©. das Echreiben des Oeneralvifars an den Fürſtbiſchof vom 13.
Nov. 1632 (M. X. A. 265): quos ad fidem per eoactionem,
ut plurimum, adduximus heißt es da. Seit 1609 war übrigens
die Unterweiung des Volkes in den Amtern Ahaus und Pevergern
den Jeſuiten übertragen; Keller a. O. IL, Nr. 401.
) Nieſ. M. U. S. 1 ©. 408 ff., val. Vorrede ©. 28.
°) S. Zeitichr. für weit). Geſch. u. Altertt. Bd. 38. ©. 91. — 1605.
28. Dez. verlaufen Otto von Müniter und Mechelt, ſeine Frau,
3
36
Sahrhunderten auf einem Adelshofe binnen Nheine gejeffen,')
der ſelbſt aber, jeit diejer ,, Erbgejejlene zum Rodelöuwen“
im Fürftentum Cleve ſich niederlaſſen, nur zeitweilig nod)
in der Stadt erjchienen war, veräußerte 1615 jeinen Hof
an die Stadt und zog endgültig aus Nheine fort; daß er
ins Gleveiche 309, wo der Proteſtantismus geduldet war,
deutet auf Übergang zum proteftantiichen Belenntniffe. >)
Das „‚protocollum eines ehrbaren Rates dero Stadt Nene
v. %. 1625 fi.” führt als Ausgewanderte an: Joh. Dantel:
mann, Joh. tom Walde und Joh. Morrien. Der legtere
Icheint der damalige Beliger des Faltenhofes zu Rheine zu
jein, ältefter Sohn Wilhelms von Morrien, Sprofie einer
Familie, die jpäter Glieder reformierten Bekenntniſſes zählt.?)
Die von Keffenbrink (j. 0.) wanderten bis auf einen Sproſ—
jen, der mit einer v. Neiherhahn vermählt war, damals in-
folge des Konfefjionszwanges aus Weitfalen fort ; fie wohnen als
Bürger zu Rheine, an TJakob von Peilten zu Emsdetten ihre im
Emsdetten gelegene Behanfung mit Stallung ımd Garten. (Staats:
archiv Mitr., Urk. der Stadt heine).
1) In der Yandesvereinigung v. I. 1519 findet ſich Dyrich van Yanahen
to Reyne;, Kindl. Münſt. Beiträge I. S. 223. Bal. Ztſchr. für
weit. Geſch. und Altertt. Bd. 38. ©. 9.
?) 1610 verkaufen auch Bernh. von Schedelich, Bürgermeiſter zu Ott—
marjum, und Gert, Kaspar und Alb. v. Yangen, Erben el. Bern:
hards v. Yangen und Zophien Schedelich, Bürger zu Rheine, gewe—
jener Cheleute, binterlaifene Kinder, als VBormünder und Prüder
des abwejenden Bernh. dv. Yangen, an Otto Schwalve und Alheid
Stuve, jeine Frau, ihr elterlihes Haus am Markt zu heine zwi—
ihen Otto Bertelints Haus und der Herrenftraße nahe bei Dr. Rud.
Kellers Haus gelegen. (Staatsard. Münſter, Urk. d. Stadt Rheine).
) ©. Ztiſchr. für weſtf. Geſch. Pd. 38. ©. 91; Bd. 40, ©. 122.
Der Herforder Hof, den die Familie zu Lehen trug, verblieb in ih:
rem Belite. Am 13. San. 1631 verwenden fi Wilh. Morrien,
Serr zum Salfenhofe, und Matth. Korff gen. Schmifing beim Fürſt—
bijchofe um jeine WVermittelung anläßlich der Neparatur der Kirche
in Rheine (M. Y. A., Rheine, Ecclesiast.).
37
Grafen und Herren jetzt in Pommern.) Bon Bürgern
Nheines wanderten weiterhin zufolge dem Natsprotofolle am
25. Mai 1625?) aus: Gerd Stüve und Michael Balkhaus,
beide frühere Bürgermeifter, Bernd Bönefer, Bernd, Joh.,
Henr. und Tonis Nörding, Herm., Gerd, Bernd und Dtto
Bertelint, Walrad Keriting, Martin Stüve, des Bürger:
meilterd Gerd Stüven Sohn,?) Klaus Weſſelink, Henr. Cor:
des, Sebald Holjten, Reinhard tom Walde,t) Joh. Pott:
geiter, Henr. Waflenborg, Henr. Keller, Heidenrich Sickmann,
Joh. Niehoff, Wild. Henje, Henr. von Morlage,?) Otto
Schwalve und Herm. tor Heide. Im ganzen waren bis
dahin 29 dijjidentijche Bürger, darunter wohl eine Reihe
Familienväter, abgezogen. Als in der Folge viele derjelben
heimlich jich wieder eingefunden hatten, fam am 13. Auguſt
1625 jtrenger Befehl von Münfter, ihnen die Niederlaffung
nicht zu geitatten und fie im Betretungsfalle gefänglich ein:
zuziehen. Am jelben Tage langte der Generalvifar Pater
Deithmarus von Münfter an, beſchied auf 7 Uhr morgens
des folgenden Tages die Zurüdgefehrten aufs Rathaus und
eröffnete ihnen in Gegenwart des Stadtrichters Lethmate
i) Auf früheren Reichtum jenes Geſchlechts deutet der 1853 auf dem
jogen. Kevenbrints» Erbe bei Rheine gefundene Schag bin, beitehend
aus 45 Stück Turnoſen und 6908 Denaren, die um das Jahr 1350,
wo bei Rheine der Kampf zwiſchen Münfter und Steinfurt ſich ab-
jpielte, vergraben waren. Vgl. Münzfund bei Rheine von L. u. €.
Weddige, Münſter 1855.
2) Val. Nieſert, M. U. ©. J. 408 ff.
3) ſeit 1611, wie ſein Vater ſeit 1576, Mitglied der Schneidergilde,
welcher zahlreiche angeſehene Bürger, die außer dem Handwerk ſtan—
den, damals angehörten.
*) 1613 aweiter Gildemeifter der Schneidergilde,, welcher meiit von Bür—
gern außer dem Handwerke entnommen wurde; er gehörte jeit 1596
oder 1601 der Gilde an und entitanımte einer im Orte zahlreich
verbreiteten Familie, die audy (zum Teile?) den Namen Kerterinf
führte.
5) auch jeit 1615 Mitglied der Schneidergilde,
und der beiden Bürgermeilter, daß fie bei Strafe von 52
Goldgulden Haus und Stadt zu verlalien hätten. Andere,
die bislang noch nicht ausgewiejen waren, weil fie ſich Bes
denfzeit erbeten, wurden, da jie noch feine Erklärung bis
dahin abgegeben, nachmittags voraeladen. Als Diele fich
eine Verlängerung der Friſt ausbaten, gab ihnen der Ge—
neralvifar Ausitand bis zum Felte Mariä Geburt; falls fie
jih bis dahin nicht „der Neligion bequemen‘ würden, hät:
ten jte die Strafe zu gemwärtigen. „Auch einige Frauens—
pertonen wurden in Sachen ber Religion vor den Pater be=
ſchieden.“l!) Als dann das Feſt Mariä Geburt (S. Sept.)
fam, fand jich der Generalvifar wieder „mit noch einem
Bater societatis” ein, um zu fehen, ob die Belehrung der
Schwanfenden jich auch wirklich vollzogen, und er hatte nun
die Genugthuung zu vernehmen, daß „die Neligionijten ſich
gemeinlid ante et in termino Marik Geburt zu Beichte
und Kommmnion geltellet.” Tags Darauf verließ er Die
Stadt wieder, nachdem er zuvor noch mit dem Nichter und
den Bürgermeiltern „auf der Ratskammer wegen der Neli=
gioniften’ eine Konferenz gebalten.
Den oben über etliche der Ausgewanderten mitgeteils
ten Daten entnehmen wir, daß die Ausweiſung, wie auch
natürli, vornehmlich jene Natsverwandten und Bürger
traf, melche vormals, zu Zeiten Dreds, die Wortführer
in der Stadt gewejen waren. Der Widerſtand, den Sie
und das Gros der Gilden, denen ie angehörten, in den
Jahren 1522 und 1623 auch auf politiichem Gebiete der
fürjtbiichöflichen Negierung bereitet hatten, als Nie die Auf:
nahme des Kriegsvolks des Grafen von Anholt bis zum
äußerjten, — jo dab; Rheine jogar bombardiert und zur Zah—
lung einer Strafiunme von 25,000 Thlrn. landesberrlich
verurteilt wurde, — verweigerten,?) hatte die Aufhebung der
1) Matsprotofoll, Stadtarchiv Rheine,
2) Näheres ſ. Ztichr. fir weſtf. Geſch. m. Altertk. Po. 44 2. 100 ff.
39
Gilden, die Vernichtung der bürgerlichen Selbitändigteit, ")
zur Folge; jet fette die Negierung den Oppojitionsführern
und ihrem Anhang, joweit fie am Diſſidententum feithielten,
furzer Hand den Stuhl vor die Thüre.
Wie nahe liegt, mochte aber die Stadtbehörde in der
Folge, eigener Sympathie, perjönlichen Beziehungen oder
samilienverbindungen zu Liebe, ein Auge zudrüden, wenn
ich einige Proteſtanten fernerhin in der Stadt aufbielten;
Pfarrer Schmeddes jedoch erjuchte am 8. März 1626 den
Stadtrat, „die Neligioniften, jo allhie noch vorhanden, als
Otto Bertelint mit Frau, Weſſel Kramer, Herm. Dankel—
mann, Tonies Nörding und andere aus der Stadt zu ver:
weifen, weil jie anderen rgernis gäben und damit jo dem
Befehle des Biſchofs Genüge geichehe.?) In den Stür—
men des 30jährigen Krieges wird übrigen! eine genaue
Kontrolle wohl nicht immer möglidd oder wirkſam gewejen
jein: infolge deſſen überreichte der in der Stadt kom—
mandierende biſchöfliche Kommiljfar von Wendt einen fürft:
lihen Befehl, „daß den verwichenen Neligionsverwanpten
in feine Wege allhie in der Stadt ihre Handtierung zu trei:
ben, Sich aufzuhalten und umzugehen jolle geitattet, \ondern
fie Jollten ausgewiejen werden.” Demgemäß wurde am 16.
Mai 1626, als die Bürgerichaft, wie gewöhnlich bei wich:
tigen Belanntmachungen, durch Glodengeläut aufs Rathaus
beichieden wurde, neuerdings vom Nate einaeihärft, die
Birgerwachen follten feinen Unbefannten und Fremden ohne
Meldung in die Stadt laſſen und, falls jich Proteitanten
am Thore einfänden, jelbe vor dem Gintreten warnen, Da
der biſchöfliche Kommiſſar Die ſtrengſten Befehle befommen
habe.s) Einige Tage ſpäter (21. Mai) richtete der Stadt:
) Durch den Revessus destitntorius Des Fürſtbiſchofs Ferdinand v.
15. März 1627.
2) Matsprotofoll, Stadtarch. Rheine.
3) Ebendaſelbſt. Val. Nieſ. M. U. S. J.
60
2
40
rat an den Ardhidiafon von Stetteler die Bitte, man möge
den Bürgern Quirin Kremer, oh. Bedering , Joh. Hage—
mann, oh. Barwid und Gerd Berlink, die nunmehr „der
Religion fih bequemt,’ die Geldjtrafe nachlaſſen, wie ihnen
dies in joldem Falle ſchon Pater Deithmarus verjproden.!))
So lichteten fi denn die Reihen der Proteftanten in Rheine
vollends, allerdings um den Preis, daß auch die Bürger:
Ichaft ſich lichtete und etliche gute Elemente der Stadt dauernd
entzogen wurden; der Magijtrat fertigte 3. B. den ihres
Befenntniffesg wegen ausgewanderten Bürgern Herm. Dans
felmann und Soft Kloppenburg am 10. Juni 1626 ein
Zeugnis „ihres redlichen Handels und Wandels“ aus, und be-
zeugte, „daß fie an die 24 Jahre hierorts im Eheftande gelebt,’
und in einer Bittjchrift, welche unterm 2. Dez. 1625 nad
Münfter abging, um Befreiung von der Einquartierung der
in dortiger Gegend lagernden bijchöflichen Truppen zu er—
langen, hob die Stadtbehörde gradezu hervor, daß die
Kriegslaften und Beichwerden ſich gehäuft, Die zu denjelben
beranzuziehende Bürgerihaft aber „durch Abzug vieler Bür:
ger, darunter aud der Proteſtanten, ſich gemindert habe
und jo die Stadt entblößet worden ſei.“?)
So war mit Aufhebung der Gilden die politijche
Dppofition, mit Ausweiſung der Proteſtanten der Wi-
derftand gegen die Religionsedikte Ferdinands von
Baiern, wie jener bejonders im Feſthalten an dem abge:
fetten Pfarrer hervorgetreten war, dauernd in Rheine ver:
nichtet. Als Kurfürit Ferdinand durch den Recessus re-
stitutorius vom 15. März 1632 der Stadt ihre politifchen
Privilegien teilweife zurüdgab,?) verfügte er, daß jeder
Bilde eine neue Rolle oder Ordnung gegeben werden folle,
I) Ratsprotofoll. — 2) Ebendaſ.
3) Die Straffumme war der Stadt Ichon 1625. 23. Januar auf 5000
Thlr. ermäßigt worden,
41
„damit in Religion und Bolitif feine Beſchwer—
nis zu bejorgen fei.” |
Zur Befeftigung der jo mit Mühe und Gewalt berge:
ftellten religiöfen Einheit in der Stadt und zur Erneuerung
fatholiihen Lebens jandte dann Fürftbiichof Ferdinand als
dauernde geiftliche Beſatzung 1635 die Franziskaner hin, die
von da ab in Rheine und Umgegend und in ganz Fries—
land eine rege Millionsthätigfeit entfalteten. !)
Anhang.
3 Briefe des Biſchofs Wilhelm von Ketteler.
(M. L. U. 518/519 Nr. 259 u. 260).
1) Biſchof v. Ketteler an die Königin Maria
von England. -
Ahaus 1553. 5. November.
Der Biſchof will zur Ausrottung der Wiedertäuferei ſonſtigen
Sekten in Friesland gern die Hand bieten, kann aber, bevor er die päpſt—
liche Beftätigung feiner Wahl erhalten hat, nichts thun.
Durchleuchtige, hochgeborne Fürftinne, gnedige Frauwe!
Nah Erbietunge unjerer gehorjamer u. ganz williger Dienite
mogen wir Em. Kon. W. nicht verhalten, das wir derjel-
ven Scrifte, am 18. Dft. jüngjt verichienen datiert, belan:
gend die hochbejchwerliche Later und Selten des Widertauffs
neben den verfürigen Irrſall der Sacramentarien u. andern
tagelihen uffgeitandenen verbottenen Jrrungen in Frieslant
u. andern nechitumbliegenden Orteren?) widerumb regen u.
taglih8 je lenger je mer (ein)bredhen jollen, empfangen u.
ires Inhalts ver(itanden) u. wollen E. Kon. W. demnad
nit verhalten, dag wir unjerestheils nit alleyn gneigt, fon:
der au mit höchſtem Vermögen gern daran jeyn wulten,
das alle IR Secten hinweggenommen u. die ware
) Die Umkehrung der Gefinnung der Bürgerjchaft zeigt jid darin,
daß der Stadtrat 1635 bemerft, Pfarrer Schmeddes jet zu ſei—
nem Yeidwejen geitorben, und 1652 von Dred bemerkt, daß ev
eines böſen und ärgerlichen Lebens geweſen.
?) Der Biſchof, von Münſter beſaß damals die Jurisdiftion in Fries—
land; ein münfterfcher Archidiakon war für Friesland beitellt.
Lere Chriſti durchaus u. fonderlih in dieſem Stift Münfter
u. ſoweit ſich gerortes Stift Jurisdiction erjtredt , geleret
u. den Yeuten ingepflanzet würde. Dmill aber E. Kon. MW.
bewuſt, das und, ehe u. zuvor wir unjere Gonfirmation bey
Bepftl. Heilligkeit ausgebracht, jonderlihd in den Fellen,
quae sunt ordinis, wie man es nennt, nichts will zuthun
geboren, da wir auch ichtswas für erlanater Konfirmation
in den Eachen würden fürnemen, das uns jolches bei irer
Deilligfeit zum Nachteil muchte gereichen u. aber wir noch
zur Seit unsere Gonfirmation nit erlanget, demnach jo ift
an Ew. Kom. W. unſer fleißig Bett, Sie wollen uns diß—
mals entichuldigt haben, das wir die Kommiitton, wie bei
E. Kon. W. für raitiam angejeben, nit verfertigen laſſen.
Da wir aber hienegit gerorte Konfirmation wurden erlanz
gen, willen wir unjerstheils unſerm bevollenen Ampt nad),
jo vill Got Gnade verlehen wert, das zu Erhaltung u. zu
Abmwendung oder Beilerung aller verdampten Secten dien—
lich Inn mochte, erwinden laſſen, wilds wir E. Kon. W.
die wir biemit dem Allmechtigen bevellen, nit haben wollen
unangetzeigt laſſen.
Gegeben zum Ahuis 5. Nov. ao. ete. LIU.
| Euwer Kon. W,
An die Koniginne guitwilliger Dener Wilhelm.
Frouwe Marie.
2) v. Ketteler an den BiihofBernbard v. Raesfeld.
Rheine 1564. 21. Sum.
Betrifft Die Güter der Wiedertänfer in Münſter.
Hochwürdiger, in Bott bochvermögender Fürſt! Em. F. ©.
jeien meine undertbenige Dienjte jederzeit mit Fleiß bevor!
Gnediger Her! Welchergeſtalt etlide von E. F. ©. Netben,
Ihumbcapittel u. Mitterjchait uff nechitgehaltenem Yandtag
mit dennen vom Rhat der Stadt Münſter geſprochene u. Sie
gern bewegen wollen, in die Verordnung zu der wider:
teuffiichen Sutter zu willigen und aus was Urſachen ſolchs
domals, unangeieben der Burgermeilter Hierdt ſich vernemen
ließ, das innen verwunderte, wie man ſolche große Dim:
eultet, in Anfebung warn 2 oder 3 aeitillet, der Sachen ge—
holiten, ich auch domals daruff apartt mit ime geredet u.
gerordert, das er mir Die Gelegenheit davon jollte anzeigen,
mit dem Erbieten, da die Sachen durch trealiche Mittel
kundten verricht werden, daß ich den Handel gern moglichs
Fleiß wolte beforderen u. daßelbig mit nach jeinem Rath von
gedachtem hate ungeichlagen, jolchs alles werden €. 3. ©.
ich guediglich wißen zu erinneren.
Wiewol ich nu nit anders gewilt, Dan der Handel hette
damit feinen Bejcheid, jo hat mir Doch der edler u. ernvejter
Engelbert v. Langen neiteren vermeldet, was maßen gedach—
ter Hierdt mit janpt dem Bürgermeilter Vendt folgents
widerumb zu ime fomen u. nochmals die vorige Meinung
repetiert, al8 nemblih, wannehr 2 oder 3 ungefehrlich ge:
ftillet, Das alsdan der Sachen verboffentlich zu helfen ſein
fol, mit dem Anhang, das er mit mir davon Iprechen folde.
Nachdem nu gemelter Yangen u. ic dieſe Handlung
nach unjeren Einfalt erwogen u. bedacht, was Bejchwernus
u. Weiterung aus dem bejoratem Zweiſpalt, da ime nicht
fürfomen, zu gewarten u. wir dan unſerstheils ungern iecht
was erwinden jolten laſſen, das zu Beforderung E. 8. ©.
u. des Stifts Wolfart und Abwendung allerhandt Unrictig:
feit mochte dienlich fein, jo it bei uns für rhatſam ange:
jehen, E. F. ©. diefe Gelegenheit in Underthenigkeit zu ver:
melden u. Daneben in derjelben anedigs Bedenken zu jtellen,
ob es nit nuß u. dienlich fein jolt, das E. F. ©. zu eriter
Gelegenheit binnen die Stadt Miünfter hetten geſchickt u.
durch etliche der \jrer abermals uff dieje mit Yangen gebabte
Inderredung mit gerürtem Hierden und Vendten Iprechen
lajjen deraeitalt, das E. F. G. nichts liebers ſehen ſollten,
dan das einem jederen, dazu er befuegt, verhulffen u. dasſel—
big mit böchiter Einigkeit. Und obwol E. F. G. unbewußt,
wbe dieſe Partheien wären u. wie fie in irer Anſprach ge:
ariindet, To Jolte E. F. ©. dennoch nit zumider fein, Das
derjelbiger Anſprach durch E. 3. ©. Rhete u. Deren vom
Thumbcapittel in Beilein dero vom What, wo moglich, ſum—
marticher Weit angehoret u. nach Befindung mit innen ein
Bertrag uff Uncoſten der Yandtichaft getroffen mit dem Be:
jcheid u. Vurbehalt, da Solche Vergleichung gefunden, das
fie die vom Nhat auch alsdonn die Ire in anderen gleich:
meßigen Kellen mit jampt anderen von den Ztenden wolten
verordnnen oder quetwilliglicdh aeitatten, das andere verordnet
u. volmechtigt in dieſen Sachen alles uff Uncoſten der
Yandtichaft Schließlich zu handlen der Zuversicht u. Hoffnung,
44
das man hiedurch dem Handel etwas neher mochte Font:
men, das auch die von der Nitterichaft u. Fleinen Stetten
ji) dasjelbig nit wurden zumider fein laſſen, jedody alles
zu E. %. ©. gnedigs Gefallen u. Verbefferung. Und thue
diejelbige hiemit dem Allerhöchiten bevelhen.
Datum Nenen am 21. Juni ao. 1564.
E. F. ©. undertheniger
Diener
An .. Herrn Bernharden Wilhelm Ketteler.
Erwelten u. Beſtätigten des Stifts
Münſter, meinen gnädigen Herrn.
3) v. Ketteler an Biſchof Bernhard v. Raesfeld.
Rheine 1564. 22. Juni.
Hochwürdiger, in Got hochvermugender Fürſt! E. F. G.
ſeien meine underthenige Dienſte jeder Zeit mit Fleiß bevor,
Gnediger Her! Ob ich wol E. F. G. geſtern zugeſchrieben,
was Engelbert v. Langen mir in Sachen die Verordnung
zu den widerteufferiſchen Gutteren anlangend angezeigt u.
wes in diefem unfer beiden Bedenfen wer, jo hat mich Doc)
der Marſchalk Velen berichtet, al3 das die Bürgermeifters
(ſeins Behalts) folgen unnotig erachtet, dieſerhalb ferners
mit mir zu ſprechen, wie dann dem Gantler Droſten zu
Horjtmar und dem Secretario Vito davon bewuſt fein jolt.
Und dweil ich nu ſolche vericheidene Berichtung vermerkt,
jo hab ich nit jollen underlaffen und E. F. ©. (dwelche der
Almechtiger in langwierigem fürjtlidem Negiment wol ges
friften) dieſes aljo in Underthenigkeit zu vermelden.
Datum Nenen am 22. Juni ao. 64.
E. 5 ©.
underthenig
Diener
Wilhelm SKetteler.
II.
Vorchriſtliche Altertümer
im
Gaue Süderberge (burg).
Von
$. Iofles und W. Effinann.
An Herbite des vorigen jahres erſuhren wir zufällig, dap
auf dem Gute Heringhaus zwischen Laer und burg beim
Wiejenbau Urnen und Waffenitüde geſunden jeien. Erkun—
digungen an Drt und Stelle ergaben, Daß Die Funde
nidt in jüngfter Zeit, Sondern bereits vor 30 ‚jahren
gemacht waren. In die Öffentlichteit war indes feine
Nachricht davon gedrungen, ja jelbit in der Umgegend war
die Sache ſchon ziemlich wieder der Bergejjenheit anheimge:
fallen. Zum Glücke aber hatte der Beliger Heringhaus felbft
nicht nur die Fundſtücke jorgfältig aufbewahrt, fondern aud)
die äußeren Umftände des Fundes jeinem Gedächtniſſe jo
jet eingeprägt, daß er uns überall genaue Auskunft geben
fonnte und jo unjern weiteren Arbeiten höchſt förderlich
wurde. Es hatte jich uns gleich die Überzeugung aufgedrängt,
dag weitere jyftematische Unterfuchungen der Umgegend nicht
erfolglos bleiben würden, und hierin haben wir uns nicht
getäufht. Kaum war das Gerücht verbreitet, daß auf den
Teufelsiteinen bei Heringhaus Ausgrabungen veranitaltet
würden, als wir auch ſchon von verichiedenen Seiten über
frühere Funde an anderen Stellen benachrichtigt wurden.
Der Eintritt des Winters bat unjeren Arbeiten ein Ziel
46
gefteckt, bevor fie zum Abichluffe gelangt waren. Wenn wir
trogdem bier ſchon die Ergebniſſe der bisherigen Unterfuhung
veröffentlichen, jo glauben wir dies damit rechtfertigen zu
fünnen, daß eine Fortſetzung derſelben und damit eine er:
ihöpfende Behandlung des Gegenftandes unſerſeits nicht in
beitimmte Aussicht geitellt werden Fann, zugleich aber auch
die bisherigen Ergebniſſe intereilant genug fein dürften, um
tie in weiteren Kreiſen zur Kenntnis zu bringen. Vielleicht
veranlaßt diefer Aufiag aucd andere Altertumsfreunde, dieſem
bislang ganz vernachläftigten Winfel der roten Erde ihre
Aufmerkſamkeit zuzumenden, und ſpornt deſſen Bewohner zu
einer jorgiältigen Behandlung Fünftiger Kunde an. Das ijt
unſer Wunſch.
Geſchichtliche Notizeu über den Gan Süderberge.
Es dürfte angemeſſen erſcheinen der Beſchreibung der
Funde dasjenige vorauszuſchicken, was ſich über die Urge—
ſchichte dieſer Gegend jagen läßt. Es wird Dabei aber ab—
geſehen von der Hypotheſe Knoke's!), der den Schauplatz der
Barusichladt dorthin verlegt, weil Ddiejelbe noch keineswegs
für bewiejen, wenn auch im Ganzen für nicht weniger wahr:
Icheinlich erachtet werden kann, als irgend eine der anderen
Hypotheſen.
Aus dem Namen Glane, der von dem Bache auf die
Dörfer Glane und Glandorf übertragen iſt, läßt ſich bereits
auf eine frühere Zeit ein Schluß zieben. Denn da der Name
ein keltiſches Wort ift und ebenjo wie der häufig vorkommende
deutiche Flußname Na nichts als Waffer, Bach bedeutet, fo eraiebt
ih daraus, daß die Südabhänge des fogenannten Teutoburger
Waldes bereits in vorgermanischer Zeit beiiedelt waren, da
die Teutichen gewiß nicht jelbit einen Fluß mit einem feltiichen
Namen belegt haben werden. ?)
1) F. Knole, Die Feldzüge des Germanicus in Deutichland, Perlin 1887.
2) Miüllenhoft, Deutiche Altertumstunde Po. I, S. 227.
47
Die erite direkte Erwähnung der Gegend gejchieht in
einer Urkunde Ludwig's des Deutichen vom „jahre 851, worin
es heißt: in pago, quod dieitur Sutherbergi, in villa
duae nuncupatur Lodre . . et in eodem pago, in villa
qquae vocatur Arpingi.!) Dieſes Yoder ift das jetzige Yaer
bei Iburg, welches bis in's 17. Jahrhundert noch Yoder oder
Loer geichrieben wurde, von Wolfe noch jeßt Laoer geiprochen
wird, aber ganz, unrichtig zu Yaer verbochdenticht ift. Arpingi
ift die jegige Bauerſchaft Erpen bei Dijien. Außer dieſen
beiden werden feine anderen Orte als zum Gau Süderberge
gehörend ausdrüdlich in den Unellen angeführt, allein mit
ihnen it doch jchon ein bedeutenderer Umfang gewonnen,
als es auf den eriten Blick jcheinen möchte; denn e3 gehören
darnach zu diefem Gaue: Diſſen mit jeiner alten Yiliale
Hilter und jeiner neuen Nothenfelde, Laer mit jeinen alten
Filialen Glandorf und Remſede und den bereits früher von
ihm Iosgelöften Glane und burg. Da Hilter, Nemjede und
Glandorf erjt in jpäter Zeit von ihrer Mutterpfarre losgelöſt
ind2), jo braucht die uriprüngliche Yugebörigfeit zu Laer
nur von Slane und Iburg nachgewieſen werden. Bei Glane
iſt das alte Verhältniß noch deutlich genug ſichtbar. Einmal
it die Gemeinde viel zu Klein, als daß tie urprünglid)
jelbjtändig geweſen jein könnte, denn die Bauerichaft Dften:
jelde — ſie liegt im Wejten von Glane! — gehörte ur:
jprünglich zu Yienen, und daraus erklärt es ſich auch, daß
ſie während des Mitielalterd ein Zankapfel für Tedlenburg
und Osnabrüd war und blieb. Nach Abzug von Dftenfelde
bleibt aber von Glane nicht mehr als eine ante Bauerjchait
1) Wilmans, Die Muiferurinuden der Provinz Weſtfalen I, &. 114.
*) Glandorf war um 1200 noch Filiale von Yaer, hatte aber Thon um 1400
einen zweiten Seitlichen. Wann die Yoslolung von Yaer erfolgt üt,
läßt fih aus den Urkunden des Pfarrarchivs nicht erjehen. Remſede
it erit vor etwa 20 Jahren jelbitändig geworden,
48
übrig, denn nah Süden hin gehörte die damals noch viel
umfangreichere Hölle nachweislih noh im 14. Jahrhundert
zur Mark Laer. !) Auch beiteht zwijchen Laer und Glane
feine eigentliche Grenze. Es iſt bezeichnend hierfür, daß
Heringhaus früher zwar nad) Glane zur Kirche, aber nicht
nur fat mit feinem ganzen Grundbeſitze jondern auch mit
jeinem Hofe politiih zur Gemeinde Laer gehörte.?) Die
Selbftändigkeit und die Einverleibung von Diftenfelde ver:
danft Glane lediglih den kirchlichen Auftänden. Es beſaß
um 1100 eine Kirche, die zwar nur eine Privatkirche war,
aber, mitten zwiichen Laer und Lienen liegend, bei der großen
Ausdehnnng dieſer beiden Gemeinden für Die zu beiden
Seiten wohnenden Bauern einen neuen Mittelpunkt zu bilden
wie geſchaffen war. Folgende Stelle in Norbert Vita Ben-
nonis liefert hierfür den Beweis: Imo ecclesiolam suam
S. Jacobi ruditer exstructam, quaeque suo sub-
erat dominio, futuri abbatis direcetioni Gisela subi-
eit.?) Es beitand aljo damals noch in Glane ein Privat:
firchlein, welches eine Weltliche befab und verichenten konnte.
Man ſieht hieraus zugleich, wie jpät in diefer Gegend eine
Regelung der Pfarrverhältniſſe jtattfand und wie luftig daher
alle Schlüffe aus den lirdlichen Verbänden auf die urjprüng-
lichen Gemeindeverbände (menigitens in diefer Gegend) find. *)
i) Lehnregiſter zu Zeiten des Biſchofs Johann II. von Osnabrüd; Lodt-
mann, Acta Osnabrugensia, ©. 117: Gerhardus de Varendorpe
dietus de Wisch, infeudatus est cum domo dieta tor Hole,
sita in, proch. Lodere. S. 179: Gerh. Stenhues infeudatus est
cum euria in Winkelzete, Westehus, dat Oldenbrock, de Hole
in Lodere. Zum Zeil gehört die Hölle aud) jegt noch zu Laer.
2) Jüngſt erft ift die Grenze rund um jeinen Beſitz verlegt.
2) Vita Bennonis Epise. Osnabr. Monumenta Germaniae, Vol. XIV,
S. 67 f. Cap. 16.
*) Die Gonitruction von Ober: und lUntergauen, wie fie Böttger, Diö—
ceſan- und Gaugrenzen Norddenticlands Il, &. 55 vornimmt, er:
Icheint mindeitens jehr bedenklich.
49
Die Loslöfung Glane’3 von Laer wurde nun noch da:
durch begünftigt, daß die Kirche den Benedictinern in Iburg
unteritellt wurde.
Die Erlangung der politifhen Selbitändigfeit neben
der Eirchlihen war nicht ſo bejonders jchwer. Die alten
Marken waren außerordentlich umfangreich. Um 1096 5.8.
bejaßen Riemsloh, Neuenkirchen, Gesmold, Wellingholzbaujen
und ein Teil von Melle zufammen nur eine Mark.!) Es lag
in der Natur der Sache, daß practijch ſchon jehr früh eine
Zeilung ſtattfand, wenn aud eine theoretische Einheit hier
und dort länger feftgehalten wurde. Holz, Maft, Weide —
Zorf und Heu gab es nicht überall — hatte allemal eigent:
lih nur für die nähftwohnenden Bauern Wert. Keiner ſuchte
es dort, wo e3 für ihn am mühſamſten zu erlangen war —
am entgegengejehten Ende der Mark — troß jeines formellen
Rechtes. So fam es, daß Glane (wie Slandorf) ſich prac=
tiich bereits von Laer losgelöft hatte, indem es mit dem ihm
zunächft liegenden Teil aus der Yacr’ichen Mark ausgeschieden
war, al3 das Chriſtentum Fam, ebenſo wie es auch bei dem
(bis jüngft) unfelbftändig gebliebenen Nemfede der Fall
war. Daß dies feine bloße Bermutnng iſt, geht auch daraus
hervor, daß nod im 15. Jahrhundert der Gemeindegrund
von burg zur Mark Laer gehörte, wovon es durch das
ganze Kirchipiel Glane getrennt ift, was Stüve — der jid)
durch die jpäteren Firchlichen Verhältnifje zu jehr hat beir—
ren laſſen — umerflärli vorfam?), aber ganz einleuchtend
it, wenn das Gebiet von Glane, in dem das castrum
burg lag, wie aus dem obigen hervorgeht, überhaupt voll:
jtändig zu Laer gehörte. Mark und Grenze deden ſich be—
grifflih, und eine Durch eine andere in zwei Teile geteilte
Mark ift ein Unding.
) Vergl. Stüve, Geihichte des Hochſtiftes Osnabrüd Ib, ©. 631 fi.
2) Ibidem ©. 787. Vergl. auch Thyen, Benno Il, ©. 74.
LXVI. 1. 4
50
Diefe Gemeinden gehen alfo auf 2 Urverbände —
Diffen mit Hilter und Laer mit Glandorf, Remfede, Glane
und Iburg — zurüd. Sicher gehörten noch andere Ge—
meinden zum Gaue Siüderberge, wahricheinlich Lienen und
Lengerich; der Sprache nad gehört dieje Gegend mwenigitens
zu Dsnabrüd und nicht zum Münfterlande. In das Gebirge
hinein erftredte jih der Gau indes nicht, denn Dejede wird
ausdrüdlih als zum Gaue Threcwithi gehörend angeführt;
der Name Süderberge ift demnach durchaus der geographiichen
Lage entiprechend.
Hiermit ift das, was ſich im Allgemeinen über die Vor—
geihichte des Gaues Süderberge auf Grund jhriftlicher Ueber:
lieferung fagen läßt, erichöpft. Ueber zwei fpecielle Orte läßt
fi indes noch einiges vorbringen: es find Jburg und Rem—
jede. Beide Orte hatten in ältejter Zeit eine hervorragende
Bedeutung, Iburg eine politiihe, Remſede eine religiöfe.
Remjede (Hramasithi — Nabenfeld) ift nad) der Volkstradition
der Ort, an dem fich die erfte hriftliche Kirche der Gegend
befand. Urkunden zur Geſchichte des Ortes find unſeres
Wiffens nicht vorhanden; die Inſchrift „Aedificatum anno
DCCXXXIV“, welde ſich auf einem Steine des Chorbogens
befindet, ilt offenbar eine plumpe, wenn auch nicht mehr
ganz junge Fälſchung. Möglich aber ijt es immerhin, daß
in dem Kirchlein noch Reſte des erſten Baues fteden, ſicher,
daß die Sage von dem Alter des Ortes feine müſſige Er:
findung ijt, jondern auf hiftoriicher Grundlage beruht. Bei
der Kleinheit des Ortes), die ihm bei den Nachbarn die
jpotthafte Bezeichnung als „Stadt“ eingetragen hat, ilt es
nicht denkbar, daß er ohne jede Veranlafjung und ohne jeden
Grund im Bewußtiein der Bevölferung jener Gegend eine
jo hervorragende Bedeutung erlangt hat, zumal er Firchlich
erft in jüngſter Zeit von der Pfarre Laer Tosgelöft ift.
2) Die ganze Gemeinde zählt jegt etwa 430 Seelen.
51
Eine Stütze findet die Sage übrigens in folgenden That—
ſachen: Einmal iſt die Kirche dem hl. Einſiedler Antonius
geweiht, ein Umſtand, der nad Kampſchulte I) allen betref—
fenden Kirchen ein hohes Alter zumeif. Dann aber aud
find beſonders die Nemfeder ‚Gefahren‘ höchſt charalteri-
ſtiſch. Es find dies — wie das jchon der Name befagt —
alte Wallfahrten, die ein geiftliches und zugleich mweltliches
Gepräge trugen. Biermal im Jahre?) fam aus der Umgegend
das Volk, namentlich das junge, in Remfede zufammen. Nach
der Sage und Maurus Roft?), der ſich auf ältere Aufzeich-
nungen beruft, pilgerte man von weither zum bl. Antonius
in Nemjede um Abmwendung der Peſt und anderer Epide—
mien. Selbft von Köln ber jollen Prozeſſionen gefommen
jein und den Weg, den fie nahmen, nennt man in Glandorf
noch den „Kölniſchen Weg“(2). In Köln ſoll noch bis auf den
heutigen Tag eine Novene beftehen zum Andenken an bie
1) Die weitfäliichen Kirchenpatrocinien. Paderborn 1867. ©. 290.
2) „Riämser gefaor kümp veermol int jaor“ heißt ed im Volksmunde.
>) In Remjede befindet fi ein Extractus ex Osnabrugo sacro et
profano a Rmo. Dno. Mauro, abbate Iburg. composito, worin ed
heißt: Sacellum S. Antonii antiquissimum et immediate post
Caroli Magni tempora aedificatum et longe parochialem ecclesiam
in Laer superare ex traditione creditur. Evincit id, quod marchia
Remsedensis ad ipsum comitatum Tecklenburgensem fere exten-
derit et in ea Iburgum et parochia Glanensis situata probentur.
Ad hoc vero sacellum solemnis fuit olim pro devotione quarto
per annum concursus pro avertenda peste et aliis epidemicis
morbis intercessione S. Antonii profligandis; ex remotis parti-
bus, etiam Colonia ipsa, ut habent annotationes areis
Grotenburgensis (bei Remſede) confluxerunt, tepescente sensim
devotione, haeresique pias hominum affectationes sopiente, so-
lemnes illae devotiones in quatuor nundinas dissimulantibus
_ episcopis commutatae sunt etc. Der Kirche jollen ſchon in früher
Zeit viele Abläfje verliehen fein, „worüber noch jehr alte Dokumente
in originali vorhanden find.” Dieje und audere Notizen verdanken
wir gütiger Mitteilung des Herrn Vikars Dorfmüller in Remſede.
4 *
52
früheren Wallfahrten nach Nemjede. Was man auch immer
davon halten mag, die „Gefahren“ leben bis auf den heu—
tigen Tag fort, wenn auch die Neformation die religiöje
Feierlichkeit ſehr beeinträchtigt oder gar vernichtet und Die
Geiſtlichkeit die weltlichen Luſtbarkeiten auch gewaltig einge:
dämmt bat. Yebtere jind übrigens jchmwerlich eine Entartung
der alten religiöjen ;Seter, cher wird das Umgekehrte der
Fall fein, oder es werden doch beide immer auf das Engite
mit einander vereint gewejen jein. Die „Gefahren müſſen
auf uralte germaniiche Volksfeſte zurüdgehen, deren religiöfer
Charakter dur das Chriſtenthum umgeformt wurde, deren
weltlicher Charakter ſich aber durd) die Zeiten hindurch gerettet
bat. Die Feite müſſen von Anfang an im Herzen des Volkes
gewurzelt haben, denn nichts Äußerliches, fein Heiligtum ver:
lieh dem Eleinen Orte jene Anziehungskraft für die Umgegend,
feine Stiftung hob ihn und Fein Mönch jtand zur Ausbildung
und Pflege der ;Seierlichfeiten den einfachen Bauersleuten zur
Seite. Das Volksbewußtſein wird auch bier auf das Rich—
tige hinweiſen: Nemjede wird wirklich die ältefte chriftliche
Kirche bejejlen haben und zwar deshalb, weil es bereits in
vorchriftlicher Zeit ein Zammelpunft des Volkes, eine heid-
niſche Kultusftätte bildete, die nach dem Namen zu jchließen
dem Wodan heilig war. Es iſt befannt, dat die Kirche den
heidniſchen Sitten gegenüber ſich duldfam verhielt, wenn
dieſe nicht direkt gegen hriftliche Hauptlehren veritiegen und
jih in die heidniſche Schale mit der Zeit ein chriftlicher
Kern legen ließ. Die Glaubensboten pflegten mit Vorliebe
an die bejtehenden Verhältniſſe anzufnüpfen und erbauten
dem GChriftengotte dort jeinen Tempel, wo früher der Heiden:
gott verehrt war, wo Neligion und Sitte bereits dem Volke
einen heiligen Sammelpunft geſchaffen hatten. Damit wurde
ein gewaltjamer Bruch mit der ganzen Vergangenheit ver-
mieden und die harten Sachſengemüter geichont, indem man
ihnen ihr Heiligites nicht raubte, jondern im Laufe der
53
Zeit vertaujchte. Und jo blieb denn Nemfjede der religiöfe
Mittelpunft des Gaues in chriftliher Zeit, wie es auch als
Gerichtsſtätte!) in früherer Weiſe längere Zeit noch weiter
beitand.
Ganz vergejlen hat das Volk indes die alte Bedeutung
von Iburg. Die politiihen Verhältniſſe greifen überhaupt
weit weniger tief in das Bolksleben und wirkten minder nad):
haltig als die religiöfen. burg auf einem Hügel am Fuße
des Dörenberges ?) an einem der ſchönſten Punkte des Teuto—
burger Waldes gelegen, läßt ſich auf Grund fchriftlicher Nach:
richten bis in die Zeit der Sadjenfriege verfolgen. Als
Biſchof Benno nämlih um das Jahr 1070 ein Klofter zu
bauen bejchloß, da hielt er, wie fein Freund und Biograph
Norbert erzählt, in feiner Diöceſe Umschau nad) dem be-
quemiten und gejundeiten Plate, und vor allem gefiel ihm
der Berg, auf dem die Trümmer der uralten Burg
Iburg lagen, weil man dort fich jowol eines reichen Bau:
materials als auch einer reinen Luft und einjamen Lage
) Als ſolche wird es bereits im elften Sahrhundert urkundlich erwähnt.
Zindner, Die Veme ©. 167.
) Es ſei hier darauf aufmerkſam gemacht, day Anofe „Die Kriegszüge
des Germanicus in Deutſchland,“ Perlin 1887, ©. 119 den Namen
„Dörenberg“ unrichtig gedeutet hat. Wenn näntlich derjelbe joviel wie
Thor, Eingang, Pat bezeichnete, jo würde das Volt Diterenbiärg oder
Düörenbiärg ſprechen und nicht Däörenbiärg. Der erite Teil iſt
viehnehr unjer „Dorn“, der im der alten Sprache auch „Spitze“
bedeutet, Dörenberg iſt alfo die Spike des Gebirges, der höchſte
Perg, und daher iſt die Bezeichnung Norberts (Kap, 16) mons
maximus als eine wörtliche Ueberſetzung von Dörenberg anzufehen.
Auch anderswo heißt der höchſte Hügel der Umgegend Dörenberg.
Fbenjo ift die Etymologie von Düte bei Knoke unridtig. Wer auf
Namen im diefer Frage überhaupt Gewicht legt, der ſei auf den Nas
men des Gaues Ihrecwiti aufmertſam gemacht, welcher mit dem
altjächfiichen thraka Kampf, threki Kraft, Stärke zuſammenhangen
fann,
54
erfreute.) Die Art diefer Burg läßt ſich einigermaßen aus
den Angaben Norbert’3 erkennen: „Es liegt klar zu Tage,
daß der Berg in alten Zeiten auf das Stärkfte befeftigt und
mit trefflihen Wohngebäuden ausgeftattet war: Die Grund:
mauern, welche fait täglich blos gelegt werden, beweiſen das
zur Genüge.”’?), Der Hügel war jchon von der Natur zur
Feltung geſchaffen, namentlid da er zwiſchen zwei Bächen
lag, mit Hülfe deren die Umgegend unter Waſſer gelegt
werden fonnte. Den urjprünglicen Charakter einer Burg
(oder eines Berges), die im Waſſer beziehungsmweife im Sumpfe
gelegen ift, deutet auch der Name an, denn der erjte Teil
des Wortes bedeutet Wafler, Bad. (Vergl. J- sala (Mſel)
J- bach und das Niederl. Y (geipr. Ei) u. ſ. w.
Die Zerftörung diejer Burg verlegt Norbert in die Zeit
der Sachſenkriege und damit ficher nicht in eine zu frühe
Zeit.) Denn beim Beginn des Klofterbaues mußten zus
vörderjt die auf den Trümmern empor gewachlenen Wälder
niedergelegt und das Geſtrüpp ausgerodet werben;t) bie
!) His itaque bonis ditatus et animatus Benno rem aggreditur, et de
loco maxime commodo et salubri deliberat, tandemque lustrata
dioecesi, ad montem in quo vetustissimum dirutum Iburgense
castrum extabat, pervenit, qui locus illi ante omnia complacuit,
quod et materia ad aedificandum esset abundans et quod pu-
riori aere et solitudine gaudere possunt coenobitare. Cap. 17.
2
—
Montem igitur istum antiquis temporibus munitissime fuisse
constructum et egregiis sedibus adornatum, plurima indicia ma-
nifestum esse declarant. Subterranea enim aedificia, quae quo-
tidie Age eruuntur, huius rei certum dare testimonium suffi-
eiunt, Cap. 16.
N)... . inter ceteros, qui tune longe lateqte sunt diruti, etiam
hune nostrum montem constat in solitudinem fuisse redactum,
Ibidem.
*) Episcopus autem montis amoenitate veterumque murorum ex
fundamentis firmitate perspecta, et quod adhuc nomen pristi-
num celebriter ab antiquitate servasset, suceisis sylvis et ar-
55
Zeit hatte den Hügel den umliegenden wieder ganz ähnlich
gemacht, ſodaß ihn die Markgenoſſen längit wieder zur Mark
gezogen hatten, ihre Schweine zur Maſt hinein trieben und
die Eicheln in Säden fortholten. Die Bauern hatten fo wenig
Gefühl mehr von dem Nechte des Biſchofs — welches übri-
gens auch längjt verfallen war — daß fie ihm mit Gewalt
Wideritand leijteten und erit durch den Bann niedergehalten
wurden. !)
Alle diefe Thatjahen jeren voraus, daß einige Jahr:
hunderte jeit der Zerftörung verflojlen waren; in Jahrzehn-
ten werden feine Ruinen zu Eichenwäldern.
In Anbetraht der außerordentlih günftigen Lage von
burg wird die Nachricht der burger Annalen doppelt
wahrideinlid, daß Benno — der mindeſtens ebenjojehr Fürft
wie Biſchof war — nit blos den Bau des Kloſters im
Auge hatte, jondern auch bei den drohenden Kriegen die
Wiederherftellung der Feltung.?2) Es heißt auch ausdrück—
lich bei Norbert, daß bei der Wahl des Ortes auch die jtar:
bustis erutis habitabilem fecit, parvamque capellam ligneam in
honorem sancti Clementis exstruxit ....-. Cap. 11.
') Cum enim aliquando fertilitas regionem istam cum caeteris re-
bus tum etiam glandium ubertate replesset, et iam mons iste
ex antiquissimo situ similis fuisset circumstantibus densitate
silvarum, eircummanentes rustici, quos hie commarchiones apel-
lant, porcos suos huc immittere, glandesque saccis asportare,
et rem episcopi propriam communi usui mancipare coeperunt...
Rusticos autem iustitiam suam iuramento defendere velle pro-
fessos, communi huius regionis consuetudine devicit, dieens, se
potius rem tanto tempore sine contradictione possessam, jura-
mento advocati sui retinere debere, quam illos praesumptione
perjurii violenter possessiones abstrahere alienas. Cap. 19.
ad ann. 1077: Sub idem fere tempus venerabilis Osnaburgensis
episcopus Benno Il. castrum in Yburg propter imminentia bella
aedificare disposuit, a praedecessore suo jam inchoata aliquanta
parte murorum. Vergl. über das Weitere Thyen, Benno II.,
Dsnabrüd 1869. ©. 138.
—
56
fen Grundmauern des alten Gaftrum’s auf Benno Einfluß
geübt hätten, was nicht verftändlich wäre, wenn er nur die
Erbauung eines Klojterd innerhalb diefer Mauern beab—
jichtigt hätte, da für ein ſolches doch die alten die Burg im
weiten Ring umziehenden Mauern wenig benugbar waren.
ALS eine alte Sadhjenburg aus den Tagen Wittefind’s
darf Iburg demnah mit Fug betrachtet werden. Ob fie
nicht in noch frühere Zeit zurüdreicht? Da die alten Grund:
mauern erhalten blieben und jebt noch Reſte der alten Fe—
ſtungsmauer vorhanden find, jo dürfte eine eingehende Unter:
ſuchung bier vielleicht nicht ergebnißlos bleiben.
Die urjprünglichen Anfiedelungsverhältniffe im
Gau Süderberge.
Es it eine von dem Amerikaner Garey zuerft auf-
geftellte und von unjeren Nationalöfonomen jegt allgemein
angenommene Anjicht, daß die Bergabhänge zuerit fultivirt
worden, und von bier aus allmählich die Anjiedler in
die Ebenen hinein vorgedrungen find. Für unjere Gegend
ericheint diefe Annahme ſchon von vornherein jehr wahrſchein—
lich; nit nur ijt der Boden am Abhange des Gebirges noch
jegt weit fruchtbarer als weiter in der Ebene, jondern er war
damals auch der allein fulturfähige. Im 15. Kap. rühmt
Norbert die Verdienſte Benno's um die Anlage von Wegen
durch die Sümpfe, deren es viele in diefer Gegend giebt,
und wer heutigen Tags diejelbe durchwandert und ihren
Sumpfreichthum fennen lernt, der kann ſich wohl einen Be:
griff Davon machen, wie es zu jenen Zeiten hier ausjah, als
die gewaltigen Wälder noch nicht ausgerodet waren.!) Daß
N) Viele alte Namen weiſen audy darauf hin. „Hillige Meer“, „Hilde-
brandes Meer“, „Bredewater* u. |. w. jind Namen für Fluren, die
jeßt das ganze Jahr trocen find. Vergl. auch die vielen mit brok,
diek, au, strot u. j. w. zujammtengejeßten Namen,
Übrigens dürfte das 15. Kap. der Vita Bennonis bei der Pe:
zur Zeit der Chriftianifierung im Wejentlichen noch diefelben
Zultände berrichten, fieht man aus der Lage der Kirchen,
die jowol in Lienen wie in Laer faum eine halbe Stunde
von der nördliden, aber 2 bis 3 Stunden von der füdlichen
und der ſüdweſtlichen Kirchipielsgränze liegen.!) Urſprüng—
lich werden fie doch wol ziemlich inmitten der Bevölkerung
angelegt fein. Das wird auch bewiejen durch die Urfunde
Dtto’8 I. vom Jahre 965, worin er dem Bilchof Drogo den
Forſt- und Wildbann verleiht, der nad den Grenzangaben
unter andern die weitlihen und füdlichen Teile der Gemeinde
Yaer (Glandorf) und Lienen in ich Schloß, alfo erjt jpäter
urbar gemacht worden fein kann.?) Kine weitere Beftäti:
gung diefer Anlicht ergiebt ſich aus der Yage der Dünen:
gräber. Man jagt in der Gegend — und es jcheint jo zu
jein — fie zögen fi von Nemjede bis zum Yerngericher Bahn
bof;?) verbindet man die einzelnen Sundjtätten durch eine
Linie, jo liegt diejelbe nirgends weiter al3 eine Stunde vom
Fuße des Berges; weiter in die Ebene hinab finden jich
Urnengräber erft wieder auf dem Meißen Felde bei Waren:
dorf, alſo mit einer Unterbrehung von etwa 4 bis 5 Stun:
den; das dürfte jo ungefähr die Breite des alten Grenz:
waldes fein, der die zwei Stämme trennte.
urteilung der jüngit vielfach behandelten Bohlwege in der Gegend
von Barenau etwas Rückſicht verdienen; gerade dieſe Gegend (Mitte
Feld) wird von Norbert ausdrüdlich genannt.
) In Lienen iſt diefer Zuftand noch jet erhalten, in Yaer ift er durch
die Abzweigung Glandorf's verwilcht; diejes jelbit aber liegt auch
wieder ganz im Dften der Gemeinde.
*) Die Ausdehnung des Forftbannes it auch Dr. Wieyer im jeinem
verdienftlichen Aufſatze (Mittheilungen des hiſtor Vereins in Osna—
brüd II, ©. 88 ff) nicht ganz zu beftimmen gelungen, zum Teil
weil er Sinithi unrichtig in der Bauerjchaft Sentrup (Glane) ſucht.
Der alte Name fir Sentrup iſt aber Semelinktorpe. Bergl. Yodt:
mann a. a. D. ©. 83 u. 191.
3) Bergl. unten.
58
Daß ich hier nämlich eine uralte Stammesgrenze hin:
zieht, zeigt der Unterjchied in Sprade, Sitten u. f. w. der
Bewohner bis auf den heutigen Tag noch deutlich genug.
Die Bewohner des Gaues Süderberge — dem Norbert ge:
fielen fie gar nicht, ihnen aber auch die Mönde nit!) —
gehörten und gehören dem Stamme der Engern an.?)
Die Götterjtätte in der Höllenheide.
Ungefähr in der Mitte zwiſchen Laer, Nemjede und
Slane, einige taujend Schritte wejtwärts der Laer-Iburger
Zanditraße, liegt der Hof Heringhaus. (Tafel II.) Der jegige
Name ift durch Volksetymologie aus Höringhaus entitellt;
im 14. Jahrhundert lautet er noch Hoyrinthus,3) was ſo—
viel Heißt wie Sumpfhaus (hör — Kot, Sumpf) ein Name,
der fich durch die natürliche Beichaffenheit des Terrains mehr
als genügend erklärt. Vielleicht bildete der Hof ehemals den
Sit der alten Edelherren von Glane und einem Teil ihrer
Güter; denn daß er fein gewöhnlicher Bauernhof war, dafür
Iprechen die Bohlwerfe, die auf dem Hofe, und die mafliven
Grundmauern eines feiten mit breitem Graben umgebenen
Gebäudes, die in jeiner unmittelbaren Nähe gefunden ind.
Der Hof Heringhaus ſtößt unmittelbar an den ſüd—
weltlichen Teil der alten Yaerer Mark, genauer an die Hölle,
») Porro in solutione reddituum quos annua deposcit exactio ma-
nifestum est, illum Bennonem fuisse acerrimum, ita ut plerum-
que verberibus affeetos debitum suum rusticos persolvere com-
pulisset, quod ei profeeto facile indulserit, et pro summa ne-
cessitate feeisse concesserit, quicunque hujus terrae homines
novit eorumque durissimam infidelitatis et versitiae cogitur tole-
rare nequitiam. Cap. X.
Diefe Anfiht Wornitall's (Vergl. Brogr. des Gymnaſiums zu Mün—
jter 1888 S. 21 f.) läßt ſich auch mit ſprachlichen Gründen ftüßen.
) Rudolphus Stracke infeudatus est cum decima in Hoyrinkhuysen
in proch. Glane. Lodtmann, a. a. 0. S. 204.
u.
59
bezw. die Höllenheide,!) in die man unmittelbar beim Ber:
laſſen des Hofes eintritt. Nach Often hin begrenzen zu Wie:
jen umgeichaffene Sümpfe das hügelige Terrain bis auf
einige taujend Schritte, dann wird die Hügelfette von dem
durch die Wiefen fließenden Bache durchbrochen, und ber hier
jo entitandene Sumpf bildet die Verbindung mit den im
Weften gelegenen ehemaligen großen Fiichteichen der Iburger
Mönde, die jegt ebenfalls zu Wieſen umgeichaffen find. Jen—
jeit3 dieſes Durchbruches fetten fih die Sandhügel in etwas
anderer Richtung fort bis nad etwa 100 Schritten ein Ein:
ſchnitt an der ſchmalſten Stelle erfolgt, in welchem jet ein
Heringhaus gehörender Kotten ſteht.“ Weſtlich dieſes Kottens
in jeiner unmittelbaren Nähe bleibt der Hügel eine Kleine
Strede ſehr jchmal, was aber vielleicht erjt der im Süden
jtattgehabten Kultivirung und der Anlage eines Weges im
Nordweiten zuzujchreiben if. Die Einfriedigungen, welche
anläßlih der Marfenteilung angelegt worden jind, haben
dann meiter dazu beigetragen, den urjprüngliden Zuftand
zu verwiſchen. Diejer Hügel, der jetzt einem hoben künſt—
lihen Wall ähnlich jieht, erhebt fi etwa um 3 Meter über
da3 Terrain; er erftredt fich ziemlich genau in der Richtung
von Dit nach Weft. Die größte Länge des Plateaus beträgt
rund 19 Meter, feine größte Breite rund 9 Meter. Auf
demjelben lagen ehemals die jogenannten „Düvelsſtene“, die
Wächter bereit3 erwähnt hat,?) freilich nur nad Hörenjagen,
weshalb denn auch feine Angaben ganz unrichtig find.
Die Steine waren, wie aus der Zeichnung (Taf. II.
und III.) zu erjehen ift, in zwei Gruppen gejondert. Die
öftliche derjelben wurde gebildet aus 8 Steinen, welche der:
1) Der einfache Name Hölle ift jeßt auf dem erhaltenen Teil des Hoch—
holzes eingejchränft, während der entwaldete Teil die Höllenheide heißt.
*) Statistik der im Königreiche Hannover vorhandenen heidniichen Dent-
mäler. Hannover 1841. ©. 112.
60
art gelagert waren, daß 7 EHleinere Steine in einem nad)
Diten geöffneten Halbfreis einen großen mittleren umgaben.
Die erjteren waren rundlich geitaltet und hatten einen Durch:
meſſer von etwa 1 Meter bei einer Dide von °/4 Meter.
Der mittlere Stein näherte jich dagegen mehr der rechtedigen
Form: er war gegen 21/4 Dieter lang, nicht ganz jo breit
und 11/, Meter did; jeine Oberfläche war etwas abgeplattet.
Darüber, ob in derjelben vielleicht Blutrinnen vorhanden
gewejen, vermochte Herinahaus feine Auskunft zu geben.
Die Gejamtbreite diejes Steinringes betrug 7 Meter, es
verblieb aljo, da das Plateau eine Breite von rund 9 Meter
hat, bis zum ande des PBlateaus nod ein freier Raum
von 1 Dieter. Überragt wurde diefe Gruppe durd eine
andere, wejtlich von ihr auf dem höchiten Teile des Plateaus
belegene Anlage. Die Daritellung derjelben auf Tafel III.
enthebt ung einer eingehenderen Beichreibung. Nur einige
Zahlenangaben möchten erforderlich jein, Die Säulen hat:
fen etwa eine Höhe von 1 bis 11/4 Meter und eine Stärfe
von etwa 4 Dieter. Sie hatten eine unregelmäßig vier:
edige Form. Jede Säule ruhte auf einem Unterlagsitein,
welcher einen Durchmeſſer von 1 bi! 11,4 Meter hatte und
etwa 1 Meter did war. Drei der Säulen jtanden ſenkrecht,
die vierte war etwas geneigt; Nie waren derart aufgeftellt,
dab zwiſchen ihnen ein freier Naum von etwa 0,80 bis
0,90 Meter verblieb, Man konnte dieje Säulen von dem
etwa 4 Kilometer entfernt liegenden Kloſterhoſe in Iburg
aus Stehen jehen. Ende der fünfziger Jahre, als der jegige
Beliger Heringhaus ein neues Wohnhaus errichtete, erichienen
ihm dieſe Steine bei der jumpfigen Beichaffenheit des Bodens
bejonders geeignet zur Herſtellung eines trodenen Stellers
und er beichloß daher ſie zu diejem Zwede zu verwenden.
Die damalige Hannoverſche Regierung ſuchte es zu verhin-
dern; Heringhaus war aud geneigt, fie abzutreten, forderte
aber 100 Thaler als Entſchädigung dafür, daß er dann ge:
61
eignete Steine weiter holen mühe. Nun verzichtete die Re—
gierung auf die Erhaltung und das alte Denkmal der Vor:
zeit fiel dem Pulver zum Opfer. Mit vier Pferden hat
Heringhaus dreizehnmal fahren müſſen, um die Sprengftüde
wegzubefördern.
Nah der Volksſage, um dieje zunädhit anzuführen, jind
die Teufeljteine die Reſte einer ehemaligen Heidenkirche, die
der Teufel dort erbaut haben joll. Von diefer Kirche wären
ehemals auch noch Dlauerreite vorhanden gewejen, aber weder
hat Heringhaus ſelbſt je etwas davon gejehen, noch auch über ſie
von Leuten gehört, die fie noch gejehen hatten. „Es ift immer
jo gejagt‘ war jeine Angabe.) Gefunden jind dort in den
legten 50 Jahren nur einige Steingeräthe, (mahricheinlich
jog. Donnerkeile) die der Kolon Schove beiigt, jedoch nicht
wiederzufinden vermochte. Außerdem zwei Glasflüſſe. Urnen
wären an diejer Stelle niemals zu Tage gefommen, freilicd)
hatte man auch nie darnach gegraben. Der Hügel war
überall noch mit einer fußdiden Humusichicht bededt, die von
den Eichen herrührte, welche ihn ehemals bededten, deren
Stämme noch jest im Boden fiten und Schößlinge treiben.
Die Steine der beichriebenen Anlage waren ſämmtlich
jogenannte Granitfindlinge. Bon denjelben liegt nur noch
einer, allerdings nicht mehr vollitändig erhalten, an feiner
Stelle. Er ift in der Zeichnung durch dunflere Schraffur
hervorgehoben. Aber die Yage der anderen ift durch die
Zerraineinjenfung, welche durd die Entfernung der im Bo:
den etwas verjenkt gewejenen Steine entitanden it, noch jehr
gut erfennbar, ſodaß der Grundriß dev Seichnung auf
AZuverläffigfeit Anſpruch erheben darf.?) Unſere Nachgra:
) Daß dieſes Gerede indes wicht aanz ohne Anhalt war, wird ſich
gleich eraeben.
2) Im Uebrigen beruht die Zeichnung auf den Angaben von Derinahaus;
nad) ihrer Vollendung it fie nady jeinem und anderer Augenzeugen
62
bungen hatten nun folgendes Reſultat. Auf dem eigent-
lien Hügel fand ſich nicht das Geringfte troß jeiner Unver—
jehrtheit; e8 muß daher die Meinung unwahricheinlich erjchei=
nen, daß dieſe Steine Grabdenfmäler waren. Dahingegen
fand ih an dem Südabhange des Hügeld — und nur dort
— eine Reihe von Umengräbern ohne jede Beigabe und
ohne jeden Knodenreft. a ſelbſt die Urnen waren jo
ſchlecht gebacken geweſen, daß fie fich faft ganz aufgelöft hat—
ten, und nur unbedeutende Scherben zum Vorſchein famen.
Da die Urnen fämtlic mit glatten Kalkiteinen, wie man
fie dort an den Bergabhängen findet, bededt waren, und
unter diejer Dede eine Lage Ajche fich befand, fo war es
nicht ſchwer, die größte Vorfiht anzuwenden; allein dieje
hatte nur den Erfolg, daß aus dem Umfange der hellroten
Färbung, welche der weiße Sand an ben mit Urnen bejeg-
ten Stellen angenommen hatte, der Schluß gezogen wer:
den fonnte, daß die Urnen von mittlerer Größe gemejen
waren. Die aufgefundenen Scherben, ſoweit fie mit Ver:
zierungen verjehen waren, find auf Tafel IV. unter Fig. 3a
bis d abgebildet, fie zeigen bdiejelben Formen, mie fie fich
durch ganz Hannover, auch ftellenweije im Rheinlande finden.
An einer Stelle trafen wir auf eine dem dide Holzfohlen-
ſchicht.
Beſonders merkwürdig iſt der 1,40 Meter lange Über—
reſt einer aus Laer'ſchen Steinen errichteten 0,45m dicken
und 0,70m hohen Mauer an der Nordweitjeite des Hügels.
Die Steine waren ohne Kalfmörtel nur durch Sand und
Lehm mit einander verbunden. Die Mauer muß einem ftar-
fen Feuer ausgeſetzt geweſen fein, wenigftens haben wir für
bie bejonderen Erfcheinungen, welche fie aufmweift, eine andere
Erklärung nicht finden fünnen. Zur Herftellung der Mauer
Urteil berichtigt worden, jodah fie im Ganzen ein getreues Bild
bieten dürfte.
63
— — —
ſind Bruchſteine verwendet, welche mehr oder minder kalk—
haltig ſind. Letztere ſind unter der Einwirkung des Feuers
teilweiſe geſchwärzt, erſtere dagegen vollſtändig zu Kalk
gebrannt. Ebenſo iſt es auch dem Feuer zuzuſchreiben, daß
der Lehm zu einer ziegelartigen Maſſe gebrannt war.
Dieſes Auftreten von Bruchſteinen, Kalk, Ziegelbrocken und
Sand hatte zuerſt zu der Mutmaßung führen müſſen,
daß die Mauer uriprünglid in diejen Materialien errichtet
worden jei; eine eingehendere Erwägung mußte aber bier:
von abjehen lafjen, zumal diejelben Erjcheinungen — wie
wir noch weiter jehen werden — auch an einer anderen
Stelle ihre Wiederholung fanden.?) Ob diefe Mauer ur:
ſprünglich länger geweien ift und frühere Generationen be:
reit3 auf Teile derjelben geftoßen find, wodurd denn das
Gerede von den Reiten der alten Heidenfirche entitanden fein
fönnte, muß dahin geitellt bleiben. Fragen wir nach dem
Zwede der Mauer, jo dürfte es jchwer fein, in dieſer
Hiniiht eine beftimmte Antwort zu geben. Es jcheint
zunädft nicht wahricheinlih, daß fie urjprünglich um das
ganze Denkmal herum fich erjtredt hat, zumal jih dann
auch auf der andern Seite noch Spuren hätten zeigen müſſen.
Aucd die Annahme, daß diefe Mauer als Net eines ehema:
ligen Aufganges zum Hügel zu betrachten jei, läßt ſich nicht
—
ı) Die chemiſche Unterſuchung der Steine hat fein weiteres Reſultat
ergeben. Es ift und indes dburd Maurer diefer Gegend, welche jtets
mit den bier vorgefundenen Materialien umgehen, verfichert worden,
und wir haben ung auch durh Vornahme befonderer Proben davon
überzeugt, dah die Einwirkung des Feuers immer die hier auftre-
tenden Erjcheinungen zur Folge hat. Aus den Fundamenten der aus
dem 13. Jahrhundert ftammenden Kirche zu Laer find dieſelben
Steine herausgefommen, als wären fie Tages zuvor hineingelegt; die
ichönften Exemplare derjelben find ſogar wieder ald Zierjteine ver-
äußert. Es find die in Weftfalen befannten, zu Grottenanlagen ge
ſuchten „Piepiteine“, jo genannt wegen ihrer röhrenförmigen Bildung.
64
weiter vertreten. Amar möchte für diefelbe der Umſtand
ſprechen, daß an dieje Mauer jich oben eine Art Pflaſter
aus runden Kieſelſteinen (kleinere Granitfindlinge von 18
bis 30cm Durchmeſſer) anſchloß, welches unter dem Humus
ziemlich weit auf den Hügel hinauf verfolgbar war und viel-
leiht urfprünglid den ganzen Hügel bededt hat. Es man:
gelt dann aber jeglihe Erklärung für die ftarfen Brand-
ipuren, welde die Mauer aufweilt: diefe laſſen faum eine
andere Deutung zu, als daß hier ehedem eine Branditätte
geweſen, welche mit dem Zwecke der ganzen Anlage in Ber:
bindung jtand. Alle Merkmale aber ſprechen dafür, daß wir
in diejer nicht blos eine Grabſtätte, jondern eine Kultusftätte
zu erbliden haben. !)
Der Gedanke, daß die jäulenartigen Steine bloße Unter:
jäße einer Dedplatte geweſen feien, liegt an fich nahe. Ähnliche
Denkmäler, die dann noch an den Seiten ausgelegt jind
und als Ruheſtätte einer unverbraunten Leiche dienten,
find ja mehrfach vorhanden. Allein einmal war eine joldhe
Platte keineswegs leicht abzuheben und wenn man jich die
große Mühe jchon gegeben hätte, was hätte man mit ihr
anfangen jollen in einer unwegſamen Gegend, deren Bewoh-
ner bis in unjer Jahrhundert hinein ihre Käufer nur aus
Holz und Lehm bauten, die außerdem an Steinen der ver:
ichiedenften Art Überfluß hatten? Bei anderen Denkmälern
findet e8 fi wol, daß die Platte zerbrochen iſt, aber fie
liegt noh an Ort und Stelle und blieb bei unfahrbaren
Wegen liegen, wenn man fie nicht gerade an die Chaujjee-
verwaltungen verfaufen fonnte und jo ihre Sprengung jich
überhaupt lohnte. Diejen Weg ift indes der Deditein nicht
) Es ilt bekannt, dak man auch die Grabmäler bejuchte und auf diejen
Opfer darbradhte. Vergl. den Indieulus superstitionum et paga-
niarum (vom Jahre 743): De sacrilegio ad sepulchra mortuorum.
De sacrilegio super defunctos, id est dadsisas.
65
gewandert, und iſt es ſomit von vornherein zweifelhaft, ob
er überhaupt je vorhanden gewejen iſt. Es ift jogar jehr
unwahricheinlid, denn ein Herunterjchaffen der mächtigen,
ſchweren Steinplatte von den Pfeilern wäre nicht möglid)
gewejen, ohne den Umſturz diefer nur loje auf den Unterlag:
fteinen ruhenden Pfeiler herbeizuführen. Letztere aber haben
bis zu ihrer Vernihtung auf ihren Unterlagen aufrecht ge-
jtanden. Es ſprechen jomit alle Anzeichen dagegen, daß dieſe
Steine eine Platte getragen haben und muß deshalb die An—
nahme gejtattet jein, daß das Denkmal, jo wie es in der
Zeichnung vorliegt, feine urfprüngliche Geftalt bewahrt hat.
Wir dürfen es daher in der Geſtalt zu erflären verfuchen,
in welcher e3 befannt ijt.
Der Schlüpfrigfeit des Bodens, auf dem wir uns bei
mythologiſchen Unterfuhhungen leider befinden, find wir uns
wol bewußt und erheben gar feinen Anſpruch darauf, überall
das Nichtige getroffen zu haben. Nicht unangebracht jcheint
es aber zu fein, gegen das bei manchen Lofalhiftorifern noch
vorhandene Vorurteil, in jedem Steindenfmale nichts als ein
Grabdenfmal zu jehen, aufzutreten. Im dem an folchen
Dentmälern — und zwar der jchönjten Art — nicht armen
Dsnabrüderlande ijt faum noch eines, dem man eine mytho-
logiihe Bedeutung gelafjen hat. Wenn der Stein feine
Blutrinne hat und in jeiner Nähe Urnen gefunden werden,
daun ijt jein Geſchick meijthin entichieden — er ift ein Leichen:
ſtein — oder wie der Bauer jagt ein „Honenbedde“.) Wo
’, Fit der Ausdrud Honenbed uriprünglich wirklich volkstümlich, dann
iſt es jehr zweifelhaft, ob die Überfegung Hünen bett richtig iſt; es
faum auch Hünenaltar bedeuten, und dieſe Pedentung iſt an jid)
jogar wahrjcheinlicher. Welchen Begriff das Volk jetzt mit dem Worte
verbindet, bleibt gleichgültig. = „Für Altar (gr. Awaos) war ſonſt der
heidniſche Ausdruck gotiſch biuds, althochdeutich piot, ags beod,
eigentlich Tiſch, und wiederum geht gotiſch badi, althochdeutich petti,
ags. bed, bedd (lectus) über in den Sinn von ara, areola, fanum,
XLVI. 1. 5
66
mögen denn doch wol die aus demjelben Material verfertig-
ten arae barbarae des Tacitus und die von den altdeut:
ichen Theologen jo hart befämpften heiligen Steine geblieben
jein? Anftögig waren die Grabjteine den chriftlichen Miſſio—
naren doch auch, und zwar nicht ohne Grund; aber der Ber:
nichtung leijtete der eine jo hartnädigen Widerftand wie der
andere.
Für die Anfiht, daß in den Teufelsiteinen eine alte
Kultusftätte zu fehen jei, ſoll nicht der Name jelbft ange:
führt werden. Das Volk ift ja geneigt Alles, wovon es
erfennen muß, daß e3 nicht zufällig entitanden fein kann,
jondern mit Mühe und Arbeit zu Wege gebradt ijt, deſſen
Zwed es aber nicht einjieht, einer geiftigen Macht zuzu—
Ihreiben; es ift ihm ein Werk des Teufels. Daher iſt e3
nicht notwendig, in dem Volfsglauben, daß bier eine heid-
niſche Kirche geftanden habe, den Nachklang einer wirklichen
Thatſache zu erfennen. Wert kann er allenfall3 nur in Ver:
bindung mit anderen Umftänden erhalten.
Auch auf den Namen der Gegend — Hölle — mag zu:
nächſt fein Gewicht gelegt werden. Den religiöjen Anklang
verdankt er lediglich der falichen Verhochdeutihung. Das
Volk jpricht „Hüelle“ ganz entiprechend der mittelalterlichen
Form „Hole“, was richtig verhochdeutfcht „Hülle“ Tauten
würde. Das hodhdeutiche „Hölle“ lautet im Dialekte jener
Gegend ‚Helle‘.
Von größerer Bedeutung iſt indes der an die „Hölle
gränzende „Donnerbrink“. Die Gränzen besjelben fejtzu-
ſtellen iſt nad jegigem Spradgebraude nicht mehr ganz
leicht; wer einmal mittelalterliche Flurnamen mit den jegigen
val. ags. vihbed, veohbed, veobed, fpäter entitellt in veofed (ara,
altare) althochdeutſch kotapetti (leetus, pulvinar templi).... — al
altare s. Kiliani, quod vulgo leetus dieitur.“ Lang reg. 1. 239.
255. Grimm a. a. O. ©. 55.
67
vergliden hat, der weiß, wie fich diefelben bald auf weitere
Streden ausgedehnt, bald auf einen Teil ihres urſprüng—
lihen Gebietes eingejchränft haben. Soviel ift aber jicher,
daß Donnerbrinf immerhin eine Gegend im Südweften un:
jerer Denkmäler und zwar innerhalb derjelben Mark bezeich—
net hat. „Mit völliger Sicherheit”, jagt nun Jakob Grimm,
„Dürfen wir ſolche Bergnamen auf die Verehrung des ein:
heimiſchen Gottes (Donar) beziehen.) Parallel dem Hügel:
zuge, auf dem unſer Denkmal ftand, läuft ein zweiter, der
den Namen „Oſſenbrink“ führt. Es dürfte nicht zu gewagt
fein, diefen Namen nicht auf Ochſen, jondern auf Oſen (Aſen)
zurüdzuführen, worauf ja auch der Name der Stadt Osna—
brüd zurüdgeht, den ebenfall3 bereit3 im Mittelalter die
Schreiber, welche von den Oſen nichts mehr wußten, mit
Ochſen in Verbindung braten und demnach oft zu Dffen-
brügge umgeftalteten.
Nun war Donar (Thor) der Fürſt der Ajen (äsabrägr) ?)
und wenn es in Norwegen ohne weitere Bezeichnung As heißt,
jo ift Thor gemeint.?) Zu dem nahe gelegenen Donner:
brint würde dieſe Deutung aljo vorzüglich jtimmen. Es
ſoll hier nicht verfehwiegen werden, was Grimm jagt: „os
iſt Jächliiche Form für ans, das einen Gott, aber auch einen
Berg bedeutete... Daß osning in mehreren Gegenden vor:
fommt, zeugt für einen allgemeineren Begriff; es ift wie
äs, ans, fairguni der heilige Berg und Wald.“) Damit
würden wir indes in dem Namen Ossenbrink ein Zeugnis
für die urjprüngliche Heiligkeit diejer Gegend nicht verlieren.
Auch in dem Denkmale jelbft dürfte fi ein Hinweis
auf Donar finden laffen. Die Ausſagen aller Augenzeugen
2) Deutſche Mythologie. 4. Auflage. I. ©. 141.
2) Die Form ös iſt altſächſiſch, As altnordiſch.
2) Eimrod, Handbud) der deutjchen Mythologie. 3. Aufl. &. 2217.
*% Grimm a. aD. 1 ©. 97. Anmert. 2.
5*
68
jtimmen darin überein, daß die vier Steine, die auf vier
anderen ruhten, eine jäulenartige Gejtalt hatten. Säulen,
die er mit römiſcher nterpretation dem Herkules zumeiit,
fennt jchon Tacitus.!) Don Irmensülen berichten verſchie—
dene mittelalterlihde Schriftiteller.?) Wichtig it bier vor
allem, was Widufind von Korvei über das Denkmal jagt,
welches die Sachen nad) ihrem Siege an der Unſtrut (c. 550)
dem Irmin errichteten: „mane autem facto ad orientalem
portam ponunt aquilam, aramque victoriae construen-
tes secundum errorem paternum, sacra sua propria
veneratione venerati sunt, nomine Martem, effigie co-
lumnarum immitantes Herculem loco Solem quem
(raeci appellant Apollinem ... quia Hirmin vel Her-
mes graece Mars dicitur.*
Daß „effigie columnarum“* auf mehrere Säulen
deute, darauf weift Grimm hin.?) Der Gebraud des Plu—
rals bei Tacitus jtellt e8 außer allen Zweifel, daß minde-
ftens nicht ftet8 nur eine Säule dem Gotte errichtet war.
Beitimmtes willen wir von ihrer Anzahl nicht.
Wichtiger aber als dieje Frage iſt eine andere: welches
war der bdeutihe Name für Herkules? wer war Irmin?
Zeußt) entjcheidet ji für Donar, Grimm ſchwankt, ift aber
mehr gegen dieje Annahme,’) Simrod®) dagegen verficht fie
entichieden. Stellen wir uns auch auf diefen Standpunft,
dann erflärt jich die Säulenform von felbjt; fie paßt zu dem
Charakter des Gottes, dem das Denkmal geweiht war. Man
darf nicht einwenden, daß dieje Säulen doch zu wenig groß:
artig jeien. Solange ein Bolt aus Findlingen feine Denk:
!) (rermania cap. 34.
2) Bergl. Grimm, a. a. O. J. S. Nf.
2) Ebendaſ. S. 302,
) Zeuß, die Deutſchen und die Nachbarſtämme. Se 25.
6) Grimm, a. a. DO. ©. 302.
*) Zimrod, a. a. O. ©. 262,
69
mäler errichtet, iit e3 eben von dem Materiale abhängig,
und jomwol die Auffindung wie Aufrichtung diejer mächtigen
Steine wird Mühe genug erfordert haben. In den Dör-
fern baut man feine Dome.
Noch etwas anderes läßt fich für die Vermutung, daß
wir bier ein Donardenkmal vor uns haben, anführen, jeine
Richtung. Widukind's Angabe, daß das Denkmal „dem
Orte nah der Sonne‘ geheiligt geweſen, ift lediglich auf, die
Stellung zur Burg (Schildungen) gegründet (ante orienta-
lem portam), nicht auf die Richtung des Denkmals an ich,
die ja auch — namentlih bei einer Säule — indifferent
war. Die Richtung unferes Denkmals ift dur die Steine
genau beſtimmt und zwar gegen Südweften, gegen den
Donnerbrinf, Donar ift der über Wolfen und Negen ge:
bietende Gott, der Gott des Gewitter, der den Boden
zum fruchtbaren Saatgrunde bereitet, die Früchte jegnet und
jeine Blite gegen die dem Menjchengeichlechte feindlichen
Kiefen richtet. Er wohnt im Südweften, von wo aus er die
Gewitter entjendet. In Vermland pflegt der gemeine Mann
die jüdweitliche Himmelsgegend ‚„‚Donnerhöhle” (Thörs hala)
zu nennen.!) Sind wir bier nicht ganz auf dem Irrwege,
jo müſſen wir den großen Stein der eriten Gruppe als
Opferftein betrachten, auf dem der Prieſter dem Donar die
Gaben darbradte, mit dem Gefichte gegen Südweſten ge:
wandt, wo der Gott in dem gewaltigen uralten Marken:
walde auf dem Donnerbrinf thronend gedacht wurde.
Man jieht aus diejer Darlegung, daß die allerdings recht
fümmerlichen Merkmale jehr gut zu einander jtimmen und die
Anfiht von dem Charakter des Denkmales wol annehmbar
ericheinen lajlen. Auch die am Rande des Hügels aufge:
fundenen Urnen geben zu feinem begründeten Zweifel Ber:
anlaſſung. Denn es ift ein durchaus faljches Verfahren,
1) Srimm, a. a. O. ©. 142.
70
ein Denkmal deshalb ohne weiteres al3 Hünengrab hinzu—
jtellen, weil bei ihm ſich Urnen und dergleihen Sachen fin—
den.!) Wiffen wir ja doch, daß man gerade heilige Orte und
Dpferjtätten als Ruheſtätte — vielleicht nur für Männer von
hervorragender Bedeutung — auswählte. Auch Pläte, die
allgemein als Opferſtätten anerkannt find, erweijen ſich zu—
gleih als Grabitätten, das Eine ſchließt das Andere eben
nit aus. Das Chrijtentum behielt die heidnifche Sitte ein—
fach bei und legte den Begräbnisplag um die Kirche und
ftattete ihn mit all den Nechten und Freiheiten aus, die der
heidniiche gehabt Hatte.
Einiger erflärender Worte bedarf noch der Name „Hölle“.
Es iſt ſchon vorhin bemerkt, daß wir ihn nicht ohne weiteres
mythologiſch deuten dürfen. Es gab niederdeutſch wie ober:
deutjch zwei Wörter hol (Neutr.) und hola (Fem.) neben
einander, die lautlich mit „Höhle“ ſich deden, dem Begriffe
nad) aber umfaffender Sind, entiprehend dem Verbum
(ver) hehlen, mit dem fie desjelben Stammes find. Sie be-
beuten nicht blos Höhle, jondern auch allgemein Verſteck,
Unterfchlupf, Zufluchtsort; ja noch im Mittelniederdeutichen
wird hol geradezu für Feitung gebraudt.?) In Glandorf
heißt noch jegt eine Gegend, in der nach der Sage die leb-
ten Heiden, — de göen Hönken, d. 5. die guten Hunen,
werden fie genannt und vertreten die Stelle der Wichtel-
männchen — gehauft haben follen, Hönkenhuol, wobei an
unjeren Begriff Höhle bei dem Charakter der Gegend nicht
zu denken ift.
1) Unter Anderen hat Müller 5. B. für die Bedeutung des Karliteines
eine ſolche Schlußfolgerung gemacht. Vorchriſtliche Denkmäler der
Landdroſteibezirke Lüneburg und Osnabrück. S. 26.
2) Vergl. Schiller-Lübben, Mittelniederdeutſches Wörterbuch s. v. hol.
Nach dem im osnabrückiſchen Dialekte herrſchenden Lautgeſetze iſt hol
zu huol, hole zu hüelle geworden.
71
Dben Haben wir bereit3 zu anderem Zwede auf bie
nordiihe Bezeichnung des Südweitens als Thorshäle —
des Donars Höhle hingewieſen; man fünnte nun namentlich
im Hinblid auf den engverbundenen Donnerbrint an dieje
ipezielle Bedeutung unferer Hölle denken, allein es erjcheint
dies vielleicht zu gewagt und dürfte eine allgemeinere Auf:
faſſung annehmbarer ericheinen. Es iſt aus der Geſchichte be=
fannt, daß die Deutſchen jich oft vor den drohenden Angrif-
fen der Feinde mit Weib und Habe in die Urmälder zurüd:
gezogen; lettere werden fie dort auch dann in der Regel in
Sicherheit gebradt haben, wenn fie fich ſelbſt dem Feinde
entgegenftellten. Es ift nicht recht einleuchtend, daß fie an
der erften beiten Stelle in den Urwald hineindrangen, was
diefer auch nicht geitattete, jondern man wird bejondere
Zufluctsftätten gehabt haben, die zu einem längeren Aufent:
halt geeignet, zugleih ein Eindringen des Feindes un:
möglich macdhten.!) Und als eine ſolche Zufluchtsftätte dürfte
unfere „Hole“ anzujehen fein. Ihre ganze Beichaffenheit
wenigitens läßt diefe Anficht annehmbar erjcheinen. Hinter
ih den gewaltigen Markenwald, der nicht nur eine Gau:
fondern auch eine Stammesgrenze bildete, hatten fich die
Flüchtlinge nur nah Norden, der fultivirten Seite zu, zu
hüten, und bier hatte die Natur Alles gethban, um jede
Verfolgung unmöglich zn machen; weite Sümpfe, von Bächen
durhichnitten, geftatteten feinen anderen Zugang, als auf
Schleihwegen. Daß bier in der That einmal eine friege-
riiche Aktion jtattfand, das bezeugen die unten zu beſprechen—
den Wälle, die den Stempel der Kunſt deutlich genug an
ſich tragen.
Bon der Natur jchon zur Feſtung geichaffen, ſtand bie
Gegend auch noch unter dem Schuge des Gottes und wurde
1) Bei den Galliern war es wenigftens jo. Vergl. Caesar, Bell. Gall,
I, 29. V, 32,
72
dadurh als Zufluchtsitätte im Kriege doppelt geeignet.
Donar ift ein Freund der Menſchen, ein Gott der Bauern,
ja der Knete, während Wodan die Fürften zum Kriege
reizt, die Saaten jchädigt und den Segen des Landbaues
durch zerftörende Kriegsgewalt verdrängt. In allen vier
Elementen offenbart er jeine fchügende Macht: nicht blos
gegen die Winterriejen jchleudert er jeine Blife, auch die
Dämonen der Gluthige, die dur Wolfenbrüche zerftörend
wirken, zeripaltet fein Stral: den Gewittern jelbft, von denen
jein Weſen ausgegangen war, wehrt er die verderblide Wir:
fung und bannt jie in wohlthätige Schranken. Als Gott
der Ehe, die fein Hammer weiht, legt er den Grund zu
einem jittlich geordneten Leben; als Gott de3 Eigentums,
da3 jein Hammerwurf begränzen und feititellen hilft, ent:
widelt er den Staat aus der Familie; als Gott der Brüden,
der die Bergitröme zähmt, verbindet er die Stämme und
befördert er den Verkehr, ja indem er unter den Helden und
Königen folche zu jeinen Lieblingen wählt, welde Länder
nicht ſowol mit dem Schwert als mit dem Pflug erobern,
weil jie Wälder ausrotten und Anfiedlungen in bisheran
dem Anbau unzugänglide Erdſtriche führen, beſchließt dieſer
Gott der Kultur die mythiiche Zeit.)
Was it natürlider, al3 daß man in der Nähe eines
jolchen Gottes bei Kriegszeiten den ſicherſten Schuß zu finden
glaubte, oder vielmehr ihm die Gegenden mweihte und dort
ihm jeinen Altar errichtete, wo man ſicheren Schuß in den
Nöten des Krieges fand, daß alio „Donnerbrink“ und
„Hole“ in einander überfließen?
Daß die alten Germanen aud an abgelegenen Orten
Kultusitätten hatten, ift nicht zu bezweifeln. Die Varus—
ichlacht fand befanntlih an einer jolden Stelle ftatt und
Tacitus berichtet ausdrüdlih, daß, als Germanifus jpäter
1) Sinrod, a. a. D. ©, 228.
73
das Schlachtfeld befuchte, in den benachbarten Hainen heid—
niſche Altäre gejehen mwurden.!) Für eine geficherte Lage
mancher derjelben jpricht auch der altgermanifche Name des
Heiligtums: gotiſch alhs, altſächſich alah, der mit dem latei:
niihen arx identisch ift und wol kaum der hölzernen Ein:
friedigung?) feinen Urjprung verdanken dürfte. An jolcdhen
Orten war es natürli jchwer, an Stelle des heidniichen
Heiligtum ein chriftliche8 zu erbauen und man wird, wo
in der Gegend mehrere Heiligtümer ſich befanden — was
wol überall der Fall war — ſich das geeignetite zur Chri-
ftianifierung ausgewählt haben, jo daß jich gerade die abge:
legenen erhalten hätten. An unferem Orte war die Erbauung
einer chriſtlichen Kirche einfach unmöglih, und man mag
daher das benachbarte Remſede gewählt haben, deſſen Name,
wie bemerft ift, auf eine Kultusftätte des Wodan deuten
fönnte.
Hiermit fei die mythologiſche Unterſuchung abgeichloffen.
Mag auch der Verſuch, aus den übrig gebliebenen Reiten
das alte Gebäude wieder zu errichten, gewagt fein, jo dürfte
derjelbe doch bei der Lage der Sache jeine Entſchuldigung
finden; man wird das wenigitend zugeben fünnen, daß ſich
in diejer Weije die vorhandenen Fragmente wol zujammen
gefügt baben; wirr durch einander liegend würden jie dem
Leſer wol weniger veritändlih und interefjant geblieben jein.
E3 wurde bereit hervorgehoben, daß jich am füdlichen
Abhange Urnengräber feftitellen ließen; ob jich diejelben
weiterhin nah Süden eritredten, muß unentjchieden bleiben,
da die Kultur das Terrain umgeftaltet haben kann. Wahr:
1) Lucis propinguis barbarae arae, apud quas tribunos ac primo-
rum ordinum centuriones mactaverant. Annal. I. cap. 61.
2) Ausdrüde, wie fana idolorum cum septis finden ſich oft. Vergl.
Grimm a. a. ©. I. ©. 66. Die Bezeichnung castrum für einen
Tempel dürfte indes jtets ein hölzernes oder jteinernes Gebäude
andeuten.
74
Icheinlich ift e8 gerade nicht; auch nad Sübmelten hin finden
ih in den Hügeln feine Urnen mehr.
Der Heidenfirdhof.
Es iſt augenscheinlich, daß der Einſchnitt in der Hügel:
fette, in dem jetzt das Kötterhaus jteht, urjprünglid und von
der Natur gejchaffen iſt. Es fpricht hierfür das allmähliche
Auffteigen des Hügels auf der anderen Seite des Haufe.
Er iſt niedriger als der eben beiprochene, erjtredt ſich aber
über ein weiteres Gebiet, jowol der Länge wie der Breite
nad. Auf der nördliden Ecke des jetzt noch nicht urbar
gemadten Teiles lagen ehedem in Kreisform 16 Findlinge,
die aber Fleiner waren als die vorhin bejchriebenen. Bis
auf einen jind fie jegt verihwunden. An diejer Stelle haben,
was Heringhaus noch jelbit mit angejehen hat, vor etwa
50 Fahren Herren aus Münſter nachgegraben; es Tieß jich
dies auch noch deutlich erkennen. Ob fie etwas gefunden, war
ihm unbekannt, aber einige Tage nachher hatte fein Kötter
an jener Stelle einen jilbernen Ring gefunden, den der
Regen losgeſpült hatte. Derjelbe wäre an einer Stelle ab—
geplattet und jo groß gewejen, daß ein Erwacjener drei
Finger hätte bineinfteden fünnen: „Er müffe wol einem
Rieſen gehört haben.” Da Buchſtaben auf dem Ringe ge—
jtanden, die fie nicht hätten leſen können, hätte der Kötter
den Ring zum damaligen Paſtor Röpfe in Glane gebradt.
Des Näheren erinnerte er ſich nicht mehr. Erfundigungen
bei der Tochter des veritorbenen Kötter ergaben, daß fie
den Ring nicht mehr befaß; ihrer Erinnerung nach hätte ber
— auch längit verftorbene — Paſtor ihn behalten. Die von
uns an diejer Stelle vorgenommenen Nachgrabungen blieben
vollitändig erfolglos. Freilich waren ftetS an dem Orte viel
Plaggen geichaufelt, eine Strede war früher auch einmal ſchon
urbar gewejen. Daß man hier indes eine alte Begräbnis:
jtätte vor fich hat, daS beweiſen die jich vielfach auf der
75
— — —
Bodenfläche noch zeigenden, allerdings minimal kleinen Scher:
ben von Thongefäßen.
Das Totenfeld vor dem Heringhanfer Hofe.
Die Harte zeigt, daß die joeben bejprochenen Hügel von
einem anderen Höhenzuge, dem jogen. Siebfenhof, der auf
Heringhaufen’s Hof zujchießt, durch ein jegt ca. 160 Meter
breites jumpfiges Wiefenterrain, getrennt find. Dasjelbe ijt
ehedem, bevor die Kultur fich der Vergrößerung der Wieſen—
fläche zugemwendet hatte, viel jchmaler geweſen. Die höchſte
Erhebung diejes Höhenzuges beträgt 3,80 Meter. Auf der
Dftfeite begränzt den Siebfenhof ein Bach, deſſen alter Lauf
auf der Karte durch punktirte Linien angedeutet ilt. Bei der
Verlegung dieſes Bades wurde die dadurd abgeichnittene
Höhe abgetragen und zur Wiefe gezogen. Diejer Melioration
fiel eine Art Wallburg zum Opfer, welche eine Länge von
ca. 25 Meter und eine Breite von ca. 15 Meter hatte. Da
jich noch jebt das Grad an diejer Stelle durch bejjeres Wachs—
tum auszeichnet, jo finden obige Maßangaben, welde auf
Mitteilung von Heringhaus beruhen, auch in den thatſäch—
lihen Berhältniffen eine Stüge. Der innere Raum lag un:
gefähr auf der gleichen Höhe wie die jegige Wieje, war aljo
in das Hügelterrain eingejchnitten. Die Wälle, welche fie
auf drei Seiten umgaben, reichten damals, als Heringhaus
die Abgrabung vornahm, noch ca. 2 Meter über die Sohle
der Innenfläche empor. Die äußere Böſchung war jehr flach,
die innere jehr ſteii. Am Fuß der inneren Böſchung ent—
lang lief ein Wafjergraben, welcher mit dem Bach, ber die
vierte Seite begränzte, in Verbindung ſtand.
An der Meftjeite diefer Walburg ftieß man auf eine
Reihe von größeren und Eleineren mit Ajche gefüllten Urnen,
die aber beim Herausnehmen leider ſämtlich zerbrochen find.
Die noch vorhandenen Bruchſtücke jind zumeift roh geformt.
Mehrere diejer Urnen waren indes mit Verzierungen ver:
76
jehen, wie dies die auf Tafel IV. unter Fig. da und b ge-
gebenen Abbildungen von Scherbenftüden bemeilen, welche
bei den von uns vorgenommenen Nachgrabungen zu Tage
gefommen find. Einer diefer Urnen gehörte der Hentelgriff
an, welcher auf Tafel V. unter Figur 9 dargeftellt ift. Die
genannten mit Verzierungen verjehenen Scherben befigen eine
rote Farbe und eine nur geringe Dide, die Scherben der
unverzierten Urnen find wejentlich ftärfer; fie find zum Teil
ganz grau, zum Teil zeigen jie im Äußern eine rote Ober:
fläche. Mehrere Urnen waren mit einem Plattenfteine, wie
er beim Dorfe Laer im Felde gebrochen wird, oben zuge:
dedt; jie hatten jämtlih Beigaben (Tafel V.): ein ein-
ſchneidiges Schlachtmeſſer (Fig. 1) von 34em Gejamtlänge
(der Griff ift 12cm lang); eine mit einem Loch für ben
Schaft verjehene Yanzenipite (Fig. 2), deren Länge, obgleich
diejelbe gekrümmt und nicht mehr vollitändig erhalten ift,
noch 24cm beträgt. Ferner außer dem Teil einer Pferdetrenfe
(Fig. 8) eine vollftändig erhaltene (Fig. 3). Diejelbe befteht
aus einem größeren Gliede von I1em Länge und einem
fürzeren von 9,dem. Sodann ein 3em breiter Eifenhammer
(Fig. 5), von dem ein Stüd abgebrochen und der daher nurnoch
12cm lang ift, während er nad) Maßgabe der ganz erhaltenen
einen Hälfte urfprünglich 14cm lang geweſen fein wird. End—
lid außer verjchievenen unbeftimmbaren Eijenftüden (Fig. 7)
ein Steinhammer (Fig. 6) aus Granit von 13,5 cm Länge.
Diejenigen Urnen, die nicht mit einem Laerſchen Steine
gedeckt waren, jollen mit rohen Eifenftüden umlegt und ohne
Beigaben geweſen fein. Die Sache wird fich folgendermaßen ver:
halten: die Eifenftüde jind nämlich Rafenerz, welches fih nad
Angabe von Heringhaus dort in der Gegend nicht findet, !) und
2) In dem benachbarten Glandorf iſt es jedoch jehr häufig. Vergl. zur
Sache: Ingvald Undset, Das erite Auftreten des Eiſens in Nord»
Europa, in, der Überfegung von 3. Meitorf, (Hamburg 1882) ©. 469.
77
dieſes Rafenerz hat den ohnehin ſchon jehr gefräßigen Boden
fräftig in der Vernichtung der eijernen Beigaben unterjtüßt.
Wir jelbit haben noch eine derartige (fajt ganz vernichtete)
Urne ausgegraben und unter dem Haufen Najenerz ein Stüd
Schmiedeeifen gefunden, deſſen Charakter ganz unkenntlich iſt.
Auf joldhe Kleinigkeiten haben die Arbeiter natürlich nicht
geachtet. Daß eine große Menge von Urnen domals aus:
gegraben iſt, beweijen die noch jegt zahlreih am Bachufer
liegenden Scherben, von denen wir nad) 30 jahren ohne
Mühe mehrere Handvoll jammeln fonnten. Das Terrain
weitlih von dem neuen Badhlaufe hat zum Teil durch die bei
Heritellung der Wieje erfolgte Bodenbewegung eine beträcht:
lihe Erhöhung erfahren: eine weitere Unterſuchung iſt Da:
mals nicht erfolgt. Jetzt iſt es mit einem jungen Kiefern:
Ichlage bededt, der ein weiteres Nachgraben verbietet. Allein
ein Einichnitt in das jenfeitige Bachufer fürderte ein Grab
zu Tage, welches außer einem unkenntlichen Eifengeräte noch
einen Weßftein von 12cm Xänge, I3em Breite und Lem
Dide (Taf. IV. Fig. 5) enthielt. Die (zertrümmerte) Urne
hatte zwilchen zwei Kiejeljteinen geitanden, auf denen ein
dritter rubte. Unmittelbar daneben lag eine 131/2cm lange,
llem breite und 1cm dide Steinplatte (Taf. IV. Fig. 4), die
wol den Dedel der Urne gebildet hat. Die Gräber erjtreden
ih hiernach aljo weitlih in den Kiefernichlag hinein, und
da die eben erwähnte mit Eifenerz umgebene Urne mehrere
hundert Schritte nördlich der Hauptfunditelle jich befand, jo
dürfen wir auf einen ziemlich bedeutenden Umfang des Grab:
feldes jchließen.
Höchſt eigentümlich ift ein anderer Fund, auf den man
beim Wiejenbau ftieß. An dem Abhange des Urnenhügels,
dem Bade zu, fand man ca. 11/4m unterhalb der Ober:
fläche vier SHerbditellen, die jo gebildet waren, daß drei
Ziegeliteine auf der Langfante jtehend einen flach geleg-
ten vierten umgaben (Taf. VI. Fig. 3), wobei die Offnung
78
aller vier Herde nah Norden gerichtet war. Unter fich
bildeten jie ein Quadrat von 1!/4 Meter (Seite). Der Boden
jedes Herdes war mit Aſche bededt, und die dem Innern zus
gefehrten Flächen der Steine zeigten ftarfe Brandfpuren. Nach
der Beichreibung von Heringhaus waren dieje Ziegelfteine
länger, breiter und feiter, aber dünner gewejen, als die jebt
dort gebadenen vom fogen. kleinen Format, mit denen er fie
verglichen hätte. Er hatte fie leider nicht bewahrt, glaubte
auch nicht, daß er fie überhaupt mitgenommen habe, was uns
Beranlajiung zu Nachforfchungen gab, welche bei der Einjam-
feit der Gegend uns nicht hoffnungslos erichienen. Diejelben
blieben denn auch nicht unbelohnt, wir fanden in der Um—
gegend mehrere Bruchitüde, von denen eines und nur an einer
Borderjeite ein wenig verlegt erſchien, jtarfe Brandipuren trug
und uns mit der Bejchreibung übereinzuftimmen dünkte. Das
Gutachten von Heringhaus lautete zuftimmend, nur meinte er,
feiner Borftellung und Erinnerung nad müfje an der Länge
mehr fehlen als wir annähmen. Auf diefen Punkt fommen
wir unten zurüd.
In ſüdweſtlicher Richtung von diefer Fundftätte befin-
den fih in dem Terrain zwei wallartige Erhebungen, welche
ihrer Lage und Form nad auf der Karte (Taf. II.) ange:
geben find. Augenjcheinlich haben zu ihrer Herjtellung Natur
und Menichenhand zufammengemwirkt; der füdliche weift näm—
lih eine Aufihüttung von 1,20m auf, und zwar ift es
diefelbe Erde, welche die zwiichen beiden Wällen befindliche
Thaljohle zeigt. Südlich davon jcheint ein runder Hügel der
Ausſicht wegen abgeplattet zu fein, wenigitens liegt der hier
ſonſt tiefer Tagernde jogenannte Orboden ganz an der Ober:
flähe. Haben diefe Wälle einem kriegerischen Zwede gedient,
jo wird fih der Feind in der Gegend der Teufelsfteine be:
funden haben.
Kurz erwähnt mag hier noch werden, daß fih am Dit:
rande dieſes Hiügelzuges unmittelbar vor dem Hofe Hering:
79
haus eine Wieſe befindet, die chedem einen mit einem
ca. 4m breiten Graben umgebenen Platz bildete, auf dem
Mauerreite bloßgelegt find. Wir haben hier indes feine
Unterfuhungen angeftellt, da mit großer Wahrjcheinlichkeit
angenommen werden kann, daß bier früher ein mittelalter:
liher Speicher gejtanden hat, wie fie in diefer Anlage bier zu
Lande üblih waren. Auf das Mittelalter weilt auch ein
dort im Boden gefundenes Schloß. Derjelben Zeit gehört
auch wol eine Pfahlitellung an, die beim Umlegen des Baches
vor dem Hofe bloßgelegt worden und noch jetzt ſichtbar ift.
Die übrigen Urnengräber des Ganes Suderberge.
Aus dem Charakter der dem Heringhauſer Grabfelde
entitammenden Fundftüde jcheint fich zu ergeben, daß dort
nur Männer bejtattet jind; die Fundſtücke zweier anderer
Grabjtellen weilen dagegen nur auf weibliche, beziehungs:
weile jehr jugendliche Perſonen hin. Der eine diejer Plätze
liegt in der Nähe des Kolonen Dölken in Weſterwiede (Laer)
auf einem al3 ‚Bor dem Venne“ bezeichneten Hügel. Der:
jelbe war ehedem von bedeutenderem Umfange, ift aber jegt
faft ganz abgetragen, da der weiße Sand in Laer ein ge
ſuchter Segenftand if. Noch im vorigen Jahre hatte ein
Knecht dort bei einer Urne einen goldenen Ring gefunden,
den er indes jofort verkauft hatte, und deſſen Verbleib troß
aller von uns aufgewandten Mühe nicht mehr zu ermitteln
war. Als wir zu dem Hügel famen, ſahen wir gleich eine
beim Sandgraben angeftochene Urne, die eine große Menge
von Knocenreiten umgaben, !) aber ganz zertrümmert war.
Es erwies jich überhaupt als unmöglich, hier unverjehrte Urnen
an den Tag zu bringen. Zum Teil hat das wol in dem
) Die Knochen in diefem Hügel find durchweg ſchlecht verbrannt, ſodaß
einzelne ſich noch ale Zeile beitimmter Gliedmaßen (Schädel, Ober
arm) erkennen ließen.
80
Eijengehalt des Bodens feinen Grund, welder die jchlecht
gebrannten Gefäße ftarf angreift, zum Teil auch wol darin,
daß die Wurzeln der Fichten diejelben bereit$ in der Erde
gejpalten haben. Wir haben Urnen rund umber bloßgelegt,
wobei fich herausitellte, daß fie bereits völlig zeripliffen wa:
ren, eine Thatſache, die faum auf einen anderen Grund
zurüdgehen kann. Sechs Urnen haben wir an diejer Stelle
unterjucht: wir fanden Reſte von allerdings wenig bedeuten:
den bronzenen Schmudjadhen, eine Berniteinperle von 3em
Durchmeſſer (Taf. IV. Fig. 7), in deren Loche ſich der Reſt
einer goldenen Stette befand, und eine Glasflußperle. Eine
auf Tafel VII. Fig. 3 abgebildete jehr Fleine Urne, welche
wol die Nejte eines Kindes enthielt, war mit einem auf
Tafel IV. Fig. 6 Ddargeftellten S7/; cm langen YFeuerjtein-
meſſer (?) belegt. ')
Weſtlich von diefem Hügel, nahe bei Dölfens Mühle,
befindet fid — oder richtiger befand ſich, denn er iſt bis
auf den äußerſten Nand verihwunden — ebenfall® ein
Hügel, in dem jehr viele Urnen gefunden find. Eine der:
jelben war von Frau Dölfen aufbewahrt worden; diejelbe
war zwar in Scherben, aber wenigitens foweit erhalten, daß
die auf Tafel VII. Fig. 4 dargeftellte Abbildung mit Maß—
angaben gewonnen werden fonnte. Es ift eine rohe Arbeit,
der Thon zeigt im Innern eine graue, außen eine rote Fär—
bung. Dieje Urne war ebenjo wie die übrigen bier gefun-
denen mit Knochenreſten gefüllt, doch wollte man feine Bei:
gaben bemerkt haben.
Weiter nah Weſten hinauf zwiſchen Laer-Loh und
Lohmeyer liegt ein Hügel, welcher eine ftarfe Kiesbanf ent:
hält, und deshalb vor vielen Jahren zur Ausbefjerung der
Kandjtraße ausgebeutet it. Bei diefer Gelegenheit war man
angeblich auf Urnen geſtoßen. Erfundigungen beim alten Kolon
’) Lindenſchmit weiit die Beigaben diefer Gräber in die merowingiiche Zeit.
81
MWiemann auf dem Donnerbrinf, der unter der hannoverſchen
Regierung Wegeauffeher war, beftätigten das. ‚Die Urnen
wären im Kreiſe aufgejtellt gewejen und hätten fchwarzgraue
Aſche — daß es Leichenajche geweien, wollte er nicht glauben
— enthalten. Die Arbeiter hätten dabei zwei goldene Ninge
und „vul grön Tüg“ (offenbar bronzene Schmudjachen) ge:
funden. Er felbjt jei dabei gewejen; die Arbeiter hätten die
beiden Ringe an einen Goldſchmied in Osnabrüd verkauft.
Wir haben Grabungen dort nicht veranitaltet.
Das Gerüht über die von uns vorgenommenen Nach—
grabungen verbreitete fich begreiflicherweile bald in der Ge:
gend; es hatte dies zur Folge, daß uns mehrfach Mitteilungen
über Funde aus alter und neuerer Zeit gemacht wurden. So
erfuhren wir, daß der Kolon Stodhoff in Winkeljetten (Xaer),
hart an der Grenze von Hardenfetten, beim Ausgraben von
Streufand auf ein brumnenartiges Gemäuer geftoßen jei, wel:
ches hohl geflungen habe, an deifen Öffnung er aber damals
durch den Quellenreihtum des Bodens verhindert worden fei,
obwol er eine große Menge flacher Laerſcher Steine bereits
ausgegraben gehabt hätte. Der trodene Sommer des vorigen
Jahres verſprach uns mehr Glüd, und es gelang uns wirklich
ein wenn auch nur fleineres Grab aufzufinden, defjen Form
feitgejtellt werden fonnte und auf Tafel VII. Fig. 1 u. 2
dargeftellt ift. Eine genauere Unterfuhung des Inhalts war
uns aber wegen des ftark eindringenden Waller unmöglich.
Daß aber in der Mitte des Raumes, in welchem viele Steine
lagen, eine Urne geitanden, bewies die Scherbe einer ſolchen,
welche wir in dem Schlamme fanden. Stockhoff gab an, daß
er in dem weißen Sande recht oft „Pannenſchäöre“ fände,
die wol faum etwas anders als Urnenscherben fein werden.
Sein Nachbar, der Kolon Steinbrinf, der eine unter feinem
Ader ſich hinziehende Kiesichicht ausbeutet, hat zwiſchen dieſer
und dem Mutterboden oft größere Knochen gefunden, die er
LXVI. 1. 6
für Überreite von Mahlzeiten der Riefen hielt.) Derjelben
Art wie beim Kolonen Stodhoff jcheinen auch jene Gräber
zu jein, von denen der Kolon Höpfe in Laer eines auf ſei—
nem Ader im Nordoiten des Dorfes Laer anläßlich der Ber:
foppelung in den jiebenziger Jahren entdedte. Nach jeiner
Beichreibung war es dreiedig?) aus fantigen Laerſchen Stei-
nen gebaut. Er hatte ein Schwert und ein Pferdegebig —
beides aus Eiſen — darin gefunden, aber beim Neubau
jeines® Haufes waren ihm beide Stüde verloren gegangen.
Auch Hier jind von und Nachgrabungen nicht angejtellt
worden.?)
Der Kolon Auſtrup in Sentrup hat bei der Drainis»
rung eines Ader8 an der Chauſſee von Glane nah Hilter
eine Menge reichverzierter Urnen gefunden, die mit einer
dünnen aus Thon gebadenen Platte belegt gewejen waren.
Es ift nichts mehr davon vorhanden. An derjelben Stelle
hatte er damals auch Münzen gefunden; die beiden noch
vorhandenen waren indes Dsnabrüder Scheidemünzen aus
dem Anfange des 17. Jahrhunderts, und offenbar mit dem
Dünger dorthin verjchleppt worden.
Es iſt Schon oben beiläufig bemerkt, daß es eine in der
Gegend gang und gäbe Anjicht it, die Urnengräber reichten
vom Kolonen Große Wechelmann in Nemjede bis zum Xen:
gericher Bahnhofe. Das wird cum grano salis verjtanden
wol zutreffen. An dem Wege von Heringhaus nah Große
Wechelmann liegen wenigitens eine Neihe von Grabhügeln,
die indes jchon früher angebrocdhen worden jind und uns
daher zunächſt nicht gereizt haben.
7) Es iſt jeßt Sorge dafür getragen, dab alle derartigen Funde aufbe—
wahrt werden.
2) Dies ift wol ein leicht erflärlicher Irrtum; aud wir hielten das Grab
bei Stodhoff anfünglich für dreiedig.
2) Die zulegt erwähnten Gräber befinden ſich in urbarem Boden, wo-
durch Nachgrabungen jehr erſchwert ſind.
83
Nah der anderen Seite hin haben wir das Vorkommen
von Urmengräbern bi tief in die Gemeinde Lienen hinein
verfolgt. So ilt auf dem Gute Schulte Uffelage in Aldrup
Lienen) eine jegt ebenfall3 verichiwundene Urne gefunden
worden. Herr Kriege in Yienen erzählte und, daß man vor
Jahren auch au der Windmuhle zwiſchen Lienen und Len—
gerich Urnen gefunden habe, und ebenſo haben vor etwa
20 Jahren einige Glandorfer Bürger beim Colonen Auſtrup
in Holzhauſen (Lienen) Urnen gegraben.
Die Grabhügel auf dem Gute Schulte Uffelage
(Gemeinde Lienen).
Wir erwähnten vorher einer auf dem Gute Schulte
Ufrelage gefundene Urne Auf dieſem in der Bauerichaft
Aldrup, Gemeinde Lienen, belegenen Gute befinden fich vier
außerordentlih gut erhaltene Ereisrunde Grabhügel. Wir
haben diejelben ihrer Yage und Geſtaltung nach auf Tafel VIII.
in einer Weile zur Darjtellung gebracht, welche eine einge—
hendere Beichreibung als überflüſſig ericheinen laſſen dürfte.
Die Hügel erſtrecken ſich genau in der Richtung von Oſt
nach Welt. Bor etwa 40 Jahren hatte man bei dem öſt—
lichiten derjelben mit dem Abtragen begonnen und war bei
diejer Gelegenheit die erwähnte Urne gefunden worden. Wan
hatte die Arbeit darauf eingeftellt. Bei Nachgrabungen, welche
von uns, allerdings nicht in weitgehenden Umfange, bei dem:
jelben Hügel vorgenommen wurden, it nichts Bemeriens-
wertbes zu Tage getreten. Die anderen Hügel haben wir
unangetaftet gelaffen: fie find unverjehrt und verdienen für
die Zukunft unveriehrt erhalten zu werden. Während der
zweite und dritte Hügel einander jo nahe gerüdt find, daß
ihre Böſchungen in einander jchneiden, zeichnet jich der vierte,
am meiften nach Welten vorgejchobene Hügel (e) durch eine
doppelte Ringwall-Anlage aus. Der größte Durchmeſſer des
äußerſten Ringwalles beträgt ca. 42 Dieter, die Oberkante
6*
der Ningwälle liegt um Meter über Terrain, der in:
nere Hügel, dejjen Kuppe einen Durchmeffer von ca. 9 Meter
hat, erhebt ji) dagegen zu einer Höhe von ca. 1,50 Meter.
Die Witterungseinflüffe wie die Bloßlegung der Oberfläde
beim Plaggenihaufeln haben im Laufe der Jahrhunderte
zujammengewirkt, um Das Soft zu erniedrigen, das Nie—
drige zu erhöhen; aber noch immer ift der Lauf der MWälle
und Gräben mit größter Deutlichkeit zu verfolgen. Auf
ihrem Plateau zeigen alle vier Hügel eine Einſenkung von
ca. 5 Meter Durchmeſſer und Yo Meter Tiefe. Die zwi:
ihen den Hügeln a und c befindlide Ausſchachtung b
hat einen Durchmeſſer von 16 Meter bei einer Tiefe von
0,75 Meter; hier liegt, da jede andere Erklärung dafür fehlt,
die Mutmaßung nahe, daß hierher der zum Auffchütten des
Hügels erforderli gemwejene Boden zum Teil entnommen
worden ift.
Die Sorgfalt, welche der Beliger den Grabhügeln zu:
wendet, läßt die Erhaltung der Anlage als geſichert erfcheinen.
Der Brouzefund am Hüggel in Hagen.!)
Hagen iſt ein osmabrüdijches Dorf, dad etwa in der
Mitte zwiihen Osnabrüd, Tedlenburg und burg liegt.
Dort hatten vor Jahren Knaben, welche an einem Sonntag
Nachnittage in eine natürliche Berghöhle gefrochen waren,
in dieler eine Menge von Bronzefahen gefunden. Zum Teil
hat man fie als Zierrate 3. B. als Stockkrücken verwendet;
eine große flache Schale (Opferichale?) hat man zum Dedel
') Hagen gehörte zwar ſchon zum Gaue Threcwitht und diefer Fund
dürfte daher ftreng genommen bier nicht beiprochen werden. Wenn
dies gleihwol geſchieht, jo hoffen wir für dieſes Vergehen auf Nad)-
ſicht; denn auf einen Aufſatz, in den er gehörte, iſt wol vorläufig
nicht zu rechnen. Übrigens jollen in Hagen auch Urnengräber ge
funden werden.
85
auf einen Kejjel, in dem das Kuhfutter gekocht wird, unge:
arbeitet; nur ein Gegenftand, der zu nichts anderem brauch:
bar war, ein jogenannter Kelt von bejonderer Schönheit war
in die Hände des Herrn Dr. Kappelhoff in burg gelangt
und befindet ſich jept im Bejige des Herrn Dr. Müller (Rat
am biſchöfl. Konfiitorium zu Hildesheim), der ihn ung zur
Abbildung (auf Tafel IV. Fig. 8) überjandt hat. Die Länge
des Keltes beträgt 121/2 cm.
Die Ofen in der Laerer Mark,
Diejer Abjchnitt ijt bis hierher aufgejpart, weil fein
Inhalt zum guten Zeile ohne jede Analogie dafteht und es
fogar zweifelhaft jein fann, ob er durchweg jich auf die vor:
bijtoriiche Zeit bezieht.
Al wir eines Morgens von Laer zu den Teufelsiteinen
gingen, trafen wir den Kolonen Dünnemeier, mit dem wir
ein Gejpräh anfnüpften. Sein Hof liegt nicht weit ſüdlich
von den Teufeläiteinen am linfen Ufer der Glane und gehört
nach Wefterwiede (Laer). Er erzählte uns, daß er vor eini:
gen Jahren einen Hügel vor feinem Hofe abgetragen habe,
und bei diejer Gelegenheit auch Waffen zu Tage gefommen
jeien, unter andern ein Speer und ein Pferdegebiß, auch Die
Knochen eines ganzen Pferdes jamt jeiner Ausrüftung. Die
Gegenftände habe er einen Dsnabrüder Herrn gegeben.
Unterjudt habe er nicht viel, denn das Winterwetter jei jo
falt geweſen, daß fie ſich warm hätten arbeiten müjfen. Nur
ein eigentümlicher Ofen, der fich in der Erde gefunden, ſei
deshalb etwas näher unterjucht worden, weil der Abbruch
wegen einer darüber gewachſenen diden Eiche nur langſam
hätte vor sich gehen Fünnen. Auf das Mauerwerk war er
etwa in Tiefe von 1 Meter unter der Erdoberfläche geitoßen;
bei dem weiteren Bloßlegen desjelben wurde feitgejtellt, daß
dasjelbe einen Kreis bildete, dejien innerer Durchmeſſer etwa
2m betrug; die Wandung hatte eing Stärke von ca. "am
86
und eine Höhe von ca. Im. Eine auf der Oſtſeite ange-
brachte Öffnung geftattete den Eintritt in den Innenraum.
Während zur SHeritellung der Wandungen nur Brudhitein
verwendet war, war der Fußboden, auf welchem eine dünne
Schicht von Holzfohlen lag, in Bruchſtein- und Ziegelſtein—
mauerwerk ausgeführt.
Wir erhielten zugleid noch von ihm eine eiferne Gem
lange Pfeilſpitze, (Taf. IV. Sig. 2) und ein eilernes 101/scm
langes, einem Hufmeſſer ähnliches Inſtrument (Taf. IV.
Sig. 1), die er mit anderen indes inzwijchen verlorenen
Gegenſtänden an anderer Stelle, jüdlich von jeinem Hofe,
gefunden hatte. Unserer Bitte, doch nad den Ziegeliteinen
zu ſuchen, die in dem Bodenbelage des Oſtens gefunden was
ven — er hatte alle Steine wieder zu einem Backhäuschen
verwandt — veripradh er zu erfüllen. Zwei Tage ſpäter
hatten mir denn auch ein ganz unverfehrtes Eremplar. Unter:
denen hatten wir aber jelbjt einen Fund gemadt, der uns
allen Zweifel an der Nichtigkeit der Schilderung, die uns
Dünnemeier von feinem „Ofen“ gemacht hatte, benehmen
mußte: wir hatten felbit einen foldhen gefunden.
In der Verlängerung des Hügels, auf dem die Teufels-
ſteine lagen, jegt dur einen Wall und einen neueren Weg
von Diefem getrennt (vergl. den Lageplan Taf. 11.) fanden
ih in einer Heinen Terrainſenkung auf der Oberfläche einige
zertrimmerte rundliche fog. Kleifteine, wie jene, welche den
Umen an den Teufelsiteinen als Dediteine aedient hatten.
Es erwedte dies bei uns die Mutmaßung, daß ſich bier
ebenfalls Urnengräber befänden. Statt auf ſolche Stiegen
wir indeß beim Graben ſofort auf eine fejte Steinmaſſe,
die fich im weiteren Verlaufe der Arbeit al3 ein einge:
ſtürzter „Ofen“ nac Art des Diünnemeierjchen entpuppte.
Derjelbe iſt dargeitellt auf Taf. VI. Fig. 1 und 2. Der
Durchmefjer beträgt im Xichten 2,50m. Die Stärle der
Wand, welche aus Laerſchen Steinen hergeſtellt ijt, beträgt
— — —“ —— — —
0,50; der Eingang iſt 1,00m tief, die Wandſtärke des—
jelben beträgt 0,25 m. Der Boden des Einganges ijt mit
drei flachen Laerichen Steinen bededt, der Innenraum
hat dagegen feinen Bodenbelag. Eine 14cm dide Schicht
von Holzkohlen liegt unmittelbar auf dem gewachſenen Boden.
Das Mauerwerk zeigt diejelbe Zujammenjegung mie der
Mauerreit an den Teufelsiteinen: Bruchiteine, von denen
unter der Einwirkung der Hite die ftark kalkhaltigen zu Kalt
gebrannt find und ein lehmiges Bindematerial, weldes an
ben dem Feuer ausgejegten Stellen zu einer badfteinartigen
Maſſe gebaden ift. Der ganze Innenraum war mit Steinen
und Mauerreiten bededt, welche durch den allmähligen Zu:
jammenjturz der oberen Teile der Mauer jih aufgehäuft
hatten; im Laufe der Zeit hat ſich eine Humusſchicht über
das Ganze gelagert und nur die Terraineinjenfung und
einige Steine waren dem Auge jichtbar geblieben als ein:
zige Spuren der alten Anlage. Nach Vollendung der Auf:
dedungsarbeiten holten wir den SKolonen Dünnemeier zur
Belihtigung herbei; derfelbe erflärte, die Anlage des Ofens
jei ganz diejelbe, wie die des von ihm gefundenen: doch
babe bei diejem der Eingang jih im Often befunden — bier
liegt er an der Nordfeite — und fei der Boden durchweg
mit Steinen belegt geweien. Auch fei fein Ofen weit befjer
erhalten gewejen, die Steine hätten viel weniger Feuer gehabt;
die Kohlenfhicht auf dem Boden fei ungleich dünner gewejen:
alles lediglid) Zeugniffe dafür, daß der von ihm gefundene
Ofen nicht jo lange oder jo ftarf im Gebrauch gewejen fein
wird. Welchem Zmede dienten nun dieje Defen? Dieje
Frage getrauen wir uns nicht zu beantworten. Der Gedanfe
an eine primitive Kalkbrennerei lag nahe, derjelbe wurde
aber von den ortsangejeffenen Bewohnern als unmöglich
erklärt. Auch ift nicht einzufehen, weshalb man das jchwere
Steinmaterial erft von Laer weit in dieſe unwegſame Einöde,
ichleppen follte, um e3 dann gebrannt wieder zurüdzuholen,
denn in der Nähe war e3 gar nicht zu verwenden. Auch
würden Fi dann in der Nähe Kalkiteinrefte gefunden haben.
Die Bauernhäufer erforderten in früherer Zeit feinen Mörtel,
jie wurden aus Holz, Lehm und Stroh hergeftelt. Sowol
Heringhaus wie Dinnemeier haben ihre alten Häujer abge-
brochen, ohne ein uriprüngliches Mauerwerk zu finden, und
beide8 waren Häuſer größerer Bauern. Der Ofen liegt
außerdem auf altem Marfengrunde, auf welddem dem Privat:
manne Fein Recht zueiner jolchen Anlage zuftand. Sodann ift
noch Folgendes zu beachten. Wir erwähnten, daß ebenso
wie die Mauer an den Teufelsiteinen auch die Wandungen
des Ofens zum Teil aus Steinen hergejtellt find, welche im
Feuer zu Kalk gebrannt find. Der Umstand nun, daß man folche
Steine an Mauerteilen angewandt hat, welche einem ftarfen
Feuer ausgejegt waren, weiit darauf hin, daß die Erbauer
feine Kenntnis davon hatten, daß die Steine im Feuer zu
Kalk brennen und zerfallen würden, daß ihnen aljo wahr:
jcheinlich der Kalk, feine Eigenfchaften und Verwendung etwas
Unbefanntes waren. Sollten die Ofen mit der Leichenverbren-
nung in Zuſammenhang jtehen? Die unmittelbare Nähe
von ©rabjtellen führt auf diefen Gedanken hin, obwol ein
weiterer Anhaltspunft nicht vorhanden ift. Knochenüberrefte
haben fi wenigitens in der Aſche nicht gefunden. Über die
Leichenverbrennung ift viel zu wenig bekannt, um eine ficher
begründete Anjicht ausiprechen zu können; Borrichtungen
irgend welcher Art werden aber an den gemeinjamen Be:
gräbnisplägen doch wol vorhanden geweſen fein; denn auf
jeweilig friſch errichteten Scheiterhaufen eine oder gar wie hier
eine Reihe von Leichen derartig zu Ajche zu brennen, daß nur
geringfügige oder gar feine Knochenrefte übrig bleiben, dürfte
denn Doch leichter gejagt als gethan jein.!)
) Es Scheint diefe Sache überhaupt noch nicht hinreichend aufgelärt zu
jein. Die Annahme, daß man durd) Abkochen oder Abjchneiden zu:
89
Mir müſſen vorläufig auf eine endgiltige Löſung ver:
zichten. Vielleicht bringt fie ein glüdlicher Zufall. Zu be:
achten bleibt eritens, daß der Dfen in Material und Aus:
führung genau dem des Mauerreites an den Teufelsiteinen
gleicht, daß ferner beide Ofen in unmittelbarer Nähe von
Zeichenfeldern jich befinden und drittens, daß der Dünnemeier:
ſche Ofen auch einige Ziegelfteine enthielt, die vielleicht beide
Ofen einer beftimmten Zeit zuzuweiſen im Stande jind.
Das Ziegeljteingrab in DOftenfelde.
Es ift vorhin bemerkt worden, daß Dünnemeier uns mit
einem gut erhaltenen Ziegelitein aus feinem Ofen überraichte:
eine Überrafhung auch deshalb, weil der Etein in Form
und Material genau übereinftimmt mit dem, welchen Hering:
haus als den Herden angehörig bezeichnet hatte; beide Funde
gehören demnach wol derjelben Zeit au. Der Stein iſt
26!/gcm lang, 13em breit und 41/,cm bis dem did. Unſere
erite Sorge war nun, die Ziegeliteine älterer und neuerer
Zeit in der Gegend kennen zu lernen. Der Betrieb einer
regelrechten Ziegelei in dieſem Gau reicht etwa 50 Fahre
zurüd, aber gelegentlih betriebene Feldbrände jind jchon
früher befannt gemwejen. Um die Mitte des vorigen Jahr:
hunderts jind Ziegelfteine im Klojter Jburg verwendet wor:
den. Auch zu dem Heringhauſer Gebäude, welches wir als
mittelalterlihen Speicher bingeftellt haben, find zum Teil
Ziegeliteine verwendet; aber jie find von ganz anderer Ge:
ftalt und Bearbeitung, namentlich viel dider. Won bejon-
derer Dide!) find auch einige auf dem Dünnemeierjchen Gute
nächit das Fleiſch bejeitigt habe, empfiehlt fich; dies Verfahren dürfte
indes einer jüngeren Periode angehören. Vergl. übrigens Hoſtmann
im Archiv für Anthropologie Bd. VII. ©. 288 und Eder ebenda
Bd. X. ©. 14 ff.
) Die Breite beträgt I4cm, die Dicke ſtark 7em. Die Länge iſt nicht
gefundenen (mittelalterlihe?) Ziegelfteine. Hingegen ift beim
Abbruch der Kirchen in Glane und Laer (13. Jahrh.), der in
den 70er Jahren ftattitand, Fein Ziegel vorgefunden worden.
Ziegel müſſen in dieſer Gegend überhaupt auffallen.
Zum Bau der Wohn: und Wirtichaftsgebäude braudte man
feine Steine, und wo man ihrer bedurfte, da bot ſich der
natürliche Stein in unmittelbarer Nähe fowol in Iburg wie
in Laer. Für die leichte und bequeme Gewinnung des Laer:
ſchen Steines fpridht der Umstand, daß wir ihn jchon bei
den Urnengräbern und den Ofen verwendet fanden. Ein
ausgedehnter Gebrauch iſt deshalb auch jelbit in den legten
Sahrhunderten von dem Ziegelitein hier nicht gemacht wor:
den. Indes gelang es und do, eine Sammlung der ver:
Ichiedenften Steine meilt aus dem vorigen und der erjten
Hälfte unferes Nahrhundert3 zujammen zu bringen, aber
feiner ftimmte auch nur annähernd überein mit ben Herd—
jteinen von SHerinahaus und den Dfenfteinen von Dünne—
meier. Unterdejjen erfuhren wir durch Herrn Dr. Kappelhoff
in burg, daß feiner Erinnerung nad der Kolon Bogeljang
in Oftenfelde (Glane) vor Jahren ein gemauertes Grab ge=
funden babe, in welchem Urnen enthalten gemwejen fein. Wir
begaben uns deshalb an Ort und Stelle und erfuhren von
Vogelſang Folgendes:
Vor etwa 20 Jahren habe er auf der anderen Seite
feitzuftellen, da weder Dünnemeier nod wir ein ganz unbejchädigtes
Eremplar gefunden haben. Sie wurden auf einem Plate gefunden,
auf dem ehemals vier uralte hohle Linden ftanden.
Der Plab iſt mit Holgafche bedeckt. Da in Folge deifen Die
Plaggen dort jehr qut wachen, werden fie oft geichaufelt, ſodaß die
Steine ehedem gewiß mehrere Fuß tief im Poden geſteckt haben.
Dieſem Plage gegenüber auf der anderen Ceite des Weges fteht jun:
ger Birkenſchlag, bei deſſen Anpflanzung Dünnemeier auf Mauerrefte
geitogen it, die er für das Fundament eines Heiligenhäuschens ge:
halten, von dejjen Dajein aber feine Erinnerung vorhanden ift,
91
der Yanditrage,!) ungefähr jeinem Hofe gegenüber, auf einem
Kampe, den man Heedoft (Haidhorit? Heidenhorit?) nenne,
und mo e3 nach dem Bollsglauben jpufe, ein Stüd Waldung
ausgerodet, dabei fei er auf einen ebenfalls mit Schlagholz
bewachienen Hügel aejtoßen, in dem: fich ein aus Ziegelfteinen
gebautes Gewölbe gefunden habe. In der Hoffnung bier
einen vermauerten Schat zu finden, jei er mit der Deffnung
auf das Voriichtigite zu Werke gegangen. Aber jtatt des
Scapes hätten nur drei Urnen in dem Gewölbe geitanden
und jonft gar nichts. Zwei von gleicher Größe hätten neben
einander, eine dritte kleinere davor geftanden, alle drei hätten
nur Aiche ohne eine fonftige Beigabe enthalten und jeien mit
einer Ihonplatte zugededt geweſen.
Die Zeihnung des Grabes auf Tafel IX. iſt nach den
Angaben Vogelſangs angefertigt, für die Yänge war ein
jicherer Anhaltspunkt dadurch gegeben, daß Vogelſang ſich
in das Grab hineingelegt hatte, was aber nur durch Nei:
gung des Kopfes möglich geworden war.
Der Boden des Grabes war aus Xaerichen Steinen
hergeftellt, alles andere aus Ziegeliteinen, deren Zahl unge:
fähr 500 betragen babe. Der Mörtel fei aber jchlecht ges
wejen, jodaß der ganze Abbruch mit der Schaufel hätte be-
werkitelligt werden können. Vogelſang hatte vermutet auf
den Ziegeliteinen die Namen der dort Beigejeßten zu finden
und jie deshalb unter der Pumpe mit einem Faßbeſen Stüd
für Stüd gereinigt — indes ohne einen Buchſtaben zu finden.
Die Urnen haben jeine Kinder als Spielzeug verbraudt;
die 300 Steine hatte er wieder vermauert. Xeider fonnte
weder er noch der Maurer, der auch beim Abbruc des Gra—
bes mitgewirkt hatte, ji) der Stelle ihrer Wiederverwendung
erinnern; es iſt auf dem Hofe jeit jener Beit viel gebaut
) Ce iſt dies der alte am Gebirge entlang laufende Yandweg; derielbe
iſt jet mit einem Steinfchlage bededt,
—
und faſt alles Mauerwerk nach dortiger Sitte verputzt, ſodaß
die Steine nicht ſichtbar ſind. Die Beſchreibung ſtimmte
indes genau mit der von Heringhaus und Dünnemeier ge—
gebenen überein. Um nad) Möglichkeit ſicher zu gehen brach—
ten wir jpäter eine Reihe verjchiedener Ziegel zu Vogelſang,
aus der er den ähnlichiten herausſuchen follte: er griff ohne
Weiteres nad den Dünnemeierſchen Ziegel und jaate: „Das
iſt ganz derjelbe Stein, ich habe 300 davon abgewajchen
und kenne fie,’
Ergebuniſſſe.
Es kann hier nicht unſere Aufgabe ſein, auf Grund
dieſer Funde Schlüſſe allgemeiner Natur für die Altertums—
wiſſeuſchaft zu ziehen. Wir glauben zwar, die einſchlägige
Litteratur, ſoviel uns möglich war, zu Rate gezogen zu haben,
allein wichtiger als ſie iſt hier die Erfahrung und ein gutes
Muſeum — und beides fehlt und. Wir haben uns daher
gerne darauf beſchränkt, das, was wir ermittelt, ohne Rück—
jicht auf andere Funde durch Wort und Bild möglichſt forg:
fältig darzuftellen, um jo den berufenen Forichern vielleicht
einige brauchbare Steine zum Ausbau der Altertumswijjen:
haft darzubieten. Ein naheliegender Schluß aber iſt der: daß
der jüdliche Abhang des Teutoburger Waldes bereits in früher
Zeit kultivirt gewejen iſt und eine verhältnismäßig nicht
unbedeutende Bevölkerung gehabt hat, was bei der fchon
von Norbert gerühmten Fruchtbarkeit des Bodens nicht zu
verwundern tit.
Eine etwas eingehendere Erörterung verlangen indes
die Ziegeljteine, die wol den interejlantejten Teil des Fun:
des ausmachen. Wir waren bier ganz auf die Ausfagen
der Finder angewieien. Ihre Glaubwürdigkeit fteht zunächft
außer allem Zweifel; alle drei jind in der Gegend und ung
perjönlich als durchaus ehrenwerte Männer befannt, die über:
93
dies nicht das allermindefte Intereſſe daran hatten, uns irre
zu führen; feinen Pfennig haben jie von uns genommen
und nur Nachteil gehabt. Man war auch darüber im Un:
Haren, was wir eigentlih wollten: Siegener Steingut,
mittelalterlihe Münzen, Kiſten, Schnigwerk brachte man ung
oder erjuchte uns, e3 zu bejehen; gerade das, was wir für
wichtig hielten, darauf legten jie gar fein Gewicht. Außer:
dem wußte Heringhaus von dem Funde Dünnemeiers nichts,
und beide nichts von dem Vogelſangs, obwol derjelbe da—
mals gleich in Iburg befannt geworden war, woſelbſt wir
ja aud über ihn erfuhren. Diejer aber war nicht im Vor:
borgenen gemacht, es lebten noch mehrere Augenzeugen.
Abfichtlihe Täufchung war hier von vornherein aus:
geichloffen und unmöglich; es fann ih nur darum handeln,
ob die Steine an allen drei Stellen derjelben Art waren,
und in dem einen volljtändig erhaltenen Gremplare eine
Probe davon vorliegt. Hier iſt ein Irrtum immerhin dent:
bar, aber auch nicht wahrfcheinlid. Denn die Übereinftim:
mung des Urteils dreier Perſonen, von denen feiner das
de3 anderen und unjeren Zwed fannte, Spricht gegen einen
jolden. Es ift dabei auch ferner zu beachten, daß das
nicht überladene Gedächtnis eines Bauern das, was e3 ein:
mal aufgenommen, zähe feithält, zumal wenn es fih um
ſolche Gegenjtände des täglichen Lebens handelt. War doc
allen Dreien bei ihrem Funde, dejjen theoretijche Wichtigkeit
jie nicht ahnten, der praftiiche Wunsch aufgeltiegen und leben:
dig geblieben: gäbe es doch jetzt noch ſolche Ziegeljteine!
Unjeres Eradtens kann man daher unbedenklich den Aus:
jagen der Finder Glauben jchenfen.
Aber auch wer das nicht will, fann doch die Thatfache
nicht in Zweifel ziehen, dab bier ein Ziegelfteingrab mit
Urnen gefunden it, bier in dieſer jteinreichen Gegend aljo
bereit zur Zeit des YLeichenbrandes Ziegel gebaden find.
Das ijt eine Thatfache von bejonderer Wichtigkeit, zu deren
94
Erklärung nur zwei Wege offen ftehen: entweder haben die
heidniihen Sachſen ſchon Ziegel gebrannt oder aber dieſe
rühren von einem fremden Bolfe, von den Römern, ber.
Die erite Annahme widerjpricht Allem, was uns über den
damaligen Kulturzuftand der Sachſen bekannt ift und fann
ernftlich erft dann in Betracht gezogen werden, wenn analoge
Funde gemacht find, deren ſächſiſche Herkunft unantaftbar ift.
Somit bliebe nur die Annahme, daß die Ziegel römiſchen
Urjprungs find und damit zulammenhängend die weitere
Annahme, daß jih hier in der Gegend irgendwo ein Stand:
quartier der Nömer befunden habe; denn ein bloßer Durd)-
zug ſchließt die Herjtellung von Ziegeln doch wol aus. Nach
dem Plate möchten wir wol nicht lange zu juchen haben,
das alte castrum burg!) würde die größte Wahricheinlich-
feit für ji haben. Vielleicht möchte eine jorgfältige Durd)
forihung der Grundmauern der Abtei Iburg und der Nefte
der alten Umfaffungsmauern noch zu weiteren Nefultaten
führen.
Die bei Heringhaus und Dünnemeier gefundenen Ziegel
brauchen indes feineswegs von den Römern jelbit dorthin
gebracht fein; nach ihrem Abzuge werden die Sachſen ihren
Nachlaß wol zu verwerten verftanden haben. Vielleicht haben
fie ſich ſogar die römische Technik angeeignet und eine Zeit
lang jelbit geübt, auf feinen Fall aber fommt man um die
Annahme römischen Einflujfes herum. Denkbar ift es indes
wol, daß auf dem Heringhaufer Totenfelde ſich auch noch
andere Ereignijje abgejpielt haben, und die Opferftätte an
den Teufelsiteinen wie die Urnengräber mit den Ziegelitein-
herden in feiner zeitlichen Verbindung ftehen.
) „Vielleicht auch hatten die Nömer in der Gegend von Iburg oder in
der Nahe ein Kaltell, und da dieſes von den Aufſtändiſchen bedroht
war, jo mußte es raſch entjegt werden und der Feldherr (Varns)
hoffte vielleicht noch rechtzeitig hinzugelangen, che es von den Fein—
den eingeſchloſſen war.“ Knoke a. a. O. S. 115.
95
Daß die Römer in diefer Gegend Handel betrieben ba:
ben, jcheint durch die Bronzegegenitände, die dod) feine ein-
heimiſche Arbeit find, außer Frage zu ſtehen. Soweit bekannt,
ift indes nur eine, ſchon von Mommijen verzeichnete, römijche
Münze, und zwar am Fuße des Urberges gefunden worden.
Aber es hat hier in der Gegend auch nie ein Sammler
eriltirt; die Münzen ind deshalb, falls ſolche gefunden find,
mit den Ringen und anderen Schmudjadhen in die Werk:
jtätten der DOsnabrüder Goldichmiede gewandert. Auch von
dem, was in dieſem Auflage beſprochen ift, würde ſchwerlich
eine Kunde in weitere Kreije gedrungen fein, wenn nicht ein
Zufall zu den Unterfuhungen, deren Ergebnifje hier darge:
legt find, die Veranlafjung gegeben hätte.
Schneider nimmt eine Frankenitraße den Teutoburger
Wald entlang laufend an; aber jchon die Lage der Bauern:
häuſer jcheint dafür zu jprechen, daß der Weg älter und
urjprünglid ift. Das Ziegeljteingrab lag faſt unmittelbar
an dieſem Wege, und die Vorliebe der Römer, ihre Gräber
an den Wegen zu errichten, it befannt. Doc wir wollen
uns feinen Bermutungen überlafjen, zu deren Begründung
der Umfang unjerer Unterfuhung nicht ausreicht. Wir find
zufrieden, wenn unjere Arbeit mit dem Anfange nicht auch
den Schluß diefer Unterfuchung bildet, und jie in einem
weiteren Rahmen in Angriff genommen wird, als e3 ung
möglich war. !)
!) Herr Prof. Dr. Yindenfchmit, Direktor des rom. und aerm. Gentral:
muſeums in Mainz Iprechen wir für jeine wohlwollende Beihülſe
unjern herzlichen Dauk aus.
III.
Ueber den Stammijis des Geſchlechts
von Wolmeringhanjen.
Bon
Aug. Heldmaun,
Pfarrer zu Michelbach bei Marburg.
Das Geſchlecht von Wolnteringhaufen, welches im Wappen
nicht drei links gewendete Wiejel!), ſondern drei figende rote
Eichhörnchen (2. 1.) in goldenem Felde führt, die beiden obern
gegen einander, das untere lintS gewendet, auf dem Helm
einen offenen Flug, auf jedem Flügel ein Eichhorn in figender
Stellung, und 1632 mit Johann Otto von W. im Manns:
ftanıme ausjtarb, gilt meilt für ein waldedijches. Am mei:
jten befannt geworden ijt Otto von Wolmeringhaujen, geb.
1538, heſſiſcher Nittmeifter und Kriegsrat zu Cafjel, Oberiter
des oberrheiniſchen Kreifes, 1589 waldeckiſcher Oberſcholarch,
y 18. Oftober 1591 zu Corbad und begraben in der Kirche
St. Kilian dajelbit, wo ihm der dajige Pfarrer Georg Nym—
phius eine zweieinhalbjtündige Leichenpredigt hielt und feine
Wittwe Mechtilde, geb. von Viermundt-Oeding ein Epita:
phium?) jegen ließ, welcher unter dem Erzbiſchof Gebhard
Truchſeß von Göln die Nolle eines weltlichen Kirchenkom—
miſſars im Herzogtum Weftphalen abgab und durch Herein-
ziehung von heſſiſchen und waldediichen Geiſtlichen ſich als
bejonders eifriges Werkzeug zur Durdführung der truch—
jejjiichen Pläne bewies.
1) Fahne, Urt.:®. des Gejchlehts Mejchede. Taf. XXVI.
?) Ubgedr. bei Gurke, Gejchichte der Et. Kilianstirdde zu Gorbad).
1843. S. 298 ff.
97
Die über den Stammfig dieſes Geſchlechts gebildete
Heine Litteratur ijt bei Seiberg, Quellen, III. ©. 247—250
enthalten, ohne daß Seibertz zu einem jiheren Ergebnis ge-
langt iſt. 1) Caspar Chr. Voigt von Elspe, der Con—
vertit und kölniſche Amtmann zu Medebah, jagt in jeiner
ducatuum Angariae et Westph. delineatio (1694) von
der Freigrafſchaft Züſchen: In hac comitia stetit olim ca-
stellum Stoltzenberg super pago Hesperen, sedes origi-
naria dominorum de Wolmeringhausen. Sie enim legi-
tur in reversali domini Meinolphi de Büren sub dato
1382, quod Meinolphus de Büren senior admodum re-
verendo de Wolmeringhausen wohnhaft auff dem Stolgen-
berge over Heipern gelegen, cesserit octo modios frumen-
torum.!) Weil die Gejchlechter ſich in der.Negel nad ei:
nem Stammorte benennen, jo meint Seiberk, daß bier jeden:
falls ein Irrtum vorliege, wie auch 2) in der Angabe von
Steinend: „Wolmeringhaujen in der Grafſchaft Arnsberg
bat einer Familie gleihen Namens angehört, ſo 1619 nod)
gelebt hat”,2) weil das Dorf Wolmeringhaufen am Neger:
bach im Kreije Brilon, welches von Steinen im Sinne babe,
weder je zur Grafichaft Arnsberg gehört, noch hier das Ge-
ihleht von Wolmeringhaujen begütert gewejen. 3) Eure?)
folgt zwar der Angabe von Steinens, ijt aber fpäter zu dem
Ergebnis gekommen, daß die in VBarnhagens mwalded. Reg.
Geſch. I, 61 erwähnte Wüftung Wammerenghufen oder Wam—
rihhujen zwiſchen Corbach, Strote und Höringhaufen ber
Stammjig des Geſchlechts gemwejen, weil bafjelbe jeit der
Mitte des 14. Jahrh. in waldeckiſchen Dieniten geftanden
und zu Meinringkaufen, Strote und Malberg, jowie den
dajigen Wüftungen Rederfufen und Ryſſinchuſen begütert ge:
) Seibertz, Quellen II, S. 191. — ?) Weſtph. Geſch. Hiſtorie der
Ritterſitze St. 14, ©. 1646. — *) Geſch. und Beſchreib. Waldecks.
S. 245.
XLIV. 1, 7
98
wejen, der Umlaut a in o und die Verichmelzung des 1 mit
m im Munde des Volks nichts Auffallendes haben Tönne.
In diefer Gegend habe das Geſchlecht den Burgiig zu Meins
ringhaufen vom Abt zu Gorvey feit ältejter Zeit zu Lehen
gehabt, und als das Geſchlecht mit Joh. Otto von W. 1635
erloihen, habe der Abt Joh. Chriſtoph 1636 den Curt von
Twiſte, der die ältefte Tochter oh. Ottos von W. gehei-
ratet, mit dem Gute belehnt. Hermann von W. nenne 1570
den Burgjig Meinringhaujen „die uralte Stammesbehaus:
jung“, weil er fie wol mit dem nahen, wüjt gewordenen
MWammerighaufen identifiziert habe, das 1313 noch als eine
villa vorfomme. In der Nähe habe ferner der Hof Rede:
ringhaufen gelegen, !) welcher 1623 mit 3/4 des Zehnten den
von W. gehört .habe. Kloiter Bredelar habe 1526 an Wal:
def a) die Wüftung Riſſinghauſen zwiſchen Meinringhaujen
und Höringhaufen, b) einen Hof zu Nederinghaufen, c) einen
Hof zu Höringhaufen mit der gedachten Wüftung überlafjen
und es jei anzunehmen, daß der letzte Hof zu den Höfen
von Wammrichhaujen gehörte, welche noch 1787 von Höring—
baufer Bauern unter dem Namen der Wammeringhaufer
Höfe bewirtichaftet wurden. Seiberk findet jedoch auffallend,
daß die Familie von W. niemals von Wammerinchuſen ge—
nannt werde, und diefe Wüftung jchon 1313 dieſen Namen
führe. 4) P. Kampſchulte, welchem Seiberk zuneigt, in
jeiner Geichichte des Almegaues?) verjegt den Stammſitz Des
Geihlehts in die Gegend von Almen und erflärt den im
Güterverzeichnis des Kl. Bredelar von 1416 aufgeführten Hof
Barmerinhujen?) und die Ortihaft Walberinghaujen, welche
zum alten Freibanne Haldinghaujen gehörte, für identisch
mit dem wüjten Kirchdorfe Wolmeringhaufen bei dem Weiler
Lohe in der Pfarrei Alme, deffen „alte Kirche” bis in Die
1) Barnhagen I, ©. 56. — *) Zeitjichrift für weftph. Geſch. 23, 290.
20, 539. — ?) Seiberg, Quellen I, 154.
99
Neuzeit prozefiionsmweije von Alme aus bejucht wurde. Durd)
Rezeß vom 1. Mai 1546 habe Gerd von Mejchede zu Almen
den Bewohnern de3 Dorfes Ratlinghaufen die Grashute in
den Gründen von Wolmerinkhauſen geitattet,) und 1577
babe Dtto, 1619 Joſias von W. zu Oberalme gewohnt: AI.
Bredlar habe 1423 den ganzen Zehnten zu Wolmeringhaujen
durch Tauſch erworben.
Die Nachricht C. Chr. Voigts von Elspe, daß der
Stammſitz des Geſchlechts in der ehemaligen Freigrafichaft
Züſchen bei Hallenberg gewejen fei, muß als richtig ange:
jehen werden, da jich diejelbe, abgejehen von der von ihrem
Verfaſſer angeführten Urkunde von 1382 auch Jonft urfund-
lih nachweiſen läßt. Untgefehrt läßt fi urkundlich nad)
weilen, wie das Geichleht die Güter zu Meinringhaufen,
Alme 2c. erworben und daß es diefelben urſprünglich nicht
bejeffen hat. Beide Gütererwerbungen und die deshalbigen
Urkunden reihen nicht über das 16. Kahrhundert hinauf.
Mammerihujen mit Leuten und Zubehörungen ge:
hörte den Edelherrn von Itter. Heinrich III. von Itter ver:
Ihrieb 5 Marf Einkünfte aus feinen Gütern dajelbit 1296
(12. März) für ein Burglehen von 50 Mark dem Land:
grafen Heinrich von Heffen zugleich mit der Öffnung feines
Schloſſes Itter.“) Derjelbe Heinrich III. von Itter und
jein Sohn Henrich tragen 1313 (22. Sept.) ihre eigenen Höfe
zu Wammerihujen und Heyerichhufen dem Grafen Johann
von Ziegenhain auf und empfangen jie von ihm als Yehen
zurüd.3) 1326 (2. Dftertag) verlaufen Tilemann I. von
Itter und feine Frau Cunegunde mit ihren Söhnen, jomwie
feinem Bruder Johann dem Grafen Henrich von Walded die
Vogtei und Gericht zu Höringhaufen ſammt dem Zehnten zu
1) Sahne, Urk.B. von Meſchede. ©. 184.
2) Kopp, Hiltor. Nachr. von den Herrn von Itter 1751, Wr. 49.
2) Kopp x. S. 80.
7*
100
Schyveliheid!) und Wammerenhufen und anderen Gefällen
auf eine Wiederloje für 100 Mark Pfennige.?)
Die Wüftung Rederinghaujen bejaß in alter Zeit
da3 gleichnamige Geſchlecht von Rederinghaufen, welches um
1400 mit Gurt von R. ausitarb. Letzterer hatte bereits
1367 einige von den Herren von Itter lehnrührige Güter
der Wittwe des Hermann Gaugrebe und ihren Söhnen Diet-
rih und Hermann aufgelafien, welche von Adolf von Itter
belehnt wurden, andere dem Ritter Brojede von Viermynne
(Viermundt) verkauft, darunter ein Gut zu Berndorf (1394),
ſowie Zehnten zu Nederinghaujfen. Mit einem Bierteil die—
je3 Zehnten wird Brojede vom Grafen Henrich von Walde
(1394, 23. Juni) belehnt. Anſprüche, welche Heinrich von
Elle an diejen Zehnten hatte, trat diejer 1402 an Brojede
ab.?) Ein anderes BVierteil des Zehnten zu Nederinghaujen
hatte die bejjiiche Familie von Gudenberg (erlojchen 1534
und verihieden von den Wolf von Gudenberg) von Walded
zu Lehen. (Landau heil. R.B. 4, 259). Das Dorf Mein:
ringhauſen, wozu die Jurisdiktion, Zehnten und Dienfte
gehörten, gab 1460 Graf Wolrad von Walded an den Land-
broften Henri von Immighauſen (Ymmekusen) auf Lebens:
zeit zur Hälfte als Pfandichaft, zur Hälfte aus Gnade. Mit
dem Genannten jtarb dieſes Gejchlecht gegen Ende des 15.
Sahrh. aus. Darauf erhielt Hermann von Wolmeringhaujen,
1481 Hofmeilter des Grafen Philipp, „um treuen Dienſtes
willen” das Dorf Meinringhaufen zuerit als Pfandſchaft,
dann fein Sohn Yohann von W. 1502 als Lehen. Deſſen
Sohn Hermann von W. wurde nebit den von Grafichaft
1528 mit allen Lehnsftüden des Henrich von Immighauſen
belehnt. 1522 verfaufte Graf Philipp dem Johann von W.
auch das Dorf Strote und 1533 belehnt Graf Johann die
von Wolmeringhaujen mit dem Hofe Rederkufen, Gütern zu
1) Wüftung bei Höringhaufen. — ) Kopp x. ©. 100, Nr. 64. 87.
2) Mnfe. des Hauſes Nordenbed.
101
Riſſinchuſen und dem ‚freien Burgjaß in dem Malenberge.“)
Ein Viertel des ganzen Malbergs bejaßen die von Cratzen—
ftein zu Dorfitter, welche dafjelbe 1585 an die von Wolme—
ringhaufen verkauften, worauf legtere mit diefem Bierteil
von Walded belehnt wurden.
Die Bezeihnung Meinringhaujens als „uralte Stammes:
behaujung” der von W. ift bedeutungslos und findet fich
auch bei anderen Geſchlechtern 3. B. gleichzeitig bei den von
Viermudt bezüglich ihres Schloſſes Nordenbed, welches aud)
jie erſt jeit 1369 bejaßen. Nur foviel ift richtig, daß die
von W. einen zu Meinringhaujen gelegenen Erbhof bejaßen,
welchen jie 1595 an das Klofter Berich verkauften, und Lehns—
ftüde des Stifts Corvey, ohne daß damit etwas über den
Stammfig bemwiejen wird.
Die Güter zu Alme endlih haben die von W. durd)
Heirat Hermanns von W., Johanns Sohn, mit Anna von
Meihede, Tochter Goddert3 von Mejchede, 1527 erworben, ?)
und deshalbigen Vergleih 1556 (28. April) durch Schieds—
freunde abgejchlofjen. ?)
Dahingegen weiſen die älteren Urkunden auf bie Frei—
arafihaft Züſchen als Stammjig des Geſchlechts hin. Die
von W. erſcheinen namentlich vielfach als Zeugen und Sieg:
ler in Urkunden, welche in oder bei Hallenberg, Battenberg
und Berleburg von dortigen Geſchlechtern ausgeftellt find.
Es liegen u. a. folgende vor:
Henrih von Wolmerkujen ift Zeuge: 1311 1. Septbr.
neben Conrad von Dedenshufen, als des letteren Vater
") Eurge, Beſchr. x. S. 246 und 655.
2) Kampſchulte, weftph. Zeitfchrift 23, ©. 257: „Um die Mitte des
16. Jahrh. ftarb die Linie von Mejchede zu Oberalme im Manns:
ftamme aus; zwei Erbtöchter brachten die Güter auf zwei fremde
Familien von Wolmerinfhaujen und von Bodenhaufen. Dietrich)
von Bocholtz, Bl. zur Kunde Weitf. 1868. ©. 30.
3) Fahne, Urk.B. des Geſchlechts Meſchede, Nr. 334,
102
Gottfried von D. bekundet, daß er mit feinem Blutsver:
ten Friedrich von Hörde gegen den Willen feines Bruders
Godebert von D. von zwei lippiihen Bürgern deren Teil
an der Curie Niferswic mit Lehnreht und Zubehör ge:
fauft hat;!)
1322 neben Conr. von Diedenshaufen und Arnold von
Beltershaufen, als Gurt von Lynne und ux. Güde ihre Güter
zu Diedenshaufen, gen. das Sammengut, an Glaricia, des
Nitter Eberhard von Viermynne Wittwe, verkauft, wobei
Gerlah von Viermynne fiegelt;?)
1329 neben Gerlad und Dietrich von Viermynne und
Gerlah von Diedenshaufen, al3 der Knappe Tammo von
Beltershaufen und ux. Catharina die halbe Vogtei Linsphe
und das halbe Gericht zu Bromskirchen den Brüdern Conr.
und Gottfried von Diedenshaufen verkaufen. 3)
Derielbe Henrih von Wolmerkufen ift 1337 neben Con—
rad von Diedenshaujen Bürge für den Grafen Syfried von
MWittgenftein. *)
1338 15. Juni. Auf Bitten Guthes von Wolmerkufen
und der Frauen des Conr. von Diedenshaufen und Gonr.
von Biermynne entläßt Conrad von PViermynne und fein
Bruder Adolf eine Eigengehörige.)
1383 25. Mai. Johann von Wolmerkuſen ift Siegler,
al3 Gerhard von Therfe (Derih) und feine Söhne Gerlad)
und Johann einen Hof zu Röddenau dem Klofter Haina zu
einem Seelgerede für ihre und ihrer Eltern Seelen über:
geben.?)
2) Fahne, Bocholk IT, 83.
?) Rotulum documentorum transsumptorum, eine 1581 notariell an-
gefertigte Gopie von 698 Urkunden des Geſchlechts von Viermundt
(1308— 1562) Nr. 76.
’) Marb. St.Archiv, Elbringhaufen.
) RBerleburger Archiv, Rep. Nr. 149.
°) Wyß, U.B. der Deutſch-O. Ballei Heffen. II, 660.
°) Marb. St.Archiv, Kl. Hainaiſches Cop.Buch Nr. 881.
103
Die jet wüften Orte Linsphe und Beltershaufen waren,
wie das noch vorhandene Diedenshaufen, auf der heſſiſch—
fölnifhen Grenze im Amte Battenberg gelegen, die von
Diedenshaufen und Viermynne, jeit 1336 durch Ganerbichaft
verbunden, fölniijhe Burgmänner zu Hallenberg.
Die von Wolmeringhaufen jind im Bejig arnsbergiſch—
fölniiher Lehngüter zu Nerdar bei Corbad. Im Güter:
verzeihnis des Grafen Gottfried IV. von Arnsberg (1338)
ift Gobel von Wolmerindhufen beliehen mit 3 Curien zu
Neder, dem Kirchenpatronat und den Einkünften von 4 Solibi
fowie allen Gütern, welde er in Beldene (Bilden bei Mes
debach) unter hat; desgleichen hat Johann von W. von dem:
jelben Grafen von Arnsberg zwei Haupthöfe zu Kirchneidern
und den Wildpark, genannt „Sundern‘ zu Bilden zu Lehen,
jowie Thomas, genannt Nymeren v. W. einen Haupthof,
einen Nebenhof und ein Waldjtüd in Vilden.!) Nach einer
Urkunde des Richters zu Corbach vom 14. Septbr. 1430 ijt
vom Erzbiichof Friedrich III. von Cöln (1370 — 1414) be:
urfundet,?) daß ihm „Johann von Wolmerkuſen mundtlichen
und in unjer Jegenwordicheit Solche twene Hove zu Nerdar
und daß Firchlehen darjelbes, jo er das von unß zu Lehen
hadde, den wir doch gerne behalden heiten vor einen Man
umb Berdenftes willen, den er vnſern vorfahren und vnſerm
Stifte gedan hadt“, aufgelagen habe zu Gunften des Thilo
Becheling, eines in den Fehden in Heſſen und Walded in
jener Zeit befannten Ritters, was ebenwol die von Wolme—
ringhaujen als arnsbergiſch-kölniſche Minifterialen kennzeichnet.
Thilo von Becheling, in deilen Beſitz dieſe Lehnhöfe im Be:
ftande des Marſchallamts von Wejtphalen (1368) vorkom—
men, ließ diejelben dem Friedrih von Padberg auf, welder
fie 1411 nebſt Kirchlehen und Holz dem Brojede von Bier:
1) Seiberg, Urk.B. II. Nr. 665 5.291, 295,296. Nr.795, ©. 538,
*) Rotulum doc. trans. Nr. 107—110 und 161,
104
mynne für 100 rhein. Gulden verfegte und 1416 nad) einem
Zuſchlag von 50 Gulden zur Pfandjumme verkaufte, worauf
Erzbiichof Dietrich Brojedes Sohn, Conrad von Viermundt,
mit diejen Gütern, fowie einem Burglehen zu Hallenberg
belehnte, 22. Februar 1430.
Evident wird die Nachricht Voigts von Elspe durch
folgende Urkunden:
1404 4. Juli wird Gerhard von Ders, Gerhards Sohn,
vom Grafen Johann von Wittgenftein belehnt mit einem
halben Hof zu Achtelhujen, den bisher Henri von Wol-
merfujen gehabt, worauf Gerhard von Ders Lehnsrevers
ausitellt;!)
1415 9. Auguft. Graf Johann von Wittgenftein be:
lehnt den Heinrich von Wolmerkufen mit dem Zehnten zu
Wolmerkuſen und Dreislar und dem Hof zu Franken:
felde, worauf Henrih von W. am 10. Augujt Lehnsrevers
augftellt über diefe ihm zu Lehen gegebenen Zehnten zu Wol—
merfufen, Dreislar und den halben Hof zu Abresfujen.?)
Hiernah kann es feinem Zweifel unterliegen, daß ſich
das Gefchleht nach einem gleichnamigen, jegt wüſten Orte
benannt hat, welcher in der ehemaligen Freigrafihaft Züſchen,
im Amte Medebach oder in unmittelbarer Nähe der weſt—
phäliichen Grenze in der Grafichaft Wittgenftein, wo auch
die übrigen genannten jett wülten Gehöfte gelegen gewejen,
zu ſuchen ift. Seiber& nennt Volemarinchuſen einen Ort im
Amte Medebadh.?) Nah der von Voigt von Elspe ange
führten Urkunde von 1382, fowie nah den Obigen von
1383 und 1415 war der Stolzenberg, jet eine anjehnliche
waldbefrönte Bergfuppe nordöftlih von Hesborn, bezw. das
Dabei gelegene Wolmerkuſen noch von den von W. bewohnt.
Mann dafjelbe wüſte geworden, ift unbefannt. Das weit:
.)) Perleburger U. Rep. Nr. 571. — ?) Dajelbft Nr. 628 u. 629,
2) Urk.B. IH, ©. 643,
105
phäliihe Neuterbuh von 1566, fowie die Matrifel der köl—
niihen Ritterjchaft von 1584 wiſſen nichts mehr davon und
fennen die von Wolmeringhaujen nur wegen ihrer Güter zu
DOberalme als fölniihe Landjaflen, ebenſo die paderbornifche
RitterichaftSmatrifel von 1603.1)
In der Nähe von Hesborn, am Wege, ber über den
jog. Galgenberg nad) Braunshaufen führt, befindet fich eine
Feldflur, Wolmerkujen genannt, und der Teil des Durch dieſe
Flur führenden Wegs heißt am MWolmerkufer Wege.) In
diefer Flur wird daher der Stammſitz des Gejchlecht3 gelegen
gewejen und die von W. als zu der zahlreihen Burgmann:
ihaft von Hallenberg?) welche Kurköln auf diefem vorgeſcho—
benen öftlihen Punkte unterhielt, gehörig anzujehen fein,
bis das Geſchlecht, welches bereits jeit Alter3 mit arnsber—
giſch-kölniſchen Lehngütern in Walded belehnt war, um 1420
diefe aufgab, ganz in waldediiche Dienjte übertrat und fich
in fruchtbarerer Gegend anfiedelte und belehnen lien.
2) Seibertz, Duellen II, 219. 227. Bll. zur nähern Runde Weſtf.
1869. ©. 163.
2) Mitteilung des Herrn Vicarius Bergmann zu Medebad).
s) Ein Garten „der von Molmerfufen vor der Oberporten“ zu Hallen-
berg wird 1370 erwähnt. DB. zur Kunde Weſtf. 1869. ©. 85.
106
Stammtafel. Henrich von Wolmeringhaufen,
Johann von W.,
1430— 1460
— — — —
Hermann,
1480— 1500
h. Eliſabeth von Rehen
Johann,
1500—1522
h. Zeitlofe von Dalwigf
— ln ln
Hermanı,
walded. Nat 1533— 1559
h. 1527 Anna von Mejchede
1. Otto, 2. Zeitloje, 3. Johann,
geb. 1530, + 18. Oft. 1591, h. 1559 Chriltoph v. Mejchede. + zu Gorbady 21. Febr. 1577.
heſſ. Kriegsrat, 1589 waldeck. Oberfcholardh,
h. 1) 1570 Anna von Yandaberg,
2) Mechtilde von Viermundt-Deding
— e — — —ñ— — —— — — — — — ——— —
ex I: 1) Anna, ex II: 4) Joſias,
h. Hand von Wallenftein. + 1619,
2) u. 3) Söhne, jung +. h. Luberta von Weftphalen,
— — — —
Johaun Otto,
+1. Dez. 1635 in dem Niederlanden,
h. Philippine von Biermundt-Bladenhorit
nen,
1) Mechtilde, 2) Anna Elifabeth,
Erbin von Malberg, Erbin von Alme,
Miterbin von Meinringhaufen, Miterbin von Meinringhaufen,
h. Eurt von moi. h. Soh. Jobſt von Hanrleden zu Dftwig.
IV.
Propſt Friedrich von Klarholz.
Ein Beitrag zur Geſchichte Weſtfalens
im 13. Jahrhunderte
von
J. P. Schneider.
Am 9. Juni 1203 ſtarb Biſchof Hermann II. von Münſter
im Kloſter Marienfeld.!) Sein Tod fiel in eine ſtürmiſche
Zeit; um den deutſchen Königsthron ftritten der Staufer
Philipp von Schwaben und der Welfe Dtto von Braun:
ichweig, und die deutſche Kirche konnte wegen der Stellung
der Bilhöfe in der Reichsverfaſſung und wegen de3 Ein:
greifens de3 Papſtes in den Thronftreit nicht unberührt von
demjelben bleiben. In den erledigten Bistümern fpalteten
ih die Wähler nad) den beiden Parteien und nur dann
fand ein Gemwählter die päpftliche Anerkennung, wenn er dem
Welfen anhing, auf deſſen Seite der Papſt fich geftellt hatte.2)
Auch in Münfter fam e3 zu einer Doppelwahl, mit der zwar
an jih die allgemeinen Neichsverhältniffe nicht unmittelbar
) Meftfälifches Urkundenbuch III, Nr. 22. Hechelmann, Leben und
Wirken Biſchof Hermanns I. in der „Zeitichr. f. vaterl. Geſchichte
u. Altertumskunde“, Bd. 25, ©. 26. Münfter 1865. Tumbült, Die
Münfteriiche Biſchofswahl des Jahres 1203 in der „Weftdeutfchen
Zeitjchrift für Geichichte und Kunft“ III, 355. Trenkamp, Ueber
Dtto I, Biſchof von Münfter, Grafen von Oldenburg im „Programm
des Gymnaſiums zu Vechta 1882" ©.6, eine nicht jelten an irriger
Auffafjung leidende Arbeit- Winkelmann, Philipp von Schwaben und
Otto IV. von Braumjchweig I, 305 gibt irrtümlich den 8. Juni als
Todestag des Bilchofs an.
9) Vol. Winfelmann, a. a. O. I, 191 ff.; 183 ff., 142, 167 ff. 232;
229, 248, 292, 376; 331, 366 bezüglich der Wahlen in Mainz,
Würzburg und Halberitadt und der Abſetzung Adolf von Köln.
108
in Berührung ftanden, auf deren weitern Berlauf und
ichlieglihen Ausgang jie aber keineswegs ohne Einfluß ge-
blieben find. Ein Teil der Wähler erfor den Dompropft
von Bremen, Otto von Oldenburg, Bruder des Bilchofs von
Dsnabrüd), ein anderer den Propft Friedrich von Klarholz.
Für den Propſt von Klarholz waren zwar nur wenige,
meiſt jüngere Stanoniker, die ihm verwandt oder befreundet
waren; dagegen hingen ihm die Edlen des Stiftes und vor
allem deijen Obervogt, der Graf von Tedlenburg an?), für
den eine günjtige Biſchofswahl leicht die Wiederlangung der
alten Bogteirechte über das Bistum bedeuten fonnte, die um
jo wertvoller jein mußte, al3 unter dem thatkräftigen Biſchof
Hermann Stadt und Stift ſich mächtig entwidelt hatten. 3)
Das Domkapitel hatte im Einverftändniffe mit den bijchöf:
lihen Dienſtmannen und den Bürgern der Stadt die Thore
geihlojfen und die Mauern mit Wachen verjehen, fo daß der
Graf mit feinen Anhängern aus der Stadt ausgeichloffen
) Meftfälifches Urkundenbuch III, 37. Möfer, Osnabrückiſche Gefhichte
III, 3. 4. 20. Trenfamp, a.a.D. ©. 4 f. Tumbült, a.a.D. 357.
Irrtümlich wird Otto bei Jung, Hist. antiquiss. comitatus Bent
hemiensis 235 und cod. dipl. XIII, ©. 35, und bei Hugo, Sacrae
antiquitatis monumenta Stivagii 1725, ©. 16 Anm., fowie in den
„Beichichtsquellen des Bistums Münfter“ I, 28 als Graf von Bent»
heim bezeichnet.
Weſtfäl. Urkundenbuch III, 25 und neu Vı, (Bapfturfunden) 195 aus
dem Watif. Archiv Rgſtbd. 5 fol. 1269 Nr. 71. Annales Colo-
nienses maximi in den „Monumenta Germaniae hist.“ Ss. XVII,
811. Tumbült a. a. D. 356 u. ö. Trenfamp a. a. D. 7.
Tumbült a. a. O. 363. Hechelmann a. a. D. 55 ff. Zur Ablöfung
der drüdenden Bogteirechte hatte Biſchof Friedrih von Münster mit
dem Grafen Heinrich von Tecklenburg einen Vertrag geichlofjen, der
im Sahre 1178 durd den Bifchof Ludwig und den Grafen Simon
erneuert wurde und den Tedlenburgern wohl die Stellung eines Ober-
vogtes belieh, aber die Bejegung der Vogtei jelbit unmittelbar in die
Hände des Biſchofs legte. Erhard, Regesta hist. Westf. II. cod.
diplom. Nr. 361. Hechelmann a. a. D. 57. Tumbült a. a. O. 361.
—
3
—
109
blieb; freilich Liegen ſich diejelben dadurch nicht hindern, nach
eingelegter Berufung an den päpftlihen Legaten eine eigene
Mahl vorzunehmen. Den Bremer Dompropit wählten der Bropft,
der Dechant und der größte Teil des Kapitels; wenigſtens
alle ältern Mitglieder defjelben mit einer einzigen Ausnahme
ftanden auf feiner Seite, außerdem die ſämmtlichen Aebte
des Bistums. Die Wahl war ganz in der vorgejchriebenen
Weile, und, wie die Wähler verficherten, ohne jegliche Rück—
fiht auf Verwandtichaft oder Freundichaft erfolgt !). Allein
mag auch das kirchliche Intereſſe vorgemwaltet haben, ganz
fehlten doc auch Nebengedanten wohl nicht. Die Biſchöfe von
Paderborn und Minden, der Abt von Korvei und befonders
der Graf von Tedlenburg waren eifrige Anhänger Dttos IV.,
jeine Gegner in Weitfalen, der Graf von Ravensberg und
der Bilhof von Dsnabrüd, waren nit im Stande, die
Sade der Staufer aufrecht zu erhalten?); wenn es num
deswegen auch feineswegs, wie Tumbült will), undenkbar
war, daß troß dieſer Verhältniffe das Münſteriſche Kapitel
bei der Wahl die Intereſſen der Staufer im Auge haben konnte,
jo fehlt zu einer derartigen Annahme doc) jeder weitere Anhalt.
Bilhof Hermann hatte zwar die Kanzlerwürde, die ihm von
Dtto übertragen war, niedergelegt und in den legten Jahren
jeines Lebens vom politiihen Schauplage ſich zurüdgezogen,
aber weder von ihm noch vom Domkapitel iſt befannt, daß eine
Hinneigung zu Philipp von Schwaben ftattgefunden habe.*)
1) ©. Anm. 2 vor. ©.; ferner Möfer, Osnabrückiſche Geſchichte IIT, $ 8
Anm. e, ©. 21.
2) Winfelmann I, 244. Qumbült a. a. D. 360. Möſer a. a. ©. II,
82,86%.
) a. a. O.
*) Hechelmann a. a. O. 24 f. Tumbült a. a. O. 355. Vergl. auch
Weitfäliiches Urkundenbuch III, Nr. 2. 8. 11. 15. In der Datirung
diefer Urkunden jpriht Hermann von „zwei gewählten römijchen
Königen, von welchen keiner bejtätigt jei”; ſpäter zählt er nur nod)
110
Und troßdem wurde ein Mitglied des Haufes Oldenburg
und Bruder des Biſchofs von DOsnabrüd, eines Anhängers
Philipps, gewählt, der gleichfalls ſtaufiſch geſinnt war! !)
Die Gründe zu diefer Erſcheinung liegen auf der Hand. Es
war vorauszufehen, daß der Bapft nur dann die Beitätigung
der Wahl erteilen werde, wenn der Gewählte jid für Otto
von Braunjchweig verpflichtete, nnd wenn nun das Kapitel
ihm bier gewiljermaßen die Möglichkeit in die Hand legte,
den Anhang feines Schützlings durch die Oldenburger zu
verjtärken, jo lieg ji wohl erwarten, daß dieje Gelegenheit
nit von der Hand gewiejen würde, und das Kapitel jelbjt
erwarb ji durch die Wahl eine jtarfe Stütze gegen die
Gelüfte der Tedlenburger. Bon Seiten des gewählten Bremer
Dompropjtes Dtto wurde gleichfalls die Enticheidung des
päpftlichen Legaten in Deutjchland, des Kardinalbijchofs Guido
von Balejtrina, angerufen, vor dem die Barteien im Anfang
des November 1203 zu Köln erjchienen.?) Die Wähler Dttos
legten die Borgänge bei der Wahl dar und erjuchten um
Betätigung derjelben und Verwerfung des Propite von
Klarholz, deſſen Wahl ohne die Beobachtung der kirchlichen
Vorſchriften und an ungeeignetem Orte nur durch wenige,
dazu noch meijt jüngere Kanonifer erfolgt ſei. Allerdings
fonnten die Anhänger des Propftes von Klarholz darauf
erwidern, daß ein anderer Wahlort oder die Teilnahme an
der Wahlverjammlung der übrigen Kapitelsmitglieder ihnen
durch die Mahregeln des Kapitels, der Dienftmannen und
Stadtbürger nicht möglich geweſen fei; aber immerhin
blieben die übrigen Vorwürfe an ihnen haften. Für ihre
nad) Jahren Chriſti mit Erwähnung der Regierungsjahre des Papſtes
oder auch nur jeiner eigenen. Weſtf. Urfundenb. II, Nr. 17. 18. 19.
1) Zumbült a. a. DO. 359. Trenkamp a. a. D. 17. Möfer a. a. O.
S2u.8S.7ff.
2) Weſtfäl. Urkundenb. III, 25 u. Vı, (Papſturkunden) 195. Tumbült
a. a. O. 356. 365. Trenkamp a. a. D.7 ff.
111
Mahl jelbft und die Perfon ihres Gewählten wußten fie
nichts vorzubringen; jie verlangten nur noch einen Ausitand,
während ihre Gegner behaupteten, daß eine jofortige Ent:
Iheidung mit Rüdjiht auf die Lage des Bistums dringend
notwendig jei und fie überdies bereit3 18 Wochen Ausftand
gehabt hätten.!) Der Legat befand jich in einer fchwierigen
Lage: Sollte er beide Wahlen verwerfen oder nur die Fried—
richs von Klarhulz und dadurd feinen Gönner, den Grafen
von Tedlenburg, den eifrigen Anhänger Dttos IV., tief ver:
legen?) Das mußte auf jeden Fall vermieden werden.
Unrecht war auf beiden Seiten vorgefommen, aber die Wahl
des Propftes von Klarholz litt an fo vielen Mängeln, daß
an ihre Aufrechterhaltung kirchlicherfeit3 faum gedacht werden
fonnte, während die Dito8 von Bremen doch unter den ber:
kömmlichen Formen vor fich gegangen war. Es gab einen
Ausweg; er konnte fi der Enticheidung entziehen und da—
durch zugleih dem Wunſche der Partei des Propftes ent:
gegentommen, und ohne, wie e3 fcheint, die Wahl überhaupt
einer förmlichen und eingehenden Prüfung zu unterziehen,
1) Weitfäl. Urktundenb. II, 25 und Vı (Bapjturfunden) 195. Tumbült
a. a. D. 356, 369. Die Anfiht Trenkamps, die Anhänger des
Propftes von Klarholz hätten vor der Wahl „inftändig um Aufichub
nachgefucht“ und der Ausſtand von 18 Wochen falle in die Zeit vor
der Wahl, widerjpricht dem Berichte des Papites vollitändig, auf den
fie fi jtugen joll. Der ganze Zufammenhang läßt die 18 Wochen
nur in die Zeit zwifchen der Wahl und den Verhandlungen vor dem
Legaten jegen, und die Annahme, es jei überhaupt Aufſchub vor der
Wahl erbeten worden, findet feinen Anhalt. Der Bericht jagt aud-
drücklich: „Sie brachten indes nichts für ihre Wahl und ihren
Gemwählten vor, fondern baten inftändig u. ſ. w.“ Bon einer Bitte
aud der Zeit vor der Wahl ift nirgends Rede.
2) Meber die Anhänglichkeit der Tedlenburger an Dtto vgl. Winkelmann
0.0. O. I. 85, 141, 210, 244, 247; II. 874, 450. Tumbült
a. a. D. 360. Graf Simon datirt nad) der Regierungszeit Ottos.
Weſtf. Urkundenb. III, 14.
112
verwies er die Parteien an den Papſt, vor dem fie am eriten
Sonntage in der Faitenzeit des nächſten Jahres, aljo am
14. März 1204, erjcheinen follten. !) Den Anhängern bes
Propftes von Klarholz war es wohl deshalb bejonders um
die Verzögerung zu thun, weil fie dadurd hoffen durften,
den König Otto zu Schritten für den Propſt zu bewegen.
Allerdings konnte Otto, nachdem der Legat die Sade nad)
Nom zurüdgewiefen und beſtimmt hatte, daß vorläufig feiner
der beiden Gewählten die Verwaltung des Bistums über:
nehmen folle,2) dem Propſte von Klarholz die Negalien nicht
verleihen, wie Tumbült mit Recht hervorhebt;?) aber des—
wegen war ihm doc keineswegs alle Möglichkeit entzogen,
für denfelben einzutreten, und wenn in dem Termine vor
dem Bapfte niemand ſich des Propſtes annahm,*) jo war
das zwar nicht befonders verheißend für denjelben, beweiſt
aber keineswegs, daß Otto es überhaupt abgelehnt habe, jich
für Sriedrid zu verwenden; noch viel weniger ijt die Annahme
Trenfamps anzuerkennen, daß der Bremer Dompropft dur
die Dazwiſchenkunft des Königs Otto in den baldigen Belig
des Stiftes gefommen fei;?) daß Dtto noch gegen Ende des
) Weftf. Urkundenb. III, 25 u. Vs, 195. Tumbült a. a. O. 356,365,
368. Trenfamp a. a. D. 7. Der Ausdrud Trenfamps: „Da der
Legat nicht in der Lage war, den Etreit beizulegen“, läßt in feiner
Unbeftimmtheit die wirkliche Sachlage nicht erfennen; feine Angabe,
„die Parteien follten ji) bald nad dem Eonntage Invocavit in
Rom einfinden“, ift nicht genau; die Vorladung erfolgte für den
Sonntag Invocavit, wie das Schreiben des Papftes (Weſtf. Urkdb.
a. a. D.) ergibt: „Prefatus episcopus eisdem iniunxit, ut domi-
nica, qua cantatur Invocavit proximo preterita nostro se con-
spectui presentarent.*
2) Annales Colonienses maximi a. a. DO. Qumbült a. a. D. 365.
8) a. a. D. 365 f.
) Weitfäl. Urkundenbuch a. a. O. Zumbült a. a. O. Trenfamp a.
0.0.8.
5) a. a. O. 8 ff.
113
Jahres 1203 den Domkapiteln die alleinige Wahl der Biichöfe
überwiejen habe, ift durchaus unermwiejen,!) und jelbjt wenn
dies richtig wäre, dürfte diefe königliche Verleihung im vor—
liegenden Falle wenig zur Beilegung des Streites mitge-
wirft haben. Denn abgejehen davon, daß deifen Ausbrud)
nod früherer Zeit angehört, jo hatte ja doch der Propſt von
Klarholz unter den Kanonikern felbjt feine Parteigänger;
aber gar anzunehmen, daß König Dtto für dejjen Gegner
fih verwandt habe, verbietet nicht nur der Mangel jedes
jichern Beweiſes, jondern vor allem auch die politijche Yage.
Die Unklugheit darf man ihm nicht zutrauen, daß er durd)
ein derartiges Handeln den eifrigften Verteidiger feines König:
tums in Weftfalen, den Grafen von Tedlenburg, geradezu
von jich geftoßen hatte, während er gewiß fein fonnte, daß
der Papſt niemanden als Bilchof betätigen werde, der ihm
nicht Treue jchwören wollte. Es mag fein, daß er zügerte,
in Rom für Friedrich von Klarholz einzutreten, aber daß er
gar nichts für ihn gethan habe, ?) ift ein Irrtum; die Folge:
zeit zeigt, daß er gemeinfam mit dejjen Verwandten Schritte
für ihn unternahm, und keineswegs ganz ohne Erfolg. ®)
Und der Papſt jelbit fam ihm dafür entgegen. Trotz des
Ausbleibens der Partei Friedrihg am 14. März 1204 in
Rom verzögerte er die Entſcheidung, weil er durch das Fehlen
der Vertreter Friedrihs noch feine volle Klarheit über die
Wahlvorgänge und die Berjon der Gewählten babe erlangen
fönnen:*) in der That ift die Auffchiebung nur eine Gunft-
bezeugung für Dtto von Braunjchweig und feine Anhänger,
den Grafen von Tedlenburg und den Bropft von Klarholz.
) Zumbült a. a. DO. 364; vgl. dazu „Seichichtäquellen des Bistums
Münster” I, 238 Anm. 7.
2) So Zumbült a. a. DO. 365.
®) ©. unten ©. 117.
) Wet. Urfundenb. II, 25 u. Vı, 19%. Tumbült a. a. O. 356 j.,
369 j. Trenfamp a. a. D. 8.
XLVI. 1. 8
114
Aus den Darlegungen des Domkapitel und feines eigenen
Legaten, vor dem ja in Köln auch die Partei Friedrichs
vertreten war, konnte er über die Wahlvorgänge und die
Gewählten hinreihend unterrichtet jein, wenn er vielleicht
auch jetzt erit durch die Abgejandten des Domlapitels Die
Mitteilung empfing, daß Friedrich illegitimer Herkunft jei. T)
Am 28. Mai 1204 ernannte er als neue Richter in der
Angelegenheit den Abt Heribert von Werden und die Pröpite
Bruno von Bonn und Dietrih von St. Kunibert in Köln.?)
Zwar befiehlt er ihnen ganz bejonders, über die Herkunft
des Propſtes von Klarholz jih zu vergemwilfern, und jobald
feine illegitime Abjtammung ſich als ficher ergebe und damit
der Vorwurf des Domkapitels als richtig erwieſen jei, feine
Wahl jofort zu verwerfen, aber er trägt ihnen doch aud)
auf, die Gefammtwahlverhältnifje einer neuen Unterſuchung
zu unterziehen und die Wahl, welche in Fanonijcher Weiſe
ftattgefunden und eine geeignete Perſönlichkeit getroffen hat,
zu beitätigen, oder, fall® feine der beiden Wahlen eine Be-
fätigung verdiene, eine Neuwahl anzuordnen, die inner:
halb fünfzehn Tagen erfolgen müſſe; andernfalls jollten fie
im Auftrage des Papſtes jelbit einen geeigneten Mann zum
Biichofe ernennen. Die Möglichkeit blieb aljo immer nod
offen, daß auch die Wahl des Dompropftes Otto verworfen
werde, da ja auch feine Wahl unter einigen Unregelmäßig—
feiten vorgenommen war, wenn auch fonit die firdlichen
— — — — —
’) Nach dem Berichte des Papſtes iſt dieſer Vorwurf gegen Friedrich erſt
in Rom von der Gegenpartei erhoben worden, alſo jedenfalls nicht
in den Mitteilungen des Legaten an den Papſt jchon enthalten ge
weien. Tumbült a. a. O. 368 vermutet, daß er jhon in Köln er-
hoben, aber vom Legaten verjchwiegen jei. Der Ausdrud: „hoc erat
in suis partibus manifestum“, ermöglicht allerdings eine derartige
Annahme.
Weſtf. Urkundenb. IIT, 25 und Vı, 19. Qumbült a. a. DO. 366,
369. Trenkamp a. a. D. 8.
—
115
Vorſchriften beobachtet waren und gegen feine perfönlichen
Eigenihaften faum etwas zu erinnern war, abgejehen von
jeiner politiſchen Stellung. Die Richter jelbft gehörten der
welfiihen Partei an,!) es war alfo ficher zu erwarten, daß
ie nur der Erhebung eines Mitgliedes derjelben zuftimmen
würden. Ein Haupthindernis ftellte fich freilich Friedrih von
Klarholz in feiner unehelihen Geburt entgegen, die, wenn
fie ſich als richtig erwies, ohne Weiteres feine Erhebung auf
den Biſchofsſtuhl nach den Beitimmungen des Lateranconciles
vom Jahre 1179 unmöglich machte.?) Aber war jonft feiner
Wahl nichts entgegenzujegen, jo konnte er von jener Irregu—
larität dispenfirt werden, und war nicht durch den Aufichub
der Entſcheidung noch die Gelegenheit, Dispens zu erhalten,
gegeben, zumal die neue Prüfung doch auch noch eine gemifje
Zeit beanfprudte? Der Wortlaut des Schiedsſpruches Liegt
nicht vor; er hat die Beitätigung des Dompropftes Otto von
Bremen gebradt, gegen deſſen Wahl fih am wenigiten Stich:
baltiges vorbringen ließ; hauptſächlich feine Hinnsigung zu
den Staufern ftand ihm im Wege, aber dies Hindernis be-
jeitigte das Gelöbniß der Treue gegen Dtto.3) Ungewiß ift
auch die Zeit feiner Beitätigung. Die Chronif des Abtes
2) Zumbült a. a. D. 370,
2) Weſtf. Urkundenb. II, 25 und V1, 195. Hefele, Conciliengeſchichte
V, 633. Zumbült a. a. O. 357, 369. Wie Trenfamp a. a. ©. 6
jagen kann: „der Einwand gegen Friedrich, welcher deſſen vorgebliche
illegitime Herkunft betrifft, ftand ja mit der Wahlprüfung nicht in
notwendigem Zufammenhange“, ift mir unerflärlih. Der Zufammen-
hang des Einwandes mit der Prüfung war eben ein jo feiter, dab
er an fich nad den Beitimmungen jened Concild die Wahl ungültig
machte, wenn’ er ald richtig bewiefen wurde, wie ed Mar und deutlich
auch in dem päpftlihen Schreiben jteht.
2) Weſtf. Urkundenb. III, 36. Tumbült a. a. D. 370. Die Treue war
nicht jehr feit; jhon 1206 hat der Papſt darüber zu Hagen. Weitf.
Urfundenb. a. a. D.
8*
116
Emo in Werum läßt ihn noch 1204 als Biſchof auftreten
und wohl mit Net; !) eine jichere Urkunde diefes Jahres,
in welcher er als Biſchof erjcheint, ift freilich nicht befannt,
und einige undatirte Urkunden von ihm können ebenio:
wohl jpätern Jahren feiner Regierung angehören; ?) Die
erite bejtimmte urkundliche Thätigkeit Ottos als Biſchof
läßt jih nachweifen für das Jahr 1205), aber weder dieſe
noch jpätere Urkundent) geben einen Aufſchluß über den
genauen Zeitpunkt, an weldem er in den wirklichen
Beſitz jeiner Würde gelangte; jedenfalls ift es erit gegen
Ende des Jahres 1204 gejchehen, da früheſtens nicht vor
der zweiten Hälfte des Juni die Urkunde über ihre Bes
ftallung in den Händen der Schiedsrichter war und immer:
hin noch einige Zeit verging, bis deren Urteil erfolgen fonnte.
In zwei Urkunden vom Jahre 1205 bezeichnet Dtto jelbit
diejes als das erjte Jahr feiner bifchöflichen Würde, ’) in
andern das Jahr 1209 als das jechste 6) und 1210 als das
fiebente.?) Entweder fällt nun jene in die frühere Zeit des
Jahres 1205, während dieſe dem lebten Teile der Jahre
1209 oder 1210 angehören und alle zählen von der Bejtä-
tigung an, oder aber dieſe fallen im die frühere Zeit der
angegebenen „Jahre und rechnen von der Wahl an, während
die Urkunde von 1205 als Ausgangspunkt ihrer Zählung
die Bejtätigungszeit nimmt; genau läßt ji allerdings nicht
bejtimmen, welcher Jahreszeit fie angehört, wie fich überhaupt
daraus auch nicht einmal erjehen läßt, ob die Beitätigung
noch ins Jahr 1204 oder exit ins folgende Jahr zu ſetzen ift.
!) Monum, Germ. hist, ss. XXIII, 466. Weſtf. Urkundenb. III, 26,
Tumbült a. a. O. 370.
2) Weſtfäl. Urfundenb. Ill, 28, 29, 30.
8) Daſ. III, 31, 32, 33.
*) Daſ. II, 55, 57, 61, 68.
6) Daf. III, 32, 33,
©) Daſ. III, 55, 57.
) Daf. II, 61.
117
Letteres würde nicht ganz zu verwerfen fein, wenn eine Ur:
Funde, durch welche der Bapft den Propſt von Klarholz; vom
defectus natalium dispenfirte und ihm das Necht zur Ueber:
nahme Eirhlicher Würden verlieh, 1) wirklich in den September
oder October des Jahres 1205 gehört, wie wohl möglich,
aber feineswegs jicher ilt; jeine Verwandten hatten that:
jählich gemeinfam mit König Dtto den Papſt darum gebeten,
jedenfall® noch in der Zeit des jchwebenden Streites und
zwar, nachdem vor dem Papſie von Seiten der Wähler des
Dompropftes von Bremen jener Grund gegen Friedrich geltend
gemacht worden war. Die Bitte hatte zwar nicht den Er:
folg, daß Friedrih nun das Bistum zuerkannt wurde; jeine
Wahl war unter zu vielen Unregelmäßigfeiten gejchehen und
die Unterwerfung jeines Gegners unter die päpftliche Politik
hatte deſſen Beftätigung erleichtert, die auf jeden all
vor der Gewährung des Geſuches Ditos und der Verwandten
des Propftes von Klarholz erfolgt war, und wahricheinlich ift die
Dispenfation abjichtlich erjt nach der Anerkennung des Bremer
Dompropjtes als Bijchof erteilt, um jo einer vollendeten
Thatiache gegenüberzuftehen und zugleih dem Wunſche des
Königs Entgegenfommen bewiejen zu haben?); und wertlos war
die Dispenjation feineswegs; feit 1187 ift Friedrich ala Propft
von Klarholz nachweisbar; ?) nad) den Kirchenjagungen war er
1) Meitfäl. Urfundenb. V 1, 201, Reaeit aus Potthaſt: Regesta pont. Rom.,
2587; die Urkunde jelbit a. a. D. 834 (Anhang) aus den Bat. Archiv,
Regbd. 7 fol. 440, Nr. 137. Die Datirung der Urkunde beruht mur
auf der Stellung der Urkunde in dem angegebenen Regiſterbande und
es iſt nicht ausgeichloffen, dak fie frühern Monaten angehört. Das
ändert indes an der jonitigen Sadjlage nicht viel.
2) Es iſt freilich auch nicht ganz undenkbar, daß das Gejuh um Dis—
penjation erit nach der Enticheidung über die Biſchofswahl geftellt
wurde, wenngleich die andere Annahme viel näher liegt, da ja gerade
vor der Entſcheidung jene Frage brennend geworden war.
3) Erhard, Regesta hist. Westf. II, Nr. 2212, 2222, 2296, 2377,
2411, 2421, 2422; eod. dipl. I, Nr. 481,525, 549, 578, 579, 580
118
unrehtmäßig zu feiner Würde gelangt, nun durfte er fie
behalten und der Weg zur Erlangung neuer war ihm ge:
öffnet, die ihm feine Verbindung mit den Anhängern des
römischen Königs wohl verſchaffen konnte.
Friedrich gab auch keineswegs die Hoffnung auf, höher
zu fteigen; dazu war er eine viel zu ehrgeizige Natur; aber
follten fi ihm wirklich Ausfichten dazu bieten, jo durfte er
nicht mit den benachbarten Bilchöfen in Feindichaft ftehen;
hatte er den Bilchof von Münfter zum Gegner, jo lag es
ziemlich nahe, daß deſſen Bruder, der Biſchof von Osnabrüd,
in deſſen Diöceſe Klofter Klarholz lag, ihm auch nicht be-
freundet war, ein großes Hindernis für ihn, wenn in diefen
beiden Diöcejen eine höhere Würde erledigt wurde. Eine
aus den Sahren 1187 bis 1199; ferner erwähnt ihn ald Propſt von
Klarholz eine noch ungedrudte Urkunde des Bilchofs Hermann von
Münfter für Klofter Klarholz aus dem Fahre 1202 im fürftlichen
Archive Rheda, Klarholz Nr. 9. Die Kenntnis derjelben verbanfe ich
der Freundlichkeit des Herrn Privatdocenten Dr. Finfe hierjelbit.
Geftügt auf die Worte: „Fridericus — in Clarholtensi ecclesia
Premonstratensis ordinis in prelatum est pıomotus — cepit in
brevi aspirare ad Monasteriensem ececlesiam* in einem jpäter näher
zu erwähnenden Briefe des Praemonftratenfer Abted Gervafiud an
Papſt Honorius III. bei Jung a. a.D. cod, dipl. Nr. XVII, ©. 42
und neu Weſtf. Urkundenb. VI, Nr. 278 aus Hugo, Sacrae antiqui-
tatis monumenta I], p. 16 epist. 11 vermutet Tumbült a. a. O. 358,
daß Friedrich nicht lange vor 1203 die Propftwürde in Klarholz erlangt
habe, und daß der Propſt Friedrich vom Jahre 1188 (1187) mit dem
Kandidaten bei der Biſchofswahl 1203 nicht ein nnd diefelbe Perfon
jei (ebendaf. Annı. 3). Das Bedenfen Tumbülts ift unbegründet.
Eine Erledigung der Propftei von Klarholz in diefer Zeit iſt nicht
befannt, die fortlaufende Heihe der Urkunden ergibt in Berbin-
dung mit dem auch fpäter vorfommenden Namen die Gleichheit der
Perfon, und der Ausdrud: „in brevi® widerjpridht dem nicht, da
derjelbe keineswegs einen ganz kurzen Zeitraum bezeichnen muß, ander:
jeitd aber das Streben Friedrichs nach dem Biſchofsſtuhle von Münfter
auch jchon bald nad jeiner Erhebung zum Propſte eingetreten fein
fanı,
119
Verſöhnung mit jeinem frühern Widerpart bei der Bilchofs-
wahl war aljo jehr wünjchenswert für ihn, und in der That
gelang ihm diejelbe; wann jie eintrat, ilt nicht genau zu be:
ftimmen, vielleicht erit einige Jahre nach der Beltätigung
Ottos auf dem bifhöflihen Stuhle zu Münfter; aber jicher
war jie im Jahre 1209 erreicht; damals erjcheint Friedrich
als Zeuge in einer Urkunde des Biſchofs Otto für Klofter
Kappenberg,!) und ebenfo im Jahre 1212 in einer Urkunde
für Liesborn:;?) das freundichaftliche Verhältnis zwiſchen bei:
den hat alfo in diejer Zeit fortgedauert ; die Erfüllung feiner
Wünſche braten ihm diefe Jahre freilich noch nicht; weder
im Bistume Münjter noch in Osnabrüd gelangte er zu hö—
bern Ehren, er erjcheint noch immer als Propſt von Klar:
holz. Da wurde um das Jahr 1216 die reiche Abtei Korvei
erledigt und bier fand jich eine Partei, die ihn zum Abte
wählte; es war freilich abermals nur eine Kleine, während
die Mehrzahl der Mönche den Abt Hugold von St. Michael
in Hildesheim als Oberhaupt wollte. Aber was verſchlug
das für Friedrich? Mit allen Mitteln gedachte er fich zu
behaupten, und wähleriſch war er darin feineswegs; Trotz
und Ungehoriam gegen feine Firchlichen Vorgeſetzten ver:
ſchmähte er ebenfowenig wie niedrige Heuchelei und. Ver:
ſchwendung der Kirchengüter. Ein Schiedsgericht follte den
Wahlſtreit entjcheiden; aber Friedrich hoffte mit Hülfe feiner
Angehörigen, denen er die Güter des Klofters Klarholz preis:
gab, fich durchzuhelfen und zu behaupten troß des Schieds—
gerichtes; weder ftellte er ſich demſelben perjönlic noch durch
einen Vertreter. Infolge deffen wurde der Abt von St.
1) Weſtf. Urfundenb. III, 51. Trenkamp a.a.D. 10. Jung feßt in feiner
Hist. Benthemiensis comitatus, cod. dipl. Nr. 13 ©. 35 die Ur:
kunde in die Jahre 1204 oder 1205; Wilmand im Meftf. Urfunden-
buche a. a. D. gibt dad genaue Datum,
) Meftf. Urfundenb. III, 66,
120
Michael für Korvei betätigt und Friedrih mit dem Banne
belegt, aber zur Ruhe brachte ihn dies nit. In Klarholz
hatte er unterdes barbarifch gehauft; die Lebensmittel fir
die Klofterbewohner hatte er verichwendet und felbit das
Tuch, das zu deren Kleidung bejtimmt war, für feine Zwecke
verwendet; ebenjowenig waren die firchlihen Ornate und
Gerätihaften verichont geblieben. Der Schaden, den er dem
Kloſter zufügte, wurde auf mehr als 50 Mark geichäßt. Die
Mönche wandten ſich Hagend an den Diöcefanbijchof zu Os—
nabrüd, Adolf von Tedlenburg, und an den Abt Gervalius
von Prémontré, der dann einige Aebte bejtimmte, in Ver:
bindung mit dem Bilchofe die Verhältniſſe zu unterſuchen.
Es geſchah, aber viel Abhülfe erwuchs dem Klofter vorläufig
nicht daraus. Noch ſchwebte der Streit um Korvei und Friedrich
hielt es nicht für geraten, dem Bilchofe und den Aebten ſich
zu entziehen oder hochfahrend gegenüberzutreten; unter feinen
Gewaltthaten hatte er nicht verlernt, im Notfalle die Miene
der Demut und Neue zu zeigen, und Klarholz aufzugeben,
ehe er Korvei bejaß, war er nicht gejonnen. Dffen geftand
er, der Urheber jener Ausschreitungen zu fein und bat um
Berzeihung und um Ausſtand bis Dftern, indem er verjprach,
entweder dann nad Korvei jich zu begeben oder an feinem
Orte für die Erftattung des Schadens zu forgen. So hofite
er, der drohenden Strafe zu entgehen, und darin hatte er
fich nicht getäufht. Der Biſchof und die Nebte gingen auf
feine Bitten ein und er erhielt die erbetene Friſt, die er
indes nur zu neuen Gewaltthaten benüßte; anitatt die Abts—
würde von Korvei zu erlangen, mußte er von neuem in Uns
terfuchung gezogen werden; aber diesmal zeigte er fich hart—
nädig; fein Plan war mißlungen und damit auch die frühere
Rückſicht geſchwunden, und troß mehrmaliger Borladung erſchien
er jetzt ebenjowenig wie vor den Schiedsrichtern in der
Korveier Frage. Die Folge war, daß ihn auch diefe Kom:
miſſion bannte, aber jih auch zugleich veranlaßt ſah, wegen
121
der fortdauernden ftarfen Schäden, die er mit feinem An—
bange dem Klofter Klarholz zugefügt hatte, für dieſes Die
Hülfe des Prämonftratenjerordend anzurufen. Es war not:
wendig, dab das Klojter von einem joldhen Vorgeſetzten, der
mehr die Natur des Wolfes als des Hirten zeigte und nichts
weniger als geiftliheGefinnungen an den Tag legte, befreit
wurde, follte es nicht vollitändig verarmen und veröden.
Auch das Klofter jelbft wandte fih an den Orden und feine
Berichte ſowohl als jene der mit der Unterfuchung beauf:
tragten Prälaten ließen über die Verhältniſſe jedenfalls feinen
Zweifel übrig, und der Orden ſah ein, daß ein entjcheidender
Schritt geſchehen müſſe. Ein Generalfapitel ercommunizirte
den Propft, entjegte ihn feiner Würde und entband feine
bisherigen Untergebenen von der Pflicht des Gehorſams gegen
ihn. An den Bilhof von Dsnabrüd und die Nebte von
Hamborn und Arnsberg richtete Abt Gervaſius die Bitte,
für die Neumahl eines Propftes von Klarholz jorgen zu
wollen.!) Die Wahl follte natürlih baldmöglichft vor fich
1) Brief des Abtes Gervaſius an den Biſchof Adolf von Dönabrüd
und die genannten Aebte bei Hugo, Sacrae antiquitatis monumenta,
Stivagii 1725 epistola 104. Der Brief fällt in das Ende von 1218
oder jpäteitend in den Anfang von 1219. Gervafius war Abt von
1209—1219; dann wurde er Biſchof von Séez (Meftf. Urkundenbuch
vi 273. Anm.) Biſchof Adolf wurde nicht vor der zweiten Hälfte
1217 gewählt (j. Weftf. Urkb. V1, 253 und 273; Möfer IV, 115
und 119); die Weihe erhielt er am 24. September (Winkelmann
a. a. O. II, 434, 460). Die Unterfuhung gegen Friedrich von
Klarholz kann er alſo auch erſt nach diefer Zeit begonnen haben,
da er bei ihrer Uebernahme bereits Diöceſanbiſchof war; fie begann
aber auch jedenfalld damals glei, da die Veranlafjung dazu jchon
längft vorlag. Die Friedrich gewährte Friſt erftredte ſich aljo bis
Oſtern 1218; dann wurde die Unterfuchung wieder aufgenommen
und führte zu den angegebenen Folgen. Nah dem Abjchluffe der
Unterfuhung und nah Mitteilung ihrer Ergebniffe an den Abt
Gervaſius trat Friedrichs Entſetzung ein, und zwar früheiteng
122
gehen; ſo verlangten es die Verhältniffe des Klofters; ſollte
deſſen zerütteter Zuftand ſich nicht noch verichlimmern, fo
bedurfte e8 eines Hauptes, das wieder Ordnung ſchaffte im
Innern und Schuß von außen erwirfen konnte; denn daß
Friedrih nunmehr das Klofter unbehelligt laſſen würde, war
nad) feiner Entjegung erft recht nicht zu erwarten. Die Er:
ledigung der Bropftei fiel noch in das Jahr 1218; aber die
Neuwahl wurde von dem Bilchofe und den Aebten von Scheda
und Arnsberg erit für den Freitag vor Lätare, alſo auf den
15. März 1219, angejegt.!) Ueber den Grund diejer Hin-
ausjchiebung erfahren wir nichts Beitimmtes. Abt Gervafius
zeigte jich mit der Anordnung wenig einverftanden und fürchtete
Schlimmes davon für die Kirche von Klarholz, und wohl
gegen Ende 1218, aber aud nicht fpäter, da Gervafius erit
wieder diefelbe anzeigt und zur Auberaumung einer Neumahl
auffordert, dann aber über die lange Zwiſchenzeit bis zu der
jelben ſich beflagt und innerhalb derjelben noch mehrere Schreiben
erläßt. Der bier in Frage fommende Brief ift nach der Entſetzung
Friedrichs, aber vor der Feſtſetzung der Neuwahl gefchrieben, da er
noch zu deren Beſtimmung auffordert; er füllt aljo in die angegebene
Zeit. Aus dem Briefe geht hervor, daß auch der Korveier Streit ſich
bis ind Jahr 1218 hinzog.
) Rrief des Abtes Gervafius an den Biſchof von Münfter bei Hugo
a. a. D. epist. 105. Die Abfaffungszeit läßt ſich zwar aud bier
nicht ganz genau beftimmten, ergibt ſich aber doch annähernd daraus,
dak er nad) der Beſtimmung der Neuwahl, aber vor deren Vornahme
geichrieben ift, und zwar zeitig vor derfelben, da er Bitten bezüglich
derfelben enthält. Er gehört alfo in den Anfang des Jahres 1219,
Eigentümlicher Meife wird ftatt des Abtes von Hamborn jet der
von Scheda ale Mitglied der Unterfuchungstommiffion genannt. Der
Brief ift nod) an den Biſchof Otto von Münster gerichtet, der aber
bereits am 18. März 1218 auf dem Kreuzzuge geftorben war, was
Servafins jedenfalls unbekannt mar. Biſchof von Münfter war 1219
bereits Dietrih von Iſenberg. Weitfäl. Urkundenb. III, 133, 134,
Daf. V1, 273 Anm. wird der Brief irrtümlich in eine frühere Zeit
perjekt.
123
nicht mit Unredht. Eine Zögerung in der Beſetzung der
Propftei konnte nur dem Treiben des frühern Inhabers der:
jelben zu Gute fommen, und je länger fie währte, defto an
genehmer mußte e3 ihm fein; gab fie ihm doch die Miöglich-
feit, perjönlihd und durch feinen Anhang für feine Wieder:
einjegung thätig zu fein, und daß er diejelbe ganz außer
Acht gelaffen habe, ift kaum anzunehmen. Gervafius that
zwar feine Schritte zur Nenderung jener Beftimmung, jei es,
daß er fich davon feinen Erfolg verſprach, oder daß die Zeit
bereits zu furz wurde, um von feinem Aufenthaltsorte aus
noch Unterhandlungen deswegen anzufnüpfen; er verhehlt
aber auch feineswegs feinen Unmut darüber, und wenn er
auch verjichert, Teine böfen Gedanken deswegen über den
Bilchof von Dsnabrüd und die Aebte hegen zu wollen, jo
geht aus feinen Worten doch ein tiefes Miftrauen hervor,
das ſich namentlich gegen den Bifchof von Dsnabrüd richtet;
er glaubt ihm den Gedanfen und den Wunfch einer Wiederein-
jegung Friedrichs gar nicht ferne und befürchtet auch feiner:
jeit3 Ddiejelbe, ohne daß er jedoch für feine Annahme irgend
einen beftimmten Grund angibt. Der Biſchof von Osnabrück
hatte veriprochen, der Wahl beizumohnen und dieje zu leiten;
aber trogdem glaubt Gervafius, daß er fich derjelben ent:
ziehen wolle, vielleicht um für Friedrich frei wirfen zu können
und nicht der Erhebung eines andern beiwohnen zu müſſen.
Er bittet den Biſchof von Münfter um freie8 Geleit und
Schuß für den Propſt von Arnsberg, dem in diefem Falle
die Führung der Wahlgeichäfte obliege, trogdem der Schuß
der Wahl und der Wähler doch zunächſt dem Bilchofe von
Dsnabrüd zuftand, ein klares Zeichen, wie fehr er gegen den—
jelben eingenommen war. Offen jpricht er feine Anſchauung
den Mönden von Klarholz gegenüber aus in einem Briefe,
durch welchen er ihnen Mitteilung von dem für die Neuwahl
beitimmten Tage madt.!) Er beihuldigt darin den Biſchof von
2) Hugo a. a. D. epist. 106, ebenfalld aus dem Anfange des Jahres
124
Dsnabrüd geradezu, daß er zu Gunften Friedrichs mit der
Neuwahl zögere. Dat Gervafius deſſen Wiedereinjegung nad
Kräften zu verhindern fuchte, ift jelbftverftändlich, und wenn
er den Mönchen fchreibt, daß er wider ihren Willen Friedrich
nicht wieder einjegen werde, jo liegt darin zugleich die Mah-
nung, ihn nicht wieder zu wählen, auch wenn von anderer
Seite Einflüfe dafür jich geltend machen würden, und ebenfo
enthält der Befehl, einen Mann an die Spite zu jeben, Der
nicht bloß ein eifriger Seelenhirte, fondern auch zugleich ein
guter Vermögensverwalter jei, einen deutlichen Hinweis dar:
auf, daß Friedrih, der Verfchleuderer der Kirchengüter, als
jolcher nicht gelten Fünne. Der Wunjch des Abtes wurde erfüllt;
die Neuwahl fiel nicht auf Friedrich, fondern auf Ludger; !) aber
deilen Stellung war nun keineswegs eine angenehme. In
der Klojterverwaltung fand er die traurigen Zuftände vor,
die durch Friedrich darin eingeriffen waren, und die nun ins
Beilere zu ändern feine Aufgabe war; dazu bereitete ihn
Friedrich jelbit fortwährend neue Unannehmlichkeiten; hatte
früher vielleicht noch die Rückſicht auf feine eigene Perjön:
lichkeit ihn etwas zurüdhalten können, jo war jegt auch diejer
legte Grund für ihn hinfällig geworden, und mit Raub und
Brand verwüſtete er nun dur die Söldlinge feiner Ange:
— — — — —
1219 aus den früher angegebenen Gründen, wohl gleichzeitig mit dem
Schreiben an den Biſchof von Münſter. Das ſonſtige Auftreten des
Biſchofs Adolf rechtfertigt die Anſchauung des Abtes von Prémontré
über ihn nicht. S. Möſer II, 30 ff. Nieberding II, 24. Die Mut:
maßungen des Abtes gründen fich wohl hauptjächlih auf die Hinaus—
Ihiebung der Wahl und die frühere Friftgewährung an Friedrich.
Weſtf. Urfundenb. III, 171 und Vı, 273. Weſtf. Urkundenb. III, 135
ericheint ein Domlanonikus Ludgerus ald Zeuge einer Urkunde Biſchofs
Dietrih I. von Münster; iſt er identiich mit dem ipätern Propite
nleihen Namens zu Klarholz, jo läßt ſich damit auch dieje Urkunde,
die Wilmans in die Jahre 1218—1226 fept, genauer datiren; fie
fiele dann in die Zeit vom 22, Juli 1218 bie 15. Mär; 1219,
1
—
125
börigen das Klofter und feine Belitungen, ohne daß Lud—
gerus bei den Biſchöfen und andern Nebten Schub und Stütze
fand. Seine einzige Hilfe blieb Gervajius und diefem klagte
er die Not des Klojterd nicht vergebens. Mit ſcharfen Worten
tadelt derjelbe die Aebte von Kappenberg, Hamborn und
Barlar, daß fie ihren Mitbruder im Stiche gelaffen hätten,
und bindet e3 ihnen aufs Gewiſſen, ihm beizuftehen und mit
ihm und für ihn die Biihöfe und Edlen des Landes zu jei-
nem Schuße aufzurufen wider den „gottvergefjenen Menjchen,
nämlich Friedrich”, den er mit dem Brudermörder Kain ver:
gleicht. Ludgers Bedrängnis ſchildert er ihnen als ihre eigene
Gefahr: „Si considerassetis verbum illud ethnicum sed
et ethicum: Nam tua res agitur, paries cum proximus
ardet, non reliquissetis virum religiosum fratrem et
coabbatem vestrum de Claholto solatio et consilio de-
stitutum“, jchreibt er ihnen. !) Seine Ermahnungen feinen
nicht viel Erfolg gehabt zu haben, wenigitens trat niemand
Friedrich ernftlich gegenüber; er jah ſich genötigt, den Papſt
Honorius II. um Hülfe anzugehen, damit er den Biſchof
von Münjter veranlafje, mit feiner Macht, die in der Gegend
die bedeutendite jei, einzujchreiten.?) Der Biſchof von Osna—
brüd, dejien Sache e3 zunächſt gewejen wäre, hatte anſchei—
nend nichts gethan, um Xudger von den Räubereien und
») Hugo a. a. O. epist. 107, geichrieben nad) der Wahl des neuen
Propites,-aber jedenfalls noch 1219; jo lange ift Gervafius Abt von
Tremontre. Im Weſtf. Urkob. Vı, 273 wird der Brief irrtümlich
in die Zeit vor der Wahl und mit andern unrichtig vor 1219 gejegt.
2) Hugo a. a. O. epist. 11. Weſtf. Urfundenb. Vi, 273. Der Brief
gehört, da er nach der Wahl, aber vor der Erhebung des Abtes Ger-
vajius zum Biſchofe geichrieben ift, wie der an die Aebte von Kappen-
berg x. ind Jahr 1219. Im Weſtf. Urfob. a. a. O. wird er irrtüm—
li nod ins Jahr 1218 geſetzt; dagegen ift die dort ausgeſprochene
Anſicht, daß das vorerwähnte Schreiben ihm vorhergehe, jedenfalls
richtig, da Gervafius ſich erit an die Aebte, und als dies nicht die
erhofften Folgen brachte, an den Papſt gewendet haben wird,
126
Bedrängniſſen Friedrichs zu befreien. ) Die Behandlung,
welche ihm Gervafius in feinen Briefen an den Biſchof von
Münfter und an das Klofter hatte angedeihen laffen, hatte
ihn jedenfalls, da ihm die Meinung des Abtes über ihn kaum
unbefannt geblieben fein dürfte, tief verftimmt und war nicht
geeignet, ihn noch fernerhin für die Angelegenheiten von
Klarholz zu erwärmen. Bon ihm erbittet Gervafius auch
feine Hilfe, aber er wollte ihm offenbar feine Unthätigfeit
vorgehalten wiffen, wenn er den Papſt erfucht, nicht ihn, aber
durch jeine Bermittelung den Biſchof von Münfter zum Vor:
gehen gegen Friedrich aufzufordern, doch wohl in der Hoffnung,
auf diefe Weile auch Adolf jelbit zu Schritten gegen benfelben
anzutreiben. Ob und in welcher Weife dem Abte nun Hülfe
wurde, ift ungewiß; ebenfo unbefannt find Friebrich® weitere
Schickſale; er verſchwindet plöglic aus der Gefchichte, und
über fein Ende wie über feine Jugend und fein Leben vor
der Zeit, als er Propſt in Klarholz wurde, fehlen ung jeg-
lihe Nachrichten. Dagegen bringen die Vorgänge bei der
Münfteriichen Biichofswahl in Verbindung mit den Ereig-
niffen, die jih an die Erledigung der Abtswürde in Korvei
fnüpfen, ziemliche Klarheit über die Perſon Friedrichs.
Die Anhänger des Dompropfte® von Bremen be—
zeichneten ihn in dem Wahlftreite beim PBapfte als außer-
ehelih geboren, aber ohne daß fie nähere Angaben
machten, und ebenjo haben wir Ffeinerlei Mitteilungen
aus der Unterfuhung, die deswegen angeftellt wurde;
aber die Behauptung bat fih, wie die Folgen zeigten,
als richtig ergeben. Sie findet ſich wieder in dem Briefe
des Abtes Gervafius an den Papft Honorius, allerdings auch
bier ohne genaue Angaben ;?) immerhin gibt diefer doch ſchon
9 Die Angabe Nieberdings a. a. DO. II, 15, daß der Biſchof (won An-
fang an) der Ausführung des Bannes fich entzogen habe, ift in dieſer
Allgemeinheit nicht richtig, wie fi) aus dem Borhergehenden TgiR.
2) Weſtf. Urkundenb. V!, 273 aus Hugo a. a. O. ©. 16,
127
einen weitern Fingerzeig, ındem er ihn als Sprofjen eines
hervorragenden Dynaftengejchlechtes bezeichnet. Der Heraus:
geber der Briefe des Gervaſius erläutert dies dahin, daß er
Friedrich dem Haufe der Grafen von Tedlenburg angehören
läßt, !) und nah ihm hat dieje Anſchauung allgemeine An—
nahme gefunden.?) Und in der That läßt jich diejelbe nicht
zurüdweijen, wenn auch keinerlei nähere Beweiſe dafür an
gegeben find. Nicht nur, daß der Ausdrud „hervorragendes
Dynaſtengeſchlecht“ vor allem auf die Grafen von Tedlen:
burg paßt, fie gehören ja zu den bedeutenditen Geſchlechtern
Weſtfalens und fpielen in der Münfteriihen Bistums: wie
in der damaligen Reichögejhichte feine geringe Rolle, auch
die einzelnen Umftände bei der Wahl 1203 laſſen die Ver:
bindung mit den Tedlenburgern leicht erkennen. Wenn, wie
e3 faum zu bejtreiten ift, der Graf von Tedlenburg das
frühere Verhältnis zum biſchöflichen Stuhle von Münſter
wiederherjtellen wollte, jo konnte er feinen Zwed am beften
wohl erreichen, wenn ein Mann, der ihm verwandt war,
den Biſchofsſtuhl beitieg, und wenn diefer Mann gerade feiner
Hülfe alles verdankte. Und Friedrich gerade ift fein und ber
mit ihm verbündeten Adelspartei Kandidat. Und wenn fich
König Dtto felbft mit den Berwandten Friedrichs beim Papſte
um Dispenjation vom defectus natalium für ihn bewirbt,
jo ift der Schluß wohl erlaubt, daß diefe Verwandten Fried-
richs zu Ottos bedeutenditen und treuelten Anhängern ge-
hören müſſen; das alles weiſt auf die Grafen von Tedlen:
burg hin, und die Annahme, daß der Propit von Klarholz
») Hugo a. a. D. Anm. a.
*) Jung, Hist. antiquiss, Comitat. Benth. p. 235 u. cod. dipl. p. 42.
Nieberding, Gejchichte des ehemaligen Niederftifts Münjter IL, 15.
Möſer a. a. O. I, ©. 21 Anm. e. Weſtf. Urkunden, III, 25
S. 16 Anm. 2. Qumbült a. a. DO. 358. Trenfamp a. a. O. 8;
allerdings bezeichnet er die uneheliche Abitammung nur ald „angeblich“,
aber mit Unredt.
128
diefer Familie angehörte, ift umfomehr feftzuhalten, als Die
Angehörigen eines andern mächtigen Geſchlechtes, die Dlden-
burger, als feine Gegner auftreten. Verftärkt wird diejelbe
durch die gereizte Stimmung des Abtes von Premontre gegen
den Biſchof Adolf von DOsnabrüd. Biſchof Adolf ift ein
Tedlenburger, !) und wenn ihm wegen der ſpäten Anfegung
des Wahlterming und vielleicht wegen der frühern Ausſtands—
bewilligung bis zu Oftern 1218 PBarteinahme für Friedrich
zugefhoben wurde, ohne daß bejondere Einzelhandlungen,
die dafür ſprachen, angeführt wurden, jo wird dies allerdings
daraus erflärlih, daß ein nahes verwandtichaftliches Ver:
hältnis zu dem abgejegten Propfte befannt war, und ift die
Vermutung des Abtes, daß eine Wiederwahl Friedrichs dem
Biſchofe erwünscht komme, berechtigt, jo würde aud daraus
die aus andern Angaben und Verhältniſſen gefolgerte Zuge:
hörigkeit Friedrich zu der Familie der Grafen von Tedlen-
burg eine Befräftigung erfahren. Auf jeden Fall darf es als
ziemlich ficher angejehen werden, daß Friedrih dem Haufe
der Tedlenburger entftammte, wenn aud Nieberding, wie
Ihon Tumbült hervorgehoben hat,!) zu weit geht, indem er
ihn als Sohn des Grafen Simon bezeichnet,?2) und ebenjo
Zrenfamp?) ihn mit Unrecht einen Grafen von Tedlenburg
nennt.
1) Möfer III, 30. Nieberding II, 24. 26.
2) a. a. D. 358, Anm. 2.
) a. a. O. 1, 16.
) a. a. O. S. 7.
7
Beiträge zur
Geſchichte der römischen Inquiſition
in Deutſchland
während des 14. und 15. Jahrhunderts.
Von
Walter Ribbeck.
— — —
In dem 5. Bande der Syhelſchen hiſtoriſchen Zeitſchrift Hat
vor beinahe 10 Zahren Noger Wilmans Beiträge zur Ge:
ihichte der römischen Inquiſition in Deutjchland während
des 14. und 15. Jahrhunderts mitgeteilt, welche hanptfächlich
die Thätigkeit der Inquiſitoren Eylard Schönefeld und Jakob
von Soeſt oder von Sweve behandeln. Zu diejen Beiträgen
nun laſſen ſich einige nicht unmwichtige Ergänzungen geben
auf Grund eines Materials, welches Wilmans, al3 er diejen
Aufſatz ichrieb, nicht zu Gebote jtand. Es iſt dasjelbe ent:
halten in einem der Soejter Stadtbibliothek gehörigen, wahr:
icheinli von Jakob von Soeit zuiammengeftellten Formel:
buch, betitelt: formularium inquisitionis haereticae pra-
vitatis.!) Da die in demjelben mitgeteilten Aftenftücde als
Mufter für den Inquifitionsprozep dienen follten, jo berüd:
fichtigen fie in erjter Neihe dag rein Formale des Prozeffes,
während das Thatjächliche, das Individuelle des einzelnen
Falles demgegenüber in den Hintergrund tritt in einer Weiſe,
dak wir meiſtens gar nicht erfahren, um was es fi in dem
betreffenden Prozejje denn eigentlich gehandelt hat, ja daß
1) Bibliotheca Susatensis. Nro. 14.
XLVT. 1, 9
130
jelbft die Namen der beteiligten Perſonen bisweilen durch
ein nichtS jagendes N. N. erſetzt werden.
Charakterijtiih für die Thätigkeit des Eylard Schönefeld
it ein aus dem Ende des 14. Jahrhundert? jtammendes,
bei Mosheim de beghardis et beguinabus p. 433—42 ab:
gedrudtes, auch von Wilmans benugtes Altenftüd. Es iſt
dies ein Auszug aus den Inquiſitionsakten, welcher ſich mit
der im Utrecht’jchen vorkommenden Sekte der Gherardiner,
insbejondere den weiblichen Niederlaffungen derjelben beichäf-
tigt und im Gegenjage zu einem im Jahre 1398 von ange:
jehenen Juriſten der Univerjität und Erzdiözeje Köln erlaſ—
jenen Gutachten diejelben als fegerijche Verbindungen hin—
zujtellen jich bemüht.
Ein diefem Aktenjtüd ganz ähnliches findet ſich nun aud
in unjerem Goder.?) Und zwar weijen beide Terte, neben
vielfacher fait wörtlicher Übereinftimmung im Einzelnen, der:
artige Berjchiedenheiten von einander auf, daß es unmöglich
ericheint, den einen auf den andern zurüdzuführen und fie
daher wohl als Auszüge aus einer und derjelben Vorlage
betrachtet werden müſſen. Im Allgemeinen ift der Soejter
Tert fürzer als der Mosheimiche, aber daß er fein bloßer
Auszug aus diejem iſt, beweilt der Umjtand, daß er verfchie-
denes enthält, was der andere nicht hat. Das wichtigite
davon it, daß er als das Oberhaupt der hier Sweſtrionen
genannten, in einzelnen Niederlajjungen, die Vorfteherinnen
(Marthae) untergeben find, lebenden Sekte geradezu den be—
fannten Wermbold (von Buscop oder von Utrecht) bezeichnet.
Allerdings hat man ſchon früher, jo Moll in feiner Nieder:
ländiihen Kirchengeſchichte Bd. II. p. 90 ff. in der bei
Mosheim ganz allgemein als Prediger und Gejeßgeber be=
eichneten Perſon diejen Wermbold zu erfennen geglaubt.
Während ferner bei Mosheim nur von der Sefte im Allge—
i) Beilage 1.
151
meinen die Rede ift, tritt hier eine einzelne Niederlaffung
und zwar die in Nene (wohl Renen in der Diöceſe Utredht)
in den Vordergrund als diejenige, welche hauptſächlich den
Anlaß zu der gegen die ganze Sekte eingeleiteten Unterfuchung
gegeben hat. Weſentlich auf den Ausjagen einer dort be-
findlich gewejenen Schweiter, die wegen Mißhelligkeiten aus
dem Orden austrat, beruhen nämlich die hier wie bei Mos—
heim mitgeteilten Thatjahen. Dieſelbe jcheint bejonders
dadurh verlegt worden zu fein, daß die Borfteherin das—
jenige, was jie ihr in der Beichte hinjichtlich einer jchweren,
von ihr begangenen Schuld anvertraut, ausgeplaudert hatte,
und jih daher dem Pfarrer des Ortes entdedt zu haben.
Infolge deſſen jtellte diejer die VBoriteherin zur Rede haupt:
ſächlich inbetreff des Umſtandes, daß fie ihre Untergebenen
daran gehindert, ihre Beichte vor den zuftändigen Geiſtlichen
abzulegen, was dieje mit den dem gewöhnlichen Beichtver:
fahren anhaftenden fittlihen Gefahren zu erklären juchte.
Bei Mosheim macht ſich eine der älteren Schweitern, ftußig
geworden infolge der Äußerungen einiger Karihäufer, daß
die Negeln ihres Ordens mit den kirchlichen Satzungen nicht
verträglich jeien, unter Mitnahme eines Verzeichniffes der in
ihrer Niederlafjung geltenden Ordnungen auf den Weg nad)
Utredt, um das Gutachten dortiger Prälaten einzuholen,
was dann ihre Borfteherin zu Gegenmaßregeln veranlaßt.
Nah unjerm oder jind es zwei von den älteren Schwe—
ftern, die veranlaßt durch den Karthäuſerprior ſich mit einem
Verzeichnis der Ordensjagungen nad Utrecht begaben. In—
folge deſſen entſendet Wermbold eine dortige Borjteherin,
Alheid Eluten, nah Nene, um die dortigen Schweitern zum
Ausharren gegenüber etwaigen Verfolgungen zu ermutigen.
Beiden Berfionen gemeinjam ijt die Notiz, daß die Schweitern
beichlojjen hätten, alle ihnen zur Laſt gelegten Abweichungen
von den kirchlichen Ordnungen einfach abzuläugnen und daß
Mermbold diejes ihr Verhalten ausdrüdlich gebilligt habe.
*
9
132
Beigefügt find der Verjion des Soefter Coder eine Reihe
Notizen das Formale der auf Grund der eingeholten Infor:
mationen vorzunehmenden Unterfuchung betreffend. E3 finden
fich dort die lateiniiche und deutſche Formel des von den
Beihuldigten abjulegenden Eides fowie eine Anzahl an tie
zu stellender Fragen. Daran jchließen ſich Gitate, welche
darthun jollen, daß derartige Verbindungen zu der von ver:
ſchiedenen Päpſten verurtheilten Sekte der Begharden und
nicht etwa zu der von der Kirche zugelajjenen jogenannten
dritten Regel des heiligen Franziskus gehörten und die Be:
günftiger und Angehörigen derjelben daher ohne Weiteres
dem Banıte verfallen jeien.
Was die von Eylard angeitellte Unterfuhung für ein
Rejultat gehabt, bemerkt Moll,!) wife man nit, dagegen
gehe aus einer Notiz bei Dumbar, Analecta I. p. 30 ber:
vor, dag Wermbold und jein ihm gleihgejinnter Freund
Slorentius, fi) des jie bedrohenden Widerjachers energijch
erwehrt hätten.) Sehr erfolgreich jcheint diefer Widerftand
aber doch nicht gewejen zu fein, denn in einer zwijchen 1400
und 1404 erlajjenen Bulle Bonifazs IX. werden Congrega:
tionen, die aus ihrer Mitte ſich Vorſteher (procuratores,
servi) oder Vorjteherinnen (marthae) jegen, ausdrüdlich als
verboten bezeichnet. °)
Auch Hinfichtlid der Thätigkeit von Eylards Nachfolger,
des Inquiſitors Jakob von Sweve enthält der Soeſter Coder
mehreres Bemerkenswerte. So ein Schreiben desjelben vom
!) L. ec. — ?) tune temporis fuit magister Eylardus inquisitor hae-
reticae pravitatis, qui multum molestabat sorores in Traiecto,
sed dominus Florencius et Werenboldus resistebant ei.
2) Gedrudt bei Haupt: Beiträge zur Geſchichte der Selte vom freien
Geiſte u. ſ. w. ex cod. Colmar Nro. 29 fol. 108b 109a ff. Das
bei Mosheim 1. c. p. 409 vorkommende Datum 31. Juli 1395 muß
auf einem Irrtum beruhen, da dem Inquiſitor diefe Bulle unbekannt
war, während er diejenigen der früheren Päpſte anführt.
— — — — — — 1
11. April 1410 an den Propſt von St. Anskar zu Bremen,
Heinrich von der Mühlen, in welchem er ihn ermahnt gegen
den Kaplan Johann Petri und den Pfarrer Nikolaus an
der dortigen Marienkirche, die ſich gemäß den Ausſagen eini—
ger Zeugen ketzeriſcher Außerungen, wir wiſſen nicht welchen
Inhalts ſchuldig gemacht, die Unterſuchung zu eröffnen.)
Ferner eine Anmweilung an jämmtliche Geiftlihe der Stadt
Köln vom 8. Auguft 1411, ihre Gemeindemitglieder zum
nädften Sonntag Mittagg um 12 Uhr in den Dom zu
laden, wo er ſich in einer Predigt über Sachen des Glau—
bens verbreiten wolle, während alle anderen Gottesdienfte
zur jelben Zeit juspenbiert fein jollen. ?)
Auf die Schon von Wilmans behandelte Angelegenheit
des Magijters Johann Malkaw aus Preußen beziehen fich
mehrere und bier erhaltene Schreiben aus den Jahren
1411—12.3) Leider erfahren wir aus denfelben nichts Nä—
heres über den Inhalt der diefem Manne zur Lait gelegten
fegerifchen Äußerungen, wol aber über die Art des gegen
ihn eingeichlagenen Verfahrens. Nachdem der Inquiſitor
ihn dur ein an den Pfarrer von St. Marien zu Köln ge:
richtetes Schreiben vom 16. Sept. 1411 hatte vor jich citiren
laffen, wurden dem Angeklagten am 3. Dftober durch zwei
Notare, Symon Ondorp und Jakob von Kleve gemifle ſchrift—
lih aufgelegte Glaubensartifel vorgelegt und er aufgefordert,
über jein Verhältnis zu diefen, ob er fich zu denſelben be:
fenne oder nicht, ſich zu äußern, was er aber hartnädig ver:
weigert zu haben jcheint. Er hatte jich ferner dem Inqui—
fitor gegenüber eidlich verpflichten müljen, den Ausgang der
Unterfudung in jeinem Haufe auf der Urjulafreiheit abzu:
warten (Wilmans faßt diefen Unterfuchungsarreit irrig als.
eine Gefängnisitrafe auft)) und über den Verlauf des Pro:
zefjes nach Außen Hin nichts verlauten zu lafjen. Er brad
1) Beil. IT. — 2) Beil, IV. — ®) Beil. V-X. — *) L.e. S. 209.
134
aber nicht nur diejes letztere Gelöbnis, jondern verließ auch,
ohne ſich Hinfichtlih der ihm vorgelegten Fragen irgendwie
geäußert zu haben, heimlich die Stadt, worauf ihn dann,
nach wiederholten vergeblihen Citierungen, der Bann traf.
Am befannteften unter den Prozeffen des Jakob von
Sweve ilt derjenige geworden, den er gegen Johann Pal—
borne, den Jüngeren, führte. Dieſer, Vicekurat an der
Miejenkirche zn Soeft, follte in einer Predigt die Behauptung
aufgeftellt haben, daß die Leichen der BVerftorbenen zu ihrer
Parodialkirhe gebracht werden müßten, um dieſer die von
ihr empfangenen Saframente gleihjam zurüdzugeben. Dieje
Äußerung follte gefallen fein zu einer Zeit, da eine Epidemie
in Soeſt herrſchte und troßdem durch dieſes Verbot ander:
weitiger Beerdigung die Leichen 18 Stunden lang in der
Kirche zurücgehalten wurden. Nachdem Jakob zu der Über:
zeugung gefommen war, daß die von Palborne angeblich
aufgeitellte Behauptung mit den Lehren der Kirche nicht
übereinjtimme, begann er gegen denjelben einzujchreiten. Bei
einer behufs Bernehmung der Zeugen auf den 26. November
1420 einberufenen Verſammlung im Kapiteliaale de Domi—
nifanerflojter8 wurde er jedoch von den Anhängern des Pal—
borne überichrieen und begab fich unverrichteter Sade von
Soeſt nah Köln, von wo er am 8. Dezember jene Klerifer,
welche die Soeiter Verhandlungen geftört, vor ji) lud, um ihre
Grfommunifation zu vernehmen. Diejelben erichienen und
verlangten auf einer namentlich von kölniſchen NRechtsgelehrten
jehr zahlreich befuchten Berfammlung (am 9. Januar 1421),
daß ihnen eine Abjchrift der ihnen d. h. doch wohl haupt:
ſächlich Johann Balborne jchuldgegebenen ketzeriſchen Mei-
nungen vorgelegt werde. Jakob lehnte dies ab, fie aber
reinigten jih, ihrer jpäteren Behauptung zufolge, zur voll
fommenen Zufriedenheit der Verfammlung durd einen Eid
von der wider fie erhobenen Anklage. Da aber der Inqui—
jitor, welchen jene Nechtsgelehrten bei jenen Berathungen,
135
-— u
die mit der Schuldloserflärung der Angeklagten endeten, gar
nicht hinzugezogen, nach Rom appellierte (14. Januar), leg:
ten die Beteiligten am 12. Januar gleichfalls Appellation
an den Bapit ein, in welcher fie die ihnen zur Laſt geleaten
Kegereien entichieden ableugneten und behaupteten ſich von
den gegen jie erhobenen Vorwürfen auf jener Verjammlung
vollfommen gereinigt zu haben. !)
Seiner Appellation fügte der Inquiſitor ein vom
15. Juni 1421 datiertes Schreiben an den Papſt bei, wel:
ches nur in unjerm Goder enthalten iſt und das daher Wil:
mans nidt gefannt bat. In diefem Schreiben formuliert
er eine Neihe von Fragepunften, die ſich auf die im Verlaufe
des Prozeſſes von Seiten der gegnerischen Nechtögelehrten
und Glerifer begangenen Unregelmäßigfeiten beziehen, Unre—
gelmäßigfeiten, die, wie der Inquiſitor mit einer Menge von
Citaten nachzuweiſen jucht, ihm das Recht gegeben hätten,
über die Schuldigen den Bann zu verhängen. Bon allge:
meinerem Intereſſe iſt aber unter dieſen Fragepunften be:
tonders der 14.2), der mit dem vorliegenden Prozeß aller:
dings in feiner Verbindung fteht. In demjelben berichtet
der Inquiſitor, es hätten jih bei Laien Meßbücher und
Grläuterungen der Evangelien in deuticher Sprache vorge:
junden. Da nun Grund zur Befürchtung vorliege, daß Die
Beriger diefer Bücher der Irrlehre der Waldenſer anhingen,
derzufolge auch Yaien die Meile zu leſen befugt feien und
dag man ferner auf den Gedanken fommen könne, denjelben
Überfegungen der heiligen Schriften hinzuzufügen, jo frage
er an, was in diejem Falle zu thun jei. Ob dieſe Schriften
zu verbrennen ſeien und ob diejelben überhaupt vor das
Forum der Inquiſition gehörten, das ericheint ihm deshalb
fraglich, weil fie ja feine Ketzereien enthielten, wenn fie frei:
lich aud zur Entjtehung jolher Anlaß geben könnten und
) Wilmans 1. c. ©, 214 ff. — ?) ©. Beil. X.
136
daher ihr Verbot rätlih fei. Er fcheint alfo das Edikt
Kaifer Karls IV. vom Jahre1369, welches dieſe Frage unter
Berufung auf kanoniſche Schriften nad feinem, des Inqui—
jitor3 Sinn, geregelt hatte,!) entweder nicht gekannt oder
als nicht maßgebend für fich erachtet zu haben, legteres viel-
leicht darum, weil dasjelbe durch die Bulle Gregors XI. von
1376 gerade in dem fraglichen Punkte wejentliche Milde:
rungen erfahren hatte.?) Jedenfalls ſpricht das Verhalten
des Inquifitors dafür, daß damals die Kirche noch nicht dazu
gelangt war, inbetreff des gegenüber den in der Landes—
ſprache verfaßten religiöfen Schriften einzuhaltenden Verfah—
rens allgemein anerfannte Grundjäge aufzuftellen.
Wie fih aus den übrigen erwähnten Fragepunften
ergiebt, war im Laufe des Prozeſſes der eigentlihe Anlaß
desjelben, die ketzeriſche Äußerung des Johann Palborne
längſt zurüdgetreten vor der angeblichen Unbotmäßigfeit jei-
ner Anhänger. Dafür jcheint auch folgender Umftand zu
ſprechen: Wir erfehen aus einer im Staatsarchiv zu Münjter
befindlichen, von Wilmans nicht gefannten notariellen Ur—
funde, welche im ausdrüdlihen Auftrage des Inquiſitors
abgefaßt ift,?) dag Johann Palborne am 9. März 1421 in
der Wieſe-Kirche zu Soejt vor verjammelter Gemeinde bie
fragliche Äußerung feierlichft abgeleugnet refp. widerrufen hat,
womit, joweit e3 auf ihn anfam, dem Inquiſitor Genüge
geleiftet fein mußte.t) Trotzdem ging der Prozeß weiter,
wie wir aus einem bereits von Wilmans erwähnten Schrift:
jtüd erjehen, und zwang den Inquiſitor fogar dazu, felbit die
Reife nah Rom zu unternehmen. Freilich läßt fi) dies viel-
leicht auch daher erflären, daß, nachdem einmal nah Rom
appellirt war, die Sache nun nicht mehr rüdgängig gemacht
1) Wilmans ©. 199. — ?) Ib. ©. 401. — ®) Beil. XII.
*) Dominikaner zu Eoeft Urk 52. Merkwürdigerweiſe berührt Jakob
von Sweve in feiner gleich zu erwähnenden Denkſchrift dieſen MWider-
ruf mit feinem Worte.
137
— —
werden konnte. Über den endlichen Ausgang des Prozeſſes
wiſſen wir, wie ſchon Wilmans bemerkte,!) nichts Näheres.
Wilmans meint,?) daß dem merkwürdigen Verbote des Jo—
hann Palborne Motive des Eigennutzes zu Grunde gelegen
hätten, indem durch die anderweitige Beerdigung die Stol—
gebühren der Geiftlichen verkürzt worden jeien. Dazu will
freilich nicht recht ftimmen, wenn er den Soeſter Klerus,
der ih auf Palbornes Seite jtellte, von freieren Ideen er:
füllt nennt, bejonders da man vom hygieniichen Geſichts—
punkte aus dem Inquifitor unbedingt Recht geben muß. In
Wahrheit würden wir wol in der Äußerung des Palborne,
angenonmen, diefelbe wäre wirklich gefallen, nur einen Aus:
drud des damals öfter hervortretenden Beitrebens der Pa—
rochialgeitlichkeit zu jehen haben, gegenüber den überhand
nehmenden Verſuchen der DOrdensgeiftlihen, in die reguläre
Seelforge überzugreifen, ihre Autorität über ihre Gemeinde:
nutglieder zu wahren.
Für das Vorkommen Ddiejes Beitrebens legt noch ein
anderes in unſerm Coder enthaltenes Schriftitüd Zeugnis
ab. Zu Anfang des 14. Kahrhunderts hatte ein Pariſer
Theologe Johann de Poliaco gleichfalls im Gegenſatze zu der
Drdensgeiftlichleit die Lchre aufgejtellt, weder der Papſt nod)
Gott jelbit könne ein Gemeindeglied von der Verpflichtung
entbinden, bei jeinem regulären Seelforger, dem Geiftlichen
feiner Parochialkirche, die Beichte zu hören. Diefe in ihrer
Form allerdings jehr fraffe Behauptung war dur eine Bulle
Johann XXI von 24. Juli 1321 verdammt und diefe
Bulle durch Gregor XI. vom 5. Dezember 1372 beftätigt
worden. Trogdem jcheint es auch ipäter wenigftens in
Deutichland nicht an Anhängern diefer ketzeriſchen Lehre ge:
fehlt zu haben, denn Jakob von Sweve ſah jich genötigt,
in mweldem Jahre wiſſen wir nicht, den Geiftlichen feiner
1) L. c. ©, 2235. — 9) Ib. ©. 215.
138
Provinz den Juhalt diejer Bullen ind Gedächtnis zurüdzu-
rufen. Übrigens iſt bekanntlich die Parochialgeiſtlichkeit mit
ihrem Kampfe gegen die Orden nicht jehr glüdlich geweſen,
denn nach geltender kirchlicher Auffaffung ift die Spendung
der Safranıente an eine beitimmte Kirche nicht gebunden.
Beilagen.
I.
Ista sunt nuntiata inquisitori a diversis fide dignis
personis sub iuramento de congregationibus domini
Werimboldi Traiectensis. Quarum plures steterunt in
illis congregationibus scil. swestrionum et verisimiliter
videntur esse in aliis locis persone. (?) Que facto pulso
quum convenerint ad refectorium, stantes in eircuitu
dieunt benediecite in vulgari Martha inchoante et cete-
ris prosequentibus. Et habita lectione in vulgari per
totam mensam dato signo Martha ineipit gratias et alie
prosequuntur per omnem modum religiosorum.
Item quotiens Marthe videtur, datur signum et
convocantur sorores ad cameram oratoriam sedente
Martha in sede et ceteris ex utroque latere stantibus,
in quibus dieunt culpas suas una post aliam. Et Martha
iniungit aliis quod orent pro ea. Et iniungit sanctos
psalmos vel alia ad dicendum iuxta qualitatem culparum.
Item quod non possunt ire ad audiendam missam,
serinones, vel ad confitendum seu ad recipiendum sacra-
mentum eucharistie nisi de licentia Marthae. Rationem
assignantes dicunt Martha et regentes sorores, quod
quamcunque aliqua ad huiusmodi intentionem habeat,
magis tamen esse sibi meritorium, quod ex obedientia
ad prohibitionem Marthe huiusmodi dimittat, quam
quod ex suo videri huiusmodi faciat.
Item quum habent licentiam confitendi vel sermo-
nes audiendi, tamen non possunt alteri confiteri vel
etiam alium audire,. nisi quos eis Martha speeialiter
139
nominaverit. Causam vero, quare non possunt libere
quemlibet secundum iudieinm conscientie sue confes-
sorem eligere vel predicatorem audire, dieunt Martha
et seniores hanc esse, quia non omnis predicatores et
confessores favent observantiis congregationum et sua-
dent ad illas observandas et accipiendas, sed potius
dissuadent, ideo nolunt Martha et seniores quod alios
audiant quam suos consentaneos, ne sorores retrahantur
a tam sancto proposito, ut dicunt.
Item si aliqua contrarium faceret et Marthe in
huiusmodi non obediret, in capitulo coram omnibus
aliis sororibus reprehenditur et, nisi desistat, de domo
expellitur.
Item quum licentiatur ire ad confessionem, inter-
dum Martha audiverit, tune informat eas, qualiter hoc
sacerdoti confiteri debeant et non aliter.
Item in bona feria quinta celebrant cenam et la-
vantur pedes sororum a Martlıa et soror ad hoc de-
putata legit sermonem dominicam in vulgari ad modum
religiosorum.
Item quum aliqua soror vult extra tempus com-
mune confiteri omnibus sororibus in generali, tunc
omnes... ut preconfiteatur Marthe et due de senioribus
domus monent eam ad confitendum, eciam si esset
homieidium.
Item una stetit in congregatione earum in Rene
et ista de causa recessit ab eis. Nam cum semel an-
giaretur a Martha et aliis ad preconfitendum Marthe
et ita feeisset, invenit postea, quod illa, que sub se-
ereto confessionis illi revelavit, aliis sororibus in publica
mensa dixit. Et casus ille fuit ita gravis, quod sim-
plex sacerdos non potuit eam absolvere, set fuit remissa
ad habentem auctoritatem dioecesis.
Item cum curatus in Rene intellexisset de huius-
modi preconfessione et Marthen de hoc redargueret,
respondit Martha, quod propter hoc faceret, quod so-
rores essent iuvenes et de facili possent concipere car-
nalem affectum ad confessores et sie magis ire ad con-
fitendum ex levitate quam ex necessitate, cum vellent
scire, si culpa esset talis, que esset.
Item interrogatis ab aliquibus, an aliquam facerent
140
professionem, responderunt, quod nescirent de profes-
sione, set cum ipse fuissent per mensem vel circa in
domo, tunc senior soror et potentior post Martham dixit
eis, quoniam deliberassent, an vellent cum eis manere
et responso per istas quod sie, dixit illa: Si vultis
nobiscum manere, oportebit vos ordinationes domus
cum aliis sororibus uniformiter observare et proposuit
eis punetatim omnes articulos supradictos et iste dixis-
sent, quod libenter vellent, tunc prohibuit eas, quod
ulli unquam istas ordinationes revelarent, nisi esset de
domo vel alia domino Werimboldo subiecta nec etiam
confessori suo, et cum una dixisset: Si ista sunt ita
bona sicut dieitis, quod sit similior vita vite Christi et
apostolorum quam sie, quare tune non possent dici
elerieis, respondit illa quod multi sunt boni literati,
set non habent saporem seripturarum, propter haec
non videtur eis ita bonum, sicut est. Et sic melius
esset, quod non seirent.
Item cum due ex antiquioribus sororibus recesse-
rant a congregatione in Rene propter informationem
prioris Carthusiensis Arvernonensis, qui dixit eis ob-
servantias predietas cum statutis ecclesie nullatenus
posse stare, et predicte due sorores adhuc in congre-
gatione existentes cum semel Traiecti causa informandi
a iurisperitis inissent et secum observantias predictas
portassent in scriptis et hoc dominus Werimboldus
pereipiens interim misit Alheydim Cluten Martham de
Traiecto usque Renem, que animavit alias sorores ac
eis consuluit. ut potius starent in verbo dicti Werim-
buldi quam cuiuscunque alterius et cum deliberassent
omnino velle negare et, si opus esset, cum iuramento,
quod tales ordinationes seu prohibitiones in domo non
fuissent et sie evaderent turbationem et dietus Werim-
boldus hoc intellexisset, dixit: si iurassent, de facili
manum illis super caput interposuissem.
Item dominus Werinboldus dieit et tenet eas pro
apostatis. que contra voluntatem ipsius a congregatio-
nibus recedunt.
Item quod Alheydis (Cluten) et filie sue inducunt
homines eciam extra suas congregationes immo in se-
culo et matrimonio existentes ad hoc, ut confiteantur
141
dicte Alheydi et consilia animarum et directionem con-
scientiarum ab ipsa recipiant. Et quod solum in pre-
dicatoribus Werymboldum audiant.
Item alique honeste persone in seculo eciam ma-
trimonio existentes sunt confesse prodicte Alheydi ita
nude et aperte sicut unicuique sacerdoti.
Secundum predieta potest se regere inquisitor
in inquisitionibus Lulardorum, Begardorum et Swe-
strionum.
Fiat ergo de hiis articulis, que secuntur, inter-
rogatio.
Iuret primo sub hac forma tactis sacris evangeliis
propriis manibus.
Ego N. iuro ad sancta dei evangelia, quod dicam
meram et claram veritatem de omnibus, de quibus
interrogatus fuero, prout scivero et potuero et hoc non
pretermittendo propter amorem vel odii rancorem nec
irae livorem nec propter quecunque bona huius mundi,
sic me deus adiuvet et hec sancta dei evangelia.
Iuramentum in vulgari.
Ick N. swere und ghelove gode van hemelrike und
seyner leyrven moder Marien und alle godes hillegen,
dat ik wel segen dey claren luteren warheyt van al
den dyngen, dar men my umme vraget, also vere als
ik dat weet und eyn wil das nycht lazen um leyf eder
leet, umma hat, nyet, thoren noch umme gheyn gut
dusser werlt, so moche my got helpen und al syne
hylgen.
Si nollet iurare vel difficultaret, hereticus est
(interrogationes extrav. excommunicamus primo).
Primo iurabunt de dicenda veritate plane sine
ambiguitate et directe.
An teneat, quod sine peccatu jurare possit in
iudicio.
An jurantes propter scandalum vitandum possint
licite celare secreta sue secte.
Item an jurare recusantes vel verbaliter tamen
jurantes reputant hereticum vel errorem.
142
Post requirantur:
Unde sint. Qui sint parentes. Utrum vivi vel
mortui. Ubi fuerit nutritus. Ubi fuerit conversatus.
(Quare communem habitum. Quare communem locum.
An credat in deum. An articulos fidei. An sacramenta
ecclesie.e An in sanctam Romanam et Catholicam ec-
clesiam. An tenere aliter quam ecclesia determinat
credendum sit hereticum. An rebellare preceptis ec-
clesie pertinaciter semper sit peccatum wmortale. An
tenere quod precepta ecclesie non obligant aliquem
hereticum. An umquam audierit preceptum ecclesie,
novam religionem non assumendam et non confirma-
tam deserendam esse. An audierint sectam, que dieitur
begardorum et beghinarum seu swestrionum, dampna-
tam esse. Item quando, a quo et quare dietam sectam
reprobatam assumpserint et de modo receptionis et
quamdiu duravit in ea et ubi receperit. Item quare
sanus existens vietum per mendieitatem quisierit in
detrimentum pauperum et laborare recusavit contra
rempublicam. . Item quomodo deserviat illas, quum
oret recompensando missam, vigiliam, psalterium et
magnum oratorium. Item in quos usus expediantur
eleemosyne et an reddatur conpotus, quantum recipia-
tur et quantum exponatur. Item an Marthis et procu-
ratoribus obediatur ad egressum et reditum, confesso-
rem, predicatorem et penam portandam. An Marthe
potius sit obediendum, quam plaeitis ecclesie et inqui-
sitoribus et de culpis dicendis coram eis, post non
iterandis sacerdotibus. Item an ad mandata inquisi-
torum teneantur et an sententie ligent per eos emisse
et separent a perceptione sacramentorum ecclesie. Item
an hospitaverint per eos excommunicatos vel sciant
aliquos excommunicatos sacramentum eucharistie per-
cepisse vel sciant excommunicatos ab inquisitoribus.
Utrum liceat in matrimonium assumere et an in ma-
trimonino quis vivere possit sine peccato. An liceat
eis recipere ad societatem suam existentes in ma-
trimonio. An sciant in societate sua fuisse tales et
qui et que fuerint et an per hoc meruerint vel pecca-
verint. An status eorum sit perfectior matrimonio
vel aliis religionibus approbatis vel imperfectior vel
145
equalis. De sacramento penitentie, an bonus homo
teneatur confiteri. An culpas eorum possint inter se
dicere et an per hoc purgentur.
1) Novam religionem adinvenire est jure prohibi-
tum (extr. de religiosis domibus, Ne nimia)
2) Novum ordinem adinvenire et novum habitum
religionis assumere interdieit concilium Lugdunense
prohibitione perpetua (extr. de reljgiosis domibus, reli-
gionum |. IV. Gregor X.)
3) Statum beginarum swestrionum prohibet papa
Clemens V. approbante coneilo Wyenense duxitque per-
petuo prohibendum et a dei ecclesia penitus abolen-
dum (extr. de religiosis domibus, Cum de quibusdam)
4) dietus status est eisdem mulieribus et quibus-
cunque aliis sub pena excommunicationis prohibitus,
quam incurrunt ipso facto (ib.).
5) Quod predictus habitus est eisdem mulieribus
sub eadem pena interdietus (ib.).
6) Quod fautores dietarum mulierum sunt ipso
facto a dieto concilio et papa excommunicati (ib.).
7) Quod tales mulieres speecificantur in privilegio
Caroli IV. et in extravaganti Joh. 22 Ratio recta.
8) Quod omnia predicta confirmat Joh. 22 in pri-
vilegio, quod ineipit: Ratio recta. In qua quidem
extravagante allegat jura supra posita.
9) Quod dicta secta begardorum et beginarum est
dampnata etas. R. e. reprobata cum fautoribus recep-
tatoribus et defensoribus (extr. de hereticis Ad nostrum)
in Clementis per concilium Wyenense.
10) Quod omnia supra scripta sunt approbata per
Urbanum V., Gregorium XI, ut patet in privilegio
Garoli IV. Hic Gregorius XI. scribit ipsos begardos
et beginas hereticos, ut patet in privilegio.
t) Begine Joh. Andree super capitulum (Cum de
quibusdam extr. de religiosis domibus in Clementinis)
1) Das Folgende find einzelne abgeriffene und ſchwer leſerliche Notizen,
die jich auf die Behandlung der vorliegenden Frage in der bisherigen
firchenrechtlichen Litteratur beziehen.
144
dieit. Quod Hostiensis notat super cap. Cum ex eo
de pe et re super verbo. Quod questores elemosina-
rum non hospitent in locis incongruis, hospitent, in-
quam, pareit, quod, non dicit hospitibus set cavendum
est quasi a prostibulario sicut sunt hospitia beginarum,
quod perniciosum est genus feminarum, a quibus modis
omnibus est cavendum. . . . qu.2 diffinimus et contra
perniciosam alibi etiam nota cavendum a beginis (extr.
de frigidis fraternitatibus post primum. Item extr. de
vita et honestate clericorum Monasteria. De erroribus
beginarum nota extr. de hereticis ad nostrum).
Quod beginatus dieitur quod (?) religio ibidem in
glossa Cum de quibusdam.
Quod sorores de tertia regula non tangit illa con-
stitutio, cum illi permittatur obediendum nota (?) pro-
prie quoad certa (?) substantialia, set habent quendam
ınodum vivendi per sedem apostolicam approbatum (ib.).
Querit speeulator 1. X. de sanctam monachorum
p. 36: Si aliquis rusticus construit hospitale commutat
habitum ete. Nunquam talis censetur religiosus et nun-
quam ecclesia debet eum defendere tanquam personam
ecelesiasticam, dieit, quod sie si hec facit de episcopi
auctoritate, alias non.
Nota: hospitale non potest construi sine licentia
episcopi (extr. de ecelesiis edificandis: Si hospitale).
Item nulla ecclesia materialis debet construi sine
consensu episcopi (de conse. in parte (?) Nemo.
Item glossa in capitulo precedente (ibidem Ecelesia)
dieit: Ex quo ecelesia non potest construi sine aucto-
ritate Romani pontifieis, multo potius aliqua nova secta
sine eius auctoritate non potest construi.
Item nullus debet edificare ecelesiam vel monaste-
rium vel oratorium sine consensu episcopi ex cuius
dyoecesi edificatur, quod si fecerit, episcopus ecclesiam
ad suum dominium revocabit, nisi prescriptus inter-
venerit (Extr. de privilegiis olim propter questiones(?)
l. 8 qu. 1 Quidam.
145
I.
Schreiben Jakobs von Eoeft an Heinrih v. Mühlen, Propſt
s. Anscharü zu Bremen in Saden eines dortigen
Kaplans.
Köln 1410 April 11.
Frater Jacobus etc. venerabili viro domino Henrico
de Molendinis, preposito s. Anscharii dyoecesis Bre-
mensis, salutem in vero salutari: Ad nostrum fide
dignorum relatione pervenit auditum, quod quidam
presbiter nomine Johannes Petri, capellanus in parochia
b. Marie virginis eivitatis Bremensis, de iussu domini
Nicolai pastoris diete ecclesie, ut presumitur, nuper in
die pasche in dicta ecclesia b. Marie virginis nonnullos
articulos temerarios male sonantes et de heresi in parte
suspectos coram vulgo simpliei utriusque sexus predi-
care et pertinaciter affirmare presumpserit, ex quibus
multorum corda simplieium non modieum sunt scanda-
lizata et infecta. Nos proinde attendentes, quod error,
cui non resistitur, approbetur, et preterea facere vo-
lentes, prout nostro incumbit officio, si premissa nobis
relata continent veritatem, de vestra discretione confisi
vobis tenore presentium auctoritate apostolice comit-
timus et mandamus, quatenus ad sepedictam civitatem
accedentes testes, quos religiosi viri fratres Albertus
Luchtemeker prior ordinis fratrum predicatorum et N.
guardianus fratrum minorum conventuum civitatis Bre-
mensis simul vel alter eorum coram vobis super dietis
articulis, quorum copiam vobis cum presentibus sub
sigillo offieii inquisitionis clausam transmittimus, duxerit
vel duxerint producendos iuxta morem recipiendorum
testium vice et auctoritate nostra immo verius aposto-
lica, prudenter recipiatis eosque iuxta discretionem vo-
bis a deo datam examinetis diligenter et depositiones
eorundem testium fideliter in scriptis redactas cum
prefatis articulis neenon cum toto processu, quem super
hoc coram vobis haberi contigerit, sub sigillo nostro
interclusas nobis per fidelem nuntium quanto oeius
destinare procuretis, ex tune in dieto negotio dante
domino processuri, prout secundum deum et iustitiam
viderimus pro fide catholica expedire. Testes autem,
XLVI. 1. 10
146
si qui fuerint nominati, si se gratia vel odio vel amore
subtraxerint, per censuram ecclesiasticam compellatis
veritati testimonium perhibere.
DI
Schreiben desjelben an die Rektoren der Kirchen, Kapellen
und Klöfter, gleichen Inhalts, vom gleihen Tage, mit
dem Auftrag, die beiden Beichuldigten zu citiren inner—
halb 10 Tagen in Köln im Konvent der Predigt:
brüder jich zu verantworten.
IV.
Jakob von Soeſt an die Kölner Geiftlichkeit.
1411 Aug. 8.
Frater Jacobus etc. universis et singulis ecclesia-
rum pastoribus seu vices eorum gerentibus per civita-
tam Coloniensem constitutis salutem et mandatis nostris
immo verius apostolicis firmiter obedire. Quia propter
iniunetum nobis heretice pravitatis inquisitionis offieium
intendimus in curia ecclesie cathedralis in die sancti
Laurentii (10. Aug.) statim facto prandio hora 12
predicare universis clero et populo congregatis ac pro-
ponere aliqua super negotiis fidei et de fide, qua-
propter auctoritate apostolica, qua fungimur in hac
parte, vos rogamus, requirimus pariter et monemus,
quatinus crastina die, que erit dies dominica et vigilia
sancti Laurentii, intimetis populo, quatinus sint in die
sancti Laurentii post prandium in predicta curia cathe-
dralis ecelesie audituri ea, que ad fidem pertinent ortho-
doxam, adiicientes quod nos suspendimus omnis aliis
sermones generaliter illa hora per civitatam Colonien-
sem fieri consuetos. Dat. Colonie apud fratres pre-
dicatores anno domini 1411 in die s. Cyriaci martiris
sub sigillo inquisitionis.
Aehnliches Schreiben an die patres priores ordinum
predicatorum heremitarum s. Augustini et b. dei ge-
netricis de monte Carmeli und den gardianus ord. fra-
trum predicatorum zu Köln vom gleichen Tage.
147
V.—X.
Akten des Prozefies gegen Johann Malfaw.
V.
Schreiben Jakobs von Soeſt an den Pfarrer von St. Marien
zu Köln.
1411 Septbr. 16.
Frater Jacobus de Susato etc. dilecto nobis in
Christo pastori ecclesie b. Marie ad indulgentias civi-
tatis Coloniensis vel vices eius gerenti salutem in do-
mino et mandatis nostris immo vero Apostolicis prompto
animo obedire. Cum dominus Johannes Malkaw de
Pruszia presbiter regularis sic sit nobis et sancto of-
ficio inquisitionis de herelica pravitate tamque vehe-
menter suspectus multipliciter delatus et teneamur ex
iniuncto nobis officio de huiusmodi nos informari, id-
cireo vobis auctoritate domini nostri pape, qua fungi-
mur in hac parte, mandamus quatenus ipsum dictum
dominum Johannem coram testibus fide dignis uno pro
omnibus eitetis edicto, ut tali die compareat coram
nobis tali loco de fide responsurus et veritatem de se
et aliis dieturus super crimine heresis, alioquin proce-
demus contra eum eius contumacia non obstante, vos
auten, quidquid inde feceritis, per vestras patentes
litteras diem, locum et testium, qui affuerint, nomina
continentes quam ceitius fideliter per transfixum rescri-
batis vestro sigillo munitum in signum executionis.
VL
Schreiben Jakobs an die Geiitlichen der Diözefe und den
Biarrer zu St. Marien.
Köln 1411 Okt. 23.
Frater Jacobus etc. universis et singulis curatis et
non curatis et presenti plebano ecelesie b. Marie In-
dulgentiarnm salutem — obedire. Cum alias fratrem
Johannem Malkaw de Pruszia professum ordinis s. Be-
nedieti XIII. die mensis Octobris moneri fecerimus, ut
nonnullis articulis sibi de mandato nostro per Symonem
de Ondorp et Jacobum de Clivis notarios nostros in
10*
148
huiusmodi causa deputatos eodem die presentatis medio
suo iuramento alias per eum prestito coram nobis, ut
infra triduum immediate sequens dictam monitionem
responderet per verbum credit vel non credit, quod
hucusque in contemptu ecclesie clavium et sancte in-
quisitionis officii facere non curavit, quare vobis man-
damus auctoritate etce., quatenus eundem fratrem Jo-
hannem ex superhabundanti moneatis, ut adhuc infra
triduum post vestram monitionem immediate sequens
respondeat ad dictos articulos per verbum credit vel
non credit et responsionem suam nobis et sancto officio
inquisitionis mittere seu tradere non differat, sed as-
signare curet cum effectu. Alioquin elapso monitionis
termino ipsum, quem nos auctoritate apostolica ex
tunc propter hoc in hiis sceriptis terna tamen canonica
monitione et peremptoria premissa excommunicamus,
excommunicatum publice nuntietis atque teneatis, diem
executionis et quidquid in premissis faceritis et testium
nomina, qui afluerint, liquide rescribatis.
Vo.
Schreiben Jakobs von Soeſt an diejelben.
1411 Dft. 30.
Frater Jacobus etc. universis et singulis, ad quos
presentes nostre littere pervenerint et presertim pastori
ecclesie b. Marie ete. — obedire. Gum frater Johannes
Malhaw etc. minus suffiecienter in causa fidei respondit
(artieulis) sibi de mandato nostro per Symonem Ondorp
et Jacobum de Clivis notarios nostros in huiusmodi
causa deputatos die tredecima mensis Octobris sibi
presentatis medio suo iuramento alias per eum prestito
coram nobis et ex superhabundanti iterum et iterum
monitus fuisset, ut sub certo termino suas responsiones
de fide nobis destinare curaret, licet multas responsio-
nes mitteret, nullam responsionem misit de fide. Id-
circo adhuc vobis mandamus etc., quatenus iam tertio
multum ex superhabundanti moneatis dietum fratrem
Johannem, ut infra triduum post vestram monitionem
immediate sequens sufficientius respondeat in causa
fidei iuxta articulorum tenorem, utrum credat illa, que
149
te
oratione et scripto confessus est sibi licuisse facere
vel fecisse, vel non credat, et utrum lieuerit ei sie
facere vel non. Et curet nobis illas responsiones mit-
tere, si presentes fuerimus, alias nostro primario fratro
Henrico Hagheman ordinis fratrum predicatorum cum
effectu. Alioquin ipsum pro multipliei contumacia nos
ex tunc elapso dicto termino monitionis propter hoc
in hiis seriptis terna canonica monitione etc. — re-
seribatis.
vm.
Schreiben Jakobs von Soeit an die Kölner Geiftlichkeit.
1411. Dezbr. 19.
Frater Jacobus de Susato universis curatis et vice-
euratis, presbiteris clerieis ac notariis publieis per eivi-
tatem Coloniensem constitutis salutem — obedire. Cum
nuper, videlicet die sabbati tertia die mensis Octobris
proxime preteriti, frater Johannes Malkaw etc. post
examinationem super certis articulis et interrogationi-
bus hereticalibus per nos tamquam de heresi suspecto
sibi factam coram pluribus prelatis, magistris, docto-
ribus et personis dicte eivitatis et dyoecesis Coloniensis
ac notariis publieis ad hoc vocatis et requisitis ad
saneta dei evangelia tactis scripturis sacrosanetis cor-
poraliter iuravit inter cetera, quod ex tune statim de-
beret ire ad domum suam, quam inhabitare consuevit
infra emmunitatem ecelesie XI millium virginum Colon.
et ibidem stare quietus usque ad vocationem nostram
vel venerabilis viri domini officialis eurie Goloniensis
ad certos diem, horam et locum. Et prout intellexi-
mus, idem frater Johannes a dieta domo recessit contra
suum iuramentum, ut premittitur, per eum factum.
Quare vobis mandamus, quatinus eitetis peremptorie
eundem fratrem Johannem, si ipsius presentiam habere
poteritis, alioquin in dieta domo habitationis sue sub
testimonio competenti continue hodierna die, que est
dies XIX mensis decembris hora vesperarum coram
nobis in domo capitulari conventus Colon. ordinis pre-
dieatorum predicti personaliter compareat, de fide super
certis articulis responsurus ac visurus et auditurus,
ulterius in negotio inquisitionis intentato per nos pro-
150
cedi, prout iustitia suadebit et ordo dietaverit rationis,
certificantes eundem nihilominus, quod sive comparuerit
sive non, ad ulteriora procedemus eius absentia seu
contumacia non obstante, quidquid vero in premissis
feceritis, nobis liquide per transfixum rescribentes.
IX.
Schreiben gleihen Inhalts an die Plebanen s. Mariae In-
dulgentiarum, s. Johannis superioris, s. Pauli et
s. Columbe und alle Pfarrer der Kölner Diözefe.
1411 Dezbr. 19.
X.
Schreiben Jakobs von Soelt an diejelben.
1412 San. 16.
Berichtet über das Verfahren gegen Johann Malkaw
in gleiher Weife bis zur Uebernahme der Verpflichtung
in feinem Hauſe zu bleiben nec aliquem vel aliquam
ad se intromittere sine speciali licentia nostra vel
offieialis euriae Coloniensis sub pena carceris. . Ipse
tamen frater Johannes dei timore postposito ac dya-
bolo instigante contra dietum suum iuramentum
publice et diversimodo veniendo seripsit nonnullas
litteras diversis personis ecelesiasticis et secularibus
communiter et diversim de dieto inquisitionis ne-
gotio ac de domo sua, in qua, ut premittitur, sub
pena carceris stare debuit, fugiendo ac de civitate Co-
loniensi, prout super hoc sumus sufficienter informati,
recessit, reatum periurii ac sententiam excommunica-
tionis et alias penas iuxta canonicas sanxiones talibus
inflietas multicipliter incurrere minime formidavit in
anime sue periculum et clavium ecclesie contemptum
et scandalum Christi fidelium plurimorum. Et quia
dietus frater Johannes huiusmodi sententiam excom-
municationis per mensem et ultra non sustinuit indu-
rato et iuxta canonica instituta eius crescente contu-
macia crescere debet ipsa pena, ideo — e& folgt der
Befehl, den Bann gegen ihn zu verkünden,
Aus einem Beriht Jakobs von Soeſt an Papſt Martin V.
1421 San. 15.
14. In officio inquisitionis me fratre Jacobo')
predicto Inquisitore humiliter occupato repperi libros
missales ex toto in vulgari scriptos apud laycos solo
canone excepto et eciam alios libros videlicet exposi-
tiones evangeliorum et huiusmodi. Dubitatur, quid de
libris illis fieri debeat propter -qualitatem temporis.
Nam, ut dieitur, in aliquibus partibus novi heretici
seculares tam viri quam mulieres utuntur forte iisdem
cum canone et eredunt iuxta Waldensium errorem posse
conficere et dieere missas ita bene sicut sacerdotes, et
leviter ad istos libros canon apponeretur et sequeren-
tur errores et hereses leviter non exstirpande. Petitur
igitur, quid de libris fieri debeat; videtur, quod non
sint comburendi, quia nulla heresis ibi continetur sed
possent prestare materiam errorum et heresum; quid
ergo fieri debeat, dubitamus.
XII.
Notariatsinſtrument über den Widerruf des Johann Palborne.
1421 März 9.
In nomine domini amen. Anno nativitatis eius-
dem millesimo quadringentesimo vicesimo primo in-
distione quarta decima dominica die Judica, quae erat
nona mensis Martii mane hora primarum vel quasi
pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini
nostri Martini divina providentia papae quarti anno
quarto de mandato et requisitione venerabilis et reli-
giosi viri fratris Jacobi de Susato ete. Ego Siffridus
2) In dem diefem Schreiben vorangehenden Auszug aus demjelben, der
die Ueberjchrift trägt: Sequuntur eciam dubia pro officio Inquisi-
tionis declaranda ift hier das Datum beigefügt: 1420 Dftober.
Diefer Auszug gehört einem Bericht des Ingquifitors an, welcher mit
dem im Ms. VII9 p. 47—116 des Münſterſchen Staatsardyivs
enthaltenen übereinjtimmt, aber nur bis zum 25. San, 1421 ge
führt ift.
152
Notarius infraseriptus certis viris religiosis fratribus
ordinis predicatorum domus Susatensis Colon. dyoecesis
inferius notandis per eundem ete. fratrem Jacobum etc.
mihi pro ydoneis et fidedignis testibus adiunctis et de-
putatis ad videndum et audiendum una mecum, quae
per me hic statum infra narrantur et in publicam for-
mam rediguntur, intravi ecclesiam parochialem beate
Marie virginis in prato Sus. In quam cum venerim
et modica mora facta dominus Johannes paderborne
iunior vicecuratus in eadem ascendit ambonem stantem
ibidem et coram plebis multitudine ad audiendum di-
vina illie solito more satis in magna copia congre-
gata juxta formam sibi per venerabiles et circumspectos
viros dominos Johannem de Linepe canonicum maioris
ac prepositum s. Gereoni ecclesiarum Colon. Tylman-
num de Attendorn legum doctorem et officialem curie
Golon. ac Thidericum de monasterio sacre theologie
professorem in scripto traditam et a Colonia ab eisdem
in quadam missiva prefato magistro Jacobo etc. et ei-
dem domino Johanni destinata seriptam et transmissam
alta et intelligibili voce clare et distinete in teutonico
forme latine sibi ut prefertur tradite date et transmisse
penitus et omnino....!) errorem alias per eum ibidem
ipso die beati Martini episcopi coram populo tunc co-
ram eo occasione cuiusdam funeris sepeliendi convento
predicatum revocavit. Cuius revocationis formam ego
Siffridus etc. in quadam cedula pergamenea in manu
mea tenui et diligenter auscultavi inveniens quod teu-
tonicum illius revocationis ibi per dominum Johannem
ad populum prolatum penitus cum latino, quod in
dieta mea cedula habui, consonabat ymmo nec aliquid
de contentis in eadem anticipavit neque posterigavit
sed precise sub hac verborum forma: (Alias in die
saneti Martini in hoc ambone stans loquebar ad po-
pulum in ecclesia ista occasione cuiusdam funeris tunc
presentem et nonnulli tunc astantes dixerunt et dicunt,
quod inter cetera verba per me tunc prolata dixerim
sie: propter hoc corpora mortuorum portantur ad eccle-
) Unlejerliches Wort,
153
sias suas parochiales ut reddant sacramenta, que ibi-
dem receperunt. Que verba aut similia non recolo me
dixisse et puto me non dixisse et scio quod nunquam
habui intentionem aut voluntatem talia verba dicendi
et si dixissem, quod talia verba sunt male sonantia et
catholice veritati contraria et exhortor vos omnis in
domino, quod predicta verba nullus vestrum asserere,
tenere aut defendere perseverat,) revocavit, dixit et nar-
ravit. Et facta huiusmodi revocatione revocans nota-
rium super hoc requisivit quem quis esset, conside-
rare non potui, quia multi homines sederunt et eciam
multi steterunt inter me et prefatum revocantem, pre
quibus videre non potui notarium per eum requisitum,
de quo protestor eciam, quia inter me et ipsum erat
bene distantia quoad sex vel octo passus quae erat
plena populo utriusque sexus hie ut prefertur ad di-
vina congregato. Quibus sic per me visis et auditis
religiosos viros fratres Hermannum de Nehem priorem,
Bernhardum de Molentino, Hermannum Stroppenbrok
et Henricum Raven ordinis predicatorum et conven-
tualium domus Sus. in testes predietorum requisivi,
qui eciam una mecum contenta cedule, de qua pre-
fertur, diligenter et fideliter auscultarunt invenientes
omnia et singula pro visis et auditis sic esse, prout
per me supra sunt narrata. Acta sunt hec etc.
XII.
Jakob von Soeſt an die Geiftlichen der ihm untergebenen
Kirchenprovinzen.
14...
Frater Jacobus de Susato etc. universis et singulis
ecclesiarum, capellarum Rectoribus per provinciam et
dyoecesim predictas constitutis Salutem in domino sem-
piternam. Dudum felieis recordationis dominus Johan-
nes papa XXII optans veritatis vias notas esse fidelibus
et cunctis erroribus precludere aditum quosdam arti-
culos erroneos sacre fidei contrarios cathedre presidens
apostolice de communi fratrum suorum consilio quan-
dam doctrinam non sanam, set multum periculosam ac
154
veritati contrariam continentes dampnavit et reprobavit
ac suis litteris apostolicis desuper datis et concessis
vera eius bulla plumbea sigillatis universis et singulis
distrietius inhibuit, ne quisquam ipsos articulos sie per
ipsum dampnatos et reprobatos vel contenta in eisdem
tenere auderet vel defendere quomodolibet vel docere
et sie universis et singulis patriarchis, archiepiscopis,
episcopis et electis quibuscunque sacre Romane ecclesie
filis mandavit, quatenus ipsi et quilibet eorundem in
civitatibus et dyocesi convocato ad hoc clero commu-
niter ipsas suas litteras apostolicas et contenta in eis-
dem fideliter publicarent.
Nune demum felieis recordationis dominus Grego-
rius divina providentia papa undeeimus fervore catho-
lice fidei suecensus Nobis et aliis quibuscunque heretice
pravitatis Inquisitoribus ubilibet constitutis ea, que
pro defensione fidei catholice favorem nostri officii In-
quisitionis heretice pravitatis dinoscebantur concernere,
liberaliter desiderans tribuere inter cetera tenorem lit-
terarum apostolicarum predictarum de ipsis litteris
dieti domini Johannis sui predecessoris sumi et de
verbo ad verbum annotari fecit in hec verba:
(iregorius episcopus servus servorum Dei dilectis
filiis fratribus ordinis predieti Inquisitoribus heretice
pravitatis ubilibet constitutis Salutem et apostolicam
benedictionem. Fervor catholice fidei et vestra devota
supplicatio nos inducunt, ut ea, que defensionem dicte
fidei et favorem vestri officii J. h. p. dinoseuntur con-
cernere, vobis liberaliter tribuamus, hine est, quod Nos
tenorem quarundam litterarum felieis recordationis Jo-
hannis pape XXII. predecessoris nostri, quibus asserui-
stis vos pro dicto vestro offiecio indigere, de litteris
ipsis eiusdem predecessoris vera bulla cum filo canopis
pendente munitis sumi, de verbo ad verbum presenti-
bus annotari feeimus, qui talis est: (Folgt die im Corpus
iuris can. extr. 1. V tit. III c. 2 abgedrudte Bulle gegen
Johann de Poliaco vom 21. Juli 1321.)
(Dann fährt Gregor XI. fort:)
Et ut huiusmodi tenor insertus . . . rei seu facti
certitudinem faciat, auctoritate decernimus, ut ille idem
robur eamque vim eundemque vigorem dietus tenor
per omnia habeat, quem haberent originales littere
supradicte et eadem prorsus eidem tenori fides adhi-
beatur, quantumque et ubicunque in iudicio et alibi
fuerit exhibitus vel extensus et eidem stetur firmiter
in omnibus sieud eisdem originalibus litteris staretur
in omnibus, si forent exhibite et ostense. Datum
Avennione non. Dee. p. anno secundo.
Post quarum quidem litterarum receptionem Nos
demum ex imposito nobis J. h. p. officio cupientes
opiniones erroneas in quantum possumus retundere et
sacre fidei iacere fundamentum, presentes litteras apo-
stolicas huiusmodi articulos damnnatos et per sanctam
sedem apostolicam reprobatos et contenta in eisdem
in se continentes coram nonnullis ecelesiarum et capel-
larum reetoribus per civitatem et dyoecesim et pro-
vincias predictas constitutis propter hoc et communiter
convocatis solempniter publicavimus iuxta traditam a
sede apostolica predietam nobis formam. Et licet publi-
catio litterarum predictarum sic per nos facta pro-
cesserit publica, notaria et manifesta, nonnulli tamen
ecclesiarum ipsarum rectores articulos predictos sic
dampnatos et reprobatos et contenta in eisdem subdi-
torum suorum auribus inculcare et mentibus eorundem
imprimere minime satagunt cum effectu. Quapropter
vobis universis et singulis presentium tenore precipi-
mus et mandamus, «quatinus in ecclesiis vestris ac alias,
ubi ad hoc fuerit accedendum, coram fideli populo
ibidem ad divina congregato presentes articulos et con-
tenta in eisdem ipsorum auribus fideliter inculcetis et
diligenter exponatis, ne ipsorum articulorum sie damp-
natorum ignorantia in perniciem vergere valeat anima-
rum. Cum ovium vestrarum sanguis de pastorum ma-
nibus in die iudicii requiratur et ut huiusmodi articu-
lorum reprobatio et dampnatio vobis et vestrum cui-
libet lucidius appareat cum effectu, presens privilegium
seu institutum publicum per discretum virum N. no-
156
tarium publicum scribam ex ipsius declarationis ori-
ginali forma transsumi fecimus, nostri etiam officii
sigilli appensione communitum, exhibitum, actum., trans-
sumptum et datum sub anno domini 'millesimo qua-
dringentesimo N. mensis N. die N. hora N. ipsius diei
vel quasi pontificatus sanctissimi in Christo patris et
domini nostri N. anno tali in tali toco N. presentibus
ibidem viris discretis et honestis N. N. N. talis dyoe-
cesis testibus ad premissa vocatis et rogatis.
VL
Iſt Dietrich von Nieheim der Verfaſſer der drei
jogenannten Conſtanzer Tractate?
Quellenkritiih unterfucht
von
Dr. A. Frih.
— — — — —
Die drei von v. d. Hardt in ſein großes Sammelwerk:
Magnum oecumenicum Constantiense concilium Frauk—
furt 1697 ff. aufgenommenen Tractate: Monita de necessi-
tate reformationis, De modis uniendi ac reformandi ec-
clesiam und De difficultate reformationis in concilio uni-
versali, welde man in früherer Zeit, und zwar die erjte
und dritte dem Pierre d'Ailli, die zweite Johannes Gerjon
zugeſchrieben hatte, erklärte LXenz, nadıdem der Glaube an
die Autorjchaft jener Männer ftarf erjchüttert worden war,
in jeiner Schrift: „Drei Tractate aus dem Schriftencyklus
des Konitanzer Konzils. Marburg 1876 für Merfe des
weiträliihen Curialen Dietrihs von Nieheim und fand mit
feinen Ausführungen alljeitige Anerkennung. Die Entdedung
einer neuen Handſchrift des Tractates: de necessitate, welche
Finke in der Batilaniichen Bibliothek machte, ſchien in Bezug
auf legtere Schrift jedem Zweijel ein Ende zu machen; denn
im Anfang und am Schluſſe des höchſtens „18 Jahre nad
Abfaffung des Traktates“ gejchriebenen Goder wird Dietrich
als Berfajjer bezeichnet.) Neuerdings hat aber Erler in
jeinem erihöpfenden und fleißigen Werke: „Dietrich von Nie:
beim. Sein Zeben und jeine Schriften. Xeipzig 1887 jene
’) Finte, Hiftoriiches Jahrbuch 1887, VIII, 284.
158
Tractate unferm Autor abgeiproden. cf. p. 468 fi. und
485 ff. Da nun Lenz in der Anzeige meiner Schrift!)
(Deutſche Litteraturztg. 1888 Nr. 15 p. 562) auf die Ber
nußung derjelben Quellen in jenen Traktaten und in den
unzweifelhaft echten Werfen Dietrich zur Stütze jeiner Auf:
faſſung binmweift, jo jcheint es zeitgemäß zu unterfuchen, in
wie weit die den angezweifelten Schriften eingeitreuten hiſto—
riihen Notizen, welche jih auf das frühere Viittelalter be—
ziehen, zur Löſung der Streitfroge beitragen können. Ein
Bergleich derjelben mit den Erzählungen in Dietrichs Werfen:
Nemus unionis, De Schismate?), Privilegia aut iura
imperü®), Vita Iohannis XXIII), ergibt eine unläugbare
Berwandtichaft.
Auf die frappante Ähnlichkeit der Berichte über den
Conflict Dttos I. mit Bapft Johann XII. in de modis
p.99 f. und de necessitate p. 300 einerjeit3 und Nemus
unionis p. 479 f., de schismate p. 157 f. Privilegia p.
823 f. andererfeits hat jchon Lenz hingemwiejen und in Ver:
gleihungstabellen deutlich gemabht p. 13—16, 57—60,
Troß verichiedener Abweichungen berricht häufig eine wört:
liche Übereinftimmung. Bergl. Zur Quellenkritik p. 12 ff.
Auch Erler gibt die Verwandticdaft zu p. 468 und 484.
Ferner läßt Erler p. 467 die Übereinftimmung gelten zwiſchen
de necessitate p. 292, wo der erite Kreuszug und das ber:
) Fritz, Zur Quellentritit der Schriften Dietrihs von Niem. Pader—
born 1886.
2) Beide herausgegeben Strakburg 1609.
) bei Schard, de inrisdietione imperii. Baſel 1566.
*%) hei Meibom, Scriptores I. Helmftadt 1688,
5) Item expediret, prout factum fuit in Claro monte in Alvernia
tempore Urbani papae Il sub Henrico V imperatore huius no-
minis, tunc etiam schismate in ecelesia Romana satis magno et
enormi vigente, quod indiceretur generale passagium pro libera-
tione terrestri e manibus Saracenorum . . . ..
159
und Vita Johannis p. 41. Auf der folgenden Seite kommt
ber Verfajjer von de necessitate wiederum auf jene Zeit
zurüd, und dieje Stelle findet jich beinahe wörtlich Privilegia
825 wieder!):
De necess. 293. Privil. 825.
- .... gloriosae memoriae .... ab eadem matrona
comitissa Mathildi, quae tot nobilissima, quae ...magna
bona temporalia tunc ipsi donaria ad altare, in quo
obtulit beato Petro Apo- sanctorum Petri et P. apost.
stolo in basilica sua urbis corpora requiescunt, eidem
ad maius altare. beato Petro apostolo obtulit.
De modis p. 116 werden unter den Kreuzzügen nur bie
von den bei Dietrich fo verherrlichten Staufen unternommenen
hervorgehoben. Es heißt hier: Ad liberationem regni
Hierosolymitani e manibus infidelium libenter potissi-
mum temporibus Conradi III, Frideriei I, Henrici VI
eius filii, dieti Frideriei II Augustorum et regum Siciliae
atque ducum Sueviae undique reges, principes et do-
mini seculares, episcopi, sacerdotes ac cleriei contra
Sarracenos infideles et paganos non absque gravissimis
eorporum et rerum suarum periculis concurrerunt, fulti
subsidiis multarum indulgentiarum, aceincti armis bel-
licis diversorum armorum.
Dieje Kreuzzüge werden geſchildert in den Privilegia, und
zwar derjenige Konrads III. p. 844, Friedrichs I. p. 846 ff.,
Heinrichs VI. p. 850, Friedrichs II. p. 796, 839 f.,850. Eben
dieje Kreuzzüge der Staufen werden auch grade hervorgehoben
nemus unionis p. 490 f. Auf die Konftantiniihen Schen—
fungen an die Kirche weit der Verfaſſer von de modis p.
124 bin, ebenfo Dietrih Privil. p. 834. Auf Konftantin
fommt Dietrid auch Privil. p. 799 zu jprechen, auf die
Lanze, welde aus dem Beſitz des Nömers in den Ottos 1.
) Bergl. Zur Quellenkritik p. 66.
160
gefommen fei, Privil. p. 815 und nemus p. 481. Ferner
findet jih de modis p. 137 f. eine Stelle über Bapft Gre-
gor den Großen, welche unzweifelhaft aus einer vita itammt;
denn ihre Angaben jind joldhe, wie wir fie in den Heiligen
leben zu leſen gewohnt find. Zur beileren Enſicht ſei jie
wörtlich angeführt: Ipse Gregorius sanctus et magnus
crat vere servus servorum. ÖOmni die pauperes. et fa-
melicos refieiebat, nomina pauperum totius provinciae
in sceriptis habebat et opera Christi indesinenter agebat,
beneficia Christi virtuosis conferebat et re pauper erat,
evangelia etiam Christi clero et populo exponebat, libros
plurimos pro corroboratione et augmento catholicae fidei
sedulo conscribebat, sanctos episcopos ad magnam Bri-
tanniam, quae nune vocatur Anglia, et alia diversa
loca mundi pro ceonversione infidelium dirigebat, impe-
ratores sui temporis reverebatur et honorabat et sua
oratione ad dominum populum Romanum a peste in-
guinaria liberabat et alia multa pia opera usque ad
ejus vitae terminum exercebat. Hic exemplo praecog-
noscens, se receptum iri in papam fugit et in latibulo
stetit per triennium, antequam divinitus, quod ibi lateret,
populus cognoscebat. Und Privilegia 806 und 808 wird
nicht nur die Belehrung Britannien unter Gregor berichtet,
jondern 808 auch eine historia Gregorii in der That als
Quelle angeführt. Ein Brief Gregors an Constantia regina
Galliae findet fi nemus unionis p. 466.1) Auf die Sy:
node von Sutri jpielt der Verfailer von de modis p. 106
an: Qui occasionem damni dat et damnum dedisse vi-
detur, est quam cito eapiendus et ab ecclesia ut turpis
eius pars ejieiendus . . . . sieut fuit factum tempore
1) Mach einer von Herrn Dr. inte mir freundlichſt zur Verfügung ae:
jtellten Abſchrift jteht in einer Note des cod, Palatinus (ſol. 56) von
de necessitate eine längere Stelle aus einer Homilie dieſes Papſtes.
161
Clementis II per Henriecum IT!) imperatorem. Und
etwas weiter: Ut factum fuit de tribus se pro papa
gerentibus abjectis tempore Henriei II] imperatoris Ro-
mani et ejus mandato seu praecepto. Dasielbe Beiipiel
gebraudit Dietrich im zweiten Fragment der Chronik p. 5992):
Imperante gloriose memorie Henrvico tertio .... . contigit
(sratianum (Gregor VI.) papam cesaris imperio congre-
gata synodo tune in urbe Romana propter labem simonie
a sede predicta repelli et alium sibi summum pontificem
surrogari. Sodann hat der Berfaffer von de necessitate
die Briefe Friedrichs TI. benugt, wie ſich aus der nach Finke's
Anſichtꝰ) von demfelben VBerfaffer, nämlich Dietrich, gejchrie:
) wohl III., wie ji aus der Anführung Clemens IT. und dem Folgenden
ergibt. Es ift merkwürdig, daß auch Dietrich mit der Zählung der
Heinriche jid) irrt, wie er Privil. 833 Heinrich V. angibt jtatt Hein-
rich IV. Ebenfo de necessitate p. 292. Bergl. Erler p. 467. Ge
hören diefe Fehler der Überlieferung an oder find fie Flüchtigkeiten
Dietrihs? Eine Bergleihung der Handichriften dürfte ſchon Klarheit
verichaften. Eigentümlich ift de modis p. 101, nachdem vorher die
Nothwendigfeit betont ift, dat der römiſche Kailer das Schisina bei-
lene, folgende Stelle: Ut etiam factum fuit tempore sancti Hen-
riei II et aliorum multorum imperatorum, qui in disturbio ec-
elesiae, non p’rcentes etiam quamquam vero papae propter pub-
licam utilitatem,unionem ecelesiae procurarunt. Auf Heinrich II. paßt
unmöglich jenes non parcentes quamquam vero papae propt. publ,
utilit., denm von dem Öegenpapit Gregor, den er nidyt anerkannte,
löst ſich nicht behaupten, daß er verus papa war. ef. Hirſch, Hein:
rid IT. Berlin 1862 ff., 2ter Band p. 390 f., 419. Dagegen ließe
fich dies mit größerem Recht von Gregor VI. 3. Zeit Heinrichs IL.
gegenüber jeinen Gegnern Benedict IX. und Eilveiter behaupten, auf
welche Zeit auch das propter publicam utilitatem paht. Hier aber
Heinriei III ftatt H. II zu leſen, wird erfchwert durch den Zujaß sancti.
2) Fünf Fragmente aus der Chronik des Dietrich von Nieheim, heraus-
gegeben von Sauerland in Mittheilungen det Inftituts für öfterr.
Beſchichtsforſchung Bd. VI, Seit 4.
Forſchungen zur weitfäliichen Geſchichte p. 138 in Zeitjchr. f. Geſch.
u. Altertumst. Weſtfalens, 45. Bd.
— 1l
—
162
benen Nota im Palatinus !) ergibt. Daß aber Dietrich
bejonder® für die Privilegia eine reichhaltige Brief—
jammlung diejes Kaijers, von ihm Registrum Friderici 11
genannt, als Quelle gedient hat, habe ich nachgewielen Zur
Quellenkritik p. 54 ff. Das find alle hiltorijchen, das frühere
Mittelalter betreffenden Notizen 2), die ſich in den drei Trac-
taten finden, und nicht etwa einzeln hervorgehobene. Daher
läßt es ſich natürlich nicht erwarten, daß aus allen gleich
deutlich die Verwandtichaft mit Dietrich! Berichten hervor:
gebt. Ja die eine oder andere würde an fich betrachtet nichts
Auffallendes haben. Beachten wir aber die Geſammtheit diejer
biltoriichen Beilpiele, jo fehen wir mit Erftaunen, dap fein
einziges vorkommt, welches nicht auch in Dietrichs unzweifel:
haft echten Werfen verwendet wäre oder aus einer Quelle
ftanımte, deren Benugung nicht auch bei Dietrich ſich nach:
weijen ließe. Nicht jelten iſt jachliche, ja ſogar wörtliche
Übereinftimmung. Wie follen wir uns dies erklären? Zwei
Möglichkeiten jcheinen mir nur bier in Betracht zu fommen.
Entweder hat derjelbe Autor diejelben Quellen für feine
verschiedenen Werfe benutzt d. b. Dietrich iſt der Verfaſſer
der Iractate oder aber ein Zweiter, der Verfaſſer der Trac:
tate, hat Dietrichs Werke zur Vorlage gehabt.?) Yeßtere
Möglichkeit nimmt Erler an, allerdings nur für die eriten
der angegebenen Fälle, die er beachtet hat. Vergl. p. 471
') Jetzt gedrudt p. 267 f. bei Finke, Forſchungen und Quellen zur
Sejchichte des Konſtanzer Konzils. Paderborn 1888,
2) Die aus der alten, befonders bibliichen Geſchichte habe ich nicht be:
rücfichtiat, weil fie zu mangelhafte Kriterien bieten würden.
9) Daß der Derfaifer der Iractate zufällig diefelben Quellen benußt und
diejelben bittoriichen Nachrichten hervorgehoben hätte, wie Dietrich,
oder daß Dderjelbe neben Dietrichs Werten nody andere Quellen, und
zwar zufällig dieſelben wie Dietrich gehabt hätte, find die letzten Mög-
lichteiten, zu denen man jeine Zuflucht nehmen könnte. Cine Be:
nutzung der Iractate durch Dietrich ift jogar unmöglid).
163
— —— u
und 489. Für de modis und de diffieultate wäre benugt
nemus und de schismate, für de necessitate außer jenen
Werfen noch Privilegia. Sehen wir nun zu, ob Erlers
Hypotheſe uns die Verwandtichaft in jedem der einzelnen
Fälle erklärt.
In de necessitate fann die Ähnlichkeit der kurzen Er:
zählung von Otto I. und Johann XII. (p. 300) mit den
Berihten Dietrihs wohl durch Annahme einer Benugung von
nemus unionis, de schismate, Privilegia erflärt werben,
ebenjo die Berwandtichaft der Berichte über den erjten Kreuz
zug und das derzeitige Schisma (de necess. p. 292 f.) durd)
Benusung von Privil. p. 824 f. und 833 f.!) Die kurzen
Kotizen enthalten nämlich feine Angabe mehr, als die um—
fangreihen Berichte der Privil. u. j. w. Nehmen wir für
die Erzählung des Conflictes Ottos I. mit den Päpſten in
de modis p. 99 die Vorlage von nemus und de schismate
an, jo verjtehen wir zwar nicht recht, wie der Benutzer, wenn
auch nemus umd de schismate Xeo VIII. als Gegner Be-
nedikts nicht erwähnen, ihn vorher ſterben läßt (quo defuncto).
Im Übrigen enthält der furze Bericht nichts mehr, als ne-
mus p. 479 f. und de schismate p. 157 f. Was bie
Kreuzzüge der Staufen betrifft, jo Eönnte für de modis p.
116 vorgelegen haben nemus p. 490 f., wenn auch der in
de modis genannte Heinrih VI. in nemus nidt erwähnt
wird.?) Die Konſtantiniſchen Schenfungen werden de modis
p. 124 und Privil. p. 834 hervorgehoben, dagegen nicht
in den vor de modis verfaßten Werfen nemus und de
1) Zelbit die Berwandbtichaft der oben angeführten Berichte über die
Scentungen der Martaräfin Mathilde könnte, wenn auch die An—
nahe feine Wahricheinlichteit für fich hat, daher kommen, dat der
Verfaſſer von de necessitate die Privilegia benußte nnd befannt mit
der Ortlichkeit ftatt des altare in quo sanctorum Petri et P. apost.
corpora requiesceunt jchrieb: ad maius altare,
2) wahrjcheinlich, weil er nicht jelbit zu Felde zog.
11*
164
schismate. Hier wäre alfo die Vorlage diefer Werke un:
möglid. Doch da dieſe Schenkungen für jene Zeit ein ge—
läufiges Thema gemwejen jein mögen, und die Annahme einer
gleihen Duelle nicht nothwendig erjcheint, jo wollen wir
darauf weiter fein Gewicht legen. Für die de modis p.
137 f. gebrachten Nachrichten über Gregor den Großen, die
offenbar auf eine vita!) zurüdgehen, wie auch Privil. 808
eine ſolche als Quelle angeführt wird, können dagegen nemus
und de schismate unmöglid als Quelle gedient haben, weil
außer dem Briefe (nem. p. 466) fi feine Angabe über
Gregor in ihnen findet. Augenjcheinlich kann auch der Ver—
faffer von de modis nicht das Beijpiel von der Synode
zu Sutri aus Dietrichs Chronik genommen haben; denn
diejelbe Sache wird in beiden Schriften auf eine allzu ver:
ihiedene Weile als Beiipiel erzählt. In Privilegia wie in
de necessitate jehen wir jchließlih eine Briefjammlung
Friedrichs II. benußt, aber wir fünnen nicht behaupten, daß
die Privilegia in dieſem Falle dem Verfaffer der Schrift
de necessitate als Quelle gedient hätten. Auch fei noch
hervorgehoben ?), daß de modis p. 103 eine Stelle aus des
Gervasius: Otia imperatorum citirt wird, und daß Dietrich
dies Werf ebenfalls befannt war (cf. de schism. p. 97).
Dietrih (nemus 463) kennt ein Werft Gesta Romanorum
pontificum et imperatorum, ebenfalls der Berfaffer von
de modis (p. 118 u. 120). a lepterer weiß jogar die
Anzahl der in demjelben behandelten Schismata. Wie kann
’) Bergl. Zur Quellenkritik p. 54. Eine Benutzung einer der mir be—
fannt gewordenen drei vitae dieſes Papſtes (Canisius, Lect. Antiq.
VI ©. 461; Mabillon, A.S. saec. I ©. 386 u. 398) anzunehmen,
tonnte ich «mich deshalb nicht entichliehen, weil ich die Privil. 808
anjcheinend wörtlich angeführte Stelle: Videns Romae vir beatus
u. | w. nicht im ihnen wiederfand. Im Übrigen bringen diejelben
ungefähr die gleichen Angaben, wie auch Dietrich).
®) Bergl. Lenz p. 60 u. 76,
165
er aus dem einen Werke ein Citat anführen und den In—
halt de3 anderen jo genau fennen, wenn er diefelben nicht
telbit in der Hand Hatte? Auch in den beiden legten
Fällen wäre aljo eine Benubung der unzweifelhaft echten
Schriften Dietrihd nicht denkbar. Wir jehen aljo, mit
Erler Hypotheie, weldhe er bei den von ihm beachteten
Fällen immerhin anwenden fonnte, kommen wir nicht weiter.
Meiſtens und jelbit da, wo die Benußung von nemus,
de schismate, Privilegia nicht geradezu unmöglich ericheint,
ftogen wir auf Schwierigfeiten. Ganz einfach, und in allen
Fällen erklärt jich die Verwandtichaft der in jenen Tractaten
und Dietrihs Werken benugten Quellen, wenn wir die ans
dere Möglichkeit annehmen, dab Dietrich aud jene Tractate
aeichrieben hat.
Ferner muß Erlers Annahme jehr an Glaubwürdigfeit
verlieren, wenn man die Abfafjungszeit der einzelnen Schriften
in Betracht zieht. Für die im Auguſt 1410 geichriebene
Schrift: De modis (cf. Erler, p. 482) ſoll de schismate
Quelle fein, an weldem Wert Dietrih am 25. Mai 1410
noch die legten Kapitel jchrieb (cf. Erler p. 319), für de
necessitate im September oder October 1414 verfaßt (cf.
Erler p. 463) die Privilegia, abgejchlojjen vor dem 6. Au:
guſt 1414 (cf. Erler p. 358). Selbit in unjerem Zeit:
alter it das feine gewöhnliche Erjcheinung, um wie viel
weniger im Anfang des 15. Nahrhunderts, und nicht ein:
mal joll dies geichehen fein, jondern in zwei Källen. Nun
ließe fih ja einwenden, daß nach Erler Annahme, p.
358 ff. der eigentliche Text der Privilegia in viel frü-
berer Zeit liegt, aljo dem Berfaffer von de necessitate
die Privilegia ohne die Scholien als Quelle gedient haben
fönnten. Dies macht für unſeren Zweck nidts aus.
Denn die Notiz von der Verfammlung zu Glermont (de
necess. p. 292) findet ſich nicht im Tert der Privil. p. 824
166
wieder, jondern in dem Scholion p. 834. Tem Verfaſſer
von de necess. müßten aljo jedenfalls die Privil. in dem
Umfang, wie fie ihn 1414 erhielten, vorgelegen haben, falls
fie jeine Duelle geweien wären. Nicht alio in den Privil.
möchte ich die Quelle diejes Berichtes von de necess. 292
erbliden, fondern im Fulcherius Carnotensis, dem aud)
Privil. 824 f. und 833 f. entnommen find. cf. Zur Quellen:
kritik p. 59 ff. Indem ich mich jo auf die quellenkritiiche
Unterfuhung der Tractate bejehränte und die nochmalige
Prüfung der religiögspolitiichen Ideen in Ddenielben, ſowie
die Kritif der Gegengründe Erlers, welche aemäß der Anzeige
in der deutichen Litteraturzeitung nicht lange auf ich warten
laffen wird, dem angegriffenen Theile überlaſſe, möchte ich
zum Scluffe bemerken, daß die Unwahricheinlichkeit einer
Benutzung der Nieheimſchen hiſtoriſchen Beiſpiele ſeitens eines
anderen Verfaſſers der Tractate uns allein die Gewähr der
Autorſchaft Dietrichs natürlich nicht geben kann, wohl aber
in Verbindung mit den anderen Indicien, die auf Dietrich
hinweiſen. Daß die drei Tractate einen Verfaſſer haben, ſtellt
auch Erler nicht ganz in Abrede.!) Aus dieſen erſehen wir aber,
daß ihr Berfaffer ein Deuticher, ein päpftlicher Kanzleibeamter
war und der Obedienz Johanns XXI. angehörte. (cf. Erler
P. 463 f., 489.) In den Tractaten ſowie in Dietrich echten
Schriften finden wir viele verwandte Anſchauungen, dielelben
Redensarten, endlich diejelben hiſtoriſchen Quellen. Und 18
Sahre nad der Abfaſſung wird der eine für ein Werk un:
jeres Wejftfalen gehalten. Mögen noch manche Deutjche ich
1) Mas ihm p. 481 für eine Benußung der Schrift de necessitate
in de modis, aljo für zwei Verfaſſer zu ſprechen Icheint, beruht,
worauf Finke zuerit aufmerfiam wurde, auf einen Irrthum
hinsichtlich der Abfaffungszeit der Schriften. De necessitate iſt nad)
de modis verfaßt, fann alſo nicht Quelle gewejen fein.
167
an der Kurie befunden, noch andere als Dietrich, die Kaiſeridee
verfochten, wieder andere Dietrihs Schriften gekannt, ja
geben wir auch zu, benußt haben, es wird jchwer halten,
einen Zweiten zu finden, auf den jene Indicien alle zufammen
jo paſſen, wie auf Dietrich. Und jo lange diejer Zweite uns
nicht genannt wird, werden wir wohl thuen, an der Autor:
Ihaft Dietrichs feſtzuhalten.
vi.
Zur älteren gefchichtlichen Überlieferung
des Kloſters Cappenberg.
Dr. Th. Ilgen.
Unter Akten des Kloſters Cappenberg im Staatsarchive zu
Münſter hat ſich neuerdings eine Handſchrift aus der erſten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, 4 Blätter Papier in Folio,
gefunden, welde auf der Rückſeite des lebten nur teilweiſe
auf einer Seite bejchriebenen Blattes die Aufichrift trägt:
„Origo monasterii Cappenbergensis.*“ Daß Diele Grüns
dungsgeihichte des Kloſters in ihren Hauptbejtandteilen mit
der in den Mon. Germ. Hist. SS. XII 513—530 aus der
Sammlung der Acta Sanctorum Januar I. 834 ff. abge—
drudten Vita I. Gottfrieds von Cappenberg übereinjtimmte,
ergab fich auf den eriten Blid; nur im Eingang derſelben
findet jich eine Stelle, welche mit der zweiten Lebensbeſchrei—
bung (Acta SS. San. I. 857f.), Kapitel 2, in ein paar
Worten gleichlautet. Diejer Origo unterjcheidet jich aber
von der Vital. jehr weientlid. Einmal haben die Wunder:
geichichten und die Beilpiele des frommen Yebenswandels
Sottfrieds darin Feine Aufnahme gefunden, dann aber it
die inhaltliche Anordnung eine bei weiten jachgemäßere und
forreltere. Daneben enthält die Gründungsgeſchichte noch
einige felbjtändige Nadhrichten, die wenn ſie aleih an ich
nit von bejonderer Bedeutung ind, — immerbin lernen
wir den Baumeijter der Kirche, freilich nur dem Namen nad,
aus ihr kennen — dod im Zuſammenhang mit unjerer
anderweitigen Überlieferung über die ältere Cappenberger
Geihichtsichreibung neues Licht zu verbreiten im Stande
169
fein dürften. An einzelnen Stellen ift auch der Drud der
Vita I. danach zu verbefjern, für den jedoch eine Collatio-
nirung mit der von Falk in den Forſchungen zur deutichen
Geſchichte 14, 615 ff. beichriebenen Handidhrift des 13. Jahr:
hunderts das notwendigite Erfordernis wäre. !)
Wir geben nun zunächſt den Tert unferer Gründungs:
geihichte und zwar in der Weile, daß wir die Abweichungen
unferer Handichrift von der Vita der Einfachheit halber im
Druck durch curfive Lettern hervorheben. Dffenkundige Feb:
ler und Berjehen des Schreibers jind verbeflert, die falſche
Lesart ift in die Noten verwiejen worden; notwendige Er:
gänzungen aus der Vita wurden ſofort in den Tert aufge:
nommen und dur Klanımern kenntlich gemacht. Überall
die Kürzungen unferer Handſchrift anzugeben, hielten wir
deshalb nicht für notwendig, weil man ſich darüber an der
Hand der von und an den Rand gedrudten jpeziellen Hin:
weile auf die Ausgabe der Monumenta leicht informieren
fann. Mit Rückſicht auf diefe fonnte auch von der Beigabe
jadhlicher Erläuterungen Abjtand genommen werden. Außer:
dem verweilen wir auf Geisberg, Das Leben des Grafen
Gottfried von Gappenberg und jeine Klofteritiftung (dieſe
Zeitirift 12, 309— 374), ferner auf Hüſing, Der hl. Gott:
tried, Graf von Gappenberg, Münſter 1882. Über den Bau
der Kirche handelt Savels in der Zeitjchrift für Baumejen
1870. Jahrg. XX. ©. 67—70.
Origo Monasterii Cappenbergensis.?)
Ea tempestate Cappenbergense monasterium ex castro
ejus loci comitis fundatum est. Kst enim in provincia
?) Der verit. Diefamp bat zum Zwecke der Herftellung einer neuen Aus:
gabe der Vita die Handjchrift bereits abgejchrieben. Herr Dr. Finke war
jo liebenswürdig, mir von diejer Abſchrift Kenntniß zu geben,
2) Staatearhiv Müniter Msc. VI 76.
Vita II.
170
Westphaliae oppidum Gappenbergh dietum a situs qua-
cap2.') Jitate sie nuncupatum, mons Syon, id est speculationis,
528,503) quod „Kapen‘“ lingua Saronica proprie sonat. De hujus
515,14.
529,7.
antiquis possessoribus, qui de Magni Caroli «ce Wide-
kindi regis progenie per Iınezam, (quae) *) Xantis quiescil,
(quam, ut ajunt, sororis suae fillam Garolus tanquam
pacis obsidem Widekindi”) filio dedit uxorem) descen-
disse traduntur, quorum usque ad Henrici IV. Roma-
norum regis [tempus] °) excellens clarvit magnanimitas,
unum 4:c 9) Hermannum comitem una cum devotissima
ejus conjuge Gerberga de Huneburgh Dei cultorem prae-
cipuum pro gratiae Christi commendatione praeterire
silentio non debemus.
Itaque temporibus gloriosi Henrici, qui hujus no-
minis quartus Romanum administravit imperium, fuit
in Westphalia electus ac dilectus Dei Godfridus comes,
qui nobilissimis ac regiae stirpis ortus parentibus in
timore Domini comitatus agebat officium. Pater ejus
Godfridus, mater ejus Beatrix dieebatur. Avum Her-
mannum comitem habebat, eleemosynarium praecipuum,
misericordiae operibus intentum, a tumultu militaris inso-
lentiae quietissimum, miraculis etiam in vita elarum. Is(l)
dum tres jilios haeredes ex conjuge accepisset, duos fraude
necari contingit, tertio reservato comite, Veltericus enim
quidam potens et nobilis, cum eisdem filiis, dominis
suis, fidele jurasset homagium, cepit denuo illis nil *)
!) Vita Il, Acta Sanctorum Januar I 857.
?) Mon. Gierm. SS. XII.
a) Vinclam; quae fehlt. — b) Widekindo,
c) Diefes oder ein ähnliches Wort ift notwendig zu ergänzen.
A) Die Handichrift hat hinter magnanimitas einen Puntt und beginnt
den neuen Satz mit „Unde“. Dann aber fehlt für den eriteren der
Nachjak und aud das „Unde hii* giebt feinen Sinn. — e) vel.
171
minus opinantibus, clandestinis machinationibus ad-
versari, quaerens, quibus eos dolis extingueret, quorum
dominio integram fidelitatem et ore firmaverat et be-
neficio obligatus debebat. Dispositis tandem insidiarum
latibulis, eos ®) velut ipsius causae in Lunensi plaeito ®)
suffragaturos humiliter, imo fraudulenter vocavit. Sed
nutu divino tertius, qui et junior erat, pridie pedem
sauclatus, proficisci nullatenus assensus est. Quid
multa? Veniunt ad fraudis opertum et in medio ne-
moris, quod hactenus « caede ipsa trahit vocabulum
(revenloe, prosilientibus hine inde militibus bini cum
duobus fidelissimis (famulis) interempti sunt, pro quo
scelere non longe post homicida perfidus capite trun-
catus et sursum versis pedibus ignominiosissime sus-
pensus est. Solus Godefridus, hoc enim nomen erat
superstetis, domi ut diximus residens, evasit.
Hujus igitur Godefridi jilius Hermanni tanti, «et
praedi,rimus, viri nepos, Godfridus ab ipsis adolescentiae
primordiis caepit Deo devotus existere et seintillante
in se flamma inspirationis divinae omni saeculari dig-
nitati universaeque suae facultati satagebat renunciare.
Igitur dum habitaret in castro, quod Gappenbergh di-
eitur, loco nimirum spectabili situque ipso admodum
salubri ac delectabili eundem locum visionibus fidelissimis
praehabitis «ivino mancipandum servitio secum statuit.
Presbyter enim quidam Wiemannus nomine in visu
noctis aspexit quasi columnam auream in Gappenbergh
exurgere atque ipsam caeli vestigia penetrare. Quo
visu divinae laudationis elaritudinem illie ©) exercen-
dam prudenter intellexit et obstuntihus, quwid futurum
erat, verissime div ante praenunciavit. Unus praeterea
ex amicis faelicissimi comitis, Egbertus nomine, cum
a) ejus. — b) palatio. — «) illis.
515,43.
516,1,
516, 15.
516, 24.
172
— —
esset in itinere proficiscens ad comitem noctu venit,
vidit Cappenbergh urbem fore nive candidiorem, quae
usque ad alta nubium sublimiter conscendens ipsius
caeli cacumen vertice pulsare videbatur. Gerbergis
insuper, patrui ejus filia, Monasteriensis caenobii abba-
tissa, multa religione venerabilis cum beatum virum
unice diligeret, et tam pro ipso quam pro subditis
orationum indefesso excubaret pervigilio, quodam tem-
pore somno parumper arrepto, vidit sibi assistere Ju-
venem, vultu sydereo ®) praenitentem et verba haec
saepius in auribus ejus reiterantem: „Locus Cappen-
bergensis habitationis quam idoneus /werit conventui
spiritualis congregationis.“ Quod illa jucundissime
audiens, ?) jam enim diu id ipsum conceperat, (cum)
beato viro retulisset, ille prudenter atque humiliter in
hunc modum respondit nepti dilectissimae: „Potens est
Dominus Deus hoc pro suo velle ordinare, nam ego
per me nequaquam lud sufficio adimplere“; prout et
Factum est.
In!) ipso enim ferme tempore apparuit in West-
phalia eximium quoddam jubar ecclesiae memorabilis
Christi praeco Norbertus, vir gratiae admirabilis dwl-
cis eloquio, summae continentiae informator ac pro-
pugnator religionis canonicae, servorum Christi aggre-
gator caenobiorum non paucorum fundator, tam habitu
quam voce strenuus. (us cum circumquaque fla-
graret opinio vir Domini Godfridus cum germano suo
Öttone sitienter praeconem salutis adiit, verbum exhor-
tationis devote accepit. Actumque est Deo miserante,
ut etiam praefatus Otto sensim saeculum calcare inci-
peret, idemque sanctitatis propositum, quod in fratre
eminebat, arriperet, adeo ut uterque paulo post mutato
— — ——— — — —
a) siderio. — b) audierit,
173
habitu saeculari tonsuram religionis cum habitu sacrae
professionis assumpsit (!): Uterque sub regula S. P. Au-
gustini ac sub obedientia patris Norberti Domino mili-
tare devovit. Uxorem ergo suam, Friderici de Arnsberge
comitis fillam, sacrum sumere velamen erhortationibus
piis effecit. Et quid major natu cum unanimi consensu
fratris Ottonis castrum Cappenbergh et omnia sua Deo
fideliter offerens in die S. Petronillae virginis usibus
ea pauperum Christi dilegavit, tria videlicet extruens
caenobia, hoc est in Cappenbergh, Varler et Elophstadt,
quae singula praediis suis locupletans gloriose eadem sub
beati patris Norberti ordinavit providentia; placuitguwe
ut in praefatis caenobis fratres commorantes ®) regu-
lam beati profiterentur Augustini, eo quidem tenore,
ut regulam tandem aliquanto distrietius, quam hactenus
usitatum fuerat, observarent, esu scilicet adipis et car-
nium abstinendo, austeriori quoque habitu paenitentiae
rigorem exhibendo.
Eo itaque loco ®) ab Erico(), fundante Godfrido, con-
structa surgit ecclesia instar crucis erecta, cujus apicem
obtinet cum Joanne apostolo virgo semper Maria, ab utro-
que latere cum Augustino praesidet Joannes Baptista, de-
inceps quoque victoriosissimae crucis ac reliquorum Sanc-
torum visuntur miracula, °)
Dominicae igitur incarnationis anno M. C, diligenti
supputatione perspecta vigint duo anni subjecti sunt, in-
dietione XV quando primum in hoc loco servi Dei aggre-
gart coeperunt. In die vero assumptionis B. Mariae
virginis us loci ambitus ab antistite loci consecratus
est. Swis itaque Deo sacratis ministeriales etiam cen-
tum et quinque praeter alias donationes gloriosas cum
sufficientissimis possessivonibus Monasteriensi donavit
a) commemorantes. — b) loei. — c) oracula.
619, 30.
519, 42.
519, 23.
518, 26.
524,29.
518, 30.
—
ecclesiae praeter eos, quos 9) écclesiae Coloniensi aliis-
que locis, ut ipsi oravere, contradidit, (Quam ob rem
nonnulli insensati de ministerialibus et servis etiam
infimis multis illum pulsavere convitiis dicentes, eum
amentem factum, similiter falsarium impostorem illum
Norbertum, tam sublimem hujus mundi gloriam deserere
seque desolatos et acephalos relinquere. (Quibus ille:
„Si diligeretis“, inquit, „me. gauderetis utique, quia
ad Deum meum tendo, quia naufragium hujus saeculi
praeterire desidero, quia ereatori meo proximari con-
cupisco, Marine autem Friderieus comes sacris eyus co-
natibus adversabatur,. (uw cum veligiositas sancti viri
innotuit, avaritiae facibus accensus infremuit, fallaciae
commenta exquisivit dieens, filiam suam arte eircum-
venitam, haereditalis quoque debitae portionem frau-
dulenta seductione sublatam. Possessionibus enim
comitis occasione filiae suae inhiabat, instabat, exerci-
tum adversus conuitem dxcebat, cerebro placitabat, im-
pielate pro pietalte ") utebatur diversisque virum Dei
afficiebat injuriis multis vexabat conlumeliis, cum ta-
men ille expeditissimam de omnibus redderet ratio-
nem et impudentem ejus vesaniam, prout dignum erat,
confidenter argueret.
Gondicta igitur die in multitudinis magnae fre-
quentia, collatis multis hine inde sermonibus demum
vir Dei innocentiae puritate conspicuus atque liberri-
mus hujusmodi fulminea ©) spiritus sancti jacula in
illum contorsit: „Eia, inquit, miser homo, quid tanto-
pere insanis el caducis rebus exaestuas? quid finitimis
inhias contempto limite agellis? Numquid lu solus
habitabis in medio terrae? Tu quidem filiae occasio-
nem adducis, verum universi novimus, 9) quam insa-
a) eas, quas. — b) proprietate, — c) fulmina. — d) Der Echreiber
hatte zuerjt nominis gelejen.
175
tiabilis avaritiae te obsideat morbus, qui mundo teste
nec defuneti fratris tui fillae pepercisti, sed eadem
avarıtia vesaniens captivitatis eam injuriis affecisti.“
Tum ille sudridens cum timore respondit: „Vos qui-
dem o Domine nondum adeo spiritu Dei estis repleti, *)
quin ego fieri queam salvus aeque ut vos vesterque
ille servus seductor Norbertus. Praeterea inexplicabili
stimulo avaritiae castrum Gappenbergh obsidere, ipsum-
que patrem Norbertum prae muris suspendere mini-
tans eo usque mala malis adjiciens iram sibi thesauri-
zavit, donee altıssimus, qui patiens est redditor con-
digna illum animadversione ”) punivit. Mortuus enim
est impius tam tetri, ut ajunt, putoris molestia, ut
matrona, quae illi assidebat, etiam post paululum expi-
raret. Sed nec sie serpens infernalis uno praeeiso Ca-
pite a veneno suae quievit invidiae. Matronam enin,
quae sacrum velamen assumpserat, Franco quidam °)
scelestus diabolico rapuit instinetu. Qui beato viro
inermi forte obvianti tantamque ejus nequitiam pie
persequenti cum armatus et elatus diceret: „Tune ille
es, qui detrimentis meis operam dare perhiberis!“ vir
sanctus constantissime respondit: „Ego detrimentis tuis
nequaquam invigilo, quin potius hostis antiqui denti-
bus, cujus mancipium factus es, submovere te desidero.*
Cumque ille vesaniens gladium arriperet vir Dei sine
voce ut agnus ad vietimam ductus astitit, cervicenm
protinus tetendit: sed nutu divino conterritus ille ferire
non praevaluit. Denique raptam suam variis laborum
anfractibus requisitam, cellulae restituit et raptor ille
morte pessima non longe post lancea pereussus interiit.
(aeterum Monasteriensis antistes cum suggerentibus
plurimis castrum Cappenberg, ne in partem servorum
a) repletus, — b) adversione. — c) quidem,
518, 44.
518, 50.
519, 7.
519, 20.
524, 11,
619, 32.
176
Dei cederet, obtinere niteretur, plurimaque bona in
concambium ceunctis acclamantibus offerret, ipse supra
petram vere fundatus constantissime resistebat, ita rre-
spondens episcopo: „Frusta, pater, universi conantur,
quicunque terroribus vel blandimentis propositum no-
strum de loci hujus mutatione Dei dono inspiratum
impedire seu annullare laborant, quia nulla feram ra-
tione, ut me superstite deinceps ab hoc loco mundanae
vanıtati serviatur, quin potius id elaborare necesse est,
ut (ubi) hactenus lieentiosa militum grassabatur incur-
sio illie amodo ®) caclestis obsequii succedat assiduitas.
Sufficiunt enim praeteriti temporis dispendia ’) ad
stultorum voluntatem consumendam, qui ambulaverunt
in luxuriis et desideriis suis. Mihi credite etiamsi
quadruplo tantum possessionum recompensantes ©) ofler-
retis, nunquam castrum hoc ulterius saceuli negotiis
oceupari consentirem.* Tanta b. virı constantia nihil
antistes, nihil caeteri omnes ultra super hac re tentare
praesumpserunt.
Quis digne commemoret. quales tentationum im-
petus, quantos tentationum fluctus evicerit *) aliis eum
hine trahentibus, aliis inde retrahentibus ac mira im-
probitate suggerentibus, ne tantae honestatis tantaeque
spectabilitatis castrum desereret; cum et ipse antistes
carnem sapiens et cor in terra trahens alterius ei man-
sionis concambium promitteret. Sed Christi miles in-
vietissimus et vere supra Ghristum fundatus inter im-
bres et flumina totquwe ventorum flamina immobil:is
persistens tollerantia nec terrore ferreri potuit. nec
turbine frangi.
Tandem ergo compositis rerum morumque in se-
cundis, in commune bonis, postquam a concussione
a) illi commode, — b) dispendii. — c) recompensantis, — d) eviserit.
177
dura datum est illi respirare claustroque fovere paci-
fice sensus et in otio solvere curas, quam tune purga-
tis moribus enituerit, humani sermonis inopia nullate-
nus explicabit. Studebat in omnibus sui despectum
appetere, indigna quaelibet atque extrema servitia non
abhorrere, oblatam sibi a fratribus venerationem humi-
üiter declinare. Verbum Dei audiens vel orationem
fundens uberrimis fluebat lacrymis, quae satis in illo
declarabant ardorem et devotionem internae puritatis.
Corpus enim suum apostolico castigabat exemplo et
perenni frangebat jejunio; modico contentus erat, aquam
frequenter bibens et pane solo accepto, vix aliquid ali-
mentorum sumers, spiritw Dei plenus sw similitudine
respondit: „Qui magnum fluvium navigio transmeare
proponunt, longe superius a distante ripa navigare in-
eipiunt, quia Muminis violentia retorquentur incessabili
et velint nolint cum fluvio quodammodo defluere com-
pelluntur. Ita et nos fratres, quia hoc mare magnum
(et) spatiosum pedibus pertransire contendimus, ad ju-
gem ascensum nostrum roboremus propositum, quia
humanae torpor negligentiae semper est in descensu.“
Denique ut summi patriarchae Abrahae non deesset
eremplum dietum est illi a Norberto patre: „Exi de
terra tua et cognatione tua et domo patris tui!* Ad
quod sine mora implendum obedientissime paruit, jam-
que discessurus una cum venerabili domino Ottone
fratre suo: „Eece,“ inquit, „frater mi, si quid hactenus
residuum fuit, quod non perfecta renunciatione calca-
vimus, jam funditus in Christi nomine deseramus nihil-
que ultra proprium retinentes ad iter obedientiae ala-
criter properemus.* Venit ergo ad locum vere juxta
nomen suum a Domino praemonstratum electum ac
praedestinatum, ubi cum fratre accolytus ordinatus est
XLVI. 1. 12
520,9.
520, 36.
520, 41.
520, 43.
525, 39.
526, 29.
526, 34.
521,24.
ibique plurimos angelicae suae °) conversationis robo-
ravit exemplo. Post annum vero revocatus ad patrem
Norbertum jam archiepiscopum, cum saeculi pompam
vel strepitum sancti viri aegre ferret aspectus, Domino
jam electum suum remunerare disponente lenta caepit
pulsari aegritudine acceptaque benedictione patris Nor-
berti ad Helofstadense declinavit caenobium, ubi post
non multos dies migravit ad Christum anno dominicae
incarnationis MCXXVI indietione 4 aetatis b) autem suae
ferme XXX.
In transitu autem ejus apparuit Gerbergi abbatissae,
quae unice virum sanctum "dierit, miro decore redi-
mitus, aureo diademate coronatus; sine dilationis
interstitio, sine eremptionis periculo ad summi regis
palatium migrasse se jam confessus est. Claret autem
sicut etiam in vita miraculis multis, ut videre est(?) °) qui
vitam ejus legere voluerit.
Hujus germanus Otto, cum esset apud Elofstad,
illis in partibus divinae servitulis cultum Der domus (?)
ampliavit. Manegoldus 4) enim vir nobilis et potens,
cujus erant castra duo Hagen et Wirbergh ab adver-
sariis una cum filio swo interemptus est. Remansit
autem totius possessionis haeres unica filla nomine
Aurelia. Quam multis uxorem petentibus — erat enim
elegantis formae — venit Otto et dato ei®) perpetuae
castitatis consilio, noctu eam non sine vitae periculo
voluntariam abduxit. Deinde pontificali ac imperiali
autzoritate subnixus, multis et variis exegit laboribus,
quod simul cum Aurelia tota haereditas divinis mini-
steriis mancipata est.
Caeterum anno incarnationis dominicae M.C.XLVIII
a) pie. — b) Zuerſt hatte der Abjchreiber abbatis geleſen. —
ce) Vielleicht potest. — d) Mamgoldus. — e) ejus.
179
indictione XI praesidente sedi apostolicae papa Eugenio,
regnante glorioso Dei cultore Conrado, ut fratrum
Cappenbergensium satisfaceret desiderio, venerabilis
pater Otto Elofstad profectus est, convocatisque fratribus
dixit, se memorabilis germani sui Godfridi ossa Cap-
penbergh transferre jam tandem oportere: „Hoc,“ in-
quit, „dum extremum spiritum ageret, a me toto po-
stulavit afleetu. Quod hactenus mea neglectum ®) de-
sidia nunc demum oportunum est, ut sine dilatione
gratanter adimpleatur.“ Illico consternati omnes, ae-
qualis omnium timor ac perturbatio, una singulorum
voluntas, eademque sententia, nunquam se tanti fun-
datoris sui et Domini fraudandos praesentia ec patro-
cinio carituros. Demum post longam factam_ altercatio-
nem vocatis majoribus haec altercantibus potior senten- 527, 41.
tia visa est et ipsorum consilio ad hoc deflecti con- 538 1.
sensit, uti reliquias illas partirentur, quatenus amborum
caenobiorum perpetuae stabilitatis et pacis forent ®)
tuitio. Ad ossium autem partitionem matıona quaedam zag, 6.
amplae satis familiae Matthia nomine, quae acerrimis
eatenus febribus urebatur, nec ab aliquo curari potuit,
ad Godfridi reliquias repente sanata est.
Post hoc pridie Idus Februarii portio una reliquia- zog, 11.
rum (a) fratribus cum summae ©) devotionis alacritate
suscepta est. Sed et sequenti anno decimo sexto Ka- 59g 21.
lendas Octobris sacra ossa multis astantibus in sanc-
tuario Cappenbergensi venerabiliter ab antistite Mona-
steriensi reposita sunt. Ex quo nimirum tempore ipsa
rerum experientia cogritum est, quod superni muneris
abundantia intus et foris magis magisque /ratres cu-
mulat sunt, ita ut historiae illius recordari possint,
quae dieit: „Benedixitque Dominus domui principis mi-
a) neglecta. — b) foret. — c) suae.
12*
180
litum et multiplicavit tam in aedibus quam in agris
cunctam ejus substantiam propter Joseph.“
Daß wir es in dieſer Gründungsgeihichte mit zum
Teil alten Aufzeichnungen zu thun haben, die wahricheinlic)
noch neben der uns befannten erſten Vita Godefridi be-
itanden haben, das beweifen die jelbitändigen Notizen der:
jelben über den Bau des Klofters und die Zeit, wann Die:
jer begonnen worden ift.!) Sie finden fich weder in der
Lebensbeichreibung noch aud in den Zufägen zu derjelben,
haben aber in der Form fo durchaus das Gepräge mittel:
alterlich annaliftiiher Schreibweije, daß man den Gedanken,
ein Späterer habe jie, als er die Gründungsgeſchichte aus
der Vita zuſammenſchrieb, eingejchaltet, direkt von der Hand
weifen muß. Und offenbar geht die „Origo“, jowie er ung
überliefert ijt, auf eine ältere Vorlage zurüd. Dafür fpre:
chen ſchon die zahlreihen Jinnentjtellenden Fehler unjerer
Handichrift. Denn nur wenn wir annehmen, dab dieſe
wörtlich aus einem älteren ſchwer lesbaren Manufcript über:
tragen iſt, erklärt es jih, daß ein Eopijt des 17. Jahrhun—
dert3 urjprünglih nominis für novimus, abbatis für aeta-
tis jchreiben fonnte. Wäre die Gründungsgeſchichte eine
jpäte Compilation aus der Vita, ihr Berfertiger hätte ſicher—
li dem inhalt gegenüber, zumal er dabei. jeine Vorlage
jtarf gekürzt haben müßte, eine größere Aufmerkſamkeit an
den Tag gelegt, und lich nicht jo zahlreiche Verſtöße gegen
die einfachiten grammatiichen Regeln zu Schulden fommen
laſſen. Bei mechanischen Abjchreiben aber konnten fie Teicht
mit unterfließen.
Sreilich eine Lebensbeichreibung Gottfrieds von Cappen—
bera beitand jchon, als unjer Autor die Gründungsgeſchichte
de3 von jenen geftifteten Kloſters schrieb. Tas geht un:
— — —— —
) Siehe oben ©. 173.
181
zweifelhaft aus der Stelle ©. 178 hervor: Claret autem
sicut etiam in vita .... ut videre (pot)est, qui vitam
ejus legere voluerit. Bezieht jich diefer Hinweis nun
auf die befannte Vita I? Bei der weitgehenden wörtlichen
Übereinftimmung, die zwifchen diefer und unferer Gründungs-
geihichte beiteht, möchte man es auf den erjten Blid hin
vermuten. Dann käme dem Berfajler des Origo alio höch—
ſtens das Verdienit zu, mit ziemlichem Geſchick die zerjtreu:
ten, vielfach zufammenhangsloien thatjächlichen Angaben ſei—
ner Quelle zu einer cinheitlicheren Darftellung verarbeitet zu
haben. Und woher nahm er die Nachrichten über den Bau
der Kirche, die die Vita nicht Hat? Und muß uns nicht
auch der Umftand befremdlich ericheinen, daß er an der an:
geführten Stelle ausdrüdlich noch auf eine Schrift hinweilt,
die er bisher faft Wort für Wort ausgefchrieben hatte? Doch
darauf wollen wir bei einem mittelalterlihen Schriftiteller
io ohne Weiteres fein allzu großes Gewicht legen. Dies
Argument gewinnt aber an Bedeutung, wenn jich wahrichein:
lih maden läßt, daß die jetzige Geſtalt der Vita I nicht
gut die urſprüngliche geweſen fein kann.
Dem aufmerkjamen Yejer wird die ftoffliche Jerrifienheit
der größeren Beichreibung fofort auffallen. Den Hauptitod
der Nachrichten bilden Wundergeichichten und Schilderungen
des gottgefälligen Xebenswandels des Grafen Gottfried. Da:
zwiſchen aber find eine Reihe von thatſächlichen ganz interej-
janten Angaben eingejtreut über die Eltern und Großeltern
Gottfrieds, über die ftarfe Beeinflußung der beiden Grafen
von Gappenberg von Seiten Norberts, über den Widerftand,
welchen Graf Friedrih von Arnsberg, Gottfrieds Schwieger:
vater, der Kloftergründung entgegenjeßte, über die Aufleh-
nung der Minifterialen gegen ihre VBergabung an die Kirche,
über die Verſuche des Biſchofs von Münfter, das neuzu—
gründende Kloſter in eine andere Gegend zu verlegen. Diele
fnüpfen bisweilen ziemlich unvermittelt an Die zur Verherr:
182
lichung Gottfried in breitem Stile geichriebenen Partien
an. Dazwiſchen kommen bdeutlich-erfennbare annaliftiiche
Fragmente zum Vorjchein, wie außer im Anfang von Kap. 12
auch im Kap. 10 (526, 28 ff.) wo auf die Bemerkung . .
Idibus Januarii ... . beata illa anima carne soluta ae-
ternae regenerationis induit candidatum nod einmal
wiederholend unmittelbar folgt Anno dom. inc. 1126 ae-
tatis autem suae ferme 30 migravit ad Christum, troß=
dem kurz vorher in demjelben Kapitel jchon gejagt war
(525, 51): (Godefridus) . . . ad Elofstadense declinavit
coenobium, ubi hoc ordine post non multos dies mi-
gravit. Zwar wird audh an 3 Stellen (518, 49— 522,
39—524, 48) erzählt, daß Graf Friedrich von Arnsberg,
Gottfrieds heftigſter Widerſacher, eines elenden Todes ge—
ftorben jei, nahdem zuvor jedesmal irgend eine neue Frevel—
that, die er an dem Gottesmanne verübt, ausjührlid ge—
ſchildert worden ift. Aber jelbit bei der ftet3 neuen Moti-
virung find diefe Wiederholungen läftig und auffallend zu-
glei, wenn wir es wirklich mit einer von einem Autor ein:
heitlich concipirten Schrift zu thun haben.
Borwegnahme von Bemerkungen, die erft auf Grund
der jpäter gegebenen ausführlihen Schilderungen verftänd:
li werden, fommt öfter8 vor. So ift ohne jeden überlei-
tenden Gedanken an den Schluß von Kapitel 6, das fonit
ausichlieglih Beilpiele von der Gerechtigfeitsliebe und der
Mildthätigkeit Gottfrieds bringt, eine Nachricht über feinen
Bruder Otto angehängt, daß dieſer nämlich während jeines
Aufenthaltes zu Ilbenſtadt die reiche Erbtochter Aurelia zum
Eintritt in das Klofter bewogen und diefem damit deren
bedeutendes Erbe zugeführt habe. Aber erft im Kap. 10.
(515, 47 ff.) wird erzählt, daß fich Otto mit Gottfried zu—
fammen nad Ilbenſtadt begeben habe. Immerhin ließe ich
ein jolches Beiſpiel von unrichtiger Gedantenfolge noh aus
der geringen Fähigkeit des Verfaſſers der Vita, feinen Stoff
183
——
gehörig zu disponiren, erflären. Das geht aber jchwieriger
in folgendem Falle an: Kap. 4. (519, 30 ff.) heißt es...
In die vero assumptionis .... Mariae.... quando et
hujus loci ambitus ab antistite consecratus est, quis
digne commemoret, quales temptationum impetus .
evicerit . . . cum et ipse antistes carnem sapiens et
cor in terra trahens alterius ei mansionis concambium
repromitteret. Allein jhon die Gedanfenverbindung zwi:
ihen Border: und Nahjag iſt eine derartig jchwerfällige
und unbeholfene, daß man jofort auf die Vermutung fommt,
daß bier zwei Sätze, die urjprünglich in anderem Zuſammen—
bang geftanden haben, ohne viel Überlegung aneinander ges
foppelt find. Die Bemerfung cum et ipse antistes ..,
fann fih nur auf die vergeblihen Verjuche des Biſchofs von
Münfter, Gottfried von Gappenberg dur einen Umtaujch
von Gebietsteilen zur Anlage des Klofterd an einer anderen
Stelle zu bewegen, beziehen. Dieſer geſchieht jedoch erſt aus:
rührlid Erwähnung im Kapitel 9. (524, 11.) und nur
wenn wir annehmen, dal die legtere Erzählung der obigen
Notiz urjprünglich vorausgegangen iſt, dann erjt wird Dieje
verftändlid. Denn daß der Verfaffer der Vita mit jenen
Worten im Kap. 4. etwa die Erpoiition für jeine weitere
Daritellung Habe liefern wollen, einer ſolchen Annahme
widerjpricht der gleich folgende Eingang von Kap. 5.
Tandem ergo compositis..... ganz abgejehen davon, daß
nod vier lange Kapitel mit anderweitigen Nachrichten da—
zwilchen liegen bis der Autor wieder auf jene Bemühungen
des Biſchofs von Münfter zurüdfommt. Und aud um die
logiihe Begründung diejes Tetterwähnten Satzes fteht es
ſchlecht, wenn wir erwägen, daf eigentlich erit von Kapitel 6.
an die Hauptfülle der Schwierigkeiten aufgeführt wird, die
Gottfried von Cappenberg zu überwinden hatte, ehe er zur
ruhigen Pflege jeiner Kloftergründnng gelangte.
Dieje widerjpruchsvolle Anordnung des Stofjes in der
184
jetigen Vita und der Mangel an logiſcher Gedankenfolge,
der an zahlreichen Stellen nachweisbar ift, dürften am ein:
fadhiten ihre Erklärung darin finden, daß dieje eben Compi-
lation iſt, daß mannigfaltige Beitandteile hiftoriicher Auf:
zeichnungen aus Gappenberg in ihr zuſammengeſchweißt find.
Daß ſolche vorhanden waren, beweiſen ſchon die Anhängſel,
die der gedrudten Vita am Schluſſe beigegeben find. ?)
Höchſt wahricheinlich find im Klofter Cappenberg auch Anz
nalen geführt worden, die uns in größerem Zujammenhang
verloren gegangen find. Deutlihe Spuren davon haben wir
bereit3 in der Vita nachgewielen; ſie treten uns in der
Origo (Bergl. die Notiz über den Klojterbau, oben ©. 173)
ebenfalls und in bderjelben Form entgegen. Erjt jpäter —
nehmen wir mit Saffe?) die freilich für die jegige Vita
eruirte Zeit von 1150—1155 an — wurde bier auch eine
Lebensbeichreibung des Gründers des Klofters verfaßt, Die
offenbar hauptjächlich die Erzählung der durch diefen bewirk:
ten Wunder, ferner Beifpiele feiner eifrigen Liebesthätigfeit
und jeines gottgefälligen Lebenswandels enthielt. Daß dies
ihr wejentlicher Inhalt geweſen ift, darauf deutet auch der
oben bereit3 angeführte Hinweis unſerer Gründungsgejchichte
bin, daß nämlich der, welcher die von Gottfried gewirkten
Wunder Tennen lernen wolle, zur Vita greifen möge. Sie
jollte wohl in eriter Linie erbaulichen Zwecken dienen.
Über dies verjchiedenartige Material muß dann ein jpä=
terer Bearbeiter gekommen fein, der die geichichtlichen Nach:
richten mit der panegyrifchen Lebensbejchreibung verquidte,
derart, daß er die eriteren benußte, um fie als Belege für
) S. M.S. SS. XII. 528 ff. SIaffe Spricht fie mit den früheren Her—
ausgebern dem Werfafjer der Vita ab. Die beiden letzten Zuſätze
dürften auch gar nicht in Cappenberg, fondern in Ilbenſtadt zugefügt
jein. Der eritere Porro de antiquis possessoribus... muf; jedod)
nod) in Gappenberg gemacht fein, denn ihn hat auch unfere Origo.
2) Dergl. die Praefatio zur Ausgabe der Monumenta ©. 513—514,
185
die Charaftereigentümlichkeiten und die einzelnen Züge des
frommen Lebens Gottfrieds in die uriprüngliche Vita ein:
zufügen, ohne die Spuren der Perſönlichkeit!) des Verfafjers
der legteren zu verwiſchen. Zeitlich dürfte diefer Compilator
dem Schreiber der Ilbenſtädter Handichrift,?) die der eriten
Hälfte des 13. Jahrhunderts entftammt und auf der allein
unſere Überlieferung der Vita 1. baſirt, nahe geſtanden haben.?)
Wie verhält fih nun zu dieſer „überarbeiteten Lebens:
bejchreibung unfere Gründungsgeihichte? Hat ihr Verfaſſer
jene benußt oder ift umgekehrt fein Werk zum Teil Quelle
für die Biographie Gottfrieds geworden? Beide Annahmen
Icheinen uns ſchon deshalb unzuläffig, weil beide Schriften
ſich in ihren Nachrichten nicht vollftändig deden.t) Dann
bleibt aber nur die Folgerung für uns übrig, die heutige
Vita jowohl wie unjere Origo müffen aus denfelben urjprüng-
liheren Quellen geichöpft haben und wir fommen demnach
auch auf diefem Wege zu dem gleichen NRefultat, zu dem uns
eine inhaltliche Betrachtung der heutigen Vita führte. Über
die Beichaffenheit der angenommenen Quellen haben wir und
bereit3 im Allgemeinen ausgeſprochen und mir verweijen
daher einfach auf unjere früheren Bemerkungen. Auf eine
Ausicheiduug der analiftifhen Nahrichten und chronifartigen
Erzählungen aus der Vita und der Origo müſſen wir ver:
zihten. Der geringe Umfang der uns erhaltenen Gappen-
berger Überlieferung und deren fpecififch Iofaler Charakter
würden einen derartigen Verſuch bei der Unficherheit der
bandichriftlihen Grundlage auch faum lohnen.
2) Vergl. Jaffé in der Praefatio zu feiner Ausgabe 513—514.
2) Vergl. hierüber Falk in den Forſchungen zur deutich. Geſch. 14, 615 ff,
?) Wir vermuten das daraus, daß jetzt erft die Aufmerkſamkeit im
Schweiterflofter auf die in Cappenberg entitandene Lebensbeſchreibung
des Gründers hingelenft wurde.
+) ©. die Nachweiſe zu dem oben gedrudten Text der Origo und die
in demfelben curſiv geſetzten Stellen,
2
Ganz ohne Zweifel muß auch die Gründungsgeichichte
als das Werk eines jpäteren Bearbeiters angejehen werden.
Aber diefer iſt dem Compilator der heutigen Vita infofern
bedeutend überlegen gewejen, als er feiner Schrift eine bei
weiten abgerundetere, in jich geichloffenere Form zu geben ges
mwußt hat. Zwar ift aud er ſprachlich und ftofflich vollftän-
dDig;von feinen Vorlagen abhängig, aber er hat ſich in der
Auswahl des Stoffes jehr verjtändiger Weiſe auf das für jein
Thema Nothwendige beſchränkt und dies meilt in pafjender
Gruppirung aneinandergereiht. Einen etwas befremdenden
Eindrud madt der Anfang des Schrifihens. Das Ea tem-
pestate Cappenbergense monasterium... fundatum est
müßte fi, jo jollte man glauben, an etwas Borhergegan:
genes angelehnt haben. Aber inhaltlich vermillen wir Doch
nichts. Vielleicht, daß wir e daher nur mit einer annaliftiichen
Notiz zu thun haben, die der Verfaſſer der Origo wortgetreu
aus feiner Vorlage herübergenommen hat, ohne zu bedenken,
daß er fie damit aus ihrem Zuſammenhang herausriß.
Zur Beltimmung der Zeit der Niederfchrift des Origo
fehlt uns jede äußere handichriftlide Handhabe und ebenfo-
wenig gewinnen wir aus dem Inhalt ſichere Anhaltspunfte.
Immerhin beacdhtenswert nad dieſer Nichtung Hin ift eine
Abweihung des Tertes gleich im Anfang unjeres Schrift:
chens,!) wo es jtatt quorum hodieque in multis excel-
lens claret magnanimitas?) beißt: quorum usque ad
Henrici IV. Romanorum regis [tempus] excellens elaruit
magnanimitas. Auf jeden Fall liegt darin ein Beweis, daß
das letztere jpäter gejchrieben ijt, als das erftere und daß
der Verfaifer der Gründungsgeſchichte den Zeiten Heinrichs V.
— dieſer iſt damit gemeint?) — ſchon ferner gejtanden
haben muß. In unferer Handſchrift kehrt beitändig die Form
1) Dben ©. 170. — 2) M. G. SS. XII 528, 83.
3) ®ergl. M. G. 515, 14.
——
Cappenbergh mit doppeltem „p“ wieder, die erſt ſeit dem
Anfang des 14. Jahrhunderts gebräuchlicher wird. Ob auch
die Zeit der Niederſchrift der Origo ſo ſpät angeſetzt wer—
den muß?
Sicher bleibt nur ſoviel, daß uns in der Gründungs—
geſchichte einige ältere Cappenberger Aufzeichnungen erhalten
ſind, die der Verfaſſer der heutigen Vita nicht benutzt hat.
Von Wert iſt jedoch nur diejenige über den Bau der Kirche
und daß bereits im Jahre 1122 fich eine Anzahl von Brü—
dern zum gemeinſamen Leben in Cappenberg zuſammenfand.
Als Baumeiſter der Kirche wird uns Ericus (Heinrich?) genannt.
Wir haben damit freilich nicht viel gewonnen; immerhin ge—
währt es eine gewiſſe Befriedigung, wenn man den Verferti—
ger eines ſo beachtenswerten Baues, auf den vielleicht auch die
Anlage der Freckenhorſter Kirche zurückgeht,) mit Namen
nennen fann. Die Bemerfung über die Form der Kirche,
daß fie ein Kreuz bilde, ift richtig. Intereſſant ift noch, daß
als Patrone der Kirche außer der Jungfrau Maria und dem
Apostel Johannes auch noch Auguftinus und Johannes der
Täufer genannt werden. Von dem ferner erwähnten reichen
Reliquienſchatz des Kloſters ift nur ein kleiner Teil bis auf
unfere Tage gekommen. ?)
I) Vergl. Savels in der Zeitfchrift für Bauweſen von 1870 ©, 68.
2) Vergl. hierüber Nordhoff, Hohenftaufer Kleinodien des Kloſters Cap—
penberq in Pids Monatöfchrift IV, 344—360 und Philippi, Die
Gappenberger Porträtbüfte Kaiſer Friedrichs in dieſer Zeitichrift 44,
150—161 und Hufing ©. 64 ff.
VIII.
Zur Geſchichte Jakobs von Soeſt und
Hermanns von Schildeſche.
Von
Dr. Heinrich Finke.
1. Die Sammlung von Dominifanerprivilegien des
Jakob von Speit.
Wohl nur felten ift dem Forſcher verftattet, jo klaren
Einblid zu thun in die Geilteswerfitätte eines Mannes aus
längſt vergangener Zeit, ein fo deutliches Bild unermübdlichiter
Schaffenskraft früherer Jahrhunderte in ſich aufzunehmen,
wie bei dem Dominikaner Jakob von Sweve oder von Soelt.!)
Seine überaus zahlreihen Werkegtheologiſchen, juriftiichen,
biftoriichen Inhalts, Traktate und Predigten, theilmeije rielige
Folianten, find von jeiner Hand gejchrieben, überarbeitet und
forrigirt und an erjter Stelle auf der Baulinifchen Bibliothek,
dann auf der Stadtbibliothef in Soeſt und im Kal. St.A.
in Münfter erhalten. Und, um gleich einem Zweifel Ottofar
Lorenz’ zu begegnen?), es find, foweit ich die Materialien
überichaue, jeine Werke, nicht lediglich Abjchriften, das be—
weiſen die deutlich erfennbare Durcharbeitung, oder zahlreiche
Nachtragungen 3.8. in hiltoriichen Abhandlungen. Daß der
inhalt meiſt kompilatoriſcher Natur iſt, wie Jakob überhaupt
nicht als Schöpferiiche Kraft angejehen werden kann, fteht dem
nicht entgegen.
1) In DOrdensliiten wird Jakob nur de Sweue (Echwefe, Dorf bei Soeſt)
genannt. Er jelbit gebraucht beide Bezeichnungen z. B. Hdſchr. 164
(871) der Kgl. Paulinifchen Bibl. in Münfter.
2) Deutichlands Gejchichtäquellen II (3. Aufl.), 77 Anm. 2, wo aud)
Pitteratur.
189
Ein umfaſſendes Lebensbild des weitfälifchen Inquiſitors
und Theologieprofefjors fteht noch aus. ingehender haben
jih in neuerer Zeit mit ihm beichäftigt: Evelt in jeinen
„Mittheilungen über einige gelehrte Wertfalen, vornehmlich
aus der eriten Hälfte des 15. Jahrhunderts”, Wilmans
in dem intereffanten, aber von irrigen Anfichten nicht freien
Auflag: „Zur Geihichte der römischen Inquiſition in Deutſch—
land während des 14. und 15. Jahrhunderts”, und neueſtens
Ribbeck in diejer Zeitjchrift, der wichtige Aftenftüde über
ihn veröffentlicht.!) Mancherlei Angaben über fein Leben
wird der demnächit erjcheinende Handichriften- Katalog der
Paulina enthalten; nur zwei Notizen, die Zeit feines eriten
und legten Auftretens betreffend, alſo die beiden Grenziteine,
zwiſchen denen fein Leben jich abipielt, jeien hier verzeichnet.
Unter lojen Bergamentblättern der hieiigen Bibliothek, welche
ehedem als Einbanddedel gedient haben, befinden jich Auf:
zeichnungen über Brovinzialfapitel der Dominikaner aus- ver:
ihiedenen Zeiten des vierzehnten und aus dem Anfang des
fünfzehnten Jahrhunderts. In der Rubrif: De studiis et
studentibus des Warburger Kapitels von 1379 heißt es
unter Minden: studentes: frater Jacobus de Sweyue;
ihäßen wir fein damaliges Alter auf ungefähr 20 Jahre,
jo wurde er um 1360 geboren. Die legte Aufzeichnung von
ihm findet jih in einer Handichrift der PBaulina?): im J.
1438 ſchenkt er als Liebeszeichen einem Dominikaner, wohl
einem ehemaligen Schüler, ein theologiiches Werf. Wahr:
jcheinlich ijt er aljo hochbetagt als Ordensjubilar um 1440
geitorben.
’), Evelt, in unjerer Zeitichrift Bd. 21, 241 ff, Wilmans, Sybels
Zeitihrift Bd. 41, 193 ff., Ribbed, j. oben ©. 129.
2) Hdichr. 426 (697) Liber fratris Jacobi de Sweue ordinis Predi-
eatorum (von Satobs Hand), (quem) dedit fratri Hermanno Werlis
anno domini MPCCCCCKXXVII® ob profectum sui majorem,
190
Das nachſtehend befprochene Werk Jakobs wird zuweilen
unter dem Namen Dominifanerdhronif citirt, genauer
gefannt hat e3 amjcheinend noch niemand.!) Es iſt eine
nicht bejonder8 gut geordnete Sammlung von päpftliden
Privilegien für den Dominifanerorden, untermifcht mit Gna=
denbezeugungen anderer kirchlicher und weltlicher Perſönlich—
feiten, daran gelnüpften kirchenrechtlichen Erörterungen, ein=
geleitet mit kurzen Daten über Entftehung des Ordens, Leben
jeines Stifter und feiner erjten Generale, welche bis auf
nachher zu beſprechende Zuthaten wörtlich dem befannten
großen Gejchichtswerfe jeines weſtfäliſchen Landsmannes
Heinrih von Herford entlehnt jind.?2) Wenn er einleitend
bemerkt, er habe die Anfänge, das glänzende Wahsthum und
Gedeihen feines Ordens ſchildern wollen, prout ex diversis
tractatibus et quaternis potui, jo wird wohl neben 9. v.
Herford Bernard Guidonis tract. mag. ord. Praed. in
Betracht fommen. Das Hauptgewidt legt auch er auf die
päpftlichen Privilegien. „Die Gnadenbeweije der Päpite, die
jett unter den Scheffel geitellt find, follen den Ordensbrüdern
auf dem Leuchter jtrahlender als dag Sonnenlicht bekannt
werden, damit wie bei Judas Machabäus wärmer das Ge:
müth für die Nechte des Drdens entbrenne, da es beffer für
uns ijt im Kriege für Gerechtigkeit und Wahrheit zu unter—
liegen al3 die Leiden unjeres Volkes zu jchauen.” Die echt
‚mittelalterlihe Anjchauung eines Ordensmannes, dem jein
Klofter und jein Orden ein und alles war!?) Wenn jo aud
) Nach dem Anonymus bei Martene et Durand (Brevissima chronica
wag. ord. Praed.) Ampl. Coll. VI, gab es außer diefer Sammlung
noch eine Ordenschronif Jakobs, die er ercerpirte. Handfchriftlich ift
diejelbe hier nirgends aufzufinden. Die Annahme einer ſolchen Chronit
hat ihre Bedenken, bejondersd wegen der verjchiedenen Angaben über
die beiden weitfälifchen Ordensgenerale.
2) Herausgegeben von Potthajt. Der Traftat des Bernard Guidonis
Martene et Durand, Amplissima Colleetio VI, 397 ff.
3) Ich laſſe die ganze Kinleitung hier folgen: Ut ordinis fratrum
nn — — —
der ordensgeſchichtliche Werth dieſes Werkes entſchieden gering
iſt, ſo verdienen doch 1) die Brivilegienfammlung als
ſolche, 2) einige Angaben über die Ordensgenerale
Jordanus und Johannes Theutonieus die weiteſte
Beachtung. Ich gebe zunächſt eine kurze inhaltliche Ueberſicht
und ein paar Bemerkungen über die Abfaſſungszeit.
Die Sammlung befindet ſich als Autograph Jakobs in der
Hdſchr. 29 der Stadtbibliothek in Soeſt!), die außerdem noch
mehrere Abhandlungen saec. XV enthält. Sie umfaßt 92 Bll.;
ferner einige Einlagen von fremder Hand. Die erjten 10 BN.
ind unnumerirt, daran jchließt ſich mit p. 25 eine gleich:
zeitige Seitenzählung. Nach p. 134 beginnt auffälligermeife
wieder Zählung von 25—48, dann jet 135 wieder ein bis
135; auf dieſen jtehen aber Urkunden von jpäterer Hand.
E3 folgen noch 16 bezw. 17 unnumerirte BI.
Predieatorum primordium et successio gloriosa incrementaque et
profectus valeant aliqualiter elarius haberi, ego frater Jacobus
de Susato, inter dieti ordinis sacre pagine professores minimus,
hereticeque pravitatis inquisitor, prout ex diversis tractatibus et
quaternis colligere potui, tam ipsius ordinis exordium, seilicet
status, gradus et capitula, quam summorum pontificum, sub
quibus ipse ordo viguit, privilegia, quibus idem pontifices gene-
rose ordinem Predicatorum dotaverunt, — ac conventus, in quibus
habentur, secundum quod ad meam poterat venire noticiam, ad-
jungere, postremo eadem privilegia secundum tytulos deeretalium
eis competencium distinguere curavi pro fratrum consolacione,
ut hune tractatum legentes, quibus nunc apparent apostolica or-
dinis jura sub motdio, super candelabro radiancia luce elarius
fiant nota et incalescat ardencius cum Juda Machabeo animus
pro ipsius ordinis juris ulteriori defensione, quoniam melius est
nobis mori in bello pro justieia et veritate quam videre mala
gentis nostre et sanctorum. Prestante ergo domino Jhesu
Christo, qui cum paätre et spiritu sancto regnat unus deus,
aggrediar opus.
Sch danke dem Herrn Gymnaſiallehrer und Bibliothefar Dr. Bogeler
in Soeſt herzlidy für die freundliche Hebermittelung der Hdſchr. an
das Kgl. St.A. in Müniter.
1
—
192
Nah der Einleitung beginnt das Werk auf fol. lv:
Ordo fratrum Predicatorum ad fructus uberes in agro
dominico producendos tempore Innocencie 3ü sumpsit
exordium. Nun folgen die Bäpfte chronologiih; bei den
erften eine kurze Charakteriſtik meift wörtlich oder verkürzt
dem genannten Werke des Bernard Guidonis entnommen,
dann entweder im Regeſt oder ausführlich die von jedem den
Dominikanern verliehenen Privilegien. Die zeitliche Reihen:
folge hört nach dem Mare magnum Bonifaz VII. auf.
p. 59: Religiosi ligantur per multos casus Clementi-
narum et colligi possunt. Nach diefem kurzen Einfchiebjel
folgen ſich Bullen der Bäpfte des 13. Jahrhunderts in wirrer
Reihe. p. 76 f. PWrivilegium des um 1287 in Deutjchland
vermweilenden Kardinalbiichof8 Johann von Tusculum. Daran
Ichließt fih ein Negifter über 150 Papſturkunden, ein Sad:
regilter (im Regiſtermachen ift unfer Landsmann groß!) und
fanonijtiihe Merkverje beginnend: Primus habet trinum
Joachimque statuta rescriptum. Ich weiß nit, ob der
auf p. 103 anfangende Brief („In vigilia assumpeionis“),
den ein Freund einem Freunde über die Kanonifation des
h. Thomas von Aquin (1324) ſchreibt, befannt ift; inhaltlich
ift er von großem Intereſſe. Schreiber berichtet u. a. daß
nah altem Brauch der 14. Juli für die sermones und der
18. für die Meile des Papſtes refervirt worden ſei; unter
den Nednern ericheint auch der König von Sicilien. Es
folgen noch einige den h. Thomas betreffende Stüde, die
Kanonijationsbulle und ein Brief des Biſchofs Stephan von
Paris vom %. 1325 gegen die Angreifer einiger Doktrinen
des großen Dominilaners. Auffällig ericheint, daß troß ur—
Iprünglider Baginirung p. 123 f. wieder eine Reihe auf
die Thomasverehrung bezügliher Dokumente Urban V.
und Gregor XI. folgen. Borhergehen: p. 115 Abhandlung
über das Wrivileg Martins IV. de confessionibus au-
193
diendis!);p.117 Bulle Benedifts XII.für das Dominifanerinnen=
kloſter Zemgo, ein heftiger Angriff gegen den Sadjenjpiegel
und die Befämpfer des Privilegs Clemens V., wonach die
Dominikaner väterlide Güter erben fönnen?), und als Beleg
für feine Anfiht das Privileg Kaifer Karls IV. für die
Predigermönde von 1359 Juni 10, welche bislang nur im
Regeit befannt war.?) Fügen mir noch an, daß an ver:
1) Post datum privilegium de confessionibus audiendis a domino
papa Martino IV erat in regno Francie murmur magnus, labo-
rantes in curia pro ejusdem privilegii revocacione. Propter quod
dietus dominus Martinus papa misit in Franciam duos cardinales
ad sedandum rumnorem et roborandum dietum privilegium (dom.
Gerardus u. d. Benedictus).
9 Inprobacio erroris contra privilegium Clementis V, quod possu-
mus succedere bonis paternis. Nam in speculo Saxorum diecitur,
quod nullus religiosus vel monachus possit tollere paternam
hereditatem. Hic error primo legi dei repugnat, deinde legi
sedis apostolice et post sacri Romanorum imperi. — Videat
ergo tenens hoc speculum, contra conscienciam teneat hanc legem.
Et si opponitur, quod levite non acceperunt in veteri testamento
hereditatem, respondeo, quod equale eis dabatur, ut decime,
quibus poterant sufficienter vivere et in hoc omnes tribus con-
venerunt. Item idem speculum Saxonum ponit judeos in pace
regis et a theloneis liberos pro tanto, quod Vespasianus impe-
rator eos libertavit, eo quod Josephus Tytum filium ejus sanavit.
Propter hoc usque nune judei fuerunt liberi. Set papa Clemens
4 et imperator Karolus 4 declaraverunt, quod religiosi heriditates
accipere possunt. Et imperiales leges hoc ab antiquo sanxerunt.
Tamen presens speculum privat religiosos, multo minus eos
reputans quam judeos. —
2) Vol. Böhmer-Huber, 2973. Nur Reg. in Reg. Boica 8, 419.
In nomine sancte et individue trinitatis feliciter Amen. Karulus
‚uartus divina favente gracia Romanorum imperator semper
augustus et Boemie rex ad perpetuam rei memoriam, Inter alias
gloriosas reipublice euras, quibus imperiale fastigium — adju-
vari. Sane Predicatorum ordinem, quem pater celestis plantavit
mirifice in ecelesie paradiso, speciali et sincera semper diligentes
in domino caritate et quietem ac felicitatem ipsius pleno zelantes
XLVI. 1. 13
194
ſchiedenen Stellen kanoniſtiſche Abhandlungen eingemiſcht
ſind: Quamvis diversi sunt modi communicandi tamen
illorum. qui cum sinistra communicant, videtur esse
aptior ; über nterdikte, Begräbniſſe, Teitamente mit Bezug
auf den Dominifanerorden, die Vertheidigung der Orden
geuen die Verleumdung, daß jie in der Prophezeiung der
b. Hildegard „Insurgunt gentes“ gemeint jeien, während
jich diejelbe offenfundig contra Lulardos ridhte, jo haben
wir damit den werentlihen Inhalt der Privilegienfammlung
gefennzeichnet.
Auf den legten unnummerirten Blättern beginnt Jakob
die Ordensnejchichte von neuem, anfangs in wörtlicher Ueber—
einitimmung mit dem Anfang des ganzen Werfes, dann mit
einigen Abweichungen, bald find es nur mehr trodene chroni—
falijche Notizen über die Negierungszeit der Päpſte, die Jakob
wah:icheinlih als Rahmen für eine jpätere Darftellung be—
uugen wollte. Aus ihnen läßt ſich mit einiger Sicherheit
retten, wann „Jakob dag Werk in feinem Haupttheile be—
eIndet bat. Den Anfang der Regierung Gregor XI., Ur:
bau» VL, Bonitaz IX. ſcheint er nod gleichzeitig mit der
affectu ipsum ubilibet dirigi et gubernari salubriter ejusque
terminos dilatari et professores suos merito augeri et nunc de-
siderancius affectantes, religiosum Symonem sacre theologie et
ordinis Predieatorum predicti magistrum, consiliarium, familiarem
nostrum et devotum dileetum, dietumque totum ordinem — de
imperiali benignitate n nostram ac sacri Romani imperii salvam
zuardiam ac protecticnem recipimus. (Keiner darf fie beläjtigen
oder belangen.) Hujus rei testes sunt: venerabiles Arnestus Pra-
gensis archiepiscopus, Johannes Olomusensis et Theodericus
Wyndensis ecclesiarum episcopi, illustres Bolko Swydenicensis,
Johannes Opauie, Bolko Falkenburgensis, Bolko Conpoliensis(!)
et Primyslaus Thessynensis duces ac spectabiles Burcardus ma-
gister curie nostre, Johrnnes et Burcardus de Recz comites et alii
quam plures — Datum Prage anno domini M°CCC® 59 indictione
12, 4 ydus junii regnorum nostrorum anno 13, imperii vero
quinto.
195
Hauptmaſſe geichrieben zu haben. Bei legterem heißt es:
anno domini 1390 (Xüde) Bonifacius nonus cepit et
sedit adhuc. Die Lüde ift ergänzt durch ydus novembris
über der Zeile, sedit adhuc durdjitrihen und coronatus
in die & coronatorum !) über der Zeile gejchrieben und
angerügt: et obiit anno domini 1404 in die Remigii
anno pont. 14. Die Daten über Innocenz VII. und
Gregor XII. folgen jpäter vielfach Fforrigirt und ergänzt.
Als Nahtragungen deutlich erkennbar heben jich die beiden
legten chronifaliihen Notizen über das Pijaner und Son:
ftanzer Conzil ab, welde als Schluß des ganzen Werkes hier
folgen mögen: (Später:) Anno domini 1409 in concilio
generali Pisis per cardinales celebrato papa scilicet
Gregorius 12 et Benedictus antipapa contendentes de
papatu depositi sunt et elecetus in unicum papam ma-
gister Petrus de Candia, magister in theologia, de or-
dine fratrum Minorum, die 27 mensis Junii, cardinalis
basilice 12 apostolorum, vocatus Alexander 5, et obiit
sequenti anno in die invencionis sancte crueis scilicet
3 die mensis mail. (od ipäter:) Anno domini MCCCCX
electus fuit in papam Balthazar Neapolitanus Bononie
et Johannes 23 nuncupatus et in die trinitatis coro-
natus. Hic depositus est in concilio Constanciensi
anno domini MCCCG 15 et captus atque positus in
Bauaria in quodam castıo dieto Manhem posito super
Renum.
Wegen des Titels Inquisitor heretice pravitatis in
der Einleitung, den Jakob im ‚jahre 1400 nod nicht trug,
weil ferner die ihm aus Würzburg zugelandten Materialien,
weldye er jeinem Werke einverleibte und die jicher mit der
Abfaſſung desielben zuſammenhängen, die Jahreszahl 1405
tragen, müſſen wir als Abfafjungs eit wohl die legten Lebens—
) Beide Angaben find unrichtig.
13*
196
jahre Bonifaz IX. d. h. die eriten Jahre des 15. Jahrhun—
dert3 betradhten. Eine genauere Angabe wird ih ſchwerlich
machen lafien, da Jakob wahrſcheinlich an den Materialien
längere Zeit gejammelt und wiederholt Nachtragungen ge=
macht hat.
Wichtig ift das Werk Jakobs als Sammlung päpftlicher
Privilegien. Mehr als zwanzig!) Konvente feine Ordens
des In- und Auslandes haben ihm die Materialicn gelie-
fert. An vielen Stellen wird er auf feinen großen Reifen
jelbjt gefammelt haben: jo, wenn wir neben ein paar Papſt—
urkunden Florenz, Piſa verzeichnet finden. Es wäre wenig:
tens auffallend, daß er von andern ausländiichen Klöftern
gar feine Nachrichten bringt, wenn wir bieje fremden zwi—
jhen lauter deutfhen Namen nicht einem äußeren Anlaſſe
zujchreiben wollten. Bon andern Orten wurden ihm Ab-
ſchriften zugefandt; noch liegt der Handichrift ein Zettel mit
Kopie einer Urkunde Honorius IV. von unbefannter Hand
bei, auf die Jakob den Namen Wartberh (Warburg) ge—
ſchrieben; ferner ein Sertern eingeheftet mit der Rückſchrift:
Privilegia, que habentur in conventu Herbipolensi mit
der „sahreszahl 1405, in welchem 45 Originale, 20 Vidimus,
2 Raijerprivilegien verzeichnet ftehen. „Et sic non reperi
plura“, jchreibt der Berichteritatter.
Bei dem großen Sammeleifer Jakobs, und weil er ftets
zwiſchen Originalen und Abſchriften genau unterjcheidet,
dürfen wir nad) dem Ergebniß jeiner Nadhforihungen wohl
den Stand der um 1400 noch vorfindliden Originale von
päpftlihen allgemeinen Brivilegien für feinen Orden in
Deutichland beurtheilen. Er verzeichnet nun nicht weniger
als 125 Privilegien des 13. Jahrhunderts, die unter dem
von ihm erwähnten Datum gänzlich unbekannt find. Dieje
2) Die Zahl 270 im Weftf. Urkb. V. (Papfturfunden) ©. IX ift natür»
lih ein Drudfehler.
197
Thatſache gewährt einen neuen Einblid in die überaus große
Thätigfeit der päpftliden Kanzlei des 13. Jahrhunderts.
Auf die Wichtigkeit des Umftandes für die päpitliche Diplo:
matif, daß ein und daſſelbe allgemeine Privileg für ver:
Ihiedene Klöfter zu verjchiedenen Zeiten ausgejtellt wurde,
babe ich an anderer Stelle hingemiejen.!)
Während die Bullen allgemeinen Inhalts wohl ſämmtlich
befannt find durch das große Dominifaner-Bullarium von
Ripolli, können die wenigen, an Einzelperjonen oder In—
ftitute gejandten päpftlihen Dokumente meift al3 ungedrudt
bezeichnet werden, und würde auf fie bei einer zweiten Aus:
gabe von Potthaſt befonders zu achten fein. ch hebe hervor,
daß die jo außerordentlich intereffante Bulle Aleranders IV.
von 1256 Juni 24 an die deutſchen Bilchöfe über die Au—
guftiner-Eremiten: „Recordamur liquide“, welche Potthaft
16427 nur im Negeit fennt, in der Handſchrift Jakobs
p. 126 vollftändig fich vorfindet.
Bon Intereffe für weitere Kreife find Jakobs Mitthei-
lungen über die zwei weftfäliihen Ordensgenerale Jordanus
und Johannes Theutonicus. Ich laffe die Berichte
bier folgen.
Anno pontificatus Honorii 7 et mundi M°CC® 22 ce-
lebratum est tertium capitulum generale Parysius, in quo electus
est frater Jordanis in magistrum ordinis, licet nondum com-
plesset in ordine duos annos et dimidium. Hie ergo fuit
secundus magister ordinis, nacione Saxo de dominio de Dasle in
dyocesi Hildensemensi. Erat autem tunc provincialis Lumbardie.
Hujus temporibus ordo merito et numero multum fuit dilatatus.
Mille fratres et desuper manu sua fertur ad ordinem recepisse et
habitum induisse, Hie litteras primus a capitulo generali misit ad
provincias. Sub ipso fratres primo ad legendum Parysius licenciati
sunt. Et quia doctores egregii multi mox circa principium ordinem
intraverant, duas scolas idem acceperunt. Rexit igitur ordinem
optime annis fere XV dietus magister Jordanis. Et scripsit gra-
1) Die Papfturfunden Weftfalend ©. X.
198
ciosam postillam super apocalypsim. Item super Priscianum minorem.
Item geometricalia delicata. Hie gloriosus pater vita et doctrina
mirabilis ultra mare, quo ad predicandum Sarracenis ierat, et ad
loca sancta visitandum, in portu maris obiit. Nam inundante maris
sevicia suoque impetu galeam, in quo cum duobus fratribus et aliis
90 personis erat, ad litus propellente, pariter cum illis ab hoc seculo
nequam beneficio mortis est ereptus. Quorum dum corpora jacentur
inhumata, ut testantur, qui de ipso naufragio evaserunt, et qui
sanctos propriis manibus sepelierunt, luminaria de celo super illos
singulis noctibus effulserunt; set et eruces multe super illos et a
multis vise sunt. Ad quod miraculum incole loci confluentes tanti
odoris fragraneiam hauserunt, ut juxta testimonium illorum, qui
post visa miracula tres illorum sepelierunt, usque ad X dies odor
nimius ab ipsorum manibus non recederet, set et per sepulture cir-
ceuitum ejus suavitas odoris lacius emanabat, usque quo fratres de
Achon cum barcha venientes illos in ecelesiam suam transtulerunt,
ubi et dietus pater sanetissimus miraculis choruscat multaque multis
beneficia prestat. De hoc patre vide totam 3am partem libri, qui
dieitur vitas fratrum ordinis Predicatorum.
Ueber Johannes bringt Jakob zwei verjchiedene Berichte:
Anno domini Gregorii 9 ultimo, seilicet 14, anno scilicet do-
mini M°CC® 40?) quartus magister ordinis Predicatorum frater Jo-
hannes Theutonicus, quondam episcopus Bosnensis in Ungaria, eleetus
fuit in capitulo generali Parisius. Hie provineialis Ungarie existens fit
episcopus; set cessionem impetravit et post factus fuit provinecialis
Lumbardie et tandem eligitur in magistrum. Set quia renitebat et
episcopali se defensabat excepeione, per privilegium domini Gregorii,
quod tune fratres propter hoe ipsum impetraverunt, quod ineipit:
Cum olim te ab onere pontificali, compulsus est offieium sus-
cipere. Hic vir deo plenus ae in omni virtuti conspicuus fertur
vivus et mortuus miraculis choruscasse, Cumque prefuisset 12 annis
et dimidio migravit ad dominum anno «domini 1253 in conventu Ar—
gentinensi pridie nonas novembris et ob hoc non fuit celebratum
capitulum generale illo anno.
Anno domini 1240 elecetus est Parisius in magi-
strum frater Johannes Theutonicus, nacione Westphalus
de dyocesi Osnaburgensi, metropolis Coloniensis, de
ı) Muß 1241 heißen.
199
oppido Wildeshusen oriundus. Hic predicator egregius
in multis linguis scilicet Teutonica, Ytalica, Gallica et
Latina, multum fructum fecit in diversis partibus pre-
dicando. Propterea fuit multorum cardinalium socer
et penitenciarius in legationibus pape Et cum esset
prior provincialis, in Ungaria factus est episcopus Boz-
niensis, set postmodum propter multam ınstanciam op-
tinuit a domino papa Gregorio cessionem et nulla pro-
visione retenta ad fratrum humilitatem est reversus,
manens inter illos, tamquam unus ex illis. Factum
est autem postea provincialis Lumbardje et postea
magister. Qui licet invite assumeret, in diebus istius
ordo multum est sublimatus et roboratus in diversis
et magnis privilegiis a curia concessis,. Sub eo etiam
factus est dominus Hugo cardinalis et fiatres multi per
diversa loca in episcopos assumpti cum magna tamen
displicencia sua et fratrum, qui vere ordinem diligebant.
Sub eo ceperunt celebrari capitula generalia per diversas
provincias et ipse plures provincias. quam alii magistri
consueverunt, visitavit. Hic tandem in omni sanctitate
migravit ad dominum Argentine provincie Theutonice
anno domini M°CCP53 et sepultus honorifice in ecclesia
fratrum pridie nonas novembris.
Der erite Bericht ilt fait wörtlich, nur mit Umſtellung,
entlehnt aus Heinrich von Herford!), der die Haupttheile wieder
entnommen hat aus Bernard Guidonis und der Brevis
historia ord. Praed. Trotzdem iſt Jakobs Glaborat nicht
ohne Intereſſe, denn durch die fehlerhafte Wiedergabe einer
Stelle in dem großen Sammelmerf von Uuetif-Echard über
die Dominilanerjchriftiteller it eine Entdedung lange Jahre
verhindert worden, die erit in neuelter Zeit auf Ummegen
gemadt iſt. Durch die Forihungen einer Reihe namhafter
2) Edidit Potthast, p. 188.
200
Gelehrter auf dem Gebiete der Mathematik fleht es feit, daß
der mweitfäliihe Ordensminifter Jordanus der größte Mathe-
matifer des 13. Jahrhunderts und einer der hervorragenbiten
des Mittelalters geweſen ift.!) Eifrig ift man jegt mit der
Herausgabe der Werke des Jordanus Nemorarius beichäftigt.
Hätten Quetif-Echard vor zwei Jahrhunderten ftatt gram-
maticalia delicata das richtige in der Hoſchr. ftehende
geometricalia delicata al3 Werk Jordans verzeichnet, jo
wäre die jhöne Entdedung Jahrhunderte früher gemacht.
Die Angabe über den Geburtsort Jordan ftammt, wie
nunmehr feitfteht, nicht aus Jakobs Werk, fondern von Heinrich
von Herford her. Ihm gehört fie nach Potthaſt's Unterfuhungen
eigenthümlih. Die Erledigung der Geburt3ortsfrage bedarf
einer eigenen Abhandlung, ebenjo die Prüfung feiner Herkunft.
Hier fei nur noch hervorgehoben, daß die von Geiberk in
diejer Zeitjchrift?) vorgebrachten Gründe dafür, daß Jordan
ein Padberg ei, nicht ftichhaltig find und daß er fie durch
eine Anmerkung, worin er über den Diebftahl einer Kuh
berichtet, welche Jordans Mutter gehörte, ſelbſt völlig aufhebt.
Während die erfte Aufzeichnung Jakobs über Johannes
Theutonicus inhaltlih und beinahe wörtlich der oben citirten
Duelle entnommen ijt?), vermag ich die zweite vorläufig
nirgends nachzumeifen und fall nicht die Vitae fratrum
Quelle find, bin ich geneigt, Jakob als Autor dieſes Berichtes
anzufehen, befonders auch wegen der nur noch bei Schiphower
in feiner Chronica Oldenburgensium Archicomitum vor
fommenden Nachricht, daß Johannes aus Wildeshaufen in
der Diöcefe Osnabrück ftamme. Diefer Bericht Jakobs ift
vorläufig die beſte knapp gefaßte Lebensgefhichte Johanns.
Hoffentlih bringen die Bollandiften im kommenden Bande
der Acta Sanctorum weitere Auffchlüffe.
1) Bol. Gantor in Allgemeine deutſche Biographie Bd. 14 ©. 501 ff.
2) Bd. XVII, 278.
») Heinrich dv. Herford ©. 19.
201
MWeftfalen darf auf dieſe zwei ihm entſtammenden großen
Söhne des h. Dominikus ftolz fein. Beide verdienten eine
umfajlende, auf wiſſenſchaftlicher Grundlage fußende Bio-
graphie. Eonderbares Geihid! Jahrhunderte lang Fannte
man Jordan und wußte nichts von dem jchönften Edelftein
in jeiner Gelehrtenfrone: aber man kannte ihn und in ge
wiſſem Sinne gehörte er zu den volfsthümlichen Heiligen; das
bemweijen die theilmeile mehrbändigen über ihn erichienenen
populär-wiſſenſchaftlichen und erbaulichen Schriften. Johannes
Theutonicus fannte bis jett niemand: Feine ‚Allgemeine
deutiche Biographie‘, feine jonftige Geichichte nennt ihn, wo
jein Name auftaudt, iſt es Verwechſelung mit dem gleich:
namigen Kanoniften. Und doc gehört jein Generalat zu den
glänzenditen des Ordens; beide, der gelehrte Jordanus und
der ſprachgewandte Johannes haben Unzählige für den Orden
gewonnen, und dem Orden eine außerordentliche Verbreitung
verichafft.
2. Hermann von Schildeſche, primus Westphaliae
insignitus sacrae paginae doctor.
Als ich im vorigen Bande der Zeitichrift (S. 124 ff.)
auf Hermann von Echildefche oder von Weitfalen zuerft hin-
wies, wußte ih noch nicht, daß der Osnabrücker Auguitiner:
Eremit Schiphower !) bereitS vor vierhundert Jahren feinem
Landsmann und Ordensgenoſſen ein litterariſches Denkmal
gejegt Hatte. Schiphower benugt ein jedes Kapitel feines
Werkes dazu, um ein Verzeichniß der bedeutenditen Männer
feines Ordens ſowie ihrer Schriften anzufügen. Da ihm für
derartige Mittheilungen in jeinen Ordenstonventen reicheres
verlornes Material zu Gebote ftand, find wir vielfach ge:
nöthigt, feine diesbezüglichen Notizen als Quellen eriten
2) In feiner Chronica Oldenburgensium Archicomitum bei Meibom
Rer. Germ. script. II, 158 f.
202
Ranges zu benußgen. Er hat uns 3. B. das vollitändigite
Berzeihniß der Schriften Dietrich Vryes erhalten und jo
wilfen wir über manches Werk feines DOrdensgenofjen Her:
mann von Schildejche nur durch ihn. Die Stelle lautet:
Quartus fuit egregius sacrae theologie doctor ma-
gister Hermannus de Schildis de conventu nostro Össen-
burgensi. Pro quo concludo primum theologicum West-
phalicum habuit Ossenburgensium conventus ordinis
fratrum Eremitarum. Probo, quia ille fuit praenomi-
natus reverendus magister Hermannus hujus conventus
alumnus. Patet hoc per eundem magistrum reverendum
in sermone facto coram clero Ossenburgensi, qui in-
eipit: „principium in Osee“, ubi pro gloria ecclesiae
OÖssenburgensis introduxit, quomodo ibidem per Karolum
magnum utriusque linguae, Graecae scilicet et Latinae,
studium fuerit institutum; consequenter infert nihilo-
minus totius Saxoniae, excepto venerabili Hugone de
s. Vietore, qui, si Saxo fuerit, quod ibidem non decla-
rat. tamen totius Westphaliae se primum insigni-
tum sacrae paginae doctorem pronunciat. Secundo
propter hoc idem nostro ex martyrologio, ubi, dum
mentio de magistro praedicto fit, sie scribitur: quem
noster conventus in Christo genuit. Tertio magna oc-
casio vel indicium veritatis pro nostra assertione ex
donatione librorum suorum valore ducentorum floreno-
rum. Idem reverendus pater et doctus vir ad multorum
eruditionem haec, quae subjecta sunt, edidit opera. In
primis videlicet super primum sententiarum commentum
dignissimum. De materia canticorum volumen unum.
Super cantica canticorum magistralem expositionem.
Expositionem duplicem dominicae orationis. Expositionem
devotissimam super Ave Maria. Breviloquium de ex-
positione missae. Manuale sacerdotum perpulcrum. De
quatuor sensibus sacrae scripturae compendium. Hexa-
203
meron duplex. De vitiis capitalibus librum unum. Glau-
strum animae librum unum. De conceptione immacu-
lata virginis tractatum pulcerrimum contra stolidam et
amaram opinionem Jacobitarum. De modo studendi
librum unum. Introductorium juris. Collationes prae-
dicabiles per anni circulum. Super librum rhetoricorum
commentum divinissimum. De quinque sensibus trac-
tatum unum. De vera et falsa amieitia librum unum.
De compensatione orationum dominicarum cum oratio-
nibus canonicis librum unum. Super deeretalem: Omnes
utriusque sexus. Super genesin postillam. Gontra errores
flagellatorum tractatum. Contra magistrum Conradum
de comparatione missae tractatum. Sermones praeterea
multos ad populum edidit, sed et multae exstant quae-
stiones. De mansionibus librum unum. Seripsit insuper
X praecepta. Gaude Ossenburgica tali ac tanto viro
decorata! Gaude conventus Eremitarum, a quo lumen
tam praeclarum primum scintillavit. Sed ad propositum
redeundo praefatus doctor primus Westphalicus decessit
anno domini MCCCLI in pestilentia illa magna.
Ueber Hermann v. Schildeſche läßt ſich nunmehr feit:
jtellen:
1. Hermannus de Schildis (Schilder, Schildicz),
Hermannus de Westualia und Hermann von Schildejche
find ein und diejelbe Perjönlichkeit. Als Verfaſſer des oben
erwähnten „wunderſchönen“ Manuale sacerdotum wird bald
Herm. de Schildis, bald H. de Westualia genannt.!) Die
Beilegung eines ſolchen allgemeinen Namens erfolgte bei
DOrdensleuten vielfach dann, wenn fie aus einem Ordenshaufe
ihrer Provinz in fremde Gegenden verjegt wurden. Die
Erziehung Hermanns im Osnabrücker Konvente läßt auf
wejtfäliiche Abftammung ſchließen: einen Schildis ähnlich
2) Zeitihr. Bd. 45,1, 126 Anm. 1.
204
Hingenden Namen außer Schildeiche bei Bielefeld gibt es
aber nicht. Zudem lernen wir aus dem im vorigen Jahre
edierten Hamelner Urkundenbud in Hermann von Schildejche
eine bedeutende Berfönlichkeit des Gremitenordens fennen.
2. Hermann von Scildejche genoß feine erjte Ausbil:
dung im Osnabrüder Eremitenfonvente. Er wird im Mar—
tyrologium des Kloſters als Zögling deijelben erwähnt und
vermachte ihm jeine werthvolle Bücherfammlung. Wahrſchein—
lih it er zu Ende des 13. Jahrhunderts geboren, da er
in den Jahren 1328—1330 als Lektor im Eremitenklofter
zu Herford erjcheint. Zwei „jahre jpäter wird er bachala-
rius s. theologie genannt; jein Lektoramt hatte er nieder:
gelegt. Zu Ende 1337 nennt er ſich Provinzialprior der
Auguftiner-Eremiten und PBrofefjor der Theologie. Wie lange
er das Priorat bekleidet, vermag ich nicht feitzuftellen, auf
jeden Fall war acht Jahre ſpäter Jordanus PBrovinzialprior.
In feinen jpätern Jahren erjcheint er in Beziehungen zu
Süddeutichland: er dedicierte ein Werk dem Biſchof Friedrich
von Bamberg, lebte und jtarb im Dominifanerklofter in
Würzburg. Sonjt wird al3 Todesjahr 1357 angenommen,
Schiphower jchreibt 1351. Ein Irrthum war durd Ber:
wechjelung der beiden Ziffern leicht möglich. !)
3. In einer Anſprache, die Hermann an den Dsnabrüder
Glerus gehalten, hat er ſich jelbit al3 den eriten insignitum
sacrae paginae doctorem genannt, fall3 man den berühmten
Theologen Hugo von St. Biltor, dejjen ſächſiſch-weſtfäliſche
Abftammung von einigen angenommen wird, ausnehme. Die
') Belege hierfür: Schiphower a. a. D. Meinardus, Hamelner Ur:
fundenbuch I, Nr. 234, 235, 263, 363 wird Hermann v. Sch. Lektor
in Herford genannt; 1333 (Nr. 273) Gottfried Lektor; 1332 (Nr.271)
H. de Schildesen bachalarius; 1337 (Nr. 325) Provinzialprior.
Der „Heinrich“ von Schildeſche Provinzialprior 1337 (Nr. 321)
wohl ein Irrthum, vielleicht fchon der Kopie; 1345 (Nr. 395) Sor-
danus Propinzialprior, Im übrigen vgl. Zeitſchr. Bd.45.1, S. 128.
205
Richtigkeit der Behauptung wird ſich ſchwerlich feſtſtellen
laſſen; dafür ſpricht, daß das Doktorat der Theologie um
dieſe Zeit dem Beſitzer noch ein ſo bedeutendes Anſehen ver—
lieh, daß ein Ereigniß, wie die Verleihung deſſelben, weithin
bekannt und nicht ſo leicht vergeſſen wurde. Dazu vergleiche
man folgende Notiz: Am 9. Juni 1338 ſchreibt Johann von
Verden an Ditmar, Kaplan des Erzbiſchofs Baldewin von
Trier, Neuigkeiten vom päpſtlichen Hofe in Avignon, insbe—
ſondere über die Geſandtſchaft deuiſcher Biſchöfe behufs Aus—
ſöhnung Ludwigs von Baiern mit dem ‘Bapjte.!) Die drei
Sejandten waren: Graf Gerlah von Nafjau, der Bilchof
von Chur und frater Hermannus de Westfalia ordinis
sancti Augustini, novus doctor in theologia. Ich
glaube, diejer Auguftiner-Eremit Hermann von Weſtfalen ift
unfer Hermann von Scildeihe und hat jeine Promotion
wahricheinlih an der Kurie jelbit jtattgefunden; ich würde
nicht anftehen, das mit volliter Beſtimmtheit zu behaupten,
wenn nicht die Bezeichnung „Profeſſor der Theologie”, die
er nah Meinardus jich ſchon im Dftober 1337 beilegt, ei:
nige Bedenken böte. Die Richtigkeit diejer Anficht zugegeben,
haben wir einen interefianten Beleg dafür, wie jehr Hermann
von Scildeihe in den höchſten deutichen Kreiſen geichägt
wurde.
Hermanns Werke waren viel verbreitet; ich kenne vor:
läufig Handigpriften in Münfter, Wien und Rom und hoffe
jpäter über einige derjelben berichten zu können.
1) Böhmer-Fider, Acta imperii selecta, Nr. 1046.
IX.
J
Miscellen.
Die Margaretenfapelle in Miünfter.
Don
9. Hohgraefe, stud. phil.
(Sin ſchönes und edles Ausjehen gewährten im Mittelalter die etwas
größeren Städte jchon dadurd, daß ſelbſt ihre entlegenften Teile
Kunjtbauten, namentlich reich gezierte Gotteshäujer hatten. Diele
find größtenteild den verflahenden Anjchauungen der Neuzeit zum
Opfer gefallen; und um jo mehr follte man die wenigen Refte, die
nod vorhanden, in ihrem gefhichtlihen Werte würdigen, mit aller
Sorgfalt erhalten und wieder injtandjegen, Von den Kapellen, welche
einjt die Stadt Münſter bejaß, jtehen in ihrer mittelalterliben Baus
weije noch die Sohanniterfapelle auf der Bergſtraße, die Kirche der
Georgskommende und die Margaretenkapelle; dem kirchlichen Gebrauche
find alle drei Kapellen entzogen und erftere auch in ihrer alten
Einrichtung entitellt.
Die Margaretenkapelle liegt in der Nähe des Domes in dem
Gäßchen, welches an der Südjeite des Domplatzes parallel mit der
Pferdegaſſe läuft und zur Zeit der MWiedertäufer nad) der Marga-
retenfapelle „Margaretenweg“ genannt wurde. !) Die erite Urkunde, 2)
in welder fie erwähnt wird, jtammt aus dem Sabre 1255.
Kerjienbroid meint bejtiimmter,?) die Kapelle jei von der adligen
Matrone Odinga von Büren gejtiftet, mit reichen Ginkünften be:
ichenlt und der hl. Margareta geweiht worden. Dann habe die
Stifterin ihre Gerechtſame, die fie an der Kapelle hatte, an das
Domkapitel übertragen, ihrer Famille aber die Machtvolllommenheit
1) v. Kerjienbroid, Seid. d. Wiedertäufer, deutſch 1771 ©. 185 in der
Geſch. zum 3. 1535.
2) MWilmans, Weit. Urfob. IIT, Nr. 590, 790 (1267), 548 (1268).
) a. a. O. S. 43.
207
vorbehalten, die Stiftungsbenefizien zu vergeben. Nun erfahren wir
auf anderm Wege !), daß nach einem Inventariſatione-Inſtrumente
vom 8. Oct. 15585 noch eine Abfchrift über eine Schenkung der
Stifterin Ddinga von Büren vom J. 1369 vorhanden gewejen
ift, worin fie zum Nectorate der Margaretenfapelle eine Wieſe auf
der Beerlage, die „Bure“ genannt, verwendete. Beide Duellen
meinen biejelbe Stiftung der Odinga v. Büren vom J. 1369;
die Urkunden zeigen dann aber, daß Kerfienbroid in feiner Angabe
oberflählih ift, indem Odinga v. Büren der Sapelle nur reiche
Stiftungen vermacht hat, deren Perleihung fie ihrer Familie vorbe:
bielt. m J. 1255 ftand tie Kapelle alfo Schon, und diefes Datum
fteht durhaus nicht im Miderfpruche mit der Verehrung der hl.
Margarete überhaupt, welche vereinzelt vor den Kreuzzügen ſchon
vorfam.?) Wenn fomit die Stiftung der Kapelle im 13. oder gar
im 12. Jahrhundert ftattgefunden hat, jo ſteht jedoch die jetige
Kapelle im Baujtile des 15. Jahrhunderts da. Die Urkunden ?)
berichten und denn auch von einem Neubaue derjelben im %. 1464,
welcher danı 1503 eine Rejtauration erfuhr.
Tie Kapelle ift ein einihiffiger Bau, der aus zwei kreuzge—
wölbten Feldern und einem fünfjeitig aus dem Achte geſchloſſenem
Chore bejteht.*) Die Strebepfeiler find im ganzen regelmäßig, nur
dadurd weicht der Bau für die jpäte Zeit von der Regel ab, daß
die beiden weſtlichen nicht übered, jondern in der Querachſe jtehen,
und jo möglihjt wenig in den Fußweg vorjpringen. Der jüdliche
davon trägt einen Thorbogen von der Kapelle nad einem Haufe bin,
der, aus demielben Material mit der Kapelle erbaut, dem Pfeiler
’) aud dem Manuscripte des verjtorbenen Appellationsgerichts-Präfidenten
v. Olfers über die Margaretentapelle, das Tibus in feinem Werke,
Die Stadt Münfter, Münfter 1882. ©. 70 anführt.
2) Kampſchulte, Die weit. Kirchenpatrocinien, Paderborn 1867. ©. 157.
Zibus a. a. O. ©. 74.
2) Geſch.Quellen des Pistums Münfterl, ©. 321 Zuſatz b: In diesen
1464 jahr ist die capellen s. Margareten gebawet, aber hernacher
verfallen und anno 1503 per Bernardum Melschede decanum re-
staurirt worden.
9) Die Mahe der Kapelle find nicht bedeutend: Die Länge des Baues
ift 8m 30cm, die des Chores 4m 30cm, aljo die Länge der ganzen
Kapelle 12 m 60 cm, die Breite beträgt 7 m 20cm, der Höheicheitel
des Quergurted 8 m 30 cm.
208
ale Stütze dient, folglih dem Baue der Kirche gleichzeitig ift. Die
5 Fenſter de3 Langbaues, wovon 2 vermauert find, haben das in
der jpätgotifchen Zeit gebräuchliche Fiſchblaſenmaßwerk, während Die
Chorfenfter mit dem in der früheren Periode der Gotik gebräudh:
lihem Maßwerke, dem Wierblatt verfehen find. Das Vierblatt ijt
aber gleichzeitig mit dem Fiſchblaſenmaßwerke in diefer Kapelle ver-
wendet worden, denn das Profil fämmtlicher Fenjter ift von dem:
jelben einfachen und ſchlichten Schnitt. Von den beiden Gingängen
ift der füdliche vermauert, der an der MWeitjeite verhältnismäßig
dürftig ausgebildet. Alle übrigen Stilzuftände find edler und jchöner.
Die Gewölbe find, wie es der Gotik des Münfterlandes eigen ift,
außerordentlich leiht und ſchlank emporgezogen; die Rippenjtügen,
nämlih Sonfolen!), find mager profiliert und mit einem für die
Zeit ſchönem Laubwerke bekleidet. Die Rippen zeigen ein zwar
Ihmädhtiges, aber in Gliederung noch klares Birnenprofl; ähnlich
die Profile an den Fenftern und Gefimfen. Gurt: und Hauptge—
fims haben den gewöhnlichen gotifchen Profilfchnitt. Dieje ganzen
Stilharakteren, wie wir fie jegt erkannt haben, ſowie das Material
des Baues jtimmen volllommen zu dem Datum des Neubaues, das
uns die Quellen überliefern. Als Bauntaterial diente für die Ge:
fimje und Ginfafjungen der Bruchſtein, für die Füllungen und Ge:
wölbe der Ziegelftein, der hier zu Lande erjt im fpäten Mittelalter
gebrannt und verwertet wurde.?) Im Jahre 1503 ?) wurde ron
dem Domdechanten Bernard von Mejhedet) eine Reftauration ber
1) Die Kämpfer der Konfolen befinden ſich in einer Höhe von 4 md cm,
2) Nordhoff, Holz. und Steinbau Weitf. 1874 ©. 431: Die Vadftein-
ardhitectur ift 1222 hier nod) vereinzelt.
3) Ic) habe in der Inſchrift jowohl das Jahr 1503 ale auch 1504 ge»
lejen, da dieſelbe beſonders an dieſer Stelle verwilcht ift; ich nenne
jedod) 1503 das Jahr der Reftauration der Kapelle, weil die älteren
Urkunden diejes haben.
B. v. Meichede war 1435 Priefter, 1459 Domherr, 1488 Domjcho-
laiter, 1495 Domdedyant zu Münfter (Fahne, Die Dynastentv. Bocholtz.
Köln 1859.).
Bernardus de Meschede, huius (Monasteriensis) ecclesiae De-
canus, obiit MDIII, Novembris die XIX und wurde neben feinen Bruder
Cratho de Meschede, huius ecclesiae Canonicus (+ MCCCCLY) auf
dem jog. Vilarien-irchhof begraben (S. Epitaphium auf einem dreiedigen
Stein, der in einen der Strebepfeiler auf der Nordfeite des Domes einge
fügt iſt.). Tibus, Domtkapitular.
209
Kapelle vorgenommen, wie und eine Inſchrift über der an der
Süpdfeite befindlichen, jest vermauerten Thür jagt; diejelbe lautet:
An(no) MCCCCCII (folgt das Wappen de3 B. v. Mejchede:
ein Sparren) Bernard(us) de Melschede !) decan(us) hoc
te(m)plu(m) restituit.
An Skulpturen ift leider nichts mehr erhalten, als die Schluß:
fteine der Gewölbe. Der Schlußftein de3 Chorgewölbes ijt mit dem
Wappen der Familie von Meſchede verjehen, das ficherlich bei der
Reitauration der Kapelle dort angebradt iſt; der Schlußitein des
mittleren Gemwölbes trägt das Bild der hl. Margarete mit dem
Kreuze in der Hand hinter dem Drachen jtehend, während der nod
übrig bleibende Scheitel des dritten Gewölbes ohne Schlußitein ift.
Von der gewiß ſehr reihen einjtigen Ausftattung der Kapelle findet
ih Heute nicht mehr vor, ebenjowenig, wie vow dem Türmchen,
welches früher das Dad Frönte.?) Nur von der früheren Malerei
bliden nod bie und da ſchöne Mufter durch den Half, mit dem die
Wände jegt beworfen jind, hindurch. Bemalt wurde die Kapelle
entweder bei dem Neubau, oder fur; vor dem %. 1581. Denn
wir willen), daß die Margaretentapelle vor 1581 Altartafeln be:
aß, welde von einem geſchätzten Renaijjance-Maler gemalt waren.
In den Grecutorial:Acten Bitterd von Raesfeld (+ 1581) tritt
nämlih einmal ein Maler M. Yohann Molthaver, dem ein gleich
zeitiges Monogramm oder gar ein Farbenwerk treffend noch nicht
zugejchrieben werden kann, auf mit Sorderungen wegen der erwähnten
Altartafeln, Es läßt fih aljo vermuten, dab bei der Beihaffung
der Altartafeln die Kapelle zugleich bemalt wurde.
2) Melichede und Mejchede ijt der Name ein und derfelben Familie, denn
das Wappen der Infchrift ift das der Familie von Meſchede.
*) Tibus a. a. D. ©. 75,
) Nordhoff in Prüfers Archiv F. kirchliche Kunſt (1886) X, 13, 14.
XLVI. 1. 14
210
Die Sirtusfajel in Breden.
Don
Kaplan Fr. Tenhagen.
In Vreden iſt noch jetzt die Sage lebendig, daß der Hl. Papſt
Sirtus einſt dahin gekommen ſei; das Meßgewand, welches
er dort gebraucht, werde immer noch zum Andenken an ſeine An—
weſenheit aufbewahrt.) In der Stiftskirche zeigte man thatſächlich
bis vor wenigen, Jahrzehnten dieſe angebliche, ſehr alte, gothiſche
Sixtuskaſel; gegenwärtig ſoll fie im biſchöflichen Muſeum zu Münſter
ſich befinden. Intereſſant iſt nun, daß dieſelbe Sage bereits in einer
Urkunde vom 3. Okt. 1485 vorkommt, einem notariellen Aktenſtück,
welches die Nachweiſung des höhern Alters und des Vorranges der
Stiftskirche vor der ſogenannten Pfarrkirche für einen römiſchen
Prozeß zum Zweck hatte. Die betr. Stelle lautet in einer nicht
viel jpätern Überſetzung:
„Item op sunt Sixten des pawest und martelers dag werd mit
groter solemniteit ein misse gedan van den pastor der grafinnenkerke
op sunt Michels altar in ein missewand, welk sunt Sixt dar leet, als
hi aldar die vromisse deede und op den selven dag die homisse durch
grot mirakel deede binnen Romen. Na gedaner misse werden die
broden und bomfruchten gesegent, die den graffinnen, enonniken,
und die dar mit to horen, utgeldeilt.*
Auch Nünning in jeinen handſchriftlichen Nachlaß, deſſen Be:
nußung Herr Rittmeifter von Zurmühlen mit großer Freundlichkeit
mir gejtattet bat, erwähnt die genannte Kajel, Zuerſt jagt er,
Michael ab Isselt?) gebe an, daß „das Meßgewand, in welchem
der 5. Heribert (Erzb. + 1021) bejtattet wurde, von runder Form
und ganz, nirgends offen, nur mit drei Öffnungen (Löchern) für
Kopf und Arme verjehen gewejen ſei“, und dazu bemerfe beatus
1) Zum eritenmale erwähnt nad) meinen Angaben Weſtfäl. Urkb. V
(Bapfturfunden), Nr. 2.
2) Historia belli Coloniensis, p. 321.
211
Mallinckrotius in einem Buche, das er bei der Auktion der
Bibliothef deſſelben erworben habe:
„Videndum, an non in hoc erret auctor; nec enim nisi uno
foramine pro capitis exertione antiquitus fuerint rotundae istae
casulae, qualem viderit in templo collegiali Vredensi
anno 1633.*
Dann hebt Nünning hervor, daß beide Formen bei den alten
Mefgewändern vorfämen und fügt hinzu:
Casula vero unico foramine contenta, qualis s, Sixti Vredensis
est, utroque brachio a terra levatur, ita ut ante et retro tegendo
corpori suffieiat, qualis figurae episcoporum sive stantiunf sive in
eathredris sedentium icones in sigillis — repraesentantur. Vredensis,
ut hoc addam, hososerica est, rubei coloris et tantum non attrita;
pontificali hoc indumento tota Westphalia e vestiario thesauro
nec aetate antiquiorem nec digniorem veneratione possidet. Utinam
instrumentorum fides tandem nos doceat, cuius beneficio aut quo
aevo tantum devotionis pignus lipsanothecam ecclesiae Vredensis
exornet. Ipsam casulae figuram lector contemplari non pigretur.*
Der legteren Aufforderung Nunnings nachzukommen, wird
hoffentlich bald nad ertigitellung des Katalogs der Altertümer des
biſchöflichen Muſeums ermöglicht werden. Was den anderen Wunſch
nah Aufklärung über den Urfprung der Vredenſchen Kafel aus Ur:
funden betrifft, ift derjelbe leider auch jetzt noch nicht erfüllt und
wird e3 wohl niemald werden. Mit der Frage, wie die Sage von
einer Anweſenheit des Papites Sirtus in Vreden aufgelommen jei,
ftehben wir vor einem Rätſel. Sollte nicht vielleicht die Nachricht
einigen Anhalt bieten fönnen, dab im J. 839 die Reliquien der
bb. Felizitad, Agapitus u. Feliziſſimus nad Vreden gebracht wurden,
welch legtere heilige Perſonen befanntlih in naher Beziehung zu
Papjt Sirtus ftanden? Und fönnte dann nicht die Anweſenheit
eines fpäteren Papftes (Leo III.) in Meftfalen nit den Anlaß
zu einer unabfichtlihen Verwechſelung gegeben haben.
Angefügt ſei no eine andere Vredenſche Sage, daß nämlich
auch Karl der Große eine Zeitlang jih in Vreden aufgehalten und
dort eine Burg errichtet habe. Die Kellergewölbe der Burgruine
jeien noch ein Reft jenes erjten Baued! Daß man in Vreden dies
ihon lange geglaubt hat, bemeift eine Inſchrift an der genannten
Burg:
„A Carolo Magno sum structa, sed a Reinaldo 1337 destructa;
— resurgo anno 1699.“
14*
212
Dennoch iſt es wohl außer Zweifel, daß an Stelle diefer 1398
vom Biſchofe Dtto IV, erbauten Burg nicht ſchon früher eine ſolche,
vielmehr ein Stadtthor, die „‚lüntener Porte“ (urkundlich nod 1366
genannt) geitanden Hat. Hat aljo Reinald von Geldern 1324
(nit 1357) mit der Stadt welde drei Tage lang gebrannt haben
foll, auch eine Burg (castrum) zerftört, jo wird diefelbe an einer
andern Stelle geitanden haben. Nah jener Zerftörung Vredens
muß aucd eine Berlegung der Stadt vorgenommen fein, denn ein
größerer Kompler von Gärten weitlih, dicht an der Stadt, beißt
feit Mitte des 14. Jahrh. die „olde Stadt”.
IX.
Chronif des Vereins
für
Geihichte und Alterthumsfunde
Weſtfalens.
Abtheilung Münſter.
—_ REF ——
Den Boritand des Vereins bildeten auch im abgelau-
fenen Jahre die Herren:
Domfapitular und Geiftl. Rath Tibus, Director.
Kaplan Dr. Galland, Secretär und Bibliothefar.
Profeſſor Dr. wen |
Conſervatoren des Mufeums
Landarmen= Director der Alterthümer.
Plaßmann,
Goldarbeiter Wippo, Conjervator des Münzkabinets.
Kaufmann B. Nottarp, NRendant.
Bon den Vereinsmitgliedern find feit Veröffent-
lihung des legten Berichtes gejtorben die Herren:
1.
. Brejjon, Pfarrer, Marl.
. Hundt, Photograph, Münditer.
. 5 W. Haute, Kaufmann, Müniter.
. Theodor Lünnemann, Domlapitular, Münfter.
. Heinr. Theijfing, Rentner, Münſter.
nm Gm a 0
Berger, Pfarrer, Geſcher.
a ED
Ihren Austritt erklärten die Herren:
. 5. Hoeter, Kaufmann, Müniter.
. Freiherr Mar v. Korff zu Harkotten.
3.
4.
214
Dr. Boigt, Hamburg.
Weſtarp, Pfarrer, Dingden.
Aus der Münfterrihen Abtheilung trat in die Bader:
borner über:
Herr Freiherr v. Dalwigk, Lieutenant, Stettin;
Dagegen aus der Paderborner Abtheilung in die Münſter' ſche:
Herr Rodehüjer, Eijenbahnjecretär, Miüniter.
Als neue Mitglieder wurden in ben Verein aufge-
nommen bie Herren:
. Breffon, Pfarrer, Marl.
. Dr. of. Hanfen, Königl. Archivaſſiſtent, Münfter.
. Heitmann, Regierungsafjeffor, Münfter.
. B. Hertel, Negierungsbauführer, Münfter.
. 5. Hertel, NRegierungsbauführer, Müniter.
. Himly, Oberpräfidialrath, Münfter.
. W. Hüffer, Kaufmann, Münfter.
. Th. Kayſer, Rentner, Müniter.
. Dr. Georg Lugge, Gymnaftallehrer, Münſter.
.v. Mitſchke-Collande, Rittmeifter, Münfter.
. Aug. Naumann, Regierungsrath, Müniter.
. Dr. Ant. Bieper, Convictspräjes, Müniter.
. Dtto Plaßmann, Afejlior, Münfter.
. Schr. v. Rhemen, Lieutenant, Elbefoftelet in Böhmen.
. Wilh. Ringenberg, Mifionspfarrer, Stadthagen.
. Stanz Rump, Pfarrer, Bocholt.
. Dr. Salzmann, Arzt, Müniter.
. Freiherr v. Schenk zu Shweinsherg, Regierung®-
rath, Münſter.
. Beter Schneider, cand. phil., Münfter.
. Dr. Schulz, Reg. und Schulrath, Münfter.
. Spude, Yandrath, Bochum.
. Ferd. v. Stodhaujen, Lieutenant und Adjutant,
Müntfter.
215
23. Gottl. v. Stodhaujen, Hauptmann u. Compagniedef,
Münſter.
24. E. Wiemann, Fabrikant, Warendorf.
25. Wilhelmi, Regierungsbaumeiſter, Münſter.
Die Mitgliederzahl ift demnah um 15 geſtiegen und
beträgt gegenüber 342 im vorigen Jahre augenblidlih 357.
Die erfreulihe Thatjache des itetigen Wahsthums des
Mitgliederbeitandes dürfen wir wohl mit der regjamen und
im abgelaufenen Jahre noch gefteigerten Vereinsthätig—
feit in einigen Zujammenhang bringen. Die üblichen
Sigungen des Vereins während des Winterjemefters wur:
den von den einheimiihen wie auch von auswärtigen Mit-
gliedern jehr rege beſucht. Folgende größere Borträge
fanden ftatt:
am 15. December v. 3. vom Herrn W. Effmann
über „die Grabftätte des hl. Ludgerus in Werden
0: d. Ruhr“;
am 12. Januar d. J. vom Herrn Vereinsdirector
über den „Michaelsplatz in Münſter“;
am 26. Januar d. %. von den Herren Privatdocent
Dr. Joſtes und Dr. Effmann über vorgenommene „Aus:
grabungen am Teutoburger Walde, im alten
pagus Suderbergi (Amtes burg);
am 9. Februar d. 3. vom Herrn Ardivar Dr. Theod.
Ilgen über „das Königreih Weitfalen, jeine Eon:
ftitution und Einrichtung“;
am 23. Februar d. 3. vom Herrn Bereinsdirector
über „die Curien am Domhof in Münfter”;
am 8. März d. J. vom Herrn Ardivafiiitenten Dr. Joſ.
Hanjen über „die Spefter Fehde (1444—1449)’;
am 22. März d. J. vom Herrn Vereinsdirector
über einige topographifhe und geſchichtliche Merkwürdigkeiten
der Stadt Münfter.
216
Auch über die auf Anregung oder im Auftrage des
Vereins in Angriff genommenen wijjenihaftliden Ar—
beiten können wir recht Erfreuliches berichten.
Die im legten Jahresbericht angekündigte neue Samme
lung: „Quellen und Unterfuhungen zur Gejhidte,
Kultur und Litteratur Weftfalens, herausgegeben
vom Berein für Geſchichte und Alterthumskunde Weſtfalens“
ift inzwiſchen erſchienen und durch eine ftattliche Publication:
„Daniel von Soeſt“ von Dr. Joſtes eröffnet worden.
Der zweite Band der genannten Sammlung: „Die
Karolingiih:zottoniihe Baufunft in Werden und
Corvei von Wild. Effmann“ befindet ſich unter der Preffe.
Für dieſelbe Sammlung bat Herr Gymnafiallehrer
Dr. ©. Lugge die Beröffentlihung der Lehensregilter der
biſchöflichen und ſtiftiſchen Curien auf Grund der ältejten
Lehensbücher übernommen. Mit der Bearbeitung der Münfter:
ſchen Lehensregifter, jpeciell der Lehensbücder des Florenz
von Wemwelinghoven ijt bereit3 begonnen worden.
Bon den „Weitfäliihden Siegeln des Mittel-
alters“ ijt das zweite Heft der zweiten Abtheilung, die
Siegel der Städte enthaltend, (herausg. von Dr. Tumbült)
erichienen.
Weiterhin erjchien im Laufe des Sommers der erite
Theil des fünften Bandes vom „Weſtfäliſchen Urkunden—
buche” mit dem Specialtitel: „Die Bapfturfunden
MWeftfalens bis zum Jahre 1378, bearbeitet von
Dr. Heinrih Finke, PBrivatdocent an der Kol. Afademie
zu Münfter. Eriter Theil. Die Bapfturkunden bis zum Jahre
1304. Münfter 1888. In Commiſſion der Regensberg’ihen
Buchhandlung.” Der Drud des zweiten Theil fteht im
fommenden Winter zu erwarten.
217
Die Sammlungen des Vereins erfuhren auch in die:
jem Jahre durch Ankauf und Gejchenfe eine anjehnliche Er:
weiterung.
Es wurden verausgabt:
für das Mujeum . . c#H 5558,90
„ die Bibliothef. . c/# 2014,14
„ da8 Münzklabinet. cH# 530,32
Sa. cf 8103,36.
Der Bibliothef wurden u. a. geichenft:
von Sr. Ercellenz dem UOberpräjidenten von Weftfalen
Herrn von Hagemeifter das auf Anregung des Herrn Mi-
nifters der geiftlichen 20. Angelegenheiten herausgegebene
„Merfbuh, Alterthbümer aufzugraben und auf:
zubewahren“ (Berlin, Ernit Siegfried Mittler und Sohn,
1888). Gern millfahren wir dem Wunſche, auch an dieler
Stelle die Vereingmitglieder auf diejes anregende und nüß:
lihe Schrifthen empfehlend aufmerfiam zu machen. Der
Yadenprei3 desjelben beträgt für ein Eremplar in einfacher
Ausstattung 40 Pfennig, in beſſerer Ausitattung 60 Pfennig;
von dem „Gejammtverein der deutſchen Geſchichts- und
AlterthHumsvereine” ein Eremplar der von dem Herrn Mi—
nifter der geiltlicen u. j. w. Angelegenheiten zur Verfügung
geftellten „Kurzgefaßten Regeln zur Gonjervirung
von Alterthümern“ (gedrudt in der Königl. Hofbuch—
druderei, Berlin);
vom Herrn Freiherr G.von dem Buſche, Major z. D.,
die von demjelben zufammengejtellten „Regeiten, Urfun:
den und Stammtafeln der von dem Buſche“.
vom Herrn Dr. Joh. Freeje deſſen Inaugural-Diſſer—
tation: „Die Entwidlung des driftliden Turm:
baues in Deutjhland bis zur gotiihen Periode“
(Münſter 1888);
218
von einem um das Vereinswohl bereits hochverdienten
Mitgliede eine große Anzahl werthvoller Bücher zumeijt ge—
Ihichtlihen, insbejondere auch provinzial: geichichtliden In—
halts.
Für das Münzfabinet wurden erworben:
durch Kauf: 1 Gold:, 69 Silber:, 5 Kupfer: und 1 Zinne
münze;
durch Schenkung ſeitens des Herrn Grafen B. Hatzfeld
(Boniburg), des Fräuleins Hellinghaus (Glandorf),
des Herrn Privatdocenten Dr. Joſtes (Münſter),
der Königl. Regierung (Münſter), der Herren Dom—
kapitular Tibus (Münſter), Kreiswundarzt Dr. Vor—
mann (Münſter) und Kaufmann Berth. Wagner
(Müniter):
36 Silber, 15 Kupfer: und 1 Bleimünze.
Der Vorſtand betrachtet es als angenehme Pflicht, für
die genannten und jonitigen Förderungen der Vereinszwecke
auch an diejer Stelle jeinen herzlichen Dank auszuſprechen.
Dr. Joſ. Galland, Secretär.
Zweite Abtheilung
herausgegeben
vom Director der Paderborner Abtheilung
Dr. €. Slertens.
ALVL 2. 1
J.
Geſchichtliche Nachrichten
über
Stadt und Pfarre Borgholz.
Von
Leopold Grüe,
Pfarrer in Borgholz.
(Mit einer Abbildung der Stadt Borghol;.)
(Schluß.)
g. 10.
Auswärtiger Pfarrbezirk von Borgholz.
1. Eddeſſen und Nieder-Natzungen.
Wir ſtellen dieſe beiden Orte hier zuſammen, nicht bloß,
weil ſie nicht weit von einander entfernt lagen, ſondern des—
halb beſonders, weil ein gleiches Schickſal zu derſelben Zeit
ihren Untergang herbeiführte.
Eddefjen, 1’/, Stunde ſüdöſtlich von Borgholz gele:
gen, wurde bereit? in $. 1. als das alte Adishuſen der
Traditiones Corbejenses erwähnt.!) Es jcheint, daß bort
in frühefter Zeit ein Rittergeichleht jaß, weldes von dem
Orte den Namen führte, wie wenigſtens aus einer urfund-
lihen Nachricht zu erjehen if. In der weiter unten noch
zu erwähnenden Urkunde vom J. 1221 wird nämlich der
miles (Ritter) de Eddessen als patronus der Kirche
genannt. Wichtiger aber iſt, daß Eddeſſen ein alter Pfarr:
ort war. Die ältefte Nachricht über die Pfarrkirche zu
1) Das in der Stiftungäurfunde des Kloſters Willebadeffen vorfommende
Etheifin ift wohl nicht unfer Eddeſſen, jondern jener Ort wird im
Lippiſchen zu juchen fein. Eipp. Reg. I. Nr. 62.)
1*
4
Eddeſſen datirt aus dem J. 1221. In diefem Jahre wurde
da3 Dorf Dalhaufen, welches bisher eine Filiale von
Eddejjen geweien, von feiner Mutterkirche abgepfarrt. Es
Ipricht hierüber eine bejondere Urkunde des Biſchofs Bernard ILL.
von Paderborn, in welcher die Kirche zu Eddeilen deutlich
genug als Pfarrkirche bezeichnet wird, z.B. durch die Worte:
„villa Dalehusen, que prius ecclesie in Edessen jure
parochiali pertinebat.* Für den Verluſt an Einfünf:
ten, welchen die Pfarrkirche durch diefe Abpfarrung erlitt,
jollte Dalhaufen nah Anordnung des Bijchofs jährlich zwei
Mark (natürlid nad alter Geldwährung zu veritehen) an
die Kirche in Eddejlen zahlen.!) Es ift alfo unzweifelhaft,
daß jhon im J. 1221 zu Eddeſſen eine Pfarrkirche beftand,
1) ©. die Urkunde bei Wilmans, Weſtf. U.B. IV, Nr. 98. Das Kloiter
Gehrden hatte Schon in den Jahren 1208, 1210 und 1212 zu Dal-
haufen Grundbejik erworben. (Vergl. die betreffenden Urkunden a.a.D.
Nr. 32, 42 u. 50.) Später wurde Dorf und Pfarre Dalhaufen dem
genannten Klofter gänzlich incorporirt, indem 1305 die Grafen von
Everitein als Weudalherren „das ganze Dorf Dalhaujfen mit dem
Patronatrechte über die dortige Kirche“ und die Herren v. Gundeſen
(oder Gundeljen), welche mit Dalhauſen belehnt waren, in dem—
jelben Yahre die „villa Dalhusen eum universis pertinentiis* dem
Kloiter Gehrden als Eigenthum übergeben; Biſchof Dtto aber gibt
in einer Urfunde aus demſelben Jahre deutlich zu verftehen, zu wel» "
chem Zwede diefe Schenkung gemacht jei, nämlid zur Gründung
eines Nonnenkloftere in Dalbaujen, welches vom Kloſter Gehrben
dependiren ſolle. Alſo Lehnsherr, Vaſall und Biſchof conjentiren.
Bergl. hinfichtlich der betreffenden Urkunden v. Metternich, Beſchrei—
bung des Kreiſes Hörter, ©. 144 und das Gehrdener Copiar, in der
Zeitfhr. Pd. XXXIX, 2. ©. 6ff. (Mr. 3 u. 4) Nah einer Be
merfung von Giefers ſcheint das Kloſter Dalhauſen nicht lange be-
jtanden zu haben, da es jpäter nirgends erwähnt wird, Schaten
(Annal. 11.145) jchreibt über diefe Angelegenheit: Otto episcopus
... parochiam Dalhusanam inter) Borcholt et Beve-
rungen cum proventibus et oblationibus; transtulit ad praepo-
situm Gerdensium virginum.
a
obgleih in dent ältejten Archidiakonats-Verzeichniſſe des Bis—
thums Paderborn aus dem J. 1231 die Pfarre Eddeſſen
nicht genannt wird. In dieſem Jahre berichten nämlich die
von dem päpftlichen Cardinal-Legaten beitellten Viſitatoren
den Erfolg ihrer Thätigkeit in Paderborn, darunter auch die
Eintheilung des Bistyums in Archidiafonate, wobei fie dem
Archidiafonate Iburch zuweiſen: ecclesias Eisnen, Nate-
sunken, Brakel, Volstesen, Herstelle et omnes ececle-
sias, quas modo habet Helmwordishusensis
ecclesia, Herisiam, Wilbodisen cum ipsarum ecclesiis
et capellis.!) Da aber bereits $. 4. Nr. 6. nachgewieſen
wurde, daß die v. Amelunren den Wald und die Feldmark
von Eddefjen zu Lehen trugen vom Klofter Helmarshaufen,
jo ift anzunehmen, dat auch die Pfarre Eddeſſen zu diejem
nahe gelegenen Klofter in Beziehung ftand, und unter den
Pfarrkirchen, welche nad) obigem Archidiafonats:Verzeichnifie
als von Helmarshaujen abhängiq bezeichnet werden, iſt daher
ohne Zweifel die Pfarre Eddeſſen miteinbegriffen. Bekannt—
lich theilt auch Beſſen ein „sehr altes’ Archidiakonats-Ver—
zeichniß mit, freilich ohne Jahreszahl; in demfelben wird
Eddefjen unter den Pfarren des Archidiafonats, welches dem
Gamerarius der Domkirche unterstand, merkwürdiger Weiſe
jogar zweimal genannt.?) Sicher beitand die Pfarre Eddeilen
noch im 3. 1310, da eine Gehrdener Urkunde aus diejem
Jahre einen Bfarrer (plebanus) Hermann in Eddeflen auf:
rührt.)
Nieder: Napungen lag in ſüdlicher Richtung
1, Stunde von Borgholz entfernt. Wollen wir nun über
diejen Ort ebenfalls die älteiten Nachrichten zufammenitellen,
1) Wilmans, Weſtf. U-B. IV, Nr. 204.
2) Beſſen I. ©. 295. Der Camerarius hatte die Juriediction des
Arhidiaconats Iburg, Ipäter Brakel genannt.
3) Gehrdener Eopiar a. a. O. S. 11.
jo iſt zumächit zu bemerfen, daß es auch ein Ober-Natungen
gab, daß diejes das jegige Natzungen ift (ungefähr !/. Stunde
von Nieder-Natungen entfernt), daß aber gerade die älteſten
Nachrichten einen Unterſchied zwiſchen Ober: und Nieder:
Natungen nicht zu fennen jcheinen. In dem Schenfungs-
regilter des Klofters Helmarshaufen findet fi an vier Stel-
len der Ort Niternattejungen genannt, womit vielleicht
Nieder: Napungen als Oſt-Natzungen im Gegenjat zu dem
weitlih gelegenen Ober-Natzungen bezeichnet fein fol. !)
Nakungen ift ein ſehr alter Ort. Schon in der merkwür—
digen Urkunde über Sunrife vom J. 1036 fommt e3 vor.
In der Urkunde, durch welche Biſchof Bruno von Würzburg
fein väterlihes Erbgut Sunrife (curiam quandam in Pa-
derburnensi episcopatu sitam, ex re nomen habentem
Sunrike, id est regnum singulare, quam ex paterna pos-
sedimus hereditate) der Würzburger Kirche jchenkt, verord:
net der Biſchof u. a., dat einem jeiner dortigen Minifteria-
len, Rihbold, und feiner Frau Richeze zwei Hufen in Na:
tejingan gejchenkt fein jollten.?) Sm J. 1185 beftätigt
Biſchof Siegfried von Paderborn einen Vertrag zwiſchen
der Familie Harehufen (Horhujen) und der Abtiſſin Rege-
lindis von Neuenheerje, durch welchen die eritere u. a. zwei
Häufer in Nathejanten nad Lehnrecht empfängt.?) Abt
) S. das Schenfungsregifier bei Wenck, Heſſiſche Landesgeſchichte
Bd. II, U.B. ©. 69, 70 u. 71 (Nr. 99, 104, 115 u. 1193. Den
Namen Aſter-Natzungen habe ich anderswo nicht gefunden. An
mehreren andern Stellen haben dieſe Traditiones Helmarhusanae
das einfahe Nattefungen. Nach Wend’s Meinung ijt das Regijter
um 1120 geichrieben.
2) Wilmans, Weſtf. U.:B. Additamenta Wr. 9.
°) Dajelbit Nr. 69. Im dieſer Urkunde wird auch das benachbarte
Frudenhuſen (Frohnhauſen) genannt. Der urfprünglide Namen
lautete wohl Frodohaus, jowie der Silialort von Frohnhauſen, das
jegige Auenhaufen, aus Odohaus corrumpirt it; beiden Ortsnamen
liegen alſo zwei altdeutiche Namen, Yrodo und Odo, zu Grunde.
7
Thetmar von Eorvey Fauft für fein Stift im 3. 1207
mehrere Hufen Land in Nattefungien zurüd, welche frü—
ber an einen Ritter Conrad und an Udo von Rippoldeſſen
zu Lehen gegeben waren.!) Die Stelle aus dem alten Archi-
diakonats-Verzeichniſſe von 1231, in welchem auch die Pfarre
Natejunten unter den Pfarrlichen des Archidiakonats
Iburg aufgezählt wird, ift bereits mitgetheilt. In den
Jahren 1224/5 und 1232 wird ein Johannes plebanus de
Natesungen erwähnt.?) Im J. 1259 gibt Biidhof Si-
mon jeine Cinwilligung zu einem Tauſche (permutatio)
zwilchen dem Ritter Bertold Schuwen und dem Pfarrer
Johannes von Natkungen.?) Zum J. 1319 findet fich zum
eritten Male der Name Oberen-Natzungen und zum $. 1362
zum eriten Male Niederen- Natungen.*) Es ijt demnach
ihwer zu enjcheiden, welches der beiden Nabungen in den
vorjtehend citirten älteſten Nachrichten gemeint fei; gleich:
wohl ift nach unjerm Dafürhalten Ober-Nagungen, d.h. das
jegige Natzungen überall da zu verftehen, wo von einer
Pfarre oder Pfarrkirche Napungen geredet wird. Denn
Kieder-Nagungen war wohl nur ein Filialort, wenngleich es
in der weiter unten mitgetheilten Nachricht aus dem hieſigen
Kirhenbude als Pfarrort bezeichnet wird. Freilich befand
ih zu Nieder-Nabungen eine Kirche, was ſchon dadurd) be:
wielen wird, daß noch heute ein Platz in der Feldflur, welche
noch immer Nieder-Nabungen beißt, die Bezeichnung führt
„auf der alten Kirche“, wo man auch kirchliche Utenfi-
lien, große Steinplatten und angeblich ſelbſt menichliche Ge:
beine gefunden hat; indeß werden größere Kapellen vom
Volke zuweilen Kirchen genannt, und ausnahmsmweije haben
) Wilmans, Weſtf. U.-B. IV, Nr. 21.
2) Daſelbſt IV, Nr. 137 u. 214. Auch Bd. XXXVII. 2. ©. 108
diejer Zeitjchrift.
3) Fürſtenb. Repertorium. — *) Dajelbit.
8
auch anderswo in oder bei Kapellen Beerdigungen ftattge-
funden. PVielleiht war Nieder-Natungen eine Filiale der
Pfarre Eddeſſen und hatte, weil e8 von der Pfarrkirche eine
Stunde entlegen war, ein eigenes Gotteshaus; vielleicht war
es gar eine Filiale von Borgholz, was darum nicht unmög-
lich ift, weil man den Namen Nieder-Natungen erft zu einer
Zeit antrifft, wo die Pfarre Borgholz Schon längft zu erifti-
ven angefangen hatte; jedenfalls aber ſteht feit, daß die Ein-
wohner von Nieder:Nagungen nach der Zerftörung des Dorfes
in die Stadt Borgholz überfiedelten, und daß daher die
Feldmark des verlaffenen Ortes noch heute zu Borgholz ge=
hört. Muß es nicht auch auffallen, wenn auch Nieder:
Napungen eine Pfarrkirche gehabt hätte, daß in feinem der
alten Ardhidiafonats: Verzeichniffe zwei Pfarren Napungen
aufgeführt werden? Für das andere Natungen als Pfarre
ſpricht aber nicht bloß der Umjtand, daß es noch heute als
jelbitändige Pfarrgemeinde eriftirt; auch ein anderer und
zwar ein architeftoniicher Zeuge ipricht für unſere Anficht,
das iſt der Kirhthurm in dem jetzigen Natungen. Der:
jelbe, ein majiiver Bau von bedeutendem Umfange, hat die
charakteriſtiſchen romaniſchen Schalllöcher, wie fie nur an den
älteften Kirchen Weitfalend vorfommen. Die rundbogigen
Thurmlöcer find durch eine in der Mitte ftehende Säule
mit dem eigenthümlichen Würfelfapitäl gedoppelt und an
zwei Thurmjeiten durch je zwei ſolche Säulen in drei Deff-
nungen getheilt. Wahrjcheinlicd Hatte der Thurm anftatt
der jegigen jtumpf:pyramidalen Spige urſprünglich das eben
jo charakteriſtiſche, Ipecifiich: weitfäliihe Satteldah, wie es
3. B. an den eben jo alten Kirhthürmen in den benadhbar:
ten Orten Eiffen und Jacobsberg noch zu jehen if. Da
nun ſolche Bauformen auf das 12. und 13. Jahrhundert
verweilen, in welcher Zeit man in Wejtfalen, zumal auf dem
Lande, nod im romanijhen Stile bauete, jo folgt, daß nur
an Ober-Natzungen gedacht werden kann, wenn die Nach:
richten aus dem 13. Jahrhundert von einer Pfarre Nakun:
gen jpredhen. !)
Wir haben nun über die Kataſtrophe zu berichten, welche
den beiden Dörfern Eddeſſen und Nieder-Napungen
völligen Untergang bereitete. In einem hiefigen Kirchenbudhe
findet fich folgender Bericht: Sacellum Eddessen et be-
neficium stae Crucis extra ecclesiam parochialem, intra
limites tamen parochiae Borcholtensis in sylva Eich-
hagen dicta situm. In hoc loco, ubi sacellum est
stae Orucis multorum hominum visitatione celebre, olim
fuit pagus dictus Eddessen, ut constat e litteris feuda-
libus praenobilium ab Amelunxen, qui eum cum aliis
appertinentiis a duce Brunswicensi in feudum obtinebant
et obtinent,?2) qui et beneficii praesentationem habent,
cujus modernus possessor est R. D. Conradus Nus-
baum, pastor in Beverungen, qui de reliquis punctis
doceat. Pagus vero hie creditur et non improbabiliter
ab Hussitis et eorum confaederatis deletus, sicuti et pa-
zus Niederen-Natzungen dictus, eodem belli tumultu
deletus est, qui pagus Niederen-Natzungen fuit parochia-
lis religquorum circumjacentium locorum, dum adhuc
existeret, ob belli vero devastationes migrarunt hi pagi
Borcholtum ad diversos nobiles, quorum familiae ibi
habitabant, oppidum aedificarunt et parochiam ex Nie-
deren -Natzungen Borcholtum cum annexis reditibus et
juribus transtulerunt, unde et evenit, quod hactenus
familia coloni sacello Eddessen adhabitantis pertinuerit
et pertineat ad parochiam Borcholtensem, uti et ultimus
colonus cum uxore in caemitorio Borcholtensi paulo
) Die alte Kirche zu Natzungen eriftirt leider nicht mehr; an den alten
Thurn hat man im dritten Decennium dieſes Jahrhunderts eine
moderne Kirche gebaut, die indeß allzu modern ausgefallen ift.
2) Vergl. über dieſes Lehen $. 4. Nr. 6.
10
ante inceptum bellum Suecicum sub pastore D.
Georgio Haltaufderheiden sepultus est, filii eorum
in hac parochiali ecclesia baptizati, quorum adhuc unus
jam sexagenarius Henricus Spellerberg hodiedum super-
est et haec testatur. Quamvis autem praenobiles Dni
Spiegelii et pastor in Bühna contendant, dietum sacel-
lum Eddessen ad ipsorum Spiegeliorum jurisdietionem
et parochiam Beunensem pertinere, tum tamen id
frustra asseritur, cum contrarium constet ex designatis
actibus.
Diefer Bericht, den wir vorftehend darum vollitändig
mitgetheilt haben, weil ung im Folgenden wiederholt Ber:
anlaffung gegeben wird, darauf zurüdzulommen, hat feinen
höheren Werth, als überhaupt eine im Bolfe lebende Ueber:
lieferung gejichichtlicher Ihatfahen haben kann; denn als
ſolche aibt sich der Bericht durch feinen Wortlaut ſelbſt deut:
lih genug zu erfennen. Er firirt aleichlam die Weberliefe:
rung, wie jie damals zur Zeit der Abfaffung des Berichtes
im Volke lebte; er iſt aber abgefaßt oder niedergeichrieben
zur Zeit, als Conrad Nusbaum, der von 1633 bi$ 1638
Paſtor zu Borghol; war, bereit die Pfarre Beverungen
übernommen hatte, alfo wahricheinlih von dem eriten oder
zweiten Nachfolger Nusbaum's, von Raftor Johann Schmid
oder Paſtor Meinolph Radering.!) Der Bericht ift in der
Hauptſache, daß nämlich die Dörfer Eddeifen und
Nieder-Natzungen zur Zeit der Soefter Fehde von
den Huſſiten zerjtört feien, der geſchichtlichen Wahr:
heit entiprechend, wie im weiteren Berlauf diejer Abhandlung
nachgemwiejen wird. Dagegen it er in anderen Punkten von
Irrthümern nicht frei zu sprechen. So muß es 3. B. durch:
aus als Irrthum bezeichnet werden, daß erjt, wie der Bericht
!) Vgl. den Catalogus pastorum, $. 2.
11
zu verjtehen gibt, Stadt und Pfarre Borgholz nah und in
Folge der Zerftörung von Eddeſſen und Nieder-Nakungen,
aljo erit in der Mitte des 15. Jahrhunderts entjtanden jeien,
da bereits in den 88. 1, 2 und 6 diejer Abhandlung meh:
rere urkundliche Nachweiſe angeführt find, nach welchen nicht
bezweifelt werden kann, daß Borgholz ald Stadt und Pfarre,
wenn nicht Schon am Ende des 13., doch ficherlich im An—
fange des 14. Jahrhunderts eriftirte. Richtig aber wird in
dem Berichte angegeben, daß damals zu Borghol; diversi
nobiles wohnten: das jind ja die adeligen Burgmänner,
über welche in $. 4 mweitläufig gehandelt wurde. NRichtia
wird es auch ohne Zweifel fein, daß die Einwohner ber
beiden verwülteten Orte nach Borgholz überjiedelten, unı
dort hinter Wal und Mauern der bereits eriftirenden Stadt
bei fünftigen kriegeriſchen Ueberfällen beſſer geichütt zu fein.
Hinwieder laffen fich gegen eine andere Angabe des Berichts,
daß nämlich Nieder-Nayungen ein Pfarrort gemweien jei, ge:
gründete Zweifel geltend machen, wie bereit oben nachge:
wiefen wurde.
Wie aber famen die Hufliten in die Gegend von
Borgholz ?
Als im J. 1444 die damals mächtige und reiche Stadt
Soeft ihrem Landesherrn, dem Kurfüriten: Erzbiichof von
Köln und Herzoge von Weitfalen, Theodorih von Mörs,
Sehorfam und Steuern verweigerten, indem fie ihm jenen
berühmten trogigen Abfagebrief jhidten, der aljo lautete:
„Wettet Bischof Dierich van Moers, dat wy den vesten
Junker Johann van Cleve leber hebbet als Juwe. Und
wert Juwe hiemet abgesagt. Datum Soest anno 1444.“
— da entbrannte die furdtbare Soeiter Fehde, welde
mehr oder weniger ganz Weitfalen in Mitleidenschaft zog.
Im 3. 1447 kam der Herzog Wilhelm von Sachſen dem
Erzbifchofe mit einem Heere von 30000 Mann zu Hülfe,
weldhes in Thüringen, Meißen und zum Theil auch in
12
Böhmen angeworben war.!) Die böhmiſchen Söldner
wurden gewöhnlid Huffiten genannt, weil fie früher und
im Herzen vielleicht noch immer Anhänger der huflitiichen
Sekte waren. Die langjährigen huſſitiſchen Unruhen hatten
eine traurige Verwilderung der Einwohner Böhmens zur
Folge; und wenngleich ſich die Hufliten eben damals, we:
nigitens äußerlich, mit der Kirche ausgejöhnt hatten, jo war
doch bei ihnen die alte hufiitiiche Raubluſt und Zerſtörungs—
wuth geblieben. Furcht und Schreden ging vor dieſen wil:
den Banden her. Hören wir die Schilderung eines Zeit:
genofjen: ... de hadden wapen, de men mid armborsten
und geraden hantbussen nicht dorchscheiten enkonde,
und hadden der fotlude, de men dravanthen nomide,
de weren nackit und blot und deden groten schaden und
enfragiden na neynem watere, graven eflte andern feste-
nunge, und wu vele orer under oghen irschoten worden,
des enachtiden se nicht, und de andern ghinghin gelike
wol furdan, und draden holt und wellen, dar fulden se
graven mede und weren unkristlike lude. Se schindeden
und beroveden alle lude, geistlik und wortlik, junc-
fruwen, papen und monnecke, und schonden nymandes
u. ſ. w.?) Das Heer zog über Weimar, Erfurt, Mühl:
haufen, Göttingen, Eimbed, eritürmte die Homburg bei
Amelunrborn und jegte bei Holzminden über die Weiler.)
Bon da ging der Zug nad Hörter, dann in die Grafichait
Kippe; hier wurde Klojter Falfenhagen in Brand geitedt,
Blomberg eritürmt und zerftört, daflelbe Schidjal hatte Det:
1) Schaten (Il, 456) ſetzt die Zahl der Söldner fogar auf 60000,
darunter 26000 aus Böhmen.
2) Refchreibung des Heerzuges mit der Meberichrift „Drabanten togen
vor Soſt“ aus dem Göttinger Rathsarchiv (Pd. 24, ©. 2 dieſer
Zeitſchrift).
9) Barthold: Soeſt, die Stadt der Engern, ©. 278.
13
mold und die Burg Brake. Dann zog die wilde Söldner:
Ihaar über Lemgo, Herford und durch die Senne nad) Lipp-
jtadt, belagerte dieje Stadt 14 Tage vergeblih und erſchien
am 2. Juli vor den Mauern von Soeft. Das war alio
die Marjchroute, welche das Huſſitenheer auf dem Hinzuge
nah Soeſt einihlug, welde wir auch deshalb genau ange:
geben haben, um dadurd zu conftatiren, daß die Huſſiten
auf dieſem Zuge die hieſige Gegend nicht berührt haben. !)
Folglich muß die Zerftörung der Dörfer Eddeſſen und Nieder:
Natzungen auf dem Rüdzuge der Huffiten von Soeſt ge:
heben jein. Nachdem verjchiedene Erftürmungsverjuche ge:
maht waren, wurde nad drei Wochen die Belagerung der
Stadt aufgegeben, zumal da die längere Ernährung und
Bejoldung eines To großen Heeres (im ganzen wurde das—
jelbe auf 80000 Mann geichägt) dem Erzbiichof viele Schwie-
rigleiten bereitete, und die böhmiſchen Banden bejonders,
deren Habjucht unerjättlih war, wegen ihrer Bejoldung un:
zufrieden wurden. Die Göttinger Chronik jagt: Und up der
wederfard do schededen se (de Behemen) mid unwillen
von dem bischoppe von Coln, dat he und ok Jurgen
Spegil, de se furde, von on wiken und flen mosten, und
se togen to Beverungen over de Wesere und
branden den Lewenfurde?) ut, dar se des nachtis
legen, und togen des andern dagis over den Solingk
vor Uszlar etc.?) Da haben wir einen deutlichen Hinweis,
welhe Marichroute die zurücdkehrenden Hufliten eingeichlagen
haben. Nehmen wir dazu, was andere geihichtliche Nach:
) Der Zug der Hufftten it nach der citirten Göttinger Chronik und
nad) Barthold angegeben. Auch Beſſen ftimmt damit im allgemeinen
überein, mur läßt er das Heer bei Hörter über die Wejer gehen
(l, ©. 283). Desgl. Schaten a. a. O.
%) Lauenförde am rechten Ufer der Weſer, Beverungen gegenüber.
*) Weſtf. Zeitihrift a. a. O. ©. 1.
14
richten über den Aufbruch der Kriegsbande von Soeſt an—
geben, daß nämlih, als diefelbe den Rüdzug antrat, der
eine Theil in das Ravensbergifche einbrach, der andere Theil
aber die Haar hinanzog und dann in getrennten Haufen
den Weg in die Heimath fuchte,!) jo können wir, wenn wir
einen Blid auf die Landkarte werfen, nicht mehr in Zweifel
jein, daß ein Seerhaufen der Hufliten die biefige Gegend
paſſiren mußte. Dieſer Theil der Huffiten zog demnadh von
Soeſt in jüdliher Richtung über die Haar und gelangte jo
etwa bei Belefe oder Rüthen in das Möhnethal; dann konn—
ten fie entweder in diefem Thale hinauf über Brilon nad)
Marsberg und im Diemelthale herab big Scherfede ziehen,
oder fie zogen von Rüthen über Büren und dann durch das
Sintfeld?) in das Diemelthal bei Scherfede. Dann mußten
fie aber nothwendig, um dur die Warburger Börde etwa
über Borgentreih an die Wejer bei Beverungen zu gelangen,
durch die Feldmarken von Nieder-Nagungen und Eddeſſen
fommen. Die Landftraße, welche jegt in ziemlich geraber
Richtung von Boraentreich nach Beverungen führt, durch—
!) Barthold a. a. D. ©. 284.
) Im Sintfelde follen nad; der Tradition zur Zeit der Soefter Fehde
mehrere Dörfer zerftört fein. Ferdinand v. Fürftenberg fagt Mo-
num. Paderb. (edit. Paderborn. 1669) pag. 116 über das Sintfelb:
Quamvis hie ager longe lateque patens frumentis hodie abundet,
feruliores tamen segetes illic olim provenisse credibile est,
quando frequentibus pagis habitatus diligentius colebatur; qui
plerique omnes una cum oppido Blankenroda Susatensi bello
vastati. Wie Dr. Gieferd (Weſtf. Zeitichrift Bd. 38. 2. ©. 129
u. 130) nachweiſt, ift diefe Nachricht doch nicht richtig, da die Ber-
wüftung der Sintfelder Dörfer jchon früher geſchah. Läßt fich aber
vielleicht nicht jene Tradition und die wahrjcheinlich auf diejelbe ge-
gründete Nachricht Ferdinands v. Yürftenberg dadurd) erflären, daß
die Hulfiten auf dem Rückzuge von Soeft, wenn fie auch micht die
zahlreichen ausgegangenen Orte des Sintfelds zerjtört haben, ſengend
und brennend durch diefe Gegend gezogen find?
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ichneidet jogar die Stätte, auf mwelder da3 Dorf Nieder:
Natzungen lag. So finden wir aljo die Tradition, nad)
welher Huſſiten die Vermülter der beiden ausgegangenen
Dörfer waren, durchaus gerechtfertigt, und e3 wird jchwerlich
etwas mit Grund gegen dieje alte Ueberlieferung eingewendet
werden fönnen. Hiernach ift die Behauptung des Profeſſor
Dr. Giefers, daß die Huffiten die Gegend von Borgholz gar
nicht berührt hätten (Bd. 39 2 ©. 171 dieſer Zeitichrift)
zu berichtigen.
Bon Niever-Napungen it nichts übrig geblieben,
als der Name; jedod findet man hin und wieder bei Um—
grabung de3 Bodens Spuren von Mauerwerk und verjchüt-
tete Brunnen. Ein Kreuz erinnert die Bewohner von Borg:
holz, daß einſt aud an diejer Stätte ihre chriſtlichen Vor:
fahren gewohnt haben. Dagegen wird die Erinnerung an
das alte Eddeſſen durch vier Dinge noch immer lebendig
erhalten: durch die Kapelle, welche dort auf der Stelle
der verwülteten Kirche errichtet iſt, durch das Beneficium
ads. Crucem, welches mit dieſer Kapelle verbunden ift,
durh eine Bartifel vom hl. Kreuze, welche früher in
der Pfarrkirche zu Eddeſſen und jetzt in der Kirche zu Borg:
holz aufbewahrt wird, und durch die Brocejfionen, melde
aljährlid von Borgholz nah Eddeſſen geführt werben.
Nachfolgend theilen wir mit, was wir Bemerfenswerthes in
Betreff diefer vier Punkte gefunden haben.
a) Die Kapelle fteht wohl an derjelben Stelle, wo
einit die alte Kirche ftand; man findet im Umkreiſe ber Ka—
pelle noch deutliche Spuren einer Grundmauer. Die alte
Pfarrkirche von Eddeflen joll einen bedeutenden Umfang ge-
habt haben, jo daß fich in ihr nach der Sage fünf oder gar
heben Altäre befanden; die erwähnte Grundmauer jedoch
eritredt fih nur auf 72 Fuß nad einer und auf 54 Fuß
nah der andern Richtung. Wann die erite Kapelle dort
nah Zeritörung der Pfarrkirche erbauet wurde, läßt ſich
16
nicht nachweiſen; es ſcheint aber, daß frühzeitig ein Ein-
jiedler, der ja nach altem Herfommen ſtets eine Kapelle neben
feiner Einfiedelei oder Klaufe hat, an dem verwüfteten Orte
feine ftile Wohnftätte aufgeichlagen hatle, da der Name
„Klus Eddeſſen“ zur Bezeichnung des alten Eddeſſen ſchon
lange im Gebraude war, wie denn auch jet noch dieſe Be—
nennung im Munde des Volkes üblich ift. Freilich jcheint
Eddefjen noch längere Zeit von einer Bauernfamilie bewohnt
gewejen zu fein, da der aus dem hieſigen Kirchenbuche mit-
getheilte Bericht in der beftimmteften Weife von dem legten
Colonus redet, der mit feiner Familie bei der Kapelle Eddeſſen
wohnte und dort „kurz vor Beginn des ſchwediſchen Krieges
unter dem Paſtor Georg Haltaufderheiden (um 1625) ge:
ftorben war.” Er hieß Spellerberg und wurde nebit jei-
ner Frau, als zur Pfarre Borgholz gehörig, auf dem hiefigen
Kirhhofe begraben.) In dem Walde, welder ber Klus—
fapelle zunächit liegt, bemerft man bier und da, bald mehr,
bald weniger deutliche Aderfurden: rühren biefelben etwa
von dem Colonus her, der bei der Klusfapelle wohnte? oder
haben fie einen noch älteren Urſprung? (Bekanntlich erhal:
ten ſich ſolche Pflügefurchen oft jehr lange Zeit.) In den
noch erhaltenen Rechnungen über Einnahme und Ausgabe der
DOpferipenden bei der Kapelle Eddeffen aus den Jahren 1655
bis 1662 findet ſich jtet3 die Benennung „Kluß Eddeſſen“;
aber in der Rechnung pro 1657 wird ein Ausgabepoften
von 8 Schillingen verrechnet für Reinigung und Abräumung
des Platzes „umb die Cluß, da das eremiten hüttgen ge-
ſtanden“; alfo beitand zu jener Zeit die Einfjiedelei nicht
mehr, nur die Benennung „Klus Eddeffen” war noch ge:
blieben. Im J. 1683 ftand ficher die erite, nach Zerftörung
1) Der dreifjigjährige Krieg wird von der Zeit an, wo die Schweden
in denjelben eingriffen, aljo von 1630 an auch der ſchwediſche Krieg
genannt.
er
der Pfarrkirche erbauete Kapelle nicht mehr; denn das ältefte
hiefige Kirchenbuch enthält folgende Bemerfung: Anno 1683
3tio Junii dedicatum novum sacellum stae Crucis in
Eddessen a Rmo Vicario Grali Laurentio a Dript sum-
tibus civitatis Borcholtensis. Coepit idipsum aedificare
Rmus ac Gratiosus Dnus Joes Adolphus de Fürstenberg.
Consummavit Rmus ac Perillustris Dnus Ferdinandus
a Plettenberg, successive camerarii et archidiaconi. Auch
dieje Kapelle vom J. 1683 hat jchon längſt einer andern
weihen müflen; die jetzige Kluskapelle ift im J. 1856 er:
bauet und am Feite Kreuzerfindung 1857 benedicirt. Die
nördliche und ſüdliche Mauerfeite, aljo die beiden Schmal-
jeiten (da die stapelle nicht geoitet ift) find von der alten
Kapelle beibehalten. Zu den Erbauungsfoften haben bie
umliegenden Ortichaften, welche jeit Jahrhunderten gern dieſe
alte Stätte der Gottesverehrung bejuchen, durch milde Gaben
beigeiteuert. In leßterer Zeit iſt wieder eine Einftedelei mit
der Kapelle verbunden.
b) Zu der Kluskapelle Eddeſſen gehört da8 Benefi-
cium ad s. Crucem, wie dieſes jchon der mitgetheilte
Bericht aus dem hieligen Kirchenbuche angibt. Derjelbe Be:
riht erwähnt, daß die Freiherren v. Amelunren die Pa—
trone dieſes Beneficiums jeien. Auch jetzt nod ilt die Fa—
milie im Bejit des Patronats und hat das Präfentationg-
recht zur Bejegung des Beneficiums bi3 zur neuejten Zeit
ausgeübt; wann und wie diejelbe aber das Batronat erlangt
hat, darüber jtehen uns feine Nachrichten zu Gebote. Die
ältefte Präfentations- Urkunde, welche Sich in Betrerf des
Klus-Beneficiums in den Paderborner Acten befindet, Datirt
erit aus dem J. 1673 und iſt ausgeftellt von Friedrich
Urih v. Amelunren.!) Das Beneficium war aber feines:
wegs immer den Borgholzer Geiftlichen übertragen. In dem
) Mittheilung des Herrn Generals v. Umelunren.
XLVI. 2. 2
18
mehr erwähnten Berichte des hiejigen Kirchenbudjes, wie in
den ſchon citirten Nechnungen über Einnahme und Ausgabe
der Opfergaben wird al3 Beneficiat der Paftor Konrad
Nusbaum zu Beverungen genannt, welder freili vorher
Paitor zu Borgholz war. Einer feiner Nachfolger zu Beve—
rungen war ebenfalls im Beſitze des Beneficiumg, mie der
Paſtor Balthafar Hanebrinf im hiefigen Kirchenbuche folgen
dermaßen bemerft: Anno 1687 26to Febr. R. D. Georgius
Tilies pastor Beverung. in possessionem beneficii s. Cru-
cis in Eddessen introductus est... ., praesentationem
dedit senior familiae de Amelunxen, Schweder Luther, ')
collationem et investituram Celsissimus Princeps et
Epus Paderborn. Später hatte ein Baftor zu Följen das
Klus-Beneficium, bis es in neuerer Zeit Regel wurde, daß
man die hiejigen Kapläne für das Beneficium ad s. Crucem
präjentirte. Das Einkommen des Beneficiums beſtand früher
(außer einer aeringen Geldpräftation von einigen Groſchen)
in Heuergefällen, welche jegt durch Ablöjung in zinsbare
Kapitalien umgewandelt jind.?)
c) Die Bartifel vom h. Kreuze, melde in der
Borgholzer Kirche aufbewahrt wird, rührt nad) der Tradition
aus der zeritörten Kirche zu Eddeſſen her. Dennoch haben
die Einwohner des alten Eddeſſen bei der allgemeinen Ber-
wüjtung wenigftens ihre Heiligthümer gerettet und jie in
ihren neuen Wohnort übertragen. An den Kreuzfeiten wird
die Partikel in Proceſſion nah Eddeſſen getragen und dort
von den Wallfahrern andächtig verehrt. Die Partikel, welche
jelbit die Korm eines Kreuzes hat, ift in einem Kreuze aus
Kriftall eingeſchloſſen, und diejes wiederum befindet jich in
) Schweder Luther, ein in der Yamilie v. Amelunxen gebräudjlicyer
Vorname.
*) Holicher (Bd. 40.2 ©. 78 diejer Zeitjchrift) nennt irrthümlich das
Beneficium zu Eddejien ein beneficium ad s. Liborium.
19
einem jilbernen Gefäße, welches die Form einer kleinen
Strahlenmonjtranz hat. Eine Inſchrift auf der Rüdjeite der
Monftranz mit der Jahreszahl 1738 bezeichnet als Schenk—
geber den Domherrn zu Münfter und Osnabrück Wilhelm
Anton v. d. Aſſeburg (von 1763 bis 1782 Fürftbiichof von
Paderborn).
d) Wann die PBroceffionen, welche von Borgholz
nah Klus Eddeſſen gehen, ihren Anfang genommen haben,
darüber jind feine Nachrichten vorhanden; es läßt fich aber
mit Grund annehmen, daß die eine diefer Brocefitionen, näm:
lid diejenige, welhe am Feite Kreuzerfindung gehalten
wird, uralt fei und mwahrjcheinlich von der Zerftörung des
Dorfes ihren Anfang genommen habe. Die Kreuzpartifel,
welche ınan aus der Kirche zu Eddeſſen erhalten hatte, gab
wohl BVeranlajjung, daß man die ehrwürdige Neliquie all-
jährlich in feierlichem Aufzuge zu ihrem eriten Aufbewahrungs:
orte trug. An den alten Uriprung der Proceſſion erinnert
au, daß zunächſt, bevor man am ‚seite Kreuzerfindung von
der Klus in die Pfarrkirche zu Borgholz zurüdgefehrt, in
einem gewillen Umkreiſe um Eddeſſen procejlionirt wird; das
nennt man die Proceſſion um das alte Dorf. Der oben
mitgetheilte Bericht des Kirchenbuches jagt von der Kapelle
zu Eddeſſen, daß fie durch den Beſuch großer Volksſchaaren
berühmt jei. Die erften beftimmten Nachrichten über die alte
Klus-Proceſſion findet man in den bereits erwähnten Ned):
nungen über die Opfergaben aus den Jahren 1655 bis
1663.) Bei der vielbejuchten Proceſſion auf Kreuzerjindung
wurden zu Ehren des h. Kreuzes von den frommen Wall:
fahrern reichliche Gaben geopfert. Urſprünglich wurden dieje
Opferfpenden von dem Dom-Kämmerer als Archidiaconus
des Ortes jelbit in Empfang genommen, nit um jie für
jih zu behalten, jondern um diejelben theild für die Klug:
) Aus dem Pfarrardive.
2*
20
fapelle zu verwenden, theils mit denfelben die Koften ber
Procefiionsfeier zu beftreiten. Später erſchien der Archi-
diaconus nicht mehr felbft; er fchidte entweder feinen Kaplan
oder beauftragte mit der Empfangnahme der Opfergabe den
Pfarrer von Borgholz. Im legtern Falle mußte diejer über
Einnahme und Ausgabe Rechnung legen, und daher rühren
die noch erhaltenen Rechnungen für die Jahre 1655 bis
1663, geichrieben von dem Borgholzer Paſtor Meinolph
Radering. Die Einnahme aus diefen Jahren, welche theils
in Geld, theil3 in Naturalien als Wachs, Flachs, Lein- und
Rübſamen beftand, ſchwankte zwiihen 30 bis 51 Thaler.
Dabei wird bemerkt, da andere Naturalien als Brod, Eier,
Butter, Käſe, Sped, und aud die Pfennige nicht mitgeredh-
net, vielmehr jofort unter die Armen vertheilt feien. Die
Ausgabe gewährt einiger Maßen Auskunft, in welder
Weiſe die Procefjion gehalten wurde. Regelmäßig wieder:
tehrende Ausgabepoften find 4 oder 5 Thlr., welche dem
Beneficiaten ad s. Crucem (damals Baftor Nusbaum zu
Beverungen) und dem Paftor von Borgholz, beiden, „pro
praesentia“, gezahlt wurden. Der Küjter und Schulmeifter
und die Scholaren von Borgholz erhalten einige Scillinge.
Auch Küſter und Schulmeiiter von Beverungen erjcheinen
wiederholt und erhalten ähnliche Beträge. Die Templirer
von Borgholz erhalten ihre Schillinge ‚vor gehabte mühe,
das offer auffzuheben”. Die Patres Capucini von Brakel
empfangen für Aushülfe beim Gottesdienfte gewöhnlich einige
Pfund Wahs. Auch den Muſikanten werden einige Schil-
linge oder einige Groſchen verehrt, und zwar ſowohl den
„Musieis instrumentalibus“ als aud) den „Musicis voca-
libus“, Einmal beißt es: „den Muſikanten, welche mit ih-
ren inftrumenten unter wegens in der procefjion undt zu
zu Eddeßen die Meß figurirt”; ein anderesmal wird „den
Spielleuthen von Brakel, welche mit ihren inftrumenten,
Binden undt Poſaunen der procejjion beigewohnet, 1 Thlr.
— — —rræ — — —
verehret.“ Wiederholt wird der Organiſt von Borgentreich
aufgeführt, „Die hohe Meß zu ſchlagen undt das Wall (?) zu
lehnen 1 Thle.” Den Buljanten werden 4 Groſchen ge:
zahlt. Desgleihen dem „Pastori pro sumptibus der Zeh:
rung anderer Pastorum, Capucinorum, Custodum etc.
1 Thlr. 18 Gr.”
(In der Kirchen-Ordnung des Biſchofs Hermann Werner
vom J. 1686 wird Cap. IV. $. 4 gerügt, daß Viele, welche
zu Scherfede auf Dfterdienftag und zu Altenbefen und Ed:
dejien am Seite Kreuzerfindung beichteten und com—
municirten, die irrige Meinung hätten, hierdurd der kirch—
lihen VBorjchrift der Oſter-Communion zu genügen; jolchen
wird daher aufgegeben, zuvor bei ihrem eigenen Pfarrer
Anzeige zu machen, und ſich bei der Rückkehr mit einem
Zettel zu legitimiren.)
Die zweite Proceſſion nach Eddeſſen, welche alljährlich
am Feſte Kreuzerböhung jtattfindet, hat nachweislich
eine beitimmte Veranlafjung. Im 9. 1676 brad in Borg:
holz eine anftedende Krankheit aus, die rothe Nuhr (dy-
senteria), und raffte viele Menjchen hinweg. Das Kirchen:
buch berichtet, daß die Krankheit im Monat Auguft begann,
und daß der erite, welcher an der Ruhr ftarb, ein jüdiicher
Jüngling, der Bruder des Samuel Levi, war. Dabei jteht
die Bemerkung, daß die Krankheit, weil fie von den Juden
in unverantwortlier Weile verheimlicht wurde, viele Ein:
mwohner anftedte, da man des Handels wegen mit den Juden
viel verkehrte. ES folgt dann ein Verzeihniß derjenigen,
welde vom 17. Augujt bis zum Ende diejes Monates der
Krankheit erlagen. Die Zahl beträgt 24, darunter an
einem Tage, am 21. Auguft, acht Todesfälle. Warum
das Verzeihnig nicht weiter fortgeführt wurde, wird nicht
angegeben; dagegen enthält das Kirchenbuch ein anderes
Verzeichniß, in weldhem die Familien nambhaft gemacht
werden, welde im J. 1676 von der Nuyr befallen waren;
—————
es werben 71 Familien aufgezählt.) Ob auch dieſes Ver—
zeichniß unvollſtändig ſei, iſt wiederum nicht bemerkt; eben
ſo wenig, wann die Seuche ihr Ende erreicht habe. Der—
jenige aber, welcher dieſe Notizen im Kirchenbuche nieder—
geſchrieben, der Paſtor Meinolph Radering, ſtarb am
5. November 1676; zuvor jedoch hat er mit der ihm an—
vertrauten Gemeinde ein Denkmal chriſtlicher Frömmigkeit
geſtiftet: das iſt die Proceſſion am Feſte Kreuzerhö—
hung, zu welcher die Pfarrgemeinde Borgholz im Jahre
der Seuche durch ein Gelübde ſich verpflichtet hat. Das
Kirchenbuch berichtet darüber, wie folgt:
„Demnach der liebe Gott dieſe ſtadt und Bürgerey hart
heimbgeſucht mit der ſchwären Krankheit der rothen ruhr,
alſ verjpredhen und geloben wir mit guthem Vorbedacht und
freyer bewilligung der gangen gemeinde jampt und jonderß,
Gott dem Allmädtigen vor uns und unjern Kindern und
nachfolgern, das wir zu Ehren des gefreutzigten Herrn Jeſu
Ehrifti und deßen bitteren Leydenß, wie auch zu Ehren der
jeeligiten Mutter Gottes Mariä, des heiligen Joſeph und
des heiligen Antonii von Padua hochfeyrlich holten wollen
das Felt der Erhöhung de3 heiligen Creußes, wel—
ches filt auff den 14. Septemb. und an gemeldten Tag eine
andächtige Procefiion und öffentliche bettfahrt halten wollen
auf diefer unjer Pfarfirh zu Vorholg nah der Eluß des
heiligen Creutzes zu Eddeßen, in welcher procejiion alle er:
wachſenen Perjohnen foviel thunlih und möglich ericheinen
wöllen und ſollen. Geloben auch alle Jahr Ein wachslicht,
!) Darunter figuriren ſechs Familien mit dem vorgejekten Buchſtaben B,
d. h. Bürgermeifter. Das Epridwort jagt: einmal Pürgermeifter,
immer Bürgermeilter. Auch die dem Lejer bereits befannten Namen
„Rittmeilter Suden, Bunter Soft Juden, Weſtphäliſche Vogdey,
Forgen Parreuter und Franß von Gronaw“ werden genannt.
23
von Einem pfund ungefehr, durch Eigene Perſohn des fißen-
den biejigen Bürgermeiſters bey felbiger jährlicher proceſſion
in gemeldte Eluß zu bringen, daſelbſten zu opferen und in
die Ehr Gottes brennen zu lagen, und ſoll diejes unfer
gelübte dief Ein Taufend ſechs hundert ſechs und fiebenzig-
ten Jahr nach der gnadenreihen gebuhrt unjers Erlöjers
Jeſu Ehrifti den 14. Septemb. feinen anfang mit göttlicher
bülff und gnaden nehmen, und von ung, unferen Kinderen
und nadfolgeren bij zu Emigen Zeiten ftetes feit unver:
brühlihd und andächtig gehalten werden, wie wir dan uns,
unjere Kindere und nachfolgere kraft diejes offentlichen ge—
lübt3 zu Gott, jo fräftig wir können, bif zu Ewigen Zeiten
wollen verbunden haben, damit daſ Gott ung umb des
leyden; Jeſu Chrijti gnädig ſeyn, die böfe feuche und plage
von diejer Pfarr und allen der Pfarr angehörig barmhertzig
aufheben und hinführo dergleichen ftraffe vätterlich abwenden,
den Kranden ihre geiundtheit wiedergeben und die noch ge:
junde darab gnädiglich behüten wölle. Das geloben wir dan
alſo Im Nahmen Gottes des Batterd und des johns und
des heiligen Geiftes. Amen. Wollen auch unjere hohe Bi-
Ihofflihe Obrigkeit zu bequemer Zeit bittlich anjuchen, dieſ
unjer gelübte zu ratificiren und unjere nachkömlinge zu
haltung deßen fräftig zu verbinden. Wan andere zu dieſer
Pfarr angehörige ihre bewilligung geben, gehören fie mit zu
dieſem gelübte und deßen haltung. In dieſes votum haben
auch bemilliget der alhir zu Bordolg wohnende Adell, wollen
Es gleich der jtadt halten und begehren des eflectus theil:
baftig zu werden.
Wir Paſtor, Burgermeifter und Naht und die gemeinde
zu Borholg im vornehmen diejed gelübte in gegenwärtigen
nöthen zu tuhen wol bedänklich geitanden und die gante
bürgerey vom Bürgermeilter dur öffentlichen Elodenjchlag
zujammen berufen und alle gar gerne hierin bewilliget. Alß
hat Paſtor den 27, Aug, den ſchul- und kirchenbedienten
24
Joan Grewen zu den angehörigen beyden dörferen Dranck—
baujen und Natingen geichidet umb zu hören, ob jie mit
in die gelübte verwilligen wollen; haben die Nichtere deren
örter die Einmwöhnere zufammen gefordert, die fich alle frey—
willig erbotten, diej gelübte gleich denen Borchöltiſchen veſt
und ewig zu halten, und haben dem Paſtor dieje rejolution
gebracht Herman Freytag, Spiegeliiher Richter zu Drand-
haufen und Joſt Hageman, des Gloifters Gerden Nichter zu
Natingen, welches aljo acceptirt worden.
Den 28. Aug. 1676 haben Bgſtr. Frans von Gronen
und Lips Soden gemeindtherr in der Pfarkirch zu Bordolg
vor dem hohen Altar und öffentlich auſgeſetztem Hochwürdi—
gem Sacrament des Altar, alſ von der gantzen gemeinheit
hierzu Deputirte im Nahmen ihrer und alliger Intereſſenten
diejes gelübte, wie oben gejeget, von worth zu worthen mit
deutlicher heller ftimm abgeleat, dem Pastori handthätig
worden, und darauff das Te Deum laudamus in organis
solemniter gejungen worden, da die formalia voti von
worth zu worthen Eritlih von dem Paſtor der Pfar waren
vom Predigſtuhl abgelejen und vorgehalten worden.‘ 1)
2. Natingen.
Es ift bereits ($. 4. Nr. 5.) angedeutet, daß der aus—
gegangene Drt Immeſſen oder Immehuſen wahridein-
—
1) Im J. 1876 wurde am Feſte Kreuzerhöhung die zweihundertjährige
Zubelfeier der oben erwähnten Yobe-Rroceifion von der Pfarrgemeinde
Borgholz feftlich begangen. Zum Gedächtniß diefer eier wurden
zwei Monumente in der Pfarrkirche beftinmt, nämlich der im gothi-
Ihen Etile reftaurirte, neu decorirte und mit einem neuen großen
Grucifire ausgeftattete Kreuzaltar, in deſſen Tabernatelichreine jett
die Partitel vom h. Kreuze aufbewahrt wird, und das Fenſter ober-
halb der nördlichen Seitenthür, mit gemuſterten Glasjcheiben und
neuem jteinernen Maßwerke auegejtattet, in deſſen oberen Theile das alte
Mappen der Stadt Borgholz in gebranntem Glaje mit der Umſchriit
„Ad jubilaeum seculare alterum s. Crueis 1676—1876* enthalten in.
25
—
lich in der Nähe von Natingen gelegen hat. Vielleicht
hatte der Ort Immeſſen durch ein unglückliches Ereigniß
ſeine Kirche verloren und wurde, nachdem er als Filialort
mit der Pfarre Borgholz vereinigt war, allmälig nach der
nahe gelegenen villa Natingen benaunt. In unmittelbarer
Nähe von Natingen nämlich und zwar an der nördlichen
Seite des Dorfes liegt ein Ackergrundſtück, welches „auf
der alten Kirche” genannt wird, und nach glaubhaften
Mittheilungen hat man früher in diefem Grunditüde Kirchen:
ihellen, Schlüffel und felbft menschliche Gebeine gefunden.
Es find aber feine Nachrichten auf uns gefommen, daß in
Natingen jemals eine Kirche oder Kapelle geweien fei; man
muß aljo annehmen, daß eine Kirche, welche in der Nähe
des jebigen Natingen geftanden hat, von dem alten Immeſſen
berrührte. Die villa Natingen wird aber zuerit in ur
fundlichen Nachrichten aus dem 14. Jahrhundert erwähnt
In einer Urkunde vom 25. October 1304 erflären die Brü-
der Werner, Bertold und Conrad de Lippia, daß jie den
Bebnten der villa in Natche an die Kirche in Gehrden
abtreten.!) Am 17.Nov. 1304 erklärt Graf Dtto von Wal:
ded, daß er den Zehnten, welchen er in villa Nathege
et extra villam hatte, der Kirche und dem Klofter in Gehrden
gejchenkt habe.) Fernerhin wird ein Dorf Natinghe
genannt 3. B. in der ($. 6.) citirten Urkunde vom 28. Nov.
1372, wo es al3 ein dem Klofter Gehrden gehörige Dorf
bezeichnet ift. Weiter geichieht auch eines Gutes Erwähnung,
welches dafjelbe Klofter zu Natingen bejaß.?) Auch ift jchon
erwähnt, daß in der Urkunde vom 17. Mai 1497 Cordt und
I) Gehrdener Eopiar a. a.D. ©. 6 Nr.1. Der Name Natge fommt
Ihon in einer Urkunde des Willebadefiener Copiars aus dem 3. 1226
vor, in welcher die Grafen von Schwalenberg der Vogtei über die
Klöfter Willebadefjen und Gehrden entjagen. Unter den Milites,
welche ſich für die Grafen verbürgen, wird auch Tidericus de Natge
genannt. — ?) Dajelbft Nr. 2. — ?) Dajelbit Nr. 31.
26
Thomes v. Juden ihre Gerehtfame an dem Bruce tho
Natingen dem SKlofter Gehrden abtreten. Vorſtehende
Urfunden-Citate geben zugleih Auskunft, in weldem Ber:
hältniſſe Natingen zu dem Klofter Gehrden jtand: das Klofter
hatte in Natingen die gutsherrlichen Gefälle, Grundbeiig und
Gerehtiame; darum wird e8 auch geradezu das Dorf des
Kloiterd genannt, und der Vorſteher des Dorfes war als
„Des Klojter Gehrden Nichter zu Natingen“ angejtellt.
3. Hainholz.
Nur einige Minuten öftlih von Natingen liegt das
Rittergut Hainholz. Daffelbe war bereit3 im Anfange
des 16. Jahrhundert im Belige der adeligen Familie von
Druchtleben. Zu diejer Zeit wohnte zu Hainholz ein
Chriftoph v. Drucdhtleben; das ift die ältejte Nachricht, welche
wir über Hainholz haben.!) Im %. 1463 wird unter den
vasalli et canonici Paderbornensis ecclesiae, welde an
der Peſt ftarben, ein Canemunt Druchtleff genannt.?)
Eine Brafeler Urkunde vom 3.1475 erzählt, daß Heinrich
Drudtleves vom Knapen Dieterich von der Aſſeborch ver:
klagt wurde, weil er ihn „entweldigen wollte feines Leibes“
und mit gemwaffneter Hand auf den Kirchhof zu Brafel ge:
laufen war; er gelobt diejerhalb dem Rathe der Stadt
„Urphede”.3) Das Copialbuch des Stiftes Neuenheerje regi—
ftrirt zum %. 1491 eine Urkunde, in welcher ‚einer von
Druchtleben“ eine Kornrente zu Natzungen verkauft.
(Die erfte Nahriht, daß das Geichleht in der Nähe von
ı) Nach alten Stammbäumen. Herr v. Spiejjen überjandte mir eine
ausführliche Stammtafel der v. Druchtleben. Zu diefer Genealogie
fonnte ich demjelben für das 17. und 18. Sahrhundert Beiträge aus
dem hiefigen Kirchenbuche liefern.
2) Meitf. Zeitichrift, Bd. 40. 2 ©. 145.
) Ardiv der Stadt Pratel, II. Abth. Nr. 198,
27
Borgholz begütert war.) Ob nun die vorgenannten Männer
dieſes Namens zu der Familie der Drucdhtleben zu Hainholz
gebörten, läßt fich freilich nicht nachweijen; es fehlen auch
die Nachrichten, woher diefe Familie ftammt, und ob diejelbe
ihon vor dem oben genannten Chriftoph v. Druchtleben das
Rittergut Hainholz in Beſitz hatte; nur dag jteht feit, daß
die Drucdtleben von jenem Chriltoph an, alfo jeit Anfang
des 16. Jahrhunderts, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
Hainholz beſaßen.) Bei den früher erwähnten Unruhen
wegen Einführung der Kirhen-Agende Biichof Theodord war
auh ein Elmerhaus Dructleben betheiligt. Nach der
Ritter-Matrifel vom 9. 1662 mußten die v. Druchtleben
von dem Gute Hainholz 4 Rthlr. Nitteriteuer zahlen. In
derielben Matrifel heißt es: die v. Druchtleben zu Borgen—
treih 5 Rthlr. Seit dem 17. Jahrhundert nämlich hatten
diejelben auch einen Burgiik zu Borgentreih und nennen
ih darum fortan in Urkunden „Erbherren zu Hainholz und
Borgentreih”. In dem Berzeichniffe der Nitteriige und zer:
törten Schlöſſer vom J. 1755 wird sub Nr. 10 gejagt:
‚„Borgentrid. Diejes Schloß (d.i. die Burg) gehöret denen
v. Druchtleben und lieget in der Stadt gleichen Namens.”
In dem „Status deren Hochitift Paderborniſchen Lehen‘
werden 5 Thlr. Lehenwaare beigelegt dem „Hrn. v. Drucht—
leben zum Hainholz wegen des Burglehens zu Borgentreich,
Die Tochter des Chriftoph v. Druchtleben zu Hainholz und der Anna
v. Boje zu Pömbien, Margaretha v. D., in erfter Che mit Heinrich)
v. Rengershaufen zu Merlsheim, in zweiter mit Burchard v. Deyn-
haufen (1545) verheirathet, war die Großmutter mütterlicher Seits
jenes Anton Elmerhaus Bofe, deſſen Grabftein an der ſüdlichen
Außenwand der Kirche zu Pömbjen befagt: „Ao. 1622, 11. Mar.
ift der mwoledler und manhafter Anton Elmero Boſen mordlid er
ſchoſſen.“ Darum figurirt in der genealogiſchen Wappentafel diejes
Grabfteins auch dad Druchtleben’sche Wappen (Schwan oder Stord),
Vergl. Geſch. v. Deynhaufen Nr. 360 u. ©. 251,
beftehend in Jagdt, Fiſcherey, Huede, Gerechtigfeith, Hoffen,
Gründen, Schaafdriefft.” Den Burglik zu Borgentreich hat-
ten die Drucdtleben von dem Geſchlechte von Siddejjen
geerbt, da Johann Elmerhaus v. Druchtleben (lebte um
1650) die Erbtodhter Clara Elifabeth v. Siddeſſen geheira-
thet hatte.) Die Junker auf Hainholz jcheinen bejondere
Borliebe für die militäriihe Laufbahn gehabt zu haben, und
drei von ihnen gelangten ſogar zum Generalgrange: Johann
Gottfried v. Druchtleben wird in hiefigen Urkunden wie im
Kirhenbude Generale Major und Eaijerlicher Commandant
von Hamburg genannt (derjelbe lebte nach dem hieſigen
Kirchenbuche noch 1705), Johann Auguft v. Druchtleben
(geboren 1680) itarb als GeneralsLieutenant, und Wilhelm
Ludwig v. Druchtleben (geboren 1705) war General-Wajor.
2) Die v. Siddeſſen hatten jchon feit langer Zeit Antheil an der Burg
zu Borgentreih. In dem St. Paderb. Lehnbuche Erzbifchof Diete-
richt? (aljo aus der eriten Hälfte des 15. Jahrh.) verleihet diejer als
Adminiftrator v. Paderborn „wegen geleifteter treuer Dienite dem
Zohan von Zediffen, jeinem lieben getreuen, in der Hoffnung,
fernerer getreuen Dienſte zu rechten Mannlehn den Lemenberg, gele-
gen vur dem Lemendore by Burgentryfe und beneden dem Wege
dat Broke, gehörend to dem alden roide, as verrm wir off unje
Burfaren die vorjch. Yemenberg und Bröke vur Datum diejed Briefes
nyt vergiftiget hetten.“ Im 5. 1622 findet man die v. Siddeſſen
nod im Beige des Borgentreicher Burglehens; denn in dem bereits
citirten intereffanten Sündenregiiter des Paderb. Adels („Ungefähre
Defignation der Adlichen Paderb. Yandjajien, jo ſich in Herzog
Chriftians Dienft wider ihr eigen Vaterland begeben“) vom $. 1622
wird u. a. gefagt: „Siddeſſen zu Borgentreidh hat ſich in Be-
ftallung eingelajien und foll die Stadt Borgentreich mit haben ver-
rathen helfen; jollen auch wohl die Schulden Deiperation verurjacht
haben.“ Der Mannesftamm diejes Geſchlechtes jcheint gegen Ende
des 17. Jahrh. mit Lippold v. Siddejlen ausgeitorben zu jein. Nach—
träglich fei noch bemerkt, das aud das Willebadefjener Gopialbuch
zwei Urkunden aus den Sahren 1421 und 1474 enthält, weldje die
v. Siddeſſen ald Burgmärnmer von Borgentreich ausftellen.
Das Rittergut Hainholz wurde um 1798 von zwei Schwe—
ftern v. Druchtleben verkauft; jetzt gehört dafjelbe dem Grafen
v. Weftphalen. Zu Hainholz erinnert an das Geſchlecht
der Druchtleben nichts mehr als ein faum noch erfennbares
Mappen mit dem Schwan als Wappenthier, welches ſich in
Holz geihnigt an einem alten Scheunenthore befindet. Die
biejige Vfarrlirche aber bewahrt noch drei Andenken von den
ehemaligen Beligern von Hainholz: einen jilbernen vergol-
beten Meßkelch, eine jilberne Hoftiendoje und ein filbernes
Gefäß für die h. Wegzehrung und bh. Dele. Die beiden
eriten Gegenjtände find von Hans Georg v. Druchtleben und
jeiner Gemahlin Chriftiana Sophia v. Kojerig laut der noch
vorhandenen Schenkungsurfunde vom 10. Mai 1733 der hie:
figen Kaplanei zum Gebraude für den Kreuzaltar gejchenkt
(Namen und Wappen beider — Schwan und Ochſenkopf —
ind eingravirt); das lettere Gefäß ift ein Geſchenk eines
andern Herrn v. Druchtleben und jeiner Gemahlin und mit
beider Wappen geziert (Schwan und ein auf dem Wafjer
ihwimmender Kahn mit zwei Rudern).!)
4. Meſſenhauſen.
Nicht weit von Natingen und Hainholz und ungefähr
1 Stunde in nördlider Richtung von Borgholz entfernt lag
Meſſenhauſen. Ob es ein Dorf geweſen, läßt fih nicht
entjcheiden; jicher aber war es ein alter Ritterſitz. Die Na:
men der Ritter von Mejjenhaufen fommen in ſehr alten
Urkunden vor, 3. B. in einer Gehrdenjhen Urkunde vom
18. November 1229 wird unter den Zeugen neben dem uns
bereit befannten Ritter Bertold Scauwe (Schumen) aud
Y Herr v. Spiejien deutet das Wappenthier der Druchtleben als
Storch; indeß die von mir gefehenen Wappen und Giegelabdrüde
lafien deutlich die Geftalt eines Schwans mit dem charafteriftiichen
gebogenen Halje erkennen.
30
Alexander de Messenhusen genannt.!) Derjelbe
Name begegnet uns in einer Brafeler Urkunde von 1275,
welche über den Zehnten in Kabdenhufen bei Brafel han
delt; außer einem andern Nitter aus der Nachbarſchaft,
Apollonius de Natessen (Natungen), wird auch Alexander
de Metzenhosen als Zeuge aufgeführt.2) Der Abt von
Helmershaufen belehnte 1253 den Berthold Schumen mit
4 Hove Land zu Meffenhuffen und 1345 den Diedrid
Schuwen mit einer SKottitelle dajelbit.?) Im 14. Jahrh.
hatte Albert v. Mejjenhaujen 13 Hufen dajelbit und
4 Hufen in Benfen bei Erfeln als Lehen vom Stifte Corvey
empfangen. *)
Das Nittergut Mefienhaufen fiel jpäter an die Herren
v. Imbſen, wie bereits $. 4. Nr. 5. bemerkt wurde, und
diefe haben das Gut, welches aus Wald und Feld beitand,
an Einwohner von Natingen und Tieteljen verkauft. Die
Stätte aber, welche jegt noch Meſſenhauſen heißt, ift nichts
als ein ärmliches Förfterhaus, am Rande des Waldes zwi:
ihen Borgholz; und Erfeln gelegen. 5)
ı) Wilmans, Weitf. U.B. IV. Nr. 169.
2) Archiv der Stadt Brakel, Abth. IT. Nr. 4.
3) Fürftenberger Repertorium.
9) Wigand, Arhiv VI, 392,
5) Mehrere Urkunden des Willebadefjener Copialbuches aus dem 15. Jahr:
hundert handeln über Zehnten und Güter zu Meffenhujen, wobei
meiftens die Lage des Ortes bei Borgentreich angegeben wird. Im
einer diefer Urkunden (1405) wird der Biſchof von Paderborn und
in einer andern (1410) der Graf von Pyrmont als Lehnsherr von
Mefienhufen genannt. Giefers (Bd. 39, 2, ©. 165 diejer Zeit:
Schrift) führt unter den neun bei Borgentreich ausgegangenen Orten
auch Meskenhuſen an, dejjen Lage er nicht näher beſtimmen könne.
Sollte das vielleicht unfer Mefjenhaufen fein? In dem eben erwähn-
ten Gopialbuch ijt jedesmal ganz deutlich Meſſenhuſen geichrieben.
31
5. Drankhauſen.
Das Heine Dorf Drankhaufen, aus 11 Familien beite-
hend, liegt in füdweitliher Richtung eine Stunde von Borg:
holz entfernt. Nachrichten aus älterer Zeit über Drankhau—
jen haben wir nicht gefunden, e3 jei denn, daß die Orts—
namen Dranthujon und Drandhujun an zwei Stellen
in dem Berzeichnilfe der Gefälle, melde dem Kloiter Hel—
. mershaufen zuftanden, gleich bedeutend mit dem jeßigen
Drankhaufen find, was wir nicht zu enticheiden vermögen.
Die erjte Stelle lautet: De Dranthuson quinquaginta
mold. siliginis et hordei (Roggen und Gerite), et in festo
S. Michael Ill. mold. bonorum caseorum; die andere:
De Dranchusun XX. allecia (Häringe). Freilich werden
in dem Berzeichnifje und in dem voraufgehenden Schenkungs—
regilter auch andere Orte in hiejiger Gegend genannt, in
welden das Klojter Helmershaujen Gefälle und Beligungen
hatte, 3. B. Dalhaufen, Tietelfen, Nagungen, Eiſſen; das
Regijter wird aber von Wend, wie auch oben jchon bemerft
ift, in die Zeit von 1120 gejegt.!) In dem Berichte über
das Gelübde vom %. 1676 wird der „Spiegelifhe Richter
zu Drankhauſen“ al3 Vertreter der Gemeinde aufgeführt;
das Dorf Drankhauſen war aljo damals ein Spiegel'ſches
Dorf, d. 5. es ftand in gewiſſer Abhängigkeit zu den Ba—
ronen v. Spiegel, welche dafelbit nach Lehen: oder Meyer:
recht die gutsherrlichen Berechtigungen hatten.
1) Vergl. Wend, Heſſiſche Yandesgeihichte Pd. II. U-B. S. 74 u. 75.
32
Berichtigungen und Zuſätze.
Bd. 43, 2 S. 98, 3.6. u. lied: Küchengärten ftatt: Kirchengärten.
Pb. 43, 2 ©. 103. Bezüglich des Teſtaments ded Johann Vetten re
giftrirt das Fürſtenberger Repertorium zum J. 1525: „Gevettern
Meitphalen empfangen von Johan Betten, einem Prieiteren, und
Gatharinen Langen, feiner Magt, 62 Rinſche goldg., wofür fie
denenjelben 9, Wolter Korns au 8 hove Landte zu Oberen»
und Niederen-Nabungen verichreiben.“ Zum 3. 1697 wird im
Repertorium die Wiedereinlöfung diejer Verjchreibung berichtet.
Pr. 44, 2 ©. 135 u. 136 wird berichtet, dak Lübbert Weftphalen
und Heinrich Deynhaufen die Schwiegerfühne des Johann
Schuwen geweien und aljo die Schuwen’schen Güter (im Jahre
1405) geerbt. Das Fürftenberger Nepertorium bemerkt mit Bezug
hierauf zum 3. 1408: „Weftphalen und Deynhaufen theilen
unter fi) ihres Schwiegervatteren Schumwen jowohl activ-
Schulden alß pächten zu Oberen- und Niederen-Napungen, Ey-
lerſſen, Eyijen, Emmwardefien, Sundishagen, Willegaffen, Boofjen,
Pudenhauß und Sinride,”
Pr. 45, 2 ©. 113. Bezüglich der Familie Parreuter theilt Herr
W. Schratz, gl. Reg.-Regiftrator zu Negensburg, dem Ber:
fafjer gütigſt Nachftehendes mit: „Im Ihrer Gejchichte von Borg:
holz finde ih Georg Parreuter. Diejer Name kommt bier
häufig vor. Co ift 1497 Ulrich Barrewter, Phreyter (Koftenants-
bereiter) im biefigen St. Natharina-Epital, als Siegelzeuge in einer
Urfunde des Coll..-Stifts St. Iohann dahier fungirend; ein Par:
reuter war im 16. Jahrh. Domcaplar. Ic glaube, daß der Mame
mit Baireuth nichte zu thun hat, jondern mit Pereuter, Phreyter,
Bereiter zufammenhängt, einer zum Yamiliennamen gewordenen
Function, wie fie in hiefigen Stiftern und Klöftern oft vorkommt.
Der alte Georg Parreuter hat jidy fein VBermögen”wohl im 30jäh-
rigen Kriege erworben und dann als alter Haudegen in Borgholz
zur Ruhe aejeßt. „Pfrüm“, der Geburtsort jeiner Mutter a.a. ©.
(S. 114) heist „Pfreimd“ und ift ein Städtdyen im Amtsbezirk
Nabburg (Ober-Pfalz).“
I.
Weſtfalen und die franzöfiihe Emigration.
Von
Adolf Hedhelmann,
Gymnafial- Direktor.
Menichenalter hindurch lebte die Erinnerung an bie ſoge—
nannte franzöliiche Zeit in dem Andenken der Stämme des
deutihen DBaterlandes, die von den damaligen Ereignijjen
jo ſchwer betroffen wurden. Die Kunde von all den Drang:
jalen und Kriegesnöten, welche dem ehernen Walten des eriten
Napoleon folgten, erbte wie ein Sagenihak von Bater auf
Sohn, big die Länge der Jahre und die ruhmvolle deutiche
Neuzeit das Alte aus der Rede des Volkes verdrängte und
Neues für Herz und Mund bot. Doch hat des DVergangenen
ih die Gejchichtichreibung angenommen, welde in zahlreichen
Werfen aud) von dem meldet, was um die Wende der beiden
legten Jahrhunderte in Wejtfalen jich zugetragen. Eine Er:
iheinung jener Tage indes, die gerade unſer Geburtsland
betrifft, hat feine genügende Beachtung gefunden und jteht
daher in Gefahr, immer mehr zu verblajjen und dem geilligen
Auge zu entihwinden. Es iſt die franzöliiche Emigration,
joweit jie die mweitfälijche Heimat berührt hat, und im Zu:
jammenbhange mit Ddiejer auch ſonſt geichichtlih wichtigen
Flucht fränfiiher Nachbarn eine jo großartige Bethätigung
von Edelmut und Nächitenliebe unferer Altvorderen, daß es
allein jchon in diejer Hinfiht Unreht und Undanf wäre,
joldher Ruhmesthaten des eigenen Stammes vergejien zu
wollen. Dennoh fann es leider nicht meine Abiicht jein, er:
ihöpfend jene Vorgänge hier darzulegen, da die Unvollitän-
digkeit des Stoffes, der zum größten Teile nur den beiden
XLVI. 2. 3
34
Hocftiftern Münfter und Paderborn angehört, all zu enge
Grenzen jest. Anzuregen für einen Abichnitt der heimiſchen
Geſchichte, weldher des Andenfens wert ift und der Nachfors
ihung dringend bedarf, muß mir genügen. Wenn es aber
auffällig erjcheinen follte, hier im großen und ganzen Das:
jelbige veröffentlicht zu ſehen, was ich vor nicht langer Zeit
auch als wifjenichaftlihe Abhandlung mit einem Jahresberichte
des Paderborner Gymnaſiums erjcheinen ließ, jo darf der
Wunſch derjenigen als Entihuldigung dienen, welche meinten,
daß in diefer Zeitjchrift dem gejammelten Stoffe eine Berge-
ftätte geboten würde, die jicherer jei als jie ein leicht ver:
(orener Jahresbericht zu geben vermöge. Mein eigener und
bejonderer Wunſch ilt, es möchten die nachſtehenden Darle-
gungen auf diefem Wege vielleicht in weitere Kreije gelangen
und jo Anlaß zu Nahforihungen und freundlichen Beiträgen
bieten, welche in Zukunft eine wünjchenswerte Vervollſtän—
digung des Begonnenen ermöglichen.
Die vorliegende Abhandlung enthält zwei Hauptabichnitte,
einen fürzeren über die Emigration der franzöfiichen Laien:
welt, namentlich des Adels, und einen umfangreicheren über
die Flucht der Angehörigen des geiltlihen Standes; in
beiden Teilen jedoch wird die Auswanderung nur inſoweit
behandelt werden, als ſie auf weitfäliihem Boden ſich vollzogen.
I. Gleih die eriten Zugeſtändniſſe, melde König
Ludwig XVI. von Frankreich zu Beginn der Revolution den
rüdiihtslojen Neuerern machte, drängten die Prinzen des
Hofes und einen großen Teil des franzöliichen Adels in eine
abgefonderte Stellung. Nicht gemwillt, auf der abſchüſſigen
Bahn der Nachgiebigfeit ihrem Herriher zu folgen, und doch
zu ſchwach, um den drohenden Maffen der Empörer Halt zu
gebieten, jchieden de3 Königs Brüder Yudmwig, Graf von
Provence, und Karı, Graf von Artois, ſowie des legteren
Söhne, die Herzöge von Angouleme und Berry, jchieden
jo manche Träger jtolzer franzöjiicher Namen, der Prinz von
35
Condé, die Herzöge von Bourbon, von Enahien, von
Montmorency, von Broglio und andere aus dem gäh—
renden Frankreich, um in den Nachbarftaaten, bejonders in
Deutichland, den Beiftand der Fürften und Völker zur
MWiederheritellung der alten Ordnung der Dinge drüben und
zum Schuge ihres unglüdlichen Königs zu gewinnen. Diefe
Auswanderung, welche die Geihichte mit dem Namen der
Emigration bezeichnet hat, nahm bald eine immer größere
Ausdehnung an. Zu ungezählten Taufenden zogen die fran-
zöſiſchen Adelsgeſchlechter, mandhe mit reicher Habe und
ihwerfälligem Troß, aus den Grenzen ihres Vaterlandes.
Insbeiondere in den rheiniihen Städten Worms, Mainz,
Bonn, wimmelte e8 von Scharen flüchtiger Sranzojen; Koblenz
aber wurde eine Sauptfammelftätte, dort bildete jich durch
die Anmwejenheit der Brüder des Königs der fogenannte
Prinzenhof. Wie mancher der dort oder in den Nachbarſtädten
weilenden Auswanderer verfannte anfänglich den furchtbaren
Ernft der Zeitverhältnifje! In Seitgelagen und ausgelaflenen
Zeritreuungen brachte der junge Adel in Koblenz feine Tage
zu, und auch in den übrigen rheiniihen Städten machte das
üppige und müfte Treiben vieler Flüchtlinge einen gar
ichlechten Eindrud.!) Da brach im Sommer 1792 der Krieg
der eriten Koalition gegen Frankreich aus. Tauſende von
Emigranten jchloffen fich dem Heere der Preußen und ber
Öfterreicher an, mit denen fie in die Champagne einrüdten.
ALS aber das Friegeriiche Unternehmen der Verbündeten tläg:
lich geicheitert war, und die fiegreichen franzöftichen Nepubli-
faner gar dem Rheine immer näher famen, da eilten Die
!) Ehr. v. Stramberg, NRheinifcher Antiquarius, I. ©. 4—172,
gibt wohl das anſchaulichſte Bild vom Leben und Treiben der Emi—
granten am Rhein. Der Bericht, vielfach der eines Angenzeugen,
hebt an mit dem glänzenden Koblenzer Auftreten der bourbonijchen
Prinzen, Ludwig und Karl, und führt bis zum Fäglichen Aus:
gange dei Feldzuges in der Champagne.
3%
36
vom linken Ufer des Stromes verjheudhten Auswanderer in
wirren Majlen ohne Hilfe und ohne Nat in die rechtörhei-
nifchen Gebiete unſeres Vaterlandes. Goethe, der damals
mit jeinem berzoglichen Freunde gleichfalls aus dem verun:
glüdten Feldzuge heimkehrte und auf dieſer Nüdfahrt die
Fürftin von Galligin in Münfter zu beſuchen gedachte, geriet
in das Gedränge diejer franzötiichen Flüchtlinge, welche gegen
Ende 1792 jcharenmweije in Wejtfalen eindrangen. Münſter
jelbjt, wo der Dichter im Dezember des erwähnten Jahres
eintraf, war nad) jeiner Darjtellung von ihnen angefüllt.
„Erſt tief in der Nacht angelangt, hielt ih es nicht für
ſchicklich, durch einen ſolchen Überfall gleich beim Eintritt
die Gajtfreundichaft der Fürltin zu prüfen. Sch fuhr daher
an einen Gajthof, wo mir aber Zimmer und Bette durchaus
verjagt wurde; die Emigranten hatten jih in Maſſe auch
hierher geworfen und jeden Winkel gefüllt. Unter diejen
Umjtänden bedacdhte ih mich nicht lange und bradte die
Stunden auf einem Stuhle in der Wirtsitube hin, immer
noch bequemer als vor furzem, da beim dichteiten Negenwetter
von Dah und Fach nichts zu jinden war.“!) — Auch auf
der jpäteren Weiterreife nach Kaffel fand Goethe Weg und
Steg von Flüchtlingen bededt und in jener heſſiſchen Stadt
jelbit anfangs nicht geringe Schwierigkeit unterzufommen,
ba man ihn für einen Franzoſen hielt. Das Benehmen der
Beflohenen war nach feinen Andeutungen häufig anmaßend
und ihrer Lage wenig entiprechend und erinnert lebhaft an
das Auftreten eines franzöfiihen Grafen, der bei einem
müniterländiichen Adligen gaſtliche Aufnahme gefunden.
„Aber, Herr Baron, man kann hier zu Lande des Nachts
vor lauter Froſchgequak ja nicht ſchlafen!“ — „„Quaken
denn in Frankreich die Fröſche nicht?““ fragte der deutſche
Edelmann. — „Das wohl,” meinte der Fremde, „aber wir
’) Goethes jäntliche Werke. Bund XXV. Kampagne in Yranfreich.
37
jtellen zur Abendzeit bei den Schloßgräben Lafaien auf, welche
das Wafler peitihen und jo die Tiere zur Ruhe bringen.”
— ,,„ Nun,‘ entgegnete der Deutſche, „„wenn Sie es fo
getrieben haben, mögen fie nicht mit Unrecht verjagt fein!’
— Den Mittelpunft der weltlichen franzöfiichen Flüchtlinge
bildete, wie früher am Rheine der Prinzenhof zu Koblenz,
jo jpäter in Weftfalen längere Zeit die Stadt Hamm.
Mit den Trümmern des aufgelöften Emigrantenheeres
waren auch die bourbonishen Prinzen zum Rhein geflohen.
Die Verwirrung und das Elend waren namenlos, jo daß
Monſieur und der Graf von Artois zu Düffeldorf, wo jie
fich zu Anfang Dezember 1792 aufbielten, wegen nicht ge:
leifteter Zahlung jelbit von einem Pferdehändler einft ver:
baftet wurden. Der ruſſiſche Gelandte, Graf Romanzow,
joll jedoch ind Mittel getreten fein und die Zahlung über:
nommen haben. Mit folder Drangjal der heimatslojen Prinzen
befundete König Friedrih Wilhelm II. von Preußen leb—
baftes Mitleid und wies ihnen deshalb feine, von den da—
maligen Kriegsvorgängen ziemlich entfernt liegende märkiſche
Grenzitadt Hamm zur Zufluht an. Schon im Verlaufe des:
jelben Monat3 Dezember trafen die Bourbonen mit ihrem
Hofitaate dort ein. Wohl war e3 fein Bild der Koblenzer
Pracht und glänzenden Fülle, auch nicht des dortigen ver:
mejlenen Hoffens und Wagens, aber jelbit die zertrünmerte
Herrlichkeit bot mit ihren blendenden Reiten für die ftille
Weitfalenftadt, welche damals faum 4000 Einwohner zählte,
etwas unjagbar Aufregendes, ja für viele Unfaßbares. Dieje
Menge von hohen Herren, Prinzen, Herzögen, Miniftern,
Ludwigs-Rittern, Kammerherren und Adjutanten; diejer Schwall
von Dienern, Reitfnechten, Kutichern mit Wagen und Pferden!
Der Graf von Provence hatte einen Garde-Kapitän, einen
Stallmeiiter, 3 SKammerdiener, 11 Küchenbeamte und 20
Berjonen zum SKurierdienit; — den Grafen von Artois be:
gleiteten 2 Garde-Dffiziere, 4 Kanımerdiener und 28 Perſonen
38
für den Kurierdienft; feine jungen Söhne, die Herzöge von
Angoul&öme und Berry, wielen in ihrem Gefolge 4 Edel-
leute auf, welche die Erziehung zu bejorgen hatten, an ber
Spike derfelben ftand der Herzog von Serent, dazu kamen
noch 1 Lehrer und 1 Kammerdiener. Zudem gehörten zur
Begleitung der Prinzen 3 Ärzte, 1 Apothefer und nod 17
Perſonen Gefolge. Außer den königlichen Prinzen jelbit waren
die bedeutjamften Erjcheinungen die Mitglieder des hohen
Rates, des fogenannten Gonfeil. Diefen bildeten ebenjo wie
einjt zu Koblenz der Prinz Xaver von Sadien, die Mar:
ihälle von Broglio und von Caſtries, der Biſchof de
Conzié von Arras, der Prinz von Naſſau-Siegen, der
Marquis von Jaucourt, der Baron von Flahslanden
und der Herr von Calonne. — Kaum war in dem kleinen
Hamm Pla, al dieje hohen Herrſchaften mit ihren Zuge—
hörigen unterzubringen; die Föniglichen Prinzen jelbit wohn:
ten im Haufe des Kriegs: und Domänen-Rates v. Sudhaujen
im fogenannten Naſſauer-Hof. Die Gefühle, womit Die
Stadtbewohner die flüchtigen Fremdlinge in ihre Mauern
einziehen jahen, waren jehr verichiedener Art. Manche fürch-
teten eine Ahndung der franzöfiihen Volfsregierung wegen
Aufnahme der Prinzen und drangen deshalb auf Ausweiſung
derjelben. So fand man ſchon am 24. Dezember an einem
Hanje in Hamm einen Zettel angeheftet, welcher die Auffor:
derung enthielt: „daß alle bier ſich aufhaltende Franzojen
binnen 24 Stunden die Stadt räumen Jollten, ſonſt Die
Bürger ſolche mit Gewalt vertreiben und unter andern den
Grafen von Artois lebendig oder tot dem National-Konvent
in Paris überliefern wollten.” — Der Magijtrat forderte
darauf die Bürger auf, „da des Königs Majeltät den fran:
zöjiihen Prinzen den Aufenthalt veritattet, und da die hiejige
gute Bürgerichaft bis dahin zu ihrem Ruhme den König:
lihen Befehl befolgt, fo würde jie ermahnt, dabei zu be=
harren.” Die Kriegs: und Domänen-Kammer erließ eine
39
ähnliche Ermahnung. — Wenige Wochen fpäter fam auch
nad) Hamm die furchtbare Nachricht von der am 21. Januar
1793 erfolgten Hinrichtung des Königs Ludwig XVI Wie
allen königstreuen Franzofen jo galt an erfter Stelle den
Brüdern des Ermordeten nunmehr als ihr rechtmäßiger König
Ludwig XVIL, der unglüdlihe jugendliche Gefangene des
Temple. Da aber unter den obwaltenden Verhältniſſen von
feinerlei thatjächliher Regierung desjelben die Rede fein
fonnte, jo nahm der Graf von Provence wenige Tage
nad dem Tode feines Bruders unter dem Titel eines Re—
genten von Frankreich vorläufig die Herrichaft in jeine Hand.
Sowohl die in Hamm lebenden Franzojen als auch die preu:
Biihen Behörden benannten ihn jeitdem als Regent de
France. Als jolcher erließ der Graf von Brovence jchon
am 28. Januar eine von feinen Staat$miniltern, den Mar:
Ihällen von Broglio und von Caſtries, gegengezeichnete
feierlihe Erklärung, worin er feinen feiten Entihluß befun-
dete: Zudwig XVII, jomwie deſſen Mutter, Schweiter und
Tante zu befreien; die Religion und die Ordnung wieder
berzuftellen; die Franzojen aller Stände in alle Rechte und
Beſitzungen, die man ihnen genommen, zurüdzuführen; die
Verbrechen jtrenge zu beitrafen; das Anjehen der Gejege und
des Friedens wieder aufzurihten: endlich auch die feierliche
Verpflichtung zu erfüllen, welche in den am 10. September
1791 an den verftorbenen König gerichteten Deflarationen
enthalten wäre. — Gleichzeitig wurde der Graf von Artois
zum General-kieutenant des Königreiches ernannt, in welcher
Eigenihaft dieſer jeitdem feine Berehle „im Namen des
Königs und des Negenten” erließ. Indes it es bei
diefen und andern Verordnungen geblieben, da zu einer
großen rettenden That die Mittel fehlten.!) Leider aber nicht
1) In diefem Sinne jchrieb auch der Herzog von Serent im Febr.
1793 von Hamm aus einem Freunde: „Je ne connais aucune
40
zur Vergeudung und zu einem gar üppigen MWohlleben, wie
e3 damals Hamm in ähnlicher, nur nad den Verhältniſſen
verminderter Weile erlebte, ala ehedem Koblenz und Die
andern von Emigranten gefüllten rheiniichen Städte. Der
wortgetreue Bericht eines Augenzeugen mag davon die klarſte
Anihauung geben: „War es an einem Orte, wo man bis
dahin feinen Luxus und nicht3 Ausländiiches kannte, nicht
möglich, eine Lebensweiſe zu führen, wie man fie in Paris
und Verfailles bis zum Übermaß gewohnt war, fo jegten
doch das mitgebrachte viele Geld und die anjehnlihen von
andern PBotentaten, namentlid auch von dem edelmütigen
und freigebigen Könige Friedrih Wilhelm II. zufließenden
reihen Subfidien in den Stand, alle® was zu haben war,
überbietend vorweg nehmen zu fünnen. Frei und verſchwen—
deriih wurde für Wohnung und Nahrungsmittel mehr ge:
geben als gefordert wurde, und bald ergoß fich durch das
Städtchen ein Geldftrom, namentlih an franzöfiichen Laub:
thalern, wie man es bis dahin nie und jpäter nicht wieder
gejehen hat. Es war, als ob das Geld allen Wert verloren
hätte, jo reichlich floß es von allen Seiten ohne Mühe zu,
und alles, noch in den Fugen altväteriicher Zuitände, ber:
kömmlicher Ordnung und einfacher Sitte, fam in Aufregung
und Unruhe. Man erichraf und erzählte fih mit Erjtaunen,
dat Scinfen in Burgunderwein gekocht, und große Stüde
Butter auf den Herd ins Feuer, wenn e3 nicht brennen
wollte, geworfen; nur die zarteften Teile vom Geflügel auf
die Tafel gebradt, und Bäder von Fleiichiuppen und Wein
bereitet würden. Die erniten erfahrenen Väter der Stadt
position dans l'bistoire, ou celui qui gouverne ait eu à la fois
autant & faire et si peu de moyens d’ execution; point de
territoire, point de finances, point de parti que celui d’une
portion de noblesse ruinee, extenuee, dispersee. Bal. H. For-
neron, Histoire generale des Emigres. (Paris, Plon, 1884).
Band 1. ©. 375,
41
jchüttelten, wenn fie die wilde Treiben und Vergeuden
ſahen, bebdenflih die Köpfe und Fündigten Unglüd an, mit
den üblihen Worten: „Da werben die Hunde nach heulen!”
In der That gereichte aud die Anmwejenheit und der lange
Aufenthalt diefer ſybaritiſchen Fremdlinge der Stadt und
ihren Bewohnern nicht zum Segen. Denn fo jehr man den
Monjieur in feiner erniten Stimmung, ftillen Lebensweiſe,
wiſſenſchaftlichen Beihäftigung und Pietät, in welder er
täglih in die Kirche des Franzisfaner-Klofterd ging, ehrte,
jo viel Mifbilligung und Ärgernis erregten die andern im
Gefolge, die in voller Kraft der beiten Jahre üppig lebten;
und jo hörte man denn bald reden von verführten Jung:
frauen und unglüdlic” gewordenen Ehen. So entitand nun
in der Stadt ſelbſt Zwieſpalt, und es bildeten ſich Parteien,
von denen eine, die Fleinere, die franzöfiiche, die andere
größere die deutihe genannt wurde. ' C3 trat eine völlige
Trennung der geielligen Berhältnijje ein, und jtatt daß früher
alle in friedlicher Eintraht in Einem Geſellſchafts-Lokal jich
zur wechjeljeitigen Aufheiterung jonntäglich verjammelt hatten,
ftanden jie jetzt gejchieden bitter gegen einander über, int
Austaufhe von Pasquillen und Schmähreden. Der gerne
gehörte Prediger Wülfingh brachte die betrübte, arge Sadıe
von der Kanzel zur Sprade und bielt über die Bibelitelle:
„Schicket eud in die Zeit, es ift böje Zeit,” eine fcharfe
Strafpredigt. Da fie gedrudt wurde und große Senfation
machte, jo ſahen die Fremdlinge die ftarfen Stellen in der:
jelben al3 perjönliche Injurien an und verflagten den freis
mütigen Spreder in Berlin bei des Königs Majeität. Das
Dber:Konfiltorium, an welches die Klage abgegeben mar,
belobte aber den Spreder. — Angeſichts der wachſenden
Mipitimmung der Hammer Bürgerichaft forderte der Magiltrat
in einer in franzöſiſcher Sprade abgefaßten PBroflamation
am 18. Juni 1793 alle Sranzojen, die nicht zum Gefolge
der Prinzen gehörten, auf, die Stadt in 3 Tagen zu räumen,
42
Die Beaufiihtigung der Emigranten machte dem Magiftrat
überhaupt jehr viel zu fchaffen. Auch verhehlte man ſich
nit, daß die franzöliihe Nationalveriammlung immer miß-
trauifcher da8 Treiben des Hammer Prinzenhofes ind Auge
faßte. Namentlih der Graf von Artois, die Seele der
Kriegspartei, jei drüben jo jehr ein Stein des Anftoßes,
daß von der Nationalverfammlung der Vorſchlag gemacht
jei, den Grafen und feine Kinder in Hamm meuchleriich zu
überfallen und aus der Welt zu Schaffen. Wahres mag an
dem Gerede gewejen jein, denn durch eine Königliche Ka—
binett8:Ordre vom 2. Dezember 1793 wurden die Kriegs: und
Domänen-Kammer jowie der Magiftrat in Hamm angewiejen,
den Grafen Artois unter bejondern Schuß zu nehmen. Die
in der Stadt eintreffenden ausgewanderten Franzoſen und
fonftige Fremde wurden darauf einer genauen Kontrolle unter-
worfen. — Wegen der unerquidlidhen, freilich am mwenigiten
durch jeine perjönliche Schuld herbeigeführten gejellichaftlichen
Berhältniffe entichloß jih der Graf von Provence um die
Mitte des Monat? Dezember 1793 Hamm zu verlajfen. Er
reifte nah Ober-Italien und begab fih über Turin nad
Verona, wo er jpäter, nach dem am 8. Juni 1795 erfolgten
Tode des unglüdlihden Dauphin, von feinen Anhängern
zum König von Frankreich; ausgerufen wurde. Sein Bruder,
der leichtlebige Graf von Artois, blieb in Hamm no bis
zum Spätjommer des Jahres 1794. Bei feiner Abreife er:
ließ er unter dem 12. Auguft ein Danfichreiben an die Stadt,
worin es heißt: „Ich verlafje diefe Stadt ſehr ungern, worin
ih jo viele Bemweije der Zuneigung und zuvorfommenden
Gefälligfeit erhalten habe.” — Die Erinnerung an den
Prinzenhof zog inde® auch noch fpäter ganze Schwärme
flüchtiger Franzoſen nah Hamm, und als die republifanijche
Armee jich des linken Rheinufer bemächtigte, langten einmal
an einem Tage gegen 1400 franzöfiiche und belgiiche Flücht—
43
linge dort an, welche faum unter Dach kommen Eonnten.
Biele derjelben blieben in der Stadt und Umgegenbd. !)
Seit die Schredensherrichaft der Jakobiner in Frankreich
mwütete, und gleichzeitig die wildbegeifterten Heere des rei:
ftaate8 immer größere Fortichritte nah Dften machten, er:
goſſen fih ganze Ströme franzöliicher Auswanderer, denen
1) Die Mitteilungen über den Prinzenhof zu Hamm find folgenden
Merken entnommen: 1. Ejfellen, Beichreibung und kurze Geichichte
des Kreiles Hamm. ©. 60. f. — Troß aller Bemühungen ift es
mir bislang leider nicht gelungen, die wichtigen Dokumente, welche
dem Verfaſſer augenscheinlich vorgelegen haben, zu ermitteln. Sie
finden fich weder im dortigen landrätlichen Archiv, noch im Kal. Staats:
Archiv zu Münfter. Es verlohnt der Mühe, den Schriftſtücken
weiter nachzuforſchen. — 2. Bericht eines Hammer Augenzeugen bei
Eylert, Charafter-Züge und hiſtoriſche Fragmente aus dem Leben
des Königs von Preußen Friedr. Wilhelm III. Band II Note auf
©. 224 ff. — 3. De Guilhermy, Papiers d’un Emigre. (Paris,
Plon. 1886). Dort heiht ed auf ©. 40: Quand les princes etaient
reunis a Coblentz, leur conseil etait forme du prince Xavier
de Saxe, des mar&chaux de Broglie et de Castries, de l’eveque
d’Arras (Mgr. de Conzie), du prince de Nassan-Siegen, du mar-
quis de Jaucourt, du baron de Flachslanden et de M. de Ca-
lonne. Il en fut de meme a Hamm, en Westphalie.
©. 44. Peu de jours apr&s la mort de Louis XVI., une de-
elaration de regence avait paru, signee du comte de Provence,
eontresignee des mar&chaux duc de Broglie et Je Uastries, mi-
nistres d’Etat. Datde de Hamm en Westphalie, le 28 jan-
vier 1793, elle protestait de la volonte, „de delivrer Louis XVII,
sa mere, sa soeur et sa tante; de retablir la religion et sa dis-
eipline; de rappeler la magistrature; de reintegrer les Frangais
de tous les ordres dans tous leur droits et proprietes envahies
et usurpees; de punir d'une maniere sevöre et exemplaire les
erimes; de retablir l’autorit& des lois et de la paix; d’accomplir
l’engagement solennel‚contenu dans les deelarations adressees
au feu Roi le 10 septembre 1791, et autres actes.* — Le comte
d’Artois y etait nomme lieutenant general du royaume, et com-
mandait toujours, en consequence „au nom du Roi et du
Regent.“ Le Regent commendait „aunom du Roi.“
44
fih bald zahlreihe aus den von den Republifanern über:
ihmwemmten Niederlanden zugejellten, auch in die übrigen
Teile Weftfalend. Die meilten famen und verjchwanden wie
flüchtige Wellen, und jede eingehendere Kunde über fie ift
verloren; aber wenn man allein von denjenigen, über welche
die Kirchenbücher, vielfach auch die Natsprotofolle der Städte
in kurzen Nachrichten melden, eine Zufammenftellung bilden
wollte, e8 würde ein gar ſeltſam bemwegtes, buntfarbiges Bild
zu Tage treten. Menfchen jeglicher Lebensftellung, jung und
alt, hoch und niedrig, reich und arm bis zur Verzweiflung. !)
u.
1) Einen ungefähren Einblid in derartige Verhältniſſe gibt 3. B. dad
Paderborner Magiitrats-Protofoll vom 29. Oktober 1794.
„Wegen der Vielheit der franzöftichen Emigranten und der des—
halb eingetretenen Beſorgnis war beichloffen, da am Nadhmittage
gemeldeten Tages durch die Rats- und Gemeinheits-Deputierten mit
Zuziehung eines Sprachverftändigen jeder in feiner Bauerſchaft (Stadt—
bezirt) die Päjje der Emigranten zur behördlichen Einficht einfordern
follte. Diefem Pegehr find die übrigen Andwanderer nachgefommen,
ein Zeil derfelben aber war entweder vom Haufe abmwejend oder
weigerte die Herausgabe. Hierüber meldet das Protofoll weiter: ad
eandem causam circa vesperum übergaben die Deputierten der
Meftern-Bauerjchaft die von ihnen eingeforderten Päſſe und ſon—
jtigen Zeugnifje, bemerkten aber, daf in Nr. 186 bei Hofrat Weber
eine Yürftin mit ihrem Gefolge wohne, welcher der Hofrat den Paß
nicht hätte abfordern wollen; in Nro. 189 wäre ein Kanonikus nicht
zu Haufe geweien; in Nro. 246 wohnten 3 Geiftlidye, wären aber
nicht zu Haufe; in Nro. 250 wäre der Geiftliche nicht zu Haufe ge
weſen; in Nro. 313 wäre ein Marquis angeblidy nicht zu Haufe ge
weien; in Nro. 319 wären nicht zu Hauſe geweien 2 Pürgermeiiter
aus Lüttich; bei Chirurgus Eidhoff 2 Geiftliche, jo nicht zu Haufe
gewejen. — Königftr.-Deputierte. In Nro. 538 ein Kanonikns, der
den Paß durchaus nicht abgeben wollen; in Nro. 358 ein Paiter
nebſt Nichte wäre nicht zu Hauſe gewejen. — Maspern» Teputierte.
In Nro. 584 wären 12 Perſonen, meldye aber ihre Päſſe nicht ab»
geben wollen; in Nro. 732 angeblidy ein Prediger, jo aber nicht zu
Haufe gewejen; in Nro. 686 wäre der Dann verreift gewejen; in
Neo, 595 ein Geiftlicher und eine Frau jo nicht zu Haufe, bemerften
45
Doch der Neichtum einzelner hielt nicht lange vor, und ba
in den hieligen Gegenden zu all den andern Drangjalen ſich
auch noch die heſſiſchen, hannöverſchen und preußifchen Truppen
durchzüge mit der Laſt der Einquartierung und fonitigen
Abgaben gejellten, jo wurden der Gaftlichfeit und Freigebig:
keit der Landesbewohner gegen die Fremdlinge immer engere
Grenzen gezogen. Bald trat die Not in drohender Geitalt
auf. Unter den Wintern des legten Jahrzehnts im vorigen
Jahrhundert waren einige von furdtbarer Strenge, der vom
Jahre 1793 zum folgenden lebte lange im Munde des Volkes
als der Franzojenwinter. Die Klagen über Kornmangel
und Teuerung mehrten fih. In Münfter mußte man zur
Errichtung eines Kornmagazins für die Armen jchreiten, und
jür den Landmann, der das meifte Getreide auf dem Markte
feil böte, jegte man eine Belohnung von je einem Stronthaler
aus. Ähnliche Notitände zeigten fih im Paderborner Lande.
Die fürjtbiichöflihe Regierung, welche jchon im Jahre 1794
mit Sorge hierauf ihr Augenmerk gerichtet hatte, erließ dem:
gemäß am 3. März des folgenden Jahres unter Hinweis
auf die täglich zunehmende Teuerung der nötigen Lebens:
mittel, da die Gemüſe durch Froft und Waffer viel gelitten,
Korn nicht mehr ausreichend vorhanden wäre, eine ftrenge
Mahnung, auch nicht für einen großen Preis jene Früchte
jegt fortzujchlagen, die zu eines jeden Unterhalt und zur
aber, daß des Geiitlichen Bruder ald ein Deferteur ſich da aufhalte,
— Kämpern. In Nro. 57 ein Geiftlicher, fo nicht zu Haufe ge
weien; in Nro. 101 wären 9 Mann und 4 Bediente, welche feinen
Paß abgegeben und den Namen nicht angegeben. — Üüber die ent-
Ipredyenden damaligen Verhältniſſe in Münfter fchreibt ein Augen:
zeuge (Mitteilungen aus einer kurz gefahten Chronif der Fahre
1794— 1832 [Münfter, Regensberg, 1883]) auf Seite 4: Es kamen
Perionen aus allen Ständen hier an, jo daß am 1. Oktober 1794,
wo die Fremden bier aufgeichrieben wurden, ihre Anzahl ſich auf
1054 belief, worunter 283 Priefter, Möndye, Nonnen,
46
Einjaat unentbehrlich feien. Die Zahl der Emigranten habe
jih von Tag zu Tag jo vermehrt, daß der Fruchtvorrat des
Landes nicht mehr ausreiche. — Eine ähnliche Verordnung
erging namentlich rücichtlid des Holzverfaufes angeſichts
„des ungebeueren drüdenden Holzpreijes” am 20. November
1795. Auch diefer Erlaß hebt mit dem Hinweis an, dab in
Paderborn die Preife der notwendigften Lebensmittel jo hoch
geftiegen jeien, „daß bei fernerer Fortdauer viele Einwohner
in Verfall und Armut geraten dürften.” — Wie wollte unter
ſolchen Perhältniffen die Mehrzahl der Fremdlinge, deren
Menge immer mehr anjhwoll, deren Nachzügler oft nichts
gerettet hatten al3 das nadte Leben, ihren Unterhalt finden?
Viele der letteren, meift bürgerlihen Standes, ergriffen daher
irgend ein Handwerk: als Schuiter, Schneider, Uhrmacher,
oder verjuchten ſich als Tanzlehrer, Perückenmacher, Puder—
fabrikanten, Speiſewirte und Weinhändler. Andere bemüheten
ſich, als Sprachlehrer ihr Brot zu verdienen. Wohl den trau—
rigſten Ausgang hatten die Handwerksverſuche, denn die
Satzungen des vielfach zur rückſichtsloſen Beſchränkung und
Härte verirrten Zunftweſens machten auch die fleißigſten
Anſtrengungen jcheitern. Wenn es dem Altläpper nicht ge—
ſtattet war, einen neuen Schuh zu verfertigen, denn dazu
hatten nur die Genoſſen der Schuſtergilde Recht, wenn der
Pfeifendrechsler an der Pfeife keinen Quaſt verkaufen durfte,
denn damit beging er einen Eingriff in die Rechtſame der
Poſamentiere, wenn, wie derzeit in Münſter, faſt der größere
Teil der Klagen bei Bürgermeiſter und Rat ſich auf wirkliche
oder vermeintliche Übergriffe einer Gilde in die Befugniſſe
einer andern bezog, jo ergibt jich leicht, daß man dem Fremden
aus Keindesland das nicht geftatten wollte, was man jelbft
dem Einheimiiden nach dem Wortlaut der Amtsrolle zu
weigern berechtigt war.!) Niht aus Hartherzigkeit daher,
2) Val. hierüber die im Archive der Stadt Münfter befindlichen Se—
natd:Protofolle aus dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahr:
47
anerkannte doch 3. B. der münſteriſche Landesherr, daß man
ihnen über Gebühr Vorſchub leijtete, jondern weil die da—
malige bürgerliche Ordnung jolches forderte, legte man den
Fremden in vielen Fällen das Handwerk. — Die verſchiedenen
meiträliihen und nachbarlichen Landesregierungen erachteten
es angejichtö der jo jich mehrenden Notitände daher als ihre
Pflicht, auf den Abzug der weltlihen Emigranten hinzudrängen,
falls dieje nicht aus eignen Mitteln ihren Unterhalt bejorgen
könnten. So verfügte die fürftbijchöfliche Behörde zu Paderborn
unter dem 29. April 1795 „daß, obwohl die dahier ſich
aufbhaltenden Fremden, melde aus Lüttich und andern mit
Deutichland verbundenen Provinzen zu Haufe jeien, und aus
ihrem eignen Vermögen ihren Unterhalt hätten, dahier ver-
bleiben fönnten, dennoch den eigentlichen franzöfiichen welt:
lihen Emigranten fein weiterer Aufenthalt weder in der
biefigen Stadt, noch in dem ganzen Lande verftattet werden
ſolle. Beamte und Gerichtsbaber hätten aljo dieje ernithaft
anzuhalten, daß jie aus dem Hiejigen Lande abreiſen müßten,
und wie foldhes geihehen, binnen 14 Tagen pflihtmäßig zu
berichten, widrigenfalld die Beamten und Gerichtshaber dafür
augejehen und zur Verantwortung gezogen werden jollten.
— Allein die Rot fannte auch in diefem Falle oft fein Gebot.
Mochten gleich mande der Fremdlinge auf Grund der vor-
jtehenden und ähnlicher Verordnungen ihren Wanderjtab
weiterjeßen, mande nad Robespierres Sturz jelbit in Die
Heimat zurüdzufehren wagen, dennoch blieben viele. Bejonders
ſcheint der königstreue Adel, der von der freiftaatlichen Neu:
ordnung im Vaterlande nichts hören mochte, in den ver:
Ihiedenen Gegenden Weſtfalens nocd jahrelang ausgeharrt
zu haben. Aber auch deſſen Mittel gingen endlich zur Neige,
um jo mehr, als Geldjendungen aus der Heimat zu be-
hunderte. Diejelben enthalten aud) anderweitige auf die Emigranten
bezugliche Nachrichten.
048
fommen faft unmöglich war, und felbft der briefliche Verkehr
franzöjischerjeit8 zeitweile mit dem Tode bedroht wurde. „Ich
weiß nicht mehr,’ jchreibt im Januar 1796 eine Madame
d'Eſspinay aus Münjter an ihren Bruder, den Grafen
Montvallat, „ich weiß nicht mehr, was thun, was aus
mir werden joll, wohin mein Haupt legen. Aber man muß
alles von dem erhoffen, welcher die Revolution gemadt hat,
denn fie ift nicht Menſchenwerk; er wird jie beenden, wenn
er glaubt, daß wir genug gezüchtigt find.” — Die Bedrängs
nig wurde indes nicht jobald gehoben, und die Armut zwang
nun aud die Edlen zu allerlei ungemwohnter Arbeit. !) Gewiß
in nur feltenen Fällen ijt auf den Lebensweg diejer Unglüd-
lihen ein jo warmer Sonnenftrahl gefallen, wie fi) diejes
bei einer Edelfrau zutrug, die im Paderborner Lande noch
jegt in gejegnetem Andenken fteht. Es war eine Marquije
de Ghistelles, welche einjt am Hofe Ludwigs XVI. gelebt
hatte. Mit Hinterlaſſung ihrer bedeutenden Beiigtümer flohen
Mutter und Tochter nah Paderborn und wohnten bier zur
Miete in einem feinen Haufe am Wefternthor. Sie verfer:
tigten mit Gold geitidte Bauernmügchen, ſ. g. Nebelfäppchen,
von deren Erlös jie ihren Unterhalt kümmerlich friſteten.
Da traf ein Kammerherr des Fürftbiichofes einjt die ſchöne
Tochter draußen beim Reijerleien, erfundigte jih dann nad
ihrem Herfommen und heiratete fie. 2)
1) De Guilbermy: Papiers d’un Emigre. ©. 47 f. Disperses dans
toutes les eontrees de l’Europe, les emigres frangais s’ingeniaient
partout à se creer des moyens d’existence; l’'un y appliquait
son esprit cultive ou son talent pedagogique; l’autre, son habi-
lete professionelle ou des aptitudes particulieres; il n’y avait
plus de sot ınetier. Malgre quelques fächeuses et inevitables
exceptions, on pouvait dire que, la ou elles ne tenaient pas la
plume ou l’epee, les mains aristocratiques savaient s’honorer,
au besoin, par le travail de l’artisan.
?) Nad einer freundlichen brieflichen Mitteilung.
49
Bei dem unftäten Umberziehen jo mancher Emigranten
in Weitfalen it es nicht zu verwundern, daß fi troß aller
Verbote jelbit in den jpäteren Jahren immer nod wieder
neue Antömmlinge bier und da einfanden. Die Negierungen,
welche bei den traurigen Kriegszeiten ihre eigenen Unterthanen
in heller Rot jahen, trafen bei den, allen Verboten zuwider
ih Fortiegenden Einwanderungen endlich ernite Maßregeln.
Die hochfüritliche Geheime Kanzlei zu Paderborn veröffentlichte
in gleihem Sinne am 10. Auguſt 1799 die Beltimmung,
daß fortab feine Franzoſen weltlichen Standes mehr in das
Hochſtift aufgenommen werden dürften, als nur jolche, welche
eine beiondere Erlaubnis des Fürſten oder des Geheimen
Rates vorzeigen fönnten. Emigranten, die einer folchen ent—
behrten, hätten unnadlichtlich binnen 3 Tagen das Yand zu
verlajien. — Außer ſolchen durd den Zwang der Selbit-
erhaltung gebotenen behördlichen Verfügungen mirkten auch
die in Frankreich allmählich zurückgekehrten ruhigeren Ver:
bältnifje auf den vermehrten Abzug der Fremden, und jeit
anı 9. November 1799 Napoleon Bonaparte die Gemalt
in jeine Hand befam, fonnten alle weitliden Noyaliiten,
welche sich deſſen Herrichaft fügen wollten, die Erlaubnis
zur Heimkehr erlangen. Troßdem war nod im legterwähnten
Jahre beiipielsmweile in Müniter die Zahl der weltlichen
Emigranten eine jo große, daß dort noch damals an allen
Sonn- und Feiertagen eine franzöltiche Predigt gehalten
wurde. Auch in Paderborn und vielen andern weſtfäliſchen
Orten weilte felbjt lange nachher eine Anzahl der Fremd—
Iinge, welche ihr Leben auch in der neuen Heimat be—
ſchloſſen.
Nameuntlich haben manche aus dem franzöſiſchen Hochadel
von der Erlaubnis heimzukehren feinen Gebrauch gemacht.
Zu den hervorragendſten gehörte der Herzog von Mont—
morency, der am 1. September 1799 zu Münſter ftarb
und in der Kirche von Wolbeck begraben wurde. eine
XLVI. 2. 4
Grabſchrift trägt als Eingang in die Reihe ftolzer Titel bie
anſpruchsvollen Worte: „premier baron de France et
premier baron chrötien.“ — Auch die Kirche von Roxel
birgt da3 Grab eines edlen Flüchtlings, des Grafen von
Buifjeret, welder am 2. März 1800 zu Münſter ftarb
und feinem Wunjche entiprechend in dem ihm lieb gewordenen
nahbarliden Dorfe beerdigt wurde. Wittover!) erzählt in
feinen Denkwürdigfeiten der Pfarre Rorel dazu folgenden
anziehenden Vorfall. „Im „jahre 1820 fam eines Tages eine
ihöne Equipage hierher, zwei junge Herren jtiegen aus, gingen
in die Paſtorat und mit dem Bajtor Jürgens in die Kirche,
und niemand wußte, was dies zu bedeuten habe. Aber bald
nachher wurde der Grabjtein über der Safrijteithür errichtet.
Es war der junge Graf von Buijjeret mit einem Begleiter
gewejen, welcher die weite Reife gemacht, um, das Grab jeines
Baters aufzujuchen und dem Andenken desjelben einen Grab:
jtein zu errichten. Ein jchöner Zug von kindlicher Liebe und
pflihtmäßiger Gelinnung eines Sohnes gegen den Vater.’
— Am befanntejten unter den verftorbenen Zaienflüchtlingen
war in der münjteriichen Bevölferung noch bis in die legte
Zeit der Herzog Franz von Broglio. Als Feind hatte er
ehedem mit jeinen franzöjiihen Truppen während des jieben-
jährigen Krieges auf deutihem Boden gegen die Verbündeten
Friedrichs d. Gr. gefämpft und durch den Sieg bei Bergen
i. J. 1759 vom Kaiſer die traurige Ehre eines deutjchen
Reichsfürſten erlangt. Der Fortgang des Krieges führte den
gefeierten Marſchall in weitfäliiche Gegenden, wo er mit feinem
Heere die Paderborner Lande durchzog, auf dem Schloß zu
Neuhaus zeitweilig Wohnung nahm und dann am 16. Juli
1761 unweit Soeit das Treffen von Vellinghaujen lieferte. ?)
1) A. Wittover, Denfwürdigkeiten der Pfarre Norel. ©. 15 ff.
2) 5. Deneke, Begebenheiten während des jiebenjährigen Krieges in
Weltfalen und den angrenzenden Yandesteilen.
Diejer in Weftfalen einft gefürchtete feindlihe Krieger und
Sieger betrat dreißig Jahre fpäter dasjelbe Land in Gemein:
ihaft mit den bourboniihen Brinzen als flüchtiger Wanderer.
In Münjter brachte er jeine legten Jahre zu und jtarb dort
am 31. März 1804. Bor dem Hochaltar der jchönen Lam—
berti-firche fand der von feiner einitigen Höhe jo tief hinab:
geftürzte Fremdling die legte Ruheſtätte, die bis vor kurzem
mit einer funitreichen Bronzeplatte gededt war, darauf unter
Wappenihild und Ordenskette eine lateinische Inſchrift. Dieje
feiert „den der Vorzeit Helden nicht ungleichen Viktor Franz
Herzog von Broglio, des Heiligen Römischen Reiches Füriten,
Frankreichs höchſten Kriegsführer, der, in den Tagen bes
Glückes nicht ftolz, im Unglüd nicht gebrochen, durch Bieder:
feit, Gerechtigkeit, Frömmigkeit und andre Tugenden geleuchtet
habe, dejjen Ruhm nicht ſchwinden werde, deſſen Name bleiben
auf den Lippen der Menichen, deffen Andenken in ihrem
Herzen.‘!)
II. Keine Maßnahme der franzöjiichen Nationalverfamme
lung bat eine jo tiefe Erjchütterung des ganzen Landes her:
) Die Inſchrift der aus der Lamberti- Kirche entfernten Grabplatte,
welche ſich jeßt im Beſitz des Altertums-Vereins zu Münſter befindet,
lautet (bier fortlaufend gedrudt) aljo: In hoc tumulo conditur
Proavis non impar heroibus Victor Franeiscus Dux de Broglie
Saeri Romani Imperii Princeps, Supremus Galliae Polemarchus,
nee non copiarum Russieae Maiestatis Marechallus, Regiorum
Ordinum Eques Torquatus ete, etc. In castris strenuus et vi-
gens, militum forma, dux et pater gestis magnus, fide incor-
rupta, bello domique. In prosperis non elatus, in rebus fractis
infractus. In aevo, admodum procelloso, probitate, iustitia, pietate
ceterisque virtutibus mire constans. Ubieunque vixit, praefuit,
omnibus carus totius vitae, nee brevis, facta simul et fata
lugentibus et plangentibus palam clamant non mori virtutem
non sepeliri gloriam viri defuneti, haud exstineti, altius inscrip-
tum manebit in monumentis nomen, in oribus fama, in cordibus
ınemoria. Natus Parisiis die XIX Oetobris MDCCXIII obiit
Monasterii Westphalorum die XXXI Martii MDCCCIV. R. LP,
4*
52
vorgerufen als die Civilverfaſſung des Klerus. In rüdjichts-
Iojer Weile wurde das ganze fatholiiche Kirchentum, wie es
ih im Laufe der Jahrhunderte in Frankreich entwidelt hatte,
zertrümmert. Die Verbindung mit. Nom und dem h. Stuhle
ward zerrillen; alle Domkapitel, Abteien, Priorate und Bene:
fizien wurden eingezogen; die geitlichen Orden mit wenigen
Ausnahmen aufgehoben. An Stelle des Zeritörten jegten die
Umftürzler eine neue Kirchenverfaſſung, deren unkirchlicher
Charakter jo jehr in die Augen iprang, daß die Behörden
jelbjt ihr Werk als die Eivilverjafjung des Klerus benannten. ?)
Für die Stellung der Geiltlichfeit zu Ddiejen Umwälzungen
wurde der Bejchlug der Nationalverfammlung vom 27. No:
vember 1790 entjicheidend, denn dieſer erklärte alle Bijchöfe
und Pfarrer, welche die Kivilverfafiung nit beſchwören
würden, für abgefegt. Die Überzeugungstreue und der Helden:
mut des franzöfiichen Stlerus find befannt; verjchwindend
war die Zahl derjenigen, welche gegen Brliht und Gewiſſen
den Eid leilteten. Die Wut des verleiteten Volkes ftieg da=
durch zum Maßloſen. Überfall, Raub und Mord kamen an
die Tagesordnung, bis endlich die Prieiterichlächtereien zu
Baris im September 1792, denen ähnliche Greuelthaten zu
Verjailles, Caen, Neims und an andern Plätzen folgten, eine
Steigerung des Elendes als unmöglich ericheinen ließen.
Der ungeheuren Mehrheit des franzöfiichen Klerus trat aber
die Drangjal jchon bald in andrer Gejtalt entgegen, als
Verbannung nämlich, wovon jäntliche treu gebliebenen Geiſt—
) H. v. Sybel, Geſchichte der Nevolutionzzeit, 1. urteilt &. 195
über dieje Kirchenverfaflung alfo: „Wenn hierin dogmatifche Kragen
nicht unmittelbar angeregt waren, jo bedarf es dod) feiner Erörterung,
dat mit der Verwirklichung diefer Dinge in Kranfreich für den gläu—
bigen Katholifen kein unentweihter Gottesdienit und kein unbeflecktes
Saframent mehr beitehen blieb.“ S. 206. „Ohne einen Schatten
torınellen oder materiellen Nechtes erflärte die neue Kirchenverfaſſung
die Stautsallmacht über den beitehenden religiojen Glauben.“
lichen betroffen wurben.!) „Der September jenes Jahres,”
erzählt ein zeitgenöſſiſcher franzöſiſcher Priefter, „ſah alle
Straßen Frankreichs von mehr ala 60000 verbannten Seel:
jorgern aus allen Ständen und Orden bededt.” Nah allen
Weltgegenden flohen ſie, um die Grenzen zu erreichen, aber
für viele wurden die mitgegebenen behördlichen Geleitsbriefe
zu Todegzetteln, wie jhon Manuel, der PBrofurator von
Paris, gehöhnt hatte. Ein großer Teil der Verbannten war
ohne einen ſolchen Geleitsbrief gegangen. Dieje waren ge:
zwungen des Nachts zu reifen und irrten oft lange Zeit an
den Grenzen umber, ehe fie den Wächtern entgingen; tags-
über verbargen fie fich in Wäldern und Höhlen. hnliche
Drangjale erlebien die übrigen Ausgemwiejenen. Endlich famen
tie, viele in voller Entblößung, in fremde Länder, bilf- und
ratlos, ohne zu wiſſen, wohin jich wenden. „Aber Gott wachte
über ihnen; die Berbannıng diefer Männer jchien ein Mittel
zu fein, um die Barmherzigkeit des chriftlichen Europas in
glänzenditem Lichte erjcheinen zu laſſen.“ Da machte nicht
ı) Jager, Histoire de l’Eglise de France pendant la revolution.
Rand III. ©. 408 ff. Deeret sur la deportation des pretres, du
mois d’aout 1792.
Art. 1. Tous les ecelesiastiques qui, étant assujettis au ser
ment preserit par la loi du 26 Jd@cembre 1790 et celle du 17 avril
1791, ne l’ont pas prete, ou qui, apres l’avoir prete, l'ont re-
tracte, et ont persiste dans leur retraction, seront tenu de
sortir, sous huit jours, des limites du distriet et du departement
de leur residence, et dans quinzaine, hors du royaume.
2. En consequence , chacun d’eux se presentera devant le di-
rectoire du distriet ou la munieipalite de sa residenee, pour y
deelarer le pays etranger dans lequel il entend se retirer; et il
ui sera expedie sur-le-champ un passe-port qui contiendra sa
declaration, son signalement, la route qu'il doit tenir, et le
delai dans lequel il doit etre hors du royaume.,
3. Passe le délai de quinze jours, les eeclösiastiques non
assermentes qui n’auraient pas obei aux dispositions precedentes
seront deportes a la (ruyane francaise ete.
54
Nationalität, nicht Glauben einen Unterfhied. Mit dem ka—
tholiihen Italien, Spanien und Portugal traten die nichts
fatholiichen Niederlande, trat namentlih England in einen
rühmlichen Wettfanıpf, um fi in Werfen der Nädhitenliebe
zu -erihöpfen. „Das wahre Land der Vorſehung für den
franzöfiihen Klerus ift England geweſen.“ — „So viele
Züge von Barmherzigkeit, jo viele Beweife von Achtung und
Berehrung, verschwenderijch reich den unglüdlichen Berbannten
erwiejen, würden verdienen, daß man im Angefichte Englands
eine Säule von Marmor oder Bronze am Strande des Meeres
errichtete, mit dieſer Inſchrift: Dem engliihen Volke der
danfbare franzöftiche Klerus.” — In ſolch und ähnlicher
beitverdienten Weife fpricht ſich die franzöfifche Gejchichtichrei=
bung!) über da8 barmherzige Entgegentommen der Nachbar:
ftaaten aus; nur des von drüben jo oft verfannten deutichen
Volkes ift in jenen Werfen kaum mit einem Worte gedacht
worden.?) Und doch haben damals außer andern Stämmen
des weiten deutichen Waterlandes allein die Weitfalen, und
unter diefen bejonders die Inſaſſen der beiden Hochſtifter
Münster und Baderborn, mehr in der Ausübung werkthätiger
Näcdhitenliebe gegen die fränkischen Flüchtlinge geleitet, als
große fremde Nationen, England vielleicht allein ausgeſchloſſen.
Ein erheblicher Teil der Verbannten aus dem nördlichen
Franfreih und aus jeinen öjtlihen Grenzländern batte zu
Waſſer oder zu Lande nad den Niederlanden zu entkommen
gefucht. Aber auch dort war ihnen feine lange Raſt geitattet;
denn al3 das franzöfiihe Volk unter die Waffen getreten
war und jiegreich nah dem Rheine zu vordrang, wurden
ı) Jager, a.a. O. Pand III. ©. 568—630.
) In der neueſten franzöfiichen Geſchichtſchreibung über die Zeit der
Emigration find ung Deutichen fogar die undanfbariten und ſchmach—
volle Ausfälle nicht eripart worden. Einen traurigen Beweis dafür
liefert an verschiedenen Stellen: H. Forneron, Histoire generale
des Emigres,
55
die verſcheuchten Prieiter genötigt, ihren Wanderftab weiter
nah Dften zu jegen. Ein wahrer Strom wälzte ſich in bie
beiden weitfäliihen Hochitifter Paderborn und Münſter. „Wie
ein Wildwafler überihiwemmen jie innerhalb kurzer Zeit Die
Didzeje, täglich mehrt fich ihre Anzahl und gegenwärtig ift
fie dermaßen angewachſen, daß es unmöglich ift alle zu unter:
halten, und daß man eine Hungersnot befürdten kann.“
Mit diefen wenigen, aber marligen Strichen fennzeichnet ein
Erlaß des Paderborner Fürjtbiichofes Franz Egon unter
dem 28. Dftober 1794 den majjenhaften Einzug der Ber:
bannten in das Bistum. Und doch war die Flut, welde in
das Hodjitift Münſter zur jelben Zeit eindrang, noch mächtiger.
Eine höchſt wertvolle und merkwürdige Handichrift, welche
damals unzweifelhaft unter Benugung aller einjchlägigen
Alten in Müniter von einem Franzoſen angefertigt wurde
und dort verblieb, gibt in die geiftlihen Emigrantenicharen
des Münfterlandes einen Einblid, wie er jchwerlich für irgend
ein andres Land möglich ijt, in welchem die Fremdlinge zeit:
weilig eine neue Heimat gefunden haben. In diefen Auf:
zeichnungen werden mit Bor: und Zunamen, Stand und
Benennung wie der heimijchen franzöfifchen Diözeje, jo auch
des zeitweiligen Aufenthaltsortes innerhalb des Bistums
Münfter ſämtliche geijtlihe Flüchtlinge aufgeführt, welche
während der Jahre 1794 nnd 1795 dort eine dauernde
Aufnahme fanden.!) Es waren ihrer 2076 Prieſter und
) Die Handſchrift, ein Sammelband, jetzt im Beſitze der Bibliothek
des münfterifchen Altertums-Vereins, M. 195., trägt auf der eriten
Foliojeite ein Aquarell-Bildchen, welches Münfter darjtellt. Aus der
Landichaft kommend, nähern ji” 7 Emigranten der Stadt, zum
Teile in geiftlicher Tracht, einige von ihnen den Stod mit einem
Bündelchen auf der Schulter. Drei Bürger heißen fie unter Hand—
reihung willtommen. In den Wolten jchwebt auf einem Anfer eine
weibliche Geftalt, ein Kreuz im rechten Arme, die Linke zu den An—
fünımlingen ausgeitredt,
98 Nonnen, welche vornehmlich über die Niederlande und
durch die rheinischen Gebiete aus den öjtlihen und nördlichen
Gegenden Frankreichs famen. Eo aus den Bistiimern St.
Dmer, Arrad, Cambray, Neims, Chalong, Verdun, Meg,
Die Sammlung enthält folgende Stücke:
l. Liste des ecelesiastiques francais qui ont rem l'hospitalé dans
les ville et pays de Münster pendant les annees 1794—1795.
Den Anfang bilden 16 prelats de l’Eglise de France; dann folgen,
alphabetiich geordnet, die Angaben über 2060 ſonſtige Getitliche unter
den Nubrifen: noms de famille, noms de bateme, qualites, dio-
cese, residence; 3. B. Nro. 33. Archambaux, Pierre Joseph,
eure d’Aigny, Rheims, Eversviukel.
2. Pieces relatives à l’etablissement et an s4jour des ecclesiastiques
francais dans les ville et pays de Münster.
a) Original de la lettre signee Le Baron de Fürstenberg et
adressee aux religieux habitans du pays de Münster, qui
accueillaient les eccelesiastiques franvais chez eux.
Epistola subscripta a Reverendissimo Domino de Fürsten-
berg ad praeparandas hospitalitatis vias Gallis sacerdotibus
apud venerabiles Dioecesis Monasteriensis pastores.
e) Erlaß des Kardinal-Erzbiichofs de la Rochefoucault unter dem
Titel: Dominicus de la Rochefoucault Dei misericordia et
Sanctae Sedis Apostolicae gratia sacrosancfae Ecelesiae Ro-
manae Presbyter Cardinalis, Archiepiscopus Rotomagensis
etc. Salutem omnibus etc.
d) Litterae testimoniales, (ausgefertiat leitens des General-Vikariats).
e) Ofticium a clero gallicano exule recitandum pro hospitibus
suis. Das Stück enthält verschiedene auf die Zeitverhältniffe
bezügliche lateiniihe Hymnen.
f} Ordre de la c@lebration des messes.
g) Reglement pour Mrs les ecelesiastiques francais demeurans
a la communaute des dames dominieaines de la ville de
Münster,
b) Les ecclesiastiques frangais aux charitables habitans des
ville et pays de Münster, ein jehr umfangreiches Dantichreiben.
3. Liste des religieuses frangaises qui ont regu l'hospitalite dans
les ville et pays de Münster en 1794 ei! 1795. Das Etüd enthalt
unter den Rubriten: noms und ordres im ganzen 98 Nummern.
Zunädjft; ftcht Communaute des Carmelites de Reims, 3. B: Nro. 1.
Nancy, Tou, Lluneville, Beſançon, dann aus den nördlichen
als Amiens, Beauvais, Rouen, Evreur, Baneur, Contances,
St. Malo, Quimper, auch aus der Mitte Frankreichs von
Orleans, Blois, Tours und endlich jelbit vom äußerſten
Weſtmeere von Nantes, la Nochelle und Bordeaur. E3 waren
Belt: und Kloftergeiftlide, Männer vom höchiten bis zum
niedrigiten kirchlichen Nange. Unter ihnen befanden ſich in
Münſter jechzehn Biſchöfe; als höchſter derjelben der Kar—
dinal de la Rochefoucauld, Erzbiſchof von Rouen, dann
der Kardinal de la Val Montmorency, Bilhof von Metz,
die Erzbiihöfe de Puyſegur von Bourges und de Cicé
von Bordeaur, die beiden biichöflichen Brüder Johannes und
Ludwig du Pleſſis d'Argentré von Limoges und Tee,
weiterhin die Biſchöfe von Aurerre, Liſieux, Beziers, le Mans,
Ghartres, Coujerans, Yaon, Amiens, Boulogne sur mer
und der Weihbiichof von Meß; dazu findet ſich aus jpäterer
Zeit noh Franz von Mouchet, Biüchof von Digne, und
Soeur Euphrasie, Prieure des Carmelites, dann Communaute des
Clarisaes de la ville d’Auxonne, eg folgen dann die verichiedenen
Drden Argehörigen, bei welchen audy im der 2. Rubrik der Ort
angegeben it.
4. Memoire presente au grand chapitre de Münster le 12. 9bre 1794.
. Röglement a suivre par les reverendes möres Carmelites «de la
maison de Rheims refugiees a Münster.
6. Reglement pour les soeurs de la Providence.
. Segenswünidye der Emigranten unter der Aufſchrift:
a) Venerabilibus dioecesis Monasteriensis pastoribus,
b) Venerabilibus admodum et zelotissimis ecelesiae Dei pasto-
ribus, capellanis, vicariis omnibusque viris ecclesiastieis et
ehristianis, qui patres nostros elarissimos, seilicet Caeno-
manenses canonicos, pastores, vicarios, sacerdotes et cleri-
cos miserieorditer hospitio susceperunt, Salutem in eo qui
est fons et origo salutis.
8. Novae testimoniales litterae (ausgefertigt jeitens des General-Vi—
fariat?). — Die ganze Sammlung umfaht 132 ena, aber jauber und
deutlich geichriebene Folioſeiten.
en
-)
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aus den Niederlanden der Fürft Ferdinand von Lobkowitz,
Biſchof von Gent. Manche von diefen und den übrigen tau-
jenden geittlihen Emigranten waren ſchon an zwei Jahre
auf einer fluchtartigen Wanderung, ehe jie, vielfah über
England und die Niederlande, bei den Weitfalen vorläufig
dauernd Naft und Ruhe fanden, aber aud eine Gaitlichkeit
fonder gleichen! Denn fie jelbft hatten meiſtens ihre Habe
eingebüßt, ein ärmliches Bündel war alles, was fie hatten
retten können. !) Welch ein Unterfchied der Lage für jo manden
daher zwifchen hüben und drüben! Der Erzbiichof von Rouen
beijpielsweife, in feiner Heimat Brimas der Normandie, Abt
der Abtei und de3 Ordens von Cluny, Dechant der Bilchöfe
von Franfreih, Beliger des höchſten Ordens des Reiches,
Freund und Ratgeber des Königs Ludwigs XVI., im Ge—
nuſſe jährlider Einkünfte von 400000 Livres, lebte in Münjter
unter den bejcheideniten WVerhältniffen in einem einfachen
Hauje auf dem Alten-Steinwege. — Von den genannten
biſchöflichen Herren fiedelten jpäter einzelne nach dem nad:
barlihen Paderborn über. Außer dem Bilchofe von Xire,
Philibert de Roger, welder ſchon früher von anderswo
dorthin gefommen und im Kollegienhaufe Unterkunft gefunden
hatte, wohnten nämlich in den folgenden Jahren dafelbft der
Kardinal von Montmorency, Bilhof von Metz, dann der
Biſchof von Amiens und endlid Gaspard de Souffroy
Gonſſans, Biſchof von le Mans. Letzterer wählte feinen
Aufenthalt in Paderborn aus Anlaß der uralten Verbrüderung,
welche jeit dem Jahre 836 zwiſchen dieſer weftfälifchen Biſchofs—
ſtadt und feinem heimijchen le Mans beitand, woher ja die
Gebeine des hl. Liborius nach dort übertragen waren. Weil
Biihof de Jouffroy Gonſſans gleichfalld den Eid auf
1) Am anjchaulichiten jchildert wohl diefe traurige Verfaſſung der mün-
fteriiche Augenzeuge in der oben erwähnten Chronik der Jahre
1794— 1832. ©. 3 u. ff., wo er dem Leſer ein buntes Gedränge
pon flüchtigen geiftlichen Perſonen vorführt und in welcher Armut!
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die Givilverfaffung verweigert hatte, jo war feines Bleiben
in Frankreich niht mehr gemweien. Er ging nach England
und von dort nah Holland, irrte dann lange Zeit in ver:
Ihiedenen Gegenden Deutſchlands umher, bis er am 23. März
1795 von Münfter mit feinem Diener in Paderborn eintraf.
Hier nahm ihn der Domdechant Freiherr von Forſtmeiſter
auf das entgegentommendfte auf, zahlte ihm eine Penſion
von 1200 Florin und bot ihm fein Landhaus in der Nähe
der Stadt an. Der Bilchof zog es indes vor, im eigenen
Haufe des Domdehanten, dem jekigen Königl. Amtsgericht,
Wohnung zu nehmen und dort deilen Gajtfreundichaft bis
zu feinem Tode zu genießen. Er lebte hier zurüctgezogen,
beihäftigt mit Gebet und Studien, aber niemals feine ent:
fernte Diözeſe vergefiend. Außer ihrem Biſchofe hatten noch
I Briejter der Diözeje le Mans mit vielen Geiltlihen andrer
Gegenden in Paderborn eine Zufluchtsitätte gefunden. !)
Die Zahl der im Hochftift Paderborn dauernd unter:
gebrachten geiftlihen Flüchtlinge annähernd anzugeben, wie
dieje3 für das Bistum Münfter geichehen fann, ift wohl nicht
angänglich. Aber allein nach den damaligen Verordnungen
der fürftbifhöflichen Negierung und nad den Angaben ein-
gejehener Kirhenbücher, bejonders der Totenbücher, zu jchlie-
Ben, jcheint fie hinter der des Miünfterlandes nicht zurüdzu:
ftehen und mag dann mit diefer zufammen ſich leicht auf
vier bis fünftaujend belaufen. Der Fürftbiihof Franz
Egon nahm daher ſchon im Dftober des Jahres 1794, als
auh Truppendurchzüge und fonftige Kriegslaften das Land
immer jchwerer drüdten, notgedrungen Veranlafjung, der
!) Dr. Mertens: der hl. Liborius. ©. 48 u. ff. — Die über den
Biſchof de Gonſſans mitgeteilten Nachrichten itammen zum Zeile
aus dem Prarrardhive der Gau-Kirche zu Paderborn; aus der dort
im Catalogus defunctorum aufgeführten großen Anzahl von ver-
ftorbenen Emigranten mag man jchließen, wie erheblich die Menge
der zeitweilig hier lebenden Flüchtlinge gewejen ift,
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fteigenden Überfüllung und damit dem wachſenden Mangel
abzuhelfen. Nur in diefem Sinne erjudte er alle jüngeren
und fräftigeren fremden Prieſter dringend, ihren Stab weiter
zu ſetzen, damit man zunächſt allen Greifen und Gebredlicdhen
die notwendige Hilfe zuwenden fönne.!) Eolche Werordnungen
und der von außen immer noch ernenerte Andrang von Ver:
bannten jteigerten in den münfterländiichen und paderbor:
nischen Gegenden das Hinz und Herziehen der geiftlichen
Emigranten, welche noch feine dauernde Bleibeftätte hatten
finden fünnen, während der Jahre 1794 bis gegen Ende
1796 in einer faum glaublichen Weife. So erzählt ein fran—
zöſiſcher Inſaſſe des unweit Warendorf belegenen Kloiters
Klarholz, daß im Jahre 1795 die flüchtigen Prieſter und
Kloſterfrauen haufenweiſe durch jenen Ort gezogen ſeien, in
jo großer Menge, daß faſt ein jeder darüber beſtürzt wurde.
Ganze Monate hindurch feien ohne Unterlaß die Geiftlichen
auf einander gefolgt, und fie alle wären auf das reichlichite
gepflegt worden. Der Augenzeuge, dem wir dieje Mitteilungen
verdanfen, bie Pater Henry und war bis vor drei Jahren
Prior der Prämonitratenjer: Abtei zu Reſſons im Erzbistum
Rouen gemeien. Wie jo viele tauſende jeiner priejterlichen
Zandsleute gezwungen, das Vaterland zu verlaffen, hatıe
auch er fait 2 Jahre Hindurd ein unitätes Fluchtleben geführt,
bis er endlich in dem genannten weitfäliichen Kloiter für
Sabre eine neue Heimat fand. Der deutichen Sprade nach:
gerade mächtig geworden jchrieb er dann unter teten Be:
ziehungen zu den allgemeinen Weltläuften feine Erlebnitie
in einer jo naturwüchiigen Auffaſſung und Sprache und in
einer jo anjchaulichen Weije, daß dieſes Werk für die der:
zeitige weſtfäliſche Geichichte gewiß zu den merfwürdigiten
!) Ziehe Unlage 2. Paderborniiche Yandes- Verordnung vom 28 Oft.
1794.
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und wertvolliten Handichriften gehört.) Einige Mitteilungen
Daraus mögen bier am Plage jein, da jte deutlicher als jede
andre Darjtelluug von den leidvollen Wanderfahrten der
Berbannten melden.
!) Die franzöfiiche Revolution und Erlebniffe des P. Joh.
Rapt. Henry, Priors der Prämonſtratenſer-Abtey zu Nejjons bei
Peauvais, Prarrers zu Reſſons, während jeiner Verbannung ge:
ichrieben von ihm jelbit zu Klarholz. — Die Handichrift, weldye von
ſpätern Prieiter: Seminar: Mendanten Horitmann aufgefunden und
erworben wurde, umfaht 573 Quartſeiten; vier beichädigte Blätter
des Bandes find vom Beliger durch Abjchrift erjeßt worden. Domvikar
U. Bahlmann zu Münfter beförderte einen Teil des Juhaltes 1865
zum Drud unter dem Titel: Pater Henry's Erlebuijje. Das
fleine Druckwerk gibt indes, abgeiehen von der Umvollitändigteit, auch
den originellen Stil der Handichrift nicht wieder. Bon lekterem mag
die genane Mitteilung einiger Abjchnitte eine Probe liefern. ©. 35.
Unglückliche Reije des Königs nad Varennes. Den 20ften
Sunius 1791 verfuchte der König Ludwig XVI. jeine Ketten aufzu—
heben, umd im diefer Abjicht entjchlo er ſich mit jeiner Samilie, aus
jeinem Kerker der Iuillerien zu Paris herauszugeben, und fich nad)
Montmedy einer jeiner Gränzſtädten wegzugehen. Zuerſt jchien der
Himmel feinen Entwurf zu begünftigen. Aber während der Reiſe
griff man ihm umnglüdlicher Weiſe an, und hielt ihn in Varennes
feſt. Da bemächtigte man jeiner und führte ihn mit feiner Familie
unter der Bewachung vieler taufend Wittherijchen, die man Patrioten
nannte, und mit allerfey Waffen verjehen, nad) jeinen Gefängniße
der QTuillerien zurüd. Yeicht hätte der Monardy alle Hinderniße
überwinden fönnen; Prave und treue Offiziere und Soldaten war:
teten nur auf jein Ordre und auf den Anblid, um die Mitichworern
zu zernichten: Cs mußte aber Blut vergofen werden, und es Eojtete
weniger dem Könine ſich allerley Iodesgefahren zu ſetzen, als den
Kopf eines einzigen feiner Unterthanen zu wagen. — Die Schlußjäge
der Handichrift lauten: ©. 561 f. „Endlid möge aud) der Allwal-
tende, der bis hierher deine Probftey und die große Weftphäliiche
Provinz unter dem Schatten jeiner Flügel bey jo auffallenden Be—
weilen der göttlidyen Güte bededte, da der Aufruhrse: Dämon ein
Kriegs: und Mordfener anzündete, wie das Menſchengeſchlecht noch
nicht geſehen hatte, welches beynahe alle Staaten Europas durchdrang,
verwüjtete, anjochte, und demnächſt republitanifirte, möge, ſage ich,
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Am 1. Dftober 1792 verließ der Prämonftratenjer- Prior
P. Henry feine normannifche Abtei Nefjons, da auch er fich
geweigert hatte, den verlangten Eid auf die Givilverfaflung
zu leiften. Er entſchloß fih nad) England zu reifen und begab
fih daher mit dem erforderlichen Geleitäbriefe ausgerüftet
über Amiend nad Boulogne. Mit mehreren Leidensge—
fährten wurde er dort von Nationalgarden mit aufgeitedtem
Bajonett zur Hauptwahe geführt, wo der Kapitän jeine
Unterjehrift auf die Geleitsbriefe jegte und dann durch Bes
mwaffnete die Verbannten an Bord eiues Schiffes bringen
ließ. Ohne Unfall legten fie die Seefahrt zurüd und landeten
bereit3 um Mittag desjelben Tages, am 12. Oftober, im
Hafen von Dover. „Wir jahen ung dort aus den Gegenden
der Angit und des Schreckens plöglid an einen Ort der
Ruhe und des Friedens verjegt, jo daß es uns vorfam, als
jeien wir neu geboren.” Schon am folgenden Tage trafen
fie in Yondon ein. Dort wohnten 1500 franzöfiiche Geiftliche,
viele Erzbiihöfe, Bilchöfe und andere Prälaten. Auf der
ganzen Inſel zählte man ‚3000 emigrierte Priefter, welche
von den Engländern, joweit jene deijen bedurften, beherbergt,
ernährt und befleidet wurden; der König ließ ſogar jein
Schloß zu Windeiter als Zufluchtsort für ſechs bis jieben-
hundert Priefter einrichten. Troß aller Gaftlichkeit, die auch
dem P. Henry auf dem Eilande zu teil wurde, trieb ihn
indes die Sehnſucht nah einem Klofter feines Ordens nicht
lange darauf zur Reife nach den öfterreihiichen Niederlanden.
Eine ſtürmiſche Seefahrt bradte ihn nad Ditende, von da
führte ihn fein Weg weiter nah Brügge und Mecheln.
Anderthalb Jahre fand er hier die jorglichite Aufnahme, bis
der Allwaltende Klarholz zu befhügen, und immer weiter und weiter
in Weitphalen das friedliche Völker-Glück zu befeitigen, fortfahren.
Das iſt mein allerlegter herrſchender Wunſch.
Klarholz, den 22iten Man 1802,
B. Henry.
RS.
ber Fortſchritt der franzöjiichen Heere ihn zwang, im Juli
1794 nah Holland zu entweichen. Dort verweilte er nur
furze Zeit und bald darauf betrat er den deutichen Boden.
Über Kleve, Kalkar, Kanten, Neuß ging die Wanderung
weiter nah Düſſeldorf. „In diefer Stadt wohnten damals
mehr als 300 franzöfiiche Geiltliche, 18 Erzbiichöfe und Biichöfe,
unter denen auch der Kardinal von Montmorency.” Schon
wenige Tage jpäter, am 23. Juli 1794, fam der Prior mit
einem Reifegefährten abends 9 Uhr in Münjter in Weſtfalen
an. „Da wir nun in einem Gafthofe feinen Plag finden
fonnten und nicht wußten, was wir machen jollten, jo jtanden
wir unter dem Bogen des Marktplages und um 11 Uhr
lagen wir dort noch ohne Eſſen und ſchlaflos. Aber bald
darauf ging ein Bürger vorbei, der jah uns bei ſchwachem
Mondichein neben einem Pfeiler auf unſerem Gepäd ſitzen.
Er trat zu uns heran und fragte in franzöfiicher Sprade,
wer wir wären, und was wir hier machten. Wir antworteten:
„Bir find franzöſiſche Prieſter, jekt ohne Dad und Fach;
wollten Sie, mein Herr, jih fo gefällig erzeigen und und
einen Raum anmweijen, wo wir berbergen können?” — „„Ach,
folgt mir nad, ihr Freunde, jagte er, ih will Euch augen:
blidlih einen Wohnplag verichaffen.’’ In der That führte
er uns beide zu dem Herrn NRatsdiener Shwerbrod und
ging dann wieder fort. Ruhm aber und Ehre jei dem An-
denken dieſes herzallerliebiten Mannes, deſſen Namen und
Wohnung wir nicht einmal erfahren konnten.” Nah warmen
Dankesworten auch für die ebengenannte Familie, bei der
te einige Tage Unterkunft gefunden, fährt der Pater dann
aljo in feiner Erzählung fort: „Am andern Tage erfuhren
wir die Ankunft des Kardinals Herren von la Rochefoucauld,
Erzbiihofes von Rouen, was wir mit großem Vergnügen
vernahmen, denn feit langer Zeit hatten wir das Verlangen,
ihn wieder zu ſehen. Wir eilten alſo vor allen Dingen ©e.
Eminenz zu beſuchen und ihm unjere Aufwartung zu machen.
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Wir trafen den Kardinal bei guter ‚Gefundheit ungeadtet
jeines ruhmvolen Alters von 82 Jahren, ungeadtet der
mannigfahen Widerwärtigfeiten und Gefahren, denen er zu
Lande und zu Waſſer ausgejebt geweien war. Am 2. Sep—
tember 1792, an welchem Tage man in Paris mehrere
hundert Priefter ermordete, entkam er nur durch den bejon-
deren Schuß der göttlichen Borjehung. Während der Be:
lagerung von Maftricht durch den General von Miranda
im jelben Jahre 1792 hielt jich der geflohene Kardinal in
diejer Stadt auf. Die Bomben flogen haufenweije rings um
das Haus, welches er bewohnte; er entfernte ſich in ber
Nacht aus demjelben, um in einem andern zu jchlafen, und
bald darauf fiel eine Bombe auf das Haus, welches er eben
verlafjen hatte, und traf gerade fein Bett. — Der berühmte
Kardinal emfing uns mit der janften und heitern Weile, die
ihm eigen war. Er wünjchte und von Herzen Glüd, daß
wir aus den Händen der Ruchloſen entkommen waren, und
ermahnte uns, alle unjere Zuverliht auf Gott zu ſetzen.“
— Nach diejem Bejuche machte der Brior auch dem Minifter
und General:Bifar von Fürjtenberg feine Aufwartung.
Die glänzende Charafteriftif, die der Fremdling von diejem
jo hochbedeutenden Manne entwirft, wird an einer jpäteren
Stelle diefer Abhandlung ihre Verwendung finden. — Auch
in dem überfüllten Münſter und im Münſterlande fand der
P. Henry feine bleibende Stätte, weshalb er ſich nad dem
Bistum Paderborn wandte. Mit mehreren Gefährten nahm
er feinen Weg über Telgte, Warendorf, Nheda, Wiedenbrüd,
und am 27. Juli 1794 famen ſie in Paderborn an; es
waren ihrer 15 franzöjtiche Geiftlihe. „Unſer erites Haupt:
geichäft war, dag wir den Herrn General:Bifar Dierna
bejuchten. Er empfing ung überaus wohl, nahm an unjerem
Schidjal den thätigiten Anteil und verſprach ung, Daß er
im Namen des Fürſtbiſchofes, der damals zu Hildesheim
wohnte, uns innerhald S Tagen mit Wohnungen und jonftigen
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Notwendigkeiten verjehen würde. Da es jedoch immer mein
jehnlihiter Wunſch war, mich in ein Kapitel meines Ordens
zu verfügen, fo entichloß ich mich noch weiter zu gehen und
die oberweitfälifchen Lande zu durchlaufen.” Und fo wanderte
er weiter und fam nach Meichede, wo man ihm bedeutete,
daß er befjer thäte, nach Galiläa zu gehen. „Am 31. Juli
fieben Uhr abends verließ ich dann Meſchede, um nad
Saliläa zu gehen, ohne daß ich wußte, ob diejes Galiläa im
jüdiichen oder im wejtfäliichen Lande läge. Troß des heftigen
Regens und der jchlechten Wege Fam ich am nämlichen Tage
um 8 Uhr in der Dunkelheit in Galiläa an.” — In dem
armen Klojter wurde der Pater „wie ein Engel” aufgenom—
men, allein jeines Bleibens war auch dort nicht, und jo 309
er nochmals feines Weges, um endlich über Lippſtadt, Wieden-
brüd und Rheda nad; Klarholz zu gelangen. In der dortigen
freisadeligen Propſtei regulierter Chorherren des Prämon-
ftratenjer-Ordens fand der wandermüde Mann feit dem
5. Auguſt 1794 mit manden Yandsleuten endlich eine blei-
bende Zufluchtsftätte. Während des faſt achtjährigen Aufent-
baltes dafelbit hatte P. Henry Muße vollauf, feine Erleb:
niffe aufzuzeichnen, unter denen auch heitere Vorkommniſſe
ihren Platz finden, wie der Bejuch einer weitfäliichen Bauern:
hochzeit, bei welcher der arme Ordensmann zu feinem hellen
Ergögen al3 ein vermeintlicher franzöliicher Baron mit hohen
Ehren begrüßt wurde. — Dieſes weſtfäliſche Stillleben hielt
den Bater jedoch nicht ab, auch die großen Zeitereignifje ins
Auge zu fallen, und als gegen Ende 1799 die Kunde in
jein Waldflofter drang, Napoleon Bonaparte fei eriter
Konjul und damit thatlählih Herr von Frankreich geworden,
da jchrieb er in fein immer mehr anwachſendes Buch bie
Klage hinein, jo habe denn fein Vaterland nicht einmal den
Troft, daß es ein Franzoje wäre, der fih zum Herricher er—⸗
hoben. „Ein Korjifaner kommt und jigt auf dem Throne
Heinrih& IV., Ludwig des Heiligen, auf dem Throne der
XLVL 2. 5
66
Bourbond. Er hat fi mit einer Gewalt befleidet, wie fie
no nie ein Monard) der Erde hatte!“
Soviel in gedrängter Kürze aus den Aufzeihnungen
des P. Henry, der endlih im Mai 1802 in bie Heimat
zurüdfehrte, nachdem er auf der legten Seite jeines merf®
würdigen Buches mit bewegten Worten den innigiten Dank
niedergeichrieben gegen die gütigen Chorherren von Klarholz
und gegen all die Wohlthäter, die auf feiner Flucht durch
Weitfalen ihm Hilfe und Beiltand gewährt hatten. Und jolche
Hilfe wie ihm wurde während der Jahre 1794 und 1795
noch etwa vier bis fünftaufend andern heimatlojen Geiftlichen
in den beiden weſtfäliſchen Diözejen dauernd zu teil, und
dazu kamen bis zur Mitte des Jahres 1796 nad zuverläj-
figer Angabe vielleicht ebenjoviele Durchzügler, die gleichfalls
eine entiprechende Unteritügung fanden.
In dem Maße der VBerwunderung über dieje gewaltige
Zahl der Fremdlinge, welche meiltens der bitteriten Armut
verfallen waren, finden wir zugleich den Grad der Aners
fennung und des Ruhmes, der unſern Boreltern für ihre
werfthätige Nächftenliebe gebührt. Der Füritbiihof von
Münſter, Kurfürſt Marimilian Franz, Schwager des ge:
mordeten Königs von Frankreich, ließ jofort die Aufforderung
ergehen, die würdigen Priejter nach Kräften im Bistum auf:
zunehmen; feine Behörden hatten das Weitere zu veranlafjen.
Nun gab es einen erhebenden Wetteifer. Das Kapitel und
die übrige Geijtlichkeit biß hinunter zu den ärmiten Bettel-
Höjtern, die weltliche Bevölkerung in Stadt und Land, alles
drängte fich zu Gabe und Beiftand. Die Kapitularen richteten
auf ihre Koſten zu Münjter im Berjpoel ein Hofpiz für arme
und kranke Prieſter ein, Welt: und Kloftergeiftliche der Stadt
nahmen nah Kräften die Flüchtlinge bei ſich auf, Adlige
und Bürger jtanden nicht zurüd. Dieje bejorgten ein völliges
Unterfommen, andere Freitiihe, man fammelte Geld, Leinen
und Kleidungsftüde. Ähnlich rührig wie die Hauptjtadt waren
67
die Kanditädte, die Ortichaften und der Bauernftand. Waren:
dorf beherbergte im Jahre 1794 innerhalb drei bis vier
Monaten an 120 geijtlihe Emigranten, felbit von Kleinen
Dörfern wies Nienberge deren 16, Norel 11 auf. Die Land:
leute erichienen in den Städten oder auf den Heerftraßen,
um „ihre Priefter‘ wie fie jagten, in Empfang zu nehmen;
auch die Ärmiten traten zu mehreren zujammen, um, was
der eine nicht vermochte, gemeinjam zur Steuer der fremden
Not zu thun. — Ähnlich dürften die Verhältniffe in der
Paderborner Diözefe geweien fein; geiteht doch der Fürfts
bihof Franz Egon in einer Verordnung vom 20. Sep:
tember 1794, daß die chriftliche Barmherzigkeit, womit Laien
und Geiltliche jeine® Landes die fremden Belenner aufge:
nommen hätten, noch aufnähmen und unterhielten, ihn
wunderbar getröjtet habe. Da aber unter den zahllojen ein:
gewanderten Perſonen geiftlihen Standes auch ſolche fein
tonnten, die ungültig ordiniert worden, ſolche auch, die den
widerrehtlichen Eid geſchworen hatten oder die es jonft an
ih fehlen ließen, fo verabjäumte man es in den beiden
benahbarten Bistümern nicht, alle gebührenden Vorfichts-
maßregeln anzumenden. Dem Paderborner General:Vifariate
war vom Fürften ftrengitens befohlen, nur ſolche Prieſter
aufzunehmen, die ſich durch unzmweifelhafte Zeugniffe des
Erzbiihofes von Tours, Franz de Conzie, oder folche
deö derzeit noh in Münfter mwohnenden General-Vikars
de Sagey von le Mans ausweiſen fünnten. Den Fremd:
lingen follte ein beftimmter Aufenthaltsort angewiejen wer:
den, den fie nicht willkürlich verändern oder verlaffen dürften.
Die Landesgeiftlichkeit jolle ein wachſames Auge auf die aus:
ländijchen Mitbrüder haben, unter dieſen ſelbſt follte älteren
und gereifteren Priejtern ein Gebiet zugemwieien werden, in
dem fie für einen ordnungsmäßigen Wandel ihrer Gefährten
nah Kräften Sorge trügen. Alle aber hätten ſich zu be:
fleißigen, nach den weilen Mahnungen des Kardinals de
5%
68
la Rochefoucauld ihr Leben einzurichten.!) Diefer berühmte
Kirchenfürft hatte von Münfter aus ein wahrhaft apoftoliiches
Sendſchreiben an feine geiftlihen Leidensgefährten gerichtet,
worin er fie zur Übung jeglicher Tugend dringend mahnte,
ihnen namentlih aber die heilige Prliht der Dankbarkeit
ans Herz legte wie gegen den gütigen Landesfürjten, gegen
deſſen Behörden, jo auch gegen alle Wohlthäter, die ihnen
in unjerer Heimat erjtanden.?) In dem unermüdlichen Be:
mühen um das Wohl jeiner verbannten Landsleute leiſtete
dem Kardinal der General-Vikar von le Mans, ber mehr:
genannte de Sagey, treue Dienite, anfänglich gleichfalls in
Münfter, jpäter von Paderborn aus, wohin er vermutlich
mit jeinem bijchöflihen Herrn de Gonſſans für einige Zeit
überjiedelte. Im Auftrage des Kurfürften ftand de Sagey
während jeines münſteriſchen Aufenthaltes als Vize-Präfident
dem j. g. partifularzgeiftliden Rate vor, welcher dort zur
Berjorgung der Angelegenheiten des franzöfiichen Klerus ge-
bildet war. PBräfident diejer Behörde war der Minifter Franz
Freiherr von Fürftenberg, älterer Bruder des pader—
bornishen Fürftbiihofes Franz Egon. Die jegensreiche
Thätigfeit jenes außerordentlihen Mannes auf den verjchie-
deniten Gebieten von Staat und Kirche ift mit gebührender
Bewunderung durch die Gejchichtichreibung und durch das
dankbare Andenfen des Münjterlandes gewürdigt, was aber
diejer edle Staatsmann in den Jahren der Emigration an
ungezäblten Taujenden jener Unglüdlihen in aufopfernditer
Nächſtenliebe gethan, dürfte heute weniger mehr befannt fein.
Neden, Briefe, Bitten, Reiten, Koften, nicht? verjäumte er,
um in und außer dem miünjteriichen Bistume den Fremden
die möglichite Hilfe zu ſchaffen. Er half ununterbrodhen, voll
Liebe, aber aud voll Bejonnenheit, er fümmerte fih wo
2) Siehe Anlage 1. Paderborniſche Yandes-Verordnung vom 20. Sep-
tember 1794.
2) Siche Anlage 3. Sammel-Band M. 195, unter Pieces relatives etc.
69
möglich um jeden einzelnen. Schon im Mai 1793 erließ er
an die Klöfter außerhalb Münſter ein dringendes Geſuch, ſich
der Armen nad Möglichkeit anzunehmen, zum Danke, daß
der Herr und vor jo jchweren Leiden verfchont und als Für:
bitte, e3 auch fernerhin zu thun. Ein Aufruf an Stadt und
Zand in den wärmiten Worten ſchloß ſich an, überall forgte
er für Uinterfommen und Hilfe, befonders auch für die armen
Ronnen, die er, als alles bejegt war, al3 Wärterinnen oder
für ähnliche Dienfte unterzubringen ſich bemühete. Auch an
der nötigen Aufficht ließ er e8 nicht fehlen. Am 10. Auguft
1794 verorbnete er, daß alle Pfarrer des Hochitifts, wo ſich
franzöfiiche Geiftlicde aufhielten, derjelben Namen und Wohn:
ort, aud wenn einer derjelben fortzöge und mit oder ohne
Erlaubnis feine Wohnung ändere, oder wenn ſonſt etwas
dabei anzumerken jei, dem General:Bifariate fofort anzeigen
jollten. Als aber die Zahl der Einwanderer zu groß wurde,
als dat da3 Bistum Münfter jie hätte alle aufnehmen können,
da entließ er die Weiterziehenden, wie er jelbit fchreibt, wider:
willigen Herzens, unter dem Schmerz der Barmherzigkeit und
den Thränen der Religion. Seine wärmften Empfehlung3:
ichreiben follten den armen Flüchtlingen anderswo Thür und
Herzen öffnen.!) Zu all diefen Bemühungen Fürftenbergs
kamen zahlloje geichäftliche Verhandlungen mit geiltlichen und
weltlichen Beamten und Behörden über die Weile zu helfen,
famen fat täglich vielfach perjönlihe Gejuhe und Bejuche
um Rat, Hilfe, Beiftand. Und diefe hingebende Thätigfeit
jegte der edle Mann die ganzen langen jahre des Notjtandes
ungeſchwächt fort und rajtete auch dann noch nicht, als die
meiften Fremdlinge in das beruhigte Vaterland zurüdgekehrt
waren. Noh vom 4. Dftober 1798 bis zum 3. November
1800 verteilte er aus verjchiedenen Stiftungen 8416 Meß—
7) Siehe Anlage 4. Sammel-Band M. 195, unter Novae testi-
moniales litterae.,
70
ftipendien nach Verabredung mit dem Herrn de Sagey an
franzöfiiche Geiftliche.!)
Allen Nachrichten gemäß, melde über die geiftlichen
Emigranten vorliegen, waren jie der ihnen zu teil gewordenen
mildthätigen Fürſorge wie zweifellos bedürftig, jo auch fait
ausnahmslos in hohem Grade würdig. NRuhmvoll ift das
Zeugnis, welches der große Fürftenberg ihnen ausftellte.
Er fünne, jagt er, fein Urteil über jie dem des berühmten
engliihen StaatSmannes Burfe nur völlig anſchließen, daß
e3 nämlich bewunderungsmwürdig jei, mie jo viel taujend
Menſchen, jo verjchieden auch nach Geburt, Anlage, Stand
und Sitten, doch in einem alle übereinjtimmten: in ihrer
ftrengen Religiöfität nämlih und in ihrer unerjhütterlichen
Treue gegen den angeltammten König. Sie hätten denen,
welche jie gaftlich aufgenommen, zum guten Beilpiele gedient
und nie einen Anlaß zur Klage gegeben. — In der That
führten die geiftlichen Fremdlinge auch hier zu Lande ein
ftilles, eingezogenes Leben. Sie beteiligten jih mit Erlaubnis
am Gottesdienft und verjahen namentlich die Seeljorge ihrer
weltlichen Landsleute. In Baderborn wurde für diefe in der
*) Nach den auf die franz. Emigration bezüglichen Akten des General»
Vikariates zu Münſter. — Gleichzeitig mit dem mildthätigen Wirken
Fürftenbergs im Münfterlande vollzog ſich vom holſteiniſchen
Plön aus eine wohl nod) großartigere Bemühung um die notleidenden
Emigranten. Dort bildete den Mittelpunkt die Marquife de Mon:
tagu, eine Schwiegerin des berühmten Marquis von Yafajette,
welche durch die Revolution in jene Elblande vericheucht war. Mit
raftlojem Eifer wußte diefe bewunderungewürdige Frau aus den ver»
ichiedenften Ländern, aus Schweden, England, Rußland, Oſterreich
und Deutſchland die reichiten Hilfemittel zur Linderung der Not ihrer
flüchtigen Landsleute zu beſchaffen. Die Marguife de Montagu ftand
zu Fr. Leopold v. Stolberg in engen Peziehungen, durch dieſen
wieder mit der Fürſtin Gallikin in Münfter, und jo begegnete ſich
ihr und Fürſtenbergs großes Liebeswerk auf demjelben Pfaden. gl.
Anne-Paule-Dominique de Noailles Marquise de Montagu.
Paris, Dentu 1869.
71
Univerſitäts-Kirche zeitweilig der Gottesdienft durch einen
franzöſiſchen Profeſſor der Theologie abgehalten, namens
Poincare, einen gar feuerigen Mann, der in feinen Predigten
mit unjerem Abraham a Sancta Clara in derber Dffen-
beit gemetteifert zu haben jcheint.!) — Auch mit Unterricht
und Erziehung haben ſich einzelne der Emigranten befaßt.
In den Überlieferungen des Paulinifhen Gymnafiums zu
Miünfter lebte geraume Zeit der gutbherzige Abbe Meurillon,
in deſſen Unterrichtsftunden indes die Schüler mehr der
Kurzweil ald dem Studium der franzöfiichen Sprache obge—
legen haben jollen. Größere Erziehungs: Anftalten, welche von
geflüchteten Geiftlichen geleitet wurden, bejtanden eine Zeit:
lang unfern Münjter auf der Wilfinghege und im Paderborner
Lande zunädft im Kollegienhauje zu Büren, jpäter auf dem
Schloſſe zu Welda bei Warburg. Es waren Trappiften, melde
nah langen Wanderungen noch im Frühlinge des Yahres
1801 jich an den legtgenannten Orten mit ihren Zöglingen
niederließen; jedoch iit ihres Bleibens nicht lange geweſen,
und auch das Beliktum, das jie um 1800 bei Driburg er:
warben, haben fie ſchon im vierten Jahre darauf wieder
veräußert.?) Außer erziehlicher oder gottesdienftlicher Thätig-
’) In dem Pfarrarchive der MarkKirche findet fi) über jenen Emi—
granten folgende Charakteriftit: 14. Aug. 1798. P. Rev.d. Poincare&
Nicolaus Antonius, presbyter congregationis Missionis, professor
S. S. Theologiae in Seminario Ambionensi, vir pro gloria Dei
zelosissimus, hic in templo nostro agens ecclesiasten ad exules
Galliae, non nisi flammas et ignem spirans, nulli parcens ho-
minum, non ipsis praesentibus episcopis et eminentissimo Car-
dinali de Monmoranei. 76 Sahre alt. — gratis. (foll heißen: un:
entgeltlich beerdigt.)
Gegen die Trappiiten von Büren und Welda erhob ein Emigrant
namens eclerc heftige Feindichaft und jchrieb ein jeltiam Buch
„die enthüllten Trappijten“, das 1803 zu Frankfurt a. M. im Drud
erihien. Für die damaligen Paderborner Berhältniffe bietet das
Werk troß aller aufgenommenen Dokumente nur hie und da etwas
—
72
feit oblagen einzelne von den Fremden auch der Schriftitellerei,
jei es, daß fie wie jener P. Henry ihre eigenen Erlebnifie
niederichrieben, oder einem Vergil nacheifernd die Revolution
mit ihren Schredniffen darftellten oder jonftige Stoffe zur
Kürzung ihrer langen Mußeftunden wählten. Bei fleißiger
Rundihau nach derartigen Werfen dürfte leicht auch heute
noch manches nicht wertloje Schriftftüd, das damals in Welt:
falen von franzöfifher Hand angefertigt wurde, ausfindig zu
machen jein.!) Auf andern Gebieten zeigten die Fremdlinge
nicht weniger Fleiß und Fertigkeit; e3 waren, wie man von
alten Leuten oft hören fonnte, wahre Taujendkünftler.
Schnigereien in Holz oder Elfenbein, Bapparbeiten, Anfertigung
von Belang; der Inhalt desjelben ift ein häflicher Fleden in dem
würdig ernjten Bilde der weitfälifchen Emigranten.
1) Das Werk, welches ein gewiffer Baſton mit Benutzung wohl einer
der Kerjfenbrodichen Handichriften unter dem Titel: Jean Bockelson,
ou le roi de Münster verfaßte, das aber erſt 1824 durch Drud
veröffentlicht fein joll, habe ich nicht zu Geſicht bekommen können.
Auch mehrere theologische und ascetiihe Schriften follen damals von
franzöfiihen Emigranten in Münſter herausgegeben fein. Nur als
Manufkript vorhanden ift ein in meinem Beſitz befindliches langes
lateiniſches Gedicht über die franzöfiiche Revolution von einem un»
befannten Emigranten. Dasjelbe umfaßt außer einer Widmung vor
18 Berjen ſechs Bücher Herameter, im ganzen 2216 Bere. Der
Inhalt erftredt fi) von den Uranfängen der Revolution bis zu den
Ereigniljen des- Jahres 1798. Der Dichter, welcher fichtlih Vergil
fi zum Vorbilde genommen, richtet jein Wert ad cives Westpha-
licos munificentissimos und beginnt jeine Widmung folgendermaßen:
Aceipiesne bono, civis, mea carmina vultu
de tristi nostram patriam vastante procella?
aceipies: munus non dedignabere parvum,
quod tibi pro tantis aliis mea musa rependit
officiis; ete.
Dad Epos jelbit, Revolutio Gallica genannt, hebt dann aljo an:
Execranda cano truculenti bella draconis,
qui iuga detrectans superum livore furenti
contendit regesque deumque explodere terris,
73
von allerlei Maſchinen und Uhrwerk betrieben fie gern und
mit großem Geſchick, doch gerieten auch fie ähnlich wie ihre
weltlichen Landsleute darüber wiederholt in unangenehme
Händel mit den Gilden. Das hatten fie bei einer legten
Lieblingsbeſchäftigung nicht zu befürchten, bei der ‘Pflege des
Gartenbaues nämlid und der Obſtzucht, wodurd fie für
mande große Güter Weſtfalens fich dauernde hohe Verdienfte
erwarben.
Bei allem ehrjamen Fleiß war und blieb es gleihwohl
nur eine kümmerliche Zubuße, welche die Emigranten ſich zu
verdienen vermochten; ihren Hauptunterhalt danften fie den
ununterbrodhen und reichlich geſpendeten Gaben derjenigen,
die ihnen jahrelang um Gottes Lohn auch freies Obdach
geboten. Der Größe der Wohlthaten, welche die Fremden
bier zu Lande genofjen, entipradh das Maß der Dankbarkeit
und des Lobes, das fie den Gebern zollten. Wie rühmten
die im Münfterifchen Weilenden den Kurfürften, wie nament:
lih ſeinen Minifter und General-Bifar, den edlen Fürſten—
berg. „Daß er rei war, jchreibt P. Henry in feinen Er-
lebniffen, machte ihn darum glüdlih, weil er viel mitteilen
fonnte, ſetzte er doch feiner Mildthätigfeit feine andern Grenzen,
als die jeines Vermögens; ja man kann verlihern, daß er
durch jo viele Freigebigfeit und Wohlthaten gegen die not-
bürftigen Briefter arm wurde. Sein Andenfen wird beim
franzöfiihen Klerus jeder Zeit im Segen fein.” — Den
Gejamtausdrud der dankbaren Gejinnung, welche die fremden
Geiftlihen gegen ihre Wohlthäter empfanden, gibt wohl am
beiten ein Schriftſtück wieder, welches von franzöſiſcher Hand
damals andern einichlägigen Dokumenten zugefügt wurde
und mit diejen fowie den bereit® oben beiprochenen Liſten
der münfterländifhen Emigranten jenen für die Zeitgejchichte
jo wertvollen Manujkripten:Band bildet.!) In diefer Kund—
1) Vgl. die Inhaltsangabe diefed Sammel-Bandes M. 195 auf Seite 56
diefer Abhandlung und das dort unter h. aufgeführte Dokument:
74
gebung heißt es: „Wir fehen e8 mit Genugthuung, der Herr
gefällt ih, in eure Mitte Männer nach feinem Herzen zu
jegen. Was jollen wir jagen von diefem edlen Manne, welcher
das Vertrauen des Fürften und das eurige in jich vereinigt,
defjen ſämtliche Gedanken, ſämtliche Thaten euren Ruhm,
eure Erziehung, euren Fortjchritt und euer Glüd zum Ziele
haben. Was jollen wir jagen von diefem weiſen, mädtigen,
gewaltigen Manne, den ein jeder zum Obmann will, den
feine Arbeit erfchredt, dent fein Wiſſen fremd ift, deſſen kühnes
und bervorleuchtendes Talent erfaßt und ausführt mit der
Schnelligkeit des Blitzes. Dankt das Vaterland nicht ihm Die
Aufklärung und die Tugenden feiner Bewohner? Wenn die
Innigkeit der Gläubigen dahier in uns die Erinnerung an
die eriten Zeitalter der Kirche zurüdruft, jo dankſt du, gott-
geliebtes Volk, ihm diefe Auszeihnung!” — Dieſem glän-
Les ecelesiastiques francais aux charitables habitans des ville et
pays de Münster. Die im Tert etwas freier wiedergegebene Cha—
rakteriſtik Bürftenbergs lautet in der Handichrift wörtlich aljo:
Nous le voyons avec satisfaction, le seigneur se plait & placer
au milieu de vous des hommes selon son coeur. Que dirons nous
de ce personnage illustre qui reunit la confiance du prince et
la vötre, dont toutes les pensces, toutes les actions ont pour
but votre gloire, votre &dification, votre instruction, votre bon-
heur; de cet homme sage, fort, robuste et valide que chacun
veut avoir pour arbitre, qu'aucun travail n’effraie, a qui aucune
science n'est etrangere, dont le genie hardi, vaste et brillant
congoit et execute avec la rapidite de l’eclair. N’est-ce pas & lui
que l'humanité souffrante doit les soulagemens que lui procure
letablissement d'un celebre college? N’est-ce pas a lui que la
patrie est redevable des vertus et des lumieres de ses enfants?
Si l’air que nous respirons est sain, si les moeurs sont encore
iei dans leur premiere simplieite, si la ferveur des fideles rap-
pelle celle des premiers äges de l’eglise, si la science est reduite
ici a la connaissance de dieu et a la pratique des .devoirs de la
religion, si de jeunes \evites se forınent, à l’ombre du sanctuaire,
à l’exercice des vertus sacerdotales, c’est a lui, peuple cheri de
dieu, que vous devez tous ces avantages,
75
zenden Lobe Fürftenbergs jchließt fich ein überaus warmer
Erguß der Dankbarkeit an und eine bewundernde Aufzählung
von all dem Guten, das er ihnen zugefügt. Doch nicht weniger
Ihön als der Kranz, den die Fremden dem Fürften und den
hervorragenden Männern und Behörden jeines Staates zu
Füßen legten, ift jener, womit fie die Hochherzigfeit der ge:
jamten Bevölkerung und namentlich der von Münfter ge—
Ihmüdt haben. In diefem Sinne heißt es in der eben ge-
nannten Handſchrift an einer anderen Stelle: „Wir jahen
eure Augen vol Thränen, euer Herz befümmert, eure Arme
ich öffnen, um bie von und zu umarmen, deren ein jeder
von euch fih annehmen wollte. Ja, teure Münjteraner, wir
jagen es ohne Schmeichelei, und unjere Lippen reden die
Wahrheit: fein Land, feine Gejchichte bietet in den Zeiten
der Berfolgungen, welche die Kirche Jeſu Chriſti verherrlicht
haben, jo vielfältige, jo rührende Züge aufopfernder Liebe
ald das eure.” — Diefelbe Glut danfbarer Empfindung
Ipriht aus den Worten jenes dem Namen nad gleichfalls
unbefannten lateinijchen Dichters, der unter den münſteriſchen
Emigranten erjtand. „Hier, fingt er, lebte der von langen
Schreden geängftigte Geift froh wieder auf. Jubelnd fingt
unjer Chor dem Herrn feine Lobgefänge, wie die Hebräer
voreinit, als jie Vharaos Lande entronnen!” — Auch der
franzöjische General-Bilfar de Sagey, der ala Füritenbergs
Beiſtand Schon mehrmal3 genannt wurde, jchreibt noch im
Juni 1796 von Münfter aus an einen Freund, nachdem er
die empfangenen Wohlthaten aufgezählt: „In Wahrheit kann
gejagt werden, daß das Münfterland in ganz Deutjchland,
iher in Norddeutichland, in eben demjelben Grade vor den
andern Gegenden fich ausgezeichnet hat, al3 ver Liebe der
Vorrang gebührt vor allen übrigen Tugenden!” — Bei der
ähnlich großen Mildthätigkeit, die auch im Paderborner Lande
den geiftlihen Emigranten erwiefen wurde, mag es an ähn-
lien Befundungen des Danfes auch dort nicht gefehlt haben,
76
doch habe ich in dem für diefe Landesteile leider jo ſpärlichen
Schrifttum nur ein zeitgenöffiiches Zeugnis ermitteln fönnen.
In einem vom 21. März 1802 gezeichneten Schreiben des
früher genannten Xeclerc!) an den Fürftbiihof von Pader:
born heißt es: „Ew. hochfürjtlichen Gnaden jind immer eine
zweite Vorjehung für die armen franzöfifhen Emigranten
und bejonders für die Priefter gewejen. Kein Fürft in der
Melt hat eine jo ausgedehnte, fo ausdauernde, jo edelmütige
Mildthätigkeit bewiefen. Alle Emigranten werden dieje gewiß
in unauslöſchlichem Andenken behalten!” — Zu ſolch und
ähnlichen Worten innigiter Erfenntlichfeit gejellten die mittel-
lofen Flüchtlinge die ihnen fait allein möglide That des
Dankes durch Gebet und Darbringung des heiligen Opfers.
Nah einer Anordnung des Kardinal de la Rochefoucauld
brachte am Donnerstage einer jeden Woche einer der fran—
zöfiichen Prälaten morgens 10 Uhr in der Lamberti-Kirche
zu Münster das hl. Meßopfer dar, um für alle empfangenen
MWohlthaten den Segen des Himmel! auf Stadt und Land
herabzuflehen. Dasjelbe geihah am ſelben Wochentage und
in derjelben Abjicht von allen andern außerhalb der Haupt:
ftadt im Fürſtbistum weilenden geflüchteten Priejtern.?)
2) In deffen oben erwähnten Ruhe „Die enthüllten Trappiiten.” ©. 86 f.
2) Sammel-Band M. 195 unter Ordre de la celebration des messes.
— Nach der Chronik der Jahre 1794—1832, ©. 5 celebrierte in
ber Lamberti-Kirche zu Münſter das erfte Mal der Kardinal v. l. R.
dann nach der Ordnung die andern Biſchöfe, bis die Neihe wieder
an den Kardinal fam. Derjelben wohnten die Emigranten, ſowohl
geiftliche als weltliche, bei, und nach der hl. Meſſe wurde die Litanei
de St. nomine Jesu gebetet. — Bon den im DOfficium vorgejchrie
benen Hymnen mag bier folgender angeführt fein.
1. Gliscens per umbras impietas, diu
Non ausa tetrum tollere verticem,
Cervice procedit superba
Nunc faciles agitans triumphos,
77
Aus der jo ausgedehnt und jo herzlich den Fremdlingen
zu teil gewordenen Gaftlichkeit erklärt es fih, daß auch da
noch, ald in den franzöfiihen Landen die Verhältniſſe für
bie Flüchtlinge ſich gebejlert hatten, und viele zurücgefehrt
waren, mande, welche bei ſchwachem Körper die Weite des
Weges jcheuten, oder auch jetzt noch nicht mit den in ber
Heimat obmwaltenden AZuftänden fih in Einklang zu jeßen
vermodten, in Weitfalen verblieben; e8 waren in den fol:
genden Jahren ihrer noch viele hunderte. Endlich ſchien für
alle die frohe Stunde der Rückkehr zu ſchlagen. Die geſetz—
gebende Berjamlung zu Paris widerrief am 25. Auguft 1797
das Verbannungs-Gejet, welches ehedem gegen alle Geiftlichen
erlajjen war, die den bürgerlichen Eid nicht hatten ſchwören
2. Ruunt Tonantis templa; sub impia
Cadit securi vietima Pontifex:
Aris sacerdotum ceruorem
Aemula mors, tibi Christe, libat.
3. Inebriatur sanguine martyrum
Tellus, et exul mille periculis
Elapsa terras pars superstes
Sole alio petiit calentes.
4. Credent nepotes? maius adhuc nefas
Novumque mundo: proh dolor! en dea...
Horremus effari: quod audent
Sacrilegi melius silendum.
5. Datum sat irae: millia quot genu
Baal recusant! Reliquias, Deus,
Ne sperne sanctas; aut labantis
Terra trabet fidei ruinam.
6. Si nos relinques, corruet et fides.
Dies nefandos abbrevia, Pater,
Memor piorum. Jam minaei
Clade ruit periturus orbis.
Sit summa Patri summaque Filio,
Sit, alme, compar laus tibi, Spiritus
Cum gente digneris benigna
Nos superis sociare regnis. Amen,
7
78
wollen. Ein großer Teil der Priefter kehrte zurüd, andere
ihidten fih an, ihnen zu folgen, als plöglih am 4. Sep—
tember nah einem Wechjel der in der franzöliihen Haupt—
ftadt herrichenden Parteien der eben gefaßte Beſchluß aufge-
hoben wurde. Die bereit3 abgereijten Priefter famen dadurd
in die ärgfte Bedrängnis. Bon der Stimmung der Gebliebenen
zeugt der Klageruf des Priors von Reſſons, der jich damals
noch zu Klarholz aufhielt: „Nun wifjen wir gar nicht mehr,
wann unjere Gefangenichaft ein Ende nehmen wird; Gott
allein hat es sjich vorbehalten, uns aber liegt e8 ob, von
feiner Güte und Geduld dieje Zeitbeftimmung zu erwarten!”
Nah langem neuen Harren wurde endlich durch Senat3:Be-
ihluß vom 26. April des Jahres 1802 die Mafje der Laien
und Prieſter, wenige ausgeſchloſſen, in ihr Vaterland zurüd-
berufen. Diele machten Gebrauh davon, für eine große
Anzahl aber fam die Freudenbotichaft zu ſpät, fie ruhten
bereit3 in der gaftlichen Erde, die ihnen zur zweiten Heimat
geworden. Wie viel Drangjal, Kummer und Elend, aber auch
wie viel Dulderfinn und Treue in diejen fremden Gräbern
fein Ende gefunden, davon zeugt hie und da ein alter Zeichen
ftein mit feiner Inſchrift, hie und da eine kurze Bemerkung,
die in den kirchlichen Totenbüchern der weitfäliihen Pfarren
zu dem Namen eines Berjtorbenen hinzugefügt wurde.!) Zu
) Inter den Archiven der Stadt Paderborn bieten die der Gau-Kirche
und der Mark-Kirche in diefer Beziehung ziemlich zahlreiche Nach—
richten. Der Zufaß „gratis“ bei den meilten der hier aufgeführten
Beritorbenen bezieht ſich auf die Unentgeltlichfeit des Begräbniſſes
und redet dadurch deutlich genug von der Dürftigfeit der Beerdigten.
Fine Ausnahme bildet folgender Bermerf: 5. Mai 1799 F Abbatissima
Princeps de Münster Bilsen, nata ex |. de Bentinck Lempricht;
cum Galli oceuparent ipsius ditionem hie exul, praefulgens
urbi sanctissimis exemplis, liberalis in pauperes eflusissime vix
non tota die occupata unice rebus spiritnalibus. Sepulta est in
templo P. P. strietioris observantiae S. P. F. duplieiter solutis
sepulturae iuribus. (Das ift vermutlich diejelbe Perjon, welche in
79
Münfter ftarb bereit3 im Jahre 1795 der Fürſt von Lob:
kowitz, Biichof von Gent, welcher auf dem Johannis-Chore
des Domes beigejegt wurde. Zu Paderborn verſchied am
23. Januar 1799 nad) einer mehr als zweijährigen Krank:
beit der Bilchof von le Mans, Gaspard de Jouffroy
Gonjjans, umgeben von mehreren Prieftern feiner Diözeje.
Seine Leiche wurde zwei Tage darauf im nördlichen Quer:
ſchiff des Domes vor dem Yiboriusaltare feierlid” zur Erde
beitattet und mit einem Grabjteine gededt, deſſen Inſchrift
des heiligen Patronen berühmten Nachfolger feiert, „der als
ein Belenner jeines Glaubens von feinem Stuhle und aus
dem Vaterland vertrieben für den Namen Jeſu Elend, Ge:
fahren und Schmach jonder Zahl getragen, durch des Fürſt—
biichofes Franz Egon Güte dann in Paderborn eine neue
Heimat gefunden.” — Auch das Oberhaupt der nach Weit:
falen geflüchteten Geiftlichen, der Kardinal de la Rochefou—
cauld, jah Frankreich nicht wieder. Im Alter von 89 Jahren
itarb diejer ehrwürdige Kirchenfürft am 23. September 1800
zu Müniter, wo er jeit 6 Jahren in ftiller Zurücgezogenbeit,
aber als Gegenitand allgemeiner Berehrung, gelebt hatte.
Seine legte Nuheitätte fand er auf dem alten Chore des
Domes, zu Füßen des Altares, an dem er das hl. Opfer
darzubringen gepflegt. Am 27. September, 91/2 Uhr, beitattete
man ihn mit den Ehren, die jeinem glänzenden Charakter
und jeiner hohen Stellung entipradhen. Unter Bortritt des
gejamten Ordens: und Welt-Klerus trugen ihn die Domberren
jelbft zu Grabe. Nach dem Leichnam folgten drei emigrierte
Biſchöfe, die geiftlihen Teftaments-Bolljtreder, der ganze
Adel, die Behörden, der Stadt-Magiftrat, viele Bürger und
über 300 Emigranten, meiltenteil3 Geiftlide. Den Schluß
des feierlihen Zuges bildeten der Stab und die Offiziere
dem oben erwähnten Magiitrats-Prototoll vom 29. Oft. 1794 als
eine Fürſtin von Münſterbilſen aufgeführt wird.)
80
des preußifchen NRegimentes Schlade, welches damals in
Münfter lag, und endlich die Truppen des Fürftentums,
Infanterie, Kavallerie und Xrtillerie.!) — Wenige Jahre
ipäter folgten dem Kardinale zwei Männer im Tode nad),
die ihm als Neffen durch die Bande des Blutes, ala Biſchöfe
durch ihre Würde, als Leidensgefährten durch Nahahmung
und treue Anhänglichkeit eng verbunden gemwejen; es waren
die beiden Brüder Ludwig Karl und Johann Baptift
du Pleſſis d'Argentré, jener Biſchof von Limoges, diejer
von Séez. Der legtere ftarb gleichfalls zu Münjter im Februar
1805, fein Bruder ebendort 3 Jahre fpäter. Auch im Grabe
wahrten fie die brüderliche Gemeinjchaft, dicht neben einander
gebettet auf dem früheren Bilarien-flicchhof des hohen Domes.
— Einzelne wenige verbannte Geiftlihe überlebten die Ge—
nannten geraume Zeit und weilten noch Jahrzehnte in unjerer
heimiſchen Gegend, bis auch fie der Tod dahinraffte. Im
Münfter war der legte der Abbe Meurillon, ein Priejter-
jubilar von 77 Jahren und faft 50 Jahre in der weftfäliichen
Hauptitadt anfällig, geitorben am 19. Januar 1842. Die
nachbarliche Biſchofsſtadt Paderborn ſah noch einige Jahre
länger einen legten Zeugen innerhalb ihrer Mauern. Es
war ein früherer Kartäujer, Jerome Bautier mit Namen,
der als Pater Hieronymus männiglich befannt war. Zwiſchen
dem SKafjeler und Giersthore hatte fi der wandermüde
Fremdling, der dur Orgelbau fein Leben zu friften juchte,
ein einfames Häuschen am Stadtgraben gebaut, wohl nicht
ahnend, daß er dadurch für jenen bald mehr bebauten Stadt:
bezirt Anlaß gab zu der jegt üblichen Benennung „der fran-
zöſiſchen Neuſtadt.“ An der Außenfeite des Haufes, nach der
Promenade hin, hatte der glauben: und königstreue Priejter
als einzigen Schmud eine metallene Lilie angebradt. Wie
4) Zeitjchrift für Geh. und Altertumsk. Weſtfalens. Sahrgang 1857.
©. 341 f.
81 =
mancher mag an diejem jinnigen Zeichen vaterländijichen
Denkens und Fühlens abnungslos vorübergegangen jein.
Jetzt ift die Fönigliche Lilie der Burbonen wie vom Banner
Frankreichs, jo aud vom Häuschen des fremden Giedlers
längjt verihwunden, und aud den einjamen Hausbewohner
hat man jeit langem hinausgetragen zur legten Rubejtätte.
In Jerome Bautier ftarb am 9. Januar 1847 auf weit
fäliihem Boden meines Wiſſens der legte geiltlihe Emigrant,
ein legter Vollzeuge einer fturmbemwegten Zeit, doch auch einer
Zeit, welche unjern Bätern Gelegenheit gab, ſich den ſchönſten
Ehrenpreis zu erringen, den der Barmherzigkeit und opfer:
freudigen Nädhitenliebe.
Die Emigration, auch joweit fie nur Weitfalen berührte,
war ein zu bedeutjamer gejchichtlicher Vorgang, als da er
ihon bald aus dem Andenken der Bewohner diejes Landes
hätte Ihwinden können, jelbjt da, al3 von den Fremdlingen
auch der lehte ins Grab gejunfen. Noch lebte im Lande jo
mancher Eingeborne, in dejjen „jugend der Aufenthalt jener
Flüchtlinge gefallen, jo mander, der mit ihnen verkehrt, mit
ihnen Hausgenofje gewejen war. Aber mit dem VBorrüden
der Zeit nahmen allmählich Erinnerung und Überlieferung
ab, und immer mehr verblaßten die Töne des einit jo lebens:
vollen Bildes. Frankreich ſelbſt Schien die Wohlthaten unjerer
Bäter vergefjen zu haben, in jeinen Geſchichtswerken fanden
fie feine Erwähnung. Da kamen im Sommer des Jahres
1868 zwei gelehrte Angehörige der Diözefe Rouen nad
Müniter, von dem Wunjche geleitet, die Gejchichte des auch
heute noch in Frankreich hochberühmten Kardinals de la
Rochefoucauld an jeinem legten Aufenthaltsorte big zum
Ausgange zu erforichen. Mit fichtlicher Gemütsbewegung be—
juchten jie auf dem alten Steinweg das Haus des Profefjor
Chriſtoph Schlüter, in welchem einft der Kirchenfürjt gewohnt,
dann begaben ſie jich in den Dom, um am Grabe des Kar:
dinals zu beten. Während ihres mehrtägigen Aufenthaltes
XLVI. 2. 6
82
in Münfter verwendeten die Fremden ihre Zeit vornehmlich
dazu, um aus den ihnen zur Verfügung gejtellten Schriften,
welche von der Emigration in Wejtfalen melden, mit großem
Eifer Auszüge anzufertigen. Die nicht unerhebliche wiſſen—
Ichaftliche Ausbeute wurde kurz darauf von einem der Heim:
gefehrten in einer Neihe von Aufſätzen verwertet, welche im
September 1868 in der religiöjen Zeitichrift: La Semaine
Religieuse du dioc&se de Rouen erſchienen. Dieje Ber:
öffentlihungen haben in Franfreih Aufmerkjamfeit erregt
und zwar außer in dem Erzbistume Rouen vielleicht bejonders
in den Diözejen von Séez und Yimoges, deren Biſchöfe zur
Zeit der Revolution die gleichfalls nad) Weſtfalen geflüchteten
und dort gejtorbenen Brüder du Pleſſis d'Argentré ge:
wejen waren. Frankreih empfand den Wunſch, die Gebeine
feiner in der Fremde vejchiedenen Oberhirten wieder in das
Vaterland zurüdführen zu können. Allein der bald darauf
ausgebrochene große Nationalkrieg ließ alle® andere vorab
in den Hintergrund treten und zerriß für die nädjiten Jahre
auch die gejellichaftlichen Bande zwiichen den beiden Nachbar:
völfern. Nachdem die Gemüter sich in etwa beruhigt, wurde
drüben der Wunſch von ehedem wieder aufgenommen. Zur
Ausführung des Gedanfens trat der franzöjiiche Minifter des
Äußeren mit unjerm Neichsfanzler in Beziehung, um die
Nücgabe der Gebeine zu ermöglichen. Seitens der jtaatlichen
und bifchöflichen deutichen Behörden wurde das größte Ent—
gegenfommen gezeigt. Infolge dejjen fam zu Anfang des
Jahres 1875 eine Abordnung aus der Diözeſe Séez nach
Münſter, welche bei der Ausgrabung der Gebeine des Bilchofes
Ludwig Karl du Pleſſis d'Argentré am 3. Yebruar
zugegen war und dann Ddiejelben nach Frankreich überführte.
Die Feier, welche bald darauf am 13. April in der alten
normannijchen Bilchofsftadt bei der Beitattung der Gebeine
fih vollzog, glich mehr einem Triumphzuge als einem Toten:
fefte. Im Beilein der nachbarlichen Biihöfe, der angehörigen
83
Adelsfamilien, aller weltlichen und geiſtlichen Behörden und
einer zahlloſen Volksmenge wurden die Überreſte in dem
Dom von Söéäez beigeſetzt. Die Leichenrede hielt der Biſchof
von Nantes, von deſſen beredten Lippen vielleicht zum erſten
Male in einer öffentlichen Verſammlung Frankreichs, das
wärmſte Lob ſtrömte für all die Wohlthaten, welche die
Weſtfalen, und Münſter vorauf, einſt dem Toten da und ſo
vielen ſeiner Landsleute erwieſen.) — Wenige Monate nad)
der Ausgrabung des Biſchofes von Séez erfolgte zu Münſter
eine zweite Leichenerhebung, die nämlich des Kardinals de
la Rochefoucauld. Zu dieſem Endzwecke war eine Ab—
ordnung des Kardinals de Bonnechoſe, Erzbiſchofes von
Rouen, eingetroffen, um die ſterblichen Überrefte ſeines ge—
feierten Vorgängers zu erheben und in die Heimat zu über:
tragen. Da die Erlaubnis dazu bereitwilligft erteilt worden
war, jo fand die Erhebung am 14. Oktober um die Mittag:
ftunde ftatt. Sn der unter dem Flur des alten Chores, hart
vor dem Altar der Pieta, gelegenen fehr geräumigen Gruft
fand fih nad Öffnung des Mauerwerkes die Leiche in vollem
Pontifikal-Ornate vor, jedody waren nur die Gebeine wohl
erhalten. Die franzöſiſchen Abgeordneten ftiegen in die Grab:
ftätte hinab, trugen, wie das darüber aufgenommene Protokoll
jagt, mit jener Ehrfurdt, welde dem Fürſten der Kirche
und ftandhaften Belenner der Glaubens gebührt, die Gebeine
und fonftigen Überrejte hervor und legten alles in eine Tumba
nieder, welde unter den üblihen Gebräuchen verjchlofjen
wurde. Im Don von Rouen jollen die fterblichen Überreite
des Kardinal nad einem feierliden Empfange bald darauf
unter einem großartigen Denkmal ihre Teßte Nuheftätte in
heimifcher Erde gefunden haben. Auch die Gebeine des zweiten
biſchöflichen Neffen des Kardinal? de la Rochefoucauld,
1) La Semaine Catholique du diocese de Seez. Jahrgang 1875.
Nro. 16. ©. 243 fi.
6*
84
des Bilchofes Ludwig Karl du Pleſſis d’Argentre,
wurden wenige Monate jpäter zurüdgeführt. Am 18. April
1876 erfolgte diefe Ausgrabung in Gegenwart eines nad)
Münfter entjendeten Domherrn von Limoges, der die Über:
führung nad Frankreich bejorgte, das damals einen rühme
lihen Eifer zeigte, mit glänzenden Ehren jene jeiner Toten
wieder aufzunehmen, welche die wilden Stürme der Revolution
einit im Leben vom heimijchen Boden weggeriſſen hatten, um
die Leidverfolgten endlich in fremden Ländern und bejonders
in Weftfalen eine gaftlihe Zuflugtsftätte finden zu laſſen.
Anlagen.
Ordinatio episcopalis circa recipiendos et fovendos
gallos sacerdotes in dioecesi 20. Sept. 94.
(Aus den Hochfürſtl. Paderborner Yandes » Verordnungen.)
Nos Franciscus Egon,
Dei Et Apostolicae Sedis Gratia Episcopus Paderbor-
nensis Et Hildesiensis, Sacri Romani Imperii Princeps,
Et Comes Pyrmontanus etc.
Neminem profeeto latet, quanta Sacerdotes galli ob constantem
Christianae Religionis Confessionem, et recusatum Juramentum, quod
eivicum vocant, exulare ceoacti, incommoda pertulerint: patria eiecti,
beneficiis et bonis omnibus spoliati, in exteris regionibus dispersi
fidelium charitatem et vitae subsidia implorantes. Hinc christiana
charitas tum ecclesiasticorum, tum saecularium huius Nostrae Dioe-
ceseos, qua hos Confessores Christi promptissime susceperunt, adhue
suscipiunt, ac alunt, Nos mirifice consolata est, Persuasum enim
Nobis est, nusquam iustius, nunquam sanctius posse erogari subsidia,
quam in eos, qui propter causam Christi rerum suarum dispendia
sustinuerunt, quique, quod Deo magis obedire vellent, quam Howi-
85
nibus, e Patria sua contumeliose et violenter eiecti sunt, aut eam
deserere coacti, modo egentes, uti ait Apostolus, angustiati, afflieti,
peregrinas peragrant regiones, atque inter ignotos vitam quasi soli-
tariam degere compelluntur.
Verum, eum non raro contingat, ut mali se probis admisceant,
ac lupi pelle tegantur ovina, ut securos se reddant, aut eo facilius
fallant incautos, opus erit vigilantia, ac Jiligentissime curandum, ne
inter viros istos ex clero inclytos, qui propter Christum omnia de-
trimentum fecerunt, omni laude ac commiseratione dignissimos, ho-
mines perversi irrepant et seductores, qui non solum sanctissimis
Ecelesiae Sacramentis abutantur sacrilegi, sed et concreditum Nobis
catholicum gregem pravis princeipiis eirca Religionem, vel mores, aut
Gubernationem Reipublicae tam sacram quam politicam inficere mi-
nime vereantur. Fieri quippe facile posset Imo ut Sacerdotes aut
iurati, aut ab intrusis Episcopis, forte etiam invalide ordinati se
immisceant; aut IIdo etiam Emissarii adversae factionis simulate ex-
pellantur, et sub falsa hac specie exploratores in exteris regionibus
agant et seductores; aut denique IIItio Sacerdotes vere expulsi, vel
ob naturae humanae fragilitatem ad deteriora inclinent, vel forte
minus rectis circa Gubernationem prineipiis imbuti, turbarum semina
iaciant.
Quum vero ex horum, siqui existerent, culpa, quamvis etiam
paucorum, non solum egregiorum Sacerdotum Existimatio valde ex-
tenuanda, ac Patriae Nostrae non leve periculum pertimescendum
foret; sed exinde etiam cautiores Nos imposterum, ac circa recipien-
dos et fovendos gallos Sacerdotes difficiliores esse oporteret: hine
ut debite satis et mature hisce occuratur malis, tenore praesentiam
statuimus ac
A.) Vicariatui Nostro in Spiritualibus Generali distriete prae-
cipimus, ne quos Sacerdotes gallos recipiat, nisi certissimis et indu-
bitatis testimoniis Rmi D. Joachimi Mamerti Franeisci de Conzie
ArchiEpiscopi Turonensis aut D. de Sagey Vicar, gen. Cenomanensis
munitos; cum Literae testes «le patria et moribus eorum ab extraneis
exaratae, num genuinae sint ac syngraphae, vix aut nevix possint
dignoski.
B.) Ut omnibus Sacerdotibus receptis certus commorandi ad-
signetur locus, quem mutare sine praevia Vicariatus gen. licentia
nequaquam audeant, atque ut quivis certo loco adseriptus Sacerdos,
vel domus religiosae superiorem, vel Parochum loei ut suum Inspec-
torem revereatur.
C.) Monemus omnes Sacerdotes in hac Nostra Divecesi com-
morantes, ac hortamur in Domino, ut iuxta pientissima ac sapien-
tissima monita Eminentissimi D. Cardinalis de la Rochefoucault vitam
suam instituant.
D.) Vicariatui Nostro gen. iniungimus ac mandamus, ut vitae
ac Doctrinae Sacerdotum Gallorum per se, per superiores ordinum,
Parochos, aliosque attente invigilet.
E.) Cum vero horum exterorum Sacerdotum vita et mores
Vicariatum Nostrum gen. fallere possint, hine idem Vicariatus Sacer-
dotibus quibusdam gallis, quos aetate et moribus prae aliis matu-
riores, ac spiritu et sapientia praestantiores invenerit, demandabit
provineiam, ut fratribus suis sedulo invigilent, et siquos in via Do-
mini non recte ambulantes compererint, id Vicariatui mature denuntient.
F.) Vicariatus vero Noster gen. eos Sacerdotes, quorum vita
vel doctrina minus probata fuerit, Patriam Nostram sine mora deserere
iubebit; quodsi autem graviora etiam delicta (quod Deus avertat)
intervenerint, iusta quoque poena secundum ecclesiasticas et syno-
dales leges in Transgessores animadvertat.
Dabantur Neuhusii 20ma Septembris 179.
Franeiscus Egon.
Paterne Consilium abeundi datum sacerdotibus
(Giallicanis iunioribus. 28. Octob. 1794.
NOS Franciscus Egon,
Dei Et Apostolicae Sedis Gratia Episcopus Paderbor-
nensis Et Hildesiensis, Sacri Romani Imperii Princeps
Et Comes Pyrmontanus ete.
Attendentes Christianae charitatis legem, ac dolendam sortem
eorum, qui propter Christum omnia detrimentum fecerunt, continuo
prae oculis habentes, nihil non egimus, agemusque imposterum, ut
venerabilibus istis viris, Sacerdotibus ex gallia vel expulsis vel emi-
grare coactis opportuna solatia ac Vitae subsidia procurarentur.
Quum vero ex una parte illorum, nec non eorum, qui ex bel-
gieis aliisque Provineiis intra breve tempus torrentis instar
hane dioecesin quasi inundant, numerus adhuc in dies
augeatur, ac in praesentiarum adeo incereverit, ut omnes
sustentari, alique non possint, ac periculum nimiae cari-
tatis pro annona et vitae necessariis, ac famis inde ori-
undae non immerito pertimescendum, sicut iustae desuper
querelae, a fidelibus dileetisque Patriae Nostrae suhditis ad Nos
modo frequentes delatae sunt: ex altera vero parte spectato Christianae
charitatis ordine infirmorum ac deerepitorum praeprimis Sacerdotum,
eorumque qui prae aliis magis indigent, praeecipua Nobis cura ge-
renda sit: hinc degentibus in hac Divecesi Nostra Sacerdotibus Galli-
eanis jumioribus, ac etiam senioribus adhuc vegetis etc. ad iter
proseqnendum satis robustis, ut ulterius, atque in alias progrediantur
Diveeeses, locumque infirmis, senibus maximeque indigentibus cedant
consilium hisce paterne suggerimus.
Ipsos insuper rogamus ac hortamur in Domino, ut amicabili
huie nostro consilio satis mature gerant morem, dum aura suo modo
adhuc favet, et fidelium charitas in reeipiendis ipsis fovendisque
etiamnum fervet, ne quod absit, Nobisque acerbum foret, id quod
omnino paterne suademus modo, imperare suo tempore pro officio
nostro, justitiaque exigente, eogamur; ipsique sibi debeant imputare,
si iter iisdem in hyeme faciendum, ac mutatis forsan rerum tem-
porumque eircumstantiis, et refrigescente paulatim erga ipsos Christia-
norum charitate non invenirent locum in diversorio.
Quod si eveniret, dolendum sane foret, eveniet autem certissime,
si paternis Nostris consiliis ac suasionibus opportunis modo non
acquiescant, ac tum pro pace Nostra Nobis hoe erit solatium: Dixi,
satis mature praedixi, et salvavi animam meam.
Datum Neohusii A. 1794 die 28va ÖOctobris.
Dominieus de la Rochefoucault, Dei Misericordia et
Sanctae Sedis Apostolicae gratia sacrosanctae Ecclesiae
Romanae Presbyter Cardinalis, Archiepiscopus
Rotomagensis, etc.
Salutem omnibus, etc.
Cum de iis viris, qui, ne suis erga Ecelesiam offieiis deessent, pa-
triam omniaque mundana reliquerunt, quemvis optima quaeque sibi
polliceri aequm est, tum haud abs re fuerit, eosdem in Domino
88
monere ac rogare, ut magnum istud gratiae divinae beneficium, quae
promptos reddidit eos ad offerendos semel in sacrificium pro fide et
relirione, grata mente recolentes, eo maiore semper studio annitan-
tur, ut fidem suam operibus bonis, patientia, ferventi devotione,
earitate, modestia ac diseretione, ubicumque ad haee occasio se offerat,
testatum omnibus faciant,
Indesinenter ex toto corde orandum sibi esse sciant, ut Deus,
pater misericordiarum et auctor pacis, hanc virgam iustitiae suae a
populo suo Galliecano atque ab omnibus Europae nationibus retrahere
dignetur; atque uti opus est: pro loco et tempore, naturam genusque
huius perseeutionis luculenter ac graviter describere, ita et oportet,
ut prae oculis habentes exemplum Jesu Christi et martyrum, qui
eius vestigia secuti sunt, nihil unquam, odio aut acerbitate mentis
ducti, de persecutoribus loquantur, sed pro iisdem Deum orent atque
ad id faciendum etiam alios adhortentur.
Sic, ubi opportunum fuerit, illis, quibuscum sunt, demonstrent,
quid mali demum in Galliam intulerint iniustitiae, morum depravatio,
irreligio atque factiosorum hominum artes et corruptio,
Erga eos, quorum hospitalitate fruuntur imprimis, si inferioris
conditionis sint, comes ac benignos se prebeant. Pro diversa popu-
lorum indole aliaque agendi ac vivendi ratione, cuicumque se in
omni re accommodabunt facilius, si meminerint, Apostolum studuisse
omnibus omnia fieri.
Praeprimis in id incumbant, ut parochorum aliorumque celericorum
congressu ac consuetudine fruantnr eosque sibi benevolos reddant.
Summopere caveant, ne habitu cultuque nimis composito et quaesito
ve] inusitato celericis harum regionum oculos hominum vulgique ru-
mores sinistros in se concitent, sed potius animum sub manu Dei
humilitatum lugentemque peccata populi, cultu parco ac lugubri
testentur.
Semper meminerint, uti quilibet homo caritate aliis exhibenda,
vel eadem deneganda id agit, ut aliis omne genus humanum amori
sit aut odio: ita multo magis euiusvis sacerdotis Gallici vitam mores-
que permagni esse ad hoc momenti, utquid omnino de omnibus, qui
emigrarunt, existimaturi sint, ab alienigenis constituatur.
Nee istis adhortationibus finem imponendum esse duximus, quin
vobis in mentem revocaverimus, quod siiuxta praeceptum apostolicum
fieri debeant postulationes et orationes primum pro iis omnibus, qui
in sublimitate sunt, ita effusas semper ad Deum habere debetis preces
ut multos et prosperos annos et fausta quaeque largiri dignetur op-
timo illi Prineipi qui nos omnes peregrinos et advenas liberaliter
89
hospitio excepit, episcopalemque charitatem saeculari potestati con-
sociam, benignos quibus ipse movebatur, in corda subditorum sensus
infudit. Nec minus in partem debitae gratitudinis, debitarum et precum
vocare debetis venerabile admodum Monasteriense capitulum, a quo,
cum simus omnes ut infirma Christi membra caritate complexi; quam
plures nobis quotidianam experiuntur opem et liberalitatem, ab ho-
minibus regiones istas incolentibus benigne intra domorum hospitia
recepti, quotidiano beneficiorum usu sustentati, curas omnes adhibete,
ut quos morum et sermonis differentia separat, gratitudinis, quam
fieri poterit, demonstratio conciliet.. Quam quidem gratitudinem multum
gerere debetis erga praestantem virum, qui, serenissimi Prineipis in
spiritualibus vicarius generalis, praecellentiam, qua per totam regionem
pollet, in vestri commodum et utilitatem, in conciliandam vobis late
benevolentiam indefesso religionis studio convertere non destitit.
Haec ad vos monita dirigentes, sane facienda minus, quam iam
facta desceribimus, cum diuturna experientia comperimus non minus
inter nos mentibus quam exilio et aerumnis communicari.
Cum a nostra Monasteriensi Regione, ob gravia nimirum, hai!
publicarum rationum momenta, profecturi sint complures Venerandi
Religionis confessores e (rallia iamdudum profugi multaeque Deo
sponsae sacrae Virgines, aequitati et conscientiae, non minus quam
impensae charitati qua eos in Christo diligimus, debere nos duximus
authentico eosdem prosequi, quocumque perrexerint, testimonio prae-
sentium litterarum, quibus lubentissime palam facimus ipsos, quam-
diu apud nos hospitati sunt, Clericalis modestiae, vividae pietatis,
decentiae morum, Religiosae aequanimitatis in longa malorum acer-
bitate, continua dedisse specimina, nihilque usquam nisi grave, mo-
deratum ac religione plenum prae se tulisse.
Illas autem virtutes in ipsis eo magis pensare didicimus atque
sumus demirati, quo diuturniori apud nos commoratione sub oculis
ipsos habere licuit. Neque enim vero suspecta sunt aut levis ponderis
Religiosorum animorum argumenta, quae constanter et ubique eadem
recurrunt; neque mutationi obnoxia quae signata sunt velut indefec-
tibili nominis Christi eonfessione. Ingens quippe calamitatum super
eos descendit pluvia, venerunt iniuriarum flumina, flaverunt tentatio-
num venti, et irruerunt super animam ipsorum, et non cecidit: „Fun-
data enim erat super petram.*
90
Ita porro honestarum in quibus vixerunt familiarum, sive rure,
sive in urbibus, animos movit assiduum talis vitae spectaculum, ut
venerandis hisce hospitibus, non obstantibus extraneis moribus, pere-
grino sermone, dissimili, ut mos est in quibusdam opinione, sin-
cerrima cordis affeetione adhaeserint, nec sine lacrymis ipsos viderint
alire,
Possumus igitur testimonium nostrum adiungere praeclaro quod
de exulibus (ralliae Sacerdotibus eneomio iam «dudum ediderunt, in
regionibus a se invicem non parum dissitis, Excellentissimi Pagorum
Helveticorum Adminstratores, et facundus orator in una e Sessionibns
Supremi Magnae Brittaniae Conventus elarissimus Burke: „Mirandum
seilicet quod in tanta tot millium hominum generis, indolis, institu-
tionis, eivilium denique morum diserepantia, in eo consenserint omnes,
ut religiosis moribus et inconcussa in regem fidelitate, hospitalibus
et meritissimis, apud quos degerunt, populis exemplo fuerint: neque
eorum quisquam, non solum levissimae ullius querelae ansam dederit,
verum cum solerti cautela singuli declinaverint scopulos quos ipsis
de industria fuisse paratos certa sceientia se nosse asserit laudatus
orator. *
Quod ad Venerandas moniales profugas attinet, quis ignorat ipsas
foemineae cogitationi masculinum animum 'inseruisse, atque ipsasmet
viris, dum de religione ageretur, in tota Galliarum, qua patet, latitu-
dine, aeterno fuisse exemplo? In nullo unguam tempore silebitur ipsas
nec minis ullis cessisse; illarum plerasque divina quasi sapientia
afflatas, responsionum animosa soliditate ad silentium, pudorem, ad-
mirationem saepius adegisse civilis et religiosae autoritatis usurpatores,
qui simulatae charitatis specie, aut sophismatibus ovile Christi dis-
pergere tentabant. Ut autem viderunt Agnum Sponsum, cui se vo-
verant, ab infelieissima patria veluti pulsum et ablegatum, Agnum
per ardua sequuntur quocumque ierit. Nec dubium, quin simul refri-
gerium et pacem inveniant aqud populos avitae Religionis cultores
amantissimos. In ipsorum quippe cordibus insonabit potens illa vox
Christi: „Qui vos reeipit, me recipit“; et alibi: „Quod feeistis uni
ex his minimis, mihi feeistis.* Claras infortuniis, aeque ac virtutibus,
sacras Virgines excipient, quarum unicuique gratulabunda communis
nostra mater Ecclesia iam nune canit: „Tu gloria Jerusalem, tu lae-
titia Israel, tu honorificentia populi nostri. Confortatum est cor tuum;
feeisti viriliter; ideo eris benedieta in aeternum, *
Hae freti fiducia, Venerandos hosce Sarerdotes, sacrasque Virgines
Serenissimis Statuum prineipibus, Illustribus ae Consultissimis civi-
tatum Magistratibus, Reverendissimis Archi-Episcopis et Episcopis,
spectatissimis Capitulis et Ecclesiarum Praepositis aut Pastoribus,
Venerabilibus Monasteriorum Praelatis et Superioribus, omnibus demum
euiuscumque condicionis fidelibus, pro ea qua gaudemus apud eos
gratia, enixe commendamus per praesentes,
Neque vero ab iis in domos suas exeipiendis alsterreat generosi
animi, ac tenuioris fortunae homines, pristinae eorum abundantiae
mernoria. Sciunt enim, ut Apostolus, „et abundare* et „penuriam
pati“, quorum pectora nec praeteritae solverunt divitiae, nec praesens
paupertas frangit. Neque ex adverso nimium delicatos forsitan divitun
oculos offendat incultus quorumdam habitus. „Squallent sine balneis
membra situ et sorde deformia“* (verba sunt Uypriani confessorum
laudes prosequentis) sed spiritualiter intus abluitur, quod foris car-
naliter sordidatur. Vestis algentibus deest. Sed qui Christum induit,
et vestitus abundanter et eultus est. Semitonsi capitis capillus horres-
eit; sed cum sit caput viri Christus, qualecumque caput illul deceat
necesse est, quod ob Domini nomen insigne est. Omnis illa deformitas,
detestabilis et taetra gentilibus, quali splenıdore pensabitur! Saecularis
haec et brevis poena, quam clara et aeterni honoris mercede mutabitur,
eum secundum beati Apostoli vocem transformaverit Dominus corpus
humilitatis nostrae configuratum corpori claritatis suae!*
Quod autem de universis diximus, hoc speciatim et lubenter
asserimus de Dilect . . . Nobis in Christo . . . .»
In fidem praesentes Sigille Vicariatus (Generalis munitas, et
manu propria subscriptas dedimus. Monasterii Westphalorum 179 . :
Die. . . Mensis . . .
IL.
Die Paderborner Biichofswahl
vom Jahre 1223.
Von
Hermann Hoogeweg.
Mac fait zwanzigjähriger Regierung war am 28. März 1223
Biſchof Bernhard III. von Baderborn geftorben. Sein Tod
erheilchte eine Neuwahl innerhalb der drei eriten Monate
nach dem Gintritt der Vakanz. Die Wähler aber waren von
vornherein in zwei ‘Barteien geteilt, inden die eine dem cölner
Domſcholaſter, Magifter Dliver, igre Stimme gab, die andere
ich für den Probſt von Busdorf, Hermann von Brakel!)
erklärte. Der weitere Verlauf diefer zweiſpältigen Wahl, wel-
che erit nad zwei Jahren ihre definitive Erledigung fand,
joll hier näher unterjucht werden. Bevor wir indeß auf diejen
jelbjt genauer eingehen, wollen wir einen Blid auf die Ur:
ſachen werfen, die diefe Doppelwahl veranlaßten.
Da fann denn nun von vornherein der Sat auäge-
ſprochen werden, daß große politiiche Ereigniffe oder Intereſſen,
weldhe gerade un diefe Zeit bei der Beſetzung erledigter
Biſchofsſtühle eine große Rolle fpielten, bei diefer paderborner
Biſchofswahl nicht in Frage gefommen find. Das Haupt:
hindernif für den ruhigen Verlauf der Wahl ijt vielmehr
darin zu jehen, daß die Glerifer und das Xaienelement der
Diözeje einen legten Verſuch machten, ihre Mitwirkung bei
1) Daß dieſer mit dem paderborner Domherrn Heinrich von Brakel
eine Perſon iſt, hat Giefers nachgewieſen in ſeinen Beiträgen zur
Geſch. d. Herrn dv. Brakel, Zeitſchrift für vat. Geſch. ꝛc. Bd. 37%
S. 105 ff.
93
der Biihofswahl durchzuſetzen und damit in einen jcharfen
Gegenjat gerieten zu dem jein ausichlieglihes Wahlrecht
verteidigenden Domkapitel.
Die Beitrebungen, das Recht der Biihofswahlen allein
auf das Domkapitel zu beichränten, hatten bereits im 12.
Jahrhundert die Gurie vielfah in Anſpruch genommen, bis
endlich die Beitimmungen de3 Lateranconzild vom Jahre 1215,
den Stiftsflerus und die Laien ausjchliefend, das Wahlrecht
auf das Domkapitel gejeglich bejchränkt hatten!). Doch war
mit ber Fixierung dieſes Gejeßes durch die Eurie diejes jelbjt
noch nicht zur allgemeinen Anerkennung gebradt; vielmehr
wußte der Glerus auch fernerhin ſich auf die hergebrachte
Gewohnheit ftügend jein Wahlrecht durchzuſetzen, und der
Einfluß des Laienelementes war jelbit durch die gejeßliche
Ausichliegung von der Bilhofswahl keineswegs gebrochen.
Denn wenn legterem auch die directe Einmiſchung in die
Wahlangelegenheiten wirklich entzogen war, jo war ihm doch
noch ein bedeutender Spielraum gelafjen, indirect feinen
Einfluß bei jeder Neuwahl geltend machen zu fünnen. Die
adligen Geſchlechter, die Vaſallen, Minifterialen verloren
zwar das Vorjchlagsrecht und die Befugniß, dem vom Wahl:
collegium ernannten Gandidaten ihre Zuitimmung zu geben,
indeß gerade politiihde Rückſichten und Yamilieninterefjen
derjelben traten doch immer wieder jtark in den Vordergrund
und fonnten um jo leichter der Berüdiichtigung jicher fein,
je mehr Anhänger und bejonders Verwandte jene unter den
Stimmberedtigten hatten, welche ihrerjeit3 wieder die Ent:
jchliegungen des Wahlcollegiums beeinflußten.
Derartige Verhältniſſe Hatten jich aud) in Paderborn heraus:
gebildet. Wie der Stiftsclerus ſich auf das alte Gewohnheits-
recht jtügte, fo waren es unter den Laien befonders die
Mitglieder der Familie von Brakel, weldhe als Minifterialen
) Lib. I. tit. 3. c. 9 u. 10.
von Paderborn den Einfluß, den fie bis dahin bei der
Biihofswahl ausgeübt hatten, jchlehterdings nicht aufgeben
wollten. Dieje Familie, einft jih zu den Edelherrn zählend,
hatte bereit3 um die Mitte des 12. Jahrhunderts des äußeren
Borteild wegen diejen Stand aufgegeben und erjcheint fortan
unter den Minifterialen oder Dienjtmannen der paderborner
und corveyer Kirche. Die Familie, damals bejonders re—
präjentiert durch die Brüder Hermann, Werner und Berthold
von Brakel, denen fi) aus dem geiftlihen Stande der Probit
Heinrih von Busdorf anſchließt, waren reich und mächtig,
bejaßen die Stadt!) Brakel, welche damals jchon eine ziem-
lihe Ausdehnung hatte, richteten hier unter Königsbann
und jchienen nicht abgeneigt, ihre Macht thunlihit zu er:
weitern und bejonders einen Einfluß auf das Bistum Pader-
born jelbit zu erlangen, der über die bloße Mitwirkung bei
der Bilhofswahl binausging. Bereits 1201 erjcheint ein
Merner von Brakel als Domdehant, und Probſt Heinrich
von Busdorf war ebenfall® Domberr.?) Wie weit fich ſonſt
ihr Einfluß unter der Geiftlichfeit und den Laien der Diözefe
ausgedehnt hatte, kann nicht genau feitgeftellt werden; daß
er aber nicht zu unterſchätzen war, beweilt die Zahl der
firhlihen Würdenträger und Ritter, welche jpäter mit der
Ercommunication Heinrich ebenfall3 dem kirchlichen Banne
verfielen.?2) Es mochte jih alſo wol eines Verſuches ver-
lohnen, mit der Wahl eines Mitgliedes der Familie Brakel
zum Bifchof von Paderborn auf das Bistum einen Einfluß
zu erlangen ähnlid dem, welchen gerade um dieſe Zeit die
Grafen von Berg auf das Erzitift Cöln ausübten. Herrich:
füchtig und gewalttätig, wie die von Brafel auch ſonſt er:
1) Als Stadt iſt Brakel allerdings erſt 1229 urkundlich nadyweisbar,
vgl. Giefers, Geſch. der Stadt Bratel in der Zeitichr. für vat. Geich.
u. ſ. w. Bd. 28, ©. 228.
2) Giefers a. DO. Bd. 37? ©. 96 Nro. 19 und 105 ff.
») Wilmans, Weit. U⸗B. Bd. 4, Nro. 137,
95
Icheinen,!) werden fie, wo die Macht nicht ausreichte, auch
in der Wahl der Mittel zur Erreihung des Zwedes nicht
gerade wähleriſch gemejen jein.
Aber gerade diejer Familienzug, von dem der Probjt
Heinrid ebenfalls nicht freigeſprochen werden kann, wird ein
weiteres Argument für die Gegenpartei gewejen fein, feine
Wahl nah Kräften zu hintertreiben. Lag ſchon darin eine
Gefahr für das Bistum und jeine weitere Entwidelung, daß
es jeine bisher behauptete Freiheit von jedem weltlichen
Einfluß preisgab, jo mußte diejelbe um fo größer werden
durch das Regiment eines Mannes, der jich vielleicht ſchon
damals nicht des beiten Rufes erfreute und im weiteren
Berlaufe der Wahlangelegenheit als ein Menſch von höchiter
Anmafung und Unbeugjamfeit erfcheint. Der Hochmut, mit
dem er jpäter den päpſtlichen Legaten entgegentrat, das
Verichleudern des Kirchengutes, mit dem er jeine Regierung
einleitete?) nach einer Wahl, die ihn keineswegs ſofort als
das rechtmäßige Haupt der Diözeje erjcheinen ließ — alles
das ſind Charakterzüge, welche feinen günftigen Schluß auf
Heinrihs Borleben geitatten, ein Vorleben, das die Wähler
— menn jie auch nicht weitere Zwecke erfolgten — fchon
zu der Ueberzeugung bringen mußte, da& Heinrich ungeeignet
war für den Poſten eines Biſchofs.
Ganz anders Dliver. Dieſer war in Paderborn ebenfalls
befannt. Es iſt Grund vorhanden zu der Annahme, dab
er auf der Domjchule in Paderborn jeine Erziehung genojien.
Er hatte jodann dem Domkapitel dajelbit angehört und war
von bier als Scholafticus an den Dom in Göln berufen
worden. Als Kreuzprediger und fahrer hinlänglich befannt,
geachtet von allen, die mit ihm zufammen famen, von ber-
1) Giefers a. O. Bd. 28, ©. 220.
*) ol nicht mit Unrecht bringt Schaten Ann. Paderb. I. S. 700
hiermit die bei Wilm. a. DO. Nro. 116, verzeichnete Url. in Ber:
bindung, durch welche Honorius Schafen in jeinen Schuß nimmt,
96
vorragendem Wiffen und treffliher Beredtfamfeit, dabei be-
ſcheiden und wahrhaft fromm, berechtigte er zu der Erwar—
tung, daß er feines bifchöflihen Amtes zum Gedeihen der
Diözefe walten und die Familie Brakel mit ihren unberech—
tigten Anſprüchen in die richtigen Schranken zurüdweiien
werde. —
So ſtand die Sache in Paderborn, als die Neuwahl
1223 vorgenommen werden ſollte. Es jchien faum zweifel:
haft, daß unter ſolchen Verhältniſſen die Wahl ſelbſt nicht
ohne Störung verlaufen werde. Nun ergab fich aber bei
der Wahl jofort, daß auch unter den Domkanonikern feine
Einigkeit herrſchte, ſondern auch von ihnen jich einige der
Partei Heinrichs angeichlofien hatten. War nun ſchon hier:
durch Olivers Wahl in Frage geitellt, und an eine Ein:
mütigfeit nicht zu denken, jo jchwand jede Hoffnung hierfür,
al3 an dem Wahltage die Herrn von Brafel mit andern
Nitterbürtigen der Stadt und Diözefe Paderborn in die
Kirche drangen und mit Gewalt die Beobachtung eines alten
Gewohnheitsrechtes durchfegten, nach welchem nicht nur der
Abt von Abdinghof, ſondern fogar der ganze Convent von
Busdorf das active Wahlrecht haben ſollte. In dieſer
Zwangslage nun wurde der Wahlact unter den üblichen
Formalitäten vorgenommen. Die Eröffnung des Sfrutinium
ergab, daß die Majorität der Domherrn Dliver gewählt
hatte, während ſechs Gapitulare, der Abt Albert von Ab:
dinghof und die Mönde von Busdorf jih für Heinrich er:
Härt hatten. Beide Parteien hielten an der Nechtmäßigfeit
der Wahl ihres Candidaten feit. Heinrich wandte ſich zur
Entiheidung des Streites an den zuftändigen Metropolitan,
ven Erzbiſchof von Mainz, Siegfried von Eppftein. Er
wurde von dieſem confirmiert und erhielt jpäter auch von
Kailer Heinrich die Negalien.!) Dliver aber appellierte nad
Nom an den Papſt Honorius III.
1) Es geht das hervor aus der bei Wilmans a, a. O zu Nro. 114
97
Es läßt fih auf den erjten Blid kaum begreifen, wie
der Erzbifhof von Mainz einen folden Entſcheid treffen
fonnte. Die Beitimmungen des Lateranconzils, wie über:
haupt die Beitrebungen der Curie, das früher ja allgemein
anerkannte Recht der Mitwirkung des Stiftsflerus bei der
Wahl zu bejeitigen, mußten ihm befannt fein, und bie
Mönche ericheinen überhaupt jo äußerſt felten als mwahlbe-
rechtigt !), daß er an der Beteiligung der Busdorfer hätte
Anftoß nehmen müſſen. Erflären läßt fih Siegfrieds Ber:
halten auch nicht aus dem Umſtande, daß er bei der ganzen
Angelegenheit höchit oberflächlich zu Werke ging und es nicht
einmal für nötig erachtete, wie Heinrich jo auch Dliver zu
hören, jondern jich lediglih damit begnügte, einige Zeugen
gegen den Magifter zu vernehmen — eine Handlungsmweife,
worüber die Bartei Dliver mit Recht fich beim Papſte be—
Ichwerte.?) Die Sache liegt hier eben anders.
Die Begründung, welde die Partei Heinrichs für die
Rechtmäßigkeit der Wahl ihres Candidaten vorbradte, war
jedenfall3 diejelbe, welche fie jpäter in Rom vor dem päpjt-
lihen Legaten äußerte.?) Hiernach glaubten Heinrichs Wähler
nad einem „consuetudinarium jus“ die Berechtigung zu
haben, den Abt von Abdinghof als wahlberechtigt anjehen
und jeine Stimme deshalb mitzählen zu dürfen. Es konnte
dies von dem Erzbiichof als zu Recht beitehend anerkannt
werden, obwol e3 nicht ganz in der Ordnung war. Ferner
wurde von der Partei Heinrich geltend gemadht, daß zwei
der Wähler Dlivers fih im Kirchenbanne befänden. Ohne
bier jegt näher auf diefen Punkt einzugehen joll nur ber:
vorgehoben werden, daß nad Lage der Dinge Ddieje Bes
gegebenen Bemerkungen der Rückſeite der Urkunde; es steht jonft
hierüber nichts feit.
) Hinſchius, Kirchenrecht Bd. 2, ©. 605. Daß deren Wahlrecht an-
erfannt wurde, beweijen ebenfalls die Bemerkungen der Rückſeite.
2) Wilm a. O. Nro. 114. — °) Wilm. a. O. Nro. 127.
XLVI. 2. 1
98
bauptung nicht jedes Grundes entbehrte und deshalb von
Siegfried ebenfalls aufrecht erhalten werden fonnte und aud)
wurde.
Sieht man nun von den Stimmen der Busdorfer Mönche
aud ganz ab, fo war es doch wol jehr möglich, daß, da die
beiden Gebannten ihr Wahlrecht in diefem Falle unrechtmäßig
ausgeübt hatten, ihre Stimmen alfo in Abzug kamen, da
ferner, wie urkundlich feititeht, jech8 andere Gapitulare und
der Abt von Abdinghof gegen Dliver jtimmten, in der Tat
bereit8 auch jo die Majorität auf Seiten Heinrichs war.
Es ſcheint dies wirklich der Fall geweſen zu fein und deshalb
der Erzbifchof jein Votum dahin abgegeben zu haben, daß
Heinrich der rechtmäßig gewählte jei. Die Zulafjung zweier
Gebannter zur Wahl aber fonnte für Siegfried Grund genug
zu der Annahme fein, daß die pars sanior nicht die Partei
Dliverd war, jondern die von deſſen Gegner und deshalb
mit der pars major identifh. Die Wahl Heinrichs entiprady
aljo allen Rechtsanforderungen und war bindend — in den
Augen des Erzbiichofs. Dennoch durfte diejer nicht zur Con—
firmation der Wahl jchreiten, jolange die Appellation der
Gegenpartei nad) Rom jchwebte. Daß er es dennod) that war
ein ehler, der ihm ſpäter aud) von den päpftliden Legaten
zum Vorwurf gemacht wurde. !)
Es frägt jih nun noch: Wie verhielt ſich Siegfried zu
der Frage der Wahlberehtigung der Mönche? Wir haben
oben gejehen, daß Heinrih die Majorität jeinerjeit3 wahr:
ſcheinlich nachweiſen konnte auch ohne die Zählung der
Stimmen der Mönde; wir können nun wol behaupten:
Dieje Frage it an den Erzbiichof überhaupt nicht herange—
treten, weil man in Mainz über diejen Punkt fih ausſchwieg
und — um bdiejes hier gleich vorauszunehmen, — die Bulle
des Wapites Gölejtin III. vom 30. Mai 1192, welde
1) Wilmand a. O. Nro. 127.
99
Wilmans!) als eine Fälſchung nachgewieſen hat, eriftirte bei
der Erledigung der Sade in Mainz noch nicht und ift des-
halb auch dem Erzbiichof nicht vorgelegt worden. Es geht
die3 daraus hervor, daß die Gejandtichaft der Partei Dlivers,
welche die Appellation überbradte, diefer mit feinem Worte
erwähnt (weil Honorius doch das jonjt ebenfalls gethan hätte),
obmwol es doch nahe gelegen hätte, hier jofort den Hebel anzu:
jegen und einen Hauptanhaltspunft für die Begründung des
unrechtmäßigen Verhaltens der Partei Heinrich zu gewinnen.
Vielmehr iſt es die päpſtliche Commiſſion jelbit, welche jener
angeblichen Bulle zuerſt erwähnt. Wir kommen hierauf des
genaueren unten zurück.
Während dieſer Vorgänge in Mainz waren nun auch
die Abgejandten der Partei Dliver3 mit einem Schreiben
an den PBapit nad) Rom unterwegd. Die Nachricht von dem
für fie ungünjtigen Nejultate der Verhandlungen vor dem
Erzbiichofe veranlaßte jie, die Appellation zu ernenern?). In
Rom nun neigte fih die Stimmung fogleih zu Guniten
Dliverd. Diejer war eben längit bier befannt, und Honoriug
jelbft zweifelte feinen Augenblid, wie er das in jeinem
Schreiben vom 27. Juli ausdrüdlich hervorhebt, daß Dliver
nad jeder Richtung hin eine für den Poſten eines Biſchofs
von Paderborn geeignete PBerjönlichkeit jei.
Nachdem er das Schreiben aus Paderborn gelejen Hatte,
ernannte er eine Commiſſion von drei Mitgliedern, beftehend
aus dem Bilchof von Hildesheim, Conrad II. von Riefemberg,
dem ehemaligen Biſchof von Halberftadt und jegigem Probſte
des Kloſters Sihem bei Eisleben, Conrad von Krojigf, und
Heinrich, dem Abt von Heiſterbach, und gab diejen den Auf:
trag, die Angelegenheit der Bilchofswahl zu unterjuden und,
1J Milmand U.B. Addit. Nro. 79 und Excurs.
) appellationem iterum innovatam heißt es im Schreiben des Honorius
bei Wilmans U-B. IV, Nro. 114.
7*
wenn ſich herausftellen follte, daß die Wahl Olivers von det
major et sanior pars rechtmäßig vorgenommen worden jei,
diejen nach Aufhebung des Hindernifjes der Appellation zu
confirmieren und was nach der erfolgten Appellation ge=
ihehen jei für nichtig zu erflären. Zugleich) wurde ihnen
aufgegeben, die Art der Wahl, die Stimmen der Wähler
und die Verdienſte der Gewählten feitzuitellen, hierüber dem
Papſte Bericht zu eritatten und den beiden ftreitenden Par:
teien einen Termin zu bejtimmen, an welchem fie jih in
Rom einfinden jollten, um vom Papite felbit den Scieds-
Ipruch zu vernehmen. Den Glerifern und Laien der Diözele
aber jollten fie bei Strafe der Ercommunication unterjagen,
für die eine oder andere Partei ſich zu erklären, bis Die
Sade entichieden jei.
Der Ernennung diefer Commiffion folgte am 29. Juli
die einer zweiten, bejtehend aus dem Abt Heinrih von
Heilterbah, dem Dechanten Goswin und Probſt Conrad des
Domlkapitels in Cöln. Die genaueren Pflichten diefer Com—
miſſion werden nicht angegeben, doch Scheint jie im Wejentlichen
die Aufgabe gehabt zu haben, über den Gewaltact der
Brüder v. Brakel und ihres Anhanges genauere Unterfuhungen
anzuftellen, über deſſen Veranlajjung die die Appellation der
Bartei Dliver8 nah Rom bringenden Perſonen vielleicht Feine
dem Papſte genügende Auskunft erteilen konnten!).
Der Winter 1223 zu 1224 iſt hingegangen, ehe diefe
beiden Commiſſionen fich ihres Auftrages erledigt hatten.
Die zuerft ernannte wurde früher fertig und gelangte zu
dem NRejultate, daß Oliver der rechtmäßig Gemählte jei.
1) Wilm. a. O. Rro. 115. Gedrudt bei Finke, P.⸗U. Weftf., Nro.
309 und Schaten Annal. Paderb. I ©. 699 ff. Honorius jagt darin
nur: quia vero nobis non constitit de praemissis, disceretioni
vestrae ınandamus ete, Da in dem Schreiben im Weſentlichen nur
von dem gewaltthätigen Eingreifen der Brüder v. Vrafel die Rede iit,
wird unter den praemissis wol bejonders dieſes gemeint jei.
101
.———
Dem zufolge erteilte jie ihm die Gonfirmation und fertigte
darauf zwei Gefandte nah Rom ab, A. von Seiten Dliverd
und L. für die Partei Heinrihs, um den Urteilsipruch des
Bapftes einzuholen.
Wie haben wir uns nun die Thätigfeit diefer Commiſſion
zu denfen? Xeider ift das Schreiben derjelben an den Papſt
uns nicht erhalten; es würde manden fragliden Punkt feſt—
ftellen. Doch aus einem jpäteren Schreiben des Honorius!)
fönnen wir einige Anhaltspunkte gewinnen.
Die Gründe, welche die Partei Heinrichs für die Recht—
mäßigfeit der Wahl ihres Kandidaten vorbrachte, waren natur:
gemäß diejelben, welche fie bereits in Mainz mit Erfolg geltend
gemacht hatte, und die wir nur entnehmen fünnen den Aus:
jagen jenes L. in Rom, nämlid einmal, daß das Necht der
Biihofswahl in Paderborn jih nicht allein auf das Dom:
capitel, jondern auch auf das Gapitel von Busdorf und den
Abt von Abdinghof de consuetudinario jure eritrede und
die Stimmen diejer zufammen die Majorität darjtellten, um:
jomehr, als zweitens der Probjt und Dechant de3 Dom:
capiteld, welche ihre Stimme Dliver gegeben hätten, noch
im Kirchenbanne jeien und deshalb nicht zu den rechtmäßigen
Wählern gezählt werden dürften.
Daß beide Gründe von den Commifjaren nicht als ftich:
baltig angejehen worden jind, bemweift der Umftand, daß fie
Dliver confirmierten. Aus welchen Gründen nun gejchah dies?
Einmal war es jelbitverftändlih, daß die erfte Commiſ—
ion (auf dieſe kommt es vorerſt allein an), welche im Auf:
trage des Papſtes handelte, auch die Intereſſen und Politik
ihre3 Auftraggebers verfolgte und demgemäß die Durd:
führung des alleinigen und ausſchließlichen Wahlrechtes des
Domkapitels anftrebte?),, Gegenüber nun der Behauptung
1) Vom 7. Mai 1224, Wilm. a. DO. Nro. 127.
) Es jcheint mir dies hervorzugehen aus der bejonderen Betonung des
102
des Abtes von Abdinghof und der Mönche von Busdorf,
daß fie ebenfalls mahlberechtigt seien, leitete die Com—
million das Verfahren ein, welches in ähnlichen Fällen jchon
am Ende des 12. Jahrhunderts beobachtet werden kann,!)
indem fie nämlich mit dem Berlangen hervortrat, den Nachweis
eines bejonderen Titel3 für ihre Stimmberechtigung bei der
Wahl zu liefern. Nun konnte ein folder aber weder von
dem Abte noch den Mönchen erbracht werben; vielmehr ver:
mochte der erjtere wahrfcheinlich fein Wahlreht überhaupt
nur darauf zurüczuführen, daß nach früheren Gepflogenheiten
die Abte von Abdinghof die Stimmberehtigung befeflen
hatten, mie ja vielfach auch den Prälaten der angefeheniten
Gollegiatitifter und anderen Geiftlichen von hervorragender
Stellung eine ſolche lange Zeit hindurch zugeitanden bat.
Abjolut jeder Stüße entbehrten die Anfprüche der Busdorfer
Mönde. Allerdings erjcheinen im 12 Jahrhundert in ein-
zelnen Fällen auch Mönde als wahlberechtigt?), doch iſt dies
im Allgemeinen jo felten, daß ſich die Stimmberedhtigung
jener faum auch nur auf ein Gewohnheitsrecht wird zurüd:
führen laffen. Und daß dies in der Tat nicht der Fall war
beweilt das Mittel, zu welchem die Mönche — und Heinrich
ſelbſt war gewiß nicht zum wenigften dabei beteiligt — griffen,
um einen beionderen Titel für ihre Stimmberedhtigung auf:
weilen zu fönnen und damit die Wahl ihres Probites durch:
zulegen: jie fabrizierten eine Bulle des Papſtes Eöleftin III.,
in welcher diefer ihnen mit Klaren Worten ihre Teilnahme
an der Biſchofswahl beftätigte?). Obwol man in PBaderborn
ausſchließlichen Wahlrechtes des Domcapiteld durch die zweite Com—
mijfion in der Wilm. a. D. Nro. 128 mitgeteilten Entſcheidung.
1) Bol. Hinſchius, Kirchenrecht der Kath. u. Prot. II. ©. 604 und
ec. 3. X de caus. poss. eit.
2, Hinſchius a. D. ©. 609.
9) Man kann demnach die Entitehung dieſer Fälſchung zwiichen der
Ernennung der erften Commiſſion (27. Juli 1223) und dem gleich
103
an der Echtheit diefer Bulle nicht gezweifelt zu haben jcheint !),
jo fand diejelbe vor der Commiſſion doch feine Gnade; wol
möglih, daß die päpitlihen Richter bereits die Fälſchung
erfannten. Das Wahlrecht des Abtes von Abdinghof wie
das der Mönche wurde von ihnen verworfen.
Der zweite Grund, auf melden die Partei Heinrichs
die Rechtmäßigkeit ihrer Wahl jtüßte, war der, daß ſich der
Probſt und Dechant des Paderborner Domcapitels im Kirchen:
banne befinden jollten und deshalb nicht jtimmberechtigt jeien.
Es muß fich diefe Ercommunifation von dem Prozeſſe her
datieren, den der Cleriker Ludolf wegen der vermeigerten
Zulaffung zu einer Präbende mit dem Domcapitel geführt
hat. Nun war zwar bereit3 am 26. Januar 1222 ein Ber:
gleih zu Stande gefommen, wonach es Ludolf übernehmen
jollte die über das Domkapitel von den päpftliden Richtern
verhängte Ercommunication rüdgängig zu machen und die
darüber erlafjene Urkunde auszuliefern?). In wie weit Yudolf
diefen feinen Verpflichtungen nachgekommen iſt, Täßt ich nicht
mehr angeben, jedenfalls aber behauptete die Partei Heinrichs,
daß die Ercommunication bis zu diefem Zeitpunkte tatfächlich
noch nicht zurüdgenommen worden jei, wenn wir nicht an—
nehmen wollen, daß jie, einmal vom Wege der Wahrheit
abgeirrt, einen Verſuch machte, dieje längit erledigte Ange:
legenheit mit einer neuerdings nad) Biichof Bernhards Tode
erfolgten Ercommunication de8 Domkapitels?) zu verquiden
zu erwähnenden Geſtändniſſe der Busdorfer (15. März 1224) anſetzen,
oder mit Berückſichtigung der Zeit, welche die erite Commiſſion brauchte,
bis fie zu diefem Rejultate fam, und der Zeit, welche durch die Be—
mühungen der zweiten Gommilfion in Anipruch genommen wurde’
genauer um die Wende der Jahre 1223 und 1224.
Bol. die Bemerkungen auf der Rückſeite der bei Wilm. a. O. Nro.
115 erwähnten Urkunde: et hoc est tacitum in littera, quod orien-
tales interesse debuerunt.
2) Wilm. a. O. Nr. 98. — °) Bol. Wilm. a. O. Nr. 138.
-—
—
104
und ihren Nuten aus einem Factum zu ziehen, das mit der
ganzen Wahlangelegenheit nicht gemein Hatte, da die Er:
communication erit nad der Doppelwahl erfolgt war und
nur in ihrem weiteren Berfolg mit jener zeitlich parallel Lief.
Wie dem aber auch jein mag, die päpftlihe Commiſſion
erklärte auch diefen Grund für nicht ftihhaltig und ſprach
die Confirmation Dlivers aus. Nachdem fie auf diefe Weiſe
im Weſentlichſten ihren Auftrag ausgeführt hatte, beorderte
fie jene beiden Gejandte nad) Rom, um das päpftlidhe Urteil
zu vernehmen. Es wurde diejen ein Schreiben mitgegeben,
in welchem jie Honorius mit der verjudten Fälihung der
Busdorfer vertraut machte und die Gonfirmation Dlivers
zu bejtätigen bat).
Als die beiden Gejandten A. von Seiten Dliverd und
L. von Seiten Heinrichs in Rom anlangten, wurden diejelben
von Honorius dem Biſchof von Alba zum weiteren Berhör
übergeben. Nach dem Berichte, welcher aus Paderborn nun
vorlag und ein jo ungünftiges Licht auf Heinrichs Partei
werfen mußte, hatte L. einen jchweren Stand. Die Fälſchung
der Bulle Cöleſtins, um die er willen mußte, überging er
bier ganz und juchte die NRechtmäßigfeit des Wahlactes auf
Grund des „Gewohnheitsrechtes“ zu erweilen. Wie in Bader:
born — was die Partei Heinrih8 anlangt — an dem
Zurechtbeitehen diejes consuetudinarium jus geglaubt wurde,
jo wird auch %. hieran nicht gezweifelt haben nnd mit voller
Ueberzeugung dafür eingetreten jein. Trotz der jchwierigen
Lage, in welcher er durch die Handlungsweije feiner eigenen
Partei jich befand, operierte er doch jo geihidt, daß aud
Durch Ddiejes neue Verhör in Rom der Papſt plena fides
1) Es geht dies hervor aus Wilm. a. O. Nro. 127. Gier wird zum
eriten Male in dem Scjreiben des Honorius der Fälſchung gedacht
mit den Worten: quibusdam frivolis exceptionibus. Das Schreiben
diefer Commiſſion an den Papit ift leider nicht erhalten.
105
nicht gewinnen fonnte. Er ernannte daher am 7. Mai 12241)
eine neue, dritte Commiſſion, beitehend aus dem Gardinal-
legaten Conrad, Biſchof von Porto, dem Abt des Gifterzienfer:
kloſters Altenberg, Hermann, und dem Ganonitus Ebelin
von Worm3?), und forderte fie auf, die Sache nochmals zu
unterfuhen und den Parteien einen neuen Termin zu be-
jtimmen, um in Rom das päpftliche Urteil entgegenzunehmen.
Hätte Honorius nur noch wenige Tage mit dieſem
Schreiben gewartet, jo wäre er der Ernennung diefer Com:
miſſion überhaupt enthoben worden — und der unglüdliche
2. hätte es erleben müffen, von feiner eigenen Partei ver:
läugnet zu werden.
Während nämlich die erite Commiſſion ſich ihres Auftrages
entledigte und die eben befchriebenen Vorgänge in Nom ſich
abipielten, hatte die zweite Commiſſion ihre Arbeit fortgefegt.
Sie war noch zu feinem Endrejultate gefommen, als ihr die
Partei Heinrichs felbit zu Hülfe fam. Am 15. März 12249)
nämlich gab Abt Albert von Abdinghof in Gegenwart Dlivers
im Baderborner Domkapitel frei und ungezwungen die Er:
Härung ab, daß er fein Recht oder auch nur Scheinrecht an
der Biſchofswahl habe oder je gehabt habe, und zeigte dies
der Commiſſion an. Nicht genug damit wiederholte er an
demjelben Tage noch einmal diejes Geſtändniß, dem jih nun
auch der Prior von Abdinghof, Wezelin, anſchloß, und erklärte
unter dem Ausdrud der Reue, dab er auch in dem vor-
liegenden Falle ji an der Wahl widerrechtlih und nur in
ı) Wilmand a. D. Nr. 127.
2) Er wird a. O. canonicus Warmacensis genannt, dagegen a. D.
Pro. 130 und 131. Spirensis; erfteres wol das ridytige. Ein Can. E.
it in Worms 1213—24 nachweisbar, j. Boos, U.B. der Stadt
Worms, 1, Nro. 116, 121 u. 133. — Abt Hermann von Altenberg
finde ih 1216—1225., vgl. auch von Zuccalmaalio, Altenberg
im Dhunthale ©. 15.
2) a. D. Nro. 122.
106
Folge der Ueberredung und des Gefchreied einiger Laien
beteiligt habe.)
Welcher Anteil an dieſem Erfolge der zweiten Commij:
fion zuzujchreiben iſt, kann nicht angegeben werden; wahr:
jcheinlich aber ift der Beichluß der eriten nicht ohne Einfluß
auf die Entichliegungen des Abtes von Abdinghof geblieben.
Nachdem Albert durch diefes Geſtändniß fich offiziell von
der Partei Heinrichs losgeſagt hatte, war aud die Wider:
ftandsfähigfeit der Busdorfer gebroden, und ſchon am
25. April?) bequemten fie ſich ebenfall® dazu, in Gegenwart
Dlivers diejelbe Erklärung abzugeben. Damit war denn auch
ſtillſchweigend die Fälſchung der Bulle Cöleſtins eingeitanden.
Nach diejen Erklärungen ſprach dann die zweite Com:
mifiion dem Kapitel von Busdorf endgültig das Recht ab,
an der Wahl des Biſchofs von Paderborn Teil zu nehmen,
indem daſſelbe ausichlieglich den Ganonifern der Kathedral:
kirche zuitehe, und legte jener hierüber ewiges Stillſchweigen
auf.) Am 13. Mai 1224 wurde von derjelben Commiſſion
unter Zuziehung zweier Ajlefforen, der Cölner Domherrn
Conrad von Renninberg und Hermann von Engern auf Grund
der vorigen Geftändniffe offiziell entichieden, daß nur das
Domcapitel zur Wahl des Paderborner Bilchof3 berechtigt
jei, und dem Klojter Abdinghof wie dem Stift Busdorf noch
einmal ewiges Stillihweigen auferlegt*®).
Die Erfolge, welche dieje päpftlichen Richter erzielt Hatten,
wurden wahrſcheinlich um diejelbe Zeit dem Papſt mitgeteilt.
Leider ift dieſes Schreiben, das uns in doppelter Ausfertigung
erhalten it, ohne Datum’). War daffelbe auch bald nad
dem 25. April abgegangen, jo ilt e8 doch unzweifelhaft, daf
der Bapit, ald er am 7. Mai die dritte Commiffion ernannte,
von demjelben noch Feine Kenntniß hatte. —
1) a. D. Nro. 123. — ) a. D. Nro. 124.
2) a. ©. 1265, ohne Datum. — ) a. O. 128. — 9 a. D. Nro. 126,
107
Die Maßregeln, welche .die dritte Commiſſion zunächſt
ergriff, laffen uns einen Blid in die Verhältniffe zu Pader—
born thun. Hier war die Ruhe durchaus noch nicht hergeitellt;
vielmehr jcheint Heinrich noch immer auf fein vermeintliches
Recht als Ermählter von Paderborn auch nad jenen Ge:
ftändniffen des Abtes Albert und der Busdorfer gebaut und
vor allem es durchgejegt zu haben, daß die Abgaben und
Einkünfte, welche dem Biſchof zufommen, an ihn abgeliefert
wurden. Er entzog dadurch der Majorität des zu Dliver hal:
tenden Domcapitel3 einen großen Teil der Subfiftenzmittel:
da er den größeren Teil des Clerus und beſonders der Ritter
auf feiner Seite hatte und dadurch in der Lage war feinen
Forderungen und Anjprüchen den Gegnern gegenüber Geltung
zu verichaffen, jo fonnte es nicht ausbleiben, daß Dlivers
Partei, obwol jie das beſſere Recht und die päpftlichen Richter
auf ihrer Seite hatten, doch den Kürzeren zogen — um jo
eher, als Heinrih und fein Anhang, wie wir bereits jahen,
nicht davor zurüdichredten Gewalt anzuwenden, um das Ziel
zu erreihen!).
Um nun zunädit diefem Streite wegen der Einkünfte
ein Ende zu machen, verbot die Commiſſion den Amtleuten
von Vaderborn einem der beiden Geiltlichen, welche als Bifchof
gewählt zu jein beanjpruchten, die Einkünfte zu überliefern,
vielmehr jollten diefe dur den Erzbilchof von Cöln zu
Gunjten des zukünftigen Biſchofs aufbewahrt werben. ?)
Zugleich beauftragten diejelben Commijjare den Probſt Bolquin
und Dechanten Johann vom paderborner Dome, diejenigen
zu ercommunicieren, melde dem Befehle nicht Folge leiſten
jollten ?).
!) Daß in der Tat die meiiten Einkünfte an Heinrich entrichtet wurden,
fann man wol daraus jchließen, daß die drei in Rro. 130 ſpeziell
SGenannten Anhänger Heinrichg waren, wenigſtens gehört der erit-
genannte auch zu den jpäter Gebannten.
2) Wilm. a. D. Nro. 130, vom 19. Auguft 1224,
2) a. D. Rro. 131, von demſelben Datum.
108
Damit war die Angelegenheit aber keineswegs erledigt;
vielmehr fuhr Heinrich fort jih als erwählter Bilchof zu ge—
rieren und die Verordnungen der päpftlichen Richter in den
Wind zu jchlagen; feine Anhänger behandelten, wie er jelbit,
die Berordnungen jener mit Mißachtung und unteritügten
ihn auch fernerhin. Da griff die Commiſſion denn zu dem
legten Mittel, das ihr zu Gebote jtand und that Heinrih in
den Bann. Bei der offiziellen Verkündigung der Ercome
munication Heinrichs duch den Abt und Prior von Ab-
dinghof ereilte daſſelbe Schidjal zugleihd eine ganze Reihe
feiner Anhänger aus dem geijtliden und dem Laienjtande!).
Damit war Heinrich als Candidat für den Biſchofsſitz
endgültig abgethan. Was ſich weiter in Paderborn noch zus
getragen, darüber erfahren wir nichts; Heinrich wird fortan
nicht wieder erwähnt. Die Commiſſion aber hat hierüber
noch an den Papſt Bericht eritattet und einige Canoniker
nah Rom gejhidt. Nachdem der Papſt durd dieje Kenntniß
von den Borgängen in Paderborn genommen hatte, beitätigte
er in dem Schreiben vom 7. April 1225 die Wahl Dlivers
und cajlierte die Heinrichs, in Betreff deſſen er lich wegen der
gerälihten Urkunde weitere Schritte vorbehielt?). Yon welcher
Art dieje gewejen jind, erfahren wir ebenfalls nicht, da
Heinrich für uns fortan aus der Geſchichte verjchwindet.
1) Wilm. a. DO. Nro. 137, ohne Datum, wol Ende 1224.
2) a. D. Nro. 141. Die Anmerkung Wilmand zu dem usus falsarum
litterarum erledigt ſich dur die Urkunde Cöleſtins, die Addit.
Neo. 79 gedrudt ift. Schaten Ann. Pad. I. ©. 700 iſt mit feinen
Ausdrud falsis ad Pontificem litteris perseriptis wenigſtens ungenau,
da nicht zu erweiſen iſt, dab Heinrich überhaupt an den Papit ge
ichrieben hat.
109
Beilage.
Negeiten Olivers.
Die nachſtehenden Regeiten werden manchem nicht un—
willftommen fein, der ſich mit der paderborner Gejchichte be—
ihäftigt. Sie geben ein Bild von den mannigfaltigen Schid-
ſalen diejes einzigen Wejtfalen, der je die Stelle eines
Gardinals erlangt hat. Ihm war es vergönnt, auf den drei
damals befannten Erdteilen jeine rege Thätigfeit zu entfalten.
— Für die Vollitändigkeit des Materiales glaube ich im
Wejentlihen einftehen zu können. Die Zeitfolge der einzelnen
Daten jteht Dank der Quellen ebenfalls in der Hauptſache
feit. Dennoch gilt auch hier das Errare humanum est,
und ich werde jede Berbefjerung und Ergänzung mit Dank
entgegennehmen. — Was die Angabe der Quellen und
Litteratur anlangt, jo habe ich mich darauf bejchränft, bei
eriteren die hauptſächlichſten, bei leßterer nur die neuere
heranzuziehen.
1196.
Mai 3. Hameln (UQuernhamelen). Eine päpftlide Commij-
jion entjcheidet einen Streit zwiichen dem Erzbiſchof
Adolf I. von Eöln und dem Capitel zu Soejt über die
Wahl des Probſtes dajelbit zu Gunſten des Gapitelg,
dem zugleich die Kirche zu Brilon übergeben wird. Unter
den Zeugen de Patherburn Oliverus. — Seiberg,
Weitf. Urf.:B. 1, 144, Nro. 105.
1200.
(Paderborn). Biſchof Bernhard II. von Paderborn beitätigt
einen Vergleich zwijchen der Abtifiin Sophia von Neuen:
heerſe und den Gebrüdern von Erflen. Unter den
Zeugen Oliverus scolasticus. — Wilmans Urk.-B.
Additam. ©. 70, Nro. 84,
110
1201.
September 26. Cöln. Kaifer Otto IV. rejtituirt dem Er:
wählten Johann von Kamerif die Freiheit feiner Kirche.
Unter den Seugen Oliverius majoris ecelesie scho-
lasticus. — Böhmer, Acta imp. select. Nro. 230.
Böhmer: Fider Reg. imp. Nro. 219.
1203.
Februar 13. (Cölu). Erzbiichof Adolf bekundet, welche Zoll:
jäge die Bürger von Dinand in Cöln zu zahlen haben.
Unter den Zeugen Olyverus majoris ecclesie scho-
lasticus. — Ennen und Ederg, Quellen 2, 6, Nro. 5.
(Cöln). Erzbiihof Adolf I. erneuert ein Schutz- und Trutz—
bündniß mit Herzog Heinrich von Lothringen. Unter
den Zeugen magister Oliverus. — Xacomblet U.:8. 2,
6, Niro. 9; E. de Dynter Chron. de ducs de Brabant
berausg. v. de Ram 2, ©. 133 (lib. IV. cap. 64);
Sloet Oor.-boek 1, ©. 412, Nro. 403,
1207.
März 26. Paris. Papſt Innocenz III. beauftragt den Dekan
und Ardidiafon von Paris ſowie O. scholasticus
majoris ecclesiae Coloniensis Parisiis commorans
einen Streit zwiihen D., dem GCanonifus von Reims,
und dem Remigiusflofter wegen der Altäre von Lovois
u. ſ. w. zu entjcheiden. — Potthast, Reg. Pont. 3036.
1208.
Jauuar 30. Epernay (in der Dauphine). Papſt Innocenz II.
beauftragt den Bilchof von Genf und den Abt von
Bonnevaur (in der Diöcefe Vienne) dafür zu forgen,
daß der Biſchof von Grenoble dem magister Oliverius
die Kirche zu Epernay (Aspernadum) mit ihren Ein:
fünften zum rubigen Bejiß übergebe. — Potthast Reg.
Pont. 3256.
(Cöln). Erzbiichof Dietrih von Cöln macht mit Herzog
Heinrih von Lothringen einen Bund. U. d. 3. Oli-
verus scholasticus major. — E. de Dynter a. a. O.
2, ©. 143 (lib. IV cap. 70).
111
1209.
(Baderborn). Der Edle Heinrih von Schwalenberg verzichtet
mit jeinem Bruder Hermann auf die Vogtei des Kloſters
erden. U. d. 3. Oliverus Coloniensis scholastieus.
— Migand, Ardhiv II, 369; Wilm. U.-B. 4, 26.
Nro. 35.
1210
Auguſt 23. Dolenlo (bei Enenhus im Paderb.). Bilchof
Bernhard III. von PBaderborn ſchwört, dat das Amt
Enenhus als erledigtes Lehn an den Biſchof zurüdge-
fallen jei, und bejtimmt, daß dafjelbe dem Pistum nicht
wieder entfremdet werden dürfe. U. d. 3. Oliverus
scolasticus in Colonia. — Wilmans a. a. O. ©. 29
Nro. 39.
1211.
(Baderborn). Biſchof Bernhard III. beitätigt das in der
Stadt Paderborn gegründete yapıı für Pilger und
jegt le Berfaflung feit. U. d. 3. Oliver. — Wilm.
a. a. O. ©. 34, Nro. 47.
1212.
(Cöln?) Päpitlihe Richter, darunter Oliverus majoris ec-
clesie scolasticus entjcheiden einen Streit zwifchen der
Stiftöfirhe in Aachen und dem Klofter Corvey wegen
Zehnten des Hofes Litzig. — Wilmann a. a. O.
38, Nro. 51.
1213.
Februar 6. Cöln apud St. Petrum. Ardidiafon Conrad
ihlichtet einen Streit zwiihen der Abtei St. Martin
in Eöln und dem Marienſtift in Aachen megen des
Zehnten in Winningen. U. d. 3. magister Oliverus.
— Ennen u. Ederg, Quellen 2, 44, Nro. 39.
April 22. Lateran. Papſt Innocenz III. fordert die Gläu-
bigen der Gölner Provinz zum Kreuzzug auf und er:
nennt ÖOliverius Coloniensis scolasticus und den
Bonner Dehanten Hermann zu feinen Bevollmädtigten.
— Ennen u. Eder, Quellen 2, 47, Nro.42. Potthast
Reg. Pont. 4718 und 4725 (ohne Datum).
112
April 19.—29. Lateran. Derſelbe ermahnt Dliver und
Hermann mit Eifer für den chriſtlichen Glauben das
Wort des Kreuzes zur Vergeltung des den Gläubigen
angethanen Unrechtes in der Cölner Diözeſe zu pre—
digen, wie er es in ſeinem früheren Schreiben ange—
geben hätte. — Potthast 4727.
1214.
Febrnar 26. Lüttich. Oliver predigt das Kreuz mit Hermann
von Bonn in capito jejunii. — Reineri Ann. in
Mon. Germ. SS. 16 ©. 671. Er geht von bier durd
Namur, Brabant, Flandern, Geldern, die Diözefe
Utreht nad Yriesland. !)
Mai 16. Bedum in Friesland, feria sexta ante Pentecosten.
Während DO. predigt, ericheint das Kreuz am Himmel.
— D.’3 Brief an den Grafen von Namur, gedr. u. a.
Mon. Germ. SS. 23, 473 in einer Anm. zur Chronif
Emos.
Mai— Juni in alia statione eiusdem terrae, eine zweite
streuzesericheinung während O.'s Predigt. — Ebenda.
Juni 5. Doffum in Friesland, in die sancti Bonifacii.
Die dritte Kreuzeserſcheinung am Himmel. — Ebenda.
Bald darauf jchrieb O. feinen Brief an den Grafen
von Namur, Er blieb den Winter über in Friesland ?).
1215.
Mai 31. bis Juni 2. Lüttich, im St. Jakobskloſter beim
Annaliften Reiner. D. verhindert ein QTurnier, predigt,
indem er den riejigen Gonflur von Menſchen benußt,
das Kreuz und ftellt die eingerijjenen Mipbräude der
von ihm bier zurüdgelajienen Agenten ab. — Rein.
Ann. a. a. O. ©. 673.
— — — —
) Sch verweiſe wegen dieſer Route ſowie der ganzen Zeit bis 1217
5 Hoogeweg, der Domfcholafter O. ale Kreuzprediger 1214—17 in
der Weſtdeutſchen Zeitichrift 1888 ©. 235 ff.
2) Daß DO. nicht, wie ed nach Rein. Ann. a. a. D. ©. 673 jcheinen
fönnte, nad) England gegangen it, darüber val. Hoogeweg, a. a. O.
S. 261 Anmertung 71. Es wurden über dieje Ereignifje in Fries:
land von anderen Beiftlichen auch Briefe an die Univerfität in Paris
geichrieben, vgl. Matth. Paris. Chron. in Mon. Germ. SS. 29 ©. 402,
113
September. Aufbruh O.'s nah Nom zum Lateranconzil!).
November 11 bis 30, Nom. Dauer des großen Xaterans
conzil3, bei welchem D. zugegen ift als a des
Erzitiftes Cöln. Rein. Ann. a. a. D. ©. 674.
1216.
Jaunar 8. Innocenz III. ermuntert die cölner Provinz zum
Kreuzzug und ernennt neuerdings Oliverium Colonien-
sem et Johannem Xanctensem scolasticos und andere
zu ſeinen Bevollmächtigten. — Ennen u. Eckertz Quellen
2, 58 Nro. 50 (falſch zu 1215). Potthast 5048, Vgl.
Finke, P.U. 114 Nro. 241.
Nach Oſtern. Lüttich. Wiederaufnahme der Kreuzpredigten.
Er war vorher vermutlich in Cöln und bei der Wahl
des heiligen Engelbert zum Erzbiſchof zugegen?) —
Rein. Ann. a. a. Ö
1217.
(März April). Aufbruch zum Kreuzzug (Rein. Ann. a. a.
D) DD. geht vermutlich den Yihein hinauf und dem
Yaufe der Rhone folgend nad) Marjeille, wo er jich ein-
ſchifft. — Albert. Stad. in Mon. Germ. SS. 16.
S. 356. — demnach fand
er. Juni die Yandung in Affa ftatt, wohin im October der
König Andreas von Ungarn fam?).
November 3. Nicardane bei Alta im Lager der Pilger.
November 10. Uebergang über den Jordan; das Heer um:
zog den ganzen See von Tiberias, überjchritt im Norden
wieder den Jordan über die „Brücke der Töchter Jakobs
1, Die Zeit fteht nicht aemau feit, läßt ſich aber wol beftimmen durch
die Route Reiners, der von ſich a. u. O. jagt: Feria sexta post
festum sti Lamberti (Sept. 18) exivit ... Renerus . . ., intravit
Romam Simonis et Jude (Dt. 28), mansitqne ibi usque Prisce
(1216 Jan. 18) rediitque in festo Mathie (Febr. 24).
2) Wegen des Datums und jeines Aufenthaltes in Cöln val. Hoogeweg
a. a. D. ©. 266, Anm. 86,
5) Sch verweile für die Zeit bis zum Uebergang nad) ‚Aegypten auf
Köhricht, Die Kreuzzugsbeweguugen im Jahre 1217 in den Forſch.
3. d. ©. 16, ©. 139 ff., wofelbſt auch die Belegſtellen angegeben find,
XLVL 2. 8
114
und berührte eine Reihe von Orten, in denen Chrijtus
gewirkt und gelehrt hatte. — O. hist. Dam. 1.1)
November 30. Im Lager anı Berge Tabor, von wo aus
am 3. und 5. December ein Angriff auf die Sarazenen
erfolgte — Hist. Dam. 2.
December 7. Affa, von wo aus der dritte Angriff der
Chriften am 25. Decb. erfolgte.
1218.
Mai 24 Die Kreuzfahrer breden von Akla auf zu dem
verabredeten Sammelplatz, dem „Pilgerſchloß“ unmeit
Akka, nachdem der Plan nach Aegypten zu gehen und
Damiette zu belagern beſonders durch die Beredſamkeit
O.'s einſtimmig angenommen war?).
Juni 2. Landung in Aegypten. Lager vor Damiette auf
dem linken Nilufer. Einige waren bereits am 30. Mai
gelandet, andere folgten; doch der Hauptteil des Heeres
mit dem König Johann von Jeruſalem, dem Patriarchen
und anderen hohen geiſtlichen Würdenträgern landeten
an obigem Tage, unter ihnen wol auch O., der nicht
ipeziell genannt wird.
Auguſt 24 Fall des Kettenturmes mit Benugung einer
wunderbaren nah O.'s Plan gebauten Machine.
September 14, vor Damiette. D. jchreibt an die Aebte,
Prioren, Pröbjte u. ſ. w. von Friesland einen Brief,
in welchem er die friefiichen ‘Pilger, welche heimfehren,
wegen ihrer Frömmigkeit, Ausdauer und Tapferfeit lobt
und gegen den Vorwurf der zu jchnellen Rückkehr in
Schuß nimmt. — Mieris, Groot Charterboek der
Graaven van Holland ete. ©. 176. Sceriptum apud
Damiatam in exultatione sancte erucis. — Um die:
jelbe Zeit ſchrieb D. auch den eriten Briefan Engel:
bert nach Göln®).
Sc; eitiere nad) dem Trud bei Eccard, Corp. hist. med. aev. 11,
1307 fr.
Kür den ganzen Krenzeug nad) Aegypten vergl. Hoogeweg, Der
Kreuzz. v. Tanıiette in den Mittheil. des Inſtit. 3, 188—218 und 9,
249 fi., daſelbſt auch ausführlich die Belegſtellen.
Val. über die hist. dam. und O.'s Briefe Zarncke, in den Berichten
der Kon. Sächſ. Geſ. der Wiſſenſch. Phil.-hiſt. Klaſſe 1875, ©.
138—154.
“
—
De
—
115
December 4. Lateran. Honorius III. abjolviert den von Erz
biſchof Dietrich von Trier ercommunicierten Abt Heribert
von Werden, der, weil er auf feiner Kreuzfahrt den
Grafen Wilhelm von Holland im Nuftrage des Kreuz-
predigers D., Scholaiters in Cöln, losgeiprochen hatte,
felber in den Bann gekommen war. — Finke, a. a. O.
127 Rro. 271.
1219.
Februar 5. Übergang über den Nil. Lager auf dem rechten
Kilufer.
Augnft 29. verläßt das Heer das Lager, um den Sultan
Al-Kamil in feinem eigenen anzugreifen, und fehrt voll-
jtändig geichlagen zurüd.
November 5. Eroberung von Damiette, gleich; darauf O.'s
zweiter Brief an Engelbert nad Göln.
1220.
Februar 2. Einzug der Vilger in feierlicher Prozejiion in
die Stadt Damiette,
Juli 6. Feierlicher Auszug der Geiſtlichkeit aus Damiette,
nachdem bereit3 acht Tage vorher das Heer ausgerüdt
war zur Bekämpfung der Sarazenen.
Juli 17. Aufbruch des Heeres von Bharisfur (jüdl. v.
Damiette). Weiterer Zug nah Süden.
Juli 21. Einzug in Saremjah, von da durh Baramun
nah der Halbinjel, welche der Nil und jein Nebenfluß
Thanis bildet, wo
Juli 24. das Lager aufgejchlagen wird.
Anguft 20. Rüdzug des Heeres. Untergang des größten
Teiles. :
Auguſt. 30. Waffenftillitand. „Aegypto dedimus manus et
Assyriis, ut saturaremur pane* jagt O. Hist. Dam.
38.
September 8. Uebergabe von Damiette an die Sarazenen.
Abzug der Chriften aus Aegypten. D. aing wol wie
die meijten nach Akka, wo er jich noch längere Zeit
aufgehalten zu haben ſcheint. Won hier aus jchrieb er
einen Brief an den Sultan von Hegypten und einen
8*
anderen an die Schriftgelehrten dajelbit, um fie
zur Annahme des Chriftentumes zu bewegen!). D. Icheint
in der Tat noch das ganze Jahr 1221 in Baläjtina
geblieben zu jein, und erft, wie mehrere hohe weltliche
und geiftlie Würdenträger,
1222,
September ih nah Italien eingeichifit zu haben, um an
dem vom Kaiſer Friedrich auf den
November 11. nah Verona berufenen Hoftage Teil zu
nehmen, derjelbe fiel aber aus. — Ol. Hist. Dam. 45,
Böhmer-Nider Reg. imp. 1409 b.?) — D. ſcheint ſich
von bier direct nach Deutjchland, jpeziell nad) Friesland
begeben zu haben. Bgl. unten die Anm. zum 2. März
1224.
1223.
April Juni (Paderborn). Nach dem am 28. März erfolgten
Tode des Biſchofs Bernhard III. wird D. in einer
zwiejpältigen Wahl mit dem Busdorfer Probjt Heinrich
von Brakel zum Bilhof von Paderborn gewählt.
Juli 27. Segni. Papit Honorius III. ernennt drei Geiftliche
zu jeinen Bevollmächtigten, die ftreitige Biſchofswahl zu
unterfuhen. — Wilmans U.B. IV, 78 Nro.114. Finke
a. D. 147 Nro. 308,
Juli 29. Segni. Derjelbe ernennt drei weitere Geiftliche zu
feinen Bevollmächtigten in derjelben Angelegenheit. —
Wilmans a. a. O. 79 Nro. 115. Finke a. a. O. 147
Nro. 309.
1) Gedr. Eecard, Corp. hist. 2, 1439—49.
2) Caesarius Heisterb. in j. Dial. Mirac. X, cap. 49 jagt, nadıdem
er im vorhergehenden Gapitel 1222 als das Jahr angegeben, in
welchem er ſchreibt: sieut in capite jejunii magister Oliverus prae-
dieavit Coloniae, das wäre am 16. Februar. Indeß iſt dies nicht
möglid), denn abgejeben davon, daß Ol. Hist. Dam. 45 noch foldhe
Details berichtet, dag man daraus entnehmen Bi er jei, als er das
ichrieb (1222), nod) im Trient geweien, fand das Erdbeben in Baphos,
um das es fid) bei Caes, handelt, erit im Mai 1222 Statt, wie O.
a. a. ©. ausdrüdlidh berichtet. Vielmehr muß Caes. hier von einer
früheren Zeit jpredjen. Der Zeit nad am beiten würde das Jahr
1216 pajien; dod) weiß id) nicht, welches Erdbeben in Paphos dann
gemeint it.
117
1224.
Nach März 2. D. bittet den Abt Conrad von Premontre,
gegen den Brobit Herderih von Schildwolde, der durch
Benehmen und Lebenswandel ein Verderben für das
Land jei, mit aller Schärfe vorzugehen. !)
März 15. Paderborn. Abt Albert von Abdinghof erklärt in
Gegenwart O.'s, niemals! das Recht gehabt zu haben,
bei der Wahl des Biſchofs von Paderborn mitzuwirken.
— Wilmans a. a. D. 83 Nro. 122 und 123.
April 15. Paderborn. Das Kapitel von Busdorf gibt in
Gegenwart des Erwählten D. eine mit jener überein:
jtimmende Erklärung ab. Wilm. a. a. D. 83 Nro. 124.
Nach April 15. Die drei päpftlichen Richter benachrichtigen
Papſt Honorius von den Geſtändniſſen. — Wilmans
a. a. D. 85, Nro 126. Finke a. a. D. 151 Nro. 318,
Mai 7. Lateran. Papſt Honorius ernennt eine dritte Com:
miſſion für die Angelegenheit der ftreitigen Bilchofsmwahl.
— Rilm. a. a. O. 85. Nro. 127. Finke a. a. D. 151
ro. 319.
Mai 13. Cöln. Die zweite Commiſſion jpriht dem Abt von
Abdinghof und dem Gapitel des Stift3 Busdorf das
Recht ab, an der Bilhofswahl in Paderborn jich zu
beteiligen und gejteht diejes ausſchließlich dem dortigen
Domcapitel zu. — Wilm. a. a. DO. 86, Wro. 128.
Mai 15. Groningen. D., der in Folge des Kreuzzuges Kaijer
Friedrichs IT. die Kreuzpredigt wieder aufgenommen bat,
) Das Datum ergiebt fih aus Emo a. a. O. ©. 501. In dem Briefe
O.'s (a. a. D. 502—3) heißt es: Cum ex mandato sedis apostoli-
cae Frisiam peragrarem, duos in ea viros . .. inveni. Alteri
illorum videlicet Emoni abbati Floridi Orti a clero et populo
plenum testimonium modestie ac laudabilis vite perhibetur, re-
liquns Herdericus de Skeldwalle ete. Nun hat aber Wybrands
in jeiner Abhandlung über den Dial. mirae. des Caes. Heist. in
Moll en de Hoop-Scheffer, Studien en Bijdragen II (1871) ©. 48
nachgewiejen, dag D. bei jeiner eriten Anweſenheit in Friesland 1214
Emo nicht kennen aelernt bat, weil dieler in Premontre war. Da
nun das peragrarem beweiit, daß der Brief nicht in Friesland ge-
Ichrieben it, alio vermutlich im _Raderborn, io folgt daraus, dal
1223, wo ung über O. jede Spur fehlt, diejer in Friesland
geweſen und mit Emo zuſammen gekommen iſt.
115
wird mit großer Freude vom Volke empfangen —
Emonis Chron. in Mon. Germ. SS. 23, ©. 499.
Mai 17. Bedum bei Groningen. — A. a. O.
Mai 19. Winſum. DO. bewegt mehrere Bornehme zur Annahme
des Kreuzes. Er durchzieht von bier Fivelgoo, madt
Stationen in Eopperfum, Appingadam?), Far—
mejum, Menterne und zwei im Neyderland. —
Emo a. a. O.
Juni 1. bis 2, (Pfingſten) Blumbof (Floridus hortus?),
bei dem Abt und Chroniften Emo. — 4. a. O.
Juni 3. nad dem Embdergau, wo er in Uttum Station
macht.
Juni... Groothujen (Husum bei Emo), wo er ver:
gebens einen Streit unter den Einwohnern beizulegen
ji) bemüht. Bon hier zurüd nad)
Juni ... Husdengum. D. jegt vier judices ein zur
Leitung der Sreuzzugsangelegenheiten. — A. a. O.
Juni bis Juli. Cöln. O. zu dem am 7. Juni nach Cöln
gefommenen päpitliden Yegaten Konrad, Biihof von
Porto und Nufina, der hier ein Conzil abhalten wollte.
Ann. Colon. max. Mon. Germ. SS. 17, ©. 837.
Roth v. Echredenitein in Forſch. 3. d. Geſch. 7, ©. 379.
D. Ichrieb von hier aus an die judices im Gronins
giichen, legt ihnen ihr Amt an's Herz und gibt ihnen
Berhaltungsmaßregeln. Einen zweiten Brief richtete
er an das gefammte Friesland und teilt ihm mit, daß
der Yandgraf von Thüringen, die Dänen und die Bremer
Diözeſe das Kreuz genommen und der Kaijer die Sara=
zenen in Sizilien bejiegt habe. — Emo a. a. O.
Juli 12. Groningen. Bon bier nad)
Inli 14. Vredewold weitl. von Groningen. Dann nad)
Juli . . Suirhuſum und
Inli ... Dokkum. Feierlicher Empfang. D. wird die Ent:
iheidung eines Streites zwiichen den Nittern Thitard
und Wigger übertragen. Nachdem er den Boerdiep oder
’) Bei Emo: in Foro, was Alting für Weſteremden hält. Val. Ostar
Strafinah in Bijdr. tot de Grosch. van Groningen 6, 50 ff.
Sept Witiewierum,
19
—
119
Boorn-Fluß überichritten, kehrte er nad Dokkum zurüd
und entjchied den Streit zu Gunften Wiggerd. — Emo
a. a. O
Juli 17. Auf dem Wege nach Groningen Ueberfall durch
Thitard. Ermordung des Eltetus von Midleſtum. —
Emo a. a. O
Auguft 19. Cöln. Die päpſtlichen Richter gebieten den Amts—
leuten des Fürftentums Paderborn, die Einfünfte ihrer
Amter weder dem Probjt Heinrich noch dem Magiſter D.
zu übergeben, jondern fie aufzubewahren. — Wilmans
a. a. D. 87 Nro. 130.
Auguſt 19. Cöln. Diejelben Richter beauftragen den Probſt
und Dehanten des Domes in Paderborn die Amtsleute,
welche vorstehenden Befehl mißachten jollten, zu ercoms
municieren. — Wilm. a. a. D. 88 Nro. 131.
December 30. (Cöln). Der cölner Domdehant G. erklärt,
daß Gerlacus Hogier auf den Zehnten zu Mehlem ver:
zihtet habe. Unter den Zeugen magister Öliverius
decanus. — Nnnal. für die Geich. des Niederrhein
34, ©. 79.
Ende des Jahres. Probſt Heinrich von Brafel wird mit einer
Heihe feiner Anhänger ercommuniciert. — Wilm. a. a.
O. 93 Nro. 137.
1225.
April 7. Laterau. Papſt Honorius III. beftätigt D. als Biſchof
von Paderborn und fordert ihn zur Uebernahme des
Amtes auf. — Finke a. a. D. 155 Niro. 325. Potthast
7390.
Apil 7. Lateran. Derfelbe teilt dem Kardinallegaten Conrad
von Porto und dem Erzbiichof Engelbert von Cöln die
Wahl O.'s zum Biſchof von Paderborn mit und fordert
jie auf Propſt Heinrich zur Reftitution zu veranlajjen.
— Finke a. a. DO. 154 Nro. 326.
April 7. Lateran. Derjelbe bejtätigt die Wahl O.'s zum
Biſchof von Baderborn, kaſſiert die jeines Gegners Heinrich
und fordert die Edeln und Mliniiterialen auf, dem O.
den Treueid zu leilten. — Wilmans a. a. ©. 96 Wro.
141, Finfe a. a. DO, 154 Nro. 327. Potthast. 7391.
120
— — — — — —
Juli 28. San Germano. Kaiſer Friedrich II. beſtätigt dem
Kloſter in monte Amiato ein Privileg ſeines Vaters
Heinrichs VI. Unter den Zeugen O. v. Paderborn. —
Böhmer-Ficker Reg. imp. 1571.
Juli... San Germano. Derjelbe belehnt D., der zur Er:
langung der Negalien von dem deutichen Orden 65 Mark
Silber geliegen erhielt, mit den Regalien. Böhmer-Ficker
a. a. D. 1571%. Wilm. a. a. O. 116 No. 175.
Juli... San Germano. Derjelbe belehnt den Erzbifchof
Engelbert von Cöln mit dem Gute Richterich. Unter
den Zeugen Oliver. B.F. 1572.
Anguft!) Rieti. Honorius III. gewährt allen Bejuchern der
paderborner Domkirche am Jahrestage ihrer Einweihang
einen Ablaß von vierzig Tagen. — Gobelin. Cosmodr.
cap. 64 (bei Meibom SS. rer. Germ. 1. 282) jagt:
ad instantiam Bernardi quarti episcopi Pad. in prae-
sentia ejus, wobei eine Verwechjelung Bernhards IV.
mit D. ftattfindet. Bol. Finke a. a. D. 156 Nro. 332.
— D. wird alfo von S. Germano ji nach Nieti zum
Papſte begeben haben.
er. Auguft muß die Ernennung O.'s zum Gardinal:Bichof
von Sabina erfolgt fein, denn
September 18. Rieti unterzeichnet D. als episcopus Sa-
binensis die Bulle des Papſtes Honorius für die Kirche
in Padua. — Potthast Reg. Pont. 7478.?)
September 26. Rieti. D. unterzeichnet ebenjo die Bule
defielben Bapites für Podeſta und Volk von Nieti. —
Potthast 7483.
September 27. Nieti. Honorius III. zeigt dem Paderborer
Domkapitel an, daß er O. aliquamdiu apud seden
Apostolicam eommorantem zum Bilhof von Sabita
ernannt habe und fordert zur Neuwahl auf. — Fire
a. a. D. 156 Nro. 335. Bergl. Wilm. a. a. D. 96
Nro. 141 Anm. 2.
1) Das Datum, welches Finke „nach Juli 24 bis September” annicht,
kann wol in diejer Weiſe beichränt werden. al. die folg. Nena.
2) Es jei bier bemerft, daß O. ſich jelbit immer Ohiverus nemit,
während ſonſt ſein Name bald Oliverius bald Oliverus geichrieben
wird.
1226.
Jannar. Honorius papa Oliverium natione . . . . ad
ecelesiam Sti Vincentii assumptum eleetum ad im-
peratorem in Apulia mittit. — Ryecardi de Ss.
Germano Ännal. in Mon. Germ. SS. 19, 3451).
Febrnar 27. Lateran. D. unterzeichnet die Bulle des Honorius
für das Klofter Ettenheim. — Potthast 7541.
Mai 9. Lateran. Ebento für da3 Klofter Selau in der Diözeje
Prag. — Potthast 7568.2).
1227.
Mai 7. Laterau. D. unterzeichnet die Bulle Grenors IX.
für das Kloſter S. Mariae de Ferraria. — Pottlast
1895.
Juni 28. Anagni. Ebenjo für den Prior der Camaldolenſer.
— Potthast 7950.
‚uni 30. Anagni. Ebenjo für das Nlofter St. Juvenal in
Rarni. — Potthast 751.
Auguft 4 Anagni. Ebenfo für St. Nicolaus in Dignies’).
— Potthast 7994.
Auguſt 9. Anagni. Ebenſo für das Klojter St. Mariae de
Garcere, — Potthast 8003.
Dieſe ganze Stelle iſt in der Handſchrift jo lüdenhaft, daß der
Herausgeber den Drud des Ughelli Ital. sacr. (1647) Ill, 986 mit
zu Rate zieht. Er ſchiebt vor Oliverum „quendam* ein, das aber
bei Ughelli wie auch bei Muratori SS. rer. Ital. VII, 999 fehlt.
It hier unfer D. gemeint, jo it quendam wol nicht richtia, da
Ryee. den Bilchof wol jo nicht bezeichnet hat. Doch iſt es unmahr:
icheinlich, dai dieſer D. der Biſchof von Sabina iſt. Kalle es aber
wirklich unſer DO. ift, dann it die Lücke hinter natione, die ſchon
Uahelli und Muratori als ſolche bezeichnen, um jo mehr zu bedauern,
Wir hätten bier den einzigen Anhaltspunkt für eine wenn auch nur
relative Sicheritellung jeiner Heimat.
Sämmtlihe von ©. episcopus Sabinensis unterzeidineten Bullen des
Honorius find zuſammengeſtellt bei Potthast rer. pont. 1, ©. 678.
Bei Ramur, befannt durch Jakob von Vitry, vgl. Matzner, De Jac.
Vitriac, vita et reb. gest. Müniter 1865,
—
3
—
122
Anguft 9. Anagni. Ebenjo für das Schottenflofter in Wien.
— Potthast 8004).
1) Die von O. episcopus Sabinensis unterjchriebenen Bullen Gregors IX.
find zujammengejtellt bei Potthast a. a. D. ©. 938. — Es ift dies
die lette jichere Nachricht über D. Woher Rofenmeper in Troß, Welt.
falia (1825) II*, ©. 50 die Angabe hat, daß D. am 3. September
1227 in Paderborn geftorben, iſt mir nicht erſichtlich, da Schaten
(Ann. Paderb. 1, 708), den Roſenmeyer citirt, nichts davon jagt. —
Aus den Regeſten ergiebt ſich auch, daß der Schiuß, aus dem Fehlen
des Ep. Sahb. bei der Wahl Gregors IX. den Tod D.s bereits vor
diefe Wahl zu ſetzen, unzuläffig ift. Sicher ift nur, dag er Mai
1230 todt ift; vgl. Wilm. a. a, D. 116, Nro. 175, Finte a. a. O.
166 Nro. 361.
Nachtrag.
1196 Jan. 1. Der päpſtliche Legat Kardinalprieſter Johaun
v. St. Stephano ſchlichtet einen Streit zwiſchen
dem Bistum Paderborn und dem Kloſter Helmershauſen.
U. d. 3. magister Oliverus. Finke a. a. O. S. 66,
Nro. 160.
IV.
Die Gnitaheide.
Wo liegt fie? und melches find die Dörfer
Horus und Kiliandr?
Bon
6. A. 8. Schierenberg.
Der Abt Nicolas, der um 1150 von Island aus eine
Pilgerreife nad Rom machte, hat uns ein Stinerarium hinter:
lafien, in welchem er die verfchiedenen Wege angibt, welche
die Nordländer zu diefem Zmwede zu benugen pflegten, und
bei dieſer Gelegenheit erwähnt er auch die berühmte Gnita:
beide, welche in den Liedern und Sagen der Edda eine jo
große Rolle jpielt, indem dort Siegfried (in der Edda heißt
er Sigurd) den Draden Fafnir tödtete, wodurd er in Bejik
des Nibelungenhort3 oder Nibelungenihates fam. Aus dem
isländijchen Terte dieſes Itinerars, wie er dur Werlauff,
in feiner 1821 in Kopenhagen erjchienenen Schrift: Symbolae
ad Geographiam medii aevi ex monumentis Islandicis,
begleitet von einer lateinijchen Ueberſetzung, veröffentlicht ift,
hat man bisher ſtets gejchloffen, der Isländer verlege die
Gnitaheide auf die Strede zwiihen Paderborn und
Mainz. Dies jcheint mir aber auf einem Mißverftändniffe
zu beruhen, indem Werlauff den isländiſchen Tert falſch auf:
faßte, und in Folge deſſen auch faljch überjegte, wie ich hier
zu zeigen beabiichtige, da man bisher allgemein Werlauff
bierin gefolgt ift. Denn nach meiner Auffaffung bezieht ſich
das Wort imilli (inmitten), das in dem isländiſchen Terte
fteht, nicht auf Mainz und Paderborn, fondern auf die beiden
Dörfer Horus und Kiliandr; zwiſchen ihnen liegt die
Gnitaheide, und dieſe beiden Dörfer liegen bei Paderborn.
Für unjre Zmede fommt nur der Theil des Jtinerars in
Betracht, der die Strede von Stade bis Mainz in fich faßt,
und für dieje Strede werden zwei Reijerouten angegeben,
die jich aber bei oder doch bald hinter Paderborn wieder
vereinigen, worauf dann die Neilenden gemeinſchaftlich, oder
auf derjelben Straße, nämlich beide über Fritzlar nach Mainz
gelangen, während Werlauff die Sade jo auffaßt, als ob
die Straßen erit in Mainz wieder jich vereinigten. Da nun
der Abt ausdrüdlich erklärt, daß er die Straße über Paper:
born nit gefommen jei, alſo nicht von Baderborn nad
Mainz gereijt jei, jo ergibt sich ichon hieraus, daß er Die
Snitaheide nicht wohl auf dieje Strede verlegen Eonnte. Der
Wortlaut des Textes zeigt aber, daß die von Werlauff bei-
gefügte Ueberjegung nicht richtig it. Die beiden Straßen
von Stade nah Mainz find folgende: I. Stade, Berden,
Nienburg, Minden, Baderborn .„.. Mainz, und
11. Stade, Harjefeld, Walsrode, Hannover, Hildes—
heim, Gandersheim, Friglar, Nrinsborg (Mar:
burg?), Mainz. Dann wird noch eine dritte Straße an—
gegeben, die von Norwegen über Deventer oder Utreht nad)
Köln, und von dort in zwei Tagen am Rhein aufwärts nad
Mainz führt, bier aljo nicht in Betracht kommt. In dem
Theil des BerichtS aber, der für uns maßgebend ift, glaube
ih an drei Stellen unrichtige Weberjegung nachweiſen zu
fönnen. Ich überjege nämlich folgendermaßen:
„sn Stade!) iſt ein Biſchofsſitz an der Marienkirche,
von dort jind zwei QTagereijen bis Werden, von dort ilts
) 4 Stöduborg er biskopsstoll at Mariokirkiu, tha er 2 daga for
til Ferdnborgar, tha er skaint til Nyioborgar; tha er Mundiohorg,
(har er biskopsstoll at Petrskirkio. Nu skiptaz tungur. Tha er
2 daga für til Pödldubrunna, thar er biskopsstoll at Liboriuskirkiu,
thar hvilir hann. Tha er 4 daga för til Merinzohorgar. Thar
imillier thorp er Horus heitir, annat heitir Kiliandr,
ok thar er Gnitaheidr er Sigurdr va at Fabni. Su er
nicht weit bis Nienburg, dann kommt Minden; dort it ein
Biihofsfig an der Peterstirhe. Nun ändern tich die Dialecte
(tungur). Dann iſt es zwei Tagereifen bis Paderborn, dort
it ein Biſchofsſitz an der Liboriusfirdhe, wo er begraben ift;
dann ijt es vier Tagereijen bis Mainz. Dort inmitten,
woein Dorf, welches Horus heißt, ein anderes heißt
Kiliandr, eben dortiitdie Gnitaheide, wo Sigurd
den Yafnirtödtete. Dies nun ijt die andere Straße oft:
wärts Durchs Sachſenland zu reifen über Harjefeld, dann
nad Walsrode, von dort nad Hannover, dann nad) Hildes-
heim, wo ein Biſchofsſitz iſt, dort ift der heilige Gudhardus
begraben, dann nach Gandersheim, dann nad Fritzlar, dann
nah Arinsburg, dann ift es nicht weit mehr bis Mainz.
Wie eben gejagt, fuhren wir. Dieje beiden Heerftraßen
fahren die Nordmänner und führt die Straße gemein:
ihaftlih nah Mainz, wenn dieje (beiden) gefahren werden,
„und zwar ilt das der meilten Männer Fahrt. Was nun
die drei beanitandeten Stellen betrifft, jo überiegt Werlauff
die legte derjelben (ok kemr saman leidin), als ob da
jtände „Roma leidir saman“, deun er jagt: binas istas
vias, quae Moguntiae junguntur, peregrinatores boreales,
et cum his plerique alii persequi solent. Da aber leidin,
der Nominativ mit angehängten Artikel, und kemr, die dritte
PBerjon, beide im Singular jtehen, jo ift die Ueberſetzung
niht richtig, jondern e3 iſt gejagt, dab wenn auch beide
Wege gewählt werden, oder welcher von beiden gewählt
werde, Ichlieglih ein gemeinjamer Weg die Reiſenden
"önnar leid or Stöduborg at fara it eystra of Saxland, til Horsa-
fellz, thathan til Valsoborgar, thathan til Hanabruinborgar, tha
til Hildisheims, thar er biscopsstoll, thar hvilir binn helgi Gudhar-
dus, tha til Gandurheims, tha til Fridla, tha til Arinsborgar;
tha er eigi langt til Meginzoborgar: sem athr (var sagt)
foro ver, Thessar 2 thiotleidir fara Noredmenn, ok kemr saman
leidiu i Meginzoborg ef thessar ero farnar, ok er that
flestra manna för.
126
nah Mainz bringe. Die andere Stelle: sem athr (var sagt)
foro ver, überjegt Werlauff: de qua supra, breve iter,
während doch von einem kurzen Wege nidts da iteht,
jondern: „wie vorher (gejagt wurde) reijten wir”,
denn ob die eingeflammerten Worte (var sagt), die in einer
Handſchrift fehlen, da jtehn oder nicht, ijt ziemlich gleichgültig,
immer geht Daraus deutlich hervor, daß der Abt über Ganders-
heim und Friglar, nicht aber über Minden und Paderborn
nah Mainz gereijt it, daß er aljo nur vom Hörenſagen
darüber berichten kann. Daraus folgt dann weiter, daß dieſe
vier Tagereijen lange Strede den gemeinjchaftlihen Theil
des Weges enthält, wie denn ja in der That Friglar fchon
auf der Straße Baderborn— Mainz liegt. Denn wirft man
einen Blid auf die Landkarte, jo jcheint der Weg von Ganders-
heim nad) Hörter, und von dort im Thale der Diemel nad
Warburg, oder im Thale der Fulda nah Caſſel, und
von dort nah Friglar zu führen. Läge aljo die Gnitaheide
zwiſchen Paderborn und Mainz, jo iſt anzunehmen, daß der
Abt ihre Lage näher bezeichnet hätte, vielmehr: jcheint er Die
Angabe der Stationen zwilchen Paderborn und Mainz nur
ausgelajjen zu haben, weil er jie auf der von ihm einge-
ichlagenen Route über Gandersheim zu nennen hatte. Hieraus
jcheint nun weiter fich zu ergeben, daß das Wort imilli
(inmitten) der erſten Stelle fih nicht auf Paderborn und
Mainz, jondern auf Horus und Kiliandr beziehen ſoll. Indeß
läßt jich nicht verfennen, daß das Wörtchen er, welches in
der fraglichen Stelle viermal, und zwar in drei verjchiedenen
Vedeutungen vorfommt, dem lleberjeger einige Freiheit ge:
währt. Denn es heißt ſowohl „iſt“ (est) ald „wo“ (ubi),
und dann it e$ pronom. relat. und zwar durch alle Cajus
und Gejchlechter (qui, quae, quod, cujus etc). Welche diejer
Bedeutungen hier dem Wörtchen inne wohnt, muß daber
aus dem Zujammenhange beurtheilt werden, und da made
ich denn für meine Anſicht noch geltend, daß der Abt nicht
127
jagt tha imilli, jondern thar imilli, und daß das Wörtchen
thar auf das Nachjolgende hinweiſet, aljo auf die beiden
Dörfer, während Werlauff es auf das Vorhergehende bezieht
und überjegt: inter has extant pagi Horus et Kiliandr
dieti; sunt quoque ibi tesqua Gnitaheidr, in quibus Si-
gurdus Fafnerem interfecit. Für meine Anficht jpricht ferner
der Umstand, dab das hinmweijende thar nochmals wiederholt
wird, und zwar mit dem beigefügten Wörtchen ok, wodurd
die Worte „ok thar er Gnitaheidr‘ die Bedeutung erhalten
„und eben dort ift die Gnitaheide“. it dem aber jo, dann
kann das Wort er in: „thar imilli er thorp“ ete. nur
durch „wo“ überjegt werden, während Werlauff es durch „iſt“
in extant wiedergibt. Hiernach beziehe ich das Wort imilli
auf die nachfolgenden Horus und Kiliandr, während, io
viel ich jehen kann, alle Forſcher bisher mit Werlauff es
auf Paderborn und Mainz bezogen haben. Denn in dem
auf der Univerjitätsbibliothef in Berlin befindlichen Ereniplare
der Symbolae jtehen von Jac. Grimms eigner Hand nur
Bemerkungen über die Orte, namentlih über Arinsborg,
Horus und Kiliandr, am Nande beigefügt.
Dies führt nun aber weiter auf die Fragen: Wer ift
Sigurd? Ver iſt Fafnir? Welches jind die Dörfer Horus
und Kiliandr?
Die Aniicht dag unter dem Namen Siegfried oder Sigurd
der Bejieger des Quint. Varus, aljo Arminius zu verftehen
jei, ift jchon mehrfach ausgejprochen und neuerdings noch
durh den Skandinavier Gudbrand Sigfuſſon in jeiner
Schrift zur Grinmfeier: Grimm Centenary, Sigfred Arminius
and other papers. London and Oxford 1886, aufgeitellt
worden, indeß bejchränkt ſich Sigfuſſon darauf, Siegfried mit
Arminius zu identificiren, und über den Hergang der Schlacht
im Teutoburger Walde ſich auszusprechen. Aber fobald wir ans
nehmen, dag Arminius unter dem Namen Eiegiried verborgen ift,
128
fann unter der Bejiegung des Draden doch nur die Bejiegung
Roms verjtanden werden, und demnach ift unter den Drachen
Safnir oder der Weltichlange die Macht Roms zu verjtehen,
und die Gnitaheide, wo jie vernichtet wird, kann nur das
varianiiche Schlachtfeld jein. Hiernach liegt es denn nahe,
in den Dörfern Horus und Kiliandr den Anfangs- und End:
punft jener Schlacht zu juchen, aljo etwa Varus Sommer:
lager und Alijo, wohin jih ja nad Bellejus II. 120 die
Ueberbleibjel von Varus Heer gerettet hatten, und von wo
fie ſich glücklich durchſchlugen.
Da nun meiner Anſicht nach, der ſich auch Hölzermann
angeſchloſſen hat, Aliſo zu Boke lag, ſo ſuche ich natürlich
das Dorf Kiliandr zu Boke, wo ſich ja der Name auch noch
findet, denn auf der Liebenowſchen Karte, Sektion Soeſt,
ſteht ein Ort Kilian nördlich von Boke verzeichnet, neben
dem Gute Espenlake. Als ich vor Jahren an Ort und Stelle
war, erfuhr ich auch, daß die Anwohner mit dem Namen
Kilians-Damm den Weg bezeichnen, der von der Lippe—
brücke nordweſtwärts führt, und wenn ich damit zuſammenhalte,
was in der Weſtfäl. Zeitſchrift, 20. Band, der Oberſtlieut.
F. W. Schmidt (S. 293 über „den vollkommen erhal—
tenen römiſchen Straßendamm von 16 F. oberer
Breite“ ſagt, der von Liesborn „an der Südfront der
Hünenburg vorüber, nördlich von Colon Walkenhaus und
Wortmeier durchs Lipperbruch ſich fortſetzt, und oberhalb der
Weſtenholter Mühle über den Hauſtenbach ſcheint geführt
zu haben”, jo ſcheint Kilians-Damm eben eine Fort—
ſetzung jenes Weges zu jein.
Was das Dorf Horus betrifft, jo lag nad meiner
Anficht Varus Sommerlager in der Gegend von Horn.
Dafür fprit der Umſtand, daß nah Tacitus Angabe der
Weg auf das Schlachtfeld zwiichen den Quellen der Ems
und Lippe bindurdhführte, daß bier die alte Straße ſich be—
findet, welde von der Lippe zur Weſer und Elbe führte,
129
dab fich auf diefer Straße auch der Engpaß (saltus) findet,
den die Bejchreibung fordert, am Erternfteine nämlich, daß
die Grotte im Erxternfteine fih al3 ein Mithräum erweifet,
dad doch nur Varus angelegt haben Tann, und daß in und
bei Horn eine große Menge Hufeifen gefunden werden, welche
durch Vergleihung mit den auf der Saalburg gefundenen
ich als römischen Uriprungs erweifen. Indeß jcheint es, als
ob der Barusberg, der nur 9 Kilometer ſüdlich von Horn
liegt, dem Klange feines Namens nad, größere Wahrjcheinlichkeit
dafür biete, daß in ihm der Name Horus verborgen liegt,
da die Nordländer das B oder W im Anlaut wegzuwerfen
pilegen, jo daf die Wörter: Wort, Wurm, Wunſch, Wolf,
Wunder, Wunde bei ihnen ord, orm, osk, ulf, undr, und
geihrieben werden; doch wird es Aufgabe der Linguiftik fein,
dies näher zu unterfuchen. Hier will ich nur darauf hinweiſen,
dag die Wohnung Segeits in der Gegend des Varusbergs
zu juchen jein wird, und daß daher anzunehmen ift, daß
Varus ſich häufig dort bei diefem Nömerfreunde aufgehalten,
und der Berg daher von ihm feinen Namen erhalten hat.
Denn die Anficht, daß es jih mit dem Varusberge wie mit
dem Taunus verhalte, daß ihm nämlich exit im jpäteren
Mittelalter diefer Name beigelegt jei, iſt zurüdzumeiien, da
es noch nie Jemand eingefallen war, ihn zur VBarusschlacht
in Beziehung zu bringen, deren Schauplag man ſtets weiter
nördlich Hin verlegte, bis fich im Jahre 1871 an jeinem
Fuße jene Goldmünzen des Auguitus fanden, die nur wenige
Jahre vor jener Kataftrophe geprägt Tind.
Doch ich will mich hier auf weitere Erörterungen nicht
einlaſſen, da e3 mir nur daran gelegen ift, die Aufmerkjanikeit
auf diefe Fragen binzulenfen, um bevufenere Forſcher zu ver:
anlaſſen fih darüber auszufprehen. Die Sade ift aber von
großer Tragweite, denn wenn man mir hierin beipflihten
muß, jo wird dadurch die von mir aufgejtellte und vertheidigte
Anſicht an Wahrjcheinlichkeit gewinnen, wonad der Schauplatz
XLVL 2. y
130
der Eddalieder am Teutoburger Walde zu fuchen ift und Die
Kriege gegen die Nömer ihren Inhalt bilden.
Schließlich will ih no auf die auffallende Bemerkung
des Isländers hinweiſen, wonach jich bei Minden die Dialecte
ändern follen (na skiptiz tungur). Dies fann nur auf einem
Mißverſtändniß beruhen, indem er Minden mit Münden
verwechjelte, wo ja auch jetzt der niederdeutiche Dialect in
den hochdeutſchen übergeht, denn ich jege voraus, dab lid)
hierauf nur jeine Bemerkung beziehen kann.
Nachſchrift.
Als das Manuſkript ſchon in der Druderei war, er:
innerte ich mich erjt wieder, daß ich jchon in meiner 1875
erfchienenen Schrift: „Deutſchlands Olympia“ denſelben
Gegenſtand beſprochen habe. Indeß war mir damals der
Wortlaut in der Urſprache noch nicht bekannt. Dort beziehe
ich mich S. 102 auf Wilh. Grimm, der in ſeiner Deutſchen
Heldenſage, im 27. Zeugniß, auf das Itinerar des Abts
Nicholaus ſich bezieht, wonach die Gnitaheide auf dem Wege
von Paderborn nach Mainz liegt. Nach Wilh. Grimms Ueber—
ſetzung lauten die Worte. „dort iſt ein Dorf, das Horus
beißt, und ein anderes heißt Kiliandur, und dort ift
die Snitaheide, wo Sigurd den Fafnir erihlug”.
Grimm bemerkt dazu: „Was für Dörfer unter Horus und
Kiliandur gemeint jind, ift Schwer zu jagen, wahrjcheinlich
jedoch wird Horohus am Fuße der Eresburg (Stadtberge),
unter dem eriteren gemeint‘. Hieran ſchließt fih dann ferner
das Zeugniß Nro. 169 Seite 322, wo Wilh. Grimm fagt:
„Roc jest geht in Nerike die Sage, der Niflungenſchatz jei
irgendwo im Kilsberge aufbewahrt, und der Schlüffel zu
dem Bergjaal unter einem Roſenbuſch verborgen. Nach Geyjer
131
(Svea Rikes Hafder I. 118) heißt der Felſen, wo ber
Schaß liegen joll, Garphytteklint”. Zu diefem letzten
Namen habe ich damals die Bemerkung gemacht, daß Geyjer
in jeiner Geſchichte Schwedens jagt: „Garp hieß vormals
in Schweden ein Deutjcher, obgleich das Wort eigentlich
einen übermüthigen, prahleriihen Menjchen bedeutet”. Da
nun hytte eine Schmelzhütte, ein Hüttenwerk bedeutet, und
klint einen Berg, jo werden wir aljo auf ein „deutſches
Hüttenwerf am Kilsberge“ bingewiefen, und da bietet ſich
gleich auf der erſten Eijenbahnftation zwiſchen Paderborn
und Mainz das Hüttenwerk Altenbefen dar mit dem Stil:
berge im feiner Nähe. Da diefer Berg auch den Namen
Barusberg führt, da auf ihm die Karlsburg liegt, da
er einen unterirdiſchen Bergjaal hat, und da nad der
Bollsjage Karl d. Gr. hier eine Burg gehabt haben joll,
jo ift die Vermuthung wohl beredtigt, daß der Kilberg
oder Barusberg identiih iſt mit Kilsberg, und alle
drei wieder identisch mit dem Dorfe Kiliandur im Itinerar,
und daß unter Hor us das Städtchen Horn zu verjtehen jei.
Die Angabe, daß Sigurd über die heiligen Berge reiten
muß, um den Draden Fafnir zu töbten (Fafnismal 26),
iheint diefe Annahme noch zu beitätigen. — Somit bleibt
noch zu unterfuchen, ob der Hof Kilian bei Boke, oder der
Kilberg größere Wahrjcheinlichkeit für fich Hat.
9*
V.
Regeſten und Urkunden
zur Geſchichte der
ehemaligen Benediktiner-Abtei Marienmünſter
unter Berückſichtigung der früher incorporierten
Pfarreien.
Erſter Zeil.
Bon der Gründung bis zum Tode des Abts Georg I. (1128—1518.)
Sejammelt von
Fr. X. Schrader,
Pfarrer zu Nakungen, Kreide Warburg.
Fortfegung.
Nr. 1.
1128. Auguft 15.
Bernhard (I. von Ofede), Biſchof von Baderborn, bekundet,
daß Graf Widelind (von Schwalenberg) — vir nobilis et
catholicus nobis propinqua consanguinitate coniunctus
— u. jeine Gemahlin Yuttrudis auf fein Zureden auf ihrem
Eigentum und Erbe eine Kirche in honorem Dei ac sancte
genitrieis ipsius Marie virginis nebjt Klofter und zwed-
mäßigen Wirtichaftsgebäuden gegründet und ihm den Namen
„Sancte Marie Monasterium (Marien: Münfter)” gegeben
haben. — Den Mönchen wird freie Abtswahl zugeftanden,
und nach der Ordensregel Gerhard zum eriten Abt gewählt
und geweiht. Um Nacheiferung zur fernern Unterftügung des
jungen Klojter® (huius novelle plantationis) zu weden,
ihenft der Bilchof jelbjt feine beneficia, in pago Bredin-
burne sita, cum decima et omnibus pertinentiis und
jährlich ein Juder Meßwein (carratam vini ad sacrificium
Domini).
Die Abtei ſoll frei fein und unabhängig von allem
weltlichen Einfluffe, der Abt dem Biſchofe von Paderborn
Gehorjam leiften, von ihm jeine Konjefration und die Weihe
133
der Mönche erbitten. Über die Wahl des Vogts, welcher die
Verteidigung der weltlichen Gerechtſame der neuen Mbtei
übernehme, wird beftimmt: daß, wenn in der Familie (in con-
gregatione) de3 Grafen Widekind eine geeignete Perjon zu
finden jei, diejer ftet3 zum SKloftervogt gewählt werde und
rür jeine Mühe die Ehre genießen jolle, an den Gebeten der
Brüder bejtändigen Anteil zu haben: fonjt aber jeder andere
erwählte Vogt dur Empfehlung (patrocinio) des Bilchofs
von Baderborn die Belehnung unter Königsbann zu erwerben
gehalten ſein jolle.
Zeugen: Siward, Biihof von Minden (1121— 1140),
Tithard, Biihof von Dsnabrüd (1119—1137), Erdenbert,
Abt von Corvey (1106—1128 7 7. Dftober), Hamuco, Abt
von Paderborn (Abdinghof, 1118—1142), Gerhard, eriter
Abt von Marienmünfter, Wino, Dompropft, Eſik, Propſt (im
Busdorf), Widelind, Graf (von Schwalenberg), Bernhard
(und) Hermann (Brüder und Edle zur Lippe).
Act. a. incarn. dom. 1128. XVIII Kal. Sept.
Kopialbuch zu Grevenburg Nr. 1.
desgl. zu Detmold fol. 2.
®edr. Schaten, Ann. Pad. I ad. ann.
Erhard, Reg. hist. Westf. II. God. dipl. Nr. 205. Vergl.
Lipp. Reg. I Nr. 44.
Alle Urkunden bis zum J. 1343 find in lat. Sprade
abgefaßt.
Nr. 2.
1130. Juni 20.
Erzbiichof Adelbert von Mainz betätigt als Metropolitan
die Stiftung des Kloſters Marienmünfter.
Zeugen: Die Pröbfte Godebold von Friglar, Heinrich
von „secheburg und Gottſchalk von Heiligenftadt ... . .
Act. 1130. Indict. VIII. Lothar. II. a. regn. VII.
Dat. Frideslarie XI. Kal. Jul.
Kopialb. zu Grevenburg. Nr. 2.
deal. zu Detmold fol. 4.
Gedr. Schaten, Ann. Pad. I ad ann.
Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. Wr. 210.
134
1136. Auguft 4.
Kaijer Lothar (III.) nimmt Klofter Marienmünfter (mo-
nasterium ste Marie) in feinen Schuß.
Dat. 1136. Indiet. XIIII. pridie Non. Aug. a. regni
Lothar. XI, imp. IV.
Act. Corbeie.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 3.
desgl. zu Detmold fol. 4.
®edr. Schaten, Ann. Pad. I. ad. ann.
Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. Nr. 220.
Nr. 4.
1137. Dftober 2.
Papit Innocenz (II.) nimmt das vom Grafen Widefind
gegründete Klofter zu Schwalenberg (Marienmünfter) jamt
den Beſitzungen desjelben in jeinen Schuß.
Dat. in territorio Romano VI. Non. October 1137.
Indiet. I. pont. a. VIII.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 4.
desgl. zu Detmold fol. 3.
Gedr.: Schaten, Ann. Pad. I ad ann.
Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. Nr. 222.
Bergl. Finke, Weſtf. U.B. V. Nr. 46.
Nr. 5.
1138. Oktober 11.
Bernhard (1.), Biſchof von Paderborn, fchenkt dem vom
Grafen Widefind (von Schmwalenberg) gegründeten Klojter
Marienmüniter (ste Marie monasterium) die Zehnten in
Seybile, in Mechtestorpe, in der Nähe des Klofters zu Rothe,
in Zidelinctorpe; ferner Bredenborn, ein Gut in Urdorp,
zwei Manfus in Diwergen, weiter 7 Manjus und 12 der,
3 Sundern, 3 Filchteiche und mehrere Eigenbehörige (man-
cipia), jährli ad sacrificium Domini unam carratam
VIIII.
Zeugen aus dem Klerus: Abt Hamuco, Wino, Dom—
propſt, Eſick, Propſt am Busdorf, und die übrigen Dom—
kanoniker;
135
Freie: Volquin, Bogt (von Schwalenberg), Hermann
(und jein Bruder) Bernhard (Edle zur Lippe), Xudolf
(2 von Dfede), Thietmar (? von Büren), Everhard ....
Dat. Paderborne, V Idus Octobris, indict. I, a. in-
carn. dominic. 1138 a. Conrad. reg. I.
Kopialb. zu Grevenburg. Nr. 5.
desgl. zu Detmold fol. 5.
Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II Cod. dipl.
Nr. 227;
Wigands Arhiv I., 94 abweichend bezüglich der Drts-
namen.
Bergl. Lipp. Reg. I. Nr. 52.
Seybefe (wüſt) in der nördlichen Feldmark der Stabt
Brakel, wo Sebefer Berg an das frühere Dorf erinnert,
welches wohl an deſſen Fuß im „Sebefer Kamp“ gelegen hat.
Nah dem Dorfe Sebefe nannte jih aucd ein Rittergeichlecht,
wovon ſchon 1173 Thidericus de Sebeke vorfümmt. (Erhard,
Reg. hist. Westf. II Cod. dipl. Nr. 362.). — Wie lange
ch die Ortſchaft erhalten hat, läßt ich nicht genau nachmweijen,
do ijt die Cheitiftung zwiſchen Dietrich Kanne und Agnes
von der Bord, Dietrih3 v. der Bord und der Katharina
von Birmund Tochter, datiert: „„Sebefe 1588 Januar 25.”
(v. Kanne’jches Archiv zu Bruchhauſen). Ein Jahrhundert
ipäter hat die Anlage des Schäferhofes beiläufig an der
Stelle des untergegangenen Dorfes jtattgefunden. „Seybeker—
broc” kommt Aſſeburg. U.B. II. S. 123 Nr. 847 in Urk.
a”
v. J. 1321 vor.
Ein mansus oder eine Hove Landes umfaßte gewöhnlich
30 jugera oder Morgen.
Mr. 6.
1140.
Bernhard (1.), Biihof von Paderborn, überweilt dem
Klojter Marienmüniter (beate semperque virginis Marie
monasterio) die Zehnten der curtes Gatshem und Aſſerine—
bufen, von welchen die eritere von Bernhards Oheim (avun-
culus), Graf Widefind von Schwalenberg, dem Klojter über:
geben, die andere jeitens der Mönche (proprio censu) unter
136
Beihülfe des Bilchofs und feines Neffen (mepotis) Volquin
(von Schwalenberg, Widekinds Sohn) gekauft ift.
Zeugen: Hamuco, Abt (von Abdinghoj), Wino, Dom:
propft, Eſiko, Bropit (am Busdorf), Ulrich, Dechant, Bernhard,
Franco, magister scolar um (Domſcholaſter); Freie: Vol—
quin (von Schwalenbera), u Kermann, (Edler zur
Lippe), Ludolf (? von Dfede) .
Act. a. dominie. incarn. 1140 Ind. III. Conrad.
anno regn. III.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 6.
besgl. zu Detmold fol. 5.
GSedruft: Erhard, Reg. hist. Westf. II Cod. dipl.
Nr. 234.
Vergl. Lipp. Reg. I Nr. 54.
Über die Lage von Gatshem und Afferinchufen giebt
der Inder zum Grevenburger Kopialb.: „Münſterbrok,“
(10 Minuten norbweitlid vom Klofter), olim das alte und
neue Ketſen vel Gatschen dietum, das alte Ketſen etiam
dietum est Asserinckhusen sive Heskerinckhusen.* —
Münſterbrock findet fih u. a. 1541.
Nr. 7.
1149.
Bernhard (1.), Biſchof von Paderborn, beurkundet Die
Stiftung des Benediktiner-Nonnenklofters Wilbodeſſen (Wille:
badejjen) und deſſen Ausftattung mit den von verſchiedenen
Perjonen dazu geichenkten Gütern. — Zu den Wohlthatern
gehörten unter andern des Biſchofs Bruder, Ludolf von jede,
(deffen Tochter ?) Luttrudis und ihre Söhne Volquin und
Widefind (von Schwalenberg). Der Bilhof erklärt, „dem
von ihm gegründeten Srauenklofter habe ein Minijterial der
Schwalenberger ein Vorwerk zu Willebadefjen geichentt, das
aus Gütern zufammengejegt gemwejen, welche teild von Yudolf
von Oſede, des Biſchofs Bruder, herrührten, teils vom Grafen
Volquin (advocatus), weshalb auch deſſen Mutter Luttrudis
und jein Bruder Widelind zugeſtimmt hätten. Volquin erhielt
als Entihädigung 20 Mark und den Zehnten zu Ahuſin.“
Act. est apud Swalenberg in Monasterio sancte
Marie (Marienmünjter).
137
Nah Aufzählung von weitern Wohlthätern heißt es zum
Schluß: Summa huius privilegii recitata est a supradicto
Bernhardo venerabili episcopo quinta feria, que dieta
erat cena Domini, . . . . firmatumque est ab eo banno
episcopali, datumque ecelesie Wilbodessensi ad perpe-
tuum stabilimentum per manum videlicet Conradi abba-
tis, qui tunc eidem prefuit ecclesie et presens condidit
instrumentum.
Act. a. ab incarn. D. 1149, indiet. XII, CGonradi II
r. a. XII; episc. Bernhardi a XXII.
Driginal mit beihädigtem Siegel im Pfarrarchiv zu
Willebadejien.
Gedr. mit einigen Auslajjungen Schaten, Ann. Paderb.
II ad ann. vergl. Giefers, Bemerf. in Zeitichrift 37b ©. 180;
desgl. Lipp. Reg. I Wr. 62.
Der erite Teil diejer Urkunde iſt zu Marienmüniter ver:
handelt, der andere wohl in Paderborn, wo dieſelbe auch
ausgefertigt zu fein fcheint. Der hier genannte Abt Konrad
ift nicht der von Marienmünfter, jondern von Abdinghof
(abbas Paterbrunnensis 1142—1173), weldem nad Urk.
von 1158 (Erhard, Reg. hist. Westf. II God. dipl. Wr.
312) vom Biſchof die Aufficht über das Klofter Willebadefjen
übertragen war. — Obige Urkunde zeigt, „Daß der Grund:
beiig im Dorfe Willebadeffen urjprünglich den Edelherrn von
Oſede gehört habe, und daß, wenn Volquin und Widekind
von Schwalenberg dort begütert waren, diejer Beſitz durch
ihre ebenfall3 conjentierende Mutter Luttrudis auf fie über:
gegangen, daß aljo dieje legtere dem Geſchlechte der Edlen
von Dfede angehören mußte.“
Vergl. von Alten, Zeitichrift für Niederjachlen, Jahrg.
1859, ©. 29.
Nr. 8.
1152.
Biſchof Bernhard (1.) von Paderborn fchreibt dem Abte
MWibald von Corvey: „Fratres de monasterio sanctae
Mariae (Sualenbergensis-Marienmünster), orbati suo
abbate (Conrado, vergl. nächte Nr.) — post multas am-
monitiones et preces nostras, scilicet ne gregem sibi
commissum desereret, heremiticae tamen vitae labores
138
aggresso, ut ipse tunc asserebat se habere in animo —
venerabilem fratrem domnum H(einricum), monasterii
vestri priorem, abbatem sibi unanimiter elegerunt“ und
bittet den Abt Wibald, dem Kloſter Marienmünfter den Cor:
veyer Prior Heinrich als Abt zu überlafjen.
Jaffe, Bibliotheca I (Monumenta Corbeiensia), Wi-
baldi Epistolae Wr. 398, ©. 530.
Nr. 9.
1152.
Abt Wibald von Corvey erwidert dem Biſchof Bernhard (T.)
von Baderborn: „Fratres quidam de monasterio sanctae
Mariae ad nos cum litteris vestrae sanctitatis (j. vorher:
gehende Urkunde) venerunt, quae hoc obnixe postulabant,
ut karissimum fratrem nostrum Heinricum, aeclesiae
nostrae priorem, quem idem fratres elegerunt, eis in
abbatem concederemus. Nah Rückſprache mit dem Kapitel
respondemus primum, quia idoneas causas non videmus,
cur dilectus frater noster Counradus, qui eidem mona-
sterio prefuit, commissi sibi gregis curam deseruerit;
qui propter heremiticam vitam fratres suos, quos custo-
diendos susceperat, deserere non debuit .... Alia
causa est, quare predictorum fratrum electioni assensum
prebere non possumus. Ordo monasterii nostri habet,
immo omnia monasteria nostri ordinis hanc observantiaın
tenent, ut si quando aliquis fratrum nostrorum abbas
ad aliud monasterium eligendus est, prius a nobis eta
fratribus nostris quam ab extraneis eligatur; nec aliqua
nobis persona inter fratres nostros in abbatem ab alio
monasterio vel a quolibet hominum ex nomine desig-
netur, set assumptio fratris nostri cuiuslibet in nostro
arbitrio et fratrum suorum electione relinquatur. Diefer
Gebrauh in Corvey könne zu feiner Zeit nicht geändert
werden.
Jaffe, Bibliotheca I. (Monum. Corbej.), Wibaldi
Epist. Nr. 399, ©. 531.
Nr. 10.
1158. April 13.
Bernhard (1.), Biihof von Paderborn, erneuert Die
Etiftungs» und Dotationsurkunde des Klojters Wilbodefjen,
139
faft gleihlautend mit der Urkunde von 1149. Abweichend
davon wird ein Gütertaufch zwijchen den Klöſtern MWillebadefjen
und Marienmünfter bemerkt: „Duos mansos et dimidium
in Escherinchusin et XII talenta dedit congregatio in
Wilbodessin ecclesie monachorum in Swalenberch pro
duobus mansis, quorum unus est in Westnorthe, alter
in Ostnorthe. “
Act. a. dominic. incarn. 1158 Indict. VI. Regn.
Friderico imperatore a. regni VI. imperi III. episcopatus
Bernhardi XXVIII. Data Idus Aprilis.
Nah den Driginal, gedrudt bei Erhard, Reg. hist.
Westf. II. Cod. dipl. Nr. 313, wo das Regierungsjahr des
Biſchofs Bernhard (J.) mit 28 falſch angegeben ift, e3 dürfte
29 oder 30 da3 richtige fein.
Eicherinchufin oder Eichereshulin (1149) Tann das
braunſchweig'ſche Ejchershaufen bei Stadt-Dldendorf fein.
In Willebadefjer Urk. von 1340 findet jih: „in maiori
Norde* und in Neuenheerjer von 1421: „groten Nörde;‘
darnach jcheinen die Dörfer: „Weit: und Oſtnörde“ in
„Großen- und Kleinennörde“ unterjchieden zu fein; nunmehr
fommt nur das Dorf Nörde bei Scherfede, Kreis Warburg,
vor.
Nr. 11.
1166.
Abt Konrad von Marienmünfter (ste Dei genitricis
Marie, quod est situm iuxta Sualenberg) verfauft dem Abte
Uffo zu Flechdorf (Flietorp) mit Zuftimmung des Biſchofs und
Bogts den Hof (curtis) in Urthorp für 18 Mark Silber,
womit er ein Stüd Rodeland (terram novalem) bei der
Stadt Bremen erworben.
Zeugen: Evergis, Biihof von Paderborn, Abt Konrad
(von Abdinghof), die Pröpfte Syfried, (Dompr.), NRembert,
(Busdorf), Gottſchalk (? von Hörter 1166—1188), Dom:
dechant Alemar, Magister (Scholafter) Reinher; der Marien:
münſter'ſche und Flechdorf'ſche Vogt Volquin, Graf von
Schwalenberg und jein Bruder Wydekind, Ludolf, Edler von
Ajedhe (Dfede), und defien Sohn Wydekind (1166—1197);
Prior Wilhelm (von Marienmünfter). Act. a. dominic. In-
carn. 1166 Indict. XIIII. Regnante imperatore Friderico.
140
Gedr. Zeitichrift Bd. VII. ©. 53 nad Flechdorfer
Kopialb.
Das Benediktinerkloſter Flechdorf liegt im Waldeck'ſchen,
vergl. zur Geſchichte desſelben Zeitſchrift Bd. VIII. ©. 1—86
Nr. 12.
1173.
Biſchof Evergis von Paderborn eignet dem Kloſter
Marienmünſter den Hof (curiam) Botvelt zu ſamt Zehnten,
den die Mönche vom biſchöflichen Miniſterialen Wadeko,
welcher damit beliehen war, und ſeinem Sohne Heinrich um
20 Talente eingelöſt hatten, unter Zuſtimmung des Klofter:
vogtes Volquin.
Zeugen: Konrad, Abt von St. Baul (Abdinghof), Almar,
Domdechant, Siffried, Dompropit, Nembert, Bropft (im Bus:
dorf), Ufo, Manegold und Oltmann, Kanonifer; Freie: Bol:
quin, Vogt, und fein Bruder Widelind (von Schwalenberg),
TIhetmar von Büren, Gerlag und Hermann von Stter;
Minifterialen: Albert von Rikerswich, Konrad Stapel.
Act. in synodo Patherburnensi a. incarn dom. 1173
sub episcopo Evergiso, regnante Friderico Romanorum
imperatore.
Kopialb. zu Grevenburg. Nr. 7.
Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl.
Nr. 368.
Botvelt (wüft) in der Nähe von Nolfzen, wo rechts von
der Straße nad) Sommerjell „Butfeld oder Puttfeld“ als
Flurname vorkommt.
Ar. 13.
1173.
Abt Konrad zu (Marienmünfter bei der Burg) Swalen—
berg jept den Freien Hameko aus Merctorph mit feiner freien
Frau Frideburh und drei Söhnen Rother, Reinhard und
Bruning, welche fi jämtlih nad Paderborner Dienitmans:
rechte in den Dienſt jeiner Kirche begeben, que monasterium
ste Marie dieitur iuxta castrum Swalenberg, und zwei
Hufen Erbländerei zu Merctorph demjelben geichenft haben,
auf die curia Goldenevelde, wovon fie jährlich drei Talente
monete ipsius provineie zahlen jollen,
141
Fact. a, dominice incarn. 1173, regnante Friderico
Romanorum imperatore, presidente Padelburnensis ec-
clesie Evergiso feliciter, Mindensis ecclesie presule
Annone, episcopatus eius anno secundo.
Gedr.: von Hodenberg, Galenberger U.B. Abteil. III
(Klojter Loccum) Nr. 3. nad) einem Loccum’er Kopialb., wo
die Zeugen oft fehlen; besgl. nach demjelben Kopialbuche:
Grupen, Orig. Pyrm. et Swälenb. ©. 34. Scheidt,
Bom Adel ©. 108.
Merctorph iſt Mardorf im Kirchſpiel Schneeren, Amt
Rehburg (Pr. Hannover).
Bergl. Nr. 30.
Nr. 14.
1188 oder 1189. März 27. i
Bilhof Bernhard (II. von Oſede) von Paderborn be:
jtätigt die von feinem Borgänger Bernhard (1.) an Klofter
(Marien-)Münfter gemachten Schenkungen, nämlid die Zehnten
in Seibife, Hesferindhujen, Botvelde, Bolcoldefjen, Ktethien,
Rothe, Tidelinctorpe, Bredenborn, Woldeſſen, Bettinchufen,
Mendhe und Medesdorp.
Zeugen: Abt Heinrich de curia (von Abdinghof 1173 —
1197), Dompropft Altmann, Dechant Wolbert, Scholaiter
Heinrihd von Burbenne; Konrad und Werner, Gebrüder
Stapell, Wolbert und Heinrich Brüder von Hilfe.
Dat. Paderborne a. gracie 118 .... VI. Kal.
Aprilis.
Kopialb. zu Grevenburg Wr. 8.
desgl. zu Detmold fol. 29 und 30.
Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. TI. Cod. dipl.
Nr. 461. mit dem Datum: 1186, April 1. und teilmeile
Schaten, Ann. Pad. I. ad ann. 1186. Die Kopialbüder
haben im Datum den Fehler: millesimo centesimo octo-
gesimo sexto Kalendas Aprilis.
Nah Giefers Ausführungen (Zeitichr. 375 ©. 198) iſt
sexto zu Kalendas zu ziehen und anzunehmen, daß ber
Abjchreiber hinter octogesimo entweder octavo oder nono
ausgelafjen habe. Dieje Anderung im Datum muß wegen
Regierungsantritts Biſchof Bernhards II., deſſen Vorgänger
Sifrid erſt Februar 1188 ftarb, gemacht werden.
142
Bettinchufen (müft), 1534 Bilfindhufen, jetzt Belting-
hauſen in der Vörden’er Feldmarf.
Mendhe, richtiger Wenedhen, 1240 Winethen, 1241
Wenethem, bis in die erfte Hälfte des 16. Jahrh. Wenden,
muß als größere Ortichaft aufgefaßt werden, welche zwiſchen
der Oldenburg und Vörden, dem Münfterholz, dem Hunger:
berge und Xöwendorf lag. Eine Randbemerfung im Kopialb.
D. bejagt: „Wenden situm inter Vörde et Oldenborch
prope Walezerdyk (Woldeſſer Teich).“ Später find daraus
die 3 Gemeinden Großenbreden (Wendenbreden 1541, Wendel:
brede 1650, Großenmwenbelbreden nah dem Paderbornjchen
Lagerbuche von 1793), Kleinenbreden (Lütlenwendenbreden
1541, Xütfenbreden 1650, Lütfewendelbreden 1793) und
Bapenhöfen, (früher die Höfe zu Wenden, Bapenhöven 1545)
entitanden. Der Weg von genannten Dörfern nad) Vörden
beißt heute noch der Wenner:(Wenden’er) Weg.
Nr. 15.
1189.
Biihof Adelhog (1169 F 20. Septemb. 1190) von
Hildesheim befundet, daß Henricus, frater advocati Hugonis,
qui de Insula dieitur (Bodenwerder), Güter in Brodhufne
bei Smwalenberg, welche er vom Bilchofe zu Lehn getragen,
dem neu gegründeten Klofter zu Münjter (congregationi, que
est monasterii iuxta predietum locum, noviter institute)
für 23 Mark Silber verkauft habe.
Act. a. ab. incarn. Dom. 1189.
Kopialb. zu Grevenburg, Nr. 9.
Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl.
Nr. 499.
Vergl. Lipp. Reg. I. Nr. 113.
Brockhuſen bei der Oldenburg (Alt: Schwalenberg) ift
nicht mehr befannt; es Fönnte darunter vielleicht Brockhuſen
oder Brochhuſen (wüſt) verftanden werden, das unter dem
ſ. 9. Brojter-Berge (Brochhufer Berge) in der Feldmarf von
Bredenborn lag.
143
Nr. 16.
1214. September 21.
Bolguin, v. ©. ©. Graf zu Schwalenberg, jchenkt für
jein Seelenheil und zur Sühne der Sünden jeines Vaters,
des Grafen Heinrich (f um 1209), eine curia zu Rotlovefjen
cum pascuis, aquis, silvis et tribus mansis der Kirche
der hl. Maria im Münſter bei Schwalenberg mit Zuftimmung
jeiner Mutter, welche den Hof mit ihrem Gelde gekauft hatte,
jeiner Gemahlin und jeiner Brüder.
Zeugen: Bernhard von Holthujen, Widelind von Gre-
viden (vergl. Nr. 28 und Nr. 38), Dietrich von Eblinchufen,
Holtgravius.
Dat. Swalenberg 1214 in festo Mathei.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 10.
desgl. zu Detmold fol. 6 und 39.
Gedr.: Wilmans, Weitf. U.B. IV. Nr. 58, woſelbſt
al3 legter Zeuge „Halt“; vergl. Lipp. Reg. III. Nr. 1494.
Holthujen ift jedenfalls Holzhauſen bei Nieheim.
Widekind v. Greviden dürfte vielleicht identijch fein mit
W. v. Grevincege (1251), wofür W. de Gerjunge (1260)
verichrieben ift, und iſt vielleicht mit dem Paderborner
Stadtgrafen Widekindus comes diejelbe Perſon. Dafür
Ipriht, daß er in der Reihe der Zeugen nad den Nobiles
vor den Minifterialen der Paderborner Kirche gewöhnlich
jeine Stellung findet. Vgl. U.B. TIL, 217.
Eblinchujen oder Hebelinghufen Tag mit Bezugnahnte
auf Urkunde 1375, Febr. 14, zwijchen der Oldenburg und
(dem Lippiihen Fleden) Schwalenberg.
Nr. 17.
1220. Juli 25.
Graf Volquin von Schwalenberg überträgt den untern
Hof (inferiorem euriam) in Volcoldeſſen, welchen Wernher
und Witwe Bertradis gen. von Bolcoldejien ihm rejigniert
haben, auf deren Bitte zugleich mit noch andern dortigen
Gütern der hl. Jungfrau Maria zu Münſter.
Zeugen: Borchard von Holthojen, Dietrich von Hebeling:
bujen, Hermann von Abbenhofen.
144
Act. in castro Swalenberg in festo Jacobi 1220.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 11.
desgl. zu Detmold fol. 6.
Gedr.: Wilmans, Weftf. U.B. IV Nr. 83.
Abbenhofen iſt aleichbedeutend mit dem Nittergute
Abbenburg im Kr. Hörter.
Nr. 18.
1222.
Gottſchalk, Graf von Pyrremunt, und deſſen Gemahlin,
Gräfin Kunegundis, befunden, daß jie ihren Sohn Widelind
dem Schwalenberger Klojter super altare b. Marie virg. et
b. Jacobi apostoli et Christophori mart. ibidem in ser-
vitutem (als Mönch) übergeben und um ihres Sohnes, des
künftigen himmliſchen Lohnes, fowie ihres dort zu feiernden
Jahresgedächtniſſes willen, dem Kloſter ihren Zehnten zu
Eilbrachtefien, ab omni iure hereditario exemptam, in
Gegenwart ihrer Söhne Gottſchalk und Hermann gejchenkt
haben, mit dem Bemerken, daß der Genuß des Flachszehnten
nur mit Vorbehalt nostre domine (der Gräfin Kunegundis)
übergeben worden und darum vom Klofter nicht veräußert
werden könne.
Zeugen: Albert von Hacemolen, Wezelin von Eyden—
hujen, Arnold von Emmere, Arnold von Heilen, Wernher
von Brac, Bernhard von Dodenbrof, Heinrid von Sunderfen.
A. 1222. Eodem tempore capitulum eiusdem ecclesie
iurisdietionem in Brac, que vulgari Echtwort dieitur,
nobis et nostris contulit filiis.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 12.
deögl. zu Detmold fol. 9,
darnach in den Lipp, Reg. I. Nr. 168, wo unter den Zeugen
„A. v. Heyften und 9. v. Sunderde” vorkommt.
Gedr.: Wilmans, Wejtf. U.:B. IV. Wr. 105.
Eilbrachteffen ift Born bei Marienmünfter.
Dodenbrof (wüft) bei Lügde.
Die Yage von Sundersen oder Sunthersen (vergl.
Kr. 23) ergiebt ſich wahrjcheinlid) aus einer Urkunde Con:
rad’ 3 II. v. J. 1031 (Schaten, ad ann.) wo Sunderessen
neben Nisa (Niefe) und Hammeressen (Hummerfen),
145
zwei Dörfern im lippiich. Kirchipiel Falkenhagen, genannt
wird, daher wird die ausgegangene Ortſchaft in deren Nähe
am Köterberge zu juchen jein.
Nr. 19.
1234.
Abt Hermann von Corvey verwandelt das von den
Kalandsbrüdern zu Dihbergen gegründete Männerflofter mit
deren Zuftimmung in ein Giftercienfersssrauenklofter (Brent:
haufen) und beruft Nonnen dahin (aus Eijenad)).
Unter den Zeugen: Nichodo, Abt de Monasterio
(Marienmüniter).
Dat. 1234 indict. VII prelationis nostre a XI.
Gedr.: Wilmans, Weit. 4.8. IV Nr. 234; vergl.
Nr. 235.
Nr. 20.
1235.
Ritter, Ratleute und Bürger zu Eresberg (Ober-Mars—
berg) befennen, dab die Kirche st. apostolorum Petri et
Pauli in Ger dene (Benebiktiner: Nonnenklofter Gehrden) Die
Hälfte einer curtis in Wernefjen für 36 Mark vom Nitter
Andreas von Dorslo gekauft habe, domino Ricbodone abbate
(von Marienmünfter) et Gerhardo priore et Heinrico
preposito et fratribus (Klojterbrüder), Heinrico camerario,
Sifrido et Heinrico dicto de Scereve ipsius ecelesie
curam administrantibus. Ferner verzichtet genannter
Nitter auf feine Aniprüde an den vierten Teil derjelben
curtis, welden Bolpert mit jeiner Schweiter dem Klofter
geichentt hatte, nach Zahlung von 4 Mark feitens der obigen
dispensatores ecclesie und will in Zukunft auf den nod)
übrigen Teil, jofern ihn die rectores des Kloſters kaufen
würden, feinen Anjpruch erheben. — Für die Beurkundung
(pro quodam memoriali) zahlen die Rectores den Nat:
leuten (consulibus) 12 und dem Nichter 3 denarios.
Zeugen: Konrad von Dalhem, Rodolf von Esnete
(Eſſentho), Arnold und Hartmann, Brüder von Dorslo, Her:
bold und Helmic dieti Stotere, Heinrich von Suiderinchufen,
Goswin von Weten, Dietrihd Richter dietus de Geißmaria,
Bertold Mulo, Arad magnus und dejien Sohn Bertold,
XLVI. 2. 10
146
Ludolf de Capella, Fredehard, Konrad monetarius (Münzer)
und jein Bruder Hermann, Dietrich von Hoddenhujen, Alrad
von Corbike, Winand von Scerve, Gottſchalk von Hoſterhuſen,
Regenhard von Hoburgerhuien, Detmar alutarius (Gerber),
Hermann magnus, Bolland, Johannes de fabrica, Heinrich
von Corbike, Konrad Mulo, Hermann von Alderinchujen
(Einwohner von Dber-Marsberg).
Act. a. dom. incarn. 1235 domino Bernhardo quarto
Paderbornensis ecclesie regimen dispensante.
Kopialb. von Gehrden fol. 19. C. 8. Über diejes Kopial—
buch, das jih im Bejite des Grafen von Bocholg zu Alme
und Niejen befindet, vergl. Zeitichrift Bd. 39b ©. 1. ff.
Mangelhaftes Regeſt: Wilmans, Weſtf. U.“B. IV
Nr. 242.
Scereve oder Scerve ilt dag Kirchdorf Scherfede, Kr.
Warburg. Werneſſen (wüjt) lag gegen 20 Minuten weſtl.
von Gehrden nad Altenheerje Hin; vergl. Zeitjchrft. Bd. 376
©. 186.
Andreas von Dorslo heißt auch „„Durslo und Durslon“.
(Wilmans, Weſtf. U.B. IV Nr. 223.)
Dorslon, ausgegangener Pfarrort, lag auf dem Sind:
felde, im Kr. Büren, zwiſchen Fürftenberg und Eſſentho. Das
gräfl. Weltphalen’ihe Gut Wohlbedaht nimmt die Stelle
desjelben ein.
Frauenklöſter wurden gewöhnlid in Rechts- und Ber:
mögensgejchäften von dem Abte eines benachbarten Manns:
flojters Ddesjelben Ordens vertreten. Bei Gehrden waren
e3 meiltens die Abte von Abdinghof, weshalb ſich 1224
und 1229. (U.B. IV Nr. 133 und 169) Abt Albert
von Abd. „Patherburnensis et Gerdinensis“ nennt. Nach
diejer Urk. nahm Abt Ricbodo von Marienmünfter die Rechte
des Kloſters Gehrden wahr.
Nr. 21.
1239.
Frater Rodolfus, Abt und der Convent de3 Klofters
Marienfeld, Giftercienier Ordens, befunden, daß fie dem Abt
zu (Marien) Münfter für ‘die Benugung des Hauſes in Oder:
defien eine Rente von 10 Scdillingen von ihrem Hofe
Stapelage jährlid auf Mariä Geburt zahlen wollen.
Dat. a. incarn. dominice 1239.
147
Original mit bejchädigtem Siegel des Abts von Marien:
feld im Staatsardive zu Münfter, Kl. Marienfeld. )
Regeit: Wilmans, Weſtf. U.:B. III Nr. 363.
Lipp. Reg. I Nr. 218.
Stapellage Kirchdorf im Fürftentum Lippe.
Nr. 22.
1240. Juni 24.
Biſchof Bernhard (IV. E. 9. zur Lippe) von Paderborn
überträgt den durch Reſignation Gottſchalks von Perremunt
ledigen Zehnten zu Eilbradhtejjen Deo et ste Marie sanc-
tisque eius et conventui in monasterio prope Sualen-
berg mit der Verpflichtung, daß die Brüder des Klojters
die Namen jeiner Eltern, Gejchwilter und den feinigen in
ihr Kalendarium eintragen und jein Jahresgedächtnis ab:
halten jollten.
Zeugen: Heinrid, Dompropit, Hermann, camerarius
(Kämmerer), Konrad, eustos (Küfter), Albert und Gottichalt,
presbiteri, (Priefter); Yaien: Georg, Heinrich), camerarius,
Ritter; Hildebrand, camerarius, Gottfried, Putheclerus,
Gottfried, Bogt.
Act. 1240 pont. nostri a. XIII in die beati Jo-
hannis bapt.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 14.
desgl. zu Detmold fol. 9.
Gedr.: Wilmans, Weit. 1.8. IV Nr. 298.
Dompropft Heinrich gehörte zum Grafengeichledhte von
Schwalenberg und war Bruder von Adolf, Graf von Walded‘;
vergl. daſelbſt IV Nr. 297; Lipp. Neg. I Nr. 221.
Kalendarium ift hier gleichbedeutend mit Necrologium,
in welchem der Name dejjen, der eine Memorie geftiftet hatte,
feinem Todestage beigefügt wurde.
Nr. 23.
1240. Juli 9.
Gottſchalk, Edler von Berremunt, bekundet, daß fein
Dienftmann, Ritter Rother, Güter in Winethen, welche leg:
terer von ihm zu Lehn getragen, ihm frei rejigniert und
10*
148
nunmehr diejelben mit Wald, Zehnten und Vogtei dem Abte
Rihbodo und dem Eonvente zu Marienmünfter (monasterio
S. Marie) für 30 Mark mit jeiner und feiner Erben, Gott⸗
ſchalk und Hermann, Zuſtimmung verkauft habe.
Zeugen: Sichehard, Prieſter in Lüdhe (Lügde), Konrad,
Pleban in Schidern, Johannes, Prieſter von Collerbike; Ernſt
und Eckart, Brüder von Barichhove, Ernſt Strubergh, Bruno
von Vrenken, Euſtachius, Marſchall, Heinrich Ruflus (der
Rote), Heinrich von Suntherſen, Ernſt Lorich.
Dat. 1240 VII Idus Jul. ep. Paderborn. Bernhard. IV.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 43;
desgl. zu Detmold fol. 28, beide mit der Jahreszahl
1230,
Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II Cod. dipl. Wr.
471 mit dem Datum 1187, Id. Julii (15. Juli); Wilmans,
MWeftf. U.B. IV Nr. 179 mit der Jahreszahl 1230, ähnlich
Lipp. Neg. III Nr. 1497.
Nah Giefer® Ausführungen in Ztſchr. Bd. 376 ©.
198—200, 210— 211 und Bd. 386 ©. 152 ift die Urf. ins
Jahr 1240 zu ſetzen.
Scidere, Dorf Schieder im Fürftentum Lippe, früher
Pfarrort, nunmehr nad Wöbbel eingepfarrt; vergl. Ztiſchr.
Bd. 37b ©. 63 ff
Collerbed, gegen Ende des 15. Jahrh. noch felbjtändige
Pfarrei, bildet jest einen Beitandteil der Pfarrei Marien:
münjter; vergl. Ztihr. Bd. 32» ©. 144. — Das Kirchdorf
rende, wonach das adel. Gejchleht de Vrencke oder
Frenken jid) nennt, liegt unweit der Wejer im Amte Grohnde.
Bergl. von Aspern, Cod. dipl. hist. com. Schaumb. II
Nr. 46. Not. 7.
Nr. 24.
1241.
Abt Ricbodo von Marienmünfter (monasterii S. Marie
prope Swalenberg) und der dortige Gonvent befunden, daß
ihn der Abt Hermann von Corvey, da er (Ricbodo) Anfprüche
auf den Zehnten des Hofes in Wenethem erhoben, durch eine
jährlich auf Martini zu leitende Kornlieferung von 8 Viertel
Roggen, 4 Biert. Gerfte und 12 Biert. Hafer aus dem
Zehnten in Vorſtenowe abgefunden habe.
149
Zeugen: Albert, Prior, Konrad, Propft, Striger, Por-
tenarius (Pförtner) und der ganze Gorveyer Konvent: —
Konrad Drofte (dapifer), Bertold Marjchall, Hermann von
Nighenkerken, Gottfried von Godelem!), Albert von Marpe,
Bertram und Widelo, Brüder von Stamhem?), Hildebrand
und Friedrih, Brüder von Dldenberghe, Ludeko von Eil:
wordeſſen, Johannes von Holthujen.
Dat. 1241 prelacionis nostre anno XIX.
Gedr.: Wilmans, Weftf. U.:B. IV Nr. 309.
Borftenowe, Kirchdorf Fürſtenau, Godelem, Kirchdorf
Godelheim, find beide in der Nähe von Hörter gelegen.
Nr. 25.
1241. Auguft 9.
Erzbiſchof Siegfried von Mainz geitattet als Metropolitan
mit Zuftimmung Biſchofs Bernhard IV. von VBaderborn, daß
der Abt von Marienmünjter (de monasterio) auf dem
Mainzer (Brovinzials)Konzil und der Paderborner Synode
die Inful trage.
Dat. Patherburne 1241 V Id. Aug.
Driginal im Staatsardhiv zu Münfter, Kl. Hardehauſen.
Da3 Datum unlejerlih, wird durch die Kopialbücher
ergänzt; Siegel fehlt.
Gedr.: Schaten, Ann. Pad. II ad ann.,
Negeit: Wilmans, Weitf. U-B. IV Wr. 307.
Nr. 26.
(1250.)
Wydekind, Graf zu Smwalenberge, jchenft mit Zuftimmung
feiner Mutter, Gemahlin und Brüder dem Klofter Marien-
münfter (ecclesie bte Marie virg. in Monasterio) zur
Stiftung einer Memorie für jih und jeine Eltern einen
) Wahricheinlich jo zu emendieren, keinesfalls wie Wilmans hat: „Gosme“.
2) Statt „Stenhem“* muß „Stamhem“ gelejen werden, wie das Weitf.
U.B. IV aud Nr. 150, 165, 208, 277 und 328 hat, wo die beiden
Brüder Bertram und Widelo von Stamhem in den 3. 1226— 1243
in Originalurfunden vorfommen. Stamhem bezeichnet unzweifelhaft
das heutige Dorf Stammen in der Nähe von Trendelburg an der
Diemel, Bergl. Gieferd in der Zeitichrift 38b ©, 143,
150
Manſus am Wege von Lemgo nah Horm, „de Muniter
Hove’ genannt, mit anliegenden Adern, „in der Cappen“
geheigen. Diefe Hufe hat Graf Widekind gekauft und gehört
nicht zu deſſen Grafihaft Smalenberg.
ef Umnbatiertes Brudftüd einer Urkunde im Kopialb. D.
ol. 48b,
Nr. 27.
1250. Auguft 9.
Graf Widelind von Swalenberg verkauft mit Einmwillis
gung feiner Mutter Ermengard, jeiner Brüder Günther,
Adolf und Albert auf Bitte Abts Hermann monasterii
sancte Marie prope Swalenberg dem dortigen Klofter die
Bogtei, welche er an deſſen Höfen in Hechujen und Swidereſſen
hatte, für 9 Mark.
Zeugen: Die Briejter Lambert, Pleban von Swalenberg,
Everhard, Pleban von Golrebefe; die Ritter Dietrih und
Heinrih, Brüder von Glmerinchujen, Johannes von Wiging—
hufen; die Knappen Hermann von Donepe und Amelungh
von Scidere.
Act. in castro Swalenberg 1250 V Idus Aug.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 15.
desgl. zu Detmold fol. 5b und 6, wo die Ortänamen
„Hechusen et Swederessen‘ heißen und das Datum fälſch—
lid: 1255 Jd. Aug. (Ztſchr. Bd. 37b ©, 201).
Kopialb. des Klofters Gehrden fol. 696 ©. 5.
Gedr.: Wilmans, Weftf. U.:B. IV Nr. 422.
Elmerinchujen (Elmeringhaufen) ift das lippiſche Kirch:
dorf Elbrinren, wovon das Geſchlecht v. E. den Namen hat
und mit dem Baderborner Domdechanten Konrad v. E. 1473
ausftarb. Die Güter gingen durch Erbichaft an die Familie
v. Harthaufen über. Lipp. Reg. II ©. 6 oben.
MWiginghufen iſt Winkhuſen (wüſt) bei Sabbenhaufen
im Fürftentum Lippe, wo eine Feldflur den Namen ‚Wink:
huſen“ trägt.
v. Donepe (Donop), altes lippiſch. Adelsgeichleht, das
jeinen Namen vom gleichnamigen Pfarrdorfe Kirchdonop bei
Blomberg hat.
Vergl. Nr. 53, 55, 56 und 59,
151
Graf Günther von Schwalenberg widmete fich dem geift-
lichen Stande; wahrſcheinlich ift diejes ſchon 1250 geichehen,
weil er in obiger Urkunde vor feinen Brüdern genannt wird,
obgleich er jünger war als fie, wie das eine Urkunde aus
d. J. 1238, worin al3 damals geborene Söhne Volkwins
von Schwalenberg Heinrih, Volkwin, Widelind, Adolf und
Burchard aufgezählt werden, bemweijen fann.!) Wann er dann
in's Domkapitel zu Magdeburg eingetreten ift, läßt fich mit
Sicherheit nicht feſtſtellen. Im Jahre 1268?) war er ſchon
Dombherr und damals auch Inhaber der Propſtei des St.
Dionyſius-Stiftes zu Enger (prepositus Angariensis), welches
Dtto der Große dem Erzftift Magdeburg geichenkt hatte.
Vier Jahre jpäter 12723) iſt er Custos des Erzitifts,
1273 #) wird er unter den Domherrn der Magdeburger Kirche
genannt, 1274 wiederum als Custos®) und kommt endlic)
12766) alö Vice dominus (Vigtum) vor. Es it nit uns
wahricheinlid, daß Günther mit Nüdfiht auf Urkunden aus
dem Jahre 12837) jchon bald darauf die Würde eines
Thesaurarius bekleidet habe.
Nah dem Tode des Erzbiihofs Konrad (v. Sternberg)
am 15. Januar 1277) fand eine zmweilpältige Wahl jtatt;
die eine Partei wählte den Markgrafen Erih, Sohn des
Markgrafen Johann von Brandenburg, die andere den Dom:
berrn Bujjo von Querfurt. Daraus entitanden Zwiftigfeiten,
die aber vorläufig friedlich beigelegt wurden, indem man feſt—
jegte, daß Graf Günther von Schwalenberg gewählt werden
jollte.I) Die Wahl muß bald nad) Konrads Tode vorgenommen
jein, weil Günther al3 Electus ſchon am 24. Januar (IX.
Kal. Febr.) 127710) urfundet und unter anderm feitjegt,
daß die Memorie ſeines Vorgängers am Tage vor Marcelli
1) Wilmans, Weſtf. U.B. IV Nr. 274.
) Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis Il. Nr. 1764. S. 760
u. 761.
3) desgl. III. Nr. 73. ©. 30.
) desgl. III. Nachtrag Nr. 557. ©. 664.
°) desgl. III. Nr. 136. ©. 54 u. 55; Nr. 163, ©. 64.
6) desgl. II. Nr. 217 ©. 85.
) desgl. II. Nachtrag Nr. 562 ©. 666 und Nr. 573 ©. 669,
®) desgl. III. Nr. 248. ©. 97.
) desgl. III. Nr. 261—263. ©. 102— 100,
20) pesgl, III. Nr. 250. ©.,98,
Papae (15. Januar) gefeiert werben folle. Das an der Ur:
kunde hängende parabolifche Siegel ftellt ihn in langer Dal-
matica barhäuptig dar, das Evangelienbuch mit beiden Händen
vor ich gegen die Bruft haltend. Won der Umſchrift it nur
noch zu lejen: „. . untheri Dei Gra....ecclie Ele...“
Als Günther in Folge der Machinationen der Brandenburger
PBartei, der er in der glüdlichiten Weiſe in dem Treffen bei
Frohſe an der Elbe am 10. Yan. (am Tage S. Pauli, des
eriten Einfiedlerg, an einem Montage) 1278 mit den Waffen
in der Hand entgegengetreten war, feine Ausjiht auf die
päpftliche Bejtätigung hatte, gab er ſchließlich im Jahre 1279
feine Würde auf.)).
Dem Markgrafen Erich gelang es endlich, im Jahre 1283
bei Papit Martin IV. die Beitätigung als Erzbiſchof von
Magdeburg zu erlangen, nahdem Bernhard, Graf von Wölpe,
Dom:Cellerarius in Magdeburg, welcher von 1279 bis 1282
al3 Electus erſcheint, ebenfalls Verzicht geleijtet hatte.)
Nach feiner Abdankung hielt jih Günther mehrere Jahre
in feiner Heimat auf; jedenfall blieb er Domberr von
Magdeburg. Es ift als jiher anzunehmen, daß ihm auch der
Vicedominat, die Würde eines Vitztums des erzbilchöflichen
Hofes, die er vor feiner Wahl als Erzbiichof verjah, wieder
zufiel. Später ſcheint er fi mit dem Erzbiichofe Erich aus:
gejöhnt zu haben und nah Magdeburg zurüdgelehrt zu fein.
Nachftehende Urfundenauszüge befunden feinen Aufenthalt in
MWeftfalen.
Im Sahre 1285 genehmigt Propſt Günther von Magde—
burg (Prepositus Guntherus de Magdeburg) nebjt Boltwin,
Biſchof von Minden, die Ceſſion der Güter und des Pfarr:
1) desgl. IM. Nr. 267—269. ©. 106 u. 107.
2) desgl. III. Nachtrag Nr. 573. ©. 669; zweit. Nachtrag Nr. 202
(Nr. 806). ©. 736.
Pernhard, Graf von Wölpe, trat nach feiner Abdankung als Erz.
bijchof wieder in's Kapitel zurüd als Cellerarius, als welcher er im
Mai 1287 und im Juni 1291 erfcheint, worauf er in demielben
Jahre zum Domdechanten ſtieg. Dieſe Würde, die er noch 1294 beſaß,
vertaufchte er im folgenden Jahre mit der höchiten, des Dompropftes
des Erzſtiftes Magdeburg, als welchen ihn die Urkunden der Jahre
1295 bis 1310 nennen. Der II. Teil der Reg. Archiep. Magd.
liefert die näheren Nachweiie,
153
lehn's zu Geftorf (Prov. Hannover, Amt Calenberg) an Otto,
Grafen von Everftein feitens ihrer Brüder Adolf und Albert,
Grafen von Schwalenberg.!) Bropft Günther, Domherr zu
Magdeburg (Prepositus Guntherus, Canonicus de Magde-
burg) ift al3 confentierend mit feinen Brüdern Adolf, Albert
und Bollwin, Biihof von Minden, jämtlih Grafen von
Schmwalenberg, aufgeführt in der Urkunde Dtto’3, Grafen von
Everftein, über den Erwerb von Gütern zu Gejtorf feitens
de3 Giftercienjer-Klofter3 Loccum, Mindener Diöcefe. Datum
in castro nostro Polle a. d. 1285 in fer. II. post Do-
minic. Reminiscere (19. Febr).?) Als Propſt von Magdeburg
(prepositus in Magdeburch) fommt Günther als Zeuge in
einer Marienmünfter'ihen Urkunde (vergl. unten Nr. 66.)
aus dem Jahre 1287 vor. Es iſt als fiher anzunehmen,
daß diefe Propitei fi auf das Stift Enger, welches zum
Erzitift Magdeburg gehörte, bezog; denn anders dürften fich
die Worte „„prepositus in Meydeburg“ nicht deuten lafjen.
Im folgenden Jahre 1288 wird Günther, Canonicus et
Thesaurarius zu Magdeburg, ebenfalls als Zeuge in einer
Marienmünster’ichen Urkunde (vergl. unt. Nr. 68.) genannt,
durch welche Adolf von Schwalenberg, fein Bruder, dem
Klojter Güter zu Gundenjem jchenft.
Auch im Fahre 1290 (vergl. Marienmünft. Urk. Nr. 71).
ericheint Günther wieder in jeiner Heimat anweſend, nicht
al3 Thesaurarius, fondern als Bistum des erzbiichöflichen
Hofes zu Magdeburg (Vicedominus episcopalis curie
Magdeburgensis).
Die erite fihere Kunde von Günther's Ausfühnung mit
dem Erzbiihof Erich und feiner Rüdfehr nah) Magdeburg
datiert aus dem Jahre 1291, wo in einer von Erich aus:
geitellten Urkunde Guntherus de Schwalenberg, Thesau-
rarius, unter den Zeugen genannt wird. Dat. et act. Mag-
deburg a. d. 1291 prid. nonas Junii.?) Wit dem biefelbe
Würde bezeihnenden zweiten Titel „Custos“ ijt Günther
zu Magdeburg am 29. April 1293 benannt.*)
2) von Hodenberg, Galenb. Urkb. Abt. II. (RI. Loccum) Nr. 444.
2) daſelbſt Nr. 445.
s) Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis III. Nr. 710. ©. 269,
) desgl. III. Nr. 784. ©. 296 und 297.
154
Von da bis 1305 wird Günther in Magdeburg nicht
angetroffen, dagegen erwähnen ihn mande Urkunden in der
Heimat in Verbindung mit jeinen Brüdern.
Sm Dezember 1295 überträgt er zu Schwalenberg als
sancte Magdeburgensis ecclesie Thesaurarius und pre-
positus Angariensis in Verbindung mit jeinen Brüdern
Adolf und Albert, Grafen yon Schwalenberg und deren Kin—
dern Volcquin, Widelind, Heinrih, Günther, Konrad und
Albert, Güter zu Derbornen (wüft bei Bofjeborn), an das
Klojter Brenkhauſen.!)
Propſt Günther, Domherr zu Magdeburg, conjentiert 1298
mit feinen Brüdern Adolf und Albert, Grafen von Schwalen-
berg, jeinen Schweitern und den Kindern der beiden Erjteren
in die Schenkung von Gütern zu Snesle oder Schneſſel,
(wüjt zwiichen Ohſen und Grohnde am linken Weferufer) an
das Klofter zu Amelungsborn jeitens Arnold's von Embere.
Dat. in castro Schwalenberge a. d. 1298 in die beati
Andree apostoli.?)
Aus dem Jahre 1305 find noch zwei Urkunden vorhan-
den, worin Günther's Erwähnung geſchieht. Günther, Dom-
herr zu Magdeburg, conjentiert am 26. Ian. mit jeinem
Bruder Albert und deſſen Söhnen in die Übertragung des
Zehnten zu Hollenjtedt ſeitens Bodo's, Edeln Herrn von Hom—
burg, an das Kloiter Amelungsborn. Dat. 1305 postridie
Convers. sti Pauli.°)
Am 13. März (in crast. beati Gregorii Pap.) des:
jelben Jahres conjentiert er ebenfall3 in die für das Klojter
Amelungsborn dem Erzbiihofe (von Mainz?) von feinem
Bruder Albert geichehene Auflaſſung des Zehnten zu Hollen-
jtedt und Stodheim und jiegelt mit.*)
Die Nachrichten aus dem folgenden Jahre befunden die
Anweſenheit Günthers zu Magdeburg. In einer Urkunde vom
8. Januar (VI Id. Jan.) 1306 findet jich unter den Magde-
1) Migand, der Corveyſche Güterbefit ©. 219; Afjeburg. U.B. I, 308,
Nr. 485.
2) Ausführl. NRegeft in Grupen, Orig. Pyrmont. et Schwalenb, ©,
110 u. 111.
®) dajelbit. S. 109 u. 110,
) daſelbſt S. 108 u. 109,
155
burger Domberrn Guntherus de Schwalenberg als Custos
genannt. In einer zu Magdeburg am Tage der hl. Agnes
(21. an.) 13071) ausgefertigten Urkunde gejtattet Guntherus
de Schwalenberg, Thesaurarius Magdeburgensis ecclesie
et plebanus ecclesie in Borch (Burg) dem hl. Geift:Hofpital
in Burg, fi einen eignen Geiftlihden zu halten. Das Dom-
tapitel von Magdeburg bejaß damals das Patronat über
die Hauptpfarrlirche in Burg, deffen Inhaber gewöhnlich ein
Domherr war.
Gegen Ende feines Lebens wurde Günther, zum Bilchof
feiner heimatlichen Didcefe Paderborn gewählt. ?)
Die Wahl wird Ende Dftober oder anfangs November
1307 jtattgefunden haben, da jein Vorgänger Bilchof Dtto
von Rietberg, der noch am 3. Auguft urfundet, am 21. oder
23. Dftober jelbigen Jahres verstarb. Nach obiger Urkunde
vom 21. Januar 1307 iſt e8 wahricheinlid, daß Günther
jeine Berufung nach Paderborn erhielt, als er noch in Mag:
deburg als Thesaurarius fungierte.
Allerdings hatte er bei jeiner Paderborner Wahl in
Dietrih von Itter einen mächtigen Gegner, dem es auch
gelang, jein Nachfolger zu werden. Als Electus et Confir-
matus Paderbornensis bejiegelt Günther am 2. Mai
(postridie Philippi et Jacobi ap.) 1309 eine Urkunde feines
Neffen, des Grafen Albert des Jüngern von Schwalenberg,
zugunjten des Kloſters Amelungsborn.?) Weiter bejtätigt
er am 1. Juli (Kal. Julii) deſſelb. 3. die Rechte der Stadt
Marburg und fommt am 1. Auguft des folgenden Jahres
1310 zulegt urkundlich vor.
Aus dem Ilmftande, daß man jchon 1309 den Dompropit
von Paderborn und Minden, Bernhard, Edlen Herrn zur
Lippe, mit Günther's Zuſtimmung zum „vBeſchützer des Hoc):
ſtifts“ wählte, geht hervor, dat es Günther fchwer gemacht
wurde, ji in feiner Würde zu Behaupten, oder daß das
Alter ihm Hinderniſſe bei der Verwaltung jeine® Amtes in
den Weg legte. Urkundet nun fein Nachfolger Dietrich ſchon
— — —
1) Staatsarchiv zu Magdeburg.
2) Für das Folgende vergl. Schaten, Ann. Paderborn. II. ad annos,
3) Grupen, Or. Pyrm. et Schw. ©. 115 und 116.
156
am 3. Dezember (in vigilia beat. Barbare virg.) 1310, jo
wird anzunehmen fein, daß er furz vorher aus den oben
angedeuteten Urſachen freiwillig feine Würde refigniert habe.
Schwerli wird er die bifhöflihe Weihe empfangen haben.
Über fein ferneres Leben und Todesjahr ift urkundlich
nicht3 weiter befannt. Das Necrologium de3 Slofters
- Marienmünfter giebt den 23. Mai als feinen Todestag an:
„VIII Kalend. Junii obiit Guntherus episcopus Pader-
bornensis. Hic dedit decimam in Eyntorp (Entrup) nobis,
hujus anniversarii mencio apud nos non recedet.“
Schaten bejchließt die Darftellung über Günther mit
folgenden bezeichnenden Worten:
„Tam obscura sunt omnia in tam illustri praesule,
qui magnus rerum humanarum contemptor primo archi-
episcopatum Magdenburgensem, deinde Paderbornensem
molesto aemulo ultro cessit, maluitque ex privata vita
quam ex episcopali dignitate atque onere multo securius
in mortem ire.“
Nr. 28.
1251. Auguft 1.
Gottjhalf der Jüngere (II.), — dietus juvenis —
Graf von Berrimont, bekundet, daß jeine Eltern mit jeiner
und feines Bruders Hermanns Zuftimmung dem Klofter der
hl. Jungfrau Maria bei Schwalenberg zum Heile ihrer Seele
und ad ampliandam praebendam fratris nostri Widekindi,
qui in eodem loco in numerum serviencium Dei fuit
receptus, den Zehnten zu Eilbrachteſſen geſchenkt haben.
Da er nach feines Bruders Widekinds Tode dieſes
Zehnten wegen dem Klofter Schwierigkeiten gemacht, jedod)
Hermann, Abt jener Kirche, durch des Biſchofs von Bader:
born Siegel und anderer Männer Zeugnis, jowie durch fein
eigenes Siegel von feinem’ Unrecht ihn überzeugt habe, ber
jtätigt er jene Schenfung mit Zuftimmung jeiner Gemahlin
Beatrir und feines Sohnes Gottſchalk in Gegenwart Abts
Hermann von Corvey, nostri amici specialis.
Zeugen: Hermann, Abt zu Corvey, Albert, Prior, Striger,
Propſt dafelbft, Widelind, Graf von Schwalenberg; Widelind
von Grevincge, Dietrih von Ebelinchufen, Ludolf von
Elwordeffen (Eilwordeſſen), Haltbate, Hermann von Grisme,
157
Ritter; Hermann, Richter von Luthe (Lügde), Siegfried
Tudemuſche, Bernhard Jules. .
Dat. in Corbeia a. D. 1251 in festo ad vincula
St. Petri.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 16.
desgl. zu Detmold fol. Ib.
Gedr.: nah Marienmünfterfhem Kopialb. in Mitteil.
des hiftor. Ber. zu Osnabrüd V, ©. 114. Finke, Weftf.
U.B. IV Nr. 449. Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 267.
Grisme — Griegen, N. W. von Pyrmont in der Nähe
von Ärzen.
Nr. 29.
1252.
Hermann, Abt von Corvey, bekennt, daß Graf Gott:
ſchalk von Pirmunt feinen Sohn Widelind auf dem Altare
der Hl. Jungfrau Maria in der Kirche, welche monasterium
prope Sualenberg heißt, dargebradht und mit dem Mönchs—
gewande befleidet habe, und daß derjelbe aus Liebe zu feinem
Sohne und um feines Seelenheiles willen, unter Zuftimmung
feiner Söhne Hermann und Gottſchalk, nostro socero, den
Zehnten in Eilbrachteſſen dem Klofter gejchentt habe, und
daß nunmehr auch von Seiten nostre cognate, der Gattin
Gottihalf3 und ihres Sohnes Gottſchalk nostri cognati,
die Beitätigung erfolgt jei.
Zeugen: Albert, Prior, Stricher, Bropft, Thetmar, Propft
de Novali, Otto, Bropft von Kemnade, Heinrih decanus
nove ecclesie, Hermann scholasticus nove ecclesie, Bertold,
Pleban zu Hörter; die Ritter Albert, Herbold und Lippold,
Brüder von Amelungeijen, Günther von Hedewigejen, Arnold
de Porta, Albert von Marepe, Everhard von Brochufen.
Act. a. gr. 1252.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 17.
desgl. zu Detmold fol. 10.
Gedr.: nah Marienmünfterfhem Kopialb. Mitteil. des
bijtor. Ver. zu Dsnabrüd V S. 118; vergl. Lipp. Reg. I
Nr. 277. Vergl. Finke, Weit. U.:8. IV Nr. 509.
Abt Hermann von Corvey (1223—1254) war aus dem
Hauje der Osnabrüder Edelherrn von Holte, und die Gattin
158
Gottihalfs II. von Pyrmont, Beatrir, wahrſcheinlich eine
Tochter von Hermanns Bruder, nämlich des Edlen Adolf
von Holte. S. Wippermann in den obigen Mitteilungen V,
©. 185. fi.
Die Propftei Node (novale), gewöhnlich „tom Rode“
genannt, lag am Fuße des Neufcheberges, zwiſchen Hörter
und der Tonenburg, die Bropftei Nyenkerfen (nova ecclesia)
Dagegen zwiſchen Hörter und Corvey an der Wejer. Die
Kanoniker von Nyenkerken zogen im 13. Jahrh. nad) Hörter
und gründeten bier das Betriftift.
Das Nittergefchleht von Amelungefien hat jeinen Namen
vom Dorfe Amelungeſſen, jetzt Amelunxen; die Güter daſelbſt
und in Wehrden bildeten jeinen uriprünglichen Beſitz. —
Das Geichlecht von Hedewigeſſen war begütert in Brenfhaufen,
deſſen Beſitz 1301 durch Tauſch dem dortigen Kloſter zufiel,
wogegen die von Hedewigeſſen die villa St. Egidii, im
Brückfelde, vor Hörter gelegen, erhielten.
Arnold de Porta gehörte einem Geſchlechte an, welches
jeit dem Ende des 12. Jahrh. das Pförtneramt (Portarius)
des Stift Corvey erblih beſaß. Von den Beligungen des
Pförtners erhielt die Billa Porterhus, (wüft) im Klausfelde
bei Hörter, den Namen.
Brochufen ift Bruchhauſen bei Ditbergen. Nach dem
Aussterben derer von Brochujen gegen Ende des 15. Jahrh.
ging das Nittergut durch die Verträge von 1524, 1533 und
1537 auf oft von Kanne über, deſſen Nachkommen bis in
neueſte Zeit in Bejit geblieben; vergl. Wigand, der Corveyſche
Güterbeſitz.
Nr. 30.
1252.
Heinrich, Graf von Sternberge, und (deſſen Bruder,
ſiehe Nr. 39) Wydekind, Graf von Sualenberge, erſterer mit
Einwilligung feiner Gemahlin und Erben, lepterer unter
Buftimmung feiner Mutter und Erben, schenken auf Bitte
des Abts Hermann) und Convents Ecclesie de monte ste
Marie dem dortigen Klofter die Vogtei über 10 Hufen zu
Goldenvelde, 2 Hufen in Ewippe, 4 Hufen in Meringe und
2 Hufen in Marslo.
Dat. a. D. 1252 Indict. XI.
159
Gedr.: nach Loccumer Kopialb. in v. Hodenberg, Calen—
berger U.B. III Xbteil.Loccum)Nr. 161 und Grupen, Origines
Pyrmont. et Swalenb. ©. 133; vergl. Lipp. Weg. I
Nr. 276. Bergl. Finke, Weitf. U.B. IV Nr. 487. 488.
Die Ablöfe der Vogteirechte geihah, um die Ländereien
dem Moritklofter zu Minden verkaufen zu können.
Bergl. Nr. 31. 32. 38 und 39.
Nr. 31.
1252,
Abt Hermann und der Convent zu (Marien-)Münfter
prope Swalenberge verfaufen dem Abte Gerlag und dem
Gonvente von St. Morik in insula (Werder) zu Minden
10 Hufen in Galdenvelde, 2 Hufen zu Emwippe, 4 Hufen zu
Meringe, 2 Hufen zu Marslo und 2 Hufen zu Merethorpe,
frei von aller Belaftung oder Vogtei für 50 Markt. Abt
Hermann, Hleinrih) Kellner und der Klofterbruder Prieiter
Dietrich) als Vertreter de3 Convents zu Marienmünfter über:
geben dem Abte Gerlag, Prior Gerold und den Klofterbrüdern,
PBrieftern Günther und Johannes des St. Morigkloiters dieſe
Güter zu Wunftorf (Wunestorpe) in Gegenwart des Grafen
Ludolf von Nothen (NRoden).
Dat. in Swalenberge a. d. 1252.
Gedr.: nah einem Loccumer Kopialb. im Calenberger
0.8. III (Abteil. Loccum) Nr. 163. Vgl. Finke, Weftf.
0.8. IV Nr. 487.
Nr. 32.
1252. Juni 10.
Graf Ludolf von Roden thut fund, daß Abt Hermann
zu Marien-)Münfter bei Swalenberg, Kellner Heinrih und
andere des dortigen Convents in jeiner Gegenwart zu Wunſtorpe
ihre Güter, nämlih 10 Hufen zu Galdenvelde, 2 Hufen zu
Ewippe, 4 Hufen zu Meringe, 2 Hufen zu Marslo und 2
Hufen zu Merethorpe dem Abte Gerlag von St. Morig auf
dem Werder bei Minden und feinem Convente frei von aller
Vogtei mit zubehörigen Leuten und allen Einkünften für 50
Mark Silber verlauft haben.
(Zeugen fehlen im Kopialb.)
Act. 1252. IV Idus Junii.
160
Gedr.: nah dem Loccumer Kopialb. im Calenberger
U.B. III (Abteil. Loccum), Nr. 164 und Grupen, Orig.
Pyrm. et Swalenb. ©. 35. Vergl. Finke, Welt. U.B. IV
Ar. 488.
Diefe Güter gingen fpäter dur Verkauf in den Beſitz
des Kloſters Loccum über.
1268. März 12. Abt Gerlag, Prior Juſtacius und der
Convent des Kloſters St. Morig in insula zu Minden ver:
faufen um 40 Mark dem Abte Dietrih und dem Convente
S. Marie V. in Lucca Cystere. ord. Myndensis dioeces.
4 mansos in Coldenevelde. Hoc adjecto quod VI mansos,
quos ad huc in predicta villa habemus, nulli vendamus,
si forte vendere nos contingat nisi Ecclesie supradicte.
Datum in insula (Werder vor Minden) 1268 in die beati
Gregorii (dajelbft Nr. 289).
1269. April 30. Abt Gerlag und da3 Kapitel von St.
Morig in insula prope Minden verlaufen dem Abt Diederich
und Gonvente zu Loccum für 60 Mark VI mansos in Colden-
velde, quos monasterio prope Sualenberg comparavimus.
Act. a. d. 1269 prid. Kal. Maii (dafelbit Nr. 303).
Ar. 33.
1259. Januar 21.
Gottichalf, Graf von Perremont, verlauft mit Conjens
jeiner Gemahlin und Söhne Gottſchalk, Hermann und Hilde:
bold dem Münjter der hl. Maria bei Swalenberg das Eigen:
tum zweier Häufer in Elbrachteſſen und vier dazu gehörenden
Hufen zugleich mit der Vogtei.
Zeugen: Wilhelm, Pleban in Lugethe, Johannes, Bropit
in Baldenhagen; aus dem Nitteritande: Heinrich von Abben-
hujen, Ernft von Barchove, Johannes und Ernit, deilen
Söhne, welche ihren Anteil an der Kaufſumme erhalten haben,
Bernhard von Dtterfien, Arnold von Otterſſen, Bertold von
Elmerinchufien, Johannes von Valebroke, Arnold von Al:
meneworde, Edehard von Barchove, Arnold Krane, Bertram
von Brumen, Johannes von Jerckeſſen, Johannes von Huden-
hofien, Johannes von Dale, Jordanus von Dldendorpe.
Act. 1259 in die bte Agnetis V. et M.
161
Kopialb. zu Grevenburg, Nr. 18, wo in der Zeugenreihe
„Bertold von Amerynghoſen“ fteht, wofür das Detmolder Buch
fol. 40 mit Rüdjicht auf jpätere Urkunden richtiger: „Bertold
von Elmerinchujjen” hat. Vergl. Lipp. Neg. I Nr. 302.
Valebroke ift das hannov. Kirchdorf Vahlbruch, in der
Nähe vom Klofter Fallenhagen.
Nr. 34.
1259. April 15.
Hermann, Graf von Pirremont, verkauft zwei Häufer
in Elbrachteſſen an Abt Heinrich zu Münfter und die dortige
Kirche.
Zeugen: Heinrich Rufus, Heinrich von Humvelbde, Hermann
von Betem, Amelung Kanne, castellani nostri; Bernhard
von Otterjfen, Bertold von Helmerinkhojen, Johannes von
Valebrofe, Arnold von Almeneworde, Ernft von Barchove,
Arnold Krane, Bertram von Brumen, Sohannes von Jerckeſſen.
Dat. in Pyrremunt in crastino Tiburcii et Valeriani
1259.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 19.
desgl. zu Detmold fol. 10, wo die Zeugen Meinricus
de Humvelde und Bernhardus de Terssen (Gerfjen) heißen
ftatt Heinrich von H. und Bernd. von Dtterfjen. Vergl. Lipp.
Reg. I Nr. 304.
Das alte Gejchleht der von Kannen hatte jeinen älteſten
Sitz in und bei Lügde und verzmweigte fih von da nad
Breitenhaupt (Rittergut bei Steinheim). Mit Beginn des
16. Jahrh. wurde auch durd die Heirat der Erbtochter
Katharina von Bruchhauſen mit oft Kanne das Rittergut
Bruchhaufen erworben. Der legte Corveyer Lehnbrief aus
den 90er Jahren des 15. Jahrh. für die von Bruchhaufen
nimmt jchon die eventuelle Belehnung der Kannen in Aus:
fiht, welche dann auch 1537 erfolgte.
Kr. 35.
1259. April 15.
Gottihalt und Hermann, Brüder, Grafen in Berremont,
verkaufen uno ore collectaque manu mit Confens ihrer
Gemahlinnen dem venerabili domino Heinrich Abt in Mo-
nasterio apud Sualenberg und den übrigen Herren diejer
XLVI. 2. 11
162
Kirche das Eigentum von vier Häufern zu Elbrachteſſen mit
der Bogtei.
Zeugen: Wilhelm Pleban in Lugethe; Heinrid Rufus,
Heinrich von Humvelde, Hermann von Betem, Amelung Kanne,
Burgmänner (castellani) in Pyrremont; Heinrich von Abben-
bojen, Ernft von Barchove, Johannes von Balebrode, Arnold
von Almeneworde, Edehard von Barchove, Arnold Krane,
Bertram von Brumwen, Johannes von Geridejjen, Johannes
von Bodenhofen, Johannes von Aldenthorpe.
Act. 1259 in crastino Tibureii et Valeriani in
Lugethe (Lügde).
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 20.
desgl. zu Detmold fol. 10, wo unter den Zeugen
„Meinricus de Humvelde“ ftatt „Heinricus de H“ jtebt.
Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 303.
In der Zeugenreihe dürfte mit Rückſicht auf Nr. 33.
für Joh. von Geridefjen und Joh. von Bodenhofen vielleicht
— Joh. von Jerckeſſen und Joh. von Huckenhoſen zu ſetzen
ein.
Nr. 36.
1260. Februar 13.
Dompropft Heinrich zu Paderborn (Graf von Schwalen:
berg:Walded) fauft für das Klojter Marienmünfter (ecclesie
monasterii ste. Marie prope Swalenberg) ein integrum
Soltwere vom Richter Konrad zu Soltkotten (Salzkotten).
Dat. 1260 Id. Febr.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 22.
desgl. zu Detmold fol. 28.
Bergl. Nr. 37 und 40.
Nr. 37.
1260. $ebruar 13.
Biſchof Simon (1. €. 9. zur Lippe) von Paderborn
überträgt auf Bitten des ihm verwandten (consanguinei)
Dompropſts Heinrih an Abt und Convent zu Münfter bei
Sualenberg das Eigentum eines Soltwerc zu Soltfotten,
welches diejer für das Klofter vom Richter Konrad gekauft
hatte.
Dat. 1260 Id. Febr.
163
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 21
deögl. zu Detmold fol. 28 und 40.
Nr. 38.
(1260.)
MWidefind, Graf von Schwalenberg, verzichtet auf Bitten
der domini de monasterio ste. Marie auf die Bogtei an
nachſtehenden Kloftergütern, nämlid in Coldenvelde X
mansus, in Ewippe II mansus, in Meringen IV mansus,
in Marslo II mansus, mit Conſens jeiner Mutter, jo daß
das Kloſter frei darüber verfügen Tann.
Zeugen aus dem Klerus: Hermann provisor coenobii
montis ste. Marie (Falkenhagen), Wilhelm Bleban in
Sumerjelle, Everhard de castro; aus dem Laienitande: Flo:
rinus von Vreſenhuſen, Dietrih von Eblinghuſen, Widekind
de Gerjunge, Werner von Almeningeworthe, Johannes von
Wiginghujen, Werner Dicberner Consules Civitatis.
Kopialbuh von Grevenburg Nr. 25, wo die Jahres:
zahl fehlt;
In v. Spilder’3 Collectaneen Tom. XII ift „1260
binzugefügt.
Das Datun fehlt in den Kopialbüchern und ift „1260
nah der folgenden Nr. angenommen; darum läßt ſich auch
nicht fejtjtelen, welcher Stadt die Natleute (consules) an:
gehören.
Die v. Frejenhufen, welche um 1232 nah den Xipp.
Reg. I Nr. 199 mit Florin v. Frei. zuerſt vorkommen, waren
ein altes Lippiiches Gefchleht und führten ihren Namen von
einem jetzt ausgegangenen Drte in der Feldmark der Stadt
Steinheim. Die Bezeichnung „Freiſenteich“ mag noch daran
erinnern.
Nr. 39.
1260. Februar 25.
Die Brüder Heinrihd, Graf von Sternberg, und
Widekind, Graf von Swalenberg, bejtätigen den Berfauf der
Güter zu Eoldenvelde und Meringhen jeitens des Kloſters
Marienmünfter (ecclesia ste. Marie in monasterio iuxta
11°
164
Sualenberg) an da3 (St. Morit:)Klofter auf dem Werder
vor Minden und verzichten auf alle Vogteirechte daran.
Zeugen: Konrad) von Biga (Bega), Johannes von Do-
nepe, Lüder von Werne, Johannes von Rottorp, Dietrich
von Edeſſum, Burgmänner zu Sternberg, B(urchard) von
Holthuien, B... von Eben (?), B... von Volteſſen
und Werner Dicberner, Burgmänner von Schwalenberg.
Dat. a. D. 1260 V kal. Mart.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 24.
Gedr. Zeitihrijt, Bd. 9, ©. 71.
Lipp. Neg. I Nr. 306.
Nr. 40.
1260, April 9.
Nlabodo), Domdehant, und das Kapitel zu Baderborn
find damit einverftanden, daß dem Kloſter Marienmüniter
(confratribus suis abbati ac conventui Monasterii bte.
Marie Virg. apud Swalenberg) das Eigentum unius integri
Soltwere in der Stadt Soltkothen, welches der Dompropft
vom Nichter Konrad gekauft hatte, feitens des Biſchofs über:
tragen ſei.
Dat. 1260. V. Idus April.
»Kopialb. zu Grevenburg Wr. 25.
desgl. zu Detmold fol. 28.
Nr. 41.
1260. Juli 23.
Abt Heinrich und der Convent zu Münfter iuxta Sualen-
berg bezeugen, daß Abt und Convent von Hersvithehufen
(Hardehaufen) ihnen von Adern zu Erclen jährlich 6 Scheffel
Erbjen (sex mensuras pise, que vulgo dieuntur schipel)
liefern müjje.
Dat. a. d. 1260 in die Liborii.
Siegel abgefallen.
Original im Staatsarchiv zu Münjter, Kl. Hardehauien.
Bergl. Zeitſchrift B. 25, ©. 300.
Erelen iſt Pfarrdorf Erfeln bei Bratel.
165
Nr. 42.
1260. Auguft 15.
MWidelind, Graf von Schwalenberg, übergiebt mit Zu:
ſtimmung jeiner Mutter, Gemahlin und Brüder dem Abt
Heinrih und Convent zu Münfter bei Schwalenberg feine
Güter in Volkoldeſſen gegen das Recht, auf allen Klofter:
gründen Gold und Silber aus der Erde zu fürdern.
Zeugen: Bertold von Helmerinchujen, Konrad von
Volteſſen, Borchard von Holthufen, Werner Dicbernere,
Heinrih von Helmerinchujen, Ritter;
Arnold von Dudenhufen, Hermann von Donepe, Helmbert,
Werner von Worden, Knappen.
Dat. et act. 1260 in die assumpt. b. Marie virg.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 26
dedgl. zu Detmold fol. 6.
Gedr. Wigand’3 Ardhiv I. H. 4. ©. 97.
Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 472.
Dudenhuſen it ohne Zweifel gleichbedeutend mit Dohn:
haufen oder Dohnſen, Gut zwiſchen Driburg und Herite.
Von diefem Hofe trug das Nittergejchleht von Dudenhujen
jeinen Namen. Die Familie Dudenhaufen, weldhe im bürger:
lihen Stande noch fortlebt, hatte fpäter in Nieheim ihren
Hauptjig und in der Stadt, jowie in der Nähe, Befigungen.
— Zwiſchen Dohnhaufen und Pömbſen, !/ Stunde jüdlich
von legterem Drte, lag Erdermifjen oder Ermiſſen, wo die
zamilie Dudenhaufen in Nieheim und Pömbſen bis in die
neuefte Zeit ein Gehölz und der befaß. Über diefe Güter
haben jich bei der Familie Dudenhaufen zu Nieheim noch
zwei Xehubriefe erhalten:
Biihof Simon zu PBaderborn belehnt ‚„‚Enghelhard von
Dudenhujen . .. . myd Erdermilien . . . ., jo de Voswinckle
dar vortydes tho leyne gehat und gedregen heben, und....
dodeshalven vorleddigeth iS.’ Gegeven tom Nienhus 1484
am Sonnavende vor Mathei apli (25. Sept.).
Der folgende Lehnbrief ift vom Erzbiichof Hermann von
Köln und Adminiftrator von Paderborn für Engelhard von
Dudenhujen im Jahre 1500 zu Paderborn in Gegenwart
der Räte Johann von Hörde und Hermann Schilder, Erb:
fümmerer, ausgeftellt,
166
Nr. 43.
1260. Auguſt 15.
Midekind, Graf in Sualenbergbe, ſchenkt mit Zuftimmung
jeiner Mutter, Brüder und Gemahlin den Brüdern im Klofter
der hl. Maria aus Freundichaft gegen den Abt Heinrich jeine
Güter in Volcoldeſſen.
Zeugen: die Ritter Bertold von Elmerinchufen, Konrad
von Volteffen, Burhard von Holthufen, Werner Dicberner,
Hermann von Elmerinchufen; die Burgmänner (castellani):
Arnold von Dudenhujen, Hermann von Donepe, Helmbert
dapifer (Drofte, Truchſes), Werner von Almeneworthe (Als
meningemwortbe).
Dat. et act. 1260 in die Assumptionis bte Marie
Virg.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 27.
desgl. zu Detmold fol. 28, und 29.
Nr. 44.
1260. September 29.
Midefind, Graf von Schwalenberg, übergiebt dem Kloiter
zu Gerdene auf Bitten des Propſtes Adolf, der Priorin Alheid
von Schonenberg feiner Verwandten (consanguinee nostre)
und des Conventes Güter in Syddeſſen und Edhujen, welche
Ernjt gen. der Freie (liber) früher von ihm zu Lehn be-
jefjen.
Zeugen: Heinrich Abt Monasterii (von Marienmüniter);
Burgmänner (castellani) von Schwalenberg: Bertold und
Heinrich von Elmeringhuien, Konrad von Bolfteflen, Burchard
und Helembert Brüder von Holthofen, Johannes und fein
Sohn Wasmod von Alvenfien, Werner Difberner, Hermann
von Donepe, Arnold von Dudenhufen.
Act. 1260 in festo beati Michaelis archangeli.
Kopialb. des Kloſters Gehrden fol. 272 D. 7. Siddeffen,
Pf. Gehrden, im Kr. Warburg. Volfteffen iſt Kirchdorf Völfen
im Kr. Warburg. — Das Minifterialen-Gefchleht von Alvenien
oder Alfwineffen führte feinen Namen von einem audgegan:
genen Orte in der Feldmark von Steinheim, der zwiſchen
der Stadt und dem Steinheimer Holze am jog. Berge lag,
167
Nr. 45.
1261. April. 14.
Ritter Bertold von Brafle bekundet, daß er mit feinen
Erben, nämlich) Bertold von Dasle und Burchard von der
Afteburg, auf den ihm gehörenden Teil der Güter in Gun:
denshem, welche die Brüder Albert und Sigehard von Ma-
rephe dem Klofter der Hl. Jungfrau Maria zu Münfter ver:
fauft haben, Verzicht geleiitet.
Zeugen: Heinrih Pleban in Brafle, Johannes von
Hindeneburg (Hinnenburg bei Brakel), Johannes von Olden—
berge, Prieſter; beide Friedrich von Iſtendorp, Friedrich)
von Dldenberge, Merander von Blechtene, Ritter; Lubdolf
von Eorvey.
Dat. SHindeneborg 1261 V fer. ante ramos Palmarum.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 29.
desgl. zu Detmold fol. 7 und 8.
Gedr.: Ajjeburg. U.B. I Nr. 305.
Lückenhaft in v. Spilder, Urkundenb. zur Gefchichte der
Grafen von Everftein Nr. 126.
Unter „Oldenberge“ iſt hier jedenfalls die Palburg oder
Oldenburg, welche 10 Minuten nördlih von Brakel unweit
der St. Annentapelle lag, zu verjtehen. Die benachbarten
Wieſen an der Brut heißen noch heute Dldenburg. Iſten—
dorp ift gleichbedeutend mit dem Kirchdorfe Iſtrup zwiſchen
Brafel und Driburg; PVlechtene oder Vlechten (wüſt) eine
Stunde weſtlich von Brakel in dortiger Feldmarf.
Vergl. Nr. 46, 47, 48, 49 und 50.
Nr. 46.
1261. April 14.
Ritter Wernher von Brafele nebit feiner Frau Mechtild,
jeinem Sohne Bernhard und feiner Tochter Reilindt ver:
zihtet auf den ihm gehörenden Teil an den Gütern zu
Gundenshem, welche Albert und Sigehard, Brüder von
Marephe, dem Kloiter der Hl. Jungfrau Maria in Münſter
verkauft haben.
Zeugen: Johannes von Dldenberge, Hermann von Boppen:
borch, Priefter; Johannes von Nedhere, Ulrih Summercalff,
168
Udo Summercalff, Ritter; Lambert von Lutringen, Heinrich
de antiquo foro, Konrad vor Brakle, Bürger von Hörter.
Dat. Huxarie 1261 V fer. ante ramos palmarum.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 28.
desgl. zu Detmold fol. 8.
Gedr.: Zeitſchrift für Niederfahien. Jahrg. 1853
©. 146.
Auszüglich bei v. Spilder, Grafen von Everftein, Ur:
fundenb. Nr. 127.
Das Rittergeihleht von Nedere ſtammte vielleicht aus
dem Dorfe Großeneder, Kr. Warburg. Die Somercalf, deren
Mappen ein links aufgerichtete3 Kalb daritellt, ericheinen
wiederholt bei Nieheim, Pömbſen und Neuenheerie als be:
gütert. Es liegt die Vermutung nahe, daß jie die älteften
Inhaber des Ritterfiges Pömbjen maren.
Zutringen oder Luchteringen ift das Dorf Lüchtringen
bei Hörter, wovon ein Corveyer Minifterial:Gejchleht den
Namen hat, das aber jpäter in den Bürgerftand der Stadt
Hörter überging.
Nr. AT.
1261.
Ritter Hermann von Brafele verzichtet mit feinen Erben
Bertold, Wernher und Johannes auf feinen Anteil an den
Gütern in Gundenshem, welche Albert und Sigehard, Brüder
von Marpe, dem Klojter der hl. Jungfrau Maria zu Münjter
verkauft haben.
Zeugen: Heinrich Pleban in Brafele, Johannes von
Dldenberg, Prieiter; Engelhard von Stenhem, Burdard
von Herite, Hermann von Dfthem, Ritter.
Dat. Brafele 1261.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 30.
desgl. zu Detmold fol. 9.
Im YAuszuge bei v. Spilder, Grafen von Everftein,
Urkundenb. Nr. 128.
Herfte, Filiale von Iſtrup, zwiſchen dem Pfarrdorfe
und Driburg; Oſthem (wüſt) in der öftlichen Feldmark von
Brake , wo noch die DOftheimer Linde daran erinnert.
169
Nr. 48.
1261.
Bertold, Werner, Hermann Ritter von Brafele entfagen
mit ihren Erben Bertold (von Dasle, Burdhard) von der
Aſſeburgh, Bernhard, Bertold, Weruer, Johannes ihrem
Anteile an den Gütern in Gundenfjen, welche Albert und
Sigehard, Brüder von Marpe, dem Klofter der hl. Jungfrau
Maria zu Miünfter verkauft haben.
Zeugen: Heinrih Pleban in Brafele, Johannes von
Hindeneborg, Johannes von Uldenberghe, Prieſter; beide
Friedrich von Jitendorp, Friedrich) von Dldenberge, Alerander
von Vlechtene, Engelhard von Steinhem, Burchard von Herite,
Hermann von Dfthem, Ritter; Ludolf von Corvey, Heinrich)
von Djthem.
Dat. Brafele 1261.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 31, wo „Gundenshem“ fteht.
deögl. zu Detmold fol. 8.
Gedr.: Affeburger Urkundenb. I Nr. 312.
Die Kopialbücher haben: „Bertoldo de Asseburgh.“
Das ift entweder ein Schreibfehier für: „Burchardo“, oder
es ilt eine Lüde anzunehmen, die, wie oben geſchehen, zu
ergänzen wäre.
Nr. 49.
1261.
Thymo (1254—1275), Abt, Henricus Prior, Strigerus
Propft und Gonvent zu Corvey fchenfen das Eigentum,
welches ihre Kirche an der Billa Gundenjem hat, der Kirche
zu Münfter auf Bitten des dortigen Abts Heinrich und aus
nachbarlicher Freundichaft.
Zeugen: Dietrih Marſchall, Dietrich pincerna (Schenk),
Konrad dapifer (Truchſeß), Albert und Sigehard, Brüder
von Marpe.
Dat. 1261.
Kopialb. zu Grevenburg Nr.34, wo „Gundelſen“ fteht,
deögl. zu Detmold fol. 9.
170
Nr. 50.
1261. Auguft 29.
B(ernhardus III.) de Lippia maior ſchenkt mit Ein-
willigung feiner Gemahlin Sophia und feiner Kinder Her-
mann, Efbert und Dietrich eine curia in Gundensem mit
allem Zubehör dem Abte Heinrich und dem Convente de
monasterio apud Swalenherg.
Zeugen: Effehard von Borghove, Konrad von Billerbife,
Ernft von Odeſtorp, Bertold von Nethe, Arnold und Hermann
von Nikelingdorp, Ludolf von Dalberne dapifer noster und
Gottſchalk capellanus noster; burgenses vero Gerhard
von Orlinkhuſen, Johann von Schwalenberg.
Acta sunt hec in Lemego a. D. 1261 in die sto
decollationis s. Joannis bapt.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 32, wo „Gundelshem“ fleht.
desgl. zu Detmold fol. 8. Bergl. L. R. I. Nr. 308.
Billerbife ift das Lippiiche Dorf Billerbed bei Steinheim.
Ddeftorp — Osdorf bei Pyrmont,
Drlinghufen — Örlinghaufen im Lippifchen.
Nr. 51.
1262. Juni 20.
Hermann, Graf von Byrremunt, befundet mit Gottichalt,
ſeines Bruder Sohn (fratruelis), unter Zujtimmung feiner
Gemahlin (comitisse Hatewigis) Hedwig und jeiner Söhne
Hermann und Konrad, jodann der Frau Beatrir, Witwe
feines Bruders Gottſchalk, und deren übrigen Söhne Hermann
und Hildebold, daß fie das Eigentum der Güter in den
Dörfern Gundenffiem und Heyfenhujen mit Zubehör dem
Abte und Convente des Kloſters bei Sualenberg, quod
„Monstere“ vulgariter appellatur, übergeben haben.
Zeugen: Der Propſt in Baldenhagen (mohl Friedrich,
der 1264 angeführt fteht, oder Johannes, der nad Lipp.
Neg. I. Nr. 307 fi) 1260 findet), Widelind, Graf von Sualen:
berg; Heinrih von Elmerinchufen, Arnold von Michelethe,
Dietrich von Edftern, Wernher Dikberner, Ritter und Burg:
männer zu Sualenberg; Heinrich Rufus, Bertold von Grigme,
Amelung Kanne, Heinrihvon Abbenhufen, Ritter zu Byrremunt,
171
Act. et dat. in Pirremunt a. d. 1262 XII Kal.
Julii Indict. V.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 33.
desgl. zu Detmold fol. 7b.
Gedr.: Mitteil. des hiſtor. Vereins zu Dsnabrüd V.
©. 125 ff.
Wichelethe — Kirchdorf Wöbbel im Lippijchen.
Nr. 52.
1264, September 27.
MWidelind, Graf von Schwalenberg, überträgt zur
Stiftung einer Memorie feine curia in Roldeffen, welche er
mit eignem Gelde erworben, und die nicht zur Grafichaft
Schwalenberg gehört, nebſt 3 Manfen der Kirche der hl. Jung:
frau in Monasterio prope Sualenberg, ita quod caritati
dominorum (Mönde) in anniversario nostro singulis
annis ab inde serviatur, ut ad orandum pro nobis effi-
ciantur promptiores. Widekind und fein Bruder Adolf
fiegeln.
Zeugen: Propſt Friedrih in PValdenhagen, Bertold
Pleban in Sualenberg, Wilhelm in Sumerfile, Prieſter;
Heinrih von Elmerinchufen, Dietrih von Editern, Werner
gen. Dicbernere, Ritter; Engelhard von Abbenhujen, Amelung
von Scidere, Andrea von Brodhujen, Knappen.
Act. 1264 in festo stor. mart. Cosme et Damiani.
Datum Sualenberg per manum Bertoldi notarii.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 35.
deögl. zu Detmold fol. 6b.
Kopialb. G (jegt Msc. I, 131) zu Münfter pag. 46
bat vielleicht richtiger „Rotleveſſen“.
Sumerfile — Kirchdorf Sommerſell bei Marienmüniter.
Vergl. Nr. 58.
Nr. 53.
1265, Januar 20.
Hermann, Graf von Vermont, befennt, daß Nitter
Heinrih von Abbenhofen auf die Güter in Heikenbufen,
welhe er von ihm als Lehn beſaß, mit feinem Bruber
172
Enkelhard Verzicht geleiftet undP daß er (Herman v. ®.)
nunmehr mit Genehmigung feiner Neffen (cognatorum
nostrorum) Gottſchalk und deſſen Bruder Hildebold jene
Güter in Heikenhoſen ſamt Vogtei und Zehnten der Kirche
b. Marie V. in Monasterio apud Sualenberg für 6 Marf
gravis monete verfauft habe. — Graf Hermann und jeine
Verwandten (cognati) Gottſchalk (v. PB.) und Adolf, Graf
von Sualenberg, jiegeln.
Zeugen: Propſt Willico, Bertold Pleban von Sualen-
berg, Wilhelm Pleban von Sumeriile; Bertold Sumercalf,
Heinrich von Elmeringhofen, Dietrich von Ederjten, Wernher
Didbernere, Amelung Kanne, Heinrich Rufus, Nitter;
Dietrich von Rottinghen, Bernhard Kanne [Sohn v. Amelung
Kanne], Knappen.
A. 1265 in castro Sualenberg in die Fabiani et
Sebastiani martyrum.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 36.
desgl. zu Detmold fol. 25.
Gehrdener Kopialb. fol. 48b. ©. 2.
Die Familie von Rottinghen oder Roddinghe beiteht
unter dem Namen „von Röffing‘ im Hannoverſchen noch fort.
Nr. 54.
1265, Februar 11.
Hermann, Graf von PBermont, und feine Verwandten
(cognati) Gottſchalk und Hildebold mit deren Mutter Beatrir
verkaufen den hörigen Mann (mancipium) Bertold genannt
Düfingh und feinen Bruder Johannes genannt Tatere für
drei fertones der Kirche der hl. Maria zu Mönftere ad
Sualenberg.
Zeugen: Propſt Willico, Wilhelm (PBleban) von Ludhe
und Bernhard socius suus (Kaplan); Amelung Kanne,
Heinrih genannt Unfig, Ritter; Bernhard Richter von Ludhe
gen. von Dtterjen.
Fact, 1265 in Ludhe III Idus Februarii.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 38. Msc. I, 129 im
St.“A. Münfter hat Kalendas ftatt Jdus.
ö Gedr.: Mitteil. des Geichichtsvereing zu Osnabrüd V,
. 126.
Ferto oder firtho ift der vierte Teil einer Marf,
173
Nr. 55.
1265. November 2.
Adolf, Graf von Schwalenberg, befundet, daß fein
Burgmann Enfelhard von Abbenhujen auf Bitten des Grafen
Hermann von Verremont das Lehn und alles Necht, welches
er von jeinem Bruder auf die Güter von Heilenhojen gehabt,
dem Klofter der hl. Maria bei Schwalenberg frei refigniert,
dad Eigentun aber an jenen Gütern der Graf Hermann der
Kirhe vor ihm (Adolf v. Sch.) geſchenkt habe. Nach des
Grafen Hermann Tode behaupte Engelhard, jene Güter
wären ihm von feinem Bruder verpfändet und dieſe Pfand:
ihaft habe er dem Kloſter nicht übergeben. Nunmehr habe
Entelhard die Pfandichaft (weddeichat, pignoraticium) oben:
gedadhter Güter der Kirche für 18 Scillinge vor ihm wieder:
käuflich verkauft, Lehn, Pfandſchaft und jonftige Anſprüche
secundario dem Klojter übergeben.
Zeugen: Bertold PBleban in Swalenberg, Wilhelm
Pleban in Sumerſile; Burchard und Helmbert, Brüder von
Holthojen, Bertold und Ulrih, Brüder, gen. Summerfalf,
Hermann von Steynhem, Johannes von Wiginghojen, Dietrich
von Ederiten, Werner Didberner, Ritter; Amelung von
Schidere, Sighehard von Marpe; Andreas Officialis des
Grafen (von Schw.).
Act. in opido Sualenberg in crastino omnium
sanctorum 1265.
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 37.
desgl. zu Detmold fol. 20, wo Eykenhusen fteht.
desgl. im Kopialb. des Kloft. Gehrden fol. 49a, G. 3.
Nr. 56.
1266. September 14.
Albert, Graf von Schwalenberg, verzichtet auf Bitten
des Abts Heinrih zu Münfter bei Schwalenberg auf die
Vogtei und fonjtige Anjprüche, welche er in curtis Heck-
husen et Swiderssen haben fann, zu Gunften der Kirche
der hl. Maria bei Schwalenberg.
174
Beugen: Bertold Pleban zu Schwalenberg; die Nitter
Konrad de Rode, Werner Dicbernere, Helmbert von Holt-
bufen; die Knappen Friedrih von Yſtorp, Amelung von
Schidere; Entelbert, Andreas und Arnold officiales comitis.
Act. in castro Swalenberg in sto. die exaltationis
ste Crucis 1266.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 39, wo der Zeuge Konrad
de Rode fehlt.
desgl. zu Detmold fol. 25; das „sexto“ der Jahreszahl
it hier von fpäterer Hand.
— desgl. im Kopialb. des Kloſters Gehrden fol. 49b
. 6.
Nah Url. vom 25. März 1270 heißt die Frau bes
Ritters Helembert von Holthuſen (bei Nieheim) Bertradis.
Bergl. Ztſchft. des hiſt. Ver. für Niederſachſen Jahrg. 1850
©. 323 u. 324.
Nr. 57.
1268. Auguft 29.
Beatrir, Gräfin von Permunt, verkauft mit Zujtimmung
ihrer Söhne Gottſchalk, Hermann und Hildebold, jowie ihres
Verwandten (cognatus) Konrad, ein Haus mit zwei Manjen
und fonftigem Zubehör zu Elbracdtefjen, die Ritter Heinrich
von Abbenhujen bisher von ihnen zu Lehn getragen, und
welde an die Ritter Burchard und Helmbert, Brüder von
Holthujen, verpfändet gewejen, aber jegt eingelöft jeien, für
10 Mark an die Kirche der hl. Maria bei Schwalenberg.
Zeugen: Wilhelm Pleban zu Luden; Ritter Bertold
gen. Sumerkalf, Albert de antiquo castro (Burgmann auf
der Oldenburg), Helmbert von Holthujen, Engelhard von
Abbenhufen, Werner gen. Digberner, Dietrich von Eccheſtern,
Werner von Hunwelde, Hermann von Grisme.
Act. a. D. 1268. IV. Kal. Sept.
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 40.
Gedr.: Mitteil. des hiſt. Vereins zu Osnabrück V
(1858) ©. 128.
Die Urkunde kommt in den Lipp. Reg. doppelt vor, I
Nr. 298 mit 1258 und I Nr. 341 mit 1268. Weil die
175
ältern Kopialb. D. fol. 42 und G. pag. 44 das Jahr 1268
haben, dürfte dieſes das richtige fein, wenn ſich auch in dem
Lib. Var. VII und Mse. I, 242 p. 18 im Kgl. St.A. Münfter
1258 findet.
Nr. 58.
1274. März 12.
Adolf und Albert, Brüder, Grafen von Schwalenberg,
befunden, daß ihr verftorbener Bruder Widelind die curia
in Roldeſſen mit 3 Manjen dem Kloſter Marienmünfter für
jeine Memorie übertragen habe. Sie geben dazu consensum
secundarium und zwar mit Genehmigung ihrer Mutter
Ermengard und Jutthe, Gemahlin von Albert, gen. (Edle)
von Rosdorp, ihrer Erben Bolquin und Günther, ſowie
ihre Bruderjohnes (fratruelis) Heinrid.
Beugen: Heinrich Abbas Monasterii, Bertold Pleban
in Schwalenberg; Dietrih Eferjtern, Werner Dichernere,
Burchard von Wichelde, Ritter; Bertold von Elmerinchufen,
Sohannes von Brochojen et judex tunc, consules et ceteri
curienses.
Act. et dat. in castro Sualenberg 1274 in festo
bti Gregorii pape.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 41.
desgl. zu Detmold fol. 7.
Roßdorf liegt bei Göttingen.
Nr. 59.
1277 (2) Juli 6.
Adolf und Albert, Grafen in Schwalenberg, eutfagen
auf Antrag ihrer Brüder, nämlich des Biſchofs Volkwin von
Winden (venerabilis fratris nostri Volequini Mindensis
episcopi) und des Herrn Günther, mit Einwilligung ihrer
Mutter Ermengard und Gemahlin Adelheid auf Bitten des
Abtes Heinrich im Klofter ste. Marie prope Sualenberg
der Vogtei an den Kloftergütern Hechujen und Swyderſſen
zu Gunſten des Klofters.
Zeugen: Bertold Pleban in Schwalenberg; Dietrich und
— Ritter; Bertold, Werner und Friedrich, Officiales
omitis.
176
Act. in opido Sualenberg in octava apostolorum
Petri et Pauli 1277 (?).
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 42.
desgl. zu Detmold fol. 25; beide mit der Jahreszahl
74.
Die Jahreszahl diefer Urk. Scheint in den Kopialbüchern
unrichtig überliefert zu fein, und ift mit Rüdjicht auf Bilchof
Volkwin von Minden ftatt UCCLXXIIII eher MCCLXXVI
anzunehmen. Die nachfolgenden Urfundenauszüge über
Volkwin von Schwalenberg, dem jpätern Biichofe von Minden,
mögen zur Erläuterung und Begründung hierfür dienen:
Volkwin findet ſich urkundlich zuerft 12381), wo er als
zweitältelter Sohn des Grafen Volkwin von Schwalenberg
genannt wird. Nach damaliger Sitte für den geiltlichen
Stand bejtimmt, begann er jeine Laufbahn beim Domitift
zu Hildesheim und hatte 1253 bereit die Wirde eines
Domherrn erlangt; denn in einer Urkunde des Hildesheimer
Biſchofs Heinrich (1.) vom 25. April (VII Kal. Maii) 1253),
Durch welche diejer dem Domitifte 3 Hufen nebjt dem Zehnten
zu Drispenftedt fchenkt, erjcheint er unter den Domherrn als
vorlegter Zeuge. Bald darauf muß es PVollwin auch ge
lungen fein, die Propftei eines Kollegiatjtiftes zu erwerben.
Dafür ipricht, daß er 1265 als Volquinus prepositus dietus
de Swalenberche unter den Hildesheimer Domherrn vor:
fommt, während der damalige Dompropft (prepos. maior)
Ludolf heißt.?) Prepositus Volceuinus dictus de Sualen-
berg — Ludolf mai. prep. eriter Zeuge — findet id)
weiter al3 Zeuge in Urkunde Dtto’3 (Herzog von Braun:
ſchweig), Erwählten von Hildesheim, für das Kreuzklofter auf
dem Rennelberge (in monte cursorum) vor Braunjchweig.
1265, Dftober 31 (in vigil. omn. S.).t) Da nod) andere
Hildesheimer Domherrn — auch prepos. Halto — nadjfol-
gen, jo ift Volkwin Hier nur in jeiner Eigenjchaft als Hildesh.
Domherr kenntlich, und es fteht zu vermuten, daß das
„prepos.“ fi auf eine auswärtige Propſtei bezieht.
ı) Wilmans, Weftf. U.-B. IV Nr. 274.
2) Doebner, U.-B. der Stadt Hildesheim I ©. 116 Wr. 231.
3) v. Hodenberg, Cal. U.B. Abt. III (Loccum) Nr. 261.
+) Aſſeburger U.-®. 1 ©. 222 Wr. 326.
177
Ebenſo wird er al3 prepositus Volevinus in einer
Urkunde dejlelben Biſchofs im J. 1268 unter den dortigen
Domherrn aufgeführt. 1) Eine weitere Urkunde des nämlichen
Dtto, Elekt von Hildesheim, für das dortige Michaelistloiter
vom 3. uni (III Non. Junii) 1273 nennt ihn in der
Zeugenreihe als „Volequinus de Sualenberg, Goslariensis
prepositus“ unter den canonic. Hildensemenses.?) Der
Name des Stiftes zu Goslar, deſſen Propit er war, ijt aber
nicht angegeben. Weil blos „Goslariensis“ ſteht, jo ilt
eigentlich nicht zweifelhaft, daß hier nur das Stift St. Simon
und Judas gemeint jein Fann.
Nah dem am 22. Februar 1266 erfolgten Tode Biſchofs
Cono von Minden?) jcheint ein großer Teil des dortigen
Kapitels Volkwin zum Bilchof gewählt zu haben, jo daß es
jich erklären läßt, weshalb er 1266 fich felbit „Mindensis
electus“ nennt und 1267 vom Kapitel mit diejem Titel be:
zeichnet wird. Nach der eriten Urkundet) befennt Volkwin,
Eleft von Minden — „V. dei gratia Mindensis electus“
— daß in einem Ötreite zwilchen Propſt und Konvent der
Kirche St. Marie in Xevern einerjeit3 und den Rittern Lutger
von Werle und Albert von Gliſſe anderjeits wegen der Güter
Colenhove und Bechelage unter feiner Vermittlung ein Ber:
gleich dahin abgejchloiien jet, daß die beiden Ritter gegen
Zahlung einer Summe von 30 „solidi gravis monete le-
galium denariorum* von jeiten erjterer für ſich und ihre
Erben allen Anſprüchen auf diefe Güter zu Guniten der ge:
nannten Kirche entiagt haben. Dat. anno domini MCCLXVI.
Das ovale Siegel des Elekten hat die Umſchrift: „F S(igillum)
Volequini electi Mi(n)de(n)s(is) eccl(es)ie.* Abbild. in
„Weſtfäliſche Siegel des Viittelalters‘ IL, 1. Abteil. Taf. 52
Nr. 7. Der zugehörige Tert giebt dazu folgende Beichreibung:
„Der Elekt jtehend, in der Rechten einen Palmzweig, in
der Linken ein Buch haltend, unten zu beiden Seiten der
Schwalenberger Stern.“
ı) Doebner, Hildesh. U-B. I ©. = — 319.
9 Affeburger U.B. 1 ©. 245 Wr.
2) Biſchof Cono (Kuno von —— von Minden urfundet zulegt am
15. Februar (II fer. post Invocabit) 1266 und jtarb der ge:
wöhnlihen Annahme am 22. Februar — Jahres, Beral.
Kürdtwein, Subsid. diplom. Tom. 10 ©.
) Staatsarchiv zu Münfter, Stift Levern fbei Rübtete) Nr. 86.
XLVI. 2. 12
178
In der andern!) aus dem J. 1267 (dat. Minden)
thut das Domkapitel zu Minden Fund, daß Dethard Xothe
in Gegenwart des Eleft Volkwin (in presencia venerabilis
domini Volquini Electi nostri) allen Anjprüden auf Güter
zu Heimjen (bei Betershagen), welche dem Kloſter Yoccum
von Adhill (von Heimſen) überlaffen jind, entjagt, auch gegen
ein Darlehn jeine Curie zu Apeldorn (im K. Bokeloh bei
Meppen) dem Klofter als Lehn zu treuer Hand überlajjen hat.
Um die päpitlide Beltätigung bei Klemens IV. zu er:
langen, begab ſich Volkwin nad) Nom. Es müfjen ihm hier
Schwierigkeiten gemadt fein, jo dab es für ihn unmöglich
war, jein Ziel zu erreihen. Deshalb verzichtete er auf jein
Recht an den Mindener Bilchofsituhl, worauf der Papſt
dur ein vom 18. Auguſt 1267?) datiertes Schreiben den
Dominitaner (professorem ord. Praed.) Otto aus Stendal,
Kaplan des Kardinalbijchofs Heinrich) von Dftia, zum
Biſchof von Minden ernannte.
Volkwin von Echwalenberg nahm darauf jeine frühere
Stellung im Domkapitel zu Hildesheim wieder ein und ge—
langte nach einigen Jahren zur höchſten Würde im Kapitel.
Da fein Vorgänger Dompropft Halto urkundlich bis Ende
) v. Hodenberg, Cal. U.B. Abteil. III (Koccum) Nr. 271.
2) Vergl. Vaticaniſches Ardiv Regeſtbd. 32, fol. 162, Nr. 76. Die
betreffende Stelle der Urkunde, welche unterdeſſen in den Weſtfäl.
Papſturkunden I Nr. 675 zum Abdrud gelangt ift, lautet: „Negotio
siquidem eleetionis, que in Mindensi ecclesia tune pastoris so-
lacio destituta de dileeto filio Volevino tune preposito eccelesie
Angariensis Ildesemensis dioecesis celehrata extitit, ad sedeın
apostolicam legitime devoluto, et eodem V(olevino) ad nostram
presentiam accedente ac demum sponte in nostris resignante
manibus omne jus, quod ex electione ipsa sibi coınpetere vide-
batur, nos detrimento eiusdem ecelesie Mindensis volentes occur-
rere ... . . eidem ecclesie Mindensi prefecimus in episcopum.*
Anftatt „Angariensis* ijt richtiger „Groslariensis“ zu lejen. — Otto
(aus Stendal) kommt als Biſchof von Minden (Dei gratia episcopus
ecelesie Mindensis) urkundlich zuerit in einer am 13. Ceptember
(Idib. Septembris) 1267 ausgeitellten Urkunde vor und zuleßt
am 13. Dezember (Id. Dec.) 1274 mit dem Titel: Frater
Otto permissione divina Mindensis ecclesie episcopus, den er
außer der Urkunde vom 13. Sept. 1267 immer zu gebrauchen pflegte.
Vergl. Würdtwein, Tom. 11 ©. 42 und Tom. 10 &. 33. Am Ende
jeines Lebens verließ er Minden und ging nad Rom, wo er am
Abende Ste. Elisabethe (18, November) 1275 itarb,
179
1273 eriheint, wird ihm Bolfwin im Laufe des Jahres
1274 gefolgt fein. Die erfte Urkunde, in welcher Volquinus
ald maior prepositus zu Hildesheim vorfommt, ift datiert
vom 31. Dftober (in vigil. omn. S.) 1274.1) Weiter findet
er ih am 11. Januar 1275 in einer das St. Michaelis:
Klofter zu Hildesheim betreffenden Urkunde unter den Zeugen
an eriter Stelle. ?)
1275, Januar 20 (in die b. Sebastiani). Graf Ludolf
von Werder und jeine Erben entjagen ihren Anſprüchen an
das Maria-Magdalenenklofter auf gewiſſe Ader zu Farmfen.
Zeugen: Bfolquin) von Schwalenberg, Dompropft. 3)
1275, April 6 (VIII Jdus Aprilis). V(olquinus) Propſt,
Johannes Dechant und das Domkapitel zu Hildesheim ver:
faufen dem Dechant Johannes zu Gunften der Kapelle des
hl. Stephan für 3 Mark reinen Silberd eine Hofftätte. *)
1275, April 21. Die Grafen zu Blanfenburg verjegen
dem Bifchof Otto (I.) von Hildesheim 10 Hufen und zwei
Mühlen zu Holtemmen:Ditfurt, welche derjelbe dem Klofter
St. Burchardi vor Halberftabt übergeben, durch ander:
weitige Güter.
Zeugen: Volcvinus prepositus maior etc.)
1275, Juni 24 (in die st. Joh. bapt.). Biſchof Otto (I.)
von Hildesheim verleiht den Altären St. Johannis bapt. und
b. Martini confessoris in der Kreuzliche 32 Morgen Land
zu Klein-Förfte.
Zeugen: Volquin, Dompropft 2c.6)
1275, Auguft 22 (in octava assumptionis domine
nostre). Heinrich (von Wohldenberg), Domherr und Ardi:
diafon zu Borjum (Borfem), bezeugt, daß fein Bruder Ludolf
9 u v. Aspern br diplom. hist. Com. Schauenburgensium
Bd. II ©. 243 Ar. 1
?) Die — — ** — das Königl. nn au —
ütigft mit. — St. Michaeliskloſter zu Hildesheim Nr.
| ara ——— Nr. 98. Auszügl. gedr. bei Zr Te. 171
‘) —— zu Hildesheim = 245. gebr. bei Doebner I ©. 172. Nr. 358.
°®) Domitirt zu Hildesheim Nr. 247.
”) a zu — Nr. 146. Auszügl. gedr. bei Doebner I
173 N
12*
180
von Werder mit feiner und feiner Brüder Zuftimmung 2
Hufen zu Schellerten dem Kreuzſtift geſchenkt habe.
Zeugen: Volquin, Dompropft 2c.?)
1275 (ohne Datum). Graf Ludolf von Werder bezeugt,
daß er mit Zuftimmung feiner Brüder dem Kreuzitifte 2 Hufen
zu Schellerten zur Fundierung des Marien-Altares verliehen
babe.
Zeugen: Volquin, Dompropft ꝛc.?)
1275, Nov. 26 (VI Kal. Decembr.). Bijchof Otto (I.)
von Hildesheim übereignet dem St. Johannesitift eine Hufe
zu Machteljen.
Zeugen: Volquin, Dompropft 2c.?)
1276, $ebr. 24 (VI Kal. Mart.). Biſchof Otto (I.)
von Hildesheim bezeugt, daß der Domvilar Hoyer Luſignus
mit jeinem Bruder Ludolf eine Hufe zu Bekum für feine
Vilarie am Dome erworben habe.
Zeugen: Volequinus, Dompropft (maior prep.) etc. *)
Später fommt Volkwin ald Dompropft von Hildesheim
nit mehr vor. Sein Nachfolger ift Johannes, der zum
eriten Male in einer Urkunde des Kloſters Grauhof zu
Goslar am 24. Dftober (IX Kal. Novembr.) 1276 in
diefer Stellung ericheint.d) In der Zwiſchenzeit bemühete
ih Vollwin wiederum, das Bistum Minden zu erlangen,
x) u zu Hildesh. Nr. 147, gedr. Afjjeburger U-B. I ©. 250
Ar. 378.
2) Kreuzitift zu Hildesh. Nr. 148, gedr. dajelbit I ©. 250 Nr. 378u,
2) Stift St. Johannis Nr. 26.
4) Domftift zu Hildesh. Nr. 250; gedr. bei Doebner I ©. 174 Nr. 358.
°) Klofter Grauhof Nr. 24, gedr. Eudendorf, U.-B. zur Geſchichte der
Herzöge dv. Braunſchw. und Lüneb. IX. Pd. ©. 221 Anm. —
Biſchof Otto (1.) von Hildesheim ſchenkt mit Zuftimmung des Dome
fapitels den von Johann von Immigehof, Bürger zu Goslar, für
eine große Summe Geldes an den Propft und Convent des Kloiters
auf dem Genrgsberge (conventus ecclesie montis sti. Georgii iuxta
Goslariam) bei Goslar verkauften Zehnten und Galzzehnten zu
Wepftede (bei Salzgitter im Salthga) dem Kloſter, nahdem Johann
von Immigehof jeinem Lehnsheren, dem edelen Herrn Bernhard
von dem el und diejer nebjt feinen Verwandten, Söhnen des
Ritters Strus, dem Biſchofe vor dem Walde bei Sierſſe (bei Echmeden«
ſtedt) den Zehnten aufgelajjen hat. Unter den Zeugen: Johannes
maior prepositus etc, Datum Hildensem 1276 IX Kal. Novembris.
181
und biefes Mal muß die Wahl eine einftimmige geweſen
fein. Eine Urkunde aus dem J. 1276, in der Volkwin als
Elekt vorfommt, ift noch nicht aufgefunden. Aus dem fol:
genden Jahre find freilich mehrere vorhanden, welche ihn
als Biſchof nennen. Die erite ift vom 13. Februar.!) Das
Bistum Minden und das Stift Herford erneuern das frühere
Bündnis und nehmen in dasjelbe den Grafen Otto von
Ravensberg und die Stadt Bielefeld auf in der Weije, tie
e3 zwiichen ihnen und dem Stift Osnabrüd ſchon lange be:
ftanden. Beliegelt ift die Urkunde vun Volkwin, Elekt von
Minden, der Äbtiffin von Herford, dem Grafen von Raven:
berg und den Städten Minden, Herford und Bielefeld. Dat.
1277, Idus Febr.
Bald darauf erlangte Volkwin auch die päpitliche Be—
ftätigung, weil er fi in einer Urkunde vom 23. März (fer.
III post dom. palmar.) 1277 ſchon Volquinus dei gratia
electus et confirmatus ecclesie Mindensis nennt.?) Ebenſo
beißt er am 2. „uni (IV Non. Jun.) Mindensis ecclesie
electus et confirmatus?) und am 11. Juni (in die beat.
Barnabe ap.) in einer zu Minden ausgeftellten Urkunde.)
Dagegen ericheint er am 26. Juli (in crastino beat. Ja-
cobi ap.)°) mit dem Titel: „Volquinus Dei gratia Min-
densis ecclesie episcopus und muß ſomit inzwijchen die
bifhöflihe Weihe empfangen haben.
Darnach ift als wahrjcheinlich anzunehmen, daß obige
Urkunde, worin Volkwin in Verbindung mit feinen Brüdern
Adolf und Albert, Grafen von Schwalenberg, als Bilchof
von Minden auftritt, wohl am 6. Juli 1277 ausgeftellt
fein fann. Dafür ſpricht auch noch der Umftand, daß der
in der Urkunde ald Zeuge vorfommende Pfarrer Bertold in
Schwalenberg jpäter ſich nicht mehr findet.
Bolkwin ſtarb nach der gemöhnliden Annahme am
4. Mai 1293,
1) Mürdtwein, Subs. dipl. Tom. 11 ©. 72.
?) Staatsarhiv zu Münfter, St. Martin zu Minden Nr. 20.
3) Mürdtwein, dafelbft Tom. 11 ©, 79,
) dajelbit S. 80.
5) dafelbit ©, 83,
182
Nr. 60.
1280. Februar 11.
Abt Hermann von Abdinghof (ecclesie st. ap. Petri
et Pauli in Paderborne) überläßt dem Convente die Hälfte
eines Haufe neben der Marftlirhe zu Paderborn, das
Ritter Ludolf von Dalberne mit feinem Sohne Bernhard
dem Kloſter (nostre ecclesie) vermadt, mit einer jährlichen
Rente von 31/, Schillingen daraus und von 6 Scdillingen
aus ber Mühle beim Teiche (ad paludem nostram), ferner
eine Rente von 2 Schillingen zu einer Memorie für Abt
Heinrih zu Marienmünfter (ecelesie monasterii apud
Sualenberg), wofür er vom Gonvente 2 Mark obermwaldijche
Denare (denariorum transnemorinorum), die obiger Abt
geichenkt, fowie ein Haus auf der Königsitraße (platea regis),
welches die Bogeljengiihe dem Klofter hinterlafjen, erhält.
Der Abt von Abdinghof und das Domkapitel fiegeln.
Zeugen: Wilhelm von VBernede, Albero Erevet (cancer),
Ritter; Arnold von Driburg, Bürger (zu Paderborn).
Dat. Paderborne 1280 in erastino Scolastice Virg.
Vom Siegel des Abts fehlt die obere Hälfte; das Siegel
des Domtlapitels ijt erhalten. Driginal im Staatsarhiv zu
Miünfter, Kl. Abdinahof. Abt Heinrih von Marienmüniter
hatte vielleicht durch feine Profeß dem Klojter Abdinghof
angehört und war von dorther zum Abt pojtulirt worden,
woraus es fich erflären mag, daß er daſelbſt eine Memorie
ftiftete. Das Geſchlecht v. Vernede, Paderborniide Mini:
fterialen, Siegel mit Fiſch, fommt vor bis Ende des 15. Jahrh.
Crevet, Paderb. Minift. Geichleht, Siegel aufredhter
roter Krebs im filbernen Felde, welches jeinen Sit zu Verna—
burg, Alfen und Salzkotten hatte, ftarb mit Wilhelm Erevet
im Mannesitamme aus in der eriten Hälfte des 17. Jahrh.
Defien Töchter: Odilia heiratete Walter Adrian v. Imbſen
zu Wewer; Maria heiratete Kaspar Friedrih von Hart:
haufen zu Welda; Anna heiratete Arnold von und zu Brenken.
Nr. 61.
1280.
Abt Heinrih im Klofter der hl. Maria bei Schwalen:
berg bejtimmt zu Gunften der Mönde, quod dimidietas
183
totius summe, que in collatione alicuius prebende huic
ecclesie propter Deum in subsidium et iuvamen impe-
ditur, in usus et caritates ipsorum cedat; jchenft ihnen
den Zehnten in Enghelbraha und fegt ferner feit, daß der
Nachlaß der Mönde zur Hälfte dem Convente, zur andern
Hälfte dem Abte gehören jol. Dagegen verpflichtet jich das
Kloiter für den Abt und feine Eltern und Geſchwiſter ein
Sahrgedächtnis zu halten.
Neben Abt und Convent fiegeln die Grafen von Echwalen-
berg (domini nostri, Vögte). |
Zeugen: Ernſt prior, Albert cantor und die übrigen
Mönche.
Dat. 1280.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 44.
desgl. zu Detmold fol. 40.
Engelbraha, womit vielleicht Eygelberga (Nr. 65) oder
Engelborha (Nr. 72) gleichbedeutend it, läßt jich nicht mehr
nachweiſen. Der Ort muß jchon früh ausgegangen fein,
weil die Bearbeiter des Kopialb. D. feine Lage nicht mehr
angeben konnten.
Bergl. Nr. 65 und 72.
Nr. 62.
1283.
Otto, Graf in Waldeghe, verkauft, mit Zuftimmung
feiner Mutter und Gemahlin, jomwie feiner Brüder Adolf und
Gottfried, der Kirche der yl. Maria bei Schwalenberg auf
Veranlaffung des dortigen Abt3 Heinrich die Vogtei in Bodele
von den Kloftergütern bei der Stadt Bolcmerfjen für 50 Mark
Soefter Denare. Otto, Graf von Walded, feine Brüder,
Adolf und Gottfried, jowie jeine Verwandten, die Grafen
Adolf und Albert von Schwalenberg, fiegeln.
Zeugen: Tethmar genannt Oppolt, Hennenann von
Itter, Johannes von Brochife, Bernhard und Elger Brüder
von Dalewigh, Arnold von Paderborn, Ritter; Dietrich
von Egferjen, Gottihalf von Molhuſen, Giſo und Gottſchalk,
Brüder von Brobefe und Bertold genannt Thanebradht,
Dat. in Corbeke 1283.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 45;
desgl. zu Detmold fol, 12b,
184
Bolcmerfjen ift die Stadt Volkmarſen in der Provinz
Helfen: Nafjau, Eorbefe die Stadt Corbah im Fürftentum
Walded.
Bergl. Nr. 63 u. 64.
Nr. 63.
1283. Suni 9.
Dtto, Graf von Waldecge, verfauft dem Abt Heinrich
im Klofter der hl. Maria bei Schwalenberg tie Vogtei über
die Kloitergüter in Bodele bei Volcmerſſen für 50 Mark
Soeſter Denare und bejcheinigt den Empfang de3 Geldes.
Graf Otto und die Grafen von Schwalenberg, Adolf
und Albert, fiegeln.
Zeugen: Konrad, Pleban in Corbefe, Hennemann von
Stter Consanguineus noster, Johannes von Brochefe, Arz
nold von Paderborn, Bernhard und Elenger, Brüder von
Dalewic, Dietrihd von Engerite und Lippold SHoltgreve,
Ritter; Giſo und Gottſchalk, Brüder von Brocbeke, Gottichalt
von Molhufen und Albert Didebeir.
Dat. 1283 V Idus Junii.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 46,
desgl. zu Detmold fol. 13.
Nr. 64.
1283. Juni 16.
Otto, Graf in WMaldegge, verkauft mit Zuftimmung
feiner Brüder Adolf u. Gottfried dem Abte Heinrich ecclesie
Monasteriensis iuxta dominium Sualenberg alle® Ober:
eigentum an den Gütern in Bodele iuxta oppidum Vole-
mersen ratione advocatie, locationis, institutionis aut
destitutionis, für 50 Mark Soejter Münze. Die Consules
in Voldmerjen jiegeln: Eggehard, Dietrih, Dietrich Sohn,
MWipert, Th. von Mengeringhufen, H. genannt Jocundus,
9. von Berendorp, 9. de Brune, Johannes de Rivo,
9. genannt Bibulus, 9. von Eliingen, 9. von Hemedeſſen.
Dat. 1283, in crastino sti Viti Mart.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 47,
desgl. zu Detmold fol. 13.
185
Nr. 65.
1284. Oktober 9.
Abt Heinrich in Monasterio ste. Marie prope Sualen-
bergh ſchenkt dem Gonvente den Zehnten in Eygelberga,
caritatibus eorum administrandam, und die Heuer dajelbit
zum Ankauf von Heringen für die Faltenzeit (ad quadra-
gesimali iejunio halecia (allecia) comparanda), ferner
einen Hof (curia) in Rysne, um aus dem Ertrage in vi-
gilia bti. Jacobi Apostoli für den Mindener Domberrn
Bernhard von Roſtorp, qui et mortuarium pro anima
sua huic ecclesie refudit, ein Jahrgedächtnis zu halten.
Dat. 1284, Dionysii et sociorum eius.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 48, wo der Ortsname
„Eysne“ heißt;
desgl. D fol. 35b und 36 im Staatsardiv zu Münſter,
mo richtiger „Rysne“ vorkommt.
Diefer Ort wird in der Nähe von Ermwigen zu juchen
fein, weil im Kopialb. D. fol. 25 (vergl. Nr. 73), wo ber
Ortsname noch einmal ſich findet, bezüglich der Driginal-
urfunde bemerkt ift: hec (litera) reperitur in scatula
(Büchſe oder Kapſel) Ermwordessen.
Es jcheint demnach, als ob im ältern Marienmünfter’-
ihen Archiv die Urkunden über Zehntenverleihungen, Güter:
ſchenkungen 2c. nad den Ortichaften, zu welchen die betreffen:
den Güter gehörten, geordnet waren. Ermwordessen ijt
das heutige Erwigen, in deſſen Gegend (zwiichen Pömbſen
und Alhauſen) noch heute ein Forſthaus Reeſen liegt, deſſen
Name an Rysne erinnert.
Die Kopialb. haben „Burchard“ ftatt „Bernhard v. R.“;
v. Spilder hat dafür in feinen Urkundenabſchriften richtiger
„Bernhardi* darüber geichrieben. Dafür ſpricht no, daß
bei v. Aspern, Codex etc. II ©. 264 Nro. 153b eine Ürf.
aus dem J. 1280 (dat. Minde) in der Zeugenreihe: „Ber-
nardus et Ludolfus (Bilhof von Minden 1295—1304)
fratres dieti de Rosdorp ..... . maioris et sancti Mar-
tini ecclesiarum (in Minden) Canoniei“ unter den Min—
den’er Domberrn aufführt.
Nr. 66.
1287. Auguft 15.
Adolf und Albert, Grafen zu Schwalenberg, verlaufen
mit Zuftimmung ihrer Gemahlinnen Jutten und Jutten und
ihrer Erben Heinrih, Günther, Konrad und Ludwig, ihren
Zehnten in Bremen für 12 Mark der Kirche der Hl. Jungfrau
Maria in Monasterio, deffen Tutores (Bögte) fie find.
Zeugen: Günther (Gr. von Schmwalenberg) Propit zu
Magdeburg (honorabilis vir dominus Gunterus prepositus
in Magdeburch), &ippold, plebanus in oppido Swalen-
berg, Johannes capellanus in castro (Burg) Swalenberg,
Priejter; Dietrih von Edftern, Lippold, genannt Holtgreve,
Sohannes von Eylwordeſſen, Ritter; Lambert Holtgreve,
Winand de Schotem, Knappen.
Dat. 1287, in die assumptionis B. M. V.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 49;
desgl. zu Detmold fol. 7.
Vergl. Nr. 67.
Nr. 67.
1287,
Abt Heinrih zu Münfter (Monasteriensis), Johannes,
Prior und der dortige Convent haben von Adolf und Albert,
Brüder und Grafen zu Schwalenberg, ihren Herren (dominis
nostris), den Zehnten des Dorfes Bremen gefauft und jegen
feft, ut dimidietas eiusdem ad caritates et in usus re-
fectorii erogetur, reliqua vero in partem claustri cedat
et fisco communi applicetur.
Dat. 1287 intra septa Claustri nostri.
Kopialb. zu Grevenburg, Nr. 50.
desgl. zu Detmold fol. 7.
Wr. 68.
1288. Febr. 2.
Abolf, Graf von Schwalenberg, übergiebt der Kirche
ber hl. Maria in Monasterio feine freie curtis mit drei
Manjen in der villa Gundenjem zu feinem und feiner Eltern
Seelenheil ad usus et ad refectiones sive ad caritates
der Mönche und jegt bei der Schenkung feit, daß aus dem
187
Ertrage jährlih dem Abte bejonders ein Viertel Wein ad
consolationem gereicht werde. Zugleih will er das Klofter
entjhädigen für 12 Jugera, welche Slinchlo heißen, die das
Waller feines Fiichteiches abforbiert, und ferner für einige
andere Jugera des Kloſters, welche demjelben durch die Er:
neuerung jeiner Burg (oppidi) Stoppelbergh, entzogen jeien.
Sein Bruder, Graf Albert, verzichtet zugleich auf die ihm
ald tutor und defensor (Bogt) des Kloſters zuftehende
exactio et servitium von den betreffenden Grundftüden.
Adolf, Albert und ihr Bruder Günther, Canonicus et
Thesaurarius zu Magdeburg, welcher als Zeuge anmwejend
war, jiegeln.
Dat. et act. 1288 in castro Sualenberg in purifie.
b. Mar. virg.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 51.
beögl. zu Detmold fol. 8.
Bergl. Lipp. Reg. III Nr. 1505. Der Ausdrud: „Con-
solatio* ift gleichbedeutend mit „caritas“, wofür auch hie
und da „pietantia, pittancia (Xipp. Weg. II, Wr. 912)
oder piedantia — Spende” vorfommt. vergl. Ztichft. Bd.
38b ©. 182 und Bd. 4öb ©. 148.
Nr. 69.
1288. April. 25.
Arnold, v. G. ©. Propſt zu Wilbodeffen, Gertrud),
Priorin und der dortige Konvent befennen, daß Johann
von Nihojen Güter zu Ethelerfien, die er von Gottſchalk,
Johann, Friedrih und Ludolf, Brüdern von Edelerjien um
14 Mark gekauft, auf Bitten feiner Schwefter Adelheid dem
Klofter geichentt habe. Die Einkünfte aus den Gütern jollen
der (Klofter-)Kammer zufließen und zur Belhaffung der
Kleider für die Klofterfrauen dienen.
Zeugen: Dietrich provisor parochie in Wilbodeſſen,
Johannes Vicar daſelbſt, Regenbodo von Ahoſen und Bruno
claviger (Pförtner).
Abt Heinrich de Monasterio (Marien-Münſter) ſiegelt
mit dem Propſte und Convente.
Dat. 1288 in die Marci ewangeliste,
188
Kopialbuh des Klofters Willebadeffen im Stabtardiv
zu Dortmund (Papiercoder in folio aus Anfang des 16.
Jahrh.) fol. 81b und 87b.
Letztes Vorkommen des Abts Heinrich 1.
Ethelerfen (wüſt) zwiſchen Willebadeffen und Neuenheerfe.
Vergl. Ztichft. Bd. 38H ©. 202.
Nihofen — Niejen bei Pedeldheim, wo bis Anfang des
vorig. Jahrh. das adel. Geihleht von Niehaufen anſäſſig
war; Ahoſen (wüſt) in der Pedelsheimer Feldmarf.
Nr. 70.
1289. Juni 30.
Adolf und Albert, Grafen von Schwalenburg, befunden,
daß (ihre Schweiter) Kunegunde, Äbtiſſin und Convent des
Kloſters Valkenhagen, die Güter in villa Entorp, nämlid
zwei Gurien nebjt Zubehörungen, von den Brüdern Heinrich
und Gottfried von Ermmordefjen für 22 Mark angelauft,
und verzichten mit Genehmiaung ihrer Frauen und ihres
Sohnes Heinrich zu ihrem Seelenheile auf das Lehnrecht
an jenen Gütern.
Dat. et act. 1289 in crastino apost. Petri et Pauli.
Kopialb. A des Klofter3 Falkenhagen im Fürftl. Archiv
zu Detmold, befchrieben Lipp. Reg. I Nr. 241; dort findet
fi) „in villa Eiegtorpe“. Mit Rüdjiht auf Urkunden von
1406 und 1497, Juli 13 dürfte „in villa Entorp“ zu leien
fein, wie auch das Kopialb. zu Grevenburg Nr. 52 hat.
Vergl. Lipp. Reg. I Nr. 428,
Entorp ift Entrup bei Nieheim.
Mr. 71.
1290. März 19.
Johannes, genannt Boningh, fein Sohn Werner und
die Brüder Amelung, Werner, Volkwin, genannt Dicbernere,
verfaufen für 17 Mark jchwere Münze 2 Manfen zu Eil-
brachteſſen mit allem Zubehör der Kirche in monasterio
apud Sualenberg und übergeben jie dem Abte Alrad und
dem ganzen Gonvente.
Zeugen: Günther, vicedom. episcopalis curie Magde-
burg., Adolf und Albert, Grafen von Schwalenberg; Ritter
189
Lippold und defjen Bruder Lambert, Knappe, gen. Holtgreve;
Dietrih von Ederften, Burdhard von Wicbelede, Ritter;
Friedrih von Eblinchufen, Bertold Stoppen (Scoppen) und
bejlen Bruder Roland, Knappen. Beliegelt von den Grafen
Ad. und A. von Schwalenberg, weil vor ihnen der Verkauf
abgeſchloſſen.
Dat. Sualenberg 1290 in die dominica, qua can-
tatur: „Judica me“, que est in passione domini.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 53, wo ih im Anſchluß
an D. fol. 18 „Scoppen“ findet;
desgl. zu Detmold fol. 11, wo „Stoppen” fteht. Vergl.
Lipp. Reg. I Nr. 434. |
„Scoppen“ ift wahrjcheinli in den Kopialbüchern ver:
jchrieben für „Scowen“ oder „Scuwen“, weil ſich ſonſt der
Name nicht erflären läßt; nad der Ztichft. Bd. 44p ©. 133
fommt 1291 Bertold Schumwen urkundlich vor.
Bergl. Nr. 72.
Nr. 72.
1290. Dez. 14.
Hermann, Konrad und Hildebold, Edle von Pyrmont,
verkaufen da3 Eigentum der Güter im Dorfe Elbrachteſſen,
welche Johannes, genannt Dicbernere, und deſſen Brüder
befigen, an die Kirche zu Miüniter.
Zeugen: Winand, Pleban in Ddestorp (Desdorf), Ar:
nold, Kaplan und Notar der Herrn zu Schwalenberg, Dietrich
von Ederften, Lippold genannt Holtgreve, Ritter; Lambert
Holtgreve, Friedrich) genannt von Ebbelinghufen, Knappen;
Johannes gen. von Hudenhujen, Winand, Sohn des Pleban,
Bürger in Lügde.
Dat. Ludge (Lügde) 1290 in crastino Lucie virg.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 59.
desgl. zu Detmold fol. 11.
Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 437.
Nr. 73.
1290.
Adolf und Albert, Grafen in Schwalenberg, ichenfen
pro Dei amore et remedio animarum dem Klofler Marien:
190
münfter auf Bitten der Mönde, (dominorum nostrorum
in monasterio) mit Zuftimmung der Frau und der Erben,
Güter in Engelborha, Wedede und Risne cum suis cul-
toribus, pertinentia ad caritatis offieium, frei von aller
Bogtei.
Zeugen: Dom. Alrad, Abt, D. Johannes, Prior, D.
Johannes von Stenem, D. Friedrihd von Erem(wordeſſen),
Heinrich, Hugo, D. Heinrich von Lemego, Heinrich von Addeſſen,
D. Xippold Holtgreve.
Dat. in Swalenberg 1290.
Im Kopialbude D. fol. 25 ift zwilchen Johannes und
prior eine Lücke, zu welcher der Kopiſt am Rande bemerkt:
„litera corrupta est abrepto sigillo“. Hinter „Erem“
fehlt Etwas, und dürfte vielleiht „Eremwordessen * zu
lejen jein.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 54, wo ald Ortsname
„Eisne’ vorfommt. Wedede läßt fich feiner Lage nad nicht
mehr beftimmen.
Addeffen lag zwifchen Abbenburg und Nieheim am
Schierenberge nicht weit vom Gute Erternbrof.
Nr. 74.
1291. Februar 7.
Theodorih, Dompropft, Werner, Domdehant und das
Gapitel zu Paderborn befunden, daß Ritter Volmar von
Brenden mit Einwilligung jeiner Frau Walburgis dem Klojter
b. Marie in Munster iuxta Swalenberg den Zehnten im
Dorfe Eynctorppe (Entorp) in der Nähe der Stadt Nieheim
(positam iuxta opidum Nyhem) verkauft habe. Das Capitel
überläßt jein Obereigentum an dem Zehnten dem Abte und
Convente des Kloiters.
Dat. Paderborne 1291 fer. IV post purifie. b. M. V.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 56, wo der Ortöname
„Entorp“ beißt.
desgl. zu Detmold fol. 25.
Der Dompropit Theodorich ftammte aus dem Geichlechte
der Edelherrn von Biljtein und war Bruder des weftfäl.
Marſchalls Johann von Bilftein.
191
Nr. 75.
1292. Januar 1.
Hermann, Hildebold und Konrad, Grafen von Perre:
munt, übertragen das Eigentum einer Curie in Edelerien,
welche ihnen Ritter Bernhard von Brafele rejigniert hat,
der Kirche zu Wilbodefjen.
Zeugen: Alrad Abt in monasterio prope Sualenberg,
Adolf und Albert, Grafen von Swalenberg, Winand, PBleban
in Zude; Ludinger von Bardeleve, Burdard von Wichilde,
Heinrih Rufus, Lippold Holtgreve, Ritter.
Dat. 1292 in circumeisione dni.
Kopialb. des Kl. Willebadefien im Stadtarchiv zu
Dortmund fol. 82 und 89.
Eine zugehörende Urkunde hat nachſtehenden Inhalt:
1292. Januar 1. Ritter Bernhard, Herr in Brafele, über:
giebt mit Einwilligung jeiner Frau Sophie und Kinder Otto,
Hermann und Wernher, den Hof in Edelerjen, der ihm von
Hermann von Mengerjen reiigniert ift, den Grafen Hermann,
Hildebold und Konrad von PBerremunt, unter der Bedingung,
daß dieje ihr Eigentumsreht an dem Hofe der Kirche in
Wilbodeflen jchenten.
Zeugen: Herbold (von Amelunren), Propft in Mers—
berg; Albert der Jüngere, Ritter und Albert und Herbold,
Knappen von Amelungellen; Wernher von Vlechtene und
‚Johannes von Nihofen, Bürger in Brafele.
Bernhard von Brakel, Burchard von der Afjeburg und
die Stadt Brakel ſiegeln.
Dat. 1292 in ceircumeisione dni.
Kopialb. des Kl. Willebadejjen im Stadtardiv zu
Dortmund fol. 82.
Bergl. Aſſeburg. U.B. IT ©. 10 Wr. 545.
Nlechtene (wüft) in der nordmeitl. Feldmarf von Brafel.
Nr. 76.
1292. Februar 24.
Giſo, Nitter von Brobife und Ryckeſe, jeine Frau,
verfaufen an Abt und Convent des Klojters bei Schwalenberg
zwei Hufen Landes bei Nyhem.
192
Zeugen: Hermann, Pleban in Stenhem, Siegfried,
Vicepleban in Nyhem, Ulrih, Pleban in Sandenebefe;
Herbold von Amelungeffen, Lippold Holtgreve, Johannes
von Eilwordeſſen, Ritter; Gerold und Heinrih von Erm—
wordefien, Dietrich von Nebere, Knappen, und der Nat der
Stadt Nieheim.
Dat. 1292 ipsa die Dominica, qua cantatur: In-
vocabit me.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 57.
Sandenebefe — Pfarrdorf Sandebed, Kr. Hörter.
Dergl. die folgende Nr.
Nr. 77.
1292. Februar 24.
Sifo, Ritter von Brobife, verkauft mit Einwilligung
feiner Frau Ryckeſe und feines Sohnes Bertold dem Abte
Alrad im Klofter der Hl. Maria bei Smwalenberg zwei Hufen
vor Nieheim und läßt diefelben vor den Grafen von Schwalen-
berg dem gedachten Klofter auf. Adolf und fein Bruder
Albert, Grafen von Schwalenberg, genehmigen als Lehns:
berrn den Berfauf. Die Ratleute der Stadt Nieheim: Gott:
fried von Ermmordeilen, Konrad von Hobrachteſſen, Siegfried
von Emmerife, Konrad von Andepe, Johannes von Merlhofien,
Bertold Carnifex, Jordanus, Hermann von Bredenborne,
Heinrih von Dldenberghe, Albert von Addeſſen, Heinrich
Sparenbergh, Heinrih Eilherind jiegeln als Zeugen. Weitere
Zeugen find: Siegfried, Bicepleban in Nieheim (nhym),
Ulrih, Pleban in Sandenebefe; Lippold Holtgreve, Johannes
von Eilwordeſſen, Herbold von Amelungbefien, Nitter;
Dietrich von Nedere, Roland von Holthufen, Werner Sumer:
calf, Heinrih von Ermwordeſſen, Knappen.
Dat. 1292 in Dominica, qua cantatur: „Invocabit me“.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 58.
desgl. zu Detmold fol. 27.
Über diefe Güter befindet fich nachitehende Randbemerkung
im Grevenburger Kopialb.: Diefe beiden Hufen haben
Joannes Floreke et Bertoldus Oven zu gleihen Teilen
inne und geben quilibet II quaıtalia siliginis, II hordei
193
et II avene, et unum hortum habent, factum ex eisdem,
quem simul habent, et solvunt de illo unum grossum.
Hobrachteſſen, jpäter Hobreren, wüſt zwijchen Breden-
born, Entrup und Sommerfell. Die Golonen der beiden
legtern Dörfer entrichteten von ihren Grundftüden auf dem
Hobreren den Hobrerer Zehnten nah Schwalenberg, der erſt
im J. 1848 zugleih mit dem Latberger Zehnten aus dem
Dorfe Everjen durch Gapitalzahlung an die Lipp. Landes:
berrichaft abgelöft wurde. Vergl. Lipp. Reg. III Nr. 1516
Anm. — Emmerfe (wüſt) lag eine viertel Stunde füdmeltl.
von Pömbjen, in der Nähe des jekigen Hermannsborns.
Der Emmerkebach entipringt beim ausgegangenen Dorfe und
fließt bei Himmighaufen in die Emmer. Bergl. Ztichrift.
Bd. 325 ©. 130. —
Andepe, wofür die Kopialbücher fälihlih „Andope“
haben, dagegen gleichzeitige Driginale „Andepe“, ift zwiſchen
Wünnenberg und Hegensdorf an der Stelle zu juchen, wo
jet XLeiberg liegt, deſſen Mühle noch die Andepper Mühle
heißt. Bergl. dajelbjt Bd. 41b ©. 22. —
Merlhoſſen oder ſonſt Merlhuſen — Merlsheim bei
Pömbſen. — Der hier als Zeuge aufgeführte Knappe Roland
von Holthuſen hat ſeinen Namen von dem unter der Hinnen—
burg wüſt gewordenen Holthuſen (Holtſer Berg) und erſcheint
ſpäter (1303 u. 1307) als Richter oder (1306) Gogreve zu
Brakel. Bergl. Afjeburg. U.B. II ©. 24 Nr. 580, ©. 43
Nr. 631 u. ©. 39 Nr. 621.
Nr. 78.
1293. Zuli 1.
Propſt Arnold, Gertrud, Priorin und der Convent zu
Wilbodefien verjprehen mit Genehmigung ihres Abts Alrad
der Conventualin Gertrud von Soeſt, welche dem Kloiter
15 Mark geſchenkt hatte, die zum Ankaufe einer Hufe Landes
zu Titmannefjen verwandt find, die Memorie ihres verjtor:
benen Bruder3 Hermann zu halten und ihr ſelbſt alljährlich
auf Martini eine halbe Mark auszuzahlen. Nah ihrem
Tode ſoll das Geld der Klofterfammer zufallen.
Act, a. d. 1293 dat. in Octava bti. Joh. bapt.
XLVI. 2. 13
194
Kopialb. des Kloſters Willebadeſſen im Stadtardhiv
zu Dortmund fol. 55.
Titmannefjen, fpäter Titmenſen, gleichbedeutend mit
Deppenhöfe, ein Vorwerk zum Hofe von Engar, Pf. Hohen:
wepel. Bergl. Ztichrft. Bd. 376 ©. 168.
Nr. 79.
1293. Juli 1.
Arnold, Propft, Gertrudis, Priorin und der Convent
zu Wilbodefjen befunden, daß die veritorbenen Eheleute
Sijeler und Kunegunde, genannt von der Belene, für die
Kloiterfammer einen Hof (curia) in Edelerjen und zu Overde
erworben haben mit der Verpflihtung, daß aus den Ein
fünften des Hofes in Dverde an ihrem Jahrestage dem Con—
vente die compotens consolatio gereiht werde. Außerdem
jolen aus den übrigen Einkünften des Hofes jährlih auf
Martini an die Klojterfrau Hildegunde 8 Scdillinge und an
ihre beiden Nichten (im Klofter) Margarete und Hildegunde
gen. von der Bekene 12 Scillinge verabfolgt werden. Die
übrigen Ginfünfte der beiden Höfe gehören der Kammer.
Abt Alrad genehmigt obige Anordnung und jiegelt mit dem
Prior und Convente.
Act. et dat. 1293 in octava Joannis bapt.
Kopialb. des Klofters Willebadeſſen im Stadtardhiv
zu Dortmund fol. 82.
de Bekene, van der Befe oder lateiniid „de rivo“
genannt, war eine Bürgerfamilie zu Paderborn und kommt
dort unter dem Namen „Vonderbeck“ vielleiht noch vor.
Overde eingegangener Drt weſtl. von Pedelsheim.
Nr. 80.
1295. März 13.
Dito (Graf von Rietberg), Biſchof von Paderborn,
genehmigt als Lehnsherr verjchiedene Schenkungen an das
Frauenkloſter und die Kirche zu Wilbodefjen, nämlid von
Gütern zu Kericwellede, welche der verftorbene Ritter Raven
der Jüngere von Papenhem von den Brüdern Hermann und
Eberhard von Nigenkerfen gekauft und dem Klojter Wilbodeijen
gejchenft hatte, ferner des Zehnten im Dorfe (villa) Al-
195
badtefjien, den früher Graf Dtto von Waldede zu Lehn ge:
tragen, und einer Hufe im Dorfe Tithmanefjen, welche der
paberborner Bürger Heinrich Endehatte bejeilen.
Zeugen: Hermann, Domdehant, Otto, Scolasticus,
Georg, Cantor, Wernher von Bolmuntjtene Cellerarius,
Bertold (von der Afjeburg), Propit zum Busdorf (eccl. orient.),
Amelung, Bertold von Everſtene und Lippold von Ame—
lungejjien, Domherrn; (Albert) Abt ecclesie st. apost. Petri
et Pauli in Paderborn, (Alrad) Abt de monasterio aput
Swalenbergh, Konrad, Propſt von Gerdene; Albert, Graf
von Swalenbergh ; Burchard von der Aſſeborch, Albert von
Amelungeſſen der Ältere, Ecbert Spegel, Raven von Rapen-
hem der Altere, Ritter.
Act. et dat. 1295. III Jdus Mart.
Kopialb. des Kloſters Willebadefjen im Stadtarchiv
zu Dortmund fol. 22.
Gedr.: Ajjeburger U-B. I ©. 305 Nr. 480.
Kericwellede, Kerdwellede, Wellede ift das Kirchdorf
Welda im Kreiſe Warburg.
Albachteſſen war eine Anfiedlung zwiſchen Pedelsheim,
Helmern und Borlinghaufen. Seit 1506 hatte die Stadt
Pedelsheim die Marf und das Gut zu Albaren vom Klofter
Willebadefjen in Baht. Auch die Einwohner von Helmern
bejagen Grunditüde im Albarer: Felde. Die Pedelsheimer
erneuerten 1534 mit dem Klojter den Pachtvertrag: „Anno
XCVXXXIIH op Dad Marci evang. hebben de van
Peckelſen erſchenen to Wilbodeffen, umme te Albachteſer
Marke up dat nigge to wynnen to ji.“ Vergl. Ztſchft.
Bd. 38b ©. 107 und Willebadejjer Klofterarhiv im Bejike
des Freiherrn von Wrede.
Nr. 81.
1295. Dezember.
Die Brüder Günther (sancte Magdeburgensis ecclesie
thesaurarius et prepositus AÄngariensis), Adolf und
Albert, Grafen von Schwalenberg, ſchenken dem Kloiter
Brenkhaufen das Gut Derenborn und den Zehnten dajelbit,
die Ritter Burchard genannt von der Ajjeburg, von ihnen
zu Lehn trug, mit der Verpflichtung, daß der Gonvent ein
13*
196
— Wachs für ihre Kapelle auf der Burg Sualenberg
iefere.
Act. in Sualenberg 1295 mense Decembri.
Unter den Zeugen: Sohannes, Prieiter und? Mönd
de Monasterio (Marienmüniter).
Nah dem Driginal im Stadtardive zu Brakel gedr.:
Wigand, der Corveyſche Güterbefig ©. 219 und Afjeburger
1.8. I ©. 308, Nr. 485.
Nr. 82.
1296. Septemb. 9.
Alrad, Abt de monasterio iuxta Sualenberg, be=
fundet, daß das feiner Kirche gehörende Haus zu Oderdiffen
im Kirchipiel Laghe dem Grafen von Sternberg rüdjichtlich
der Bogtei dejjelben jährlih nur 18 solidi (Scillinge) und
nicht mehr zu zahlen habe.
Dat. V Jd. Sept. 1296.
Driginal im Staatsarhiv zu Münjter, Kloft. Marien:
feld; Siegel des Abts erhalten.
Gedr.: Ztichrft. Bd. 9 ©. 81. Vergl. Wilmans, Weitfäl.
0.8. III Nr. 1556 (Regeft) und Lipp. Neg. I Nr. 455.
Nr. 83.
1296. Septemb. 18.
Abt Alrad und der Gonvent de monasterio iuxta
Swalenberch verfaufen dem Klofter Marienfeld ihr Haus
zu Oderdyſſen im Kirchſpiel Laghe für 18 Mark Herforder
Denare.
Act. et dat. 1296 XIIII Kal. Octobr.
Driginal im Staatsarhiv zu Münfter, Kloft. Marien-
feld; die Siegel des Abts und Convents gut erhalten. Vergl.
Wilmans, Weit. U.B. III Nr. 1557 (Regeit.)
Nr. 84.
1298.
Alrad, Abt des Klofter® apud Sualenberg, Arnold,
Propſt in Wilbodefjen, Gertrud), Priorin und der dortige
197
Convent befunden, daß nachfolgende Einkünfte von altersher
zur Klofterfammer gehören, nämlich der dritte Teil der Ein-
fünfte der Curie in Drivere und ein Haus (domus) in
Soltfoten. Bon den Gütern in Efjento empfängt die Kammer
jährlich eine Mark, ferner gehören dazu eine Hufe in Großen:
Nörde, una casa (Kotten) in Ecerve, zwei Hufen in Himel—
bofen, eine Curie in Gunterjen und aus den Einkünften
einer Mühle, Bredenmule genannt, 9 Schillinge. Weil aber
diefe Einkünfte nicht ausreichen, werden noch hinzugelegt:
1 Hufe und 1 Haus in Nihem, 2 Curien in Edelerjen,
1 Hufe in Titmannefjen, 1 Curie in Overde und 1 Kotten
dajelbit, 1 Curie in Wellede und der dortige Zehnten, welchen
Herr Ravenno jelig (von PBapenheim) und Propſt Arnold
um 160 Mark erworben haben, ſowie der Zehnten in Al:
bachtejjen, der 85 Mark gefoftet. (Vergl. Nr. 80.)
Act. et dat. 1298.
Driginal des Willebadefjer Archivs im Beſitze des Frei-
berrn von Wrede; die Siegel des Abts, Conventes und
Propſtes noch erhalten.
Drivere oder Drewere eine ausgegangene Drtichaft in
der Nähe von Salzkotten, wo jpäter die Dredburg entitand,
welche heute im Volksmunde noch „Drewer“ heißt. Vergl.
Ztſchrft. Bd. 35b ©. 121 ff. Himelhofen (wüſt) lag zwiſchen
Gut Lake und Helmern, wo ein Flurname „Himelſen“ vor:
fommt, und Gunterſen (wült) in der Nähe von Altenheerje.
Nr. 85.
1298.
Alrad, Abt des Klofter® apud Sualenberg, Arnold,
Propft, Gertrud, Priorin und der Convent zu Wilbodeffen
jegen jeft, daß der Kämmerer aus den Kammergütern ihnen
und den Klofterfrauen (dominabus) jährlid Folgendes
liefern fol: Am Seite Allerheiligen dem Abte 3 Schillinge
für Morgenichuhe, dem Propite eine Mark für Winterkleider
und jeder der 20 Klofterfrauen 2 (Baar) Morgenichuhe oder
3 Schillinge; ferner am Feſte des Hl. Andreas (30. Nov.)
jeder Klofterfrau 10 Ellen Tuch oder 32 Denare; am Felte
der hl. Apojtel Philippus und Jakobus (1. Mai) jeder der
20 Klofterfrauen 4 Schillinge zur Anſchaffung der Unterkfleider
198
(ad tunicas comparandas); auf Jakobi (25. Juli) jeder
Klofterfrau 8 Schillinge zur Anſchaffung der Pelze. Ferner
erhalten am Tage vor Palmjonntag die einzelnen Kloſter—
frauen 18 Denare für Sommerjchuhe und zur entiprecdhenden
Zeit für Winterſchuhe 2 Scillinge.
Act. et dat. 1298.
Driginal des Willebadefjer Archivs im Beſitze des Frei-
herrn von Wrede; die Siegel des Abts und Convents er-
halten, des Propſts dagegen zerbroden.
Letztes Vorkommen des Abts Alrad von Marienmüniter.
Nr. 86.
1299. Inni 4.
Dtto (Gr. von Rietberg), Biſchof von Paderborn, trennt
mit Genehmigung Winands, Rektors der Kirche zu Nihem,
von diejer die Kirche zu Pommeſſen (Pömbſen) und legt
zu legtgedadhter Pfarrkirche die Dörfer Pommeſſen, Merl:
hujen (Merlsheim), Reileſſen (Reelſen), Bovenhufen,
Baddenhujen, Erdermiffe, Bedenburen, Schonenberghe
(Schönenberg), Piddenhufen, Loehof, Saccejjen, Gelinctorp
und Emmerke nebjt 44 Morgen (iugera) Landes um das
Dorf Pommeſſen zum Unterhalte des dortigen Rektors, zur
Pfarrkirche in Nihem aber die’ Stadt Nihem, die großen
und fleinen Zehnten zu Emmerfe und Saccefjen nebſt 15
Viertel triplieis annone jährlid in Ermwordeſſen.
Act. et dat. Nihem fer. V ante festum Pentecostes
1299.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 59.
desgl. zu Detmold fol. 23.
Mangelhafter Drud Ztichrft. Bd. 31b ©. 83; vergl.
Lipp. Reg. III Nr. 1509 und Oeynh. Reg. INr. 5. Wegen
diejer und der folgenden Urfunde vergl. noch die Abhand—
lungen von Dr. Krömefe zur Geſchichte von Nieheim und
Pömbſen Ztichrft. Bd. 316 ©. 1 ff. und Bd. 32 ©. 117 ff.,
wo auch an letterer Stelle die DOrtichaften näher behandelt
find. Baddenhujen lag nordöftli von Alhaufen, Bedenburen
nordweftl. von Reelſen, Biddenhufen öftlih von Merlsheim
am Wege nad Nieheim. Loehof dürfte in der Nähe von
Pömbjen zu fuchen fein, wo es eine Feldflur „up’m Lauwe“,
199
das vielleiht von „Lauhuove“ (Lohof) herfommt, giebt.
Saccefjen, wofür auch Satifen oder Zaddeſſen geichrieben
wurde, muß zwiſchen Nieheim und Merlsheim am Südholze
gelegen haben, wo noch das Satzer Feld befannt ift. Ge—
linctorp iſt nicht nachzumweifen, es jei denn, daß dieſer Ort
mit Melentorp, zwiſchen Pömbſen und Nieheim, gleichbe-
deutend wäre.
Nr. 87.
1300. Febr. 28.
Biſchof Dtto von Paderborn beſtimmt nad) der Teilung
der Pfarreien Pommeſſen und Nihem, daß die Kirche Nihem,
rüber Filiale von Pommeſſen, auch als Mutterkirche der
Kapelle in Ermwordeſſen gelten folle, welche früher als
Filiale von Pommeſſen nah Urkunde Biſchofs Bernhard IV.
an die dortige Kirche jährli 15 Viertel triplicis annone
geben mußte, und daß dieje Lieferung von gedachter Kapelle
nunmehr auf Michaeli jeden Jahres der Kirche zu Nihem
oder ihrem Pleban geleiftet werde. Wird das vernadjläjligt,
jolen Kapelle und Parochianen zu Ermmordeffen wie
Parochianen der Kirche zu Nihem angejehn werden.
Dat. dominica Invocabit 1300.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 60.
deögl. zu Detmold fol. 23.
Mangelhaft gedr. Zeitichrift Bd. 31b ©. 84.
Nr. 88.
1300. Dftober 5.
Herbold von Amelungeßen, Ritter, und Alheidis feine
Frau befunden, daß fie auf den „Zehnten der Ader zu Bruns:
gergen, der dem Klofter in Gerdene gehört, und welchen
biefeg vom Bifchof Otto von Paderborn erworben hat, aus
—— zum dortigen Propſt Konrad Verzicht geleiſtet
aben.
Zeugen: Burchard (Pleban) von Holthuſen (bei Nieheim),
Johannes, Kaplan zu Nyhem, Prieſter; Werner Somerfalf,
Roland von Holthufen, Ambrofius von Gerdene, Knappen;
Bertold der Alte von Addefjen, Hermann von Horne, Albert
von Addeſſen, Bürger zu Nhym.
200
Dat. 1300 in die Meinulfi confess.
Gehrdener Kopialb. fol, 32b D. 30.
Diefe Urkunde, ftreng genommen nicht hierhergehörend,
bat deshalb Aufnahme gefunden, weil fie zur Geſchichte von
Nieheim Einiges enthält.
Brungerien lag in der Nähe: von Nieheim in dem
Thale nah Pömbſen zu, wo die Flurbezeihhnungen „Brunſer
Feld und Brunjer Waller” daran erinnern.
Horne ijt nicht die lippiiche Stadt Horn, jondern dürfte
in der Nähe von Nieheim zu juchen fein. Vergl. Zeitichrift
Bd. 38b ©. 107.
(Fortfegung im nächſten Bande.)
VI.
Chronik des Vereins
für
Geſchichte und Alterthumskunde
Weſtfalens.
(Abtheilung Paderborn.)
Nachdem vor zwei Jahren zu Brilon die legte General:
Berfammlung abgehalten war, fand diejelbe in diefem Jahre
am 11. September zu Wiedenbrüd ftatt. Es hatten fich
27 Mitglieder aus nah und fern und eine noch viel größere
Anzahl von Freunden des Vereins eingefunden, jo daß jchon
vor Beginn der Verjammlung der dafür rejervirte Eleinere
Saal des Gejellenhaufes vollftändig befegt war, und einige
ipäter Eingetroffene nur noch mit Mühe ein Plätchen er:
langen fonnten. Bon Auswärtigen nahmen u. U. Theil die Her:
ren Oberfammer: und Juſtizrath Quenſel aus Rheda und
Gymnaſial-Director a. D. Dr. Hölſcher aus Redlinghaufen.
Nah Eröffnung der Berfammlung durch den Vereins:
Director ſprach zunächſt Herr Bürgermeifter Brüggemann
den Dank der Stadt Wiedenbrüd aus für die Wahl der
Stadt als Verjammlungsort und hieß die Gäfte herzlich
willlommen. Sodann eritattete der Director einen kurzen
Bericht über die Gejchichte des Vereins, feine Hauptzwecke
und insbeſondere jeine augenblidlihe Thätigfeit. Derjelbe
fonnte die erfreulihde Mittheilung machen, daß ein gutes
Stüd von dem Programm, welches der Verein für feine
Thätigfeit in feinem Bezirk jih entworfen, im Ganzen und
Großen nunmehr erfüllt jei, jo namentlich die genaue Felt:
ftellung der untergegangenen Ortjchaften und die Erforſchung
der alten Erbwälle und Landwehren. Die Firirung der
202
alten Sagen und Traditionen, ſowie das BVerzeichnen der
Namen der Feldfluren foll jett als weitere Arbeit feitens
des Vereins jofort in Angriff genommen werben.
Nach diefem allgemeinen Bericht hielt Herr Poſtſekretär
Stolte aus Paderborn einen bodinterejfanten Vortrag
über die Geidhichte der Stadt Wiedenbrüd im Anſchluß an
die Geſchichte des Amtes Reckenberg und der Grafichaft
Rheda. Die Verfammlung laufchte mit geipanntejter Auf:
merkſamkeit dem fait einftündigen Vortrage und belohnte den
Redner mit reihem Applaus.
Ein Ehrenmitglied des Vereins, Herr ©. Aug. B. Schie—
renberg, früher bis zu Anfang der fünfziger Jahre Bürger:
meilter von Horn in Lippe, jegt in Frankfurt a. M. woh—
nend, war nicht bloß zu diefer Verfammlung herübergefommen,
jondern hatte aud) die Freundlichkeit, fein neueftes Schriftchen:
„Die Räthjel der Varus-Schlacht oder Wie und Wo
gingen die Legionen des Varus zu Grunde” in vielen
Eremplaren, mit der ausdrüdlichen Widmung für die Ber:
ſammlung verjehen, zu überreichen.
Das vorbereitende Comite in Wiedenbrüd hatte ſodann
durch eine Ausftellung von alten Kunftgegenftänden
der mannigfaltigften Art den Mitgliedern der Verfammlung
einen bejondern Genuß bereitet. Es war auögeftellt die
große Münzfammlung des Herrn Uhle aus Wiedenbrüd,
ein Reliquienjchrein der Franziskaner (aus dem Klofter Ab:
dinghof ftammend), ein Vokal des Abtes von Clarholz, gol-
dene und jilberne Schmudjahen und Gefäße, alte Arbeiten
in Filigran, künſtleriſche Stidereien in Gold und Silber,
darunter eine Weſte eines Grafen v. Kaunitz, Elfenbein:
Ichnigereien, — welde Gegenjtände die beſondere Aufmerk—
jamfeit auf jich zogen. Es feien noch erwähnt Produkte der
alten Töpferei und Porzellan: Manufaktur, getriebene und
gegoffene zinnerne und fupferne Geräthe, Teller und Schüffeln,
jowie auch Krüge; nicht minder Holzfchnigereien mit Funft:
203
vollen Beichlägen, meiſtens aus bäuerlichem Belite, gußeiferne
Theile von alten Defen mit Wappen und anderen finnvollen
Figuren; alte Bilder auf Glas gemalt, viele werthvolle
Kupfer und andere Bilder, darunter eine Driginal-Radirung
von Rembrand; es fehlten auch nit alte Drude der
interefjanteften Art, jo 3. B. war ein Buch in Buntdrud
aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts vorhanden, „Alt:
vaterbuch” betitelt, mit einem Paffionale ald Anhang. Wenn
jelbitverftändlich nicht alles erwähnt wird, jo geht aus dem
Angeführten zur Genüge hervor, daß die aus dem engiten
Kreife zujammengetragene Ausftelung nicht bloß die vollite
Anerkennung der Berfammlung erfuhr, jondern auch eine
neue Anregung gab, die Ausfindigmadhung und Gonfervirung
folder Gegenitände der alten Kunft ins Nuge zu falten. Bei
jolden Gelegenheiten wundern ſich die Veranitalter der Aus:
ftellung jelbft, was für eine Menge präcdtiger und höchſt
intereffanter Gegenftände fich im verborgenen Belige Einzelner
befinden. Neben den Kunjtgegenjtänden aus alter Zeit,
waren aber auch foldhe der Wiedenbrüder Meifter aller:
neufter Zeit, wie fie fich zufällig gerade in deren Ateliers
in Arbeit vorfanden, ausgejtellt; Altäre, Skulpturen, gemalte
und plaftifch gearbeitete Bilder, Gegenitände der Schmiede-
funft, ein Tabernafel und Armleuchter; alles trägt zu dem
Rufe, den fih die Wiedenbrüder Meifter ſchon erworben
haben, ein Weiteres bei. So hatte denn die ganze Aus:
ftellung für die Veranftalter auch die Genugthuung des zahl:
reihen Bejuches und allgemeinen Beifall$; auch Se. Durch—
laut der Fürjt von Rheda hat fie mit feinem Beſuche
beehrt.
Die Belihtigung der Ausftellung’und die Verhandlun-
gen und Vorträge hatten denn auch geraume Zeit in An:
Iprud genommen, jo daß erit gegen 2 Uhr das gemeinfame
Mahl im Hötel Gelhaus beginnen konnte. Am Schlufje
desjelben lud der anweſende Herr Propſt Evers aus Soeſt den
204
Verein für das nächſte Jahr nah Soeſt ein und verſprach
demfelben auch dort wie in Wiedenbrüd einen angenehmen
und imterellanten Tag bereiten zu helfen. Die Einladung
wurde mit großem Beifall aufgenommen. Nach beendetem
Mahle, wobei ſelbſtverſtändlich die üblihen Toafte nicht
fehlten, machten die meijten anmwejenden fremden Gäfte einen
Rundgang dur die Stadt, geleitet von Herrn Bürger:
meilter Brüggemann und den übrigen Comite:-Mitgliedern.
Hierbei wurde mit großem Wohlgefallen wahrgenommen,
daß fich der dortige Verſchönerungs-Verein die Erhal-
tung der alten Inſchriften und Skulpturen an den noch
zahlreich vorhandenen alten Häufern mit ausladenden Giebeln
— darunter jolche, die die Jahreszahl 1549 tragen — an:
gelegen jein läßt. Gegen 5 Uhr fuhr ein Theil der Ber:
lammlung nah Rheda, um die in ihrer Art ziemlich einzig
daltehende Kapelle in den nördlichen Thurm des fürftlichen
Schlojjes dafelbft zu bejichtigen, wozu Se. Durdlaudt in
huldvoller Weije die Erlaubniß gegeben. Um 6 Uhr begann
dann eine gemüthliche Vereinigung im Saale des Herrn
Tedlenborg.
So war der erite Tag programmmäßig und alle zu:
friedenjtellend verlaufen. Am zweiten Tage betheiligten jich
recht viele Herren an einer Fahrt nad) Bielefeld und zum
Sparenberge. Um 9 Uhr in Bielefeld angefommen, wurden
dDiejelben von Herrn Kaufmann Delius empfangen und
durch die Stadt geleitet, um zunächſt die Kirchen und einige
merkwürdige Häufer zu beiichtigen. Herr Bürgermeijter
Banſi gejellte jich alsbald felbjt den fremden Gäften zu,
und nachdem diejelben noch unter freundlicher Führung des
Herrn Paſtor Jordan die Neuftädter Kirche bejichtigt hatten,
begaben fie fih zum Sparenberge. Die Bielefelder Herren
hatten dort die Bewirthung der Gäfte vorgejehen, und nad
dem man fich erquidt hatte, durchwanderte man die mit
Fackellicht erhellten unterirdiichen Gewölbe der Sparenburg.
205
Es verdient gewiß Anerkennung, daß die Stadt Bielefeld
diejen hiltoriich und baulich jo intereijanten Drt erhält und
die neue Sparenburg jo ftilgereht an Stelle der alten auf:
geführt hat. Leider geftattete der Nebel feine freie Ausficht,
jo daß die Gejelichaft auf diefen Genuß verzichten mußte.
Herr Landrat von Ditfurth und andere Bielefelder
Freunde des Vereins begrüßten die Gejellichaft ebenfalls auf
dem Sparenberge, und jo war aud) das Programm des zweiten
Tages Dank der großen Zuvorkommenheit der geehrten
Bielefelder Herren und Freunde zur angenehmen Befriedigung
der Vereinsmitglieder verlaufen.
Bon den Bereinsmitgliedern wohnten folgende Herren
der Berjammlung bei: 1) Kgl. Kreis-Bau-Inſpector Bier:
mann aus Paderborn, 2) Caplan Brügge aus Meſchede,
3) Pfarrer Dettmer aus Herford, 4) Pfarrer Fleige aus
Hellinghaufen, 5) Seminar:Director Engelb. Sreusberg
aus Büren, 6) Geh. Juſtizrath Haſſe aus Paderborn,
7) Caplan v. Heejen aus Marienmünfter, 8) Muſiklehrer
Heinze aus Büren, 9) Profeffor Dr. Hölſcher aus Herford,
10) Landgerichtsrath a. D. Hüffer aus Paderborn, 11)
Vereinsdirector Caplan Dr. Mertens aus Kirchbordhen,
12) Caplan Botthaft aus Minden, 13) Apothefer Rave
aus Nieheim, 14) Kgl. Kreis-Schul-Inſpector Schallau
aus Soeft, 15) ©. Aug. B. Schierenberg aus Frankfurt
a.M., 16) Bilar Schulte aus Erwitte, 17) Dr. med.
Xaver Shupmann aus Gefefe, 18) Pfarrer Simon aus
Stendal, 19) Banyquier Carl Spanden aus Paderborn,
20) Boitjefretär Stolte aus Paderborn, 21) Bau-Unter—
nehmer Caspar Tenge aus Paderborn, 22) Juſtizrath
Vennemann aus Paderborn, 23) Maler Volkhaufen
aus Paderborn, 24) Pfarrer Werntze aus Steinhaufen,
25) Kgl. Kreis:Schul-Infpector Dr. Winter aus Paderborn,
26) Maler Wittfop aus Lippftadt, 27) Apothefer Wüfthoff
aus Paderborn.
206
Auf der Verfammlung traten nacdftehende Herren dem
Berein ald neue Mitglieder bei:
1. Kol. Kreis-Schul-Inſpector Brand in Büren.
. Bildhauer Theod. Brodhende in Wiedenbrüd.
. Bürgermeifter Brüggemann in Wiedenbrüd.
. Kaufmann Brenken in Wiedenbrüd.
. Bropft Evers in Soeſt.
. Seminar:Öberlehrer Göppner in Rüthen.
. Maler Georg Goldkuhle in Wiedenbrüd.
. Pfarrer Kühlmann in Berl.
9. Pfarrer Mittrop in Ermitte.
10, Bildhauer Ant. Mormann in Wiedenbrüd.
11. Kol. Landrath Dr. Dfterrath in Wiedenbrüd.
12. Dr. med. Sahlmen in Wiedenbrüd.
13. Pfarrer Weftermeyer in Haarbrüd.
Die Gejammtzahl der Vereingmitglieder beträgt gegen-
wärtig 325.
oO 1 O9 m wm
Einen ſchmerzlichen Verluft erlitt der Berein dur den
am 6. Januar d. %. erfolgten Tod des Herrn Profejjor
Hüljenbed, DOberlehrer am Gymnafium zu Paderborn,
welcher jeit 1858 dem PBerein ala Mitglied angehörte und
jeit 1880 im Borftande das Amt eines Bibliothefars ver-
waltete. Die Bibliothef fand unter ihm eine ſachgemäße
Aufitellung und bedeutende Vermehrung. Auf dem Gebiete
der Gefhichte und Alterthumswiſſenſchaft befaß der Hinge-
ſchiedene ein reiches, umfafjendes Willen und legte dies in
verjchiedenen Schriften nieder. Außer mehreren linguiftischen
Abhandlungen erfchienen von ihm: 1) Die Wohnfige der
germaniihen Marjen. Brogrammabhandlung. Paderborn 1871.
— 2) Das römische Kaftell Alijo an der Lippe. Paderborn
1873. — 3) Die Theodorianiiche Bibliothek zu Paderborn.
Programmabhandlung. Paderborn 1877. — 4) Die Gegend
207
der Varus-Schlacht nach den Quellen und Lokalforſchungen.
Desgl. Baderborn 1872. — Unter großem Gefolge wurde
am Nacmittage des 9. Januar feine Leihe zu Grabe ge:
tragen; in der DVereinsverfammlung am Abende desſelben
Tages widmete der BVereinsdirector den Berftorbenen einen
warmen und ehrenden Nachruf. Wie bei allen feinen Freun-
den, jo wird auch im Verein jein Andenken unvergefjen bleiben.
In dem Winter-Semefter wurden in den Lokalver—
jammlungen zu Baderborn naditehende Vorträge
gehalten:
1) ‚Ueber die Veme“ von Herrn Gymnafial-Director
Dr. Hechelmann.
2) „Hermann II, Bischof von Münſter“ von demjelben.
3) „Blide auf Paderborn, ein Menjchenalter nach dem
30jährigen Kriege” von Herrn Freiheren von
Ledebur-Wicheln.
4—5) „Johan Steinwert vulgo Grumelkut, genannt
Jan von Soeſt, ein weſtfäliſcher Muſikus und
Medicus des 15. Jahrhunderts‘ von Herrn Pro:
feſſor 9. Kotthoff.
6) „Der Dom zu Paderborn, feine Baugejchichte und
Bauformen” von Herrn Baurath Gülden:
pfennig.
7) „Der Baderborner Domthurm und feine Reſtauration“
von demielben.
8) „Neue Forfhungen und Aufflärungen über Dietrich
von Niem’ von Herrn Privatdocent Dr. Finke
aus Münſter.
9) „Die Erterniteine, ihre Geihichte und ihre Bildwerke“
von Herrn Vereind:Director Dr. Mertens.
An Geſchenken erhielt der Verein:
von Sr. Ercellenz dem Ober: Prälidenten Herrn v. Hage—
meifter zu Münfter: v. Wuſſow, Die Erhaltung der
208
Denkmäler in den Kulturftaaten der Gegenwart, 2 Bde.
Berlin 1885; — 9. Landois u. B. Vormann, Weit
fäliihe Todtenbäume und Baumſargmenſchen; — Merk:
buch, Alterthümer aufzugraben und aufzubewahren.
Berlin 1888; — Kurzgefaßte Regeln zur Conjervirung
von Alterthümern; — eine filberne Medaille, geprägt
zur Erinnerung an die Grunbdjteinlegung des Schloſſes
zu Münjter (1767);
von Heren Domlapitular Bieling in Paderborn: Geſchichte
des Matthäisfalands in Braunſchweig;
von Herrn Gymnaliallehrer Dr. End in Baderborn: eine
alte Karte des Paderborner Landes;
von Herin Kaufmann Rud. Ullner in Paderborn: ver:
ihiedene Bildwerfe;
von Herrn Apotheker Fromm in Paderborn: ein Jahrgang
des Paderb. ntelligenzblattes;
von Herrn Landgerichtsrath Georg v. Detten in Paderborn
deſſen Schrift: Münfter in W. Münſter 1887;
von Herrn Apothefer Edm. Rave in Nieheim deſſen Schrift:
Nieheimer Schüpengejellihaft. Paderborn 1885;
von Herrn Landdehant Mönnig in Weltönnen: Kalender
vom J. 1750;
von Herrn Geh. Ober-Juftizratd a. D. D. Preuß in Det:
mold: D Weerth u. E. Anemüller, Lippiſche Biblio-
graphie. Detmold 1886;
von Frau Gräfin von Oeynhauſen in Berlin: Ge
Ichichte des Gejchleht3 von Deynhaufen, 2. Theil. Frank:
furt a. M. 1887;
von Herrn ©. Aug. B. Schierenberg in Frankfurt aM.
deſſen Schrift: „Die Kriege der Römer zwiſchen Rhein,
Weſer und Elbe unter Auguftus und Tiberius“, Frankfurt
a. M. 1888; — photographiſche Abbildung des Diptychons
209
der Herzogin Ageltrude von Spoleto im Vatikaniſchen
Mufeum zu Rom (9. Jahrh., 2 Blätter);
von Herrn Amtmann Unfraut in Brilon: Stammbud der
Familie Seiberg zu Wildenberg u. Brunscappell (Ge:
drudtes Manufcript für Verwandte.) 1847;
von Herrn Marine-Oberpfarrer Wiefemann in Kiel: meh:
rere japaneſiſche Gegenſtände.
Allen Geſchenkgebern wird hiermit der verbindlichſte
Dank ausgeſprochen.
Kirchborchen bei Paderborn, 15. September 1888.
Mertens.
XLVI. 9. id
VI.
Perſonalbeſtand
des Vereins für
Geſchichte und Alterthumskunde
Weſtfalens.
Abtheilung Paderborn.
September 1888.
Curator des Vereins:
Se. Excellenz Herr von Hagemeiſter, Königl. Ober-Präſident
10
der Provinz Weſtfalen.
Vorſtand:
Director: Dr. Mertens, Caplan in Kirchborchen bei
Paderborn.
Sekretär: H. Kotthoff, Profeſſor in Paderborn.
Rendant: C. Spancken, Banquier in Paderborn.
Bibliothekar u. Archivar: Stolte, Poſtſekretär in Paderborn.
Vorſtand des Muſeums: Ahlemeyer, Rendant in
Paderborn.
Ehren-Mitglieder:
Se. Excellenz Herr von Hagemeiſter, ſ. oben.
Ferner:
von Bocholtz-⸗Aſſeburg, Joh., Graf, Godelheim.
von Eichhorn, Regierungs-Präſident a. D., Berlin.
Falkmann, Geh. Arhivrath, Detmold.
Holſcher, Pfarrer u. Superintendent, Horka (in Schlefien).
von Löher, Dr., Reichs-Archiv-Director, München.
von Lübfe, Dr., Brofeffor, Carlsruhe.
von Metternich, Freiherr, Landrath a. D., Geh. Re
gierungsrath, Hörter.
211
Potthaft, Dr., Bibliothefar des Deutichen Reichstags,
Berlin.
Preuß, D., Geh. Ober-Juftizrath a.”D., Detmold.
Schierenberg, ©. Aug. B., Frankfurt a. M.
Weingärtuer, Kreis-Gerichts-Director a. D., Münſter.
Wirkliche Mitglieder:
Altftädt, Biichöfl. Caplan, Paderborn.
Auffenberg, Caplan, Lippftadt.
20 Badorff, Hub., Buchhändler, Paderborn.
30
Balkenhol, Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn.
Balfenhol, Dr., Gymnafial:Oberlehrer, Bochum.
Barfholt, Dr., Gymnafial-Oberlehrer, Warburg.
Bathe, Pfarrer, Hudarbe.
Baumann, Architeft, Paderborn.
Bender, Amtögerichtsrath, Siegen.
Benjeler, Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn.
Bergeuthal, Geh. Commerzienrath, Waritein.
Bergmann, Vilar, Medelon.
Bergmann, Kgl. Oberförfter, Büren.
Berhorſt, Dr., Generalvifar u. Domdehant, Paderborn.
Biederbef, Dr. med., prakt. Arzt, Niedermarsberg.
Bieling, Domlapitular, Paderborn.
Bindel, Gymnaſial-Oberlehrer, Schalte.
Biermann, Kgl. Kreis:Bau-nipector, Paderborn.
von Biſchoffshauſen, Freiherr, Landrichter, Paderborn.
Blad, Director, Bahnhof Brilon.
von Bocholt-Afjeburg, Dietrih, Graf, Hinnenburg.
Böhmer, Dr., Gymnafial:Oberlehrer, Warburg.
40 Böſch, Carl, Oberlehrer, Jlfeld am Harz.
Böſe, Ober:Rentmeijter, Mejchede.
Bonsmann, Pfarrer, Geſeke.
Brand, Kol. Kreis-:Schul-Infpector, Büren.
Brand, Kaufmann u. Gutsbejiger, Xippftadt.
14*
212
Bredemann, Domvifar, Paderborn.
von Brenfen, Hermann, Freiherr, Wewer.
Brenfen, Kaufmann, Wiedenbrüd.
Brieden, Dr., Gymnafial:Oberlehrer, Arnsberg.
Brill, Pfarrer, Stodum.
50 Brinfmann, Pfarrer, Grevenftein.
60
70
Brisfen, Landgerichtsrath, Arnsberg.
Brodhende, Theodor, Bildhauer, Wiedenbrüd.
Brockhoff, Nector, Ramsbed.
Brügge, Caplan, Meſchede.
Brüggemaun, Bürgermeiſter, Wiedenbrück.
Brüning, Amtmann, Vasbach bei Kirchhundem.
Brußkern, Dr., Gymnaſial-Director, Attendorn.
Buchholtz, Buchhändler, Hörter.
Büchel, Gymnafial-Oberlehrer, Hörter.
Büeufeld, Vikar, Nudersborf.
von Cauſtein, Dr., Freiherr, Berlin.
Capune, Gymnaſiallehrer, Warburg.
Cappell, Landgerichts-Director, Paderborn.
Carpe, Kgl. Baurath, Brilon.
Carthaus, Emil, Dr., 3. 3. in Sumatra.
Gramer, Pfarrer, Lippftadt.
von Dalwigk, Freiherr, Lieutenant, Greifswald,
Deder, Primiſſar, Halingen.
von Detten, Landgerichtsrath, Paderborn.
Dettmer, Pfarrer, Herford.
Deumling, Amtsrichter, Paderborn.
Diſſe, Dr. med., Sanitätsrath, Höxter.
Dijien, Aug., Pfarrer, Schildeſche.
von Donop, Freiherr, Haus Wöbbel.
Dreps, Pfarrer, Niederwenigern.
Dreisbuſch, Stadtcaplan, Brilon.
Drobe, Dr., Bischof von Baderborn, Paderborn.
von Drojte-Hülshoff, Carl, Freiherr, Hamborn.
213
-— |
Dürre, Dr., Gymnafial-Director, Wolfenbüttel.
80 Eickhoff, Brauerei-Director, Paderborn.
Eggers, Dr., Gymnafiallehrer, Warendorf.
End, Dr., Gymnafiallehrer, Paderborn.
Engels, Dr. jur., Referendar, Paderborn.
Engels, Wilh., Eifenbahn-Bureau-Affiftent, Paderborn.
Efjer, Joſ., Buchhändler, Paderborn.
Everfen, Rechtsanwalt, Paderborn.
Evers, Rechtsanwalt, Warburg.
Evers, Propit, Soeft.
Falke, Rector, Beverungen.
I0 Fecke, Pfarrer, Erfeln.
100
110
Federath, Dr. jur., Kol. Landrath, Brilon.
Fiſcher, Amtsgerichtsrath a. D., Baberborn.
Fischer, Vikar, Wefternkotten.
Fiſcher, Alb., Kaufmann, Brilon.
Flechtheim, Jul., Kaufmann, Brakel.
Fleige, Pfarrer, Hellinghaufen.
Freusberg, Dr., Weihbifhof, Paderborn.
Freusberg, Engelb., Seminar:Director, Büren.
Freusberg, Kol. Landrath, Olpe.
Friedläuder, M., Buchhändler, Brilon.
von Fürftenberg, Egon, Graf, Ercellenz, Erbtruchieß
im Herzogth. Weftfalen, Herdringen.
von Fürſteuberg, Leopold, Freiherr, Körtlinghaufen.
Fütterer, Dr., Gymnaiial-Oberlehrer, Paderborn.
Gemmefe, Caplan, Borgholz.
Gierſe, Pfarrer, Lütgeneder.
Godel, Pfarrer u. Landdehant, Warftein.
Gödde, Caplan, Dortmund.
Goldfuhle, Georg, Maler, Wiedenbrück.
Göppner, Seminar:Oberlehrer, Rüthen.
Grüe, Pfarrer, Borghol;.
Güldenpfennig, Kgl. Baurath, Paderborn.
214
m —
Günther, Pfarrer, Nieheim.
Gunft, Gutsbeiiger, Hembjen.
Hake, P., Conrector, Mejchede.
Hartmann, Kaufmann, Baderborn.
Hafle, Kaufmann, Paderborn.
Haffe, Geh. Juftizrath, Paderborn.
von Hatthauſen, Alerander, Freiherr, Thienhaufen.
Hehelmann, Dr., Gymnafial-Director, Paderborn.
120 Hegemann, Sparkaffen-Rendant, Warftein.
Hellweg, Franz, Architekt, Paderborn.
Heiner, Dr., Profeffor, Paderborn.
Heinze, Mufiklehrer, Büren.
Heifing, Aug., Kaufmann, Paderborn.
Heitemieyer, Pfarrer, Beverungen.
Henne, Vikar, Oberfirhen (Kr. Mefchede).
van Hees, ©., Litterat, Iſerlohn.
von Heejen, Caplan, Marienmüniter.
Hilfebrand, Pfarrer, Medebad).
130 Hillemeyer, Conr., Stadtrath, Paderborn.
Hogrebe, Pfarrer, Suttrop.
Holle, Regierungs:Afjefor, Hörter.
Holzhanfen, Pfarrer, Warburg.
Honcamp, Redacteur, Paderborn.
Hölſcher, Dr., Profeffor, Herford.
von Hövel, Joſeph, Freiherr, Merlsheim.
von Hövel, Edmund, Freiherr, Herbed.
Hoveſtadt, Caplan, Witten.
Huckemann, Pfarrer, Schmallenberg.
140 Hüffer, Landgerichtsrath a. D., Paderborn.
Hüffer, Detmar, Kgl. Oberförfter, Neu-Böddeken.
Hüfer, Dr., Gymnafial-Director, Brilon.
Ide, Pfarrer, Amelunren.
Jske, Inſpector, Neuenheerfe,
Jacobi, Pfarrer, Miſte.
150
160
170
215
Jeutzſch, Kal. Landrath, Paderborn.
Kayſer, Dr., Dompropit u. Profefjor, Breslau.
von Kanne, Freiherr, Breitenhaupt.
Kelferhoff, Amtsgerichtsrath, Warburg.
Kemper, Pfarrer, Büren.
Kerftens, Kgl. Ober-Amtmann, Domäne Dalheim.
Killian, Waiſenhaus-Inſpector, Paderborn.
Kipshagen, Pfarrer, Hagen.
Kleffner, Dr., Caplan, Paderborn.
Kleffner, HüttensDirector, Niedermarsberg.
Klein, Vikar, Meerhoff.
Kleinſchmidt, Pfarrer u. Landdehant, Warburg.
von Kleinſorgen, Amtsgerichtsrath, Meichede.
Kleinforgen, Joſ., Fabrifant, Brilon.
Kluge, Dr. med., praft. Arzt, Steinheim.
Köhler, Pfarrer, Weitheim.
Kohlſchein, Brauerei:Bejiger, Warburg.
von Köppen, Gutsbejiger, Haus Ringelsbruch.
Köfter, Dr., Referendar, Brilon.
Kotthoff, W., Gymnaſiallehrer, Paderborn.
Kraft, J., Kaufmann, Paderborn.
Kriften, Katafter-Controleur, Paderborn.
Kroll, Propſt u. Ehren-Domfapitular, Arnsberg.
Kropp, Lehrer, Waritein.
Krufe, Ludw., Kaufmann, Ermwitte.
Kuhlmann, NReligionslehrer, Bochum.
Kühlmann, Pfarrer, Berl.
Künne, A., Fabrikant, Altena.
Langenbeck, Oberlandesgerichtsrath, Hamm.
Lappe, Vikar, Kirchhundem.
Larenz, Bürgermeiſter, Beverungen.
Laureck, Dr., Kgl. Kreis-Schul-Inſpector, Hörter.
von Ledebur⸗Wicheln, Freiherr, Paderborn.
Ler, Juſtizrath, Hamm.
180
190
200
210
216
Leifels, Pfarrer, Dörnhagen.
Limberg, Rector, Driburg.
Lohmann, Juſtizrath, Brilon.
Lümmer, Pfarrer, Siddinghauſen.
Lünz, Pfarrer u. Landdechant, Lügde.
Liüttig, Neferendar, Paderborn.
von Mallindrodt, Hermann, Rittergutsbefiger, Böddeken.
von Mallindrodt, Meinulf, Regierungs:Neferendar,
Münfter.
Mantel, Rechtsanwalt, Paderborn.
Marz, Ferd., Dr. med., prakt. Arzt, Ermitte.
Mertensmeyer, Vikar, Langendreer.
von Metternich, Phil., Freiherr, Wehrden.
Meyer, Albert, Gaftwirth, Brakel.
Meyer, Edmund, Pfarrer, Calle.
Meyer, Franz, Domkfapitular u. Geiftl. Rath, Baderborn-
Meyer, Joh., Buchhändler, Brilon.
Mittrop, Pfarrer, Erwitte.
Morfeld, Pfarrer, Berge.
Mormann, Ant., Bildhauer, Wiedenbrüd.
Miller, Pfarrer, Bühne.
Much, Caplan, Dortmund.
Müffen, Franz, Conditor, Paderborn.
Nade, Propft u. Geiftl. Rath, Paderborn.
Nieberg, Heinr., Profeſſor, Brilon.
Niggemeyer, Dr., Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn.
Nottebohm, Pfarrer, Paderborn.
von Oeynhauſen, Freiherr, Kgl. Landrath, Major a. D.,
Büren.
Ortjohann, Gymnaſiallehrer, Müniter.
Dfterrath, Dr., Kgl. Landrat, Wiedenbrüd.
Otto, Dr., Profeſſor, Paderborn.
Pape, Albert, Berlagsbuchhändler, Paderborn.
Pehle, Bau⸗Unternehmer, Lippitadt.
220
230
240
217
Petri, Pfarrer, Kirchborchen.
Peitz, Oberlandesgerichtsrath, Hamm.
Picht, A., Bau:Techniter, Paderborn.
von Pilgrim, Regierungs-Präfident, Minden.
Pieper, Pfarrer, Brenten.
Pieper, Landes: Bau-Infpector, Meichede.
Pieper, Schloß: und Handelsgärtner, Körtlinghaufen.
Platte, Caplan, Nieheim.
Plef, Dr. med., Kreisphyfifus, Brilon.
Poggel, Landdehant u. Ehrendomherr, Witten.
Potthaft, Caplan, Minden.
Potthaft, Dr., Gymnafiallehrer, Neuftadt (Weftpreußen).
Predeek, Heinr., Maler, Paderborn.
Prüffen, Vikar, Schellenberg bei Efjen.
Püttmann, Pfarrer, Pedelsheim.
Quick, Buchhändler, Warburg.
Rammrath, Franz, Ingenieur, Wilmersdorf bei Berlin.
Randebrod, Rud., Kaufmann, Redlinghaufen.
Raßmann, Eifenbahn-Sefretär, Paderborn.
Rave, Edm., Apotheker, Nieheim.
Renting, Dr., Ehrenamtmann, Niedermarsberg.
Reinefe, Gymnafiallehrer, Warburg.
Reismann, Rector der höheren Bürgerichule, Paderborn.
Richter, Gymnafiallehrer, Paderborn.
Richter, Pfarrer und Landdehant, Neuenheerie.
NRiefenftahl, Dr. med., Sanitätsrath, Driburg.
Robitzſch, Gymnafiallehrer, Hörter.
Rod, Vikar, Antfeld.
Röper, Pfarrer u. Landdehant, Menden.
Röper, Dr. med., praft. Arzt, Warburg.
Nofe, F., Negierungsrath, Hörter.
Ruland, Pfarrer u. Geiftl. Rath, Paderborn.
Nummel, Pfarrer, Wormeln.
Sahlmen, Dr. med., praft. Arzt, Wiedenbrüd.
250
260
270
218
Schacht, Dr., Gymnafiallehrer, Lemgo.
Schallan, Kol. Kreis:Schul-Infpector, Soeft.
Scheffer⸗Boichorſt, Dr., Profefjor, Straßburg im Elfa.
Scheele, Geh. Juſtizrath, Hamm.
Schillings, Dr., Profeffor, Paderborn.
Schleutker, Landes:Bausnfpector, Paderborn.
Schlüter, Landrichter, Paderborn.
Schmittdiel, Canonicus, Gejele.
von Schmifing-Kerfienbrod, Zaver, Graf, Brinde.
Schmüder, Amtmann, Lippfpringe.
Schöningh, Ferd., Berlagsbuchhändler, Paderborn.
Schrader, Pfarrer, Natzungen.
Schröder, Erfter Seminarlehrer, Paderborn.
Schulte, Franz Xaver, Dr., Domlapitular u. Profeſſor,
Paderborn.
Schulte, Heinr., Vikar, Ermitte.
Schulte, Aug., Gut3befigeru. Chrenamtmann, Drüggelte.
Schulte, Adolf, Gutsbeſitzer, Günne.
Schulte-Plafmann, Pfarrer, Etteln.
Schüngel, Profeſſor, Warburg.
Schupmann, Xaver, Dr. med., pralt. Arzt, Geſeke.
Schwarze, Rector, Wattenſcheid.
Schwarze, Amtsrichter, Rüthen.
Schwenfer, Caplan, Brakel.
Schwidardi, Amtsrichter, Brilon.
Selle, U., Amtmann, Bigge.
Simon, Pfarrer, Altenheerſe.
Simon, Pfarrer, Stendal.
Sommer, Dr., Seminar:Director, Paderborn.
Spanfe, Rector, Büren.
Spanfe, Pfarrer, Buke.
Spanden, Dr. med., Kreisphyfilus, Mejchebe.
Spanden, Kgl. Oberförfter, Warnow (Infel Wollin).
Spedemeyer, Amtsrichter, Steinheim.
280
290
300
310
219
Stadler, Kaufmann, Paderborn.
Stennes, Amtmann, Lieutenant a. D., Fürftenberg.
Stein, Buchhändler, Arnsberg.
Steinmann, Kol. Regierungs:Baumeilter, Giebolbe:
haufen.
von Stodhanfen, Gutsbefiter, Stodhaufen bei Meſchede.
Strunf, Pfarrer, Hüften.
Suden, Pfarrer, Bonnkirchen.
Tendhoff, Dr., Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn.
Tenge, Caspar, Bau-Uinternehmer, Paderborn.
Tenge-Rietberg, Grafichaftsbefiger, Rietberg.
Terborg, Pfarrer u. Landdehant, Rhynern.
Tilly, Gutspächter, Rheder.
Ullner, Rud., Kaufmann, Baderborn.
Unfraut, Ammann, Brilon.
Baeiter, Pfarrer, Geljenfirchen.
Bennemann Ziuftizrath, Paderborn.
Videnz, Bergrath, Eberswalde.
Vigener, Dr., Profeſſor, Paderborn.
Volkhauſen, Maler, Paderborn.
Vollmar, Pfarrer, Allendorf.
Wagner, Landwirthſch. Wanderlehrer, Haus Bruch bei
Weſthofen.
Wasmuth, Domkapitular, Paderborn.
Welſchhoff, Amtsgerichtsrath, Minden.
Werutze, Wilh. Ant., Pfarrer, Pömbſen.
Werntze, Friedr., Pfarrer, Steinhauſen.
Werra, Profeſſor, Attendorn.
Weerth, O. Dr., Gymnaſiallehrer, Detmold.
Weſtermeyer, Pfarrer, Haarbrück.
von Weſtphalen, Clemens, Graf, Kulm in Böhmen.
Wiedmann, Dr., Gymnaſiallehrer, Paderborn.
Wille, Pfarrer, Brakel.
Wiemers, Kaufmann, Paderborn.
320
220
Wienhufen, Joh., Redacteur, Ejchweiler.
Winter, Dr., Kol. Kreis-Schul-Inſpector, Paderborn.
Wirfel, Pfarrer, Gefefe.
Wiefemann, Marine-Oberpfarrer,, Kiel.
Witfop, Amtmann, Brakel.
Wittfop, Maler, Lippitadt.
Wofer, Dr., Pfarrer u. Landdechant, Halle a. ©.
Wolff, Clem., Apothefer, Baderborn.
Wolff, Kol. Kreis-Schul-Infpector, Brilon.
von Wrede, Freiherr, Willebadefjen.
Wrede, Wilh, Pfarrer, Marienmünfter.
Wrede, Joh., Rector, Meſchede.
Wübbe, Poftverwalter, Obernfirhen (Kr. Rinteln).
Wurm, Dr., Caplan, Lichtenau.
Wüſthoff, Apotheker, Paderborn.
Tafel 1.
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Tafel N.
Aienv Leuis Espagne, Münster Uw
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Zeitſchrift
für vaterländiſche
Geſchichte und Alterthumskunde.
Herausgegeben
von dem
Verein für Geſchichte und Alterthumskunde
Weſtfalens,
durch
deſſen Directoren
Domkapitular A. Tibns um Dr. C. Mertens
in Münfter in Raderborn,
Siebenundvierzigfier Band.
&
Müniter, 1889,
Drud und Verlag der Regensberg’fhen Buchhandlung.
(B. Theiſſing.)
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1
1
Be —
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Erſte Abtheilung
herausgegeben
von Director der Münſter'ſchen Abteilung
Domkapitular A. Eibns.
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I.
Die
Anfänge der Stadt Müniter.
Studien zur Geſchichte
ihrer Entitehung und älteften Verfaſſung
von
H. Geisberg, Aſſeſſor a. D.
a —
J. Die Vorzeit.
Im weſtlichen Sachſen, im Lande der Weſtfalen gab es
früher keine Städte. Wohl gab es Mahalſtätten, wo das
Volk zum Goding und Bodding zuſammentrat und allgemeine
oder beſondere Angelegenheiten berieth und verhandelte; es
woren offene lichte Stellen am Walde, an der Wieſe, an der
Eiche oder jonft, von den Wohnungen fern. Es gab au
Burgen im Lande, doch nur wenige, meiftens feitab gelegen
von der offenen Landichaft, von der Natur zur feiten Anlage
geihaften, von hohen Wällen und Schanzen umzogen, aber
von Menſchen nicht bewohnt, 2) e8 waren Yandesburgen, wo
in Zeiten des Krieges und drohender Gefahr die ganze Volk:
ihaft der Gegend fih und das Ihrige bergen und Schuß
finden konnte. Uebrigens lagen die Wohnungen der Land:
bauer vereinzelt, weithin über die Fluren zerjtreut, das Gehöfde
jelbjt dur den breiten Graben und hohe Zaunpfähle ge:
T) Caesar bell. Gall. 5, 21 jagt: oppidum autem Britanni vocant,
cum silvas impeditas vallo atque fossa munierunt, quo incursio-
nis hostium vitandae causa convenire consueverunt.
9) Der Begriff Burg wurde jpäter auf die Städte übertragen. Im
Heliand Heigt die Stadt Rom Rumuburg, ebenfo Nazaretburg. Dal.
Nordhoff, Holz und Steinbau, v. Hölzermann, Lokalunterſuchungen.
XLVIL 1. 1
2
fichert und befeſtigt. Man hatte gejievelt, wie ſchon Tacitus
jagt, wo der Wald, wo das Feld gefiel und zur Gründung
eines Heim geeignet erichien.
. Bon Diten her, heißt es, war die Einwanderung erfolgt;
Volkſchaften kamen und gingen, ie jievelten, kriegten und
zogen weiter, Uſipeter, Teuchterer, Marien, Eigambrer.
Zwilhen Ems und Lippe ſaßen die Brufterer bis nad) dem
Rheine zu. Im Kriege von den Chamaven überwunden im
3. 98, verloren jie das weſtliche Hamaland. !)
Tie Völker der Franken und Sachſen werden in der
Sejchichte zuerit im J. 287 genannt, eritere am untern
Rheine, legtere von der Weſer öſtlich geſeſſen bis zur Ditiee
bin. In den nächſten Jahrhunderten hören wir von Kriegs—
fabrten der Sachſen, ihren Reiſen zur See, nah den bri—
tiihen Inſeln und deu Küſten des nördlichen Galliens, von
ihren Fahrten zu Lande gegen die Franken oder ins Nömers
land, wir hören ebenjo von den Zügen der Chamaven und
Brufterer, der Bewohner unferes Landes. Es waren meilthin
nur die jungen Mannſchaften, die Jungros der kleinen
Volksſchaften, welche in Kampfeslujt und Ruhmesdurſt aus:
Ihmwärmten gen Weiten hin. Mit reicher Beute beladen,
fehrten fie heim; wenn aber befiegt, mußte das Volk durch
Geißel und Tribut ſich den rieden erfaufen. Seitdem aber
die Franken nad dem Sturze des Römerreihs (486) mitten
in Gallien jiedelten und mächtig ein feites Neich gründeten
von der Loire bis zum Rhein, erging fortwährend gegen lie
der Borftoß diesjeitiger Völkerſchaften.
Es war um das Jahr 694,2) als das Sachſenvolk von
Oſten her in mächtigem Andrang fich auf die Brufterer ftürzte
und nach wilden Kampfe das Land und Volk jeiner Herr:
Ihaft unterwarf. Sachſen und Franken traten ald Nachbarn
) Cod. dipl. Reg. a. O.
) Cod. dipl. Reg.
3
fih gegenüber; es entbrannte ein Kampf unter den beiden
Bölfern, der im Laufe eines Jahrhunderts an Erbitterung
zunahm und fich noch jchärfte in dem Gegenjage von Chriſten—
thum und Heidenthum.
Zu den Zeiten Karls des Großen erjtredte ſich das
Sadjenland von der Elbe bis nahe zum Rhein: Ditfalen,
Engern, Veitfalen. Aus den Gauen diejer Zandestheile famen
alljährlich Abgeordnete nah Marklo an der Weſer, des Landes
Wohl, Krieg und Frieden zu berathen. In den Kleinen
Gauen des Landes hatten an den Maljftätten gewählte Richter,
Rathgeber,!) die Leitung der VBolksverfammlung; zu jeder
Malftatt gehörten mehrere kleine Bezirke, Villen; auch jie
hatten ihre Führer. Das Bolt jelbit der Sachſen jchied ſich
in vier Stände. Edle durch berühmte Vorfahren und großen
Beſitz ausgezeichnet, Freie im Beſitze ihres freien Uodil, Liten
oder Hörige, welche von ihren Höfen zu Abgaben und Dienjten
dem Herrn verpflichtet waren, endlich Knechte, Xeibeigene im
Dienfte ihres Herrn ohne alles Erb und Eigen. Knechtichaft
war das %003 der Kriegsgefangenen, und ihrer viele waren
als dienende Schalte auf dem Hofe des Edlen. Auf dem
Uodil, dem Erbjige des Reichen jtand der Seli in dent ge:
ſchloſſenen Gehöfde, zur Seite die Häufer der Wirthichaft
und des Gewerks, am Bach die Mühle, ringsum lag Ader
und Wald. Hörige von den benachbarten Höfen und Kotten
lieferten ihn als Zins Getreide, und beftellten feinen Ader;
dienende Schalfe, Knete und Mägde bejorgten das Haus:
weien. Er jelbit lebte der ;Sreiheit, den Freuden der Kriegs:
fahrt, den Freuden der Jagd und des frohen Gaſtmahls.
Auch im Mahle der Männer, an der Thingitätte, wo be:
waffnet die Edlen und Freien der Gemeinde über Krieg und
Frieden beriethen, Recht und Herbringen feititellten, war der
freie Wehre, der Stammherr, (Aldro) im Uodil, gejeglicher
2) Radgibo, vgl. meine Ztudien zum Heliand in der Zeitſchr. Bd. 33,
1*
4
Mundboro, Vorſprecher jeines Haufed, feiner Hörigen und
Knechte. Nach Sachſenrecht in der Ewa war jein Gehöfde
ebenio gefriedet wie die Stätte des Mahal, wie die Gottes:
ftätte, der Allah in den Hainen. Der freie Sachſe war Herr
und Herricher in jeinem Heim, feinem Wik, jeinem Gard.
Wie fein ganzes Yeben in ver freien Natur fi bewegte und
Unabhängigteit von allen Echranten ihm als das hödhite
Ziel jener Freiheit erihien, jo jcheute er die engeren Bande
geielliger Ordnung, die Mauern der Städte waren ihm ver:
habt als Kerfer der Freiheit; geſchloſſene Ortſchaften waren
in jeinem Lande unbefannt.
In den Dreißigjährigen Kriegen Karls des Großen
wurde der ungebändigte Sinn des kriegeriſchen Volkes ges
broden; es mußte jich fügen den Gejegen des herridenden
Königs. Der ſtolze Sadje ließ jih taufen, ließ jeine Todten
in geweihter Erde begraben; in den Hainen jeiner Götter
jah er chriſtliche Kirchen entitehen. Es dauerte gewiß noch
lange, ehe er den Worten der neuen Lehre horchte, ehe er
die Wahrheit des ihm verlündeten Wortes eriaßte, in jedem
Menſchen ein Kind Gottes und jeinen Bruder zu erfennen.
Den Unterichied der Stände auszugleichen, den Menſchen
feinem Mitmenſchen anzunähern, die Härte des Gejepes und
des Nechts zu mildern, war die jchwierigite Aufgabe des
Chriſtenthums, die nur allmählich zu löjen war.
I. Die Kirche St. Ludgers in Mimigerneford,
„Der König Karl, heißt e8 im Leben des h. Ludger,
jegte diefen Mann Gottes zum Hirten im weftlihen Sachſen—
lande; der Hauptſitz dieſer Parrodhie ift im Eüdergau an
einem Orte, welcher Mimigerneford genannt wird, wo der:
jelbe dem Herrn ein anjehnlides Münſter (monasterium)
5
errichtete für die nach Fanonifchen Regeln dem Herrn die—
nenden Brüder.) j
Der h. Ludgerus übernahm das ihm übertragene Amt,
welches die Verkündigung des Chriſtenthums bei den Heiden
und die Verwaltung des übermwiejenen Kircheniprengels be:
traf, etwa um das Jahr 793.
Chriftlihe Mifjionare waren vor ihm jchon lange in
Friesland und Sadjen thätig geweien.
Wilfried, Biſchof von Pork, im %. 677, wirkte in der
Bekehrung der heidnifchen riefen, und ihm folgte Wulfram
(684) Wichert (687) und Wilibrod (691), während Suibert
(693) und die beiden Ewaldi (695) bei den den Franken
befreundeten Brufterern thätig waren. Es entitand aber
damals ein heftiger Krieg der Sachſen gegen die Brufterer
und Chamaven; in wilder Feldihlacht wurden legtere über:
wunden und aufgerieben, das ganze Yand den Sachſen unter:
worfen. Suibert und die Emwaldi erlitten den Martyrertod;
ihre Kirchen und Kapellen wurden zeritört, und Alles, was
fie geichaffen, vernichtet. 2)
Die Arbeit der hriftlichen Miſſionare begann von neuem;
ihre Ausgangspunfte waren Utreht und Fulda. Winfried
oder Bonifazius predigte bei den Frieſen und Sadjen f 754;
ihm folgte Willihad und Lebuin.
Im Jahre 775 erhielt der junge Frieje Ludger, welder
aus der Schule Alktuins in Port nah Utrecht zurüdgefehrt
und eben zum Brieiter geweiht war, von feinem Bilchofe
den Auftrag, die von den Sachſen zeritörte Kirche Lebuins
in Deventer wieder herjujtellen, und demnächſt in Friesland
das Chriſtenthum zu verfünden. Im nördliden Sadien
war der h. Willehad thätig und zu den weltlichen Sadjen
1) Altfridi vita S. Ludgeri, (I, 23) von Dr. Diefamp in den Münit.
Geſch.Quellen Bd. 4.
?) Regesta hist. Westf. und Cod. dipl,
6
fam um diejelbe Zeit der Priefter Bernrad. In Folge einer
Empörung der Sachſen aber im %, 784 mußten Willehad
und Ludger fliehen; Teßterer begab fih nah Rom und von
da zum Benediktiner-Klofter Monte-Cafino bei Benevent. Als
er nad) drei Jahren in feine Heimath zurückehrte, übertrug
ihm Karl der Große die Aufſicht über fünf frieiiihe Gaue
und bejtimmte ihn jpäter um 793 ftatt des mittlerweile
veritorbenen Abts Bernrad zum Bilchofe über den weltlichen
Theil Sachſens. Wenn Ludger in feiner Demuth die bifchöfliche
Würde ablehnte, dem übertragenen Amte unterzog er ich
mit Sreuden. Zum Hauptfige jeiner Barrochie nahm er den
Drt Mimigerneford, wo er für feine nach fanoniichen Regeln
lebenden Brüder Kirche und Kloiter erbaute. Bon hier aus
wanderte er mit feinen Schülern durch die weiten Gaue des
Zandes, indem er überall das Chriſtenthum predigte, Kirchen
gründete und ihnen Prieiter zuordnete. In Mimigerneford
war aber der Gonvent der Klojterbrüder, in welchem er fich
Priefter und Genoffen feines fchwierigen Amtes erzog; bier
erblühte auch unter jeiner Leitung eine Klofterfchule zur
Ausbildung junger Klerifer, bier ftand feine Kirche, feine
Kathedrale.
Ueber die alte Kirche und das Klofter haben wir einige
lofale Unterfuhhungen bier einzufchalten.
| Vor etwa fünfzehn Jahren wurde der ſog. Vikarien—
Kirchhof innerhalb des Dom-Umgangs geebnet, und für den
Mafjerabfluß tiefere Ninnen gegraben. Da fand man die
Fundamente der alten Kirhe Ludgers; nah Weiten etwa
10 Schritt vom Umgang entfernt; die jüdliche Maner nicht
bis zur Mitte des Kirchhofs reihend; die nördliche Grund:
mauer entjpricht etwa der des Umgangs; in Dften reichte
die Kirche bis zur jegigen Marienfapelle. Sie war alſo etwa
120 Fuß lang und 50 Fuß breit. Das Klofter der Brüder
lag auf der Nordfeite der Kirche, und giebt die Straßenlinie
im Schmerfotten feine Lage noch deutlih an, Den Garten
ee;
des Klofter haben wir auf der Oſt- und Südſeite der Kirche
zu juchen, in dem Umfange, wie ihn die Grundfläche des
jegigen Domes darlegt; und weiterhin lag ein Hain mäd):
tiger Eichen und Buchen innerhalb der Grenzen des jegigen
Dombofes. Es iſt dies eine Vermuthung, melde jchon der
Anblid des jetzigen ſchönen Lindenhains uns nahe legt,
welche auch darin eine Beitätigung findet, daß der ganze
Raum unbebaut geblieben ift, und dort feinerlei Fundamente
von Bauten fich vorgefunden haben. Die jegigen Linden
des Domhofes jind im Jahre 1736 zum Theil neu gepflanzt;
aber fait zwei Jahrhunderte früher, erzählt uns ſchon Ma:
giſter Kerfienbrod von dem Domhofe als einem prachtvollen
Haine mädtiger Eichen und Buchen. Aus dem Alter jolcher
Bäume können wir folgern, daß Bäume und Hain jchon zu
den Zeiten des Biſchofs Ludger geitanden haben,
Bei Fundirung der Domkurie Nr. 38 vor etwa 20 Jahren
traf man auf einen Graben, welcher obenhin etwa 10 Fuß
breit war, und längs der Bankſtraße ſich hingezogen hatte; !)
wir dürfen annehmen, daß ein folder Graben auf der ganzen
öjtlichen und ebenjo auf der füdlichen Seite des Domhofes,
außerhalb der jegigen Bank» und Poſtſtraße beftanden und
ſomit bier den Abſchluß der Flöfterlichen Anſiedlung gebildet
habe, mwährend diejelbe auf der Weit: und Nordjeite vom
Bette der Aa begrenzt wurde. Hier boten jomit die jumpfigen
Wiejen der Aa, und das aufiteigende Terrain, und ebenfo
drüben der Grenzgraben auf der Höhe eine Schutzwehr, und
wahrſcheinlich fehlte für die ganze Anſiedlung auch nicht ein
umjchließender hoher Wall, wie wir ihn noch vielfach bei den
Landesburgen der heidniichen Vorzeit erbliden. Eo bot der
Ort Mimigerneford, in Mitten der heidniſchen, zum Theil
feindjeligen Bevölkerung des Landes belegen, audh wenn
1) 15 Schritt von der Straße, 8 Fuß tief unter der Erde, mit Bruch—
fteinen ausgemauert.
8
[en
offener Krieg tobte, bei erneuerter Empörung wilde Rache—
fahrten daherbraufsten, den frommen Miffionaren Doch immer:
hin eine ziemlich fichere Zufluchtsſtätte.
Diefen Ort wählte der h. Ludger zum feften Wohnſitz
für fi und feine Klofterbrüder. Vom Kaifer Karl war ihm
zuerft die Miſſion über fünf friefiiche Gaue, und jpäter aud
über fünf Gaue der weftlihen Sachſen übertragen worden.
Es waren dies die Gaue vom Drein, von der Stever, dem
nördliben Moorland, dann Schöpingen und dem ſächſiſchen
Hamaland in Weiten, welche im Ganzen das jpätere Münſter—
land umfaßten.
Ein zweites Klofter gründete Ludger um das Jahr 801,
zu Werden im fräntiichen Hattuarier:-Gau, vielleiht in der
Abjiht, in Zeiten des Krieges dort eine Zufludtsitätte zu
finden. In feinem jehwierigen Berufe wirkte Ludger 11 Jahre
lang als Briefter und Abt, dann jeit 804 als Biſchof der
Diözefe. Er ftarb auf einer Miſſionsreiſe zu Billerbed. Sein
Leichnam wurde nah Münfter gebracht und dort in der von
ihm gegründeten Viarienfapelle jenjeitS des Fluſſes nieder:
agejegt, bis er nach Werden überführt und an der von ihm
jelbjt bejtimmten Grabesitätte beigefegt werden Tonnte.!)
Die Thätigkeit der Nachfolger Ludgers in den nächſten
zwei Jahrhunderten war der Belehrung der Heiden, der
Gründung von Kirhen und Klöftern gewidmet.
Im 5. 889 verjammelte Biihof Wulfhelm in Mimi:
gerneford eine Synode der Prieiter, Diafonen und des ganzen
Glerus feiner Kirhe; 53 Geijtlihe werden mit Namen ge
nannt, ebenio 4 Grafen und 22 Edle; vor ben Grafen und
dem ganzen Volke fchenkte der Biſchof feiner Domkirche, der
Familie des h. Paulus, wie es in der Urkunde beißt, ein
Erbe mit den Hörigen in der Billa Gibonbefi.?) Der Vogt
) Chron. Monast. ap. Ficker; Urf. 834 capella S. Mariae trans
aquas, Reg. 340; Nief. Ub. I, 317.
?) Die Bauerjchaft Gievenbed bei Müniter.
9
des Kloſters empfing die Schenkung aus den Händen des
biſchöflichen Vogts.
Nach wenigen Tagen zog der Biſchof mit den Grafen
und vielem Volke nach Olfen, und übertrug ſein dortiges
Erbgut (den Uodil mit der Selihove) nebſt 30 nahe und
tern belegenen Litenhöfen an das Kloſter Werden.) Der
b. Ludger war, wie gejagt, der Stifter diejes Kloſters und
deſſen erjter Abt. Nach der Trennung waren die engeren
Beziehungen zur Kirche in Mimigerneford doch geblieben,
wie die Schenkung Biſchof Wulfgelms zeigt. Um diejelbe
Zeit beſaß aud das Werden'ſche Kloſter zwei Bejigungen in
Mimigerneford felbft; von der einen zahlte der Hörige Wilmar
6 Denare, von der anderen der Priejter Mieginger 2 Solibi,
oder, wie er es entgelten fann.?2) Ein Priefter, in Mimi:
gerneford außerhalb des Kloſters wohnend, ift allerdings eine
befremblihe Erſcheinung, man könnte vermuthen, daß das
Klofter Werden, welches im Münfterland viele hörige Höfe
bejaß, dort zur Einfehr für die reifenden Brüder eine Woh—
nung, welde, nad dem Pachtzins zu urtheilen, nicht unbe:
deutend war, jih erworben, und dem Meginger die zeitige
Benutzung gewährt habe, und weiterhin, daß dieſer Priefter
an einer Kapelle, etwa ber Marienfapelle in Ueberwaſſer
bejondere Obliegenheiten für die Anwohner zu beforgen hatte.
Bon dem Orte Mimigerneford hören wir dann lange
Zeit wenig oder nichts. Nach Berlauf eines Jahrhunderts
aber muß die Bevölkerung ringsum erheblih angewachſen
fein. Biihof Dodo (969—993) ſah fih veranlaßt, einen
neuen, größern Dom zu bauen, an der Stelle und, abgejehen
vom Chorumgang und den meitlichen Theilen, im Umfang
des jeßigen Doms; er führte die Brüder in die neue Kirche
N) Cod. dipl. 40.
*) in quo potest. in andern Geldwerthen. Werd. H.R. bei Yacomblet,
Zeitſchrift und Erecelius,
10
hinüber, wenn aud Manche von ihnen ungern die alte Kirche
Ludgerus verließen. Man prophezeite, daß dereinjt die Brüder
dorthin wieder zurüdfehren würden. Nah einem Jahrhundert
ging ſolches injomweit in Erfüllung, als Biſchof Burkhard
um 1110 in der alten Kirche wieder einen Gonvent von
jüngern Brüdern ftiftete, welche dort dem gottesdienftlichen
Leben und den Studien obliegen fonnten. Der Bilchof ge:
dachte auch außerhalb der umſchloſſenen Kloftermauern eine
bejondere Ludgerifirhe für die Ummohner von Mimigarde-
fort, -— jo lautete damals der Name des Ortes — 1) zu
ſchaffen, hatte den Pla dazu bereitS erworben. Aber die
Beiten waren jchwierig, und jo blieb fein Plan beruhen.
Biihof Burkhard?) war Kanzler der Kaiſer Hein—
richs IV. u. V. und in deren Smiltigfeiten mit dem Papſte
und den deutſchen Fürſten vielfach verflodten. Nach der
Schlacht am Welfisholz (1115) zog der Herzog Lothar mit
dem Heere der Sachſen nach Weitfalen und bedrohte Mimi:
gardefort. Von einer Belagerung nahm er Abftand, nachdem
von der Geijtlichkeit und den Winifterialen die eidlihe Ber:
fiherung gegeben war, jie würden dem Eachjenbunde bei-
treten, fall der Biſchof fich weigere, den Frieden mit dem
Kaifer zu vermitteln.
Der Ort Mimigardeford war jchon lange, wie wir er:
wähnt haben, eine von Wall und Graben umzogene Burg.
Bilchof Burghard aber hatte ihr neue Befeitigungen gegeben.
Er ermeiterte die Burg, heißt es, und umgab te mit einer
Mauer. Die Erweiterung über die Grenzen des Dombofs
nad Diten, Süden und Weiten können wir durch die alte
Burgmaner, deren Spuren in neuer Zeit an viele Stellen
in der Erde blosgelegt wurden, nachweiſen. Auf der Nord:
4) Die Penennung Mimigerneford reicht bis zur Mitte des 11. Fahr:
hunderts. Diefamp eit.
*) Hehelmann, Burchard der Rothe, Zeitichrift Bd. 26.
11
teite 309 fie ih, vom jegigen Markt abwärts, längs bes
Abbanges zum Nikolai:Thor am Horiteberg und von da zum
Spiegelthurm, dann längs der Wieſen der Abe zum Garten
des früheren Apellationsgeriht3, und längs der fübdlichen
Mauer des Haufes zum Thor in der Pferdegafle, dann zur
Nüdjeite des Regierungsgebäudes und, deſſen öltlichen Flügel
ausicheidend, zum Michaelisthor, und in derjelben Richtung
bis zum Roggenmarkt.“) Hier auf der Dit: jowie auf der
Sübjeite bot ein 32 Fuß breiter, tiefer Graben weitere
Dedung. Innerhalb der Mauern auf den Näumen der
neueren Erweiterung der Burg lagen jegt, neu errichtet die
Häufer und Stallungen der Dienftmannen der Kirche, welche
für den Fall des Kriegs mit Reiſigen und Pferden hier
Aufnahme fanden.
Die neue Burg mit Graben und Mauer, Thoren und
Thürmen ausgeftattet, hatte jedoh ihre erfte Probe noch
nicht beitehen können, da man den Frieden durch eidliche
Verfiherungen zu erfaufen ſich genöthigt ſah. Schon nad
wenigen Jahren drohte ihr neue Gefahr. Die Geiftlichkeit
und Dienitmannen blieben mit ihrem Bilchofe Burghard vor
wie nach kaiſerlich geſinnt, und ihre Liebe zum Kaijerhaufe
wurde neu beſtärkt, als der Kaiſer zum Ende des Jahres
1120 nah Mimigardeford fam, und hier das Weihnachts:
feft feierte. Anderer Gefinnung aber war der nad dem Tode
Burghards gewählte Biſchof Theodorih und jeine in diejem
Sinne gethanen Schritte und Anordnungen waren Anlaß,
dag Minifterialen und Geiftlichkeit fich al&bald verbanden,
und ihn ſchmählich aus feinem Bilchofsfig vertrieben. Der
Bifchof flüchtete zum Herzog Lothar und den Sachien, welche
üch rüfteten, und mit einem großen Heere heranzogen. Als
die Schaaren der Ritter und Reiſigen draußen jichtbar wur:
den, e8 war am 7. Mai 1121 ergriff Schreden alle
1) M. ©, Geieberg; vgl. Schaumburg Zeitihrift d. V.
12
Bewohner ringsum. Alles flüchtete und juchte Rettung in der
Burg. Aber in Eleinen Hütten dafelbit brad euer aus,
griff raſch um fich; alle Gebäude der Burg mit dem großen
prächtigen Dome janten in Flammen nieder. Aller Kampf
war damit beendet. Herzog Lothar hielt Gericht über die
Empörer. Edle und Minijteriale führte er gefangen mit
fih fort, das von Andern erhobene Löjegeld überwies er
dem Bifchofe zur Heritellung feiner Kirche.
In Folge diefes Brandes, der aud das Kloſter mit
Refektorium und Wirthichaftsgebäuden in Aiche gelegt hatte,
ſahen die Kanonifer fih gezwungen, inmittelft andere Woh—
nungen auf der Burg zu juchen. In die gemeinjame Be—
hauſung eines Klofters ſcheinen fie nicht zurüdgefehrt zu fein.
Die Häufer der Dienftmannen und Anderer wurden nad)
und nad vom Domkapitel eingelöjet und zu Wohnungen
für die Domherrn — als domus claustrales — im innern
Umfreije der Burg bergeftellt. Es bildete ſich damit die kirch—
lihe JZmmunität, die Domfreiheit, welche außerhalb des
Umfangs des alten Klofters, die Eurien der Domherrn und
ichlieglih die ganze Burg umfaßte. Die Burg als Veſte aber
hatte in Folge der zahlreichen Anfiedlung in nächſter Um:
gebung ihre Bedeutung verloren. Zwar finden wir no in
den Jahren 1142—1152 den biichöflichen Amtmann Wulf:
hard, als einen Präfekten der Burg, als Burggrafen, aber
Titel und Amt verjchwindet alsbald wieder, und im Jahr
1169 ſchenkte Biſchof Ludwig die eine Hälfte des Burg:
grabens, welcher der Burgmauer zunädjit lag, an das Dom—
fapitel und an die anſtoßenden Wohnungen der Domberrn
zur freien Nutzung.
Eine hohe Mauer, melde in der Mitte des früheren
Burggrabens, und auf der Welt: und Nordjeite am Abhange
des Hügel! aufgeführt wurde, bildete mit den zwei Thoren
Nikolai, SpiegeltHurm oder St. Georg, dem ſüdlichen Thore
und MichaeliS die neue Grenze der Jmmunität. Im Um—
13
freife lagen die Wohnungen der Domherrn und bijchöflichen
Beamten, wie des Villikus, des Droften und anderer Dienſt—
mannen.!) Jenſeits des Dombofes lagen die beiden Kirchen;
die größere Kirche (major domus) des hohen Domkapitels
aber hatte durch Feuersbrunft unter Bilchof Erpo 1197 und
Burdhard 1121 großen Schaden erlitten, und die Rejtauration
unter B. Egbert genügte nicht. Da faßte Bilchof Friedrich
den Plan zu einem größern Neubau und hatte jchon die er:
forderlihen Baumaterialien berbeiichaffen laſſen, ala ihn der
Tod übereilte. Bilchof Hermann II. (1174—1203) ariff den
Plan mit voller Energie an. Auf der Weitieite erhoben jich
raſch aus dem Grunde die ſtarken Mauern der beiden Thürme
und die hohen Gewölbe des jogenannten alten Chores; als das
ganze „Wejterwerf” vollendet war, ruhte der Bau.?) Dort
in der Nähe auf der Nordweitjeite lag der bilchöfliche Hof
(curia) oben auf der Höhe, der Palalt mit den Neben-
gebäuden zur Aufnahme und Herberge der Gäſte bis zum
Spiegelthurm abwärts, und von dieſen jüdlich die weiten
Wirthichaftsgebäude und der Marftall. Biihof Hermann II.
war ein gewaltiger Herr. Den Kaijer, welcher ihn zu feinem
Kanzler ernannt, begleifete er auf mehreren jeiner Krieg$-
fahrten; im Lande wußte er Frieden und Ordnung zu er:
halten. In den Hallen feines Pallajtes jah er an feitlichen
Tagen und zu öffentlihen Verhandlungen neben der hohen
und niederen Geiftlichfeit häufig die Grafen und Dynaften
des Landes, Bajallen und Dienftmannen, Beamte und auch
vornehme Bürger der Stadt veriammelt. Hier am Orte, wo
bisher nur die Lamberti Kirche neben den KHlöftern Marien
2) Urk. 1206 domus G. de Saperode juxta aream Wulfhardi villiei
U.B. 38; Urk. 1246 area G. de Sconenbeke (Afadentie) U.B. 457;
Urf. 1268 domus Arnoldi filii dap. U.:®. 817; Urf. 1295 domus
fratrum de Öfferhues (neben dem Ständehaufe) U-B. 1520; Urf.
1379 domus tom Smerkotten, Kindl. M. B. 3.
2) Chron. Monast. ap. Ficker.
14
und Maurig beftanden, ftiegen in rajcher Folge die Kirchen
Ludgeri, Negidi und Martini und die Slapellen des Hospitals
und Servati empor, fanden reichliche Ausitattung, und ihre
kirchlichen Verhältniſſe wurden neu geordnet.
Um die weit gedehnte Außenitadt ließ der Bijchof eine
Mauer ziehen, er gab ihr Stadtrechte und eigene Verwaltung
und Rechtspflege in beitimmten Grenzen. Es obliegt ung,
das Nähere diejer Vorgänge zu ermitteln, aljo feitzuliellen,
in welcher Weije bei den erjten Antiedlungen außerhalb der
Burg, und fodann bei der fteten Zunahme der Bevölkerung
die Rechtsverhältnifje der Anwohner ſich geitaltet, jo wie ein
erftes Gemeinwejen in neuen feiten Grenzen jich gebildet,
und unter bifchöflicher Oberhoheit zu einer freien Stadtver—
waltung ſich entwidelt hat.
Wir beginnen unjere Unterfuhung mit der örtlichen
Lokalität und den Berhältniffen, unter welchen die eriten
Anfiedlungen in dem Umkreiſe von Mimigardeford jtattfanden.
II. Die Landſchaft und die eriten Anfiedler.
Marken und Banerjchaften.
In den Marken unjeres Landes gab es früherhin viel-
fah größere Weiden und Waldungen, welche zur Nutzung
für die umliegenden Anmohner frei oder abgeſchloſſen da=
lagen; bei jeder Stadt, bei jedem Dorfe laſſen ſich jolche
Gemeinheiten, die jog. Marfen im eugern Sinne nad:
weilen. Aber die Geometer und Theilungscommijltionen der
Neuzeit haben alles Land vermejien, vertbeilt, und faum der
Name Hat ſich noch bier und dort erhalten. Auch die
Bauerfhaften find faft verfchollen; noch dient ihr Name
im SKatajter zur näheren Bezeichnung eines Gutes, und auf
ben Spvecialfarten de3 Landes jehen wir innerhalb des fein:
geiponnenen Netzes der Kreiſe und Gemeinden nod) das ver:
blaßte Bild ihrer Namen; aber ihre Grenzen jind jchon zum
15
Theil unbekannt und verwiiht; alle Bedeutung haben jie
verloren. Die Marken und Bauerichaften reichten früher
bis tief in den jegigen Bezirk unferer Stadt hinein, und
haben in älteiter Zeit, wie zu vermuthen fteht, ſie gänzlich
ums und eingeichloffen. Da wir die erften Anfänge unferer
Stadt zu erforfchen juchen, müſſen wir auf die Marken und
Bauerihaften, ihre Bildung und fpätere Bedeutung näher
eingehen.
Der Präſident von Olfers (f 1861), in ſeiner Zeit
ein reger Freund und ‚Förderer unjeres Alterthums—
vereins, erzählte, wie er als Knabe noch mit vielem Ver:
gnügen die langen Neiben des Rindviehes, vornauf die jtatt-
liche weiße Kuh des Bürgermeiiters von Plönies gejehen
babe, wenn fie am frühen Morgen vor dem Hirten Die
Straße hinab und zum Ludgerithor hinaus getrieben wurden.
Münſter war eine Aderitadt, bejaß zahlreiches Vieh und zu
Zeiten betrieben jeine Bürger einen lebhaften Viehhandel.
Däniihe Ochſen und Kühe, erzählt Kerjienbrod von feiner
Zeit um 1570, jeien bier auf den Weiden fett gemacht,
demnächſt nah Köln getrieben, und reicher Gewinn damit
erzielt worden.!) Für die Zwede des Viehhandel3 dienten
bejonders die vier Jahrmärkte zu St. Gereon, Laurentius,
Clemens, Peter und Baui. Sie wurden gehalten vor den
Thoren der Stadt, Jüdefeld, Ludgeri und Höriter, und das
eine und ausgetriebene Vieh fand für die Nacht auf den
ftädtiichen Weiden Aufnahme.?2) Es waren ſomit, ſowohl
für die eigene Benugung al3 auch für den Handel in un:
jerer Stadt die Viehtriften von großer Bedeutung.
Wie groß der Beitand der Gemeinweiden im Umkreiſe
der Stadt zu Anfange diejes Jahrhunderts nod) geweſen ilt,
1) Kerjjenbrod, Einl. 8; Röchel Ehronif ©. 77.
2) Kerfienbrod, Einl. 6; Urk. 1462, der Stoppelmarft vor dem Füde-
felder Thor; Magdl. Hoſp. Fider Kopiar. 1771 Peter u. Pauls»
viehmarft vor Ludgeri Thor, St.A. VII, 38. Wilkens I, 49.
16
ergiebt jih aus den Rezeffen der damals erfolgten Thei-
lungen.
Bor dem Ludgerithore lagen über den Bezirk der
jtädtiichen Gärten hinaus weite Aderländereien, auf der Geift,
im Dahl und im SHaferland, über 1200 Morgen groß.
Sämmtlihe Hausbeiiger der Kirchipiele Ludgeri und Aegidi
waren dort mit den umliegenden Colonen nad Einerntung
der Frucht zur Hude berechtigt. 1) Weiterhin lag die Lodden—
beide, ein Dijtrift Weide und Holzung über 2100 Morgen
groß. In diefer Gemeinheit waren berechtigt der Erbdrojte
mit dem Haufe Lütlenbed, 4 Erbe und 12 Kotten, jodann
andere umliegende 22 Erbe und Kotten, ferner die Kämmerei-
kaſſe der Stadt, die Kirche Ludgeri und die Eingefeflenen des
Kirchſpiels Ludgeri.?) Es waren aljo bier die rings um bie
große Gemeinheit wohnenden Grundbeſitzer, welche dorthin
ihr Vieh zur Weide trieben; unberechtigtes Vieh wurde ge—
Ichagt oder gejchüttet, wie man e3 nannte. Im Jahre 1750
ließen der Erbdroite ala Herr von Lütkenbeck und Schüttherr,
fowie die Wegemeifter des Kirchipield Yudgeri als Mitfchütts
herrn eine jg. Aufihüttung des Viehes aus der Loddenheide
vornehmen.?) Das weidende Vieh wurde auf dem gewöhn—
2) Rezeß über die Hubdebefreiung der dortigen Ländereien, 1246 M. groß,
v. 6. October, 1823 auf dem Landrath-Amte und der General»
Kommilfion.
2) Rezeß v. 5. Nov. 1824. In der Theilung, bei welcher dad Prinzip
der Durchwinterung die Grundlage bildete, wurde dad Gut Lüditen-
bed zu 30 Theilen, der fernere Grundbeſitz des Erbbrojten zu 121,
die übrigen Erbe und Kotten zu 231, die Kämmerei zu 8%,, die
Kirche uud Kirchipiel Qudgeri zu 4%, bez. % von 43%, Theilen an-
geſetzt. Der Militär- Ererzier-Plat, 420 M. groß wurde damals
vom Fiskus für 10508 Thlr. angefauft; er war Theil der Lodden⸗
beide, welche 2115 M. groß war.
*), Stadt⸗Arch. VIII, 38. Ueber eine Cchüttung im 3. 1581 berichtet
Röchel Chronik ad annum.
17
lichen Schüttehof ‚an der Twillen olim Müller Darfeld I)
vorgetrieben, und nah dem Protofolle wurden 44 Stüd
Rindvieh und 103 Schafe geichüttet, und ihre Befiger wegen
unberechtigten ZTriebes in Strafe genommen.
Zur Seite der Loddenheide jenſeits der Lütkenbeck und
der dortigen Gehöfte eritredte jih die Schwering sheide,
724 M. groß, vom Gute Klevorn bis nach Pleifter.?) Auf
der andern Seite der Loddenheide jenjeit3 der hohen Geift
dehnte jich die Salgheide, fait 1000 M. groß, bis zur
Aa hin. Ihr Name deutet auf die alte Richtitätte, ſowie die
anitoßende Dingbenferh.ide noch an die gemeine Dingitätte
von Medlenbed erinnert.3) Zur Weide berechtigt waren hier
11 Erbe aus Medlenbed, die Güter Feldhaus, Farwick, Althof
Sentmaring und das Haus Geilt, welches die Skutikations—
rechte in Anſpruch nahm, endlih auch die Eingeſeſſenen des
Kirchipield Aegivii. *)
Jenſeits der Aa lag die Sentruper Heide, allmo
jeit Biihof Hermann I. Zeiten, die müniter’ihen Glerfen
oder Studenten aljährlih unter grünen Laubhütten ihren
1) Der Schüttehof, welcher feit 1670 den Namen Mühle-Darfelder Hof
überfam, wird als Erbe Delitrup bezeichnet, welchen Namen die ganze
Pauerihaft führt. S. D. W. Urf. 452 v. 3. 1185; vergl. Prozeh-
Atten Domkapitel wider Erbdrofte 1726, p. 82, 78, 797 89 im
St.“A. XII, 80. Der Twillen Kotten liegt bei Niehoff.
2) Rezeß v. 4. Nov. 1826. Berechtigte: die Gitter Klevorn und Gral,
6 Kolonate, 6 Kotten.
s) Freiſtuhl von Mecklenbeck Urk. 1602 betr. Schulze Nordhof zu Gieven-
bed. St.A. Haftfachen, Urk. 1282 im W. U-B. 3, 1202.
9) St.Arch. VII, 35, 93. Nah dem Theilungsrezeſſe v. 21. Dez.
1825 war die Heide nody 934 M. groß. Die Eingeſeſſenen von
Aegidi erhielten nahe 130 M. Anſtoßende Gemeinheiten der B.
Mecklenbeck waren: die Dingbenter Heide mit 68 M., der Wieden»
hagen mit 619 M., vorn auf der Heide mit 20 M. und das Kettel-
feld mit 63 M., weldjes auf 6 Jahre gebroden wurde und dann
4 Jahre als Weide lag. nn
XLVIL 1. u 2
18
Iuftigen Maigang feierten; !) an fie fchloß fi das Baken—
feld und das Nünnigerfeld, zwei Gemeinheiten, melche
alle 4 Fahre in Ader und Weide wecdjelten, jodann weiter
bi8 Kinderhaus hin die Topheide mit dem Nienbrod,
Theile des alten Idenbrocks, welches jchon im Jahre 1183
urkundlich erwähnt mwird.?) Die Sentruper Heide und das
Nienbrod waren Eigenthbum der Stadt Münfter; die Kuh:
weiden des Kirchſpiels Ueberwaſſer aber lagen näher dem
Frauenthore zu. ?)
Dom Idenbroke zog ji das Heideland über Kinderhaus
bis zur Ya hin, und jenjeit3 derjelben erftredten ſich bis
zur Werje die Körderheide mit dem Bad Fidele, wo wir
ald Knaben verbotene Schwimm: und Taucherkünſte übten,
und weiter die Havidhorft: und Lehmheide, im Ganzen
über 2300 Morgen groß; es waren Gemeinheiten, worin
den anftoßenden Grundbejigern die PViehtrift zuitand, und
Theile zur Matt, Plaggenmatt ausgemwiefen waren. In
Körde ftand die Schütiung dem Haufe Körde zu; das Marken:
richterthum wurde ihm beftritten; vom Haufe Havichorſt
wurde das Skutifationsreht in der nach ihm benannten
Gemeinheit ausgeübt. *)
Näher zur Stadt lag die Piaurigheide, gegen 1500
Morgen groß, welche vom Höriterthore bis zu dem Horne-
fotten, der Diedburg, dem Hauje Grael und Stifte Maurig
2) Röchel Chronik bei Janſen Di. G.Q. p. 192, Kerfienbrod Einl. 6.
2) Urf. 1183 betr. dad Gut Spital, W. U.B. III, 485; das Haus
ton Idenbrock, wahrjcheinlidy die Kuflenburg an das Leproſenhaue
zu Kinderhaus geſchenkt, 1342 Urt. im St.Arch. XI, 247—50;
Urt. 1390 bei Wiltens, St. Münfter U. 44.
) Bon der Sentruper Heide, 129 M. groß, wurden 100 M. der Stadt
zugetheilt I. Rezeß v. 24. Dez. 1825. Das Batenfeld war 386 M.
groß, das Nünniger Feld 153 M., die Topheide 383 M., das Nienbrof
150 M. I. Rezeß v. 17. Mai 1828 bez. 21. Det. 1825,
) Rezeß v. 11. Des. 1829, Lehmheide 359 M., Koerde 1468 M.,
Havichorſt 477 M. groß.
19
ch ausdehnte.!) In einem Älteren Theilungsentwurfe aus
der Mitte des vorigen Jahrhundert3 wurde der Vorjchlag
gemacht, zur Dedung von Kirchſpielsſchulden der beiden
interejiirten Bauerſchaften Werje und Kemper einige Abipliffe
von der Heide zu verlaufen, andere den jchapfreien, Erben
und nterejlirten für den Abgang an Hude und Plaggen-
matt zu überweilen, und den dem Stifte Maurig als Erb:
bolzrichter gebührenden dritten Theil nur zum vierten Theil
anzujegen. Berechtigt waren das gedachte Stift, Die um:
und einliegenden 12 Erbe und 20 Kotten, endlich auch die
Eingejefjenen der jtädtiihen Kirchſpiele Vlartini und Lam—
berti. Bei der Theilung vom Jahre 1824 wurden den
legteren 36 Theile, etwa 1/ıs des Ganzen als Abfindung
zugemiejen.
Die kurzen, hier mitgetheilten Auszüge aus den Theis
lungsrezeſſen reihen bin, ung einen Leberblid über die ganze
Landſchaft, wie jie bis zum Anfange diejes Jahrhunderts jich
daritellte, zu gewähren.
Ein weiter Kreis von Gemeinweiden zieht fih rings
um die Stadt; ein breiter Gürtel, der zwar über die nächſten
Gärten und Ländereien hinausliegt, jedocd) längs der offenen
Sanditraße bis zu den Thoren heranreicht, in der Art, daß
den einzelnen Kirdhipielen der Stadt bejondere Weiden zur
Nugung vorliegen. Die von und verzeichneten Gemeinheiten
befafjen im Ganzen einen Compler von 6—9000 Morgen.
Faſt Ale find jchließlih mit dem Namen Heide bezeichnet;
doch zeigen mande Theile derjelben nod einen fruchtbaren
Grund, und wir dürfen annehmen, daß vielfach die dort
beitandenen Holzungen niedergehauen, und der Boden in
Folge der PBlaggenmatt und Biehtrift den Charakter einer
ı) Im Xheilungsrezeife vom 28. Ian. 1824 wird die Größe zu 1391
M. angegeben, in dem ältern Theilung»Entwurfe (DM. S. Hammer)
zu 350 Malt Einjaat das Scheffel zu 60 Rhein. Quadratruthen
gerechnet, alſo 1466 M.
2*
grünen Weide oder öden Heide angenommen hat. Es waren
weithin geitredte offene Flähen, von Bauern: Erben und
Kotten rings umſchloſſen. Mit den Bauerfchaften dedten bie
Gemeinheiten ſich nicht; fie lagen vielfach zwifchen denjelben ;
Bauern von Kemper und Werje waren an der Maurigheide
betheiligt, und an der Loddenhaide Mande von Delitrup,
Geiit, Angelmubde und Hiltrup. Berechtigt an denjelben
waren ftet3 nur die umliegenden Colonate. Es waren eben
Gemeinheiten, deren Eigenthum und Nußung nur den be=
ftimmten Hofesbejikern zuftand, melde jonad) jelbitändig
ihre gemeinjamen Angelegenheiten zu ordnen hatten. Dieje
Verwaltung war freilich einfaher Natur; wir hörten nur
bei einzelnen Heiden noch von einer Aufichüttung des Viehes
und dem Sfutifationsrechte des Haupthofes. Nur auf Mauritz
finden wir nod den alten Namen eines Markenrichters; das
Amt eines ſolchen ftand bier dem Kapitel des Stiftes
St. Maurik zu, wegen feines Haupthofes Kampvordeöbele,
von welchem aud die Gemeinheit früher den Namen der
marca Kampvordesbeke führte.) Das Kapitel wird bier
auch als Erbholzrichter bezeichnet. Weide und Holzichlag
waren die hauptſächlichen Nußungen der Marken; deßhalb
wird auch der Markenrichter bier zu Lande vielfach als Holt:
greife und die Verſammlung der Markgenoſſen als Holtding
bezeichnet. Die Markgenoſſen heißen Marfnoten oder Erberen,?)
und die für die Mark geltende Rechtsordnung, wie jie nad)
Herbringen und Gewohnheit feitgeitellt war, hieß der Marke—
Koer oder der Erberen:Koer.?) Es war eine Willfür, eine
m — — — —
1) 1369 marke de Kamperdesbeke, bei Willens Umg. M. Rro. 15.
2) Ein Wort, abzuleiten von Erbe und Efifo = Eigner; egan — eigen.
Aber Grimm, RU. 504 deutet: Erb⸗Axte.
®) Bgl. Urk. 1339 für die Mark von Ditbevern wird vor dem Gografen
und Holtgrafen der Mark, ſowie den geichworenen Scharmannen von
den Diarfenoten ihr altes Recht und Willen verlautbart; Kindl. M.:B.
3, 142.
21
Vereinbarung zunächſt über die Theilnahme an der Mark
jelbjt, über die Viehtrift und die Schüttung, über die Matt
und Brade und den Holzichlag, über die Grenzen der Marf
und deren Sicherung. Das Alles beriethen und beichlojien
die Marknoten mit ihren Markfrichtern.!) Bildete demnach
eine ſolche Mark eine enge Berbindung der Ummohner, eine
Corporation, welde durch ihre Markenordnung feit geregelt
und gegliedert war, jo kann nan vielleicht auch in ihr die
Grundlage einer Gemeinde erkennen. Es legt jih uns bie
Frage nahe: Sind wirklich denn die Ortjchaften, Gemeinden
und Städte aus ihr entitanden’
Wir lajjen indeß dieje Frage vorerit no ruhen, und
juchen feitzuftellen, in welchem Berhältniffe die Marf und
Markgenoſſenſchaft zur Bauerichaft jtehe, welche wie fie, einen
Fleinern Kreis von Landbewohnern umſchließt.
E3 war im Jahre 1449, ala Dietrich Node Beſitzer des
Gutes Feldhaus einen ihm bequem gelegenen Weidegrund
von der Galahaide mit Dornheden, Gräben und Wal um:
ziehen ließ und jeinem Gute zueignete. Das wurde ruchbar
in der Stadt, und acht Parochianen von Aegidii nahmen
der Sade jih an, und wandten jich beichwerdeführend an
ben weltlichen Richter, um, wie fie jagten, ihr Weiderecht
zu wahren, welches jie bejejlen hätten, jo lange Münſter
beitehe. Der Burrichter jeßte dem Verflagten einen Ge:
rihtsiag, wo dann mit den Markgenoſſen und unter Billigung
ber Deputirten de3 mitinterejlirten Domtfapiteld und der
Stadt für Net befunden wurde, daß jener Weidegrund zur
1) Wir vergleichen eine Urf. v. 3. 1253, worin dem Klofter Groß—
Buerloe die Mitnugung der Marf bei Winterswick geichenft wird.
Biſchof Dtto jagt: ad petitionem nostram nobiles viri, — milites
— et alii quamplures, quorum haereditates circa sitae sunt,
fratribus de Buerloe usum miricae ejusdem communitatis, quae
vulgo marke dieitur, — contulerunt, — nobis cum communitate
beneplacitum ibidem agentibus. — C. D. W. 3, 1738,
22
Gemeinheit gehöre und Node zu Unrecht fich denjelben an-
gemaßt habe. Da zogen denn am folgenden Morgen die
Kläger und eine große Menge der Parochianen von Aegidii,
mit Aexten und Schaufeln bewaffnet, heraus, erhoben an
Drt und Stelle zuerjt vorſichtig durch ihren mitgebracdhten
Notar einen Proteit, daß fie feine Gewalt oder Beleidigung
des Rode beabjichtigten, jondern nur gemäß des geiprochenen
Urtheils ihr Weidereht wahren wollten, und nun gings an
die Arbeit. Es wurde gehauen und geichaufelt, bis Heden,
Graben und Wälle verichwunden, und Alles wieder eingeebnet
war. Als dann der Node herbeifam, fein Unrecht befannte,
und nur noh um die Erhaltung eine® Zaunes in einem
Winkel bei feinem Haufe bat, wurde jolches in Gnaden ihm
zugebilligt.?)
In vorliegendem Falle, wo über eine Verlegung ber
Mark unter den Betheiligten fih Streit erhob, war es der
Burrichter, welcher als weltlicher Richter die ftreitige Sache
vor fein Gericht zog. Er ließ aljo durch die Markgenoſſen
die Grenzen der Mark und deren Verlegung feftitellen und
verkündete jodann das Urtheil.?)
Am Stuhle zu Sandmwell wurde im Jahre 1510 als
Herfommen feitgeltellt: Ein Bauerrichter richte nad) Bauer:
recht und Koer, und ein Holzrichter jolle richten nah der
Marke: oder Erberentoer; fie richten nicht höher als zu drei
Zeiten, jederzeit zu 5 Schilling. Der Gogreve, unter dem
fie geleffen jind, jei ihr Oberrichter,; Bauerrichter und Holz-
richter feien des Gogreven Schulteten. Sie richten nicht fürder
als nach Bauerreht und der Warte: haben ſie darüber ein
Gebrechen, fo jollen fie fi) berufen an das Gogeriht, und
wenn ste bier ein Gebrechen haben, weiter an den Stuhl
zu Sandwell, al$ oberites Gogericht des Etifta von Münfter.3)
’) Urt. 1449 im Stadt⸗Arch. Grotgeh Armen.
2) Vol. Urt. 1839 cit. oben p. 20,
) Urf. 1510 im Vereins-Archiv M. ©. 147. Urk. 1247 das Holting
23
Das bier erwähnte Bauernrecht beſchränkt jich innerhalb
des Bezirks der Bauerihaft auf Wege und Stege, Wafler:
Hüffe, Grenzen, Gutszugehör und dergl. Feldjadhen, ſoweit
es auf Beiig und Brauch ankömmt. Eine Bauerfprade ift
die gerichtliche Vernehmung der Bauern über ihr bäuerliches
geltendes Recht. !)
ALS im Jahre 1504 beim Gogerichte Warendorf über
die Kompetenz des Gografen und des Freigrafen, in bejonderen
Feld: und Wegeſachen Recht zu iprechen, ſich Zweifel erhoben,
brachte der Stuhlherr dieje Frage vor das gemeine Land
und ließ im Goding dur die Bauerrichter und Bauern ein
Urtheil über das geltende Necht finden, und daſſelbe durch
den Eid der ſämmtlichen 13 Bauerrichter befräftigen.?)
Die Bauerrichter, ericheinen hier als die Vertreter der
Bauerjchaften. Sie waren aber auch verpflichtet, den Go:
grafen in der DVermaltung des weiten Gerichtsbezirks zu
unterftügen; deßhalb wurden jie vorhin Schultheißen des
Gografen genannt. Wenn die Zeit des gemeinen Godings
nahe war, entjandte der Bauerrichter feinen Botheuer, den
Bauerboten, welcher in der Buer von Haus zu Haus eilte,
über die Thüre Hineinrief: „Wege bettern, Rüens Tnüppeln,
up de Dingbänfe kumen,“ — und eilenden Fußes weiter
lief.3) Der Bauerrichter führte jodann feine Buer zur Ding:
ftatt. Wurde aber das gemeine Land aufgeboten zur Abwehr
von Feinden, oder zur Verfolgung von Räubern und Ber:
brechern, jo berief,der Bauerrichter die fähige Mannſchaft
feiner Buer und führte jie heran. Als die Wiedertäufer 1535
und Wolting des Hofes Boklo wurde an Steinfurt übertragen, doch
ohne’ das Burgeriht. M. U.B. 481.
I) Landgerihte- Ordnung von 1571 (III, 11), welche jedoch theilweife
neuerede Recht enthält; jte jagt, dad Bauerrecht gelte nur für
Bauerleute.
2) Urf. 1504 im Vereins⸗Arch. M. 147.
) Nach mündlicher Erzählung des Präfidenten v. Olfers.
24
in Münfter belagert wurden, zog man Ummallungen rings
um die Stadt, eine engere, wo die Landsfnechte lagen, und
eine weitere zur Bejegung durch die Bauern. Da wurde ges
Ihanzt; Erdhütten wurden errichtet, Wege geebnet, Zufuhren
mit Wagen und Pferden geleitet. Das Alles war Sade des
gemeinen Zandes, der Gografen und Richter mit den Bueren.
Auch in fpäterer Zeit im 17. Jahrhundert, als durch fürft-
liche Epdikte eine Art Landwehr eingerichtet wurde, und die
mwaftenfähigen Mannjchaften unter dem Commando des
biſchöflichen Führers allionntäglih ihre Uebungen hielten,
da führte noch jeder Buerrichter feine Buer, und ein eigenes
Kurzgewehr war jeine Auszeichnung. !)
Die Bauerfchaft oder Buer war nad) dem Gefagten,
wie auch Ichon der Name andeutet, ein Verband jämmtlicher
Bauergenofjen, ein Collegium, Coneivium, wie es in latei-
niihen Urkunden heißt.?) Sie entſpricht ganz der Buerscap
des Sachſenſpiegels, des um 1230 niedergejchriebenen Rechts
der Eadien.3) Wir fünnen fie auch als eine Art Gilde be-
zeichnen und lernen bier noch eine gejellige Seite derjelben
fernen; denn wir hören mehrfach von Bildehäaujern au dent
Lande, und ebenjo von Gildebieren, d. h. gemeinjamen Mahl—
zeiten und Gelagen, welche alljährlich in der Bauerſchaft von
einem Erbe zum andern wechſelten.) Diejelben waren wohl—
1) Münft. Edikte von 1637 und 1727 bei Scotti 102, 317.
?) Urt. 1299 collegium Wyrte, ®. Gemenwyrthe, im W. U.B. 3,
1636 Urf. 1333 coneivium Tynge, bei Echopingen, in Wiltens, ©.
d. Hr. von Steinfurt. Urt. 1503 corpus sive collegium coneivii
sive burscapii — in Horſtmar; Kindl. Hör. ©. 341.
8) Sachſenſpiegel II, 86; I, 2, 4, 13; I, 68, 2; II, 64, 11; II, 55.
*) Urf. 1609 Gilde in den Bauerichaften von Lüdinghaufen; in der
B. Perdtorp Stand damals die Gilde am adligen Haufe Kakersbeck;
in B. Perenbrof war fie jeit 50 Sahren nicht gehalten; bei Kindl.
MB. II, Nro, 236. Verbot der Gildebiere in der Gem. Land»
ordnung von 1571, X WU. 14, 16, 18, — Gildehäufer gab es in
MWilmsberge, Darlar, Rorel, Waltrup, Greven, Schöpingen, Billerbed,
nn
geeignet, die Genoffen, welche Laiten und Mühen im Laufe
des Jahres gemeinfam getragen hatten, im engeren Kreiſe
einmal in fröhlicher Luſt zu erheitern, und das Band nad):
barlicher Freundichaft enger zu knüpfen. Non einer jchönen
Sitte wird uns auch berichtet, welche an eine feite Kirchliche
Grundlage erinnert; die Gildegenofien jpendeten für Die
Armen ein gemeines Almojen, und nahmen Theil an den
Leichenbegängnifjen ihrer Mitglieder. })
Die "Gilden oder Bauerichaften mögen in ähnlicher
Faſſung, wie wir fie geichildert, ſchon ſehr früh beftanden
haben. Aber die Urkunden des 12. und früherer Jahrhunderte
geben ung über ihr Wejen nur jehr dürftige Andeutungen,
welche wir jpäter vorlegen können. Borerit haben wir noch
die örtlihe Lage und die Beichaffenheit derielben näher in's
Auge zu faſſen.
Die Bezeihnung Buerjcap finden wir zuerit in einer
Urkunde v. 3. 1187,2) jeitdem allgemein hier auf dem Lande,
und ift diejelbe auch in Ortichaften und Städten, 3. B. Nien:
borg, Dsnabrüd, Soeft, Paderborn, Yübed übernommen. In
Münſier giebt: es von Alters her Yerichaftenz legio ift in
Urkunden die lateiniihe Bezeihnung der Bauerjchaft.3) Im
Olfen u. ſ. w. Sie dienten für Verfammlungen, als Richtplag und
zu andere öffentlichen Zweden, und ericheinen unter den Namen:
Gildehus, gymnasium, theatrum, Spilhus. Weſtf. U.B. 3, 1670,
und bazu der Ercurs von Wilmans im Nadjtrage p. 950, und
Addit. Nachtr. p. 135. Wilmans will in der Gilde eine politische
Anftitution erfennen.
2) Urk. 1258 Konverfe des Klofters Liesborn auf Laiengütern werden
vom Goding und den Mahlzeiten — geltscap — entbunden. W.
U.B. 3, 636.
- 2%) Urf. 1187 homines de villis omnes his collegiis id est burscapiis
attinentes, bei Möfer. Osnabr. ©. Urf. 84.
8) legio, leescap Chron. Mon. ap. Ficker p. 216—217. legio in Urf.
1241 W. U.B. 3, 389 Note 7; Urk. 1285 W. U.B. 3, 1283; Urk.
1281 collegium vulgo leescap, W. U.B. 1139 mit Ercurs von
ai
ganzen öftlichen Sachfenlande galt die Buerjcap des Sadjen-
ſpiegels, dagegen iſt in unlerm weltlichen Nachbarlande das
Land nad Honichaften geteilt, und der Name zeigt uns bier
die Scheidegrenze zwilchen dem Sachſen- und Franfenland.!)
Das ältere Heberegifter des Stifts Fredenhorit, im 10 Jahr:
hundert in deutſcher Sprache abgefaßt, Fennt feine Buerfcap;
es führt für alle Bauerichaften nur den Namen der Tharpa,
ein Wort, welches noch im jegigen Dorf und der Anhäng-
ſilbe „drup“ bei den Namen vieler Bauerjchaften, aber auch
bei Einzelhöfen ſich erhalten hat,gwie in Hiltrup, Sandrup,
Dendrup, AMdrup, u. f.?) Dafjelbe gilt von der Bezeichnung
Wil, z. B. Haus Wil, Holtwil, Oſterwik. Tharpa und Wil
dienen bier alfo namentlih auch als lokale Bezeichnungen
von kleineren Bezirken, ebenjo wie das lateiniſche villa in
den um das Jahr 900 aufgeftellten Werdener Heberegiftern
und in lateinifhen Urkunden) jener Zeit.3) Mit Hülfe]der
gedachten Regifter und anderer Urkunden ift es uns möglich,
die alten Namen der Banerichaften unferes Landes faft überall
Milmand, Die Ledart letscap und die villa Tedscipi der Urk. 1022
C. D. W. 1086 deuten wie die agri lediles auf die Hörigen, liti,
lathi, laeti.
2) Das Franz. Dekret v. 14. Nov. 1808 verzeichnet die Gemeinden bed
Niederrheins als Honſchaften. Nach einer Aufzeichnung v. 3. 1555
zerfiel das Fürft. Perg in Aemter, diefe in Landgerichte mit je einem
Dingſtuhl, zu welchen 3—8 Honſchaften gehörten; Lacomblet, Arch.
B. 1 Anl. 17 und überhaupt daſ.S. 209.
2) Friedländer, die Heberegifter des Klofters Fredenhorft 1872; ©. 17,
25 ff.
2) Lacomblet, Archiv II, p. 209. Crecelius, collectae 1864, 1869.
Eine Urk. Biſchof Siegfrieds (um 1022) benennt 70 villae, Pauer-
ſchaften, von welchen etwa 12 ſich zu Kirchdörfern entwidelt haben,
Cod. C. W. 1035; cf. daf. 40, 61, 155, 261 u. f. Der Hermbof,
Haupthof heit: curtis, curia. Vielfach werden in Urkunden die
Pauerichaften einfach mit ihren Namen aufgeführt oder als loci zu-
fammengefaßt; in andere, befonders in Gebirgsgegenden entipricht ihr
die Dorfbauerfchaft und das Dorf.
27
noch feitzuftellen. Wir wählen für unferen Zwed die nächſte
Umgebung unſerer Stadt.
Da liegen im Umkreiſe die Kirchdörfer: Handorf, Angel—
modde, Hiltrup, Amelsbüren, Albachten, Roxel, Nienberge,
Kinderhaus, und innerhalb dieſes Kreiſes die Bauerſchaften
Cörde, Kemper, Werſe, Delitrup, Geiſt, Meflenbed, Gieven:
bed und Uppenberg. Das Werdener Heberegiiter, welches Die
Lage jeiner Colonate durch den Namen der Villa näher be-
zeichnet, nennt ung in diefem Kreije: Mimigerneford, neben
demielben Kumpa (Haus Kump an der Aa) ebenjo ein
Dorfeldon und Sunnobrunnon diejjeit3 der Angel und des
Emmerbachs;) eine Urkunde v. J. 889 nennt die Villa
Gibonbefi, eine andere v. J. 1022 die Villen: Bleifter,
Uppenberg, Körde, zwei Sandrup, zwei Gelmer, eine v. J.
1298 nennt Judefelde.?) Manche von den bier genannten
Bauerichaften jind jetzt verichwunden; die B. Pleiſter ging
in B. Werje auf, Dorfeldon in Angelmudde, Sonnenborn
in Dorf Hiltrup, Kump in Gievenbed, Judefelde in Uppen:
berg;3) Sandrup und Gelmer bieten nur noch je eine Bauer:
») Das Domkapitel beſaß in der B. Darfeld den Althof, Nienhof, die
Mühle und zwei Kotten; Liber Rotgeri, 1317—60 bei Niejert, U.
©. 7 p. 543; Sonnenbom ein Quell bei Hiltrup; ein Colon dafelbft
hieß Hille. a
®) rk. 889 C. D. W. 40; Urf. 1022 C. D. W. 1086; vgl. Tibus
Gründunga-Geih. S. 397; Urt. 1298 W. U.B. 3, 1625.
°) Die villa Uppenberg, 1022 der Kirche zu Coerde zugewieſen, jcheint
nur den nordöftlichen Theil der jegigen B. Uppenberg befaßt zu
haben; dem übrigen Theil die B. Judefeld. Urf. 1289 (U.B. 1625),
die Prafinghove, nahe beim Nubbenberg, lan in der B. Zöddefeld
laut Lehnsurkunden von 1701, 24, 28, 33, 65, 83, 1802. In der
Nähe liegt der Hof Rotgermann. Bon Kapitel des alten Doms er:
warb deſſen Droite Engelbert von Dedenbrof ven mansus Uppenberg
oder Rotgerink situs Uppenberge, Urf. 1288, 1295 im U.B. 1359,
1518. In der Urkunde feined Enteld Weflel vom 3. 1350 wirb das
Gut als in der ®. Züdefeld belegen angegeben. Stadt-Ardh. XVII,
4; Holjenbürger, die Herrn von Dedenbrot S. 11, 15, 89. „In der
PER
ichaft. Daſſelbe Verhältniß finden wir bei vielen andern in
den Heberegiftern und Urkunden uns genannten Villen. Ihre
Zahl war aljo viel größer als in jeßiger Zeit; vielleiht um
1/4 mehr, jo daß wir im Miünfterlande jtatt 600 Bauer:
Ichaften früher mehr als 700 zählen Fönnen. Jede derjelben
würde, wenn das ganze Yand auf 100 Quadratmeilen ans
gelegt wird, etwa 1, [|M. oder 3000 Morgen im Durch—
Ichnitt groß jein.!) Ihre Bevölkerung war natürlich wechjelnd
nad Lage der Zeiten, aber die größeren Colonate mit ihren
Gehöften, welche meiltens von einem Graben umzogen, in—
mitten der Ländereien, Wieſe und Wald belegen find, reichen
wohl jicher bis in die älteite Zeit hinein. Ihre Zahl in jeder
Bauerjchaft mögen wir auf 10 bis 20 feßen, abgejehen von
den jonitigen abgezweigten Kotten, und ihren Umfang auf
100 bis 200 Morgen im Durchſchnitt.?)
Was die örtliche Lage der Bauerfchaften betrifft, fo find
Berg und Thal, jowie der Lauf der Flüffe und Bäche bier
vielfach entjcheidend. In unferer Nähe ſehen mir die von
den Baumbergen kommende Aa den Höhenzug, mwelder in
der hohen Geilt und dem Kinderhäufer Eih zu Tage tritt,
Sodevelder Aurjcap“ lag die Paftorat Kinderhaus, die Häufer Jo-
hanning, Krumvinger (Weithues), Rotgermann, Erdmann, große und
lütfe Zodeveld, Hof Gaſſel, Meſſing, Echulte Brüning, Wiltinghege,
Hartmann, Hebe-Reg. Kl. Ueberwafjer bei Tarpe C. F. W. III p. 82,
91 vom J. 1491 bj. 1388.
3) p. Dlfere, Ortsverzeihnig MS. des Vereins. Das Münfterland,
d. h. der Reg.Bezirk ohne Recklinghauſen und Tecklenburg hatte
662 Drte und Bauerichaften. Vgl. Eigiemumd, topogr. ftatift. Dar-
ftellung des RB. Münfter 1819. Das Münfterland faht 101 Qu.
Meilen und 2,233,854 Morgen.
2) Nah Sigiemund beläuft fi) die Zahl der Wohnhäufer in den
Pauerihaften auf 6—10), burdichnittlid 30—50. Sm J. 1609
betheiligten fi) an der Gilde in der Bauerſchaft Elvert 17 Erbe und
6 Kotten, in ®. Prodtrup 16 Erbe und 15 Kotten, in B. Alden»
hövel 28 Erbe und Kotten, in B. Brochtrup 16 Erbe und 6 Kotten,
in B. Weitrup 15 Erbe und 2 Kotten, Kindl. M.B. 3, Nro. 236,
249
quer durchſchneiden. Zahlreiche Bäche ergiegen jih zur Ya,
wie die Medlenbede, Gievenbede, die Lilienbede, der Mühlen:
bach und Kinderbah und ebenjo zur Werje hin die Lüdiken—
befe, die Angel und der Emmerbad. Suchen wir nun die
Grenzen der einzelnen Bauerjchaften, jo liegen die B. Kump,
Gievenbed, Füdefeld, Uppenberg am linken Ufer der Aa;
gegenüber auf dem rechten die B. Medlenbed, Geiſt, Mimi:
gerneford, Kemper, Körde; überall bildet die kleine Aa hier
die Grenze; ebenjo grenzen die B. Sonnenborn, Darfeld,
PBleifter, Werje an den Emmerbach, bez. die Angel und die
Werſe. Vom alten Mimiaerneford, melches von ſechs der
genannten Bauerſchaften, nämlich Gievenbed, Jüdefeld,
Kemper, Delitrup, Geiſt und Medlenbed umſchloſſen wird,
laufen wie Strahlen mehrere alte Landftragen oder Königs:
wege aus; dirjenigen, welche nad) Horftmar, Greven, Wolbed,
Albersloh führen, bilden nebit dem Flußbette der Aa die
innern Grenzen jener Bauerichaften, nad) außen fällt die
Grenze mitten in die Marken und durchichneidet diejelben.
Wir nennen die Marten Kampersbefe oder Maurig, Loddenz,
Galgheide, Sentruper Heide und das Balenfeld. Nach ihrer
Lage drängen ſowohl die Bauerſchaften als die Marken ſich
bis in die Nähe des Eleinen Mimigerneford, und bilden
gleihjam defjen Vorland. In jener Urzeit find beide jedod)
jelbjtändige Kreile, in der Lage, daß die Bauerichaften bald
die Marten umschliegen, bald von ihnen durchſchnitten werden. !)
Eritere werden meiltend von feſten Naturgrenzen umzogen;
legtere fchließen mit dem Commpler der einzelnen berechtigten
Golonate ab. Hier im Kreife der Golonate liegt die offene
freie Mark; dort in den Banerjchaften liegen die Colonate
mit den FKotten rings zeritireut, doch vielfach enthalten fie
auch näher zufammenliegende Häufergruppen, gleichſam als
2) Urf. 1115, proprietas in villis et mercan. C. D. W. 87 u. 11,
30
feften Kern, und unjere offenen Dörfer mögen vielfah aus
ſolchen ſich entwidelt haben.
Soldy’ ein Kern erjcheint uns in feiner Umgebung dem
eined Sternhaufens oder Sternnebels ähnlich, während die
Marken mit den im Kranz fie umichließenden Gehöften uns
ebenjo als Nebelringe erjcheinen müfjen, welde in nod
größerer Ferne dur das Sterngebilde und die Sternnebel
hervorleuchten. Es hindert uns nicht mit dem ganzen
Eifer eines Aſtronomen uns in diejen Sternhimmel zu ver:
tiefen, der Entitehung dieſer eigenthümlidhen Bildungen auf
diefer Erde und deren Entwidelung nachzuforſchen und ein
Bild von den eriten Aniiedelungen Hier zu Lande in furzen
Zügen zu entwerfen.
Bei manchen Bauerfchaften fällt es auf, daß diejelben
von einem größeren Haupthofe den Namen führen. Zur
Bergleihung führen wir an, bie ganze B. Püningerhoof
beitand aus dem großeu Schulzen- und Amtshofe Püning,
zwei Colonaten gleichen Namens und dem Kotten des Bots
heuerd. In andern Bauerichaften finden wir denfelben
Namen bei zwei Kolonaten, 3. B. in B. Averdung, in ®.
Südefeld, ein groß uno klein Jüdefeld u. f. erfahren aud,
daß von größeren Höfen vielfach kleinere abgezweigt wurden,
wie ſchon die vielen Kotten darıhun.!) Aus joldhen Beiipielen
fönnte man die Vermuthung jchöpfen, daß allgemein von
jolden Haupthöfen die kleineren abgejplittert find und mit
ihnen den Verband der Bauerſchaft gebildet haben. Aber
einen bejtimmten Nachweis vermag ich nicht zu führen. Bei
den meilten Bauerichaften widerſpricht ſchon die einfache
Thatſache, daß in dem weiten Bezirk wie jchon erwähnt iſt,
eine Zahl von 10 bis 20 und mehr größeren, unabhängigen
Colonaten zeritreut umberliegen. Für eine erjte Anjiedlung
) z. B. Ur 1270 de tribus casis fundatis de curte Kaldenhof,
Schulze Kaltyof, b. Nienberge W. U.B. 3, 850,
31
legt fih uns überhaupt die Anfiht des Tacitus in feiner
Germania näher, wo er jagt: Sie Jiedelten dort, wo ihnen
ein Wald, ein Feld, oder eine Quelle gefiel. Die Ufer der
Bäche boten ihnen Waſſer, Wiefe und fruchtbares Land; es
grenzten Wald und Heide. Nachbarlich jiedelten auch Manche
längd des grünen Ufers, und dieſſeits und jenjeit3 Des
Baches lagen ihre Heimjtätten zu einer Gruppe vereint. So
bildeten jich wohl jene Häufergruppen, von melden mir
ſprachen. Während hier überall ein regjames Leben ſich
entwidelte, lag der Wald und die anitoßende Heide noch im
ftilen Schweigen da. Doch auch bot der Waldesrand Schuß
für ein Heine Heim; für Pferde und Rindvieh fand ſich
bie jchönite Weide, man fiedelte hier und dort rings um den
Wald, und um die offene Heide, und trat nun in Berührung
mit den umber und jenjeit® belegenen Anbauern, welche
ebenfall3 ihr Vieh dort meideten und ihr Holz dort fällten.
Es bildete jih unter ihnen eine Art Gemeinfchaft, welche
Ipäter, als der Kreis von Anfiedlern rings um die gemein:
ſame Mark geichloffen war, als ein enger Verband fich dar:
ftellte. Die umliegenden Beliger, welche nach langer Gewohns
beit allein die Waldung und Weide benugt hatten, mußten
unter Ausſchluß der weiter belegenen als einzig Berechtigte
ih anerfennen,, und endlih unter einem jelbitgewählten
Richter feite Normen über die Sicherung, Verwaltung und
Nugung der Mark aufitellen. So erklärt ſich einfach bie
Bildung der Markgenoſſenſchaften. Es ilt zwar zunächſt nur
ein Phantaſiebild, welches wir uns hier entwerfen; aber in
ben Rezejlen über die Theilung der Gemeinheiten aus jüngiter
Zeit, deren wir früher gedachten, erkennen wir doc die
volle Realität der ganzen Erſcheinung, in ihrer alten eins
fahen Organifation,
Aber vergebens fragen wir noch, wo iſt denn ba bie
Bauerichaft, die Billa? Wie vermögen wir ung die Einigung
der zerjtreuten Anjiedler zu einem engen Verbande, und wie
32
die Begrenzung der kleinen Bezirke zu erklären? „Dann
muß ih fideln nod einen Zug”, jagt der Märchendichter.
Wir führen und nochmals das landjchaftlihe Bild unſerer
Gegend vor Augen.
Wir befinden und auf einer Hochebene, von welcher
nah allen Seiten Flüſſe und Bäche abwärts eilen. Nach
Süden hin ftredt fih das Gebiet mächtiger Waldungen mit
Schluchten und Thälern bis zu den Ufern des Lippeitromes;
im Norden dageaen bis zum Osning liegt ödes Sandland,
von der Ems in Schlangenwindungen durchzogen. Weithin
eritreden fich bier die braunen Heiden, von der Lippe'ſchen
Senne bis zum Rheine hin. Auf der Grenze zwilchen Nord
und Süd ſehen wir auf mwaldigem Hügel unjer Mimigerna,
Mimigarde und vergleichen es dem Midgard (Mittelgarten)
der heidniichen Götterjage. Bon den blauen Bergen dort
in der Ferne ber eilt der jchöne Bach — Echoninbefe —
im Wiejenthale dahin, vorüber an der Waldhütte eines ein—
ſamen Wildihügen und weiter an der Kleinen Wohnitätte
eines Giedlerd, der mit einem Hirſchhornkarſt die Erde
lodert, um dürftige Feldfrucht zu erzielen; fie biegt hier um
den Hügel, wo vor der Inſel die allbefannte Furt fich bildet,
und wendet ji” nordwärts zur Werje und Ems. In dem
Mintel, wo dieſe Flüffe zujammenitrömen, liegt ein steiler
Hügel von hohen Ummallungen dreifah umſchloſſen; es ilt
eine alte Volfgburg, wohin im Falle des Kriegs, die An:
fiedler ihre Habe, Weib und Kinder bargen. An dem Hügel
der Hasfenau fand man jüngithin noch Scherben germas
niſcher Todtenurnen, und im Flußbette der Ems eine Streitart
von Hirihhorn; fie deuten auf die Zeiten der alten Brufterer
und die älteite Vorzeit. Höher binauf, wo die Eifenbahn
jeßt den Fluß überjchreitet, warfen die Arbeiter 4 bronzene
Ringe, den heidniihen Schwurringen vergleihbar, aus dem
Sande auf, ein koſtbares Geräth dir älteiten Ureinwohner,
33
welche bier fiebelten oder flüchtig weilten.!) Bon dem Strome
und den Lachen de3 verlafienen alten Flußbettes rings um:
ſchloſſen, Liegt hier ein Eiland mit waldigem Gebüſch bedeckt,
inmitten Wieje und jpiegelllare Teiche; nad) Süden zerrij:
jene Ummwallungen, wie von Menſchenhand geichaffen und
verworfen; fie liegen dicht nach der offenen Heide zu, der
Hornheide, welche nach rechts und links meilenweit jich aus—
dehnt. Ihren Rand ziert grünlicher Wacholder, der hier
und dort in Stämmen wie Cypreſſen auffteigt; breit und
weit liegt die jonnige braune Heide vor, ganz mit der röth-
lichen Erifa überfleidet, und drüber hin zieht das leife Ge-
ſumſe der Bienen, und in den Lüften der Elagende Ton der
Heidelerdhe. Ihren erniten, fait düftern Charakter hat die
Heide treu bewahrt. Wie heute, jo war es vor tauſend und
zweitaufend Jahren. Sn die tiefe Stille der einfamen Natur
verjenkt, träumen wir von den alten Ureinwohnern und
deren einfachen Lebensverhältnijfen. Unmilllürlich erinnern
wir und dann der weiten Steppen Amerifas, erinnern uns
an die Hütte und den Wigwam eines Häuptlings, an Chin—
gangoof den Mohikaner und. jeine Geſpräche mit dem Pfab-
finder Hawkey.
Doch die Geihichte, wo fie für uns in diefen Gegenden
beginnt, zeigt und ein anderes Bild.
Lange Züge georbneter Heerjchaaren ziehen über bie
braunen Heiden; es find die Legionen und Reitergefchwader
der Römer, wie fie von den Ufern des Rheins zur Ems
hin rüden, und weiter bis zu den äußerften Grenzen der
Brukterer und den Quellen der Lippe vorbringen. Sie
ſuchten die Lagerjtätte, wo Varus und jeine Legionen dem
Schwerte der Germanen unterlegen waren. Dort bradıten
fie den Manen der Erichlagenen die Todtenopfer, kämpften
rachedürſtend in zweifelhafter Schlacht und nahmen theils
nördlich längs der Ems, theil® über die braunen Heiden
4) Zeitichrift des Vereins, B. 28,
XLVI. 1. 3
34
—— — — — —
ihren gefahrvollen Rückzug nach dem Rheine zurück. Wir
hören noch von einzelnen Rachezügen, hören von der Veſte
Aliſo und dem Thurme der Seherin Veleda. An eine Er—
oberung des Landes und Unterjochung des Volkes dachten
die Römer nicht mehr.
Vom Lande ſelbſt, den Gauen und Gemeinden hören
wir nur wenig. Die Kriegsberichte der Römer ſprechen nur
kurz von den Völkern des Landes, ihren Wanderungen und
Schlachten; auch Tacitus, welcher das Leben und die Sitten
der alten Germanen ſchildert, gibt uns keine Auskunft;
ebenſo wenig ſpätere Chroniken. Erſt ſeit Karl, dem mäch—
tigen Frankenkönige, der das Sachſenland ſeiner Herrſchaft
unterwarf, hören wir von beſtimmten Gauen und Villen.
Die Heberegiſter der nächſten Zeit nennen uns Hunderte
von Namen.
Die Villen! es ſind jene kleineren Bezirke, deren Name
bei den Heberegiſtern zur näheren Feſtſtellung der in ihnen
belegenen Kolonate diente, es ſind jene dunklen Nebelflecken,
welche wir zu löſen juchten.
Das Wort Villa bezeichnet zunäcit ein Landgut, das
Herrenhaus mit Nebengebäuden und dem umliegenden Lande; )
das gothiihe Thorp heist Mauer, und Wif it ein Haus
und Gehöfde. Die Grundbegriffe diejer Wörter führen uns
aljo zunächſt auf eine erite, einfache Anſiedlung. Vielleicht
mag der Name der einzelnen Billen den klaren Begriff der
damaligen Villen enthülen; — bloße unverjtändlihe Namen
als Duelle der Gejchichte wird man fragen? aber ſei es;
um das Wejen der Dinge zu ergründen, forichen wir doch
überall nad) ihrer Entſtehung; denn aus dem Entjtehen und
Werden entwidelt jich erſt der flare Begriff. Da nun der
Name im Allgemeinen das Wejen eine Dinges bezeichnet,
oder doch bezeichnen joll, und nicht anzunehmen ift, — daß
Adam und die jpäteren Adamskinder, unjere Vorfahren, die
35
Gegenjtände um jich her, injonderheit die Hunderte von Villen
mit gleiher Willfür getauft haben, wie wir jüngithin Die
Straßen des neuen Stadttheils, als Kaiſer-, Schiller- und
Türfenftraße, jo juchen wir echt Hiftoriih das Wefen und
die Geichichte der Villen durch Deduktion und Combination
aus ihren Namen, wie die alte Sprade jie uns darbietet,
zu erforihen und zu entwideln. Wir nennen die Namen
einzelner Villen und fügen die Deutung des Namens bei.
Wanamaloa heißt leuchtender Wald: der bloße Name
giebt uns das Bild einer herrlichen Landichaft; und welcher
Wohllaut tönt in dem Worte der alten Sprache, welches
im Laufe der Zeiten zu einem unverftändlihen Wambeln
geworden ijt! Andere Villen heißen: Sunnobrunnon, der
Sonnenborn. Hedfeld das Heidefeld, Arnahurit des Adlers
Horft, Hirutfeld, das Feld der Hirſche, Havufasbroca,
das Bruch der Habichte, Scurilingis Miri, Luft der
Eichkätzchen.)) Die ganze Poeſie landjchaftliher Gemälde,
welche einzelne Gegenitände der ftilen, großartigen Watur
vor unjern Augen Hinzaubern, Liegt in den Worten ausges
ſprochen. Zahlreich find die Bilder, welche vom Bach, Geiit,
Brof, Feld und Horit entnommen jind, jeltener die von
Hügel und Berg.) Mikilonbeki, der mächtige Bach,
Gibonbeki, Fluthbach, Angulmuth, Angelmündung,
Nutlo, das Nußgehölz, Ekasloe, der Eihwald, Dorfel:
bon, Sodefeld, Judinashupveli, Geeithuveli Upan—
berg am Berge, Aſkasberge, der Ejchenberg, Bokholt
der Buchwald u. 5.3) — Weiterhin ericheint dann in andern
1) D. Wambeln bei Dortmund und bei Rhynern; Sonnenborn bei
Hiltrup, Heidfeld bei Ahlen, D. Hersfeld, Havizbrod bei Bedum,
B. Schorlemer.
) B. Bad am Emmerbah, B. Geift bei Münfter und Wadersloe,
B. Brof und B. Bruch, D. Hövel und B. Hövel und Horſt bei
Nottuln. Horit im Gegenfag zum Merſch ift das höhere, trodene
weniger fruchtbare Land.
‚?) DB. Medlenbed und Gievenbed bei Münfter, D. Angelmobbe, D.
3*
36
Ortsnamen der Menſch in feinem Wirken und Schaffen, ber
Mann in feinem Hem, Heim, der trauliden Wohnung, in
feinem Seli, dem Saale, Herrenhaus, dem Wil, dem Ge:
höfde, der Mann mit feinem Gigennamen; wir vergleichen:
Bekehem, das Heim an den Bächen, Dalahem, Holthem,
dag Heim im Thale, am Holze. Selihem Selihova
Somerjeli; ferner Böfenjeli Hiddingjeli, der Seli
des Bojo, des Hibding!); dann die Bildungen mit Wi,
al3 Holtwik, Dalawik, Athalheringwik, das Gehöfde
des Edelherrn, im Gegenjage der Blajheri der böjen Herr-
ſchaft, Rinkroda, der Männer Nodung, Stenforda Stein:
furt, Burinftene, Tragefteine, Steinlammer.?) Herifelbd
Heribrunnon, Heribeddion deuten auf die Heri und
das Heer, Billurbefi, Beilbah auf einen Kampf mit
Steinbeilen.?) Auch die Bewohner der Gegend geben den
Namen. Bekeſeti find Bachgejeffene, Brocſeti, Lagſeti,
Hornjeti find die am Bruch, am Wafler, am Horm ge—
jeffenen. Bekeſetihuſon fpricht von den Häufern der am
Bach gefeffenen.*) Die Anhängfilbe „huſon“, der Dativ
Plural von Hus, under jegiges haufen bezeichnet die
Häujergruppe mit ihrer Umgebung. In Smedehufontharpa
erkennen wir genetilch zuerft den Schmidt, und feine einſame
Wohnung, den Anbau umliegender Häufer, und endlich eine
Nottuln, Edholt bei Werne, die frühere B. Darveld und Judeveld,
B. Sonfthovel, B. Geiithövel bei Ahlen, B. Uppenberg, D. Aſche—
berg, St. Bocholt und B.
ı) Stadt Beckum, B. Dahmer und Holthem, daj. D. Selm, B.
Sommmerjell, D. Böſenſell, D. Hibdinrel.
2) Haus Wiek bei Albachten, D. Holtwid, ®. Erdelwid, Schulte
Bleiſter oder Pleiſte an der Werſe, D. Ninfrode, St. Steinfurt,
RB, Börnfte bei Dülmen. |
2) H. Herfeld bei Herzfeld, Dorf Herbern, B. Herbede, D. Billerbed.
) B. Berten bei Saljbergen und Ennigerloh, B. Brokſter bei Venne
im Osnabrückiſchen, Yaren bei Gimte; lagu, altjäch). angeſ. — aqua,
ware; ef. Förftemann, Ortsnamen. Horn — Giebel, Spite, Ede.
37
Häuferinfel in der weiten Heide, eine Billa, Tharpa,
die jegige Bauerihaft Schmedehaujen.!)
In ſolchen Worten und Bildern, wie die alte Sprache
ie uns bietet, legt ſich die ganze Geichichte der erjten An-
ftedelungen uns klar vor Augen. Wir fehen die weite
Gottesnatur, Wald und Bah, Bruch und Heide, jehen bie
Hirſche jchweifen, den Habicht und Adler in den Lüften
ichweben, e3 jchweigt die ganze Natur. Da ertönt die Art
im Walde, der Dann baut jich eine Hütte, klärt fein Feld,
und umzäunt fein Gehöfde. Man fiedelt hier, man fiedelt
dort, den Bach entlang, oder am Wald und der offenen
Heide. So wie der Wald fich lichtet, die Feldflur und
Weiden und Wiefen fich erweitern, bildet ſich für den freien
Blid, jo weit das Auge reiht, eine Landichaft, welche von
der Natur, von einer auszeichnenden Eigenthümlichkeit der
Gegend einen Namen erhält, oder au nah den Wohn:
jtätten der dort Gejeffenen benannt wird. So bildeten ſich
die Yandichaften und die Volksjchaften in ihnen, die Landſcepi,
Bolkjcepi, wie der Heliand jie bezeichnet.
Aber wie erhielt die Landichaft ihre feite Begrenzung,
und die Volkichaft einen innern organischen Zufammenhang?
Das einigende Band aller Bewohner findet jih nur in
dem Gejammtrolfe, der Jrminthiod.
In weiten Zügen, wie die Gejchichte zeigt, jehen wir
die Völker wandern und jiedeln, Fämpfen und ftreiten, wir
jehen die Beſiegten Land und Gut verlaffen und weiter ziehn,
oder bleibend im Lande der Hörigfeit verfallen. Kriegeriſch
iſt das ganze Leben der alten Völker und darum auch krie—
geriih die Organifation. Fürften ftehen an der Spike des
Volkes, und unter ihnen Heerführer der Taufende und der
1) In reichlicher Anzahl haben wir aus den vielen Namen der Billen
nur die leichtveritändlichen ausgewählt; weitere Forſchungen auf
dieſem Felde müſſen wir den Sprachkundigen überlafjen. Vgl. W. Ar-
nold: die Ortsnamen ald Geſchichtsquelle, in den Studien zur deutjchen
Kulturgeſchichte.
38
Hunderte. Bei den Sachſen führte der von Abgeordneten
der Gaue gewählte Heritogo den Heereszug; das Land
felbft war in Gaue getheilt. Bei den weſtlichen Sachſen zer:
fiel der Theil, welder das jegige Münſterland befaßt, im
die Heineren Gaue, Dreginni, Stibaron, Scopingon,
Fenkiga und das ſächſiſche Hamaland. In diefen Gauen
fönnen wir nach fpäteren Urkunden nod die Dingſtätten
feftftellen, wo das Volk zur Berathung und Nechtsfindung
zufammentrat, und zu der einzelnen Dingitätte dienten dann,
wie e8 beißt, die umliegenden Bauerſchaften.) Daß aber
diefe Theilung der Gaue in Gemeinden, und die zur Ding-
ftätte in jeder Gemeinde gehörigen Bauerichaften eine ur:
fprüngliche war, ergibt ſich von felbft, weil fie naturgemäß
ift, weil der Vorfteher und Führer des Gaues, ſowie der
Gemeinde eines niederen Ordners in der Buer ald Gebülfen
nicht entbehren konnte?); und die Beftätigung liegt darin,
daß wir bei allen älteren Bölfern diejelbe Einrichtung an-
treffen. Bei den Franken nach karolingiicher Ordnung finden
wir Gaue und Gentemen, ſowie Vorfteher des vicus oder
der Villa, den Dekanus, ebenſo in England, zu den Zeiten
Alfreds des Großen, den Bezirk der Grafihaft, den ber
Hundertihaft, d. h. einer Gemeinde von hundert Familien,
und den der Zehntichaft, Scire, Hundred, Tithing ober
Theodung.?) Thie, analog dem engliichen tithing heißen
um das Jahr 1120 in Eoeft die Fleinen Bezirke der Bur—
rihter, ebenſo die Gerichtsftätten an andern Ortent); daher
1) 3.2. Im Jahre 1476 gab es in der Grafichaft Wildeshorft 11 Stuhl:
freie und Schöffen, welche der Grafſchaft dienten, während die vier
um Werne belegenen Bauerſchaften nur zu ihrem Freiftuhle zu Motten-
heim dingpflichtig waren; Urf. bei Kindl. M.B. 3, 205.
) Im Gölner Sottesfrieden vom 3. 1083 wird neben den höhern Bor
ftehern, dem Grafen comes, dem Vogt der Geiſtlichkeit advocatus,
ihren Stellvertretern, wozu auch der tribunus zu rechnen jein wird,
noch der magister villae erwähnt. D. W. 163 cf. 140.
2) Schmidt, Angelſächſiſche Gefetze, Gloſſar, Rechtsbürgſchaft, Hundred.
) 3. B. in Rheine, Eggenrode, Südkirchen, cf. Kindl. M. B. 8, 192 B.
39
fommen auch die häufigen Namen im Volke: Thier, Richter,
Bauerriter. In Friesland finden wir in ältefter Zeit den
einen Bezirk einer Hundari.!) Im altſächſiſchen Liede des
Heliand wird der römiihe Centurio als Hunno bezeichnet.
Am Niederrhein finden wir Genturionen oder Hunnonen,
und bis in legter Zeit die Honjchaften. Im Jahre 1272
ericheinen die Parochianen von Uſterode zur Dingſtatt unter
Zeitung ihres Hunno,?) und in Trier werden damals die
Borfteher der dingpflichtigen Dorfichaften, der Villae, Cen:
turionen genannt. ®)
Der Name des Genturio, des Hunno, Hünen ift eine
Erinnerung an die friegeriiche Ordnung der ältelten Völker.
Wenn Tacitus in feiner Germania den vom Bolfe gewähl-
ten Fürften, welde durch die Gaue und Gemeinden Recht
fpreden, je Hundert, Genteni, aus dem Volke ala Genofien
zuweiſet,) welche mit ihrem Rath und Anfehn fie unter:
ſtützen, müſſen wir nit dieſe Centeni al3 Bertreter der
Hundrede, ald Hunnonen auffallen, und auc in den dunfeln
Worten die uralte Verfaffung der Gaue und Gemeinden er:
fennen ?
Mer war denn nun in der Buer der Führer der Mann:
jchaften? Naturgemäß der Beliger des älteften, oder größeren,
des Haupthofes; und damit erklärt es fih, daß öfters die
Buer von ihm den Namen erhielt. Sein Amt war allgemein
das eines Vorſtehers und Richters in der Buer, und in dem
von ihm gehegten Buergerihte wurde mit den Buergenofien,
den convicini,5) verhandelt, über Wege und Stege, Bäche
!) Urf, 839 villa Camingehunderi in C. D. W. 13.
2) Qacomblet U.B. II, 63; vgl. Urk. 1003 und 1302 daf. I, 139 und
III, 118.
3) Trierer Weiäthum bei Maurer, Stadtverſ. p. 209.
*) Germ. ce. 19 principus, qui jura per pagos vicosque reddent.
Centeni singulis ex plebi comites; consilium simul et auctoritas
assunt.
5) Dad ſächſiſche Kapitular v. J. 797 fcheidet dad Gericht der Nachbarn,
40
und Waflerflüffe, Grenzen und Feldſachen, Befi und Her—
bringen, in ähnlicher Ausdehnung und Beichränfung, wie
wir es früher ſchon erwähnt haben. Die Beihränfung lag
in dem Vorrang des Gemeindegericht3, zwar nicht des
Godings, jondern des älteren Mahal, und in dem Borrang
der höheren Stände, denn in der landichaftlihen Buer gab
e3 Edle und Freie, welche für ihre Perſon und ihr freies
Gut nur am Freiltuhl, am Mahal der Männer Recht nahmen;
die übrigen Bewohner waren, abgejehben von den unfreien
Knehten, Hörige oder Xiten, welde wegen ihres Gutes
zu beſtimmten Leiftungen und Abgaben an die Herrichaft oder
deren Gut verpflichtet waren. Die Stellung der Liten aber
und ihr Verhältniß zur Gemeinde, jowie die Frage, woher
die Liten Famen, und wer die Buer zuerft mit Grenzen um:
Ichloffen, haben wir bier noch nicht zu erörtern. Tacitus
bezeugt uns ſchon eine viergliedrige Theilung der Stände
in Edle, Freie, Freigelafiene und Knechte; und die Brufterer
waren von jeher, jo weit wir jehen, ein aderbautreibendes,
jebhaftes Volk, bei welchem wir in den vieis bei Tacitus
auch jhon die Buer erkennen. Für unſern Zwed genügt
e3, wenn wir von den eriten Anfiedelungen hier im Lande
ein allgemeines Bild entwerfen und die Einkreilung der Buer
an die vorgezeichnete Landichaft anlehnen, wenn wir weit
über die farolingiiche Zeit hinaus die Buer als ein Eleinftes
Glied in die ftrenge DOrganijation eines kriegeriſchen Volkes
einreihen fonnten, woraus ſich die jpätere Billa und Bauer:
ihaft von ſelbſt entwidelte. Unſer ausgeiprochener Zweck
ift es, alle Anfänge einer ftädtiichen Bildung zunächſt Har
zu legen, und die gewonnenen Begriffe jodann auf biejige
Berhältniffe anzuwenden.
proprii vieinantes, vieini, convieini von dem gemeinen Ding der
Gaugenoſſen, pagenses,
(Fortſetzung im nächſten Bande,
II.
Geſchichte der Grafichaft Tefeneburg
bis zum
Untergang der Efbertinger 1263.
Bon
Ch. Reismann.
Wenn es der Zweck dieſer Blätter iſt, den vorhandenen
Stoff über die älteſte Geſchichte der Grafſchaft Tekeneburg
zuſammenzutragen, ſo haben wir damit von vornherein darauf
verzichtet, die Geſchichte jenes moor- und heidereichen Win—
kels zwiſchen dem Teutoburger Walde, den holländiſchen
Grenzmooren, der Haſe und Hunte bis in die Zeit der ger—
maniſchen Beſiedelung zu verfolgen. Der für jene entlegene
Epoche dürftige Stoff würde einen Erfolg auch nur hoffen
laſſen, wenn er durch ſorgſältige Unterſuchung der Flurkarten
und der Sprache unterſtützt wird.
Welche Völker hier vorüberſtrömten, welcher Stamm ſich
zuletzt niederließ und das Land behauptete, welche politiſchen
Gebilde vor Karl dem Großen hier geſchaffen wurden, das
alles ſo anziehend es zu erforſchen wäre, kann hier unbe—
rührt bleiben, denn als der Ausgangspunkt der ſpäteren
Grafſchaft darf erſt die karolingiſche Gaueinteilung betrachtet
werden.
Zu der Zeit, in welcher die Grafſchaft ihre größte Aus—
dehnung erlangte (etwa 1200— 1300), erſtreckte fie ſich über
den ganzen Tekenegau und Fenkiongau jowie über mehr
oder minder große Teile der Gaue Sutherbergi, Agrotingau,
Hajegau, Farngau, Derjaburg, Tregwiti und Loſa.
Da Böttger® Buch über die Diözeſan- und Gaugrenzen
wegen jeiner Anficht der dentität der Gaue und der jo
vielfach verjchobenen Archidiakonate unzuverläffig it!) und
da Menke die Belege zu feiner Ausgabe des Sprunerichen
Atlaſſes nicht veröffentlicht hat, fo gebe ich in folgendem
eine Zufammenftellung der Nachrichten über die meftfäliichen
Gaue, jomweit fie für unferen Zweck in Betracht fommen. ?)
die vielfach zu mejentlich anderen Ergebniffen als denen der
beiden Foricher führen wird. Für die nachfolgenden Aus:
führungen fei auf die am Schluß beigefügte Gaufarte ver:
wiejen.
I. Fenkiongan.
In einer Urkunde Ludwigs des Frommen vom Jahre
919 (Wilm. 8. U. 5) wird ein Fenfiga erwähnt, den man
lange Zeit vergebens geographiich zu firiren ſuchte. Nach
Entdedung der Werdener Heberegifter hat Meyer in der
Osnabrücker Zeitihrift die ungefähre Lage beftimmt. Die
legteren find für Beftimmung der Lage und des Umfanges der
nordweitlihen Gaue ein überaus foftbares Material. Der
Teil von ihnen, welhen der Herausgeber Lacomblet ?)
codex B genannt und deſſen Entitehung. in das 12. Jahr:
hundert gejeßt hat, giebt nicht die Gaue, in denen die auf:
geführten Bauerichaften liegen und kommt daher für uns
nicht in Betradt. Die Gauverfafjung ericheint zerfallen, jo
daß die Güter nicht nach Gauen, fondern nad Villicationen
geordnet find. Ungleich wertvoller ift der nach Lacomblet
aus dem 9. bis 10. Jahrhundert ftanımende codex A. Aber
auch in ihm iſt nicht alles aus der gleichen Zeit, denn die
verjchiedenen Abfchnitte, in melde er zerfällt, behandeln
2) Böttger erlaubt =: diefer Theorie zu Liebe gewaltfame Berftumme
lung der Quellen.
2) Kür das folgende ift noch zu vergleichen: Meyer in der Osnabrücker
Zeitihrift Pd. 3 p. 255 ff., Pb. 6 p. 173 ff. — Sudendorf in Ya»
comblet niederrhein. Ardhiv Bd. 3 p. 180. — Böttger im Correipon-
denzblatt des Gejamtvereins der deutſchen Geſchichtovereine, Jahrgang
1876 Nr. 9 p. 75. cf. die Gaufarte im Anhang,
2) In Lacomblets Niederrhein. Arhiv Bd. UI.
43
einige Gaue, wie 3.8. Fenkiongau, Hafegau, Dreini mehr:
mals; ferner jind einige Ortsnamen in den verichiedenen
Abſchnitten verichiedenen Gauen zugeteilt. !)
Am meiften Ausbeute Liefert Abjchnitt A XVIII. Er
giebt für den Fenkion folgende Ortsnamen: Lihtastorpe
(Liftrup, Kr. Emsbüren), Falbefi (unbefannt), Humilathorpe
(Hummeldorf zwiſchen Rheine und Salzbergen), Biascun
(wohl gleih Biestun wie Abjchnitt A X hat: heute Bieften),
Selanthorpe (Gellendorf bei Rheine), Hatiloha (Heitel, Kreis
Plantlünne), Farnrodun (Barenrode, Kreis Plantlünne),
Spinoloha (Spelle), Scaldi (Echaale, noch im XIII. Fahr:
hundert heißen die dort jigenden Miniiterialen „von Schalde‘‘),
Scapahamma (Schaapen, Kr. Tedlenburg), Thanculashulhi
(unbekannt), Nortanthetun (Emsbdetten)?)
Die neun eriten Ortsnamen finden ji auch in Abſchnitt
AX, der die Überfchrift Unenkinne trägt. Wir dürfen nicht
zweifeln, daß Fenkion und Uuenfinne identisch ift?) und
damit gewinnen wir 17 weitere in der Nummer A X ent:
baltenen Orte nämlich Uethenthorp (Wettrup bei Lengerich
an der Wallage), Ditenftadon (Kleinftaden bei Hopften),
Giureſton (Gierften bei Lengerich), Langon (Kangen), Lunni
273. B. Abſchnitt A XVII ſetzt Scapahamma u. Ihancnlashulhi in
den parus Fenkion, Abſchnitt A XI, ebendieje in den pag. Leheri;
Hriastorda fteht A XVII im Sarugoa, AX im Unenfinne, ef. aud)
Anm. 4 pag. 12).
2) Scapham und Thancolbeshuth werden aud; Abichnitt XI ale zum
Leri gehörig bezeichnet, jicherlich fälſchlich.
®) Meyer ©. 3. VI. 181 zweifelt, ob Uuenfinne einen Ort oder einen
Gau bezeichnet, neigt fich ſchließlich zur Anficht, dah es ein Gau
jein möchte; es ift eigentumlich, daß er nicht die Identität von
Fenkion und Uuenfinne erkannte. Ebenſo wenig jah er, daß die
in Nummer A XVII hinter in pago Fention folgenden Ortichaften
zum Gau Fenkion gehören (D.3. VI. 195) und verlegt den Fenkion
in dad Gaterland. Menke, wenigitens feiner Karte nach zu urteilen,
jah jchon richtiger, bemerft aber auch nicht die Sdentität von Bention
und Wuenfinne.
44
(Plantlünne), Hubide (Hüvede, Kr. Plantlünne), Alubuuide
(Adlde, Kr. Emsbüren), Binutloge (Bentlage bei Rheine),
Herft (unbefannt), Settorpe (Settrup bei Fürjtenau), Andheton
(Anten, Kr. Berge),!) Hirutloge (Herzlafe), Firsni (unbe-
tannt),?) Gezci (Geefte, Kreis Lengerich), Elliberga (Elbergen
bei Rheine), Rotha (Rodde ebenda), Hrisforda (Rüsfert) 3).
Andere Quellen für den Fenfiongau find nicht vorhanden.
Mit Hülfe diefer Ortsnamen läßt fich jedoch der Gau mit
völliger Sicherheit beftimmen. Es beginnt die Grenzlinie
an der mittleren Ems bei Emsdetten, hält jih auf dem
Laufe nordwärts am linken Ufer, gerät in der Gegend von
Rheine ind Schwantent) und fällt dann in die furdtbaren
2) Herr Domtfapitular Tibus machte mich aufmerffam „da wenn And»
heton gleich Anten, dann das pag. 43 erwähnte Nortanthetun gleich
Kordanten und nicht gleich; Norddetten d.h. Emsdetten ſei; denn 1)
heiße Emsdetten nur einmal Wilm. add. 73a Nortthetten (jonjt
Thetten) und fei das im Gegenjag gegen das damals (1189) fich
zum Kirchdorf entwidelnde Scapdetten (jonft ebenfalls Thetten)
geihehen; 2) komme die Form Nordberg, Nordland, aber nicht
Nordanberg u. j. w. vor.” Ich bin bei Meyers Anficht geblieben,
denn 1) Iſt ein Nordanten nicht zu finden, wenn man nicht das
anflingende Andrup heranziehen will, während es mir wol möglich
eriheint, daß der betr. Schreiber jchon Scapdetten als Süddetten
auffaßte; 2) ift die Form Nörtan — thettun korrekt. cf. Northen-
feld, Northenhoug, Northanheri (Förftemann 1168), Northanflieta
(ibid. 570); 3) bezeichnen th und dh einen verfchiedenen Laut, ob»
glei der Unterfchied früh fi verwiiht. Wir kommen allerdings
immer nur zu einer mehr oder minder großen Wahricheinlichkeit.
2) Aber unmöglich Veerſen nördlid von Meppen, wie Meyer will.
3) Gehört im Abjchnitt A XVII ficherlich richtiger zum Yarngau.
*) Abjchnitt A X teilt Rotha und Binutloge dem Fenkion, Abſchnitt
A XV ebendiefe dem Scopingun, eine Urfunde von 838 bei Erh. 356
aber Reni (Nheine) gar dem Burfibant zu. Es iſt daher nicht zu
verwundern, dab Tpäterhin jowohl die Tedlenburger Grafen, denen
der Fenkiongau, wie die Bentheimer Grafen, denen der Burfibant
gehörte, zu Rheine Miniſterialen befigen. Die Grenzorte des Scopin-
gun gegen den Fenkion find Weiterroda (Weiterrode, Werdenerhebereg-
A XV), Wateringa (Wettringen bei Erh. 356). Dazu dürfen wir
45
viele Duadratmeilen großen Moore, am Weltrande des heu—
tigen Deutjchlands (Bourtanger Moor, der Twilt, die Engder
MWüfte), welde dem Völkerverkehr eine viel gemaltigere
Schranke bilden mußten, ald das jchmale, leicht zu durch—
watende Bett der Ems. Wir dürften daher durch jene Ein-
öden jchon die Grenze hindurd) legen, auch wenn ung nicht
urkundlich die links emjifhen Bauerſchaften Binutloge, Hu:
milathorpe, Elliberga als zum Fenkion gehörig beglaubigt
wären. Diele Moore bilden die Scheide zweier Völker und
zweier Gaue, weſtlich Burfibant nnd friefifches Blut, öftlich
der Fenkion und meitfäliiche Sachſen. Die jpätere Graf:
Schaft Bentheim, welde auf dem Gau Burfibant erwädhlt,
und die man mit Recht mit der Twente und den Tubanten
in Verbindung gejegt hat, hält ſich auch durchaus auf jener
von uns vorgezeichneten Linie. Sie bleibt der Ems fern
außer bei Rheine, denn hier, wo die Moore aufhören, ift
die natürliche Paſſage vom Emsland nah Holland, die auch
die heutige Bahntechnik benußt hat. Hieraus ift wohl das
oben erwähnte Schwanfen der Grenze bei Rheine zu erflä-
ren.) Der gefamte Fenkion befindet ih, wie wir fehen
werden, ſpäter in der Hand der tefeneburgiichen Grafen.
wohl hinzufügen Scopingun (Schöppingen) dad Dorf, weldyed dem
Sau ficherli den Namen gab; ed wird oft genannt; direct ald zum
Gau Scopingun gehörig allerdings nicht.
1) Im dem umfangreichen Werfe „Gründungsgeſchichte der Pfarrkirchen
u. ſ. w. ded Bistums Münfter” hat Tibus die Örenze des Bisſstums
vom Jahre 1313 feitgelegt, die wir, da wir feine entgegenftehenden
Nachrichten haben, als die urjprüngliche anzunehmen gezwungen find,
und da tritt und nun die überrafchende Erjcheinung entgegen, daß
Bistums- umd Gaugrenze nicht zuſammenfallen; es ſchneidet nämlich
das Bistum Münfter anf der Grenze gegen Osnabrüd mitten durd)
den Fenkiongau (cf. die Karte im Anhang bei Tibus). Wenn Tibus
aber hier, und von ihm hat offenbar Menke entlehnt, den Burſibant
bis über die Ems hinaus zeichnet und p. 289 wenigſtens die Mög-
lichteit offen läßt, daß Burfibant und die Grafſchaft Lingen Teile des
46
I. Lerigau.
In ihm giebt es Werdener Heberegifter Abſchnitt A XI
folgende Orte: Scapham (Schaapen), Thancolbeshuth (un
befannt),!) Sege (Sage), Halahtron (Haltern),?) Ueitonstedi
(Weiterburg oder Weiterjtede). Die folgenden Bauerjchaften
find zugleih auch im Abjchnitt A XVIII gegeben: Berno—
thingthorpe (Bernstorf),?) Hahanitedi (Hagitedt), Dungas—
tborpe (Düngftrup), GEuurithi (gleich Eberheidre — Swins-
beide bei Wildeshaujen ?), Halon (Nordhalen),*) Rahtrauelda
(Rechterfeld),d) Longanforda (Langenförde), Caluaslogi (Kal:
velage), Elmloha (Elmlage), Huftedi (Haujtette), Duliun
(Döllen). ®)
Aus einer Urkunde vom Jahre 9457) kennen wir ferner
noch Selispura (Sülsbüren), Burae (Buren), Dete (Oythe),
Lutten (Zutten), Garta (Garte), Emphiteti (Emited?), Tetten-
bura (unbefannt), Driontheim (Drantum). In der trans-
Scopingun waren, jo kann ich dem nicht beiftinnmen, denn direkte
Nachrichten befigen wir hierfür nit. Burfiband und Bentheim:
find zweifellos urjprünglich friefiich und verhalten fi alſo zur Twente,
wie der pag. Saxonicus Hamaland zum eigentlichen Hamaland, d. h.
fie fallen an Sachſen wahrſcheinlich in der Zeit, da Friesland von
den Franken erobert wurde. Auf dad mit großer Sorgfalt und Orts
tenntnis gefchriebene Werk von Tibus komme ich in dem über innere
Berhältnifje handelnden Zeile ausführlich zurüd.
2) Nach Abſchnitt A XVII gehören beide Orte in den Fenkiongau.
2) Auch bei Erh. 567 ift Halahtre im Lerigau genannt. Auf der
Karte haben von den Orten im 2erigau nur bie jüdlicheren Plag
gefunden,
) So nad; Abfchnitt A XI. Abſchnitt A XVII hat Bernatheöhufen,
es iſt aber nicht daſſelbe.
) Nummer A XI hat Norbhalon.
5) Abſchnitt A XI hat Mehresfelde.
*) Den legten Namen giebt nur AXVII. Der Ort kommt ald Dulinne
im Xerigau auch vor 948 bei Erb. 567.
) Erb. 567,
47
latio S. Alexandri!) wird Holzdorpf (Holtrup), im Jahre 855
in einer Urkunde Ludwigs II. die cellula Fischboeki ge—
nannt (Klojter Bisbef a. d. Hunte?) und jchließlich Liegt
das Klofter Wihaldeshufen (Wildeshaufen) in diefem Gau.®)
II Hajegan.
Auh bier find die Werdener Heberegifter Abſchnitt
A XVIH und A XI Hauptquelle; fie liefern die Namen
Fliadarloha (Floerlage), Bunna (Bunnen), Scananthorpe
(Schandorf), Sula) (Suhble)®, Burgtborpe (Bottorf). Dazu
fommen in einer Urkunde Dilos 1. Armife (Ernte), Tung—
heim (Anktum).>)
IV. Farugand)
In ihm kennen wir nur Hriasforda (Rüsfort).”) Die
vier eben behandelten Gaue jind diejenigen, welche (außer
einigen andern, die in Südmeftfalen gelegen, für uns nicht
in Betracht kommen) im Abjchnitt A XVIII des Werdener
Heberegiiters enthalten find. Diejer ganze Abſchnitt trägt
bei Lacomblet die Überfchrift: ministerium Hrodgeri in
Sahslingun. Meyer [O.Z. VI. p. 194] hält diejen pagus
Sahslingun, in dem der Hrodger offenbar den Sitz hat, für
1) M. ©. II. p. 679 a Zeile 31 cf. Erb. 402.
*) Erb. 415. W. K. U. 30.
s) Erb. 441.
*#) A XVII hat Uicosula, lege: „in vico Sula“.
d) Erh. 567. Tungheim ſetzt Meyer 1. c. zweifellos richtig gleich
to Angheim = zu Ankum.
°) Das ijt wohl Varrengau, den Gau reich an Ötieren,
?) Mentes Zeichnung des Farngau ſchwebt gänzlich in der Luft. Meyer
D. 3. VI p. 203 warf vorfichtig die Frage auf, ob die in der Ur
Funde Möſ. 21 genannten Orte wohl im Farngau gelegen haben
tönnten. Mente zeichnet fie ohne weiteres hinein. Wir haben
nur einen Namen gegeben: Rüsfort Abſchnitt A XVIII.
48
einen wirflihen Gau, d. h. einen politiihen und mwirtidaft-
lichen Verband, ftellt ihn alfo parallel mit den im felben
Abichnitt folgenden Fenkion, Leheri, Hasgo, Farngoa ꝛc.
E3 fiel ihm aber auf, daß in dieſem pagus fein Ort ge—
nannt ift und nur zwei zinspflichtige Hufner angeführt find;
er glaubt deshalb, diefer Gau müſſe jehr Hein feiu und
jchließt auf das Kleine Lengenerland in Friesland, und eben
dort ſucht er auch den Fenkiongan. Böttger III. 368 und
Wilm. K. U. I. 5 p. 15 folgen ihm. Es ift aber noch eine
andere Erklärung möglih, daß nämlich Sahslingun den
allgemeinen im Volksmunde gebräudlihen geographifchen
Begriff für alle jene sub A XVII erwähnten Gaue bezeich-
net. In dem Falle konnte der Schreiber unter Sahslingun
feinen Ortsnamen angeben, weil eben alles folgende in
ihm lag.
Zu diefer Annahme würde auch die Urkunde Ludwigs
des Frommen 819 (bei Wilm. K.U. 5 p. 15) pafjen, worin
e3 heißt, die Kirchen im Leriga, Heliga, Fenkiga follten dem
Klofter Visbek verbleiben excepta una ecclesia in Sax-
linga, welde an Münſter fallen joll. Hier weiß der Schrei-
ber augenjcheinlich nicht, in welchem der drei Gaue die ge—
meinte Kirche liegt und fo fegt er ftatt der genauen Gau—
bezeichnung den geographiſch umfajjenderen Begriff. ’)
Wenn wir fo einen großen Bezirf gefunden zu haben
glauben, der als pagus bezeichnet wird und mehrere pagi
umfaßt, fo glaube ich doch nicht, ihm eine politiiche oder
wirtfchaftlihe Einheit erteilen und Haſegau, Fenkion und
Leri als Untergaue bezeichnen zu dürfen. Es ift wahrichein-
licher, daß das Land den Friefen abgerungen fi im Volks—
1) Falke Codex tradition. Corbey. Anhang reg. Sarachonis 734 fälicht
aus der Urkunde ecclesiae in Fenkiga et Hessiga in pago Uual-
deren und Ledebur (5 münft. Gaue p. 62) jucht nun dieſe zwei
Drte im Sevenwolde.
=
munde als Sahslingun erhielt.) Es müßte dann Dies
Sahslingun auch den noch zu beipredhenden Tefenegau um—
faßt haben, weil er mitten zwiſchen Fenkion einerjeit$ und
Hajegau und Farngau andrerſeits ſich hindurchſchiebt.
Dieſer Abſchnitt A XVIII, welcher den Namen Sahs—
lingun bringt, iſt dem Lautſtande nach zu urteilen älter als
die übrigen Abſchnitte des Codex A?) und es wird dann
— — — — — — ——
1) In der Lesart Saxlinga in der pag. 46 citierten Urk. Ludwigs J.
darf man nicht etwa ga — Bau ſetzen, fondern wir haben es mit
dein patrongmifchen Euffir „ingo“ zu thun. Förftemann Perjonen-
namen p. 782 führt unter den Beiipielen zu diefem Suffix an:
Sahſinc, und vielleicht find die ebenda genannten Sahing, Salinga
nur Gorruptionen von eben diefem Worte. Zum Suffir ing tritt
ein zweites, das „l’-Suffir, anfangs mit diminutiver Bedeutung,
jpäter identijch mit der Endung ing. Ueber ſolche Zufammenjegungen
mit ling ef. Förftemann Perſ. 820 ff. In Ortsnamen bedeutet nun
das Suffir ing reip. ling nad) Grimm Gramm. II. 1826. 349 den
Drt, wo die Nachkommen des Mannes, Stammes ꝛc. wohnen, welcher
im eriten Compojitionsteil genannt ift. (cf. auch Förftemann Orten.
835 ff, Makmann in Doroms Dentinäler Bd. 1. 9. 2. 185 $ 54.)
Sahslingun u. Sarlinga find aljo Niederlafjungen der Sadjen,
genau wie Frieſinga Niederlafjung von Frieſen. Sahslingun it alfo
einfah „Sachſen“.
) Nach Yacomblet p. 209 beitehen die Heberegiiter aus mehreren Blät-
tern, die erſt nachträglich zujammengeheftet wurden. Leider iſt aus
dem Drud nicht erfichtlich, welche Nummern den einzelnen Blättern
angehören. Wir jehen jhon, daß die Abfafiungszeit der Nummern
chronologiſch auseinanderfallen muß, cf. pag. 43 Anm. 1 und pag. 44
Anm. 4. Nummer A XVII iit bei weitem älter ald A X XI XV.
In legteren find die vollen Vofale, welche in XVIII durchweg feitge:
halten find, bereits in den tieftonigen oder unbetonten Silben geſchwächt
3. B. in Lihtesthorp A X, Lihtasthorpe A XVII, Humilthorpe
AX, Humilathorpe A XVII, Farnothe AX, Farurodum A XVII,
Dungesthorp A XI, Dungasthorpe A, XVII, Rebresfelde A XI
Rahtrauelda A XVII, Langenforde A XI, Louganforda A XVIII,
Galbesloge A XI, Galuaslogi A XVII. Schwächung des fpiran-
tiichen h und dann Ausſtoßung desjelben findet ftatt in AX Spinoloa
— Spinoloha A XVII, A XI Hoanftedi = Hohanſtedi A XVII,
XLVII. 1. 4
50
der Gang der Dinge jo gewefen fein, daß das große Ver—
waltungszentrum Hrodgers in Sahelingun zu einer Zeit
entitand, wo die Abtei Werden erjt anfing, Güterbejig ans
zubäufen; bei fortwährendem Anjchwellen der Güter aber
mußte es zerreißen und wurde in eine Reihe von geographiich
beihräntteren Oberhöfen zerlegt, wie fie uns die jüngeren
Nummern des Codex A zeigen.
V. Agrotingan.
Hier läßt uns das MWerdener Heberegiiter im Stid.
In einer Urkunde von 9481!) werden die Bauerichaften:
Dueres (Brees, Kr. Werlte), Vueſtereim (Weitrum, Hr. Herz
lafe), Holnidde (Holte bei Hajelünne), Anarupe (Andrup
ibidem) und Laasdorpe (Lajtrup) erwähnt. Ferner in einer
karolingiſchen und einer ottoniihen Urkunde noch Meppiun
— — —
A XI Fliedarloo — Pliadarloha A XVIII ete. Anfang der Mo»
nophthongifierung in Bieftoen A X — Biafton A XVII, Durch-
führung des Umlaute in Hetiloa A X — Hatiloha A XVIII.
A XVII zeigt ebenfalls vielfah Abſchwächung, leider fehlt die Mög-
lichkeit des Bergleiches mit älteren Namen. Auch daraus können wir
auf einejpätere Abfafjungszeit der Nummern A X, XI fchließen, daß
in ihnen Abgaben ald verloren bezeichnet werden, welche in A XVII
noch gezahlt werden. 3.8. Im Herisforda wird A XVII Zins ge
zahlt, A X ift er verloren gegangen und daher „requirendum*“ ;
A XVII giebt zu Scananthorpe ein Hrodunert einen Zins, A XI
foll es einem gewiljen Irmfried abgefordert werden. Das Wort „est
requirendum“ oder „petendum* taucht überhaupt in den jüngeren
Hs. häufig auf. Ganz entjcheidend ift aber folgendes: In Nummer
A XVIH zahlen zu Halon Reinmar und Alfbraht jeder „XVI de
sigl. I. far. VIII den. her.* Abſchnitt A XI meldet betrübt: „In
Nordhalon quondam dabantur XXXII m. silig. cum alio tri-
buto; nunc III amphorae mellis“ (d. h. jeder zahlte 16 Map
Weizen [siliginis], 1 Maß Mehl [farinae], 8 Denare als Heer-
ichillinge, alfo Summa: 32 Maß Weizen, 2 Maß Mehl, 16 Denare.)
1) Erh. 567.
eh
(Meppen) der Mittelpunkt der Corveyer Beſitzungen zwifchen
Ems und Hafe.!)
VL Derjaburg.
Das ältejte Corveyer Heberegifter nennt uns für dieſen
Gau Aſtorp (Aſtrup) und Scoperhuſen (unbekannt; vielleicht
Grapperhaujen?).2) Die translatio S. Alexandri erzählt:
als ſich der Leichnam des Heiligen während der Übertragung
nah Wildeshaufen gerade in der villa Bochorna (Bofern)
im Gau Derjaburg befand, jei eine Hörige des Walpert,
welcher Wildeshaufen ftiftete, zu ihm geeilt, um ihr Gehör
wieder zu erlangen.) Dem dürfen wir noch die Orte
Damme (Damme), Nienkerken (Neuenkirchen), Stenvelde
(Steinvelde), Vegthe (Vechta), und Lon (Xohne) Hinzufügen,
die 1221 als zum bannus eccelesiarum in Derseborg ge:
hörig bezeichnet werden.*) Ob Triburi (Drebber) dazu
gehörte, ijt nicht ganz gewiß. 5)
VI Tregwiti.
Über diefen Gau, der fpäter faft vollitändig dem Bis:
tum Osnabrück angehört, find wir nur ſchlecht unterrichtet.
1) Erh. 338 ad 334. 558 ad 946,
9) Alteſtes Corveyer Heberegiſter in Wigands Archiv VI 403 Nr. 98.
) M.G. II. p. 679a Zeile 19, Der Herausgeber ſetzt Bochorna —
Bakum bei Vechta.
+ Möſ. Nr. 122. ein domus Nienkerken in Dersborg kommt 1245
ebenfalls vor. Sandhof 56.
*) In der Urkunde 980 Wilm. K.U. II. 102 p. 106, wo Otto IL. au
Memleben Güter ſchenkt zu Bigildeshufen, Ammeri, Laon, Thriburi
in den Gauen Leri, Derſiburg, Ammeri. Nun liegt, ef. supra
Wildeshauſen in Leri, Ammeri zweifellos in Ammeri; es bleibt für
Derjaburg aljo Laon und Thriburi; Laon (Xohne) ift oben in Der
faburg nachgewiefen, von Thiburi dürfen wir es nur vermuten. Seine
Yage macht es allerdings wahrſcheinlich.
4*
52
nn
Die translatio S. Alexandri fagt, ein Mann aus dem Gau
Tregwiti ſei zu dem Leichnam bes Heiligen nad) Dsnabrugga
gefommen, und auf derjelben Reife habe ih ein Wunder zu
Wallonhurit (Wallenhorſt) ereignet.!) Das folgende Wunder
fällt dann ſchon iu den anftoßenden Gau Derjaburg und,
da die Erzähler von Gau zu Gau ihre Wanderung bejchrei:
ben, jcheint e8 allerdings, daß wir dieſe zwei Namen in
Tregmwiti anzujegen haben.
Außerdem ift noch darin Dfidi (Öfede) nachzuweiſen,?)
Bramſche, Hagen, Hembeke und Rodde, welche Menke bei:
bringt, dagegen nicht. Drtsbezeichnungen, die wie Rodde
mit gerodetem Land zujammenhängen, find nicht jelten; dies
Rodde gehört aber, wie das Werdener Heberegilter angiebt, mit
dem nahen Gellendorf zu zifellos zum Fenkion. (cf. supra.)
In der jpäteren Zeit lernen wir in dieſem Gau eine
Menge von Dingitetten kennen, jedoch geraten jie in die
Hände Ravensbergs oder Dsnabrüds. ?)
Nur der Freiſtuhl von Weſterkappeln fiel im XII. Jahr:
hundert, wie wir unten jehen werden, an Tefeneburg.
VIII. Loſa.
Über die Lage dieſes Gaues war man vielfach ſchwan—
kend, und indem man hierin die Bauerſchaft Loſe bei Tecklen—
burg ſehen will, ſtützt man ſich auf eine Urkunde König
Heinrichs IV., welcher 1058 das Gut Loſa im Gau gleichen
Namens der Kirhe von Minden ichenkt.t) Da der Gau in
3) M.®. IT. p. 679 a Zeile 1 ff.
2?) Traditiones Corbejenses edid. Wigand. Leipzig 1843 $ 392 p. #7.
Ösidi in Hrocwiti.
2) Das Material über diefe Freiftühle it erichöpfend zujammengeitellt
von Th. Lindner Veme p. 48 ff., p. 167 #., p. 170 ff. p. 175 #.
p. 182 ff.
*, Erb. 1078. Dort ift die Xitteratur angeführt, Was uns wahr:
icheinlich macht, daß der Gau Loſa hierher zu verlegen ift, ſcheint
53
jener Gegend nicht recht Play hat, indem die benadbarten
Gaue ihn zu jehr einengen, jo wird er in der Regel mit
dem wenig Haren Begriff „Untergau“ bezeichnet.
IX. Sutherbergi.
Ihm gehören die Bauerichaften Lodre (Laer) und Ar«
pingi (Erpingen) an. !)
Iburg und Linen zeichnet Menke wohl nur herein, weil
ie Ihon in früher Zeit vorfommen; doch mag er damit Recht
haben, daß er, wie ja auch der Name anzeigt, den Suther-
bergi den ganzen Süden des Dsning fait vom äußerften
Weiten bis Osnabrück einnehmen läßt.?2) Zu diefem Gau
werden wir mohl die beiden Sreiftühle zu Hathemareflo
vor allem der Umftand, dat Würdtwein subsidia VI. 408 Nr. 156
dad Kapital von Minden ebendiefe Curia Lose in der Osnabrücker
Didzefe gelegen an das befannte, tekenburgiſche Dienftmannen-
geichlecht der Buddo zu Zindredht giebt.
3) Wilm. K. U. I. 28. p. 114.
2) Es fragt fi) aber, ob der Sutherbergi nicht vielleicht im Süden von
der Ems begrenzt wurde, denn in Dreini habe ich feinen Ort nörd-
ki der Ems finden können außer dem an der Ems gelegenen Greven.
Die bei Tibus 245—267 feitgelegte münſteriſche Diözefangrenze weift
allerdings darauf hin, daß die Örenzfcheide durch die öden Heide- und
Moorftreden parallel dem Gebirge in der Entfernung von Saerbed
ging. Wenn Drenthorpe Tibus 272 und Hoſanharth ibid. 274
richtig gedeutet find, jo würden fie wohl rechts der Ems liegen. Auf
den mir zu Gebote ftehenden Karten vermochte ich fie nicht zu finden.
Die Grenzorte ded Dreini gegen Norden find, ſoweit ich gefunden
habe: Heribeddiun (Herbern), Greuan (Greven), Alathorpe (Aldrup),
Heranhlara (Laer), Cumpa (Kumpen), Uualthorpe (Waldrup), Mi
migerneford (Münfter), Dorfeldon (Darfeld, Tibus 277), Forheti
(Berth), ulidi (Olde), alle in Nummer A XVII des Werdener
Heberegifterd, dazu Warendorpe (Warendorf), Bettesdorf (Bettrup),
Puningun, Bauerſchaft bei Wolbeck (PBüninger), Liesborn (Lieaborn
ift auf der Karte ald zu ſüdlich fortgelaffen) bei Böttger III. p. 81
und 82,
54
(Horstmerfch) ) und Woldisbrude (MWallbrügge) zu zählen
haben. ?)
X. Telenegan.
Die Unterfuhung der bisher behandelten Gaue ergab
eine bedeutende Abweihung von Spruner: Menke ſowol wie
von Böttger. Vor allen beitand fie darin, daß wir grade
den Kern der fpäteren Grafichaft Teleneburg, d. h. einen
Zanditrich, welcher am Weſtende des Osning beginnend den
Rüden des Gebirges bis an das Osnabrückiſche entlangläuft
und fich in diefer Breite nach Norden erjtredt, feinem der
genannten Gaue zuweilen fonnten.
Hier müffen wir einen ganz neuen Gau, den Tefene:
gau, anjegen.
Er ift überliefert in zwei Urkunden vom Jahre 1059. 3)
In der eriten bekundet König Heinrich IV. am 14. Ye:
bruar, daß er des Mainzer Erzbifchofes Recht anf die Zehn:
ten in Thüringen anerfenne; zur Abfindung des Zehnten,
der auf den tgl. Gütern in Thüringen ruhe, gebe er ihm
anderweitig 120 mansos zu Eigengut in den Bauerichaften
Bunterefu, Tunu, Berneiju; 30 in pago Techengowa dicto
in comitatu Heinrici comitis sitos; reliquis vero 90 in
Francia expletis.
Etwas anders lautet die folgende Urkunde, worin der
Erzbifchof jeinerjeit3 dasjelbe befundend fagt: er habe erhalten
—— — *
1) Hathemareslo bei Wilm. K. U. 217. Lindner Beme p. 5 mill es mit
der weitmünjterländijchen Freigrafſchaft vereinigen. Gr kennt jeine
Lage nit. Es ift aber wohl Horſtmerſch, jüdlid vom Osning in
der Nähe von Ibbenbüren; dadurch erflärt es ſich, daß diejes Ting
im Befig der Herren von Ibbenbüren ift. Horſtmerſch wird that-
ſächlich Hotmerſch geſprochen und haben wir hier wie bei zahlreichen
Ortönamen eine Umſtellung des unverftänblihen Namens in ein
befanntes hochdeutſches Wort anzunehmen.
2) Benutzt zum Ding 1286 Möf. VIII. 172.
) Bei Böhmer- Will Mainzer Negeiten Band I. p. 180 Nr. 28 und 29,
55
im ganzen 120 mansos; videlicet 30 in villis Guntheresu,
Tunu, Bernessu, in pago Saxonie Techenegowi sitos;
et reliquos 90 mansos, qui restant, in locis Francie
Clezsilstat, Buochelun, Buorinchelun et circa jacenti-
bus loeis.
E3 fehlt aljo das „z“ weldes in ber eriten Urfunde
hinter Bernefju iteht und liegen alfo Gunterefu, Tunu,
Berneſſu im Techenegau. Es wird dieſe zweite Angabe
richtiger jein.!)
Die erften, welche dieſe Urkunde im Intereſſe der Gau—
geographie verwerteten, waren, joviel ich jehe, die Verfaſſer
des Chronicon Gottwicenje II. 297; fie verlegten den Tefenes
gau in die Göttinger Gegend, wo allerdings die Ortsnamen
Günderjen und Bernjen ſtarke Anhaltspunkte gaben; allein
fie ſetzten vorlihtig hinzu, fie wollten nicht3 behaupten, da
anderweitig dort der Lochni beglaubigt fei. Menke in neue:
ſter Zeit, fommt zu ihrer Anficht zurüd, denn jeine Orts:
namen Guntereju und Bernejju bei Göttingen find zweifels
los unferer Urkunde entnommen.
Ich weiß nicht, wie weit die bei Menke in Lochne ge:
gebenen Ortsnamen beglaubigt find, da er zuweilen alle in
Garolingifher Zeit wenn auch ohne Gauangabe gegebenen
Orte hinzuzieht, aber die bei Böttger II. 289 ff. urfundlich
als zum Lochni gehörig beglaubigten Dörfer Sulbichi, Hemlion,
Bobbontenini, Peranhuſon, Lindingeshufon, Ethelleveshuion,
Lengleron, Rodereshuſon, Hattiheshufon, Wizzereshuion,
Maniſi, Gemmet, Hademinni, Erpefiun, Timertha, Yen:
githe, Sueghufen, Wilmereshujen, Bredebide, Suen, Geſe—
Waleshufen, Dransvelt, Wosthelmeshufen, Winithi, Reno,
Ivelhufen, Beringotheshufen, Gruona, Schitun, trennen jene
Dörfer Günderſen und Bernien von einander und ums
2) Mill folgt Guden 1. c., aber wenn Guden das „“ wirklich in Dri-
ginal begründet fand, jo iſt darauf nicht allzu viel zu geben.
56
ichließen jedes einzelne derartig, daß fie wie Injeln im Meer
auf allen Seiten von den zum Lochni gehörigen Dörfern
umgeben find, und feine Möglichkeit bleibt, die beiden zu
einem Gau zujammenzufaffen. Menke verzichtet daher auch
auf eine Zeichnung und Böttcher hat die Urkunde nicht
benutzt.
Es wird vielmehr dieſer Tekenegau in die Gegend der
ſpäteren Grafſchaft Tekeneburg zu verlegen ſein.
Der Gau fol nah den beiden Urkunden in Sachſen
liegen. Der über den Gau herrichende Graf heißt Heinrich,
ein Name, der als eigentlich tefeneburgiihe Stammnanıe
angejehen werden muß. (cf. Genealogie im Erfurd und
pag. 45.)
Zunu ift Thiene bei Alfhaufen, Berneffu Berfienbrüd
(die dort mwohnenden Minifterialen jchreiben fih noch im
XIII. Jahrhundert v. Berfien, das dortige 1231 gegründete
Kloſter heißt allerdings ftet3 Berfienbrugge und verdrängte
wol den älteren Namen).
Dem Inhalte nad dürfen die zwei Urkunden nicht be:
zweifelt werden. Bor Erzb. Luithbald allerdings kann ich von
einem Anſprnch der Mainzer auf die Zehenten nichts finden,
aber Lambert M. G. V. p. 192—3 ſagt auch ausdrüdlid:
1073 auf der Synode zu Erfurt hätten die Äbte von Fulda
und Hersfeld erflärt, daß praecessores ejus (Siegfried von
Mainz) Mogontini pontifices — usque ad Liupoldum
episcopum numquam infringere temptassent (...seil.:
die den beiden Klöſtern übergebenen thüringer Hehnten).
Daß aber Luitbald Ansprüche machte, jagt jein Nadrolger
Siegfried Fräftig genug: Ich Habe die Zehentrechte erlangt,
für welche meine Vorgänger, bejonders der Erzbiſchof Zuith:
bald faſt bis auf's Blut ftreitend kämpfte.“ (Will. Band I.
XXII. 51 p. 190.)
Daß fo eine Grafihaft fich unmittelbar auf dem Gau
erhebt, ijt nicht ohne Gleichen. Ebenſo entitanden 3. B
57
die Grafihaften Are und Yülih aus dem Aragowe und
Gulichegome.
Eine Gaubezeihnung im Jahre 1059 wie bier darf
uns nit überraihen. XThatjächlih war damals der Gau:
verband jchon arg zerfallen, aber die Mainzer Kanzlei, welche
der Eaiferlihen nahe ftand, bedient jich der Gaugeographie
bi8 ins zwölfte Jahrhundert (Will. Band I. XXV. 126).
St doch die einzige Urkunde, welche uns den tefeneburgi-
Ihen Nadhbargau Lola kennen lehrt, nur um ein Jahr
älter (1058). )
Mir dürfen wohl unbedenklich den Tefenegau den fchon
früher gefundenen hinzufügen.
Mir zweifeln nit, daß diefer Gau den Stern für Die
ſpätere Grafſchaft Tekeneburg gebildet hat, wenn mir aud
leider nicht inftande find, das langſame Anjchwellen der
gräfliden Macht zu verfolgen.
Die Grundform des Stammes der Grafichaft und fomit
auch des Gaues lautet Tefeneburg (reip. Telenegau) ;?) was
er bedeutet, jcheint jedoch nicht feftgeitellt werden zu können.
—
) Erb. 1078.
?) Zmei Hauptvariationen des Namens kehren immer wieder: Teteneburg
und Thekeneburg. Es jchreibt jo umabänderlich die gräfliche Kanzlei,
ferner die biſchöflichen Kanzleien von Münfter und Osnabrud, ganz
Sachſen, die beiten Handfchriften, die jächfifchen Chroniften. Ich
gehe die einzelnen Ruchitaben durch: T meift jo; minder häufig th,
etma 110 argen 230 T; d nur viermal und darunter zweimal un-
fiher. Wir haben aljo hier kein germanifches th, jondern altes ger-
maniſches IT (mit nachſtürzender aspirata), Andererſeits kaun
man anführen, daß oft in Eigennamen das th ſich wicht zu d ent-
widelte und fi; dann zur tenuis vereinfachte. e To die große Mehr:
zahl; ziemlich ſelten dafür i und im allgemeinen in geographifch weit
abliegenden Quellen. Die gräfliche Kanzlei hat unbeirrt e. y zu-
weilen am Rhein; hier folgt auch zumeileu nafales n, alip en yn in,
Auf Najalierung deutet auch Schreibung wie Teggeneburg. Am
beiten tritt und dies in dem franzöftfchen Quellen entgegen: Tin:
58
—— — —— —— — —
Clüver verlegt das Texcatc, welches Ptolemäus zwi—
ſchen Rhein und Weſer kennt, in die Tecklenburg, aber die
Neueren haben dies mit gutem Grunde zurückgewieſen.)
hat
Seitdem man Teutoburg mit Recht zuſammengebracht
mit thinda thiudisk (alfo Volksburg), dürfte es vielleicht
nicht fern liegen, an einen anderen germanischen Wortjtamm zu
denfen: Thögan = puer, famulus, ein Wort häufig gebraucht
-
—
queneburc, Thinkilinbourch, Tenecebroe, Tinkenburg, Tiegneburg.
Das e war alſo zweifellos naſaliert. k dafür au c, ſelten ck
Höchſt ſelten g und ſtets nach ganz unſicheren Zeugniſſen; es iſt
deshalb nicht das oberdeutſch zu h verſchobene germaniſche g, fon:
dern urſprüngliche germaniſche tenuis anzuſehen. € faft ohne Aus—
nahme; wenige i, die Zonlofigfeit ift überall und jchon in ben
älteften Quellen (1059) durchgeführt ; voller Vokal mur einmal,
Dehalborg (aber im Copiar von Berfenbrüd). 1 hat die große
Mafje; in Nord: und Mitteldeutfchland ohne jede Ausnahme wäh—
rend der ganzen Epoche. Am Rhein von Lüttich bis Mainz herricht
eine merfwürdige Neigung, die liquida n mit der liquida I zu ver-
tauschen. Viele hundert Jahre jpäter dringt dann die I Form durch
(Telenburg). © fehlt zuweilen; die Stummheit des Vokals ift aud-
nanılod. Diefer Lautitand weift darauf hin, da man den Namen
Ihon im der älteften Zeit ausſprach, wie noch heute jeder Bauer in
der Grafihaft, nämlich: Tiäknbörch oder Tjäknbörch.
Dad iä ift jehr kurz. Der erite Hauptaccent ruht heute auf bordh; die
franzöftiche Schreibung Tiegneburc kommt dem Laut fehr nahe, Die
eigentümliche, nalalierte Ausſprache iä ift dialectiſche Eigentümlichkeit
der Gegend für germaniſches kurzes ẽ und i, z. B. niämen = nemen,
biärg — Perg. Hier iſt aber das r faum zu hören, und jener iä-Laut
findet fich aud) vorwiegend vor tenuis und media: fchiäpel = Scheffel,
iäten — eſſen, biäte = Bad, wiäke = Woche, liäben = leben,
liägen — legen, wiäwer = Weber x, ꝛc. Cine Ableitung des Wortes
von toͤtan Zeichen ift daher wegen des langen Stammvofals in tefan
unmöglich.
Clüver Germ. ant. I. III. 556. Reichard Germanien unter den Rö—
mern 245 jeßt Texekıe gleich Zetel weitlich der Weiermündung,
Ledebur Brufterer 324 gleich der Inſel Terel.
. 59
zu geographiichen Bezeichnungen, fogar bei Gaunamen, wie
Alptegau, Eotesdegan. !)
Die konſequente Form hieße thöganaburg, entwidelt und
in den Xofalen abgeihwädht dögeneburg. Im Anlaut it
oft germanifches th ftatt zu d, zur einfadhen tenuis t ge:
worden, und wäre aljo tegeneburg ſehr wol zu erklären. ?)
Der idealiſche Begriff Heldenburg wäre darin abfolut nicht
zu juchen, jondern einfah, Burg der mwaffenfähigen Leute,
Männerburg, dem Begriff Teutoburg jehr nahe kommend.
Allein das nicht abzumweilende VBorhandenfein des „k“ (Telan)
für g (Pégan) macht diefe Hypotheſe doch immer bedenklich.
Abkunft und Stammbaum der ältejten Grafen
von Tefeneburg.
Man hat häufig verfudht, den Stammbaum der Grafen
von Tefeneburg bis in die karolingiſche Zeit zu verfolgen,
in der Regel aber rein willfürlid Stammbäume erfunden
oder jolhe aus wertlojen Chroniken abgejhrieben. 3)
ı) Rörftemann Berjonenmamen 11583.
2) Föritemann Perfonennamen 1153 giebt Belege für die Form tegan
ftatt degan.
2) Es iſt ald Ahnherr der Tefeneburger jo ziemlich alles herangezogen,
was fich heranziehen läßt. — Riefen, Dämonen, Wittefind, Hunnen,
Enak, Teuka, Königin von Illyrien, Karl Martell und fein Entel
Egbert, Eobbo und Allo, M. Junius Brutus, Tecla bald ein römi-
icher Pürger, bald eine Prinzeifin, Teko, Theddo, Deddo haben her:
halten mñſſen. Seit dem XVI. Sahrhundert tauchen immer fabel-
baftere Stanımbäume auf. Eſſellen ſchreibt 25, Müller 45 Seiten
über die prähiftoriichen Grafen. Falckes Stammbaum braude ich
wohl nicht zu widerlegen (codex trad. 151). Auf v. Schenks An-
ficht komme ich ſpäter. Wilfen, Gejchichte von Münſter, behauptet
die Herkunft der Tekenebnrger von der münfterifchen Tückesburg; ein
Pſeudonym Koerdind (Niejert?) hat ſich ſchon 1825 in Troß, Wet:
falia I. p. 203 ff. und 208 ff. dagegen gewandt in ruhiger Sprache
60 .
Die erite Perjönlichkeit, die wir mit einiger Wahrjchein-
lichkeit mit den Tefeneburgern in Verbindung bringen dür-
fen, ift eine edle Dame Aldburg, welche zwiſchen 969—78 mit
ihren Söhnen Ludolf Biſchof von Dsnabrüd und dem Grafen
Godſchalk das Klofter Eſſen an der Hafe gründet.!) Die
Vermutung Sudendorfs, daß wir in ihr eine tekeneburgiſche
Ahnherrin zu ſehen hätten, ftügt fich darauf, daß Aldburg
in der GStiftungsurkunde für Eſſen ausdrüdlih jagt, fie
ſchenke dem Klofter in der villa nostre possessionis Assini
und hat, freilicdy nicht ohne in andere Irrtümer zu fallen, dieje
haltlojen Behauptungen widerlegt. Wilten ibid, III, p. 40 ff. und
p. 49 ff. antwortet darauf grob und leidenjchaftlih, aber ohne viel
Glück. Nichts berechtigt und zu feiner Vermutung. Was die Anficht
der farolingifchen Abſtammung der Teleneburger anbelangt, die mit
der größten Zähigkeit immer von neuem wiederholt ift, und bei der
man auf Egbert, den Gemahl der heiligen Ida, oder auf die Cob-
bonen zurüdgeht, fo ift auch diefe Anficht völlig unhaltbar. Jenen
halbbürtigen, faiferlihen Stamm haben in neuefter Zeit beiprochen :
Waitz, König Heinrih I. Ercurs J.; Wilm., Kaifer-Urf., Ercurs I.,
beſonders p. 301; Deläner, Pippin 425; Simfon, Yudwig I. p. 29;
Diefamp 183, 216, 228. Bon hier aus lieit man fich leicht in die
große Litteratur hinein. Es läßt ſich nun nicht die leiſeſte Spur
finden, daß Egbert oder die Gobbonen irgendwie die Ahnherren der
Teleneburger fein könnten. Selbjt da die Cobbonen im Denabrüdi-
ichen begütert waren, entbehrt wenigitend des Beweiſes, jeit Wilm.
K. U. 1. 54 p. 257 mit überzeugenden Gründen nachwies, daß das
cobboniſche Piun der jpätere Corveyer Oberhof Biun jei, aljo nicht
Pye bei Dsnabrüd, der einzige Name, an den man fich klammern
fonnte. Der erite, der den Stammbaum der Grafen von Tekene—
burg in einige Ordnung brachte, ift v. Ledebur, allgem. Archiv Bo. III.
Er arbeitet nach Urkunden, doc kann er ſich nicht entjchliegen, den
ganzen Wuft der Sage über Bord zu werfen, und ift jeine Anſchauung
in vielen Punften zu verbefjern. Auch beginnt jeine kurze Tafel erit
mit Heinrich II.
Gedrudt von Sudendorf aus dem Malgartener Kopiar D. 3. I.
Nr. 1. p. 55, wo Gudendorf auch die genenlogifchen Verhältniſſe
der Aldburg erörtert. Cf. auch Diekamp 470,
1
—
(Eſſen) Beligungen zu Aſſini, Euinchem, Laa, Horabergon,
Sula, Grata, Adathorpa, Carnhem. Simon von Tekeneburg
nun, der 1175 daſſelbe inzwiſchen wol verfallene Kloſter
zuſammen mit ſeiner Mutter Eilika abermals gründet, ſagt
ebenfalls, er habe ein Kloſter gegründet in predlo nostro
Esne (Eſſen) und ſchenkt dazu Güter zu Esne, Euinchem,
Laghe, Herbergen und anbere.!)
Aldburg wie Simon aljo nennen Esne ihre Beligung
und ſchenken Höfe zum Teil in denjelben Bauerichaften. -
Es muß noch darauf hingewieſen werden, daß Eſſen
ipäterhin als tefeneburgiiches Hauskloſter betrachtet wird und
daß auch Aldburgs Geſchlecht eine ähnliche Stellung zu die—
jem SKlojter einnimmt, wie denn ihr Sohn Godſchalk das
baufällig gewordene Gebäude rejtauriert.?2) Eine Verwandt:
ichaft Aldburgs und ihres Sohnes des Grafen Godſchalk mit
den Grafen von Tekeneburg jcheint daher vielleicht ange:
nommen werden zu Dürfen.
Es iſt das für uns doppelt interejjant, weil wir zu:
gleih die Vermutung ausiprechen müflen, daß die erlauchte
Frau von Wittefind dem vielgefeierten Sachſenherzog ab-
jtamme und damit die mit merkfwürdiger Zähigkeit immer
wiederholte Behauptung, daß die Tefeneburger wittekindi—
ſchen Urſprunges jeien, wirklich zu Recht beftände. ?)
Es jpricht für diefe Vermutung zunächſt die Thatjache, daß
in Nordweitfalen, wo nacdmeislih Abkömmlinge Wittefinds
reihe Güter bejapen, *) auch Aldburgs Wohniig zu liegen fcheint.
3,9. 3.1. p. 57 Ar. 3.
2) O. Z. J. Nr. I. p. 58.
®) Ich verweiſe dazu auf Simſon, Carl I. p. 507; Waitz, Heinrich,
Excurs I; Wilmans, Kaiferurfunden I. Ercurs II. und ibidem
p. 569; Meyer, O. 3. IV. p. 182 ff. 203 f.; Sudendorf O. 3. I.
p. 30 ff.; Erhard 646; Diefamp 363, 470. Cf. auch die Genen-
logie p. 170.
+) Eimfon, Earl I. 504 ff.
62
Sie ift in den Gauen Hafago, Varngo, Leheri, Derjaburg
ſtark begütert, ihr Sohn Ludolf ift Biſchof im nahen Osna—
brüd, ihre mutmaßlihen Nachkommen, die Tefeneburger,
haben an beiden Ufern der Haaje ihre Dienftmannen und
Oberhöfe.
Die für uns wichtigſte Thatſache aber iſt, daß Biſchof
Liudolf von Osnabrück im Beſitz des Rektorates vom Kloſter
Wildeshauſen ſich befindet.) Wildeshauſen war geſtiftet von
Waltbert, dem Enkel Wittekinds und in der Stiftungsurkunde
hatte er ausdrücklich feſtgeſetzt, es ſolle in ſeiner Familie
das Rektorat verbleiben.) Es muß alſo Biſchof Liudolf
dieſem mächtigen Geſchlechte angehören.
Einige Spuren ſind uns noch geblieben, näher die Stel—
lung zu bezeichnen, welche der Aldburg und ihren zwei
Söhnen innerhalb dem Geſchlechte Widukinds zukommt.
Kaiſer Otto I. nämlich im Jahre 972*) und ſein Sohn
Dtto II. im Jahre 9759 nennen Biſchof Liudolf ihren Bluts—
verwandten (consanguineus). Fragen wir nun, wie Biſchof
Liudolf mit den Ottonen in Verbindung zu ſetzen iſt, ſo
muß dies zweifellos durch ſeine Mutter resp. deren uns
unbefannten Gemahl geſchehen. Auf welche Weiſe kann nun
Aldburg mit dem ſächſiſchen Königsgeſchlechte verwandt ſein?
Die Griechin Theophanu, die Engländerin Edith, die Italie—
nerin Adelheid ſind ohne weiteres beiſeite zu ſchieben; auch
die Merſeburgerin Haduwi und der aus Oſtfalen ſtammende
männliche Liudolfingiſche Stamm haben wenig Wahrſchein—
lichkeit für ſich. ES bleibt alſo als Bindeglied zwiſchen den
Dttonen und der Familie Aldburgs nur noch übrig die
Weitfalin Mathilde, erite Gemahlin Heinrich J., bekanntlich
) Stumpf 774; Erh. 646.
2) MWilmans, Kaiferurtunden I. Nr. 38 und p. 532 sub 4a.
») Möj. 14, nad) Wilmans allerdings gefälſcht.
*) Möſ. 15.
ein Sproß vom Stamme Wittefinds, mit andern Worten, wir
foınmen auch hier wieder zu demjelben Ergebnis: Aldburg
resp. ihr Gemahl gehört zu Wittekinds Geſchlecht. Zugleich
mit Mathilde leitete fie ihren Urjprung auf den großen
Sadjenherzog zurüd und deshalb nennen die Dttonen Ald—
burgs Sohn ihren Blutsverwandten.
Mathildens Gejchlecht können wir herauf verfolgen bis
zu ihrer Großmutter Mathilde I. (jiehe den Stammbaum
Seite 65). Dieje Mathilde I. aber wiffen die, Gejchichtg-
forſcher mit Wittefinds Nachkommen, wie fie ſich bei Simfon
und Waitz 1. c. ergeben, nicht recht in Verbindung zu jegen.
Nah der Stiftungsurfunde von Wildeshaujen !) Hat
Waltbert, der Enkel Wittefinds (wenn wir der Urkunde nicht
Gewalt authun wollen), außer dem eriigeborenen Wichert
nur einen Sohn und eine Tochter. Beide hatten Söhne
und vielleicht war feine Tochter die uns anderweitig bekannte
Mathilde 1.2)
Dazu dürfen wir nod etwas hinzufügen:
Es war bis jet unentjchieden, ob Ludolf und Godſchalk
durh den Vater oder die Mutter Aldburg von Wittekind
ſtammen. Wir werden uns für das legtere entfcheiden müſſen.
Den hohen Rang allerdings, den Aldburg in ber
Stiftungsurfunde von Efjen einnimmt, (Nos Aldburga
divina ordinante providencia offerimus) fann jie aud)
durch den Gemahl erſt erlangt haben. ES beweiſt nichts.
Das Dsnabrüder Totenbudh vom Dom aber nennt zum
31. Dctober eine Altburg.3) Der Herausgeber Meyer in
der Note dazu hat tie identilch gehalten mit Aldburg der
Gemahlin Waltberts und hatte fie als Großmutter gejegt
— ——
2) Wilm. Kaijerurtunden I. 532.
2) Wilm. Kaijerurtunden 1.438 will Mathilde I. anjegen als Gemahlin
des zweiten Sohnes Waltberts, Beltimmt wird die Frage mie zu
löjen jein.
>) 0.3. W.
64
von der Stifterin von Efjen; ein wenig gewagt, da er nad
Eudendorf3 Abdrud !) den Namen der legteren noch Alaburg
lad. Da wir aber durch neueren Abdrud?) nunmehr wiſſen, daß
auch hier Aldburg geleien werden muß, da dürfen wir Meyers
Vermutung wol beipflichten.?) Mit Vorliebe wird an der
Eitte feitgehalten, die Enkelin nad) der Großmutter zu be-
nennen. In dem tefeneburgifhen Stammbaum iſt dies in
jeder Generation nachzuweifen, und jo iſt ſicherlich auch
Aldburg II. Entelin Aldburgs I. der Gemahlin Waltberts.
Die Chronologie läßt fih damit in Einklang jegen.
Damit aber hören die Nachrichten auf. Es ſcheint un:
möglich,, jenen genealogijhen Verhältnijjen auf den Grund
zu fommen.
(Stammtafel hierzu fiehe S. 65.)
1059 erhalten wir zum erjten Mal eine bejtimmte Nach:
richt über einen tefeneburgiihen Grafen in jemer bereits
beiprodhenen Mainzer Urkunde, in welcher Heinrich IV. dem
Erzbiſchof Luithbald von Main; 30 Hufen im Tefenegau
ichentt. *)
Der Graf, welcher über den Gau herricht, heißt Heinrich,
— ein Name, mwelder in der gräfliden Familie häufig
wiederfehrt.
Späterhin eriheint einmal ein Edler Godſchalk mit jei-
ner Schweſter Gifela und jeiner Tochter Dbderada.?) Zeit
und Namen nad könnte er ſchon Enkel Godſchalks I. jein.
1086 jodann ſchenkt ein gewiſſer Gijilbert duo loca
Essene (Ejjen) und Bammide (Bohmte) an Biſchof Benno II.
1) O. Z. J. p. 163. Nr.
2) Diekamp, Regeſten 470.
3) Allerdings möchten wir lieber annehmen, daß die im Totenbuch ge:
nannte Aldburg Möburg II. ift, umſomehr, da ihr Sohn Lubdolf
Biſchof von Osnabrück war.
*) Will. Mainzer Regeiten Bd. 1. XXI. 28. p. 180.
) Möf. 33.
65
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von Osnabrück!) und zuerſt unter den Zeugen tritt auf
nobilis laicus Otto filius prefecti Godeschalei. Die Ber:
mutung liegt nahe, in ihm den Sohn Godichalfs II., alſo
den Ururenfel der Aldburg zu jehen. In dem Falle war
Ottos Anwejenheit bei der Güterübergabe auch nötig, denn
Gijilbert konnte dann das Gut Efjene nur als Lehen Ottos
beiigen und Otto Hatte durch jeine Erlaubnis die Schenkung
rechtskräftig zu madhen. Neun Jahre ipäter 1095 nimmt
ein Graf Dtto — wohl derjelbe wie 1086 — ein Gut an
der Weitjeite von burg in Aniprud.2) Nun ift allerdings
ein Graf, der ein weitlich von burg gelegenes Gut in An-
ſpruch nimmt, wol zu unterfheiden von einem Grafen, ber
weitlid von burg herrſcht (das könnte allerdings nur ein
Teleneburger gewejen fein), aber immerhin bildet diefer Dtto
als Sohn eines Grafen Godſchalk ein gut verbindendes Glied
in der Kette unjerer Hypotheſen.
Um die Zeit dürfen wir mutmaßlich den Anfang einer
nenen Epoche für die Grafihaft Teleneburg anjegen. Es
ift dies der Zeitabjchnitt, mit dem wir ung im folgenden zu
beichäftigen haben werden. Ich nebe daher zur Überficht eine
kurze Skizze des Entwidlungsganges der Graffchaft bis zum
Sabre 1263.
Tekeneburgs Politik, jeitdem wir eine ſolche aufzufinden
vermögen, iſt beeinflußt durch die politifche Conftellation feiner
beiden Nachbarn der Bistümer Münfter und Dsnabrüd. Es
war mit ihnen noch bejonders verbunden, indem es die Vogtei
beider Bistümer bejaß: die münfteriihe erlangte es ſpäteſtens
im Anfang des XII. Jahrhunderts, die osnabrückiſche zwiſchen
1173 und 77. Osnabrück hatte an Einfluß in feinem Spren:
— nn — —
) Möſ. 34.
2) Möſ. 250. Nicht etwa an der Weſtſeite von Osnabrück, wie man
bisher aus der Urkunde angenommen hatte.
67
gel verloren, ſeitdem e3 mit Zuftimmung Ludwigs I. von
den Cobbonen zu Gunften der Klöſter Corvey und Herford
eine3 großen Teiles jeiner Zehnten und Güter beraubt
war.!) Als nun im Jahre 1079 der große Biſchof von
Osnabrück Benno II. vom Sailer eine Urkunde erlangte,
welche die ehemald von Herford und Eorvey dem Bistum
entrifjenen Rechte dem Biſchof rechtmäßig zuſprach,?“) wurde
damit die Lage der Dinge, wie fie jih im „Nordland‘
im 9. Jahrhundert gebildet hatte, völlig auf den Kopf
geſtellt. Zehnten, Güter und damit vor allem Einfluß
und Macht rollten nun wieder zurüd von den Klöftern
auf das Bistum. Es murde dies enticheidend für bie
ſchließliche politiihe Geitaltung der Territorien in dem
nördlih vom Osning gelegenen Weltfalen. Dsnabrüd konnte
fih ausdehnen und das kräftig aufitrebende Bistum, im
Wachstum verfümmert durch die großartige Plünderung unter
den Gobbonen, that hiermit einen fraftvollen Schritt vor:
wärt auf dem Wege der Machtentwidelung. In dieje Zeit
muß die Bildung des jogenannten „Osnabrücker Nordlandes“
fallen: aber e3 war reihlih ſpät; das Verabſäumte mar
nicht ganz mehr nachzuholen, die beite Zeit unrettbar vorbei.
In jenen 200 Jahren nämlich hatte ſich viel verändert.
Die Beamtenariftofratie der Grafen hatte fich erblich gemacht
und fing an, ſich in eine lanbesherrlihe Regierung zu ver:
wandeln. Bor allen jaßen die Tefeneburger und Ravens—
berger feit auf ben: Sattel des Osning; fie waren nicht
mehr zu ftürzen und Osnabrück durfte nicht hoffen, ähnlich
wie Münjter im ganzen Bistum die Laienherrichaft zu ver:
drängen, aber feit der bennonischen Zeit bemerken wir doch
ein regeres Streben Osnabrücks, und feine wie auch Münjters
Politik dreht jich 150 Jahre darum, fi von der weltlichen
7) Ich verweife hierfür auf Möfer VI. p. 244 ff.
2) Erb. 1138.
5 *
68
Herrihaft durch Immunität und Eremtion zu befreien, jich
im Innern zu befeitigen, vor allen die Kirchenvogtei abzu:
werfen. Durch dieſe Verhältniffe werden auch der Politik
ber tefeneburgifhen Grafen als der Kirchenvögte von Mün—
fter und Dsnabrüd die Bahnen vorgezeichnet. Müniter ents
ledigt fich zuerit der Täftigen Felfeln, indem e3 die Kirchen:
vogtei abkauft (1173). 1236 folgt ihm das jchwädhere
Denabrüd. Unmittelbar darauf thut dann Münfter den
'erften Schritt zum Angriff gegen Teleneburg, indem e3 1251
die ravensbergifhen Beligungen im Norbland erwirbt und
jo Tefeneburg von zwei Seiten mit erdrüdender Macht um:
faßt. Zugleich ftirbt das ältefte, hiſtoriſch nachweisbare
Grafengejchleht von Tefeneburg aus und überläßt dem kom—
menden Geichleht den hoffnungslofen Kampf gegen das über-
mächtige Bistum aufzunehmen. Es beginnt damit die dritte
Zeit für unjere Grafiait.
Im Anfang des ſoeben charakteriſirten Zeitabichnittes
find wir über die Verhältniſſe in Tefeneburg nur ſchlecht unter:
richtet. Dieſe Zeit, in der die Fräftige Geftalt Bennos II. zur
Aufzeichnung der Ereignilie anregte, das von ihm gegründete
Klofter burg dem frommen Eifer Anlaß zu reihen Schen-
tungen bot, und eine Reihe von Schenkungsurfunden auf
die eigemtümlichen Verhältniffe in Tregmwiti und Sutherbergi
gerade jo viel Licht werfen, daß unfere Spannung im höch—
ften Maße gewedt wird, wir uns aber vergeblich mühen,
ein klares Bild von der politiihen Zerteilung bes Landes
zu maden, im diefer ganzen Zeit entdeden wir feine Spur
der ſpäter mächtigen Grafihaft oder ihrer Herren. Und
gerade dieje Zeit war für die endgültige Geitaltung der
Dinge im Nordland entiheidend. Zunächſt, da, wie wir jchon
bemerften, die Umſchreibung der Zehntrehte auf Dsnabrüd
eine wahre Ummälzung im weitfäliiben Nordlande hervorrief.
Diefen Wechiel der Dinge werden fich die Tekeneburger, wie
die anderen norbweitfäliichen Herren weislich zu Nuße ge-
69
macht haben. In hiſtoriſch erfennbarer Zeit bejigen jie, wie
Ravensberg, Didenburg, Steinfurt, Bentheim und andere,
eine Menge Dsnabrüder Zehnten, !) und vielleicht hat Bijchof
Benno ſich zur Verleihung derjelben entjchließen müfjen, um
den nicht minder großen Hunger der Nachbarn zu beichwich-
tigen. Sodann hören wir aud) von ganz jonderbaren, jpäter
verihwundenen Zujtänden im Süden von DOsnabrüd. Hier
ngt noch eine ftattliche Neihe von Edelherren. Wir hören
von den Grafen Adalger, Walderih, Wezel, Amalung,
Folder, aber ihre Perſon und ihr Gefchledht eritreben wir
vergebens zu erfajjen.?) Wir werden wohl in ihnen Ahnen
der fpäteren Dynaften von Holte, Oſede, Jburg, Blankena
oder anderer verjchollener Geſchlechter zu juchen haben, bie
ja aud in hiſtoriſcher Zeit von Stufe zu Stufe jinfen, um
ichlieglih zu verichwinden.
Wenn man das endloje Verzeichnis der Korveyer Güter
in den Gauen Agrotingau, Hajegau, Fenkiongau, Farngau
und Leri betradhtet,?) jo muß man fich jagen, daß eine
Überjchiebung diefer Gütermaffen auf das Bistum den poli-
tiihen Schwerpunkt im Nordland für immer in Osnabrüd
feitigen und demjelben dadurch eine Stüße zur Behauptung
jeiner Interefjen im Süden werden mußte. Es ſcheint mit
diejen Ereigniffen zufammenzuhängen, dab wir jenen Ring
von Edelen, der noch zu Bennos Zeit Dsnabrüd umfpannte,
im Anfange des zwölften Jahrhunderts, wo mir inftande
find, den dortigen Laienadel klarer zu erkennen, zur völligen
Bedeutungslofigkeit herabgedrüdt finden. Ihr Erbe ift das
Bistum Dsnabrüd. E3 giebt im zwölften Jahrhundert nur
noch drei Nebenbuhler: Dsnabrüd, Ravensberg, Tefeneburg.
1) Es wird das jpüter des längeren machgewiejen werden.
*) Ich verweile hierfür wieder auf Möfer VII. 27 ff. und Lindner
Veme 167.
) Die Gorveyer Heberegifter find gedrudt bei Wigand Arhiv Bd. I—7
und Wigand codex traditionum,
70
Bon den Grafen, die in diefer Zeit möglicherweile als
Tefeneburger bezeichnet werben fönnten, taucht zuerft 1118
ein Graf Heinrich mit jeiner Mutter Judith auf.!) Er bat
Befig bei Oſede und ſchenkt an das dortige Klofter Mark:
gerehtiame zujammen mit Widulind dem jüngeren (mohl
aus dem Geſchlecht der Widulinde von Oſede). Diefer
Heinrich könnte Egbert3 I. Vater fein und nah ihm dann
Egberts ältefter Sohn heißen.
Somit gebe ich unter allem Vorbehalt den Stammbaum
von Aldburg II. bis auf Ecbert I. Man wird aus der Dar-
jtellung jelbft gejehen haben, wie unflar und unjicher alles
geblieben ift.
(Punktierte Linien bezeichnen die nicht ftreng beweisbaren Verbindnngen.)
Aldburg II. 969—78
)
| |
Liudolf v. Osnabrück Graf Godſchalk 969— 78
Heinrich 1.
Graf im Tekenegau 1059
| |
m II. Giſela
ee ———
ung Dtto 1086—95 Oderada
Heinrich II. 1118
Egbert I. 1129—44, ?)
9 Möf. VII. 49, Möf. Vermutung VII. 60, daß dieſes Heinrichs
Bater der Edle Heinrich ſei, weldher 1096 Möf. VIII. 45 mit jei-
nem Neffen Hermann erjcheint, ift unwahrſcheinlich.
2) Der eben entwidelte Stammbaum ift recht unſicher. Abgeſehen da-
von, daß die Berfnüpfung der verjchiedenen Generationen ftets auf
71
Egbert I. 1129 —41,
Erft mit Egbert I. beginnt eine ununterbrochene Reihe
tefeneburgifher Grafen; er muß deshalb als der Ahnherr
des Geſchlechtes bezeichnet werden, welches im Jahre 1263
ausftarb. Er war den früheren Bearbeitern der tefenebur:
giſchen Geihichte unbelannt !) bis in der Osnabrüder Zeit:
m —— — rn a
-
—
ſchwachen Füßen ſteht, ſprechen auch andere Umſtände direkt dagegen.
Der Name Godſchalk iſt diepholtiſch, Otto ebenſowol ravensbergiſch
als tekenenburgiſch. Jener Otto I., der bei Osnabrück erſcheint, kann
möglicherweife als Ravensberger bezeichnet werden, denn dieſe haben
eher als die Tekeneburger im Osnabrückiſchen die Macht. Tekeneburg
erlangt die ſeinige erſt in ſpäterer Zeit (1150, 1174—77, 1202,
cf. infra). Obendrein jener Befig vom Klofter Efien, der erſt in
Aldburgs, jpäter in Simons Händen ruht, beweiſt nichts entſcheidend.
Wie leiht konnte er mit Simons Mutter, der Oldenburgerin
Eilifa, die ja mitftiftet, an Tekeneburg gekommen jein! Von ande»
rem tefeneburgijchen Befig 3. B. von dem Oberhof Oythe möchten
wir ed geradezu behaupten. Und die Oldenburger haben ebenfalls
die Möglichkeit einer widulindifchen Abftammung fur fid) cf. Wilm.
K. U. I. 397, dagegen Abel Jahrb. Karl Bd. I. 2. Aufl. 507. Auch
fie find fpäter mit Effen in Berbindung (DO. 3. TI. p. 56 Nr. 2).
Wenn aber Simon in der Gründungsurtunde D. 3. Nr. 3 jagt:
Efien gehöre ihm hereditario jure, fo kann das einfach bedeuten,
es iſt Allod, fein Lehen. Fernerhin, falld der Möf. 33 erwähnte
Godſchalk Bruder der Giſela, Vater der Obderada, wirklich zugleich
jener Graf Godſchalkt, Vater Ditos, ift, jo fällt zweierlei auf: Zu:
nächſt, daß nur Dverada Erbin der Gidla ift; dann daß Gislas
Mundiburt nicht etwa ihr Neffe Dtto, fondern Heinrich ift, der
Sohn des in jener Zeit öfter genannten Grafen Adalgar Wikingſon.
Auch diefen heranzuziehen kann man nicht wagen. Wenn man Prof.
Lindnerd (Veme p. 169) anfpredjende Hypotheſe, dab die Ravens—
berger und Thekeneburger gemeinfamen Urſprunges feien, bemweijen
fönnte, jo wären wir fchon ein ganzes Stüd weiter. Allein es fpricht
vieled dagegen.
Willen (in Tross, Westfalia 1826 p. 44) kannte Egbert, gab aber
keine Duelle; Ledebur war er unbekannt, und fo ließ fich noch Müller
p. 40 durch Falde (Codex trad. Corb. p. 151) täufchen, weldyer
behauptet, Heinrichd Bater habe Otto geheißen. Diefer Fälſcher
72
Ihrift eine Urkunde Heinrih von Lüttich für Klofterrath
publiziert wurde, welche über ihn danfeswerte genealogiiche
Nachrichten enthält. 1)
Egbert3 Stellung war feine unbedeutende. Seine Ge:
mahlin Adelheid war eine Tochter Walrams des Heiden von
Limburg. Durch Ddiefe Verbindung wurde Egbert in das
Intereſſe des welfiichen Haufes gezogen, denn Walram war
beruft fich dabei (Codex p. 151) auf libri feudales Ottonis von
1118, die nie eriftirt haben; Falde hatte Kenntnid von den libri
feudales des Dtto aus der Bentheimer Linie vom Ende bes
XI. Sahrhunderts, die fi) im Staatdardiv zu Müniter befinden;
er zählt dann Egbertd anderweitig befannte vier Söhne auf und
fügt argliftig hinzu: nominantur in membrana ejus (scilicet Ot-
tonis) das herangezogene Dokument ift aber zweifellos der noch zu
erwähnende Vertrag mit Dsnabrüd von 1150. Eine Tefeneburgiiche
Ausfertigung diefer Urkunde ift mir nicht befannt und Falcke ficher:
lih aud nicht, aber da er ſich dieſen Grafen Otto a priori fon-
ftruiert hat, jo konſtruiert er ſich hinterher eine ottoniiche Urkunde.
Wilken kannte den Egbert zweifellos aus einer Urfunde Friedrichs II.
von Köln von 1158, in welder er — mutatis mutandis — bie
gleich zu erwähnende Urkunde Heinrichs von Lüttich für Klojterrath
wiederholt (beit Miräus IV. 381); denn er hat Miräus benupt.
1) O. Z. VI. 169 abgevrudt aus Quix, Reichdabtei Burſcheid; hier
erſcheint beim Begräbnis der Jutta Theoderieus filius Ekeberti
eomitis de Titkelenburg natus ex altera filia Juttae. Daß die
Gemahlin Egberts Adelheid hieß, erfahren wir Möf. VIII. 58. Die
zitierte Urkunde ergiebt die folgende Genealogie. Of. auch Bernhardi
Lothar 186.
Heinridy v. Limburg
——
|
— — — — — — — —
Walram d. Heide Agnes ee mit filia verheir. mit
v. Limburg, Herzog Friedr. v. Putelendorf Friedr. v. Arnsberg
v. Lothringen
— — — —— — — — —
Heinrich Gerhard Beatrix verheir. mit Adelheid verheir. mit
v. Limburg Robert v. Lurenburg Egbert v. Tekeneburg
vier Söhne.
73
unbedingter Anhänger Lothard. Hiermit wurde ber Grund
gelegt zu einem hundert und fünfzigjährigen Kampfe mit
dem ſtaufiſch geiinnten Haufe Ealvela-Ravensberg.
Wenn wir nun einen Grafen Namens Egbert 1127 —44
mehrmals am Hofe Adalbert3 von Mainz, des heftigften
Gegners ber Staufen, erbliden, fo bat von Schenf mit Recht
die Frage aufgemworfen, ob diefer Egbert nicht vielleicht Graf
Egbert von Tekeneburg fei. !)
Am 24. Februar 1127 befindet jich unter den Zeugen
zu Main; ein comes Egbert 2); 1139 ebenſo ein Egbert
von XYengenburg?); 1140 ein Echebert comes #) und fhließlich
1144 ein Eggebert de Deggeneburg.5) Unumftößlich fcheint die
Anweſenheit unſers Grafen zu Mainz jedoch noch nicht erwie:
jen.6) Sicherlich zu weit geht aber von Schenf, wenn er, um
das Auftreten des Grafen zu Mainz zu erklären, den Ur:
iprung der Teleneburger in dad Mainzer Gebiet legt. Näher
möchte eine andere Erflärung liegen. Es iſt möglih, daß
die Grafen von Teleneburg frühzeitig in Verbindung mit
dem Erzitifte Mainz gerieten dur eine Inbenefizierung mit
1) Im Organ des Geſamtvereins der deutichen Geichichtövereine 1876
p- 75 Nr. 9, worauf ich durd; eine freundliche Notiz des Herrn
Prof. Dr. Nordhoff zu Münfter aufmerffam gemacht wurde.
2) Will. XXV. 186, der aber Engelbert lieſt.
2) Will. XXVI. 13. Schenk Tieft: Zeuge Egbert von Tengenburg gegen
Foannis, welcher Yengenburg hat. Trotzdem lieſt Will, welcher Schents
Anficht kennt, (cf. Will. XXV. 358) noch Yengenburg.
+, Will. XXVI. 33,
>) Will. XXVIL 22. Der Anfangebuchſtabe D ftatt t für Tefeneburg
ift aber höchſt jelten, ich habe ihn nur viermal gefunden.
*, Es erjchüttert auch diefe Hnpothefe der Umftand, daß Erzbiichof
Adalbert einen Bruder Effebert hatte, Will. XXXI. 34. Beide aber
waren Pruderjöhne Adalberts I. und mochte daher Etfebert fich jchon
am Hofe Adalberts I. aufhalten. Im Mainzer Gebiet lag aud eine
Dingenbure. Will, XXV, 301,
74
den 30 Höfen im Tekenegau, welche 1059 Heinrich TV. zur
Abfindung der Mainzer Anſprüche auf den Zehnten von den
fönigliben Gütern in Thüringen an das GErzitift ſchenkte
(ef. p. 54}... Daraus mochte fi eine enge Verbindung
der Grafen mit Mainz entwideln, welche jogar 1196, wie
wir jehen werden, zur Ernennung Graf Simon? zum Erb:
ihenfen von Mainz führte. ?)
Der Einfluß der Limburger auf Egbert zeigt ih auch
darin, daß Heinrich, der älteite Sohn Egbert, nad jeinem
mütterlihen Grofvater,2) der vierte Sohn Gerhard nad
dem Bruder der Mutter den Namen erhielt.
1128 wurde Walram von Limburg, der durch ſeine
Schmwäger von Nutelendorf und Arnsberg ſowie durch jeine
Eidame von Teleneburg und Lurenburg (ipäter von Naffau)
eine mächtige Stellung einnahm, vom König Lothar zum
Herzoge von Lothringen erhoben, und es entipann ich ein
erbitterter Kampf zwiſchen ihm und dem abgejegten Herzoge
Gottfried von Löwen: Brabant.) Wir find ohne Nachricht,
ob Egbert in diefen Wirren dem Schwiegervater zu Hülfe
fam. Er mochte es wol halten, wie König Lothar, der ſich
begnügte, feinen Schügling mit Worten zu unterftügen.
Egbert jcheint fich überhaupt um die große Reichspolitif
wenig befümmert zu haben. Während die Ravensberger
häufig am Faijerlichen Hofe mwaren,*) und jein Nachbar im
Diten, Otto von Bentheim, die Chroniken von ih reden
) Schent will Anzeichen geiehen haben, daß die Grafen von T mit
den Herrn von Gelnhaufen zufammenhängen. Ich habe aufer einem
Egbert von Gelnhaufen (Will. Bd. I. XXVIII. 139) nichts gefunden
und Schenk hat, joviel mir befannt, die darüber verſprochene Schrift
noch pag. 70.
*) Allerdings hie vielleicht auch Egbert? Vater Heinrih. Cf. Genea-
logie im Excurs 8 p. 45.
*) Bernhardi , Lothar p. 186 ff., 234 ff.
*) Erb. 1510, 1518, 1514, 1523, 1554 u. ſ. w.
75
machte, ſchien Egbert ſich zurüdzuziehen. Gleich ben meiften
Weitfalen war er Anhänger Lothars, wie er denn in meh:
teren Urkunden der Egbert und Wernher von Vlünfter,
zweier eifriger Lotharianer, erjcheint. Als 1129 Egbert die
Stiftung des Kloſters Varlar beitätigte, war Eabert von
Zefeneburg zugleih mit Wikbold von Horitmar, Hermann
und Bernhard von der Lippe, Ludolf und Rudolf von Stein:
furt, Theoderit und Werenbold von Gemen und anderen
Edlen zugegen.) 1134 trat er zu Gunften des neu geftif-
teten Kloiters Klarholz einen Wald bei Honbrinfe ab, den
er als münſteriſches Lehen trug.) 1137 war er Zeuge in
einer Urkunde Biſchof Wernhers für Barlar.3) Es fcheint
al3 wenn er bereits im Beſitz der münjteriichen Kirchenvogtei
geitanden habe.t)
In jener Zeit hatte jich die Lage für das welfiiche Haus
ungünftiger geitalte. 1137 ftarb König Lothar; zwei Jahre
ipäter folgte ihm Heinrich der Stolze und in demjelben Jahre
ſchied Egberts Schwiegervater Herzog Walram, ohne jeinem
Geichlehte die Herzogsmwürde von Lothringen fihern zu kön—
nen, aus dem L2eben.d) Der Staufer Konrad war dem ehe:
maligen Schüglinge Lothars abgeneigt und verlieh das Her:
zogtum Godfried, dem Sohne von Walrams altem Gegner.
7) Erh. 1524.
7) Rindl. IV. N. 9. p. 20.
8) Erh. 1579.
*) Ich kann hier die Frage der münfterifchen Kirchenvogtei nicht völlig
unterfuchen, weil id) dad Archiv bed weitfälifchen Vereins nicht darauf
anſah und ed mir jegt micht mehr zugänglich ift. Egberts Sohn
Heinrich II. tritt die Vogtei bereite ab. Egbert ift der erfte Name,
welcher in gedrudten münfteriichen Urkunden erfcheint und als ein
tefeneburgiicher bezeichnet werden könnte. So liegt die Vermutung
nahe, daß dieſes plögliche Auftreten mit den Erwerb der Bogtei
zufammenhäng.. Münfteriicher Vaſſall war Egbert bereits. Cf.
Anm. 2.
5) Bernhardi Conrad I. 101.
76
Egbert3 Schwager war machtlos, jih dem zu widerſetzen.
Die Sachſen aber unter Führung der Kaijerin:Wittwe
Richenza blieben in den Waffen, um die Anerkennung des
jungen Heinrich des Löwen durchzufegen.
In diefe Zeit der allgemeinen Bewegung führt uns bie
legte Nachricht, die wir von Egbert haben.!)
Elimar von Oldenburg geriet mit Egbert von Telene:
burg und deſſen Nachbarn am öftlihen Abhange des Osning,
Dtto von Ravensberg, in Krieg. Die Schuld jcheint auf
Elimars Seite geweſen zu fein.?) Wir dürfen kaum anneh:
men, daß dieſer Streit in den großen Rahmen des ftaufifch-
welfiihen Gegenjages einzufchieben ift, jondern es waren
vermutlich lediglich Grenzitreitigleiten im Nordland, wo auf
der ganzen Linie von Kloppenburg bis Damme aller drei
Rechte und Güter bunt durcheinander gewürfelt lagen. Aber,
wie e3 zu erwarten ftand, das Kriegsglüd war dem Heraus:
forderer nicht günftig. Zwei fo mächtigen Nachbaren nicht
gewachjen, wurde er beim erften Zufammenftoß bejiegt und
nahm nun jeine Zuflucht zu einer Kriegsliſt. Elimar hatte
ich Hinter die großen Sümpfe zurüdgezogen, die den ganzen
füblihen Teil feines Gebietes bededten. Er jelbit legte ſich
mit einer Abteilung jeiner Mannichaft in den Hinterhalt
und erwartete das Heer der Verbündeten, welches zu einem
zweiten Treffen heranzog. Wegen des lojen Untergrundes
hatten die Verbündeten alle ſchweren Warten abgelegt, Panzer
und Roſſe verlajien und waren gerade im Begriff, ben
Mari über die trügerifche Dede anzutreten, ?) ala Egilmar
—
) Annal. Pathabrunnenses ed. Scheffer-Boichorst. ad 1141. Anna-
les Colonienses maximi M.G. seriptores XVII. 759. Cf. Bern-
hardi, Conrad 1. 230.
?) In bellum provocans Elimarus.
») So faht mit Recht VBernhardi das cum inarmati incederent. Er
ſollte vielleicht auf Unmegen ihnen wieder zugeführt werben, da
man den Feind noch nicht vermutete,
17
ie plöglih angriff und zwang, in der ungünftigften Stellung
die Schlacht anzunehmen. Sie endete mit einer vollftändigen
Niederlage der Angegriffenen. Ihre Dienitmannichaft wurde
zeriprengt, viele und mit ihnen die Grafen Egbert und Otto
jelbft gefangen genommen (1141). Wir willen nicht, wie
der Kampf weiter ging, aber wir haben Grund anzunehmen,
baß der Friede durch ein frohes Ereignis bejiegelt wurde,
nämlich durd die Verlobung des Erbgrafen Heinrich von
Zefeneburg mit Eilika, Tochter Egilmars, Enkelin Heinrichs
von Rietbeke aus dem Haufe Werl und der Beatrir, Wittwe
bes frommen Gobdfried von Sappenberg. !)
Hiermit erliicht jede Kunde von Egbert. Sein Todes:
jahr ift unbefannt (vor dem 1. Dezember 1150).2) Er ift
mol jener Graf Egbert, von dem das Totenbuch des Domes
zu Osnabrück kurz berichtet:
4. Februar: es jtarb Egbert, Graf.)
Heinrid III. 1150 —56 (57).
Heinrich III., ältejter Sohn Egberts, folgte ihm in ber
Grafſchaft. Den Namen trug er nad dem Großvater ber
Mutter und vielleiht auch nad dem Großvater väterlicher:
jeits. Er hatte noch einen jüngeren, weltlichen Bruder Otto;
die beiden anderen Theoderic und Gerhard hatten ich dem
geiftlihen Stande gewidmet.
2) Wenn man bedenft, daß 1158, aljo 17 Jahre ſpäter, Simon von
Zeteneburg am kaiſerlichen Hofe urtundet, jo darf man das Verlöbnis
feined Baterd wol nicht jpäter jeßen. Undererjeitd war Simon da—
mals noch jung, 1150 feine Oheime erft ad clericatum deputati,
Möſ. 56. Die Genealogie der Eilifa in der vita Godofridi com,
Cappenberg. M. G. Seript. 12, pag. 52930. Bon nun am wird
der Name Eilifa in der tefeneburgiichen Familie heimiſch.
) Erh. 1742. Möſ. 56.
2) Das Nekrolog bei Meyer in der O. 3. IV. 1865. Der Herausgeber
zweifelt, ob ed einen Egb. v. T. gab und begnügt fich, Wilkens An—
ficht zu zitieren. cf. pag. 71 Unm. 1.
78
— —
Im Weſten hatte ſich im Jahre 1150 eine wichtige Ver—
änderung zugetragen. Otto Il. von Rheineck, Pfalzgraf von
Bentheim, war von ſeinem Gegner Hermann von Stahleck
gefangen und erdroſſelt worden. Sein Vater ſtarb gebeugt
vor Alter und Gram im folgenden Jahre, und ſo ging die
reihe Erbſchaft durch eine Erbtochter an Theoderic von Hol—
land über. Damit waren die Lehen, welche die Ottonen
von ARhined vom Bistum Dsnabrüd getragen hatten, erle:
digt, und Biſchof Philipp von Kapenelnbogen benutzte jie
noch im jelben Jahr, um auch die Nachbaren auf Tefeneburg
ald Vaſallen des Hochitiftes zu gewinnen. Nicht lange vor
Weihnacht 1150 °) gingen Graf Heinrich und defien Brüder
Otto, Theoderic, Gerhard jomwie ihre Mutter Adelheid, welche
ihr Mundiburd Liefhard von Depenhem vor Gericht vertrat,?)
hinunter nad Dsnabrüd und fchloffen im Gericht des Kirchen-
vogtes Amulung mit Biſchof Philipp einen wichtigen Vertrag,
infolge befjen fie zu Osnabrüd in das Bajallitätsverhältnis
traten. Die Grafen überliefen an Dsnabrüd eine Reihe
von Höfen und erhielten dafür 230 Mark, 20 Mark jähr:
liher Zehnteneinfünfte und alles was Dtto v. Rheined als
—
) Die Urt. Erh. 1742 iſt am J. Dezember ausgeſtellt. Bon den ge
nannten Söhnen Egberts kommen Otto und Gerhard nicht mehr vor.
) Mit Unrecht hat man aus der Stelle: „Heinricus comes et fratres
sui coheredes ejus Otto, Thideric et Gerhardus assensu matris
eorum Athelheidis et mundiburdi ejus Liefhardi de Depenhem*
ſtets gejchlofjen, da& die vier genannten Brüder nod; minorenn ge
wefen feier. Das „mundiburdi ejus* fann fih nur auf Adelheid
beziehen, denn Graf Heinrichs Sohn Simon erſcheint acht Jahre
Ipäter ſchon als Zeuge am faijerlichen Hofe, und folglih war jein
Vater 1150 unmöglich noch ein unmündiges Kind. Wir fahen fchon,
daß fih Graf Heinrich vermutlich kurz nad) 1141 verlobte 1150
mußte Graf Simon lange geboren fein. Im jugendlichen Alter aller-
dingd waren noch die jüngeren Brüder Heinrichs; das zeigt fich deut«
ih an dem „Thideric et Gerhard ad clericatum destinati. Möj. 56.
79
Dsnabrüder Zehen bejefjen hatte!) und zwar wurden fie alle,
jelbjt Thideric und Gerhard für den Fall, daß fie den geift:
lien Stand verlajjen jollten, belehnt zu gejamter Hand, jo
dat beim Ausjterben einer Linie die anderen in deren Recht
traten. Everwin von Fredenhorjt leitete die Verfammlung,
da Amelung als Kirchenvogt die Güter in Empfang nehmen
mußte. Pfaffen und Laien umjtanden zahlreih die Ber:
jammlung, unter ihnen ſämtliche Prälaten von Osnabrüd,
Heinrih Graf von Rietberg, Liefhard Dynaft von Diepens
heim, der Edle Arnold von Tekeneburg und zahlreihe Os—
nabrüder und Tefeneburgiiche Dienftmannen. Am 24. Juni
des folgenden Jahres 1151 ſtarb die Großmutter der Brüder,
Judith von Limburg 2) im Klofter Rath, wohin fie fich im
Alter zurücdgezogen hatte. Ihre Familie war zahlreich herbei:
geeilt, um ihr das legte Geleit zu geben, von ihren Enfeln
von Tefeneburg aber war nur Theoderic zugegen.) Auch
Adelheid fehlte: vieleicht war fie ſchon geſtorben; wenigſtens
fehlt nad dem Dezember 1150 jede Spur von ihr.
Die Neigung zu den Welfen hatte naturgemäß abge:
nommen, jeit von Tag zu Tag Heinrich& des Löwen Abjicht
tlarer wurde, jeine Herzogsgemwalt über das ganze Sachſen
auszudehnen. So war Bifchof Wernher von Münjter in das
ftaufiihe Lager gegangen, und Graf Heinrich ſchloß ſich ihm
eng an. Mit andern weftfäliichen Großen iſt er öfters zu
Münfter oder an einer der Dingftätten im Münſterlande,
um durch feine Stellung als Vogt des Hodjitift im Ding
die dem Stift gejchenkten Güter in Empfang zu nehmen,
der Berhandlung Nachdruck und der aufgenommenen Urkunde
Beweiskraft zu verleihen.) Bei diejem gegenjeitigen guten
1) Der Ausdrud: beneficium comitiszOttonis de Rinegge ift ſicher
ein Gollectivbegriff.
®) Annal. Rodonses M. G. Script. XVL 721.
) UrkäHeinrichefv. Lüttich, der auch zugegen war O. 3. VI. 169.
*) Eh. 1756,51767, 1768.
—— — — — —
Verhältniſſe gelang es Wernhers Nachfolger Friedrich, das
Ziel zu erreihen, nad) dem naturgemäß das Bistum lange
geitrebt hatte. Bei der thatſächlichen Machtlage konnte die
tefeneburgiiche Vogtei von Münfter nur als läftige Schranke
empfunden werben. Vielleicht jchien es dem Grafen Heinrich
unmöglich, Diejelbe erforderlichen Yals mit den Waffen zu
behaupten, und jo zog er einen geficherten Rückzug vor, in-
dem er zwiſchen 1152 und 1157 feine Vogteirechte gegen
Entihädigung beichränten ließ.!) Streitigkeiten waren auch
bier unvermeidlich gewejen, und jo einigte man ſich dahin,
daß der Biſchof verſprach, den Grafen mit den eriten frei-
werdenden Zehen von 24 Pfund zu belehnen, von dem neun
unmittelbar gräfliher Beſitz fein follten, die übrigen als
Afterlehen ausgeteilt werden durften. Das Kapitel gab
40 Mark, dafür verſprach der Graf, nicht die gejamte Vogtei
abzutreten, aber doch jie jelbft aus der Hand zu geben durd
Belehnung eines von Bilchof und Domkapitel dazu Erfore-
nen, der nad Belieben von jenen abgejegt und durch einen
andern erjegt werden fonnte. Dadurch wurde das Ober:
lehnsrecht des Grafen jehr zweifelhafter Natur, und nod
unbeilvoller mußte der Zuja wirken, daß bei bejonders wich—
tigen Gelegenheiten dennoh der Graf als Vogt gerufen
werden könne, eine höchſt merkwürdige und gefährliche Be—
dingung, denn von hier aus fonnte der Graf leicht verjuchen,
die. ganze Bogtei wieder an jich zu ziehen, wenn man ihn
rief. Rief man ihn aber nicht, jo entitand Unmillen und
Erbitterung. Es ift fein klares Geichäft, ein unbefriedigenber
Abſchluß, und es zeigte ſich auch, daß die endgültige Löfung
der Trage no fern lag. Der Graf erhielt (vielleicht weil
auch er jein Gelöbnis brach) die verſprochenen Lehen nicht
und jo entitand ein ganz unhaltbares, unficheres Verhältnis
zum benachbarten Stift.
*) Erb. 1981. Biſchof Friedrich regiert 1152—68. Graf Heinrich
ftarb jpäteftens 1157.
8i
Anfangs 1154 Hatte Friedrih Barbarofia auf dem
Reichsſtage zu Goslar durch Anerkennung der Ansprüche
Heinrichs des Löwen den Frieden im Reiche hergeitellt, um
ungehindert die Nomfahrt antreten zu können, und zog dann
durch Südweitfalen an den Rhein. Mitte Juni ftieß nebft
anderen weſtfäliſchen Großen Graf Heinrich zu Dortmund zu
ihm. Die Erinnerung an die welfiihe Politik feines Vaters
und die Abitammung jeiner Mutter Adelheid von den Lim:
burgern hinderte ihn nicht, feinen Namen unter der Ur:
Eunde jeten zu laſſen, in welcher Kaijer Friedrich deren erbit-
tertitem Feinde Godfried von Brabant, das Klojter Parc
verlieh.!)
Vermutlih zog von bier Graf Heinrich jofort nad
Schwaben, wo auf dem Xechjelde das Heer ſich im Septem:
ber jammelte. Vier Wochen jpäter ftieg der Kaijer die ſüd—
lihen Abhänge der Alpen hinab. Wir wiffen nicht, in wie
weit Heinrich an den großen Greigniffen des folgenden Jah—
res, dem Neichstage auf den Noncaliichen Feldern, der ger:
jtörung Aftis, Chieris, Tortonas, der Kaijerfrönung und dem
Straßenfanıpf in Nom beteiligt war. Nach jolchen Mühen
führte Ende Juni 1155 der Kaiſer jein Heer in die jchöne
Gegend von Tivoli, und bier in dem reizenden Tibur, an
den Waflerfällen des Anio, die Horaz jo Ichön bejang,
tritt uns Graf Heinrich wieder entgegen. Mit Wibald,
dem großen Abte von Corvey, den Bilchöfen von Navenna,
Balel, Worms, Bamberg, Lüttih, Heinrich dem Löwen,
den Grafen von Steiermark, Biandrate und dem Stadt:
präfeften von Nom, Petrus ift er Zeuge in einer Urkunde
jeines Kaijers fiir die Abtei Knechtesjtaden.?) Aus den nod)
») Böhmer 2338, 17. Juni 1154. Es find mod) auferdem Zeugen:
die Erzbiichöfe von Mainz und Köln, Heinrich der Yöwe, Grafen
von Gleve, Berg, Arnöberg, Ruif ac.
2) Erb. 1827. Yacombl. I. 266, Pr. 584.
XLVII. 1. 6
82
golgenden Kämpfen wie aus den gefährlichen durch die italie-
niihe Sonne erzeugten Fiebern ging er unverjehrt hervor
und als der Aufbruch nach Deutſchland bejchloffen wurde,
309 er wol mit der Hauptmaſſe, in der ſich auch der Kaifer
und das jähliihe Aufgebot befand, über Fano, Bologna,
die Etſch entlang über den Brenner durch das Lechthal nad)
Deutichland, denn am 29. Dftober jehen wir ihn im faijer-
lihen Gefolge zu Würzburg!) und modte er einige Tage
darauf nach einer Abweſenheit von fünf Bierteljahren in die
Tekeneburg einreiten.?) Aber bier hielt er ſich nicht lange
ruhig. Sei es, daß er fih auf Koften feiner Nahbaren für
die Ausgaben und Mühen der Nomfahrt zn entihädigen
wünſchte und die Gelegenheit günftig fand, gegen Korvey
vorzugehen, (denn Abt Wibald war auf einer Gejandtichafts-
reije nach Konitantinopel), jei e8, daß er mit dem Abt, den
er zu Tibur und auch ſonſt wol oft getroffen hatte, in Streit
geraten war, furz, er erhob Anſprüche auf Korveyer But.
Wenn man bedenkt, dag Wibald nochmals die alte Zehent—
frage anregte und nahe daran war, jeine Anjprüche beim
Kaiſer gegen Osnabrück durchzuſetzen, und in Erwägung zieht,
daß wahrjcheinlich die Tefeneburger eng zu Osnabrüd hiel-
ten, weil jie von dieſem bejonders feit 1150 eine Menge
alter Storveyer Zehnten zu Lehen trugen, jo gehen wir wol
) Erh. 1833. Böhmer 2353. Hanjelmann (Diplomatifcher Beweis der
Randeshoheit Hohenlohes, Nürnberg 1781) lieft Gozwin comes de
Tekeneburg. Das Württemb. Urfundenbud 394 Horwin; cf.
Wilm. Addit. ad 1155. Es kann aber fein anderer gemeint jein
als Heinrich.
2) Der Mönch von Stade M. G. ©. 16, 336, 39 giebt anziehende
Einzelheiten über eine Reife von Stade über Braunfchweig, Teclen-
burg, Münfter u. j. w. den Rhein entlang nad) Rom und rüdwärts
über Würzburg. Da er aber nicht die Tagereiſen, jondern die
Meilen zählt, jo erhalten wir daraus fein erhebliches Ergebnis. Sonft
würden wir Aufichluß über die Schnelligkeit des Neifens und die
damaligen Wegeverhältnijje erlangen können.
83
nicht fehl, wenn wir mit diefer Bewegung ben Torvey: tete:
neburgifhen Streit in Verbindung bringen. Wie Abt Wibald
behauptet, erhob Graf Heinrih Anſprüche auf ein Gut, das
Ihon unter der Regierung des vierten Vorgängers Wibalds
im ungejtörten Bejik Korveys gewejen war, verlangte dejjen
Herausgabe und fuchte durh Raub und Plünderung (wahr:
Icheinlih der noch vorhandenen Güter im Nordland: Meppen)
die Mönche einzujchüchtern. !)
Zugleich fiel Widelind von Swalenberg, der kriegeriſche
Nachbar Wibalds, wegen anderer Reibereien in das Stift
ein (1152 jchon verwüſtete und zerftörte er dasjelbe, erpreßte
hohes Xöjegeld) und erichlug den Grafen Thiederif von Hörter
innerhalb der Kloitermauern.?)
Wie der Streit mit Tefeneburg ablief, wifjen wir nicht.
Über die Smwalenberger aber hielt der Löwe ein ftrenges
Gericht, ?) vermutlich ging es dem Grafen nicht viel befjer,*)
und diente nur dazu, jeinem rolle gegen den mächtigen
Löwen neue Nahrung zu geben.
2) Erb. R. 1836 jest die Sache in 1155 nad) Marten. Dur. II. 577,
aber Jaffe Bibl. I. Nr. 446 in 1156. Das Jahr 1156 ftimmt hier
entjchieden befjer.
2) Quelle wie sub 1. Uber die frühere Fehde ef. Erb. 1843 zu 1156;
fie war aber nad) Safe jchon 1152 N. 384. — Man fann zwei:
feln, ob Wibald in jeinem Briefe den vierten (Volkmar 1129—38)
oder den fünften Vorgänger (Erkenbert 1106—28) ald den Erwerber
des Gutes darftellt. Jedenfalls ift die Erwerbug ded Gutes in die
Zeit 1106—1138 zu legen. Die curtis Papenheim, von der Hein-
rich der Löwe in jeinem Briefe an Wibald Jaffé Bibl. T. 466 ſpricht,
war es wohl nicht.
8) Erh. 1852. Jaffe I. p. 595 N. 462.
*) Dazu hielt fich Herzog Heinrich befugt, auf Grund jeiner angemaßten
oberrichterlichen Gewalt in Weitfalen. Für diefe und alle anderen
ragen betreffs der Herzogsgewalt in Weitfalen verweife ich auf
Weiland und Grauert.
6*
34
Diefer Streit ſchließt die dürftigen Nachrichten über
Graf Heinrih ab. Noch in der Blüte der Jahre ftarb er
am 22. November 1156 oder 1157.71) Seine Gemalin
Eilifa überlebte ihn lange und blieb während ihres ganzen
Lebens der gute Engel jeines Nachfolgers und Sohnes Simon.
1) Heinrichd Todestag im Dsnabrüder Domnefrolog O. 3. IV; Henricus
comes, qui nobis contulit domum in Vinnethe, und der Beweis,
daß dies Heinrih 11. von Tefeneburg ift, ergiebt ji aus der Note
zum 24. Sebruar: Eilica comitissa de Tekeneborch, que pro se
et viro suo eomite Henrico domum contulit fratribus in Vinnethe,
Zulegt ericheint Heinrich beftimmt 1155 29. Dxctbr. zu Würzburg,
und jo wird er faum noch Novbr. 1155 geftorben ſein. Sch habe
ihn deshalb als den comes de Tekeneburg angejeßt, der mit Wibald
im Gtreit fam 1156; von ihm, den Kaifer Sriedrih von Stalien
ber jo gut kannte, konnte auch Wibald wol jagen comes de Teke.
neburg, ohne den Vornamen anzugeben. 22. April 1158 aber
ericheint Schon Simon. Früher (Ledebur, Müller) nahm man Heinrich
nod bis 1178 als lebend an zufolge der Urf. Erb. 1981, wo Fried-
rich 1. jagt: Simon habe den Vertrag beftätigt, den ehemals jein
Vater Heinrich) mit Friedrid) von Münſter abſchloß und er habe
gelobt: quod pactionem patris pro se et pro patre in omnibus
observaret. Dies „pro patre“ heißt aber nur: „in pietätvoller Au—
erfenmung des einft vom Water beſchworenen“. Es läßt auch der
Inhalt der ganzen Urkunde feinen Zweifel, daß Heinrich damals tot
war, und ſonſt wäre es auch merkwürdig, dab von 1155 —73 der
Bater niemals und der Sohn fo oft in Regierumgahandlungen ericheint.
1175 ©. 3. I. p. 57 Nr. 3 jagt Simon, daß jeine predecessores
tot find. Somit ftarb Heinrich 1156 oder 57.
Fortſetzung im nächiten Bande.)
IH.
Bolfsaberglaube im 15. Jahrhundert.
Bou
Dr. Stanz JIoftes.
Te
Die mittelalterlihen Predigtwerfe bieten wenig per:
tönlih und landichaftlih Individuelles; die Verfafjer jtellten
die Anwendung der allgemeinen Betrachtungen auf die jpe:
zielen Berhältnifje dem einzelnen Prediger anheim, und wo
tie die Predigten auch für jich ſelbſt entwarfen, überließen
fie doch die weitere praftiihe Ausführung der Gunſt des
Augenblides beim mündlichen Bortrage. Daher ift dieſe
Citteratur für Leben und Sitte des Volkes weniger bedeu-
tend, al3 man von vornherein annehmen möchte. Allein
bier und dort finden ſich doch auch Prediger, die ſchon in
ihren jchriftlihen Aufzeichnungen ſich keineswegs immer auf
GErörterungen ganz allgemeiner Natur bejchränfen, fondern
fortwährend auf die jpeziellen Verhältniffe ihrer jeweiligen
Zubörerichaft Rüdjiht nehmen und deshalb dem Kultur:
bijtorifer ein reicheres Material für feine Forſchungen bieten.
Zu ihnen gehört au ein Weitfale des 15. Jahrhunderts,
Gottſchalk Holen oder Hollen.
Bon jeinem Leben willen wir nur wenig zu berichten;
er ftammte aus Körbede bei Soeft, trat in den Augujtiner:
orden und ftarb als Lektor des Dsnabrüder Klofters im
„Jahre 1497.)) Aus jeinen Predigten geht hervor, daß er
in Italien bekannt war; wahrſcheinlich hat er wie fein
1) Bgl. Berlage, Beiträge zur Gelehrtengeihichte Osnabrücks (Progr.
der Nealjchule in Dsnabrüd 1876) ©. 10. Maurus Roft nennt ihn
fälſchlich Höllem, bei Schiphower (Meibom II, 184) heißt er Howe;
Berlage ſucht hinter den beiden Namen irrig zwei Berfonen,
86
Dsnabrüder Klofter: und Zeitgenoffe Schiphower in Bologna
ftudiert. Letzterer rühmt ihn als einen mit Geilt und Willen
reich ausgeſtatteten Mann, der viele Predigten an Klerus
und Volk Hinterlaffen habe. Bekannt find von ihm Prae-
ceptorium divinae legis und Sermones dominicales super
epistolas Pauli. Nach Berlage jollen beide Werke bereits
im 15. Jahrhundert gedrudt worden feien; ich kenne das
erftere gar nicht und das zweite nur in einer von Heinr.
Gran bejorgten Ausgabe, Hagenau 1520.71) Daß die Pre:
digten in Osnabrüd gehalten find, bejagen die Worte der
Nachſchrift: opus... . colleetum et predicatum in con-
ventu Osnaburgensi; e3 geht auch aus dem Inhalte deut:
lich hervor.
Auf Grund diefer Sammlung bat Cruel den Prediger
ausführlihd (S. 505—513) beiproden. Er ftellt ihn als
Vertreter des rationaliftiihen Nüglichkeitsprinzips hin und
vergleicht ihn mit den proteftantifchen Bredigern diejer Rich:
tung im 18. Jahrhundert. Ob das fo ganz richtig ift, mag
dabingeftellt bleiben; jicher ift, daß Holen auf die Verhältniſſe
des gewöhnlichen Lebens ungleich mehr Rüdjiht nimmt als
jonft die Predigtichriftiteller jener Zeit und dabei fih als
einen praftiich und nüchtern denfenden Mann ermweilt. Auf
jeden Fall verdanken wir, was Gruel gar nicht mit in An:
ihlag gebracht Hat, diejer feiner Richtung eine Menge für
die Kultur jener Zeit jehr wertvoller Notizen. Holen ift ein
Dann von einem Haren gefunden Urteile und einer ftaunens-
werten Belefenheit. In der Theologie und Jurisprudenz,
in den Hafiifhen wie in den neulateiniihen Dichtern iſt
er glei zu Haufe, er zitiert aus Petrarca und Boccacio
1) Der lange Titel beginnt: Sermonum opus exquisitissimum. Gruel
Geſchichte der deutjchen Predigt im Mittelalter ©. 505) zitiert das
Merk unter dem Titel: Sermones super epistolas dominicas, Cs
icheint demnach, dat wirflid) mehrere Ausgaben vorhanden find,
aber jelbit von der Hagenauer Ausgabe find die Eremplare jehr felten.
87
wie aus Dvid und Horaz. Mber die Benugung der vor:
handenen Litteratur reicht noch weiter als jeine Quellen:
angaben vermuten laſſen; der allgemeinen Sitte jener Zeit
entiprechend nimmt er gar feinen Anito daran, ganze Par-
tien au3 anderen Schriften ftillichweigend herüberzunehmen.!)
Aber er hat das Beite und PVernünftigite herauszujuchen
veritanden und es jelbftändig verarbeitet, jo daß Eigenes und
Fremdes doch nicht mehr jo leicht zu fondern ift. Seine
Einfiht und Bejonnenheit tritt überall da bejonders zu Tage,
wo er auf die Sitten und Gebräude des Volkes zu reden
fommt. Dancer Aberglaube jener Zeit mag ihm jelbit
noch aubaften, aber er gehört gewiß zu den unbefangeniten
und vorurteilsfreiften Männern feiner Zeit. Das werden die
Mitteilungen aus breien jeiner Predigten über den Volks—
aberglauben, die ich hier machen will, deutlich zeigen. Denn
auf diefen Punkt will ich hier mich beichränten, vielleicht
rindet ein Theologe darin Veranlaſſung, die ganze Samm—
fung gründlich durchzuarbeiten und für die Kulturgeihichte
alljeitig auszubeuten.
Ich laſſe indes jene Grörterungen bei Seite, die lic)
auf Dinge beziehen, welche Holen nicht aus der , eigenen
Erfahrung jondern augenjcheinlid nur aus der älteren theo—
logiihen Litterarur fannte, und bringe nur das, was mir
wirklich weſtfäliſch-volkstümlich zu fein jcheint.?)
Die 33. Predigt des erften Teiles mit dem Vorſpruche
-
1) So hat er in der 5. Prediat, mo er über den Nuben der deutichen
Bücher für die Laien jpricht, den Traftat des Pjeudo-Zerbolt gründ:
lich ausgeichrieben. Ja die unten mitgeteilten Außerungen über
Sonnen- und Mondverehrung find fait wörtlih aus dem Liber de
superstitionibus von Nicolaus Magni de Gawe (Sauer) (1415)
(Auszug bei Grimm, Deutiche Mythologie, 4. Aufl. II, 414) ent»
Ichnt, obwol er durch Beibehaltung des novi fie ala jeine eigenen
Erfahrungen hinftellt.
2) Man berüdlichtige indes die vorige Anmerkung.
88
m — 00 — —
Vidimus stellam ejus in Oriente Matth. II, 2 zieht er gegen
die Aftrologie zu Felde und ſucht es als abjurd nachzuweiſen,
daß die Stellung der Geftirne bei der Geburt auf das Gejchid
des Menjchen Einfluß habe. König und Bauer werden in der:
jelben Stunde geboren, und doch folgt nur der erjte feinem
Bater im Neiche, nicht der Bauer. Im Zeichen des Wafler:
mannes jollen die Fiicher geboren werden. Wie geht es da
mit Weftfalen, wo es feine Fiſcher giebt? In gewiſſen Din-
gen dürfe man indes, meint Holen, wol auf die Geitirne
achten, jo beim Säen auf Sonne und Mond; bei Vollmond
mieden die Schiffer mit Recht die See, auch die Holzhauer
jündigten nicht, wenn fie bei Vollmond nicht fällten, denn
der Mond bringe alle Feuchtigkeit, und wenn man bei Boll:
mond baue, fomme der Wurm ins Hol!) ... Die Ma:
nichäer und andere Heiden fafteten zu gewillen Jahreszeiten
und Fafteiten ihren Leib den ganzen Tag bis die Sterne
aufgingen; dieſen fehen noch heutzutage mande Chriften
ähnlih, melde in der Weihnachts:, Neujahrs: und Drei:
königsvigil bi8 zum Sternenaufgang falten, was ganz unges
ziemend und dem göttlichen Kult entgegen it... Denn die
Geitirne, Sonne und Mond find nicht zu verehren;... denn
fie jind den Menſchen unterworfen und nicht umgelehrt. ...
Sch kenne ein altes Weib, das die Sonne eine heilige Herrin
nannte und unter Anrufung derjelben oft mit gewiffen Worten
ı) Grimm, Deutihe Mythologie 4. Aufl. Bd. Il, 595. Alle dort bei«
gebrachten Beifpiele fprechen für den entgegengejeßten Glauben, daß
man nämlid Holz bei Vollmond fällen müſſe. Iſt hier in dem
Sape si ligna secarent in plenilunio, corroderentur a vermibus ein
„non“ ausgefallen ? Vgl. jedoch auch Grimm II, 208. Bezüglich des
Säens galt der Grundſatz, dab Früchte, die über der Erde wachſen,
bei zunehmendem Monde, die unter der Erde, bei abnehmendem
Monde zu jäen jeien. Grimm I, 597. Aus eigener Erfahrung
kenne ich diefen Glauben nur bez. der Bohnen, die man im Dena,
brüdijchen teilweife (die Schaar der Gläubigen wird immer geringer)
bei wachſendem Monde zu pflanzen pflegt.
59
und einer gemwillen abergläubiihen Hantierung Segnungen
vornahm und behauptete, daß fie mehr als vier (40) Jahre
daran deglaubt und viele Krankheiten geheilt habe. Das find
Gebräude des alten Gößendienftes und heidnifche „Srrtümer....
In einem jchweren Irrtum befinden fi auch jene — e8
ind Gelehrte und Ungelebrte, ſowol Laien wie Geiftliche,
und was mehr zu bedauern ijt jogar Hohe, — die wenn
ſie zuerit den Neumond fehen, ihn fnieend anbeten jie
nehmen auch wol Hut oder Mütze ab und anbeten und ver:
ehren ihn mit gejenktem Haupte. Ja viele falten gerade am
Tage des Neumondes, jelbit wenn es ein Sonntag it, an
dem man nad kirchlichem Gebrauh wegen der Auferite-
bungsfreude nicht fajten joll, was alles nad altenı Gößen:
dienite ausjieht. Wenn jie aber faften follen, fällt es ihnen
gar nit ein.d)...
Manche Chriften halten in ihrer Einfalt auch gewiſſe
Tage und Stunden für unbheilbringend, an denen man
nicht3 unternehmen und ausführen dürfe, wie denn manche
bei einer gewiſſen Mondphaſe nicht heiraten oder ums
zieben wollen.?)... Wenn dieſe ſich raten laljen wollen,
wann es gut ilt zu heiraten, dann jage ich: wenn der
Mann eine qute und fromme Frau befommt, dann it es
gut zu heiraten. Desgleichen jage ih aud der rau:
wenn die rau einen quten Mann befommt, dann iſt es gut
’) Bal. Grimm Ill, 414. Obwol dieje beiden Fälle von der Sonnen:
und Mondverehrung jogut wie wörtlich entlehnt find, jind fie doch
für die Kenntnis des altweitfäliichen Volksglaubens nicht wertlos.
Denn Holen bat ficher nichts entlehnt, was nicht auch für feine
Heimat paßte, wie er denn auch die übrigen in feiner Quelle auge
führten abergläubiichen Gebräuche unberüdfichtigt gelaffen hat. Die
Sonnen: und Mondverehrung war gemeingermaniih. Grimm a. a. O.
Il, 26 f. II, 584 ff.
2) Schon bei Burkhard von Worms (+ 1024) heißt ed: . , novam
lunam observasti pro domo facienda aut conjugüs sociandis-
Grimm III 407. Bgl, U 595.
90
zu heiraten, wenn fie aber einen Trinker heiratet, dann ift
es böſe. Und ebenfo: wenn einer aus einem alten Hauje
in ein neues zieht, dann ift e8 gut umzuziehen, unigekehrt
aber iſt es böje.” Non tamen peccant medici et ligno-
rum incisores, ut patuit supra.
In der 35. Predigt (Vorſpruch: Non plus sapere
quam oportet sapere, Römer XII, 3) werden die verichie-
denen Verfuche der Menſchen, das Geheime und Zukünftige
zu erfahren, behandelt. !)
Die erjte Art ift die offene Anrufung des Teufels, jo
wenn jemand den Teufel beruft, fich auf einem Stemme, auf
Eifen oder in einem Spiegel oder auf Stahl zu zeigen, daß
er von einer Sungfrau gejehen werden kann, um einen
Diebjtahl oder einen Dieb zu offenbaren. Das ift unmög:
ih, e8 geht nur durh die Macht Gottes, und wenn
jemand behauptet, er habe den Teufel gezwungen, jo giebt
er ed nur vor, um zu betrügen, wie man denn aud vor
jenen Trunfenbolden Angft hat, die da vorgeben die For:
meln und Zeichen zu bejigen, um den Teufel zu bannen
und zur Antwort zu zwingen.
Die zweite Art ift die Totenbeihwörung (Nefromantie).
Um den Toten zu erweden, bringt man etwas Blut an den
Leichnam; die Dämonen jollen nämlich das Blut lieben; ja
jo oft die Beſchwörung erfolgt, wird Blut und (warmes?)
Waller gemifcht, weil durch warmes Blut die Dämonen um
jo leichter herbeigerufen werden. . . .
Die dritte Art bilden die jog. prohibitiones ab Apol-
line. Solde treiben die Bauchredner, die einen Dämon im
Leibe haben, der außerhalb desjelben Worte hervorbringt.
Die fünfte Art üben jene Zauberer, welde durch Anz
1) Vgl. im Allgemeinen zum Kolgenden Grimm 11, S63 ft. 1025 ff.
Simrod, Handbuch der deutichen Mythologie. 3. Aufl, ©. 503 f.
91
= EEE SEE
rufung den Dämon in irgend einem jichtbaren Bilde erjchei:
nen lajjen, um ihn zu befragen. ... So maden es jene
Weiber, welche den Teufel in der Geftalt eines Knaben
ericheinen laffen.... Sic nostre mulieres tenuerunt
unum manipulnm sine illius credulitatis, quia cito cre-
dunt phisonissis .. . .))
Die jehste Art ift die ars notoria, ... . die ſiebente
die Bogelihau (augurium); fie ift zweifach, indem man ji)
dabei des Gefichtes oder des Gehörs bedient. .... So hoffen
die Soldaten auf Sieg, wenn jie einen Raben fliegen jehen,
aber begegnet ihnen ein Sale, jo fallen ie in Furt und
Verzweifelung, begegnet ihnen jedoch ein Wolf, jo werden
fie froh. . . . Ich für meine Perjon möchte lieber einem
Hafen begegnen ala einem Wolfe, denn ein Haje ift wenig:
tens eßbar, ein Wolf aber nit. . . . Für ein kleines Glüd
halte ich e3, wenn mir ein Haje auf dem Felde begegnet
und davonläuft, für ein größeres würde ich es aber erachten,
wenn er mir gut zubereitet in der Schüffel unter die Augen
fäme . . . So werden auch mande froh, wenn ihnen eine
Hure begegnet, aber niedergejchlagen, wenn es ein Mönd)
iſt.) ... Hierher gehören auch jene, welche den Daumen
von einem erhenkten Diebe zu befommen juchen, um denjelben
ans Bierfaß zu legen, indem jie glauben, das Bier dann
leichter verkaufen zu fönnen ?) Wenn die Mäufe die Klei—
’) Ich vermag den Tab nicht zu überjegen; er jcheint verderbt zu jein.
2) Die Begegnung aller kampflichen (dem Siegesgott, Wodan, werden
zwei Wölfe und zwei Naben beigelegt. Grimm I, 122) Tiere hat
eine aute Vorbedeutung, währeno Hafen, Prieſter und Weiber (weil
fie unfriegeriich find) Unglüd bedeuten. Simrock a.a. D.510. Nur
die Huren machen überall eine Ausnahme Grimm, deutſche My—
thologie II, 941.
3) Diefer Aberglaube jcheint beionders in Niederdeutſchland verbreitet
geweien zu fein. Vgl. Mone, Echaufpiele des Mittelalters II, 87:
du haddest ok ens deves dumen havene henghen an de tunne,
92
—
dungsjtüde annagen, hält man das aud für ein böjes Vor—
zeihen. Es fragte einmal jemand einen vernünftigen Mann,
was e3 für eine Vorbedeutung habe, daß die Mäufe jeine
Stiefel angefreifen hätten. Dieler antwortete: darüber wun—
dere dich nicht, jehr wunderbar wäre es indes, wenn Die
Mäuje von den Stiefeln angefrejfen wären. . . .
Wenn eine Nachteule über einem Haufe jchreit, jo glaubt
man, es würde bald eine Leiche herausfommen ’); iſt es eine
Eljter, jo Ichließt man daraus auf Fremdenbejuh?) die An—
zahl der Kuffufsrufe giebt die Zahl der noch übrigen Lebens:
jahre an... .
Die zehnte Art iſt die Wahrfagerei aus den Linien in
den Händen. Aus der Geſtalt derjelben prophezeit man
unzählige Albernheiten, den einen zufünftige Krankheiten,
anderen Reichtum und Ehren, einigen Glüd, anderen Unglüd.
Die 47. Predigt des eriten Teiles Handelt über die
Beiprehungen (incantationes),. Der Vorſpruch lautet:
Omnia quecunque faecitis in verbo vel in opere, in no-
mine domini Jesu Christi facite. Ad Col. III, 47....
Es fragt fih, woher ftanımen die Segnungen und Beipre-
hungen, welche heutzutage die alten Weiber und aud manche
Männer bei den Kranken anwenden. Sie haben einen jehr
heiligen Uriprung; jchon die Apoftel und die Heiligen beil-
ten die Kranten durch Handauflegung und Gebet u. ſ. w.
Aber jet haben abergläubige Menſchen aus Antrieb des
Teufels viel Thörichtes und Unerlaubtes erfunden, das jie
bei Menjchen und Vieh anwenden; es ilt alles betrügerijch
und gegen den katholiſchen Glauben. ?)
Alle Briefhen, die unbefaunte Zeichen und abergläu-
biſche Worte enthalten, find unerlaubt und verdammenswert.
) Val. Grimm II, 950.
?) Eollte mit diefem Glauben die Bezeichnung der Eliter als Frau Ave
in der flandrijchen Tierjprache aufammenhangen? Val. Grimm II, 562,
>) Dal. S. 90 Anmerkung.
93
Viele tragen derartige Briefchen mit vielen Zeichen und un-
befannten Worten am Halje oder in der Börje und glauben,
wenn jie diejelben trügen, würden jie nicht verbrennen oder
ertrinfen oder gehängt oder von den Feinden gefangen ge:
nommen werden; ja auch die Liebe der Frauen glauben fie
jih dadurch erwerben zu können. ... Ich fenne eine Frau,
die an den Augen litt und deshalb zu einer Schule ging,
um ſich von einem Schüler einen Brief gegen das Übel
ichreiben zu laſſen. Einer gab vor die Kunjt zu verftehen,
ichrieb ihr einen Brief, machte einen Umſchlag darum und
verbot ihr denjelben zu öffnen. Die Frau trug ihn und
wurde gejund. Endlich mwollte fie den Inhalt des Briefes
und die Kraft der Worte willen, öffnete ihn und ließ ihn
leien: es waren unbefannte Worte und undeutbare Zeichen,
und zum Schluffe jtand: „Diabolus tibi eruat oculos et
proiiciat te in lutum.* Sie war duch den Teufel ge:
heilt... In der Apoftelgeichichte fteht, daß die Neubekehrten
die verderblihen Bücher verbrannt hätten, aber heute, Gott
jei es gellagt! kaufen viele Chriften folche Fabelbücher Lieber
als vernünftige geiltlihe und weltliche Schriften. Ich habe
von jemand gehört, dab einer ein magifches Buch um
100 Gulden verkaufen wollte, und es hat wirklich jemand
gekauft .. .
Ich habe eine Frau gekannt, die zwei ſich im Geheimen
Liebende auseinanderbringen wollte, wofür fie bezahlt werden
jollte. Sie jchrieb in zwei Briefen unbekannte Zeichen und
einige Worte, und gab fie den beiden zu tragen, aber es
erfolgte feine Trennung. Da jchrieb jie ebendafjelbe in
Speichel oder Salz und gab es ihnen zu efjen!), aber aud)
ohne Erfolg. Endlich nahm fie ein Schwarzes Huhn?), teilte
’) Epeichel ſowol wie Salz find uralte Zaubermittel. Grimm II, 874 f.
Simrof 218 f.
2) Über die mythologiiche Bedeutung des ſchwarzen Hahnes vol. Wolf,
es in zwei gleiche Teile, opferte den einen dem Teufel und
ließ die beiden Liebenden den andern verzehren. Da ent:
ftand ein folder Haß zmwilchen den beiden, daß jie jich nicht
mehr jehen konnten. Woher kam es anders, als daß der
Teufel nun fein Opfer hatte? ...
Auch trägt man am Halſe oder im Ninge fTräftige
Kräuter und Steine; das mag geihehen, wenn ich fein
Aberglaube beimiicht, denn mande haben eine gewiſſe Kraft,
wenn e3 auch viel weniger find al3 man glaubt. Wenn
man aber jagt, man müfje die Kräuter mit einem ſilbernen
oder goldenen Ringe, etwa während der Meſſe, pflüden, an:
ders hätten fie feine Kraft, jo ift das Aberglaube. ... In
Alemannien pflegen die Leute in der Mittſommerwoche Arte—
miſia zu tragen, ich habe nicht gelejen wogegen; es joll
aber gegen den Stich ich weiß nicht welchen Käfers oder
Wurmes geichehen, die den Geruch der Pflanze von Natur
nicht vertragen fünnen. Wenn aber von den alten Weibern
davon irgend ein zufälliger Erfolg propbezeiht wird, jo iſt
jenes Tragen Aberglaube. ... In unſerer Zeit treiben
die Wahrjagerinnen viel Aberglauben, indem jie gegen Die
Krankheiten der Menjchen geheime Zeichen, Worte und Gere:
monien anmenden. So mejlen manche alte Weiber den
Kopf des stranfen mit einem Gürtel oder mit einem unge
fnoteten Faden, wobei fie dem Kranfen ins Ohr jagen:
„Die Hige bedarf nicht des Heizens, das Bier nicht des
Trinkens“, oder andern Unjinn und Aberglauben treiben. ')
Beiträge zur deutjchen Mythologie II, 439. Im Albthale jaat
man: ‚Eine ſchwarze Kate, ein jchwarzer Hahn ziehn alle Herereien
an. Schwarze Hühner waren Xeufelsopfer. Grimm II, 8343. Wie
mir Herr Dr. Lugge mitteilt, it im Veſt Nedlinghaujfen (Datteln,
Buer u. ſ. w.) ein Mittel gegen die Gelbſucht üblid), welches im
Weſentlichen darauf hinausläuft, da; man Hafer in dad Waſſer des
Kranken legt und ihm dann von ſchwarzen Hühnern frejjen läßt.
1) Dad Meſſen des Kranken ift uralt. Vgl. Grimm a. a. DO. II, 974,
95
Bei Kopfichmerzen eſſen oder berühren manche nicht den
Kopf von Bieh und Fiih. Gegen Zahnichmerzen berühren
fie die Zähne mit dem Zahne eines Erhenkten oder jonjtigen
Toten, oder fie legen, während Samstags die Gloden ge
läutet werden !), Eijen zwiſchen die Zähne, oder jie neh:
men einen Stein aus einem fließenden Wajjer, heben ihn
mit dem Munde auf und tragen ihn jchweigend nad) Hauie.
Grüßt jie jemand, jo danken fie nicht, da jie glauben, es
würde ihnen nichts nugen, wenn fie ein Wort jprächen. 2)
Und fie legen den Stein an einen trodenen Ort und glau-
ben, jolange fein Waſſer oder Regen daran käme, würden
ihnen die Zähne nicht weh thun. Gegen Gicht trägt man
Ninge, die während der Leſung der Paſſion gegofjen
find. Gegen Katarrh treiben fie Zauberei mit einem Meſſer—
hen, das einen jchwarzen Griff hat. Gegen das Lendenübel
neigt ſich der Kranke nach vorn zur Erde, als wollte er den
Teufel anbeten. Eine Frau, die zwei Söhne auf einmal
geboren hat, ſtampft dreimal mit den Füßen ihre Schwelle
und jagt dazwilchen gewiſſen Unjinn. Wer vermag es zu
jagen, welche Tollheiten man gegen den Milchmangel ge:
braucht? Gegen böje Brüfte reiten einige im Mondſchein
auf Kühen, andere auf Efelinnen. Gegen Würmer, nament:
lich bei Kindern, jchreibt man über dem Leibe des Kranken
etwas auf Blei oder Perganıent, bindet ein Haar von einer
Jungfrau darum und wirft es ins Wafjer. Gegen Fußübel
zählt man mit dem Fuße die Steine einer Mauer, wobei
man den Fuß gegen die Mauer aufhebt und die Kniee Füßt.
Gegen Fieber läßt man bejchriebene Blätter, Apfel oder
Dblaten nüchtern efjen?). Gegen Schwäche bei Kindern läßt
1) Heren haſſen die Gloden, deren Geläute gegen Zauber heilkräftig it.
Grimm Il, 908.
2) Bol. Grimm II, 923.
2) Bol. Zeitjchrift für deutjche Mythologie I, ©. 6.
man dieſe durch hohle Eihbäume gehen‘). Gegen Beherungen
bläjt man mit einem Blajebalg, den jemand redtlich geerbt
hat. Wenn das den Kindern helfen könnte, follte man alle
Bälge aus den Orgeln reißen!?) Gegen die Falljucht ftellt
man 12 Kerzenleuchter auf zur Bezeichnung der 12 Apoftel,
und wie der Kranke getauft ift im Namen Chrifti, wird er
dann wiedergetauft inı Namen des Teufels; und man ändert
jeinen Taufnamen und legt ihm den‘ Namen des Apoftels
bei, zu deſſen Ehre eine Kerze angezündet iſt. Ferner wenn
ein Kranker nicht zum Sterben fommen kann, hängen fie das
Bett oben ganz zu(?), heben ihn davon?) und jagen, es befinde
ih darin die Feder eines gemwillen Vogels, die ihn nicht
jterben laſſe); aber jo töten fie ihn. Quidam etiam con-
servant pelliculam, cum qua ortus est puer, quod
horrendum est audire. Illam maledietam carnem et
pellem baptizari faciunt et iniungi unetione sacramen-
tali, cum qua multa horrenda faeiuut. Unzählige und
unglaubliche Thorheiten treiben die Weiber bei der Nieder:
funft. Einige vertreiben die Naben in dem Glauben, es
jeien Unholden (dianas) >) u. ſ. w. Wer kann die Thorheiten
!) Die Sitte war allgemein verbreitet und hat fich jtellenweije bis in
die Neuzeit erhalten. Bgl. Grimm II, 976 rt.
2) Kinder werden durch den Hauch von Hexen bezaubert; den Hauch
ſuchte man durch Blaſen wieder zu vertreiben.
*) . .. eooperiunt tectum supra eum, levant eum de illo lecto,.
Aus dem illo geht hervor, dal teetum jt. lectum verdrudt iſt.
4) Bettitopfen fordert abnehmendes Licht, „gleichſam um die gerupften
Federn vollends zu ertöten und zur Raſt zu bringen“. Grimm IT, 596.
Im Lingenjchen ift der Aberglaube noch jehr verbreitet, daß geballte
Federn im Bette Beherungen anzeigen. Sch habe dort bei einem
Paſtor eine Anzahl folcher merfwürdiger (eiförmiger) Bälle gejehen
weldie die Bauern in den Betten der Kranken gefunden und ihm
aebracht hatten, um ihn zur Entzauberung zu veranlafien.
9) Zauberinnen verwandeln fich gerne in Katen. „Eine zwanzigjährige
Nabe wird zur Here, eine hundertjährige Here wieder zur Rate.“
Srimm II, 918 vgl. II, 778,
97
alle aufzählen, die man gegen die Krankheiten der Augen,
Ohren und Naje anwendet, die alle aus dem alten Götzen—
dienfte herrühren und von den böjen Geiltern erfunden
ind. ... Ich habe von einem jehr erfahrenen Arzte gehört,
daß er einen Mann, dem das Schienbein in Eiterung über:
gegangen war, in feiner Weife habe heilen können, was er
auch für Mittel angewandt habe. Nachdem er entlaffen jei,
habe man ein altes Weib geholt, das allein mit ihren Be-
iprehungen den Teufel beſchworen habe, jo daß er aus dem
Schenkel heraus geantwortet und gejagt habe, er jei dort
der fünfte und fünne nur durch die Kunit eines alten Weibes
ausgetrieben werden; und fie trieb die Dämonen aus und
beilte das Bein. Weshalb that der Teufel das anders als
um das Weib in feiner Gottlofigfeit zu beftärfen? ...
XLVII. 1. 7
IV:
Mönstersche Inquisitio,
ein 1583 nächtliher Weile in Münfter verbreitetes Bud.
Von
Cuſtos Dr. P. Bahlmann.
Te
Das für die Neformation der fatholiihen Kirche jo bedeu—
tungsvolle Trienter Concil (1545—1563) hatte aud ein-
zelne wichtige Beitimmungen über die ſchon von Alters ber
bejtehenden, aber faft ganz in Vergeſſenheit gerathenen Kir—
henvititationen getroffen und deren Vornahme den Biihöfen
aufs Neue eingeichärft. Bei den befannten damaligen Fird)-
lihen Zuständen war es vorauszufehen, daß die Durchfüh—
rung der verlangten Maßregeln bei einem großen Theil des
Glerus auf heftigen Widerſtand ftoßen würde. Im Bistyum
Miünfter vermochte der derzeitige Biſchof Bernhard von Raes—
feld ihm erfolgreich nicht zu begegnen und als ein Breve !)
des Bapftes Pius V. vom 13. Juni 1566 die PBifitation
nochmals eindringlich verlangte, fam er auf jeinen bereits
2 Jahr vorher geäußerten?) Wunſch zurüd und rejignirte
am 25. October deilelben Jahrs. Sein Nachfolger Jo—
hann I1.?) aber, von dem ernitlihen Willen bejeelt, den
eingerillenen Uebelſtänden abzuhelfen, begann jofort nach
1) Keller, Gegenreformation in Weſtfalen (Publicat. aud d. Preuß.
Staatsardhiven. Bd. IX). Leipzig 1881: Actenſt. Nr. 264.
9 ibid., Actenſt. Nr. 2567.
9) Graf von Hoya, bereits jeit 1553 Biſchof von Osnabrück und von
1568 auch Bilchof von Paderborn.
99
jeinem Regierungsantritte einzufchreiten. Schon im Januar
1567 entworfen, erihien 1569 das Gapitular: Statut des
Domcapitels,!) das unter anderem auch eine jährlich zwei:
malige PVilitation der Arhidiafonate vorſchrieb; der 1. Juli
1571 endlich bradte das Commiſſorium und die Inſtruktion
für eine allgemeine Kirchenvilitation 2). Durch diejes Dekret
wurde eine Commiſſion ernannt, die „iuxta Tridentini
Conceilii et Sacrorum Canonum decreta et praescriptam
. ...„ formulam visitandi“ 3) den Zuſtand aller geiltlichen
Inſtitute und Güter, ſowie der Seeljorger und Gemeinden
in der Stadt und Diözefe Müniter genau erforjchen und
den Befund durch bejondere Notare ausführlich aufzeichnen
laſſen ſollte. Am 9. September 1573 (nidht 1572) war
die Bifitation, die am 16. Auguft 1571 begonnen, been:
det; doch der baldige Tod des Biſchofs (T 5. April 1574)
und der darauf entbrennende Wahljtreit verhinderten vor:
läufig die Weiterführung der beabfichtigten Reformen, für
die eine geeignete Zeit erit nach der nochmaligen Leber:
nahme der Adminijtration des Bistums durch den Herzog
Zohann Wilhelm von Eleve (11. Mai 1580) und der Er:
nennung Gottfrieds von Mierlot) zum Weihbifchof (7. April
1582) wieder gelommen war. Auf Anregung des Dom:
capitel3®) beauftragte denn auch Johann Wilhelm im No:
vember 1582 den MWeihbiihof und feinen Vicar Lorenz
Fabritius 6) die Vilitationsacten von dem Siegler zu fordern,
— — — —ü—
») Keller l. c. Actenſt. Nr. 275.
2) Keller I. c. Xctenjt. Nr. 286.
2) cf, pag. 102f. diejer Abhandlung.
*) Ueber ihn vergl: Tibus, Geſchichtliche Nachrichten über die Weih—
biichöfe von Münſter. Münfter 1862 pag. 128 ff. und Nachtr. in
diefer Zeitichr. Bd. 40 I. pag 187 f.
5) Keller I. c. Actenft. Nr. 508—513.
°) Sebürtig aus Uerdingen (Rgbz. Düffeldorf), Dr. theol., famı 1582
mit Empfehlungsichreiben des Papſtes und einiger Cardinäle von
*
7 *
100
unter Zuziehung der früheren Bijitatoren !) und des Sieg:
lers als Vicarii in spiritualibus darüber zu referiren und
über die zu treffenden Maßnahmen Borichläge zu machen. ?)
Kein Wunder, daß and die Thätigfeit der Gegner ſich von
Neuem zu regen begann. In der legten Hälfte des Jahres
1583 erſchien:
Mönfterfhe Inquisitio,
Dat ih:
Veer und Vöfftich || Frageartidel uth den Concilio tho
Trent || genamen, etlifer mate unnütte, kindiſch, när-
rüch: Thom dele heylloß und vull Gadeslajtere, dar:
mit in negejt vorlopen tein Ja- ren de Paſtoren
und Kerdendener, jo des Evangelij halven vorded)-
tih | weren, up er Eedt tho antworten gedrun—
gen jint. Alle vam Rö- miſchen Wedderdrijt dar-
hen gerichtet, dat des Sa= || tand Synagoge, Chrifto
Jeſu und jynem || Ayfe tho wedderen, des ordes er-
holden werden.
Sampt einfoldige Schrifftmetige anwort | und gründt-
lide Wedderlegginge derjülven, den || framen und Godt$-
früchtigen darſülveſt tho || denfte geftellet dörch einen
Lehfheb- || ber der Wahrheit.
I. Timoth. 6. 3. 6.
[Bolgt V. 3—5 des 6. Cap. in 7 Zeilen].
Anno M. D. LXXXIII.
die Gebhardi Epis.®) den 27. Augusti,
56 Bl. 4° Sign. Aij — Niiij; Pag. 9—107; Goth. (nur vereinzelt Tat.
Typen; mit Guftoden.
Rom nad Eleve (cf. Keller I. e. Actenft. Nr. 507), wurde Caplan
des Adminiftrators in Müniter, jpäter Pfarrer von St. Alban und
Domherr zu Cöln, 1588 Weihbiſchof daſ.; ftarb am 22. Juli 1600.
1) Domprediger Nicolaus von Steinlage, Dechant Eberwin Drojte zu
St. Martini, Paftor Gaspar Modewid zu St. Yamberti und De-
hant Michael Ruperti zu Ueberwaſſer.
7) Keller 1. e. Actenſt. Nr. 514.
2) St. Gebhard II., Biſchof von Konftanz, geb. 949, geft. 996.
101
Sn der „Allen Godtjaligen und framen Ledtmaten,
VBorwandten und ngejetenen des löflifen Stiftes Mönjter‘‘
gewidmeten VBorrede!) giebt der ungenannte Autor der Ber:
wunderung Ausdrud, daß die Chriſten in jo viele Secten
getheilt jind: „So doh men ein Chriftus und Middeler
ſy und nichts jtarder als de Warheit, welder ik Gabes
wordt in hilliger Bybliiher Schrifft vorvatet, blivende wann
Hemmeli und Erde vorgahn.‘ Erklären lafje jich dieje Er-
icheinung dur die Verführung des Satans, den angebore-
nen Unveritand der Menſchen und dadurh, daß Gott die
Welt mit Blindheit ſchlage und die Seinen verfudhe, um
ihre Liebe zu erproben; doch jeien auch die Menschen ſelbſt
nicht ohne Schuld, denn die Propheten lehrten falſch, Die
Prieſter berrichten und die Laien wollten es nicht anders
haben: ?)
„Thom eriten jeggen je: De Kerde fan nicht jrren.
Thom andern jehn je up lange gewanheit und olden
gebrud.
Thom drüdden: je hebben ein mal gedantzet und alle
luft tho den Reye ſy em entfallen.
— Bugleih eine Anſpielung auf den Kölner Erzbiſchof Geb—
hard II. Truchie von Waldburg, der am 16. San. 1585 im jeiner
„ichriſtlichen Erklärung in Religionsſachen“ jeinen Mebertritt zur
evangeliichen Kirche verfündete und deihalb, jowie wegen jeiner am
2. Febr. 1583 vollgogenen Trauung mit der Gräfin Agnes von
Mansfeld durch die Bulle des Papſtes Gregor XII. vom 1. April
1583 ercommumiciert und des Erzbistums verluitig erflärt wurde.
(Bergl. Fabritius, Gegenberiht pag. 75).
Eine wörtlihe Wiedergabe der DVorrede, mit Ausnahme der Leber:
ichrift und des legten, die 54 Frageartikel ermähnenden Abjchnittes
erhält man durch Untereinanderitellung der in des Fabritius Gegen:
bericht mit „Fledermauß“ überfchriebenen und geſperrt gedrudten
Stellen auf pag. 78; 144; 155 ff., 170 f.; 228; 231 ff.; 248;
250 f.; 264 f.: 279 f.; 291; 297 f.; 308; 357; 416; 481; 488;
441 f.; 451 f.: 462 ff.
?) Vergl. Seremias, cap. 5 v, 51.
—
102
Thom verden: fe jpegelen jid an ander lüde Erempel,
denn idt mit dem Evangelio nicht wol geraden jy.
Thom vöfften then je an de olden guden tydt, darinne
grote Leve, rede, Wolfelinge und alles vullup ge:
weien jy, dewyle men vaftede, Bedevarth gind,
Mille hörede, de Hilligen drod.
Thom ſöſten vören je gemeiniglid deffe worde im munde:
Scholden de alle verloren ſyn, de od jo gedhan
hebben?“
Nachdem dann der Verfaſſer jeden dieſer ſechs Punkte be—
ſonders beſprochen, fährt er fort: „So hebbe gy nu, Godt—
ſalige und frame Bröder in Chriſto, de 54 Artickel der
Antichriſtiſchen Inquiſitien in Düdiſche Sprake uprichtich
avergeſettet und mit einfoldiger, doch Schrifftmetiger Ant—
wort !) beſchedenlick wedderlecht . . .“ Die nun folgenden
54 Frageartikel ſind den beiden erſten Abſchnitten der dem
Commissorium Johann's von Hoya beigegebenen Formula
visitandi entnommen und von den an die Pfarrer und
übrigen Geiſtlichen zu richtenden 84 Fragen über den Glau—
ben, die Lehre und die amtlichen Pflichten (Form. visit. I.)
und den 12 Fragen über ihr Leben und ihre Sitten (Form.
visit. II.) diejenigen ausgewählt, die dem Schreiber der
Inquisitio zur Erreichung ſeines Zmwedes am geeignetiten
erihienen. In wie weit der ihm von Kabritius in dem
weiter unten erwähnten „Gegenbericht“ (BI. 6: Vorrede
an den Leſer) gemachte Vorwurf, dab er die 54 Artikel
„verteutſchet und felichlich verferet bat, damit die einfeltige
Leyen und Ungelehrten wider die Geiltlihen und der Obrig—
feit zur Auffrhur und jchedliches Verderben erwedet und ge:
ſetzt möchten werden‘ zutrifft, ergiebt am deutlichiten die
sn
!) Diele hinter den einzelnen Artiteln jtehenden ‚Antworten‘ Fönuen
ihrer rein theologiichen Bedeutung halber hier ganz übergangen werden.
103
Vergleihung mit dem Original, weßhalb wir nachſtehend!)
den einzelnen Artileln die urfprünglide Form?) beigefügt
haben. Wir glaubten dies um jo eher thun zu jollen, weil
bisher von ber Formula nur der von Hüjing?) aus dem
Nachlaſſe des Domdechanten Dr. Krabbe mitgetheilte Auszug
befannt war und wir uns die vollftändige Wiedergabe der
insgefammt c. 300 Fragen enthaltenden Inſtruction ihres
Umfanges wegen für eine befondere Bublication vorbehalten
müſſen. Es lautet:
Art. 1. Wath des Paſtors Name und Thoname ſy,
und wo olt. Offt he ehelich edder unehelich geborn ſy.
Und ſo he unechte, efft he den ock aver ſynen geborthman—
gel eyne Dispensation hebbe, und dat he de thom ſchyne
bringe.
Quod sit istorum [seil. clericorum] nomen et euius sint
aetatis, An legitimi vel illegitimi nati. Et illegitimi, an super de-
fectu natalium habeant dispensationem, atque ut eam ostendant. (II, 1)
Art. 2. Wor und van welden Wielbiffjhoppe men ge:
wyet jy: offt men od geeraminert und thogelaten alle or:
den edder Wyinge, jo wol de Elenen al3 de groten up vor:
icheiden, doch dartho beftempten tyden entfangen, edder de:
1) Bon den dort in Klammern ftehenden Zahlen bezeichnet die römiſche
den Abichnitt, die arabifche die Nummer der Frage in der Formula,
ein ev, hinzugefügtes a oder b den eriten oder zweiten Theil der be-
treffenden Frage.
2) Nach zwei im General-PVicariatsardiv und in der Rönigl. Paul.
Bibliothek zu Münfter befindlichen Abjchriften.
Der Kampf um die Eatholifche Neligion im Bisſsthum Münſter.
Münfter 1883 pag. 89 ff. — Die von Tibus I. e. pag. 95 ff. mit-
getheilten „‚Interrogata“ find die Tragen 6, 7, 24b, 25—30,
32—37 u. 41—64 des Abſchn. V. der Formula: „Inquirenda in
collegiatis ac aliis ecclesiis, in quibus Praepositi, Decani aut
Pastores pluribus Vicariis praesunt.“ Dagegen deden fih nicht
mit der «ormula Diefamp’s „Interrogata in collegiatis nobilium
virginum“ (diefe Zeitſchr. Bd. 42 I. pag. 173 ff.).
3
—
104
fulven heimlich, vorftolener wyje nad, buten gebürliche tibt
up ein mal befomen hebbe, und aver bat alle Dispensation
od gudt formlich bewyß darvan vorbringen könne ?
Ubi et a quo Episcopo sint ordinati; utrum examinati et
admissi, tam minores quam maiores ordines successive statis tem-
poribus acceperint, an vero furtim et per saltum aut etiam extra
tempora: et an ad hoc habuerint dispensationem, ut super his omni-
bus tam formatas, quam etiam dispensationes ostendant. (II, 2)
Art. 3. Offt men ein recht Paſtor ſy und einen rech:
metigen bejitt und Collation bebbe, und van wen, unb
Dat men ydt bemyje.
An sint veri Pastores et canonicam habeant institutionem.
et a quo illam habeant, et ut eam ostendant. (Il, 3)
Art. 4. Edder jo men ein Surlind ſy, dat dan de
rechte Paftor namkundich gemafet werde. Item, offt men
od van Archediafen thogelaten ſy und ein ehrlid under:
holt hebbe?
Quod si sint vicecurati, quisnam verus sit Pastor. An ab
Archidiacono seu ÖOrdinario sint probati et admissi et an habeant
tantum, ut honeste sustentari possint? (II, 4)
Art. 5. Off men od ein Monnid geweien, de Kappen
verlaten und ein Apostata, dat if abfelliger, geworden ſy?
An alibi professi fnerint Monachatum et relicto habitu
facti sint Apostatae? (II, 5)
Art. 6. Efft men alle dage ſyne Tyde leſe, als idt
ſick geböret ?
An singulis diebus horas canonicas soleant legere, prout
tenentur, atque ut Breviarium suum ostendant. (Il, 6)
Art. 7. Efft men od eine Concubinen edder Ehe:
frowen tho Huß hebbe, wol je thofamen gegeven hebbe?
Wo vele finder men darmede hebbe, und wohr fe gebarn
fin. Efft men od mehr als eine Concubinen edder Frou:
wen hebbe?
An concubinam domi detineant aut aliam mulierem, quam
sibi fortassis de facto matrimonialiter copulari fecerint, et quis eos
coniuxerit. Quot habeant proles, Et an plnres habeant seu habue-
rint concubinas? (II, 7)
105
Art. 8. Dfft men od preiterlife fleder drage und eine
beiharen platten hebbe?
An vestes, nee non tonsuram seu coronam ferre soleant
elericalem, et quoties eam quotannis tonderi curent. Et an longam
hispidamqne barbam consueverint alere? (Il, 8)
Art. 9. Efft men od de H. Bybel Hebbe, als olt und
nye Teitament, und wat vor eine averjettinge?
Utrum habeant sacra Biblia, vetus videlicet et novum Te-
stamentum, et ex cwius editione seu versione? (I, 44)
Art. 10. Efft men in egener perſon up de Sondage
und Feſte de Evangelien und Epiftolen deme volde und be-
valen Schäpfen uthlegge, und wat vor eine Boltillen men
dartho gebrufe?
An ipsi per se diebus dominicis et festivis populo Kvan-
gelia et Epistolas expliecent orthodoxe et sincere et quorum exposi-
tiones, Postillas et Homilias in expositione eorundem sequantur? (1,45)
Art. 11. Efft men lere und befenne den Geloven und
de Religion, welchern de hillige Gatholiihe, Nechtgelövige,
Apoſtoliſche Römiſche Kerde befent?
An credant ea omnia, quae continentur in Symbolo Apo-
stolico, et in eo symbolo fidei, quo sancta catholica orthodoxa et
Apostolica Romana Eeclesia utitur, quodque in Missae officio legi
seu decantari consuevit? (I, 1)
Art. 12. Efft men od de warbeit des Katholischen
Gelovens von aller Ketter bedroch wete tho unterfcheiden,
und wo? Und dat men int gemein darup antworte.
Art. 15. Efft man od vorſtha, wat warhafftich und
egentlif Gatholiich ſy?)
Art. 14. Efft man od gelöve, dat de warheit des Ca—
tholiihen Glovens jampt underwyſinge van tucht und chrilt:
liken wandel nicht allene im gejchrevenen worde Gades, als
im olden und nyen Teftament, junder od in Sattingen der
Catholiſchen Kerden, als im ungejchrevenen mworde Gades
ingevatet und begrepen ſy?
2) Die in Art. 12 u. 13 geftellten Fragen fehlen in der Formula.
106
An credant veritatem fidei ac diseiplınam vitae christianae
non tantum in veteri et novo testamento tamquam seripto Dei verbo,
sed etiam in traditionibus tamquam verbo Dei non scripto ınagna ex
parte contineri .. .? (I, 2)
Art. 15. Demwyle de H. Schrifft van den einen jüs,
van den andern jo, na eines jtlilen meninge werde uth-
gelacht, dat jdt na den gemenen jpridwordt leider war ſy:
fo manch minſche, jo mannich finn. MWelden voritandt der
H. Schrifft men dann vor recht holde? Und efft idt nicht
allene de ſy, den de Gatholiihe, Apoftoliiche, Römische Kerde
alle tydt geholden hefft und noch holde?
An sentiant eum tantum modo verum esse sacrae serip-
turae intelleetum, quem Catholica et Apostolica Romana Ecelesia
semper tenuit et tenet? il, 4a)
Art. 16. Efft men od gelöve, dat idt der ferden al—
leine, und nenen bejundern menſchen gehöre, vam redten
voritandt und uthleginge der H. Schrifft tho ordelen und
jo wat tmwivelhafft3 in gelovens und Religionsſaken vörvelle,
tho jlichten ?
[An sentiant] quod dumtaxat ad illam ([seil. Catholicam
Ecelesiam] pertineat de vero sensu et interpretatione sacrarum seriptu-
rarum iudicare ac dubia circa fidem et religionem oborta deeidere
nec esse illud cuiusvis privati hominis? (I, 4b)
Art. 17. Efft men od alle Böke der H. Schrifft durch
uth, de van der Kerden vor recht erkant fint, auneme: ins
junderheit der Machabeer Böfe im olden, und S. Jacobs
Epiftolen und Apenbaringe Joh. im nyen Tejtamente?
An recipiant omnes tam veteris quam novi Testamenti
libros integre, prout in vulgata veteri editione habentur et ab Ee-
clesia pro Canonieis recepti sunt, et qui sint isti. Et praesertim
an recipiant libros Machabeorum, Epistolam D. Tacobi, Apocalipsim
Sancti loannis? (I, 3)
Art. 18. Efft men vor recht und war holde de jen-
tentie und meninge der Kerden, dar je idt mit ©. Jacob
darvor belt, dat de gelove ane gude werde dodt ſy, und
dat de gelove nicht allene rechtferdich make?
107
Utrum eredant ,„.... veram esse sententiam Ecelesiae, quae
cum beato lacobo Apostolo asserit: fidem sine operibus mortuam et
fidem solam sine operibus non iustificare? (I, 17)
Art. 19. Efft man idt od darvör holde, dat derjennen
lehr und meninge godtloß jy, de dar vörgeven, dat aller
gelövigen gude werde jünde fon und nenerley wyß thor
jalihheit nödich: darjegen averft der Kerden lehr gejunt und
recht, dar geleret wert, dat de guden werde der gelövigen,
de in Chriſto weddergebaren in hilliheit und gerechticheit
wanderen, Gade angeneme iyn und dat ewige levendt
vordenen ?
Anne sentiant impiam eorum esse sententiam, qui omnia
etiam fidelium bona opera peccata esse affırmant, sanam autem et
rectam csse doetrinam Eeclesiae, qua dieitur: Bona fidelium opera,
qui in Christo renati in sanetitate et iustitia ambulant, Deo grata
esse ac vitae etiam aeternae meritoria ,„....? (I, 18)
Art. 20. Efft men od vaſte gelöve, dat wowol Ehri:
ſtus vor alle geflörven, dennoch nicht alle de woldath ſynes
Dodes und lidens entfangen. Und dat na den geapenbar:
den Evangelio allen, de gerechtferdiget vam jtande des
torne Gades, darinne je van wegen des valle8 Adams ge:
barn jint, in den jtandt der gnaden und ermwelinge ber
finder Gades avergefatt und des ewigen levendes deel—
bafftidy werden willen, allerdinge nödih ſy vor allen, dat
je dörch de Döpe, dat bat der Weddergeborth, Chrifto und
der Kerden ingelivet werden: Darnegeft dat je im rechten
geloven, Höpeninge und Leve, dörch gemeinſchop der Sa—
cramenten chriftlider Herden und dörch holdinge der Gebade
Gades godtjalih und rechtferdig levende, beth an dat ende
beitendich bliven ?
An firmiter credant, quod tametsi Christus pro omnibus
sit mortuus non tamen omnes mortis ac passionis eius beneficium
recipiant; et quod post promulgatum Evangelium omnibus, qui iusti-
ficari et a statu irae, in quo nati sunt, in statum gratiae ac adop-
tionis filiorum Dei transferri atque adeo aeternam vitam consequi
velint, necessarium omnino sit, ut primum omnium per baptismum,
108
regenerationis lavacrum, Christo et Ecclesiae inserantur ac deinde
in sincera fide, spe et charitate per sacramentorum Ecelesiae com-
mimionem ac mandatorum Dei observationem pie et iuste vivendo
au Anem usque perseverent? (I, 8)
.—
Art. 21. Efft men gelöve dat im nyen Tejtamente
jüven ware egentlife Sacramenta jyn, und dat nicht mehr
noch min jchölen angenamen werden ?
Utrum eredant septem esse novae legıs seu Evangelii vera
ac propria sacramenta nec plura aut pauciora recipi debere eaque
a sacramentis veteris legis longe lateque diversa esse? (I, 10)
Art. 22. Dfft men od gelöve, dat dejülven Sacra—
menta van Chriſto jngejettet, den menſchliken gejlechte
(wowol nicht alle einem jtlichen) thor jalicheit nödich ſyn.
Und dat ein jtlid buten fichtbaren tefen eine ſunderlike frafft
in jid Gebbe, de geichender werde allen, jo fi ſülven nene
hinderniſſe leggen ?
An eredant illa ipsa sacramenta a Christo instituta ad
humani generis salutem (licet non omnia singulis) necessaria esse,
et unum quodque praeter visibile signum specialem gratiam in se
eontinere et his, qui impedimentum non ponunt, couferre? (], 11)
Art. 23. Efft men od de wyje und Geremonien, de
van der Kerden angenamen, und in gemwönlifer bedeninge
der Sacramenten gebrüdlid fyn, underholde ?
An fateantur receptos Eeclesiae ritus, in solenni sacra-
mentorum observatione adhiberi solitos, sine peccato et haeresis nota
contemni, reiici aut pro euiuscunque libitu mutari vel etiam lingua
germanica translatos exerceri non posse? (I, 12)
Urt. 24. Erft men ſülveſt de Döpe up rechte tydt na
gewanbheit der Kercken plege jegenen, und od dat H. Sa:
crament der Döpe na uthwyſinge der Kerdenagende, ſampt
allen wyjen und Geremonien in der Kerden gewönlid plege
bedenen, edder efft men wat vorandert hebbe?
An soleant ipsi fontem Baptismi statutis temporibus iuxta
Eccelesiae consuetudinem benedicere atque etiam sacramentum Bap-
tismi secundum| Agendam ecclesiasticam, adhibitis omnibus ritibns
et ceremoniis in Ecclesia catholica hactenus observari consuetis ad-
ministrare, an vero aliquid mutaverint? (I, 50)
109
Art. 25. Efft men od in jonem Kerjpel Wedderdöper
bebbe, edder andere de nit von deſſen Satramente recht
holden und ere Kinder edder gan nicht döpen, edder an:
derswor und up eine ander wyſe döpen laten, als der Ker—
den gewanheit mit ſick bringet?
An sint ipsorum inter Parochianos Anabaptistae et impie
de hoc sacramento sentientes, et qui infantes non curent, aut alibi
et aliter baptizari faciant, quam consuetudo Ecelesiae patitur, an
tales corrigant, aut saltem superioribus corrigendos denuncient? (I, 53)
Art. 26. Efft men gelöve, dat dörd dat Sacrament
der Bermelinge de billige Geiſt gegeven werde, den geloven
tho jterden, erholden und vormehren. Und dat dith Sakra—
mente van den olden, de idt befamen könen, ane grote
jünde nicht köne verachtet werden?
Utrum credant baptizatis per sacramentum Confirmationis
dari spiritum sanetum ad robur, tutelam et incerementum fidei, neque
posse hoe sacramentum ab adultis, qui eius copiam habere possunt»
sine gravi peccato eontemni? (I, 19)
Art. 27. Efft men od vaken ſülveſt, infunderheit des
Sondages und up de Feite, vormöge der Fundation, dat
Dffer der billigen Miſſen bolden ?
Utrum ipsi sacrifieium Missae frequenter, praesertim vero
diebus dominieis et festivis, atque alias seecundum fundationem suo-
rum beneficiorum celebrare soleant? (I, 54)
Art. 28. Efft men od mit Miffeholden, ane alle vor:
anderinge, als affnemen und thojetten, de Gatholiiche wyje
und gewanheit genglid holde: Und offt men od den Canon
gang edder dar wat uthe late, und aljo verjtücdet leſe?
An in celebranda Missa morem ac ritum catholicum
omnino sequantur, nullo addito, detracto vel immutato; an etiam
Canonem integre legant, an vero eundem omittant, sen mutilatum
legant? (I, 55)
Art. 29. Efft men od gelöve, dat de Miſſe ein Offer
jy vor de levendigen und doden, vor dat gude tho erlangen
und dat böje aff tho wenden, und vor alle nodtjafen recht
angewendet werde. Und dat nichts im ampte der Miffe
110
nod in den Ganone begrepen ſy, weld godtloß und als
ein erdom könne geachtet werden?
An profiteantur hoe sacrificium et hanc oblationem pro
vivis ac defunctis, pro bonis impetrandis et malis avertendis et
omnibus necessitatibus reete oflerri nee quicque in Canone aut foto
Missae offieio contineri, quod impium aut etiam erroneum sit? (I, 29a)
Art. 30. Dfft men od by den gewönlifen Kerdenjange
blive, edder je vorworpen edder vorandert heöbe. Offt men
od düdiſche Geienge in der Miſſe mede in menge, welde
und wodan de fyn und uth wat madht men de invöre?
An cantiones ab Ecclesia receptas reiecerint vel mutarint,
et an germanicas cantiones in Missa admiscere soleant, quae et qua-
les illae sint, et qua authoritate eas in Ecclesiam introduxerint? (1,56)
Art. 31. Efft men den Lychnam Chriſti in den Sa—
framentshuje edder in einer ander rein jtede mit jümmer
bernenden lichte bewahre. Efft odin den Herden conjecrerde
Ditien vor de Kranden alletydt bereidt ion?
An soleant Eucharistiam in sacrario seu loco honesto
cum perpetuo lumine conservare et an semper in suis Ecclesiis
hostias consecratas habeant pro infirmis? (I, 60a)
Art. 32. Efft men od dat Sacramente tho den Kranz
den drage, Lichte darvor dragen und Scellen Tlingen late,
den gelövigen ein tefen darmede tho geven?
An, eum Eucharistiam ad infirmos deferunt, lumen et
eampanellam faciant praeferri ad dandum fidelibus signum? (I, 60b)
Art. 33. Efft men up des billigen Lychnams und an-
deren gewonlifen Feitdagen den H. Lychnam mit reverentz
ummedrage und lere dat Bold ſick jdler jpelwerde, ſchertz
und geſwetz tho entholden, ſunder andechtig vorher gahn
und beden ?
An in festo corporis Christi aliisque festivitatibus solitis
sanetam Eucharistiam cum reverentia circumferant populumque do-
ceant, ut remotis omnibus profanis ludis, iocis et confabulationibus
religiose ac devote procedat et oret? (I, 61)
Art. 34. Efft men od gelöve dat dith Sacramente
wegen der jegenmwerdicheit Chrifti mit der ehre, de deme
111
Köninge und deme HEREN aller Heren geböret, tho vor:
ehren jy?
‚ An eredant huie sacramento propter praesentiam Christi
eum honorem, qui regi regum et domino dominantium debetur, ex-
hibendum esse? (I, 24)
Art. 35. Wo men den SKeripellüden dat Sacramente
geve, up eine edder up beyderley geitalt?
Quomodo soleant administrare sacramentum Eucharistiae;
utrum suhditos et Parochianos suos sub una an sub duabus specie-
bus soleant communicare, et si sub duabus, qua auctoritate id fa-
eiant? (I, 62)
Art. 36. Dfft men Kerjpellüde hebbe, de dat Sacra=
mente gang vorachten, edder under einer geitalt nicht ent:
fangen willen.
An habeant Parochianos, qui sacram Eucharistiam vel
omnino contemnant, vel saltem sub una specie illud sumere recuseut,
et quorsum isti se conferant, an illos informent et corrigant aut
salteım incorrigibiles superioribus sujs denuncient? (I, 64)
Urt. 37. Offt men gelöve und dat Vold od alſo lere,
dat nicht allene under einerley gejtalt, idt ſy des Brodes
ebder des Wynes, junder od under deme allergeringeften
frömefen edder dröpeken derjülven geitalt dat ganke Lyff
und Bloth Chriſti und dat vullenfamen Sacrament begrepen
ſy, od nicht minn under einer al3 beider geitalt entfan-
gen werde?
An credant non modo sub una specie, panis seilicet et
vini, sed etiam' sub minima particula cuiusque speciei integrum
eorpus et sanguinem Christi verumque sacramentum eontineri et
sumi? (Il, 22)
Art. 38. Efft men od na geholdener Communion de
overigen Ostien jampt allen Barteden derjülven in de Sa—
cramentsbüſſen bylegge und up rechte tydt vor de jpölinge
in der Miſſe mit Ehrbedinge plege up tho eten ?
An hostias consecratas superfluas religiose in saerarium
reponere, nec non frustula seu fragmenta hostiarum ronsecratarum
ante ablutionem tempore oportuno in Missa reverenter sumere so-
leant? (I, 62)
112
Art. 39. Efft men od gelöve dat in einer geconjecrer:
den Oftien buten dem gebrufe, wenn je jchone nicht gegeten
werde, ſy und blive dat ware Lyff und Bloth des HEREN
und darümme dat Sacrament na den olden gebrufe der
Kerden billid godtjalidy und notwendich in der Saeraments—
büffen tho behoff der Kranden jchöle bygelacht und vor:
waret werden ?
An eredant in hostia consecrata etiam extra usum et
sumptionem esse et manere verum corpus et sanguinem Christi: et
ideo sacram Eucharistiam in sacrario recte secundum antiquissimam
Ecclesiae oonsuetudinem asservari et in ecelesiis pro decumbentibus
et infirmis omnino pie et necessario custodiri? (I, 23)
Art. 40. Dfft men od vor recht gelöve und de ler
der Kerden anneme, dar geleret wert, de Leyen und Breiter,
ſo je jülven nicht Miffe holden, jyn ut) der Inſettinge
Ehrifti gar nicht ſchüldich beyderley geitalt tho entfangen.
Und offt me od befenne, dewyle nicht weiniger under einer
als beyder gejtalt begrepen jy und genaten werde, dat dann
de Gewonheit under einer gejtalt tho communiceren, de jo
vele hundert Jare unbewechlick im fwange gangen if, dörch
eines edder merer jülveit ermeleden motwyllen, ane lafter
der jchüringe nicht könne vorandert edder vorworpen werden ?
An veram eredant ac etiam recipiant S. Eeclesiae doctri-
nam, quae tradit laicos et sacerdotes non celebrantes nequaquam ex
institutione Christi necessario teneri ad utramque speciem tenendam,
Et an fateantur, cum non minus sub una quam sub utraque specie
eontineatur ac sumatur, non posse istam sub una specie communi-
candi consuetudinem tot saeculis inconcusse observatam privata
alicuius aut aliquorum temeritate sine schismatis crimine mutari aut
reiici? (I, 25)
Art. 41. Efft men od dat Lyff und Bloth Ehrifti up
anderen tyden als in der Myſſe mafe?!)
Art. 42. Efft men befenne dat allene de Breiter in
der Catholiſchen Kerden geordineret, rechte Dener des Sa:
) ©. den Schluß des folgenden Artikels.
113
craments ſyn, und nicht Leyen edder Klerde, de allene de
Kenen Wyinge entfangen hebben. Und dat men vörnemlid
de worde der CGonsecration aver Broth und Wyn ſpreke,
dat od de gewyede Preſter de in der Catholiichen Kerden
CGommunion jint dat Lyff und Bloth Chrijti nicht malen,
denn allene in der Miſſe?
An fateantur veros huius sacramenti ministros esse solos
presbyteros in -catholica Ecclesia rite ordinatos, non laicos aut mi-
nores elericos, ut maxime consecrationis verba super pane et vino
proferant, nec debere etiam ipsos sacerdotes rite ordinatos et in
catholicae Ereelesiae communione existentes corpus et sanguinem
Christi confieere, nisi in solenni Missae sacrificio? (I, 26)
Art. 43. Dfft men od gelöve, dat den gedöfften Min-
ihen, de in jünden fint gefallen, upt högeite nödich ſy, dörch
dat Sacramente der Bote Gade vorjönet tho werden, dewyle
de Bote de ander Tafel iß na dem Schepbröfe?
An eredant baptizatis in peccata lapsis summe necessa-
rium esse, ut per sacramentum Poenitentiae reconeilientur Deo, cum
poenitentia sit secunda post naufragium tabula?') (I, 30)
Art. 44. Offt men od dat Vold valen thom Sacra:
ment der Bote vormane und underrichte einen itlifen Chri-
ten Minichen, dat he vormöge der Kerckenmandats ſchüldich
ſy in allen bogen Feiten, edder thom weynigeſten eines im
Jahr, nemlid up den Paſchen, ſyne ſünde tho bichten und
dat Nachtmal tho entfangen ?
An similiter populum de sacramento Poenitentiae saepe
instituant sintqne in audiendis confessionibus eircumspecti, ut pro
peccatorum et personarum qualitate salutares et medicinales satis-
factiones iniungant et frequenter adımoneant unumquemque christia-
num hominem ex praecepto Ecelesiae teneri, in summis festivitatibus
saltem semel in anno, videlieet in festo Paschatis, et confiteri de-
licta et Eucharistiam sumere? (I, 66)
Art. 45. Offt men od den gebrud der Orenbicht in
!) Cone, Trident, Sess. XIV. can, 2. — Bergl. Tertuliani lib, de poe-
nitentia, cap. IV in Migne, Patrologiae ceursus, Ser, lat. Tom. J.
pag. 1233 f.
XLVI 1. 8
114
ſyner Kerden beholde. Und offt od etlife jyn, de nümmer
ebber jelden bichten und likewol thom Nachtmal ghan?
Qua verborum forma soleant uti in absolvendo et an
usum privatae seu aurieularis confessionis in Ecelesiis suis retineant
an vero eum immutaverint, Et an sint, qui nunquam aut raro con-
fiteantur? (I, 67)
Art. 46. Efft men od dat Vold lehre vam rechten
gebrufe der leiten Olyejmeringe und dith Sacramente nha
der Kerden Agende mit Beden und Letanyen den Kranden
mede deele?
Utrum doceant populum verum usum extremae Unctionis
et an sacramentum hoc iuxta Agendam Ecelesiae cum orationibus et
Litaniis aegrotis impertiant? (l, 65a)
Art. 47. Dfft men od de underrichte, jo ſick im Ehe:
jtandt gedenden tho begeven, dat je jchüldich fint im Gelo—
ven und Religion einich tho ſyn: Wyder wat vor Ehre de
Mann der Frouwen und de Frouwe deme Manne jchüldich ſy?
An etiam instruant eos, qui matrimonio iungi affectaut,
yua fide et religione in Christo convenire debeant, quem honorem
mulier viro et vir mulieri debeat? (I, 68)
Art. 48. Efft men je od dremal in dren vorjcheiden
Zöndagen thovören afflündige?
An praeınittant tres proclamationes tribus diversis festivis
diebus? (I, 69)
Art. 49. Efft men od gelöve, dat de Vaſten van der
Kerden ingejettet, tho holden ſyn, und dat men defülven,
allene de uterjte noth uthbeſcheden, ane Sünde nicht bre-
fen füne?
An eredant ieiunia ab Ecclesia instituta observanda exse
nec posse extra necessitatis extremae casum sine peceato violari, et
qui sint dies et tempora jeiuniis dieata? (I, 48)
Art. 50. Efft men od vam Bredigftole vorkündige,
welde dage und tyde van der Kercken ingejettet fon, und
dat Bold flitich vormane de tho holven, und fid gehorjam:
lid entholde des Fleiſches?
Au de suggestu denuncient, quibus diebus et temporibus
115
ieiunia ab Ecelesia sint indieta, diligenter eos admonentes, utea sem.
per servare et a cibis prohibitis obedienter abstinere studeant? (1,74,
Art. 51. Efft men od gelöve, dat de Kerde den ge:
brud vor gelövige doden tho bidden, var den Apoftelen
entjangen bebbe? Und lere dat Bolde darvör tho bidden?
An etiam ceredant Ecelesiam catholicam ex traditione
Apostoliva habere usum orandi pro fidelibus defunetis? (I, 40)
Art. 52. Efft men od darvor holde, dat de Catholiſche
Kercke recht gelöve ein Begeführ tho ſyn, darinne der Bor:
ttorven Seele geholden werden, dar je mit Almiſſen und
Sodtjalicheit der levendigen gelövigen, vor allen averit mit
den angenemen Offer des Altares vorlöjet werden ?
An igitur sentiant etiam Ecclesiam catholicam recte ere
dere, purgatorium esse animasque defunetorum in eodem detentas
eleemosynis virorumgne fidelium pietate et potissimum acceptabili
Altaris saerifieio juvari? (I, 41)
Art. 55. Efft men od gelöve, dat de Hilligen, de mit
Chriſto herrſchen, recht als Börbidder angeropen werden und
dat er Gebeth by den allgemenen Heren vele gelde: Dat
od deriülven Reliquien und Belde in den Kercken jchölen
geholden werden?
An credant Sanctos cum Christo regnantes recte tam-
uam intereessöores Invocari eorummque preces apud communem Do-
minum plurimum valere eorundemque Sanctorum reliquias et imagines
in ecelesia retinendas esse? (I, 42a)
Art. 54. Efft men od de Procession, up gemönlife
Feſtdage mit Grüßen und Vanen, od mit Wyewater holde ?
An Processiones diebus solitis in signo erueis et vexillis nee
non aqua benecdieta peragant ipsique seiant populumque instruant,
quid illa ac eaeterae Veremoniae ecclesiasticae signifieent? (I, 77)
Diefe? Buch wurde zur Verbreitung der calviniichen
Xehre Ende 1585 in dem Stift, bejonders aber in der Stadt
Münſter den Katholifen, und zwar vorzugsweije den Geiſt—
lihen, in die Wohnungen geworfen. Auch der Kaplan Fa:
britius fand am 22. Dezember in jeinem Hofe ein Eremplar
8 *
116
defielben nebjt einem zwei Bogen langen Schreiben, das
begann: „Bey zeigern diſes jende ich dir, Gottlofer bube
und lügenhaffter PBoltergeift, diß beygewarte büchlein und
wil dir dabey gewünjchet haben, daß dich der liebe Gott
auß lauter barmhertzigkeit wolte erleuchten, daß Du von dei-
nem Gottlojen wege und deiner lügenhafftiger impoftur und
betriegerey mögejt abjtehen und den einigen ewigen unbe
greifflihen Gott befennen, den du bißhero mit deinen greiff:
lien, unverſchempten und unaußſprechlichen lügen nicht
allein verleugnet haft, jonder auch erſchrecklich (wie ich höre)
geichmehet, auff daß du mit deinen abfchewlichen Teuffeli=
ichen Antechrijt, dem Papſt zu Rom, nit ewig mögelt ver:
loren werden. Biſtu aber ein Theologus, wiewol du das
Bater unjer, noch zehen Gebott, noch die Artidel dei bei-
ligen Chriftlihen glaubens, noch die wort der einjegung dei
heiligen Nachtmals (welche ſtück jind das rechte Fundament
der ganten Theologie) recht kanſt, noch verſteheſt: biftu ein
ehrliebender (wiewol Lügner keiner ehren werth, jonder ehr:
loß) jo ließ diß beygewarte büchlein durch, verftehe es und
widerlege dann dafjelbige Shrifftlid. Aber nit mit
Mönchtreumen, nicht mit decretiihen dred, nit mit Blin-
dafini und Lyripipii, nit mit Hacquini und Klompharbi, !)
1) Fabritius, Gegenberiht pag. 37, jagt: „Indem diejer [i. e. der
Schreiber] aber jo jpöttlihe namen erdendt, damit er die heilige
Lehrer gemeint wil haben, erzeiget er impotentis animi sui convi-
tiandi libidinem und eine rechte Weibilche zornige leichtfertigkeit;
dann ich hab noch feinen Gatholiichen Schribenten gehört noch ge
jehen, der jolher leut namen und wörter gebraudy hette. Daneben
hab ich dem fleißig nachgefucht, aber eigentlich nit funden ....“
Gemeint ift
mit Blindafinus: Wilheln Damaſus Lindanus, Biſchof von Rıre:
monde (F 1588), der wegen jeiner eifrigen Bekämpfung der
Irriehren damals auf das härtefte angefeindet wırde. Blinde»
finus nennt ihn auch Ph. van Marnir in feinem „Bijentorf“,
117
ja nit mit Teuffeliſcher Antechriftliher falſcher verführifcher
lügenhafftiger lehr, wie ich hör daß du bifher deine Lügen
und falſche lehr getrieben und beweiſet haft, ja frommer
und Gottjeliger leut zu widerlegen unterjtanden habeſt,
jonder mit Vrophetiſcher und Bibliſcher jchrifft, wie alle
Gottjelige die warheit Tiebende Seeljorger ihre lehr und
ichrifft von anfang bewieſen haben. Bitte dich umb deiner
eigenen ſäligkeit, daß du dich mwölleft bedenden, und dein
Sonfcientien examinirn, ob du recht oder unrecht thuit,
wenn du die Schrifft jo fälſchlich braucheſt und jo Ichendtli-
chen lügeſt; du bift erger denn der Teuffel felber. Pfuy
dich derwegen, du unverichampter Teuffliicher lügner. Dieweil
aber du deine lügen und faljche lehr (wie ich höre) jo fein
augbugen Fanft, jo antwort auff diejes beygelagtes büchlein;
wofern du nicht recht und jchrifftmejlig in Trud verfait,
darauff antworten wirft, jo wirdt dich der mundt der war:
heit wol finden und alle fromme Bürger und Chriften, der
nicht wenig zu Münſter vorhanden, werden diß Bud vor
die rein Lehr annemmen und Die deine und aller Pfaffen
für dei Antichrifti, ja Teuffeliihe Lehr außichreihen, ver:
fluchen, meyden, veradhten und fahren laffen. Antworftu
nicht Ichrifftlich, jonder mit deinem Lügenmaul mündtlich,
fo halt ich dich gleichwol für einen Ehrlofen, Ehrvergeijenen,
Gottlofen und Abgöttiihen, Berfüriihen Eſels-Doctor;
dann ſolchs haſtu nicht anders mit deinen Ejelifchen Argu—
menten und Xeuffeliihen Lügen beweiſet.“ Unterzeichnet
war der in ähnlihem Tone weitergehende Brief: „Datum
St. I, cap. 2 und St. V, cap. 1 (oh. Fiſchart, Binenforb,
Chriftlingen 1586 fol. 166.)
mit Lyripipins: Nicolaus von ®yra (+ 1340, „Si Lyra non
Iyrasset ... .*)
mit Dacquinus: Thomas von Aquino (F 1274)
mit Klomphardus: Petrus Lombardus (F 1160).
Anno mendaciorum tuorum secundo.!) Enos,?) quem
Deus novit et suos.“ ?)
Fabritius blieb denn auch die Antwort nicht jchuldig
und widerlegte den Titel und die Borrede der „Iuquisitio“
Satz für Sag in einem, dem Adminijirator Johann Wilhelm
unter dem 31. Juli 1584 gewidmeten, 474 Quartjeiten ?)
itarfen Werke:
Segenberiht und Chriftliches | Examen def Laſter—
buchs Müniterihe Inqui- jition genant,
welches ein verführijder || Galviniit, heimlich
ohne Namen, vergifftiger weiß, den 22. tag Decembris,
Amni 83, zu Münster nächt- |, licherweil in Häuſer
geworffen und auß- geiprenget hat. Durch Lau-
rentium Fabricium ÜUrdingensem. . der
heiligen Gejchrifft Doctorn. | Roman. 16. | (Folgt
Röm. ce. 16. v. 17 u. 15 in 5 Zeilen). Colin
Bey Peter Haad an der hohen Schmitten.
Anno M.D.LXXXV. 5)
Diefer am Ende als „Erſter Theil” bezeichneten Schrift
heabsichtigte Yabritius nad der Vorrede an den Yejer „(ob
Sott will) einen zweiten Theil alsbald folgen zu laſſen,
der fi mit den 54 Frageartikeln beichäftigt haben würde,
1) Im zweiten Jahr des Nufenthaltes von Fabritins in Müniter-
Vergl. Anm. 6 auf pag. 99.
2) Hebr. — Menſch. — Kabritius (pag. 35) ſchreibt: „Es vermutben
etliche, fan ich, dat; dieſer Läſterſchreiber deren einer ſeun werdt, To
nach geſchehener Viſitation feinen fit bet rübkmen minen, nicht
werlich umb feiner Tugendt willen, als es dem verlenenen Elaviger
zu Warendorff (wie feichtlih auf den Acten, To noch bey ſeinem
Archidiacon zu finden, geſpürt wird) beſehen.“ Auch ſpäter gebraucht
er ſtatt „Verfaſſer“ die Bezeichnung: „Olaviger au Warendorf“
(pag. 64), resp. „Abgerallner Pfaff zu Warendorp” (pag. 75).
) Abgedr. Fabritius, Genenber. par. 2 fr.
*) Außer 1 Titelbl., 5 BU. Borrede und 3 Bl, Regiſter. Sign. A—PPP.
°) Die hier gefperrt gedrudten Stellen jind im Orig. roth gedruckt.
—
deſſen Abfaſſung aber — vermuthlich in Folge ſeiner Ueber—
ſiedelung nah Köln — unterblieb. Gegen den erſten Theil
erſchien:
Apologia der Widerlegung || Münfterijcher Inquisi-
tion | darin || zwey hohe und zur || Seligfeit nö-
tige ftüde auß dem || Wort Gottes und einhelligem
Consenss || der Chrijtlihen Kirchen außfür= || lich
gehandelt werden. || Das erjte || Bon der h. Schrift,
wider zwelff Leſterunge des || Antichriit3 damit er
Gottes Wort (das er durdhauf || jhme zumider jpüret)
mit jchenden und verfel=!| jchen gern tilgen molte. ||
Das ander || Vom Uriprung, Alter, Succession,
und wunderbarer || Erhaltung der Chriftlichen, recht
Gatholiichen und || Reformirten Kirchen. tem wie
diefelb von allen || Secten unterjcheiden und wol er:
kant || werden fönnte etc. | Wider | den vermeinten
Gegenberiht und undriitlis || Examen D. Lau-
rentij Fabritij. || Gejtellet || durch etliche Chriſtlicher
und Evangeliicher war: || heit liebhaber. || Psal. 94.
15. || Rebt muß dod Recht bleiben und dem
werden alle from: || me Herken zufallen. || Anno
M.D.LXXXVI.
8 Bl. u. 192 Seiten 40; Sign. Mj—Bb. iij,
Mit Cuſtoden.
Sämmtlide drei Werke finden ſich auf der Königl.
Pauliniſchen Bibliothek zu Münfter, die auch zwei Eremplare
des auf Veranlafjung Johann’s von Hoya erſchienenen Ca-
techismus Romanus!) bejigt, deren einem das Manz
!) Catechismus ex decreto Coneilii Tridentini, ad Parochos, ante
quidem Pii V. Pont. Max. iussu conseriptus, nune autem in
IIII libros, certaque capita distributus, a summariis Capitum,
pluribusque ad marginem Scripturarum ac Patrum testimoniis
illustratus, nihil interim prorsus in textu addito, imminuto aut
mutato: mandato et authoritate Reverendiss, in Christo Patris
120
dat!) des Generalvicar® Jacob Voss vom 21. October
1572 (1 Blatt 20) beigeheftet ift.
S. R. J. Prineipis et Domini, Dn. Joannis ex Comitibus de
Hoya, Episcopi Monasteriensis, neenon Osnaburgensis, et Pader-
bornensis Eeelesiarum Administratoris perpetui ete. editus. (Des
Biſchofs Wappen.) Coloniae apud Gervinum Calenium et Haere-
des Quentelios, Anno Christi nati M.D.LXXI, Cum gratia et
privileg. Pii V. Pont. Max. (abgedr. auf Bl. 2b; vgl. Seller 1. e.,
Actenſt. Nr.295) et Rom. Imperat. in decennium. 2 Bll., 508 Seiten
u. 10 BU. Index. Sig. a, —xxx,. Aufder Nüdjeite des Titelblatts
das Bildniß des Biſchofs. 4%, — Ein Eremplar deijelben, ſowie
des Fabritius ſchen Gegenberichts auch auf der Bibliothet des Biſchöfl
- Priefter-Seminars zu Münſter.
Eine deutiche Überſetzung des Catechismus Romanus hat Biſchof
Johann nit, wie Keller 1. c. pag. 290 annimmt, veranftalten
lajjen. Denn der Decan Martin Ruperti fagt in der vom Dage
S. Michaslis Archangeli 1595 datierten Vorrede feines „Catechismus
und Petböflin. Muniter 1596”:
„Und wie he [der Bifhof] ... ſynem Clero den herrligen
hochnödigen Catechismum Romanum mit bejunderen Unfoiten
heftt druden und ferdigen lathen, . .. aljo hedde he oid vor
dat gemeine fimpel Bold gern einen einfoldigen Catechiſmum,
wie oick ein Betbod und Poſtill ferdigen lathen. Ja he hedde
gern dat gante Werd der Fiblien . . . in aldt Saſſenſcher und
Weſtphaliſcher Sprake tho Catholiſcher Warheit repareren und
dringen willen, dartho ji od der... . Picentiat Gerwinus Ca—
leniug (der em den Nömtichen Gatechifmum gedruckt hadde, der
noch im leven ift) gantz willich erbotten, So eth nicht düſſes
Orts an Perfonen der Translation gemangelt hedde und Hoch—
gemelter Förſt in düſſem Leven lenger hedde verbinven mögen.“
Vergl. auch Ruperti's Vorrede in ſeiner „Poſtill. Paderborn 1597.“
1) Abgedr. bei Krabbe, Statuta synodalia. Monasterii 1849. pag. 175 f.
V.
Die Stadt Warendorf
im Kampfe
gegen
Landesherrn und Kaiſer.
Ein Beitrag zur Geſchichte Weſtfalens zur Zeit des dreißig—
jährigen Krieges. (1622 und 1623).9
Bon
Dr. phil. Albert Weskamp.
— — u —
Als am 22. Januar 1622 die Abgeordneten der Stadt
Warendorf über die Verhandlungen und Beſchlüſſe des in
Münjter abgehaltenen Ausihußtages Bericht erjtattet hatten,
wurde von Bürgermeiftern und Nat, jowie Alterleuten,
Kurgenofjen und Gilden troß der Unficherheit der Lage,
wie fie durch den Einbruch Herzog Chriſtians von Braun:
ihweig geſchaffen war, einſtimmig bejchloijen, den Stifts—
joldaten die geforderten Quartiere zu verweigern. Da man
gehört hatte, Ddiejelben jeien dem Halberſtädter fo verhaßt,
daß er fie nicht anders als „ſchelmiſche Hahnenfedern” nenne,
wollte man jelbftändig für die Sicherung: der Feſtung Sorge
ragen.
Die Wehr der Stadt war zu jener Zeit nach Quar—
tieren geordnet. Die Hauptleute jeden Viertels, denen je
ein oder zwei Lieutenant beigeordnet waren, hatten dafür
1) Nach den Ratsprotofollen der Stadt. Vol. Weskamp: Herzog Chris
ftian von Braunſchweig und die Stifter Münfter umd Paderborn im
Beginne des dreißigjährigen Krieges. Teil I (Baderborn 1884.) —
Zeil UI u. II erjcheinen im Verlaufe diejes Jahres.
122
Sorge zu tragen, daß auf der Wache Ordnung berrichte
und Die wehrpflichtige Mannjchaft jederzeit in Bereitjichaft
war. Wenn Abteilungen von Soldaten in Sicht famen, Yo
hatte der ftädtiihe Spielmann, welcher auf dem Turme die
Feuerwacht hatte, ein Zeichen zu geben. Der Hauptmann
vom Tagesdienjte beitimmte alsdann die nötigen Verhal—
tungsmaßregeln. Wurde das Signal Haufen geblafen oder
die Trommel gerührt, jo hatten die Bürger ohne Säumen
mit Gewehr, Pulver und Lot auf dem vorgejchriebenen
Marmplage unter ihren Nottmeiftern anzutreten. Hin und
wieder wurden Ererzier: und Schiegübungen abgehalten und
Anmeifungen gegeben, wie man mit dem aroben Geſchütze
umzugehen, überhaupt jich in Kriegsfachen zu verhalten habe.
Die Geſchütze in Ordnung zu halten war Aufgabe des Büch-
jenmeifters; derſelbe hatte auch die Musketen zu reinigen,
welche von Zeit zu Zeit zu diefem Zmede auf das Rathaus
eingefordert wurden. Wachen waren ausgeltellt bei Tage,
wie bei Nacht. Als im Dftober 1621 das Waſſer jehr Hoch
jtand, begnügte man jich mit zwei Notten; aber ſchon am
8. Januar 1622 waren für die Tagwache 4, für die Nacht:
wadhe 8 Notten beitimmt worden. Auch wurden jeit dieſem
Tage die Pforten zeitiger geſchloſſen und ſpäter wieder auf:
gemacht und alle Abende die Ketten der Zugbrüden auf:
gezogen.
Am 22. Januar nun wurde beichloffen, nicht nur die
Bürgerwehr in neue Ordnung zu bringen, jondern auch
eigene Stabdtjoldaten anzumerben. Bereits am lebten des
Monats fonnten 20 Mann, von denen 8 aus Rheda, 7 aus
Herzebrod, die übrigen aus Greifen, Wolbed und Büdeburg
ftammten, coram judicibus et camerariis in Dienft ge:
nonmen werden. Sie mußten einen Eid jchwören zu Gott
und auf fein heiliges Evangelium, daß ſie Bürgermeiiter
und Rat der Stadt gehoriam, treu und hold jein, derjelben
Gebote und Berbote beachten, die aufgetragenen Wachen
123
Heisig halten, Tag und Nacht jih an die Orte, an melde
fie geſchict und deren Verteidigung ihnen aufgetragen wer:
den würde, ungejäumt und ohne Widerſpruch verfügen, Die:
jelben nad allem bejten Vermögen defendieren, der Stadt
Beites befördern und Not von ihr abwenden, und jonften
zu derjelben Beiten und Defention — es jei in Zeit der
Not und Anfechtung, oder jonjten, wozu immer man jie
nötig haben werde, es jei innerhalb oder außerhalb der
Stadt — fi getreulich und dermaßen halten und erjeigen
wollten, wie es einem getreuen Soldaten gebühre und wohl
anftehe.
Um fie zu befehligen, wurden am 11. Februar die
Korporale Kurt Beltmann aus Lemgo und „der alte Henrich “
(Heinrih Witte aus Unna) augemworben. Dieje beiden er:
hielten monatlih, den Monot zu dreifig Tagen gerechnet,
an Serris und Löhnung 5 Neichsthaler, die übrigen Stadt:
joldaten an Sold 4 Neichsthaler, an Servisgeld einen
„Drt: Thaler.” Sie hatten einen Teil des Wachdienites zu
übernehmen; vier von ihnen hatten an jedem Qage dienft-
frei. Aber am 14. Februar wurde beichlojjen, noch zwei
weitere Soldaten anzunehmen und danır tägli 18 Mann
wachen zu laſſen, und zwar je 5 vor der Oſt- und Ems:
pforte, je + vor der Freckenhorſter- und Müniterpforte.
Am 7. Februar wurden auch die Handwerksknechte, de:
ren Zahl 61 betrug, vereidet, und acht Tage jpäter ver:
pflichtete man in gleicher Weile im Oftviertel 30, ım res
denhorijterviertel 24, im Miüniterviertel 21 und im Ems—
viertel 22 Bürger. An Wartegeld erhielten die Knechte
wöchentlih 6 Scillinge; für die Zeit, wo ſie zum Dienfte
herangezogen werden würden, jollte ihnen tageweile Solda=
tenlöhnung gezahlt werden.
Die Feſtungswerke wurden in Stand gejegt. Am Sonn:
tage, den 23. Januar, wurde von der Kanzel befannt ge=
macht, daß alles Holz vor den Thoren der Stadt wegge—
124
fahren werden müſſe. Ein Teil desfelben wurde benußt zur
Erhöhung der Bruftwehren. Pechkränze und Schanzkörbe
wurden angefertigt, die Bolten veritärkt. Seit dem 24. Ja—
nnar mußten in jeder Nacht 10 Rotten wachen, je eine an
den vier Pforten, jowie am Saſſen- und Bentheim: Turm,
die übrigen auf dem Rundell an der Dftpforte, dem Walle
und dem Marfte.
Als nun am 26. Jannar die Regierung zu Münfter
anzeigte, daß der Hauptmann Meldior Plettenberg Auftrag
habe, 30 bi3 60 Stiftsfoldaten nah Warendorf und
feine übrige Mannihaft nah Saffenberg und Harjewintel
zu verlegen, bat die Stadt um Zurüdnahme folder Ver—
ordnung, welche Herzog Chriftian bejtimmen würde, gegen
fie einzufchreiten. Sie fei auch bereit3 gegen einen Angriff
genügend gefichert. Der Bürgerichaft junge Gefellen, Hand—
werfer und Knechte feien wohl ausgerüftet und im Gebrauche
der Waffen eingeübt, gute und berzhafte Söldner angewor—
ben, die Wehren ausgebefjert, Munition herbeigeſchafft; auch
werde Tag und Nacht ſorgſam Wache gehalten.)
Die fürftlihen Räte jahen ſich jedoch nicht in der Lage
nachgeben zu können. Und noch weniger waren jie gewillt,
dem Geſuche der Stadt gemäß diejenigen Warendorfihen
Burſchen, welde in der Landichaft Dienften jtanden, zu
entlafien, damit dieje al3 Stadtjoldaten in Eid und Pflicht
genommen würden. Sie erwiderten, man möge jich ohne
weitere ‚ Diffikultäten‘” dem fügen, was auf legtem Aus:
ihußtage für ratfam befunden worden fei. Die getroffenen
Berteidigungsmaßregeln reichten zur Sicherung der Feſtung
feineswegd aus. Und wenn wirklich der Landſchaft Solda-
ten dem Braunjchweiger jo zumider fein jollten, jo würde
er ohne Zweifel die Soldaten der Stadt nicht weniger hafjen. ?)
1) Zeil 1 98 u. 96. — °) Teil I 97,
125
Man beſchloß nunmehr in Warendorf, eine Gejandt:
ihaft an den Oberſt Velen abzuordnen. Am 1. Februar
reileten der Richter Rolewink, der Kurgenofje Dr. Giſe,
ſowie der Stadtjchreiber nah Münfter ab. Um zu bemweijen,
wie „auflägig‘ Herzog Chriftian den Stiftsfoldaten jei, joll-
ten fie über den Angriff berichten, welcher am 29. Januar
auf die Truppen zu Harjewinfel!) gemacht worden war.
Und da an diefem Tage der Nentmeifter zu Safjenberg jo:
wohl, wie Schenfing zu Beveren fi) geweigert hätten, Die
Flüchtigen aufzunehmen, um nicht die Halberjtädter in ihr
Gebiet zu ziehen, jo werde man auch der Bürgerjchaft jolche
Einquartierung nicht zumuten dürfen. — Bor allem aber
jollten die Abgeordneten auf die Mißſtände hinweifen, welche
eine Beſatzung im Gefolge haben müſſe, über welche der
Magiftrat nicht zu befehlen habe. So hätten auch die Stift3-
joldaten, welche vor 22 Fahren zur Zeit der ſpaniſchen Ein-
lagerung der Stadt überwiejen worden jeien, ſich geweigert,
den getroffenen Anordnungen zur Abwehr jich zu fügen,
und fort und fort die Bürger durch ihren Mutwillen und
und Übermut beläftigt. Auch feien noch heute nicht die Le-
bensmittel bezahlt, welche die Eingejejlenen ihnen hätten
geben müfjen.
Die fürftlihen Räte in Münfter erklärten indeffen die
vorgebradhten Bedenken für „unerheblich und unbegründet”
und hoben hervor, daß auch Münfter?) eine Bejagung auf:
genommen habe. Die Stadt möge fich jo verhalten, daß
jie ih vor dem Kurfürſten wie vor der Landichaft verant:
worten fönne.
Nod einmal machten die Warendorfer den Verſuch,
durch) Deduftion der gravamina Verſchonung zu erwirken.
Aber jie rechneten jelbit wohl faum noch auf Erfolg; denn
die Gejandten, melde am 3. Februar beauftragt wurden,
») Bl. Teil 199. — 9 Vgl. Teil I 91—98.
126
das Supplikationsichreiben zu überbringen, wurden gleich:
zeitig ermächtigt, nötigenfalls zu erklären, dab die Stadt
bereit jei, die zugeordnete Anzahl von 50 bis 60 Soldaten
aufzunehmen „auf die Meinung und mit der Kondition,
wie die Stadt Münfter.” — Diesmal wurde aber den Ab—
georoneten nicht einmal eine Audienz bewilligt, jondern nur
ein kurzer, mit dem fürftlichen Inſiegel verjehener Befehl
zugeftellt, nach welchem es bei dem früheren Beſcheide fein
Bewenden haben jollte. Nur der Licentiat Witfeld nahm
fich ihrer an und bot nochmals alles auf, fie zur Nachgie-
bigfeit zu beitimmen. Sein Gutachten wurde Sonntag, den
6. Februar, Bürgermeiltern und Nat, Alterleuten, Kurund
Gilden Warendorfs unterbreitet, und dieſe jahen ein, daß
ein weiteres Sträuben zmwedlos jei. Sie baten jegt nur noch,
es möge VBorjorge getroffen werden zur Aufrechthaltung guter
Ordnung. Auf joldde Forderung ging die Regierung am
9. Februar bereitwilligit ein. Die Soldaten follten jich den
Vorſchriften des Artifelbriefes gemäß verhalten und von den
Bürgern nur das Servis verlangen dürfen. Der Sold
werde von der Yandjchaft gezahlt werden.)
— — —
ri
Bereit3 am 7. Februar hatte man in Warendorf die
Stage erörtert, wie die Stiftsjoldaten unterzubringen jeien.
Die Stadt verſprach, für alle Unkoſten auffommen zu wollen
und jicherte eine monatlie Vergütung von 4 Thalern ?)
für jeden Einquartierten zu. ber gleichwohl wurden Die
Quartiere verweigert; am 8. Februar zogen die Bürger in
geichlojienem Haufen von der Wache zum Markte, wo jie
offen und laut erklärten, jie hätten Feine Mittel, die Sol:
daten bei jich aufzunehmen. Man beſchloß nunmehr, fie bei
den Brauern und Wirten unterzubringen, jedoch dergeitalt,
dab niemandem mehr als zwei Mann zugemwiejen werden
) Bgl. Teil I 97. — ?) Nad) einer andern Angabe von 4"), Thalern.
127
follten. Freilich mwiderftrebten auch dieſe zum Teile gar
heftig, aber fie mußten fich fügen. Wer das Quartier ver:
weigern werde, für den wurde eine Strafe von 10, dann
von 20 Goldgulden feitgejegt; würde auch das nicht helfen,
jo tolle Gefängnishaft eintreten.
Am 12. Februar traf Melchior Plettenberg zugleich mit
dem Kommifjare Wendt in Warendorf ein und zeigte jeine
durch das fürftliche Siegel beglaubigte Kommiſſion vor.
Diefelbe ermädhtigte ihn, in die Stadt joviel Soldaten zu
verlegen, „als er von jeiner Führerſchaft immer entraten
könne.“ Er verlangte jedoh nur für 40 Mann Unterkunft
und veriprady auch, dab dieſelben deine Weiber bei ji ha—
ben, und die Quartierwirte von dem Solde bezahlt werden
jollten. Da jih unter ihnen ſechs Warendorfihe Bürger
befanden, jo brauchte vorläufig nur in 17 Häufern für je
zwei Mann „Belett“ gemacht zu werden. Auch dadurd)
fam Wlettenberg der Bürgerichaft jehr entgegen, daß er
Johann zu Gerdes, welder aus Warendorf gebürtig war,
als Berehlshaber der Beſatzung zurüdließ und jich mit allem
einverjtanden erklärte, was diejer mit dem Kate vereinbaren
werde. Welche Verhältuiffe durch dieje Ernennung geichaf-
fen wurden, ergiebt ſich am beiten aus folgender Thatſache.
Als im November verboten wurde, nod ferner außerhalb
der Stadt Kriegsdienite zu leiten, hielt er. jich für verpflich-
tet, eine Fahne zu wechſeln; es wurde ihm indeſſen gejtat-
tet, auch ferner im Stiftsheere zu bleiben, wenn er eine
Beiftener zur Unterhaltung der Stadtjoldaten entrichten werde.
Es lebte damals ein wildes Geſchlecht. Allein im Jahre
1621 waren in Warendorf gegen fünfzehn Schlägereien
(‚‚ Berblutwundungen”) abgeurteilt worden, und im Jahre
zuvor nicht weniger. So hatten denn die Leute auch Bor:
liebe für da3 Kriegerleben. Bir haben bereits gehört,
ein wie großer Teil der Bejagung aus Warendorf ſelbſt tamımte.
Andere hatten ji im ‚Jahre 1620 dem Grafen von Stirum
128
angeſchloſſen. Aber am meiſten Gewinn und ungebundene
Freiheit veripraden ſich auch die Warendorfer unter der
Fahne des Halberftädters. Mehrfach wird uns über jolche
berichtet, welche in jeine Dienfte traten, und Otto Korff,
welcher jih von ihm Hatte zum Kornett ernennen laſſen,
fonnte jogar mit Erfolg den Auftrag ausführen, in der Stadt
und den umliegenden DOrtjchaften 20 Reiter anzumerben.
Aus Furcht vor dem Zorne feines Auftraggebers wagte
die Stadt nicht, ihm entgegen zu treten. Sie begnügte fich
mit dem Verſuche, durch gütliche Vermittelung ihn zum Ab-
zuge zu beitimmen. Solde Bemühungen hatten natürlich
Erfolg: der Werber zog ab, nachdem er jeinen Zwed erreicht
hatte. Mit Recht erhob Oberſt Velen hierüber ernftliche
Beichwerde.
Noch über etwas Anderes hatte Velen am 23. Febritar
Klage zu führen. Hauptmann Plettenberg hatte allen Wün—
ichen der Bürger Nechnung getragen, und der zurüdgelaffene
Kommandant am 14. Februar veriproden, im Falle ei—
nes Marms feine Mannſchaft auf dem Markte verfammeln
und dann ganz nad) dem Gutdünken des Rates verwenden
zu wollen; aber gleihwohl waren die Stiftsfoldaten zum
Wach dienſte nicht zugelaffen worden. Alle Vorftellungen,
welche man deshalb erhoben hatte, waren mit dem Bemer-
fen abgewiejen worden, es gehe nit an, da Stiftsjoldaten
und Bürgerjoldaten ſich einander veracdhteten. Auf die Mah—
nung Velen’s, ji jo zu verhalten, daß man ſich dem Lan—
desherrn gegenüber verantworten fünne, gab man jchließlich
nad, aber auch nur injoweit, daß alle Nacht eine Rotte
mitwachen jolle, jedoch auch diefe nur verteilt „bei einzeln.”
Eine jo gefügige Bejagung, deren Leitung thatjächlich
ganz beim Magiftrate lag, ließ ſich Warendorf jchon gefallen,
zumal über Ausichreitungen faum Klage zu führen war.
Sedenfalls herrichte unter ihr bejjere Zucht, wie unter den
Bürgern auf der Wade; dieje veranjtalteten dort fürmliche
129
Saufgelage, verliefen ihre Poſten, widerjegten fich dent
Gefreiten, ſchoſſen, ſteckten Pulver an, verhöhnten vorbei-
ziehende Truppen und dgl. mehr. So ging man auch nicht
darauf ein, als Velen jich am 26. Februar bereit erflärte,
auf Wunjch die Stiftsmannschaft an andere Orte zu ver:
legen. Als er jedoh Anfang Mai dazu aufforderte, Die
Stadtjoldaten dem Hauptmann Plettenberg zu unterjtellen, be-
ihloffen Rat, Alterleute, Kur und Gilden „einhelliglich”,
diefelben zu behalten und nötigenfall® noch weitere Mann:
ichaften anzuwerben.
Mehr und mehr glaubte man einen Angriff des Halber—
ftädters befürchten zu müſſen.) Am 7. April lief die be-
ftimmte Nachricht ein, er werde nad der Eroberuna von
Gejefe gegen Warendorf rüden. Um fo eifriger wurden de3-
halb Borjihtsmaßregeln getroffen. Schon am 4. März
vereinbarte der Rat mit Alterleuten, Kur und Gilden, 50
weitere Stabtjoldaten anzunehmen und die Unterhaltungs-
Eoften derjelben nah Ordnung der Kirchſpielſchatzung beizu-
treiben. Strenge Strafe wurde jedem angebroht, der noch
fernerhin in fremde Dienfte treten. werde; den Verheirateten
jollten Weib und Kinder nahgejhidt werden. Die Bürger
mußten Auswärtigen, welde Habe bei ihnen in Sicherheit
gebracht, anjagen, daß jie dieſe entweder wieder abholen,
„oder ein jeder einen mit dem Gewehre mit dabei ſchicken“
müffe. Generalmufterung murde abgehalten, die Wacht:
poften wurden neu verteilt. Seit dem 13. Mai wachten
nachts jogar 15 Rotten. Eifrig wurde an den Befeftigungs-
merken gearbeitet, die Landwehren geſchloſſen, Schanzkörbe
und Pechkränze angefertigt. Auch trug man für Aufipei-
herung von Vorräten Sorge. Den Einwohnern wurde ver:
boten, Korn und Salz zu verkaufen; Johannes zur Möllen
erhielt die Weifung, das Getreide der Eingejeflenen vor dem
1) Bgl. Teil I 103-108. |
XLVIL 2. 9
130
der Bauern zu mahlen. Jeder Fremde mußte fortan am
Thore Namen und Herberge angeben; diefe VBerzeichnifje wa-
ren alle Abende gleich den Fremdenliften der Wirte auf dem
Rathauſe abzuliefern. Jeder Quartiergeber wurde verant-
wortlih gemacht für feine Gäfte. Soldaten durften ohne
bejondere Erlaubnis überhaupt nicht eingelafien werden ;
und dieje Erlaubnis wurde nur joldhen gegeben, weldhe ohne
Aufenthalt fortziehen wollten über die Ems; jeit dem 13.
Mai wurde ihnen überhaupt das Betreten der Feſtung uns
terjagt.
Indeſſen jhon am 18. Mai rüdte Herzog Chriſtian mit
allen Truppen über die Weſer. Alsbald wurden in Waren-
borf die ‚„Wartegelder”, jowie ein Teil der Stadtioldaten
abgedantt. Man hoffte aud auf Abführung der Stiftsjolda-
ten; indejien am 18. Mai wurde auf einem Ausihußtage
in Münjter beihloffen, die Bejagung der Städte bis zum
nächſten Landtage nicht zu vermindern. Gegen Ende des
Jahres aber drohten neue Gefahren.
Waren nun vielleicht die Warendorfer aus religiöjen
Beweggründen zur Dppofition beftimmt worden? Sie
hatten zum großen Teile den religiöfen Neuerungen gehul-
digt, ſich jedoch beitimmen laſſen, zur fatholifchen Kirche zu—
rüdzufehren. Nur einige wenige Eingejefjene befannten fich
noch zur Lehre Kalvins. Strenge wurde vom Magiſtrate
darauf geachtet, daß die Anordnung der geiftlichen Obrig—
feit, nad) welcher in der Saftenzeit nicht nur dag Schladh-
ten von Vieh und der Verlauf von Fleifchwaren, jon-
dern auch der Genuß derjelben unterjagt war, zur vollen
Geltung fam. Noch meniger durften in diefer Friſt Hoch—
zeiten gefeiert werden, jelbit wenn fi) das Paar auswärts
fopulieren ließ. Daß Wirte wie Gäfte Strafe traf, wenn
während der fonntägliden Predigt in den Häufern der Krä—
mer und Brauer Branntwein oder andere Getränke verzapft
wurden, entipricht auch unjerer heutigen Auffafjung. Ein
131
vereinzelter Fall verdient hier Erwähnung. Am 14. Fe:
bruar 1622 hatte Gerhard Dütting offen ausgerufen: „Her—
zog Chriftian ift vorhanden, der joll die Pfaffen recht pre
digen lehren!“, und Richter, Pfaffen und Hahnenfedern
„Schelme“ genannt, welche das Feuer der Hölle verdienten.
Als man ihn von Gericht zog, ftellte fich jedoch heraus,
dab er „kranken Hauptes“ war.
So lag es auch den Bürgern Warendorfs durhaus
fern, ihre Pflichten gegen den Landesherrn zu verlegen.
Selbit als fie im Jahre 1623 feinen Anordnungen bewaff-
neten Widerftand leifteten, erklärten fie ſich fort und fort
als jeine getreueften Unterthanen und vermweigerten nicht die
Zahlung der von den Ständen der Landichaft bewilligten
Schagungen. Am 16. Februar 1623 kam freilich zur An:
zeige, daß in einem Wirtshauſe der Kurfürft geſchmäht wor-
den jei. Aber die Unterfuhung ergab, daß die Bürger nur
von ihrem feften Entihlufje, für die Behauptung der Stadt
alles aufzubieten, geſprochen hatten; der Rat hielt es dar:
auf hin für ratfam, den ftrengen Befehl zu erlaſſen, fich
fortan „des Strunzens“ zu enthalten. Als Anholt die Was
rendorfer bald darauf für Nebellen erklärte, verficherten fie
feierlih, fie hätten niemal® aud nur in Gedanfen etwas
wider Kaifer umd Landesherrn ‚„‚vorgenommen, gehandelt
oder gethan.” Sie hielten fich aber für berechtigt, gegen
ſolche Verordnungen der Regierung Widerſpruch zu erheben,
welche ihre Nechte und Privilegien gefährdeten. Solche Kirch—
turmspolitif war bei den politiihen und fozialen Verhält—
niffen jener Zeit unvermeidlid. Erſt durch die neue Ord—
nung, wie jie der dreißigjährige Krieg ſchuf, Fam die Gen-
tralgewalt zu erhöhter Bedeutung, und nun erſt fonnte fich
Intereſſe und Opferlinn für höhere und weitere politifche
Zwede entwideln.
g*
132
Troß des Beichluffes der am 18. Mai in Münfter ver:
jammelten Stände jegten die Warendorfer ihre Bemühungen
fort, die Abführung der Stiftsjoldaten zu erwirken;
jedoch ohne Erfolg. Ende Juli wurde freilich auf einem Landtage
beichlofien, zwei Fünftel des Stiftsheeres, weldhes damals
2500 Mann zählte, zu entlaffen, und auf einem Landtage
im Dftober die Abdankung von weiteren 500 Mann
vereinbart. Da es jedoh an Mitteln fehlte, den rüd-
jtändigen Sold zu zahlen, fo fonnten ſolche Mafregeln
nur nad und nah durchgeführt werden; und als am
19. Oktober der Marihall Oberſt Alerander von Belen,
der Direftor des Dreinſchen Uuartieres, jowie der Dom:
icholajter Adolf Heinrih Drofte und der Domkellner Dietrich
von Plettenberg in Warendorf erfchienen, um dort zugleich
mit Vertretern des Domkapiteld, der Ritterſchaft und der
Stadt Miünfter einen Uuartaltag abzuhalten und die Sol-
daten des Kapitäns Velen, eines Sohnes des Oberjten, welche
zu dieſem Zwecke ohne Bedenken in die Stadt eingelafjen
wurden, zu muftern, hatten jie jhon Kenntnis von einem
Schreiben des Landesheren, nad welchem beide „Landver—
derber“, Mansfeld wie Herzog Chriftian, einen gemeinfamen
Angriff auf das Stift im Schilde führten. Sie dachten des:
halb aud jest nicht daran, Johann zu Gerdes und jeine
Mannſchaft abzudanten oder umzuguartieren.
Dom Wachdienſte waren die Stiftsjoldaten jedoch ſchon
gleich nad dem Abzuge des Halberftädter8 ganz wieder aus:
geihloffen. Die Warendorfer wollten ihnen nicht einmal
geftatten, herrenlojes Gefindel aus der Umgebung der Stat
zu vertreiben, „um der Gefahr willen, welche diefer daher
entitehen könnte.”
Nicht jo fügfam wie Johann zu Gerdes waren andere
Befehlshaber von Stiftstruppen. Als der Bogt zu Sajjen-
berg Otto Plettenberg am 27. Mai 200 Mann in ge
Ichloffener Abteilung „mit Pfeiffen und Trummen“ durd
133
die Stadt geführt hatte, wiewohl er nur um die Erlaubnis
des Durchzuges für 60 Mann eingefommen war, hatte
ich der Rat durch die Aufregung, welche ſich deswegen der
Bürgerſchaft bemächtigt hatte, veranlaßt gejehen, den Thor:
wächtern einzufchärfen, Soldaten nur auf ausdrüdlichen Be-
fehl einzulaffen. Demgemäß bießen dieſe den Lieutenant
Melchior Blettenberg, mwelder am 29. Mai mit 100
Mann vor der Münjterpforte erichien, warten, bis Weiſung
vom Rathauſe erwirkt jei. Plettenberg wurde hierüber jehr
unmwilig, und ritt unter heftigen Vorwürfen auf und ab.
Als ihm aber jchließlid die Erlaubnis nur mit der Ein-
ichränfung erteilt wurde, daß er jelbit feiner Abteilung vor:
anreite und die Bürgerwehr derjelben folge, fluchte er „tau—
jend Teufel auf die Stadt” und befahl, nunmehr den Weg
um diejelbe zu nehmen. Vergebens griff Gerdes feinem
Pferde in die Mähne und fuchte ihn zur Ruhe zu jprechen
mit den Worten, „es fei nicht übel gemeint, er jolle ja
durchgelafien werden.” Die Soldaten zogen ab, indem lie
ih allerhand Ausfchreitungen zu Schulden kommen ließen;
namentlih wurden von den Gartenhäuschen die Pfannen
abgejtoßen.
Mehr no, als ſolche Zwifchenfälle, mußte es Erbit:
terung hervorrufen, daß troß des im Februar gegebenen
Verſprechens, nad welchem die Bürger den Soldaten nur
das Servis zu geben hatten, die Löhnungsgelder ausblieben.
Auch al3 dann auf dem Ausſchußtage im Mai die Bezab:
lung der Söldner bis zur Mufterung den einzelnen Quar—
tieren zur Pflicht gemacht wurde, blieben die Koften für den
Unterhalt der Befatung allein auf den Schultern der Bür—
ger laiten. Am 17. Juni fragte die Stadt bei dem Magi—
ftrate zu Miünfter an, ob man nicht felbftändig von den
Schatungseinfünften zurüdhalten folle, was von den Sol:
daten verzehrt worden fei. Aber diefer Vorſchlag ſcheint
nicht angenommen zu jein, da die Stadt Münfter im Dfto:
134
ber Elagte, daß jie ihre Beſatzung ſchließlich aus eigenem
Sädel habe bezahlen müſſen.
Die von den Ständen bemwilligten Steuern wurden
aljo gleichwohl eingefordert. Als am 30. Mai in Waren:
dorf ein ſtarkes Schreiben einlief wegen Beibringung der Feuer:
jtättefhagung, wurde bdiejelbe von der Stadt für diesmal
in der Weije ausgefhrieben, daß die Heuerlinge die eine
Halbiheid, die Eigentümer die andere Hälfte zu entrich:
ten hatten. Zur Bezahlung der jaldriihen PBenfionsgel-
der mußte das Amt Safjenberg bis Jakobi dem Piennig-
meifter der Landſchaft 672 Thaler einliefern. Alſo teilte
der Rentmeilter am 25. Juni den auf dem Müllenhofe ver:
jammelten Vertretern, als melde Goswin Ketteler und Hein-
ri Korff von Harkotien, der Herr vom Greninghofe, die
Bürgermeilter Werner Pagenſtecher und Heinrich Harnijch-
macher, jowie der Ratsherr Rolewink erichienen waren, im
Auftrage der fürftlihen Räte mit. Sie beichloffen, deswe—
gen eine halbe Kirchipielihagung auszujchreiben, die dann
noch fehlenden 50 Thaler aber vorläufig aufzunehnten.
Gleich nach dem Abzuge de3 Halberjtädters hatte man
in Warendorf eine Neubefeltigung der Stadt in Er:
wägung gezogen. Beſonders die Hauptleute ‚hielten viel-
fältig darum an, daß man bei Zeiten etwas machen möge,”
und wiederholt fam dieje Angelegenheit in gemeinjamen
Eitungen des Rates, jowie der Alterleute, Kur und Gilden
zur Sprade. Als beſonders notwendig erſchien es allen,
den Saflenturm ftärker zu befeftigen und die Mühle vor dem
Emsthore zu fihern. Da fie jedoch über die zu dieſem
Zwede erforderlihen Maßnahmen zu feinem einheitlichen
Entſchluſſe kommen konnten, jo war nichts geichehen, als
im Dftober neue Feinde heranrüdten. Nur war Meifter
Hans Hornburg aus MWiedenbrüd der Auftrag gegeben wor:
den, ein neues „ſtarkes Geſchütz“ zu gießen, das Kugeln
von viereinhalb Pfund ſchießen könne.
135
Am 1. November rüdten Mansfeldihe Scharen von
Holland her in das nördliche Münfterland, und bald darauf
tolgte ihnen Herzog Chriftian nach Dftfriesland. Bereits
am 25. Oftober waren die Warendorfer durch ein Schreiben
der fürftliden Räte zu eifrigem Wachtdienfte aufgefordert
worden, und jie jäumten nicht, Vorkehrungen zur Ab:
wehr zu treffen. Den Hauptleuten wurde anbefohlen, in
ihren Quartieren „alles zu beftellen” und in den Häuſern
der Bürger nachzujehen, „ob diejelben auch mit ihrem Ge:
wehre, Pulver und Lot gefaßt jeien.” Das Verbot, in
fremde Dienfte zu treten, wurde erneuert. Wer dasjelbe
nicht beachten würde, den jollten jtrenge Strafen treffen,
und wenn er verheiratet wäre, ihm Weib und Kinder nachge—
ichielt werden. Von einer Einberufung derjenigen, welche
jich bereits früher auf eine andere Fahne hatten verpflichten
lafjen, wurde Abjtand genommen, jedody verlangt, daß fie
zum Unterhalte der Stadtjoldaten Beifteuer leifteten. Als
der Rat in Vorſchlag bradte, aufs neue 50 Mann anzu:
werben, waren Alterleute, Kur und Gilden damit nicht nur
einverftanden, jondern wollten jogar die doppelte Anzahl
angenommen willen, „daß man zur Defenfion sufficiant
ſei.“ Wie e8 jcheint, wurde demgemäß beſchloſſen. Zur
Bejoldung wollte man „vorerſt Geld aufnehmen und dar:
nad auf Mittel gedenken ;“ es fjollte zu diefem Zwede in
Münjter eine Anleihe von 1000 Thalern gemacht werben.
Die Bürger wurden zu freiwilligen Leiſtungen aufgefordert;
die Ratsmitglieder gingen ſelbſt mit gutem Beijpiele voran,
indem ein jeder von ihnen, oder je zwei zuſammen, auf ei-
genen Beutel die Unterhaltung eines Soldaten übernahmen.
Die Leitung der Stadtlompagnie jollte einem „erfahrenen
Manne, der fich auf Defenfion und Feftung verftehe‘, über:
tragen werden. Anfangs war Lieutenant Severin Düßer
„der Soldaten Oberfter”; aber am 9. Dezember wurde dazu
Hans Menje aus Wiedenbrüd beftimmt. Düßer erhielt
136
fortan in jedem Monate 12 Thaler, während das Gehalt
des neuen Kapitäns neben freier Herberge, freiem Brande
und einem Bette monatlid 25 Thaler betrug. Zum Fähn—
rih wurde Joſt Philipp Korff ernannt, jedoch ſchon im fol—
genden Monate wieder entlaffen. Als Chargen waren außer:
den noch in der Kompanie drei Sergeanten, unter ihnen
Jürgen Behrmanın und Otto Nettelenftrot, ferner Hans
Frimoeth als Gefreiter Korporal, die Korporale Andreas
Wegener, Heinrih Nyſſink und oft Lichtehert, jowie 15
Gefreite.
Aber was geſchah denn nunmehr zur Verſtärkung der
Feſtungswerke? Der Oberſt Velen erbot ſich, dieſelben
zu beſichtigen und ein Gutachten abgeben zu wollen. Man
hielt es jedoch nicht für ratſam, ihn „zur Fortifikation der
Stadt zu gebrauchen“ und beauftragte am 5. November die
Richter, Kämmerer und Hauptleute, darüber neue Vorſchläge
zu unterbreiten. An den Bau größerer Werke war jetzt
nicht mehr zu denken, die geeignete Zeit war nicht benutzt
worden. Es wurde vereinbart, einen Wall aufzuwerfen,
damit alles Waſſer in den Stadtgraben laufe, alle Ausgänge
der Höfe nach dem Walle zu verrammeln, alle Ketten einzu—
hängen und das Holz vor den Pforten wegzuſchaffen.
Während des Tages hatte an jeder Pforte eine Notte
zu wachen, nachts eine fünfte am Saffenturm: ſeit dem
15. November jedoch zogen abends, nachdem mit den Trom—
meln Bergatterung gejchlagen war, fieben Rotten für die
Naht auf Wade. Die wehrpflichtigen Bürger mußten jekt
in eigener Berfon fich zum Wachdienſte einfinden; zuvor
war geftattet, aus der Zahl einer von der Stadt aufgeitell:
ten Lifte einen Vertreter zu ftellen. Dem MWachbefehlshaber
wurde anbefohlen, gute Aufficht zu halten. Die Trommeln
mußten auf den Thorwachen immer bereit ftehen, damit die
Wehrpflichtigen um fo ſchneller durh Alarmſignale zuſam—
men gerufen werden könnten, wenn der Stadt Spielmann
137
vom Turme aus den Anmarſch von Truppen melden jollte.
Kriegsvolf durfte nicht eingelaffen, Brot und Korn, Bier
und Koit, Vieh und Fleiſchwaren, Salz und Pulver, über:
baupt „Viktualien, Proviant und was zu der Munition
dienlich“ nicht ausgeführt werden.
Um einen Brand fofort Löfchen zu können, mußte jeder
Bürger vor dem Haufe wie auf dem Balken eine „Bodde“
mit Waſſer bereit jtehen haben. Die Wirte hatten jeden
Abend ein Verzeichnis ihrer Fremden einzuliefern; ſie durf—
ten unter Strafe von einem Thaler niemanden länger als
eine Wacht beherbergen, fremden Soldaten aber überhaupt
fein Quartier geben.
In Bedum waren am 29. Auguft über ein gemeinja:
mes Defenfionswerf der weitfälifchen Lande des Erzbijchofs Fer:
dinand Bereinbarungen getroffen worden. Gleich anderen
Ständen war jedoch auch die Stadt Warendorf nicht gemillt,
jich demjelben zu fügen und zu verſprechen, „wenn der Aus:
ſchuß resistenz zu thun zu ſchwach jein würde, daß alsdann
auf des Herrn Obriften Velen Erfordern aus der Stadt die
Bürger folgen und ihm Beiltand leiften, und da die Sol:
daten weichen müßten, daß diejelben alsdann von der Stadt
eingenommen und beichüßt werden jollten.” Der Richter
Rolewink, welcher am 24. November mit dem Stabtichreiber
zum Landtage in Münfter abgeordnet wurde, erhielt Weis
jung, die Vereinigung mit Paderborn und Köln
als ‚‚nicht dienlich” zu erklären, weil dadurch die Neutra=
lität mit den Generaljtaaten verlegt werde. Die Holländer
jeien in der Lage, das Stift ‚ins Berderben zu jegen,”
ehe und bevor die Paderborner und Kölner würden Hülfe
bringen können. Die Beichlüffe der Bedumer Verfamm:
lung wurden indefien vom Xandtage gebilligt, wenn auch
die Stände von der „Ausfolgung der Bürger” vorläufig
Abſtand nahmen.
138
Weit mehr aber fträubten fi die Warendorfer gegen
die Aufnahme von Truppen Anholt3, welde Anfang
November zum Schuge Weftfalens herangerüdt waren. Hat—
ten jie doch auch die Bejakung von Stiftsjoldaten erit nach
langem Widerftreben eingelajien und dem DOberften Velen
nicht einmal geftattet, die Befeftigungswerkte der Stadt zu
befihtigen! Bürgermeifter und Nat, Alterleute, Kur und
Gilden wiefen am 17. November „einhellig“ die Aufforde-
rung der fürftlichen Räte, als getreue Unterthanen dem Be-
fehle des Landesherrn gemäß die Einquartierung zu geſtat—
ten, mit dem Bemerken zurüd, es werde dieje Angelegenheit
auf bevorjtehendem Landtage erörtert werden. In gleicher
Meife wurde tags darauf Julius von Steinhauſen, der Quar—
tiermeifter des Grafen bejchieden, und am zmweitfolgenden
Tage ein weitere® Schreiben der fürftlihen Räte beantwor-
tet, fie erflärten, jie wüßten jich freilich des dem Kaiſer als
oberftem Haupte der Chriftenheit, wie auch dem KHurfüriten
als Landesherrn gebührenden Gehorfams wohl zu erinnern,
aber die geitellte Forderung widerſpreche „den gemeinen wie
diejes Stiftes Privilegien.”
Und nicht anders wie die Vertreter der Stadt dadıte
„die ganze Gemeinheit.” Das zeigte jih am 23. Novem-
ber. Im Auftrage der Hauptleute hatten die Rottmeifter
alle Bürger auf ein Uhr nachmittags zur Beratung vorbe:
ihieden, und dieſe waren in großer Zahl auf dem Rathauje
erichienen. Als ihnen nun durch die Alterleute mitgeteilt
wurde, der Rat halte dafür, „daß wegen allerhand bejorg-
ter Gefahr und in der Nachbarſchaft befchehenen Übelhauſens“
weder die Soldaten Anholis noch andere Truppen aufzu:
nehmen jeien, erklärten ſich alle Anwejenden ohne Ausnahme
damit einverftanden, und gelobten ‚unter Handfaſſung,“
„Leib und Blut zur Defenjion diejer Stadt auflegen zu
wollen.
Tags darauf reiten die Abgeordneten Warendorfs zum
139
Landtage in Münfter ab. Wie alle Bemühungen, jie und
Die DBertreter der übrigen Städte zur Nachgiebigfeit zu be:
wegen, feinen Erfolg hatten, wird in einer anderen Ab:
handlung geichildert werden !). Vergebens wies die Stadt
Müniter auf einem zum 10. Dezember einberufenen Städte:
tage, auf weldhem Warendorf durch die Ratsmitglieder Ro—
lewint und Huge vertreten war, nochmals auf die Gefahren
bin, welde bei weiterer Widerjeglichkeit der Freiheit der
Städte drohe. Sie führte vor Augen, daß es Anholt nicht
Ihwer fallen werde, die geforderten Quartiere zu erzwingen,
zumal nit nur Cordova „innerhalb zweimal vier und
zwanzig Stunden‘ aus der Mark ihm zu Hülfe kommen
fönne, jondern auch Tilly, welcher feine Aufgabe in der
Pfalz gelöft habe, jeine Truppen heranführen werde. Die
Berjanmelten Liegen ſich durch ſolche Warnungen nicht um:
jtimmen, erflärten fich jedoch bereit, ihren Gemeinden den
vom Syndilus der Stadt Münfter abgefagten Entwurf zu
einem Schreiben zu überbringen, durch welches der Landes:
herr um Zurüdnahme jeiner Verordnung erjucht werden
jollte. Aber die Stadt Warendorf, deren Beſchlüſſe damals
auch für andere Städte des Stiftes maßgebend waren, ?)
hielt es ‚aus allerhand Motiven nicht für ratfam,” das:
jelbe abzujenden. Sie erflärte, nur zugleich mit den an
deren Städten eine jolde Bitte an den Kurfürften Ferdi—
nand richten zu wollen.
Dieſem wurde von feinen Räten in Miünfter über bie
Widerjeglichkeit der Warendorfer berichtet. In zweien Schrei:
ben meldeten fie ihm im Verlaufe des Monats Dezember, ?)
') Herzog Chriſtian von Braunſchweig und die Stifter Münfter und
Paderborn im Beginne des dreikigjährigen Krieges. Teil II.
2) So baten im Verlaufe des Dezembers Ahlen, Beckum und Dülmen
um Berichte.
9) 2. Dezember (MLP—AE); 16. Dezember (MLAVIII 592). Staats:
archiv in Münfter.
140
dak dieſelben fich nicht nur weigerten, den Truppen in Saſ—
jenberg, Fredenhorft, Delde und Harſewinkel gegen bare
Bezahlung Lebensmittel und Futter zu liefern, jondern auch
den Soldaten des Stiftes den Weg durch die Stadt nicht
geftatten wollten.
Welche Vorgänge lagen folden Klagen zu Grunde?
AS Kapitän Velen am 6. Dezember für einen Konvoi von
30 Mann um Quartier für eine Nacht bat, wurde ihm das—
jelbe verweigert, jedoch die Lieferung von Lebensmitteln
veriprodhen. In gleicher Weile wurde ihm der Einlak ver:
wehrt, al3 er am 17. Dezember mit vier bis fünf Rotten
vor dem Fredenhorfter Thore erſchien; der Altermann Heile-
ling erklärte ihm, es gäbe auch außerhalb der Stadt eine
Brücde über die Ems. Der Kapitän mußte ſich fügen. Er
rüdte ab unter den drohenden Worten, er werde es der
Stadt gedenken, wenn er nicht am felben Abende rechtzeitig
in Münfter eintreffen ſollte. Auch ließ er dur den Kom:
miſſar Frig de Wendt, welcher mit ihm nach Warendorf gefommen
war, um im Hofe des Junkers Ties Nagel Beſuch zu maden,
beim Magiftrate über die Bürger, welche die Wade am
Thore gehabt hatten, Beichwerde erheben. Sie hätten ihm
„die Musketen auf die Bruft geſetzt und ihn übel traftiert,’
auch feinen Bater einen Landesverräter gejcholten. Die An:
geflagten leugneten das jedoch. Es jei Fein ungebührliches
Wort gefallen, und der Boften habe freilich auf fein Gewehr
die Lunte aufgeſchraubt gehabt, aber nicht mit denselben
gedroht.
Und wie verhält es fi mit der Weigerung, den Trup:
pen Anholts Lebensmittel zu verkaufen? Die Warendorfer
hatten allerdings ſolche Forderung ebenfo zurückgewieſen,
wie am 29. November und 9. Dezember den aufs neue
zugeitellten drohenden Befehl, die Cinguartierung zu geitat:
ten. Am 14. Dezember hatte DOberitlieutenant Matthias
de Gallas die Lieferung von Biltualien nad Fredenhorit
141
verlangt. Die Quartiere feien ſchlecht und die Hausleute
hätten ihre Vorräte in die Stadt gejchafft, jein Kriegsvolf
aber jei im Auftrage des Kaiſers und des Biſchofs von Mün-
fter gelommen. Wenn nun die Bürger gleichwohl jeiner
Forderung nicht Folge leijten würden, jo dürften fie ſich
nicht beklagen, wenn ihnen daraus ‚einig Unheil” entjtchen
jollte. Aber dieje ließen ſich durch jolde Drohung nicht
einjchüchtern und verbaten ſich jein Anmuten. Sie verehrten
jedod dem Oberftlieutenant ‚‚etlihe Fiſche und zwölf Roſen—
obeln,” ebenjo zwei Wochen jpäter ihm ein Ohm bein,
dem Grafen Anholt aber zwei Ohm Wein, ein Fuder Hafer
und einen Ochſen.
Inzwiſchen hatte der Kaijer unter dem 17. Dezember
1622 ein Eingquartierungsmandat erlaflen, durch mel-
es allen Ständen und Unterthanen des Erzbiichofs Ferdi-
nand ‚bei ernfter, unausbleiblicher Strafe‘ anbefohlen wird,
„zu des gemeinen Wejens und ihrer jelbit Hilfe, Troft und
Rettung, auch ohne Verlegung und Nachteil der ſelbiger
Drte vorhandenen Neutralität” de3 Grafen Anholt Kriegs:
volk unmeigerlich aufzunehmen und demjelben „allen mög:
lichten Vorſchub und Beförderung” zu leiften.!) Indem
der Landesherr dieſen Erlaß jeinen Räten zuftellen läßt,
befiehlt er ihnen gleichzeitig, den Städten darzulegen, dab
die Lat der Einquartierung von den einzelnen Gemeinden
leicht zu tragen jein würde, wenn die Truppen gleichmäßig
auf Stadt und Land verteilt werden fünnten, zumal auch
inzwiſchen für Auszahlung des Soldes Sorge getragen jei.!)
Am 5. Januar 1623 beauftragt die Regierung zu Mün-
jter den Notar der kaiſerlichen Kammer Heinrich Wäſcher,
welchem zwei fürjtlihe Trompeter beigeordnet werden, den
widerjpenjtigen Städten das kaiſerliche Mandat in originali
1) Näheres an einem anderen Orte.
142
vorzuzeigen und ihnen beglaubigte Abjchriften einzuhändigen.
Zu dieſem Zwecke trirft Wäſcher am Montag, den 9. Ja—
nnar, in Warendorf ein.?)
Hier war tag zuvor die Stadtvertretung in ge:
wohnter Weiſe erneuert worden. Die abdankenden Rats—
mitglieder hatten Heinrih zum Sile und Hermanı Kramer
gekürt, dieſe Zweier vier andere Wahlmänner, Paul zum
Brinke, Andres Holftein, Johann Bisping und Henrid) Huge,
die Vierer jodanır Die zwölf Kurgenofjen und leptere den
Senat. Die Kurgenojjen waren Dr. Goddert Gije, Jürgen
zur Möllen, Henrih zum Sile, Hermann Linning, Gerd
Ahage, Werner Heſſeling, Goddert Dorfjel junior, Hermann
Uphoff, Chriftian Bisping, Henri Schmitt, Hermann Ha—
ven und H. Heiffen. Die beiden Bürgermeijter waren Wer:
ner Pagenftecher und Heinrih Harniichmader, die Kämme—
rer Johann Gife und Johann Sterneberg, die Richter Wer:
ner Rolewink und Henrich Vogt; außer diejen gehörten zum
Rate Rotger Huge, Henrich Bisping, Caspar Ahage, Her:
mann Heſſeling, Goddert Dorfiel senior und Johann
Bisping.?)
Dem Notare der faiferlihen Kammer war geantwortet
worden, nach der Betätigung des neuen Nates werde der-
jelbe die Erlaije „der gelamten Bürgerei” zur Beratung
vorlegen. Die Mitglieder desjelben waren ſich der Schwie-
rigfeiten, welche ihnen die übertragene Würde bringen mußte,
wohl bewußt. Als die Kurgenoſſen jie ermahnten, dafür
Sorge zu tragen, daß ihre Beſchlüſſe nicht fofort in Mün—
fter und Saffenberg befannt würden, und jich jo zu verbal:
ten, daß die Stadt „bei der Neutralität erhalten bleibe,’
1) Näheres an einem anderen Orte,
2) Acht Tage jpäter bejtimmte der Nat zwei Wahlmänner, diefe zwei
andere und letztere jchlieglich die beiden Altermänner. Im Sabre
1623 wurden gekürt Sohann Hejjeling und Jürgen zur Möllen.
145
gaben fie zur Antwort, fie würden in diejer gefährlichen
Zeit gern „des Ratsſtandes verſchont bleiben,“ ſähen ſich
jedoch durch ihren Bürgereid zur Annahme der Wahl ver:
pflichtet.
Am 10. Januar fand die Beratung der Bürger auf
dem Rathauſe jtatt, und zwei Tage jpäter wurde die Antwort
auf die Befehle des Kaiſers und des Landesherrn abgeſen—
det. Sie erklärten, die Aufnahme des Kriegsvolfes müſſe
der Stadt notwendig zum Berderben gereihen. Da dasjelbe
nicht nur Speife und Trank und täglih Zehrungsgelver
verlange, jondern auch mit den Eingefejlenen umginge, daß
es Gott im Himmel erbarmen möge, jo würden die Bürger
alsbald nicht mehr im Stande jein, die von den Ständen
bewilligten Steuern zu entrichten und Haus und Hof ver:
lajien müjjen. Auch fei zu befürchten, daß die Generalitaa:
ten jih durch die Einquartierung bejtimmen lafjen würden,
die Neutralität für gebrochen zu erklären; jedenfalls würde
diejelbe auf den Handel mit den Holländern ſtörend einwir-
fen. Aus diejen Gründen jähen fie ſich veranlaßt, die Be:
jagung zurüdzuweijen. Die Landesprivilegien, wie aud) die
Reichsabſchiede und das gemeine Necht geftatteten ihnen das;
jie jeien dazu berechtigt, cum omnia prineipum mandata
et rescripta excusationes et defensiones admittant, nee
eadem a prineipe cuiquam auferri debent aut possunt,
quia jus suum cuique conservantes juris sunt naturae
et proinde a principe nulli auferendae. Sie ſchlagen
vor, einen Städtetag einzuberufen, damit auf diefem zum
faijerlihen Patente einheitlih Stellung genommen werde.
Inzwiſchen würden jie, wie bisher, mit der bayerifchen
Armee gute Beziehungen unterhalten, derjelben Lebens:
mittel zuführen und ihr jeglichen Vorſchub leiften; auch feien
1) Näheres an einem anderen Orte,
144
jie bereit, dur eigene Wehr unter Aufbietung von Xeib
und Blut ihre Mauern gegen den Feind zu verteidigen.
Da and andere Städte den Wunſch ausgeiproden hat—
ten, den failerlichen Erlaß gemeinfam zu beraten, jo beab—
ichtigte der Magiltrat zu Münfter eine jolde Versammlung
einzuberufen. Sein Borhaben jcheiterte jedoh an dem Wi-
derijpruche Anholts, welcher befürchtete, daß dadurd Die
Oppoſition nur geſtärkt werden würde.
Bon den Städten des Stiftes hatten ſich — von einer
Beſetzung Münſters nahm man aus mandherlei Erwägungen
Abjtand — nur Werne und Telgte, und nah Zuſtellung
des faiferlihen Mandates auch Horjtmar, zur Aufnahme von
Truppen Anholts bereit erklärt. Zur Bezwingung des Wi—
deritandes ordnete der Landesherr nunmehr Zwangsmaß—
regeln an.
Am 14. Februar ließ Anholt nah Warendorf durch
einen Trommeljichläger ein Schreiben überbringen, des In—
balt3, man möge jich endgültig erklären, ‚ob man in die Ein:
quartierung in der Güte wolle willigen, oder die Ertremi-
täten verſuchen.“ Aber Rat, Alterleute, Kur und Gilden
verweigerten aufs neue einhellig die Aufnahme; fie wollten
„lieber alles ausitehen, al$ ihre Berjon, Weib und Kind
in Gefahr ſetzen.“ Doc ſollte die Antwort „aufs glimpf:
lichſte“ abgefaßt werden. Auch die übrigen Bürger, welche
ih am 15. Februar zur Beratung verjammelten, lehnten
einitimmig die Einquartierung ab und veripradien, „Leib
und Blut zu der Stadt Defenfion aufzujegen und diejelbe
bis auf den legten Wann zu halten, thaten auch darauf
„Handfaffung zu Handen der Alterleute.”
Schon am 17. Februar traf von Anholt, welcher ſich
gezwungen jah, die Unterwerfung mit allen Mitteln zı bes
treiben, ein neuer Befehl ein, und am jelben Tage
Ihicten die fürftlihen Räte „ein jcharfes und ernftliches
Erinnerungsichreiben.” Sie wiejen die Bedenken der Bür—
145
ger zurüd und drohten mit „ihnen vielleiht zum Unftäten
gereihenden Zmwangsmitteln” Insbeſondere verboten fie,
noch ferner verbädhtigen Gefellen den Aufenthalt zu geftatten.
Letztere Marnung war jedenfalls an erjter Stelle an die
Adreſſe der Stadt Ahlen gerichtet, an welche ein gleichlau—
tendes Schreiben abging. Die Warendorfer, welche, „die:
weil dies eine ſehr wichtige Sache ſei“, nochmals die ganze
Gemeinde vorbeſchieden hatten, Tonnten in ihrer Antwort
vom 20. Februar erklären, jie wüßten nicht3 von folchem
fremden Gefindel. jedenfall drohe der Stadt nit durch
diejes Gefahr, ſondern durch das Faiferliche Patent, welches
zwifchen den einzelnen Ständen durchaus feinen Unterjchied
mache und feit unvordenkliden Zeiten geltende Nechte, Pri-
vilegien und Freiheiten umftoße. Es werde ihnen deshalb
nicht ſchwer fallen, auf nächſtem Landtage ihr Vorgehen zu
rechtfertigen, zumal fie ebenjowohl aus Treue gegen den
Zandesherrn, wie aus Rüdjiht auf ihr eigenes Intereſſe
fih gegen Angriffe der Feinde durch eigene Wehr verteidi-
gen würden. — Zu joldem Schreiben bemerkt der Kanzler
Wefterholt in einem Berichte an den Landeshern: es habe’
ihm ein guter Freund gejchrieben, „wofern der Has (d. i.
Warendorf) diefen Raum den Winden entichlage, werde ihn
fein Hund bald fangen‘; darauf habe er diefem geantwor-
tet, „der Has habe die groben Hunde am Rehe wohl jagen
hören; werde er ſich dem Jäger nicht jelbit in die Hand
ftellen, folle er dergleihen Hunden nicht entlaufen“.
Am 17. Februar war Bernard Kerjienbrod vom Rate
beauftragt worden, im Vertrauen den Sekretär des Grafen
auszuforfhen, „ob die Einquartierung abzuhandeln oder ab-
zufaufen”. Die Warendorfer waren zu Opfern bereit; nur
um Abwendung der Einguartierung und Wahrung ihrer
Gerehtjame war e3 ihnen zu thun. Seit Zuftellung des
faiferlihen Mandates hatten fie die Lieferung von Lebens—
mitteln nad Sajjenberg geitattet. Ein Bürger, wel:
XLVII. 1. 10
146
her den Berfauf von Brot nad) dort verhindert hatte, wurde
am 13. März in Strafe genommen. Als am felben Tage
der Hauptmann, welcher in Saſſenberg befehligte, die Aus:
folgung von Fleiſchwaren verlangte, wurde ihm geantwortet,
man ſei gern dazu bereit, wenn er von der geiftlichen Obrig-
feit die Erlaubnis erwirke, daß man troß der Faftenzeit
Vieh ſchlachten und Fleiſch verkaufen dürfe, und wenn er
den Bürgern, weldhe Rinder und Kälber erhandeln wollten,
jiheres Geleit verihaffe. — Auch in anderer Weiſe juchten
die Marendorfer dem Grafen Anholt entgegenzufonmen.
Stet3 wurden feine Boten gut bewirtet und oft reich be-
ſchenkt; jo zahlte man einem derjelben im Januar drei Tha-
ler „zu einer filbernen Trompete”. Als Anfang März
David Nettelenitrot einen bejonders ſchweren Hecht gefangen
batte, jchidte man diejen in des Grafen Küde.!) Kurz zu:
vor hatte man ihm auf jeinen Wunſch — natürlid) unter
Vorbehalt der jtädtiihen Gerechtſame — die Auslieferung
Hermann Biderwandt’S und feiner Diener verſprochen, wenn
ie einer emeuten Aufforderung, die Stadt zu verlafien,
nicht qgutwillig Folge leiften würden. Biderwandt war im
Jahre zuvor zugleich mit Dtto Korff in des Herzogs Chri-
jtian Dienfte getreten; als die Stadt am 15. Februar ihn
gleich allen anderen, welche in balberftädtiichen, mansfeldi—
ichen oder holländiſchen Dienjten gejtanden hatten, ausge:
wieſen hatte, hatte er jich unter Berufung auf jein Bürger:
recht dem Befehle nicht gefügt. — Hier möge auch Erwäh-
nung finden, wie jehr darauf geachtet wurde, daß die dem
Landesheren jchuldige Ehrerbietung nicht von den Bürgern
verlegt werde. Sie wurden am 16. Februar angemahnt,
wenn fie die politische Lage erörterten, jih allen „Strun:
zens“ zu enthalten, da diejes Berbitterung hervorrufen fünne.?)
Indeſſen Anholt Tonnte von der Einquartierung nicht
1) Kämmerei +» Rechnung. — ?°) Vgl. Seite 131.
147
Abftand nehmen. Die Städte Dülmen, Haltern, Rheine,
Breden und Ahlen hatten fich bereit unterworfen, ‚als fie
den Ernjt gejehen”, und am 2. März begann die Belage:
rung von Bedum. Mehr wie je zuvor mußte Warendorf
nunmehr des Angriffes gemwärtig fein. Aber es verzagte
nicht und beſchloß am 4. März feine Wehr no mehr
zu verftärfen. YFünfzig weitere Soldaten follten angenom:
men werden, jeder Bürger nad) Vermögen einen Soldaten un:
terhalten. So nahmen die beiden Bürgermeijter, ſowie Vogt,
Giſe, Sterneberg, Hefjeling und Johann Bisping die ganze,
die übrigen Ratsmitglieder die halbe Löhnung eines Solda-
ten auf fih. Die Landwehren wurden geſchloſſen, der Ver:
fauf von Lebensmitteln nach auswärts von neuem verboten.
An Pulver und Lot war fein Mangel; Friedrich Eilers hatte
im Januar 582, im Februar 342 Musfetenkugeln für die
Stadt gegofien.
Schon jeit dem 6. Dezember wachten nachts 14 Notten
Bürger und die Halbſcheid der Soldaten, feit dem 17. De:
zember 16 Rotten. Für diejelben war am 6. Februar fol«
gende Dronung bejtimmt worden. 3 follten ausgeſtellt
werden
am Bentheimturme 11/5 Notten Bürger und 6 Soldaten,
an der vorderiten Djtpforte 1 R. und 6 ©.,
auf dem Rundell an der Dftpforte 1 R. und 6 S.,
auf dem Fredenhoriter Walle 1 R.,
an der Freckenhorſter Pforte 1 R. und 6 S.,
an der Keſſelſtraße 1 R. und 6 ©,,
an der Münfterpforte 1 R. und 6 ©.,
am Hudepoeläturme 1 R.,
am Sajlenturme 1 R. und 6 ©,
auf dem Werdell (?) 11/ R.
an der Emspforte 1 R. und 6 ©.,
auf der Wadtftube 1 R. und 6 ©.,
am Rathauje 3 R.
10 *
148
An welchem Orte die einzelnen Soldaten zu wachen hatten,
darum hatten fie zu loſen und zu fpielen. Abends 8 Uhr
wurden die Ketten aufgezogen, um Mitternadt die Loſung
gewechſelt.
Am 8. März kapitulierte Beckum. Tags darauf erſchien
der Lieutenant Manderſcheidt in Warendorf, um im
Auftrage des Oberſtlieutenants Gallas nochmals anzufragen,
ob man eine Beſatzung „in Güte oder in andere Wege“
aufnehmen wolle. Rat, Alterleute, Kur und Gilden waren
jedoch auch jetzt nicht gewillt nachzugeben. Sie erklärten ſich
bereit, „bei einander zu leben und zu ſterben“; „da aber
andere gütliche Mittel könnten vorgeſchlagen werden, wolle
man die ſo viel menſch- und möglich annehmen und prä—
ſtieren“. Ehe fie jedoch die Antwort abſendeten, wollten ſie
mit der ganzen Gemeinheit Rückſprache nehmen. Als diejer
Beſchluß dem Gefandten mitgeteilt wurde, erfuchte er um
Audienz. In derjelben erflärte er, „dab er volllommen
Macht und Gewalt hätte, auf gewiffe Kondition mit der Stadt
zu accordieren” und verſprach, daß der Rat die Schlüffel
behalten und ſolche Mannszucht gehalten werden folle, daß
jeder damit zufrieden jein werde. Wenn man aber Anbolt
zwingen werde, mit Waffengewalt einzufchreiten, „alsdann
würde fein Accord zu verhoffen fein, fondern man würde
gegen diefe Stadt als Rebellen, Meineidige und untreue
Unterthanen procedieren.” Der Rat erwiderte auch jekt,
die Sache jei zu wichtig, ald daß ohne Vorwiſſen der Bür—
ger zu derjelben Stellung genommen werden könne.
Wie anderen Tages die Bürgerverlammlung verlief,
wird nicht berichtet. Doch geht das wohl zur Genüge dar:
aus hervor, daß der Rat beihloß, wegen eines Auflaufes
der Bürger und Soldaten, der durch die Anmwejenheit des
Lieutenants veranlaßt worden war, um Verzeihung zu bit:
ten, und Anbolt kraft kaiſerlicher Vollmacht an den
Kapitän und feine Soldaten den Befehl ergehen ließ, der
149
Stadt und der Bürgerfchaft als geächteten Rebellen unter
Strafe der Konfisfation von Leben und Gut nicht länger
zu dienen.
Dur den Vorwurf, Rebellen zu fein, fühlten fich
Hat, Aterleute, Kur und Gilden tief gefränft, „da fie Doch
niemals etwas wider Röm. Kayſ. Mayt noch Ihre Kurf.
Dhlt zu Köln, den allergnädigiten Landesherrn, vorgenom:
men, gehandelt oder gethan, oder auch niemal3 die Gedan-
fen dazu gehabt” hätten. Sie könnten nicht glauben, daß
der Yandesfürft fie wirklich für folche halte. Daß fie Sol:
Daten angenommen hätten, entipräche altem Herfommen und
jei gefchehen „einzig und alleinzur Konfervation diefer Stadt,
Ihrer Kurf. Dhlt, dem gnädigften Herrn, und dieſer Bür-
gerihaft zum Beiten, wider alle unverdienten Feinde diejer
Stadt”. Man riet dem Kapitän, unter Hervorhebung jol-
her Erwägungen ſich „beiter Geftalt”” bei Anholt zu ent:
Ihuldigen. Weiter berihtet das Protokoll vom 11. März:
„Die Einquartierung betreffend, hatte ein Rat mwohlmei-
nentlih vorgejhlagen, daß diejelbe aufs allerdemütigfte zu
verbitten und für gut angejehen, da dagegen biejelbe mit
Geld oder anderen Mitteln, al3 Kontributionen oder ber:
gleichen, könnte abgewendet werben, daß joldhes aufs aller:
äußerfte zu verjuchen jei, damit die extremität möchte ver:
mieden werden”. Und Alterleute, Kur und Gilden erflär:
ten hierauf ausdrücklich, „da die Einguartierung möchte ab:
gehandelt werden, daß auf jolden Fall alle Mittel ihnen
gefallen “.
Um über einen gütlihen Bergleih mit Anholt zu
unterhandeln, wurde Garthaufen, der Einnehmer des dreinjchen
Duartiered, an Anholt abgeorbnet. Aber dieſer fonnte „nichts
Fruchtbarliches ausrichten”. reellen; beftand auf der Ein:
quartierung. Er veriprach, „dieſelbe jo gering anftellen und
alljolde Disciplin halten zu wollen, daß die Bürger unbe-
Ihwert jein jollen“, wenn die Stadt fi freiwillig unter:
150
werfen werde; anderenfall3 werde er diefelbe „mit Gewalt
angreifen und Feine Kapitulation darnach geitatten ”.
Am 17. März jandte Gallas nochmals „ein beſchwer—
lihes Bedrohungsichreiben”, und tags darauf forderten auch
die fürſtlichen Näte, deren Bermittelung die Warendorfer
nachgejucht hatten, von neuem zum Gehorjam auf. Aber
die Stabtvertretung beſchloß nicht anders, wie zuvor; Damit
jedoch fein Bürger „Sich der Unwiſſenheit zu beflagen habe‘,
jollte des Oberftlieutenants Schreiben in jedem Quartiere ver-
leſen werben.
Die Stadt zog nunmehr in Erwägung, modurd etwa
die Einquartierung abgewendet werden fünne. Es wurde
in Borichlag gebracht, die Stadtjoldaten zugleich von Anholt
in Eid nehmen zu laffen; aber man befürchtete, daß weder
dieje jich dazu beftimmen laſſen, noch die Bürger damit ein-
verftanden fein würden. Um zu gemeinjamen Beratungen
aufzufordern, ſandte Gallag am 20. März den Rentmeiſter
zu Stromberg und den Gaugrafen zu Hersfeld. Diejelben
veripradhen, zur Sicherung der Abgeordneten die Droiten zu
Werne und Stromberg neben Offizieren des Heeres der Stadt
zuzufchiden. Als aber der Rentmeiſter die Ankunft ſpani—
ſcher Geihüte in Telgte meldete und erklärte, „daß die
Einguartierung nicht fünne abgehandelt werden, joniten wäre
zu verſuchen, welcher Geitalt dieſelbe einzurichten “, erwider:
ten Rat, Alterleute, Kur und Gilden ebenjo entjchieden,
wenn der Oberftlieutenant ‚außerhalb der Einquartierung“
Schriftlich folhe Mittel in Vorjchlag bringen werde, welche
„könnten praftifabel gemacht werden”, fo würden fie ich
„nad aller Möglichfeit accommodieren.
Auch als am 22. März von Gallad wie den fürſtlichen
Räten Anmahnungsichreiben einfamen „mit heftiger Be:
drohung“, gab man feine andere Antwort. Weil man je-
doh aus dem Schreiben der fürftlichen Näte entnommen
hatte, daß die Stadt Münfter in diejer Angelegenheit „mit
151
zu Nate gezogen werde”, wandte man fih auch an bieje
um Bermittelung.
Zur Belagerung kam e3 vorläufig nicht, Gallas rüdte
zunädit gegen das jieben Meilen weit entfernte Coesfeld.
Als diefes am 31. März feine Thore geöffnet hatte, und
auch Borken und Bocholt von den Bayern bejegt waren, wurde
Wiedenbrück belagert. Dann erſt wurde auch Warendorf
angegriffen.
Noch immer lebte man in Münſter der Hoffnung, Wa:
vendorf durch gütlide Verwarnungen bejtimmen zu können,
jeine Halsitarrigfeit aufzugeben. Jedenfalls hielt man ſich
dort für verpflichtet, nicht? zu unterlaiien, was das Amt
Saflenberg vor den Berbeerungen, die eine langwierige Be-
lagerung mit fih bringen mußte, bewahren konnt. Am
8. April überjandten deshalb die fürftlihen Räte ein neues
Mahnſchreiben, nachdem jchon tags zuvor Kapitän Goddert
zur Möllen ein ſolches von Oberſten Velen zugeitellt hatte.
Der Wagiftrat erwiderte, die Gemeinde ſei „jur Annehmung
des anholtſchen Kriegsvolfes in Feine Wege zu berichten ”‘,
erklärte jih aber von neuem bereit, diejelbe „auf andere
tauglihe Mittel, jo viel deren menſch- und möglich feien,
zu disponieren“.
Ebenjo wird man dem Oberftlieutenant Gallas geant:
wortet haben, al3 diejer am mächitfolgenden Tage zur Ver:
meidung der Erefution die Abgabe des Negimentes und die
Auslieferung der Schlüfjel verlangte. Als wenige Stunden
jpäter der Drofte zu Werne Franz von Ajcheberg und Jürgen
Nagel zu Stlingen, Drofte zu Stromberg, am Stadtgraben er:
ichienen und die beiden Bürgermeijter herausrufen ließen, trugen
dieje Bedenken Folge zu leilten. Sie erklärten fich jedoch gerne
bereit, jolche Vorſchläge entgegenzunehmen, welde von einer
Einquartierung Abitand nähmen. Eine gleiche Antwort wurde
gegeben, al3 am Nachmittage die Anholter jelbit dazu auf:
152
forderten, es möchten fich ein oder zwei Bevollmädtigte der
Stadt zur Unterhandlung einfinden; „wenn die Armee ab—
ziehen, der Bürger Korn unverderbt und alle feindliche An—
iprengung binterwegen bleiben, aljo feine Defenjion verur—
fahen würde, wolle man fchriftlicher Erklärung über taug—
lie Mittel außerhalb der Einquartierung gewärtig fein und
ih in aller Billigfeit vernehmen laffen“ Ein weiteres
Schreiben von Afjcheberg und Nagel, welches noch am jel-
ben Tage abends 10 Uhr eingeliefert wurde, gelangte am
folgenden Morgen zur Beratung.
Sie hatten eindringlich gemahnt, eine gemeinjame Ver—
handlung zu ermöglichen und verjprocden, der Stadt Ab-
geordnete durch Geiſeln ficher ftellen zu wollen. Rat, Alter:
leute, Kur und Gilden waren nunmehr bereit, zwei oder
drei Deputierte in der Stadt Landwehren einzulaffen und
mit diefen in Unterhandlung zu treten; und „damit die Ge—
meinde hierzu defto bejjerzu bewegen, jo jolle diejer Beihluß
der Gemeinde durch die Hauptleute vorgegeben werden, und
daß Ddiefe communication zu feiner Einguartierung, ſon—
dern allein zu anderen Vütteln, damit man zum Frieden
geraten möchte, gemeint ſei“. Am jelben Tage fand noch
die Beiprehung mit Aſcheberg ftatt.
Auf Grund diefer unterbreitete der Nat am 11. April
den übrigen Gemeindevertretern den Antrag, „dieweil man
durch Schriften nicht könne zu Mitteln kommen”, fo möge
Gallas erfuht werden, Abgeordnete „mit Blenipotenz‘ vor
die Stadt zu ſchicken. Derjelbe wurde angenommen. Als
Bertreter der Stadt wurden gewählt die beiden Bürger:
meifter, der Symdilus Doktor Holtermann, Kämmerer Giſe
und der Stadtjchreiber, ferner aus Kur und Gilden beide
Alterleute, Doktor Gife, Die drei übrigen Hauptleute und
Johann Gerlid. — Aber die Bewohner des Emséviertels
erhoben Einſpruch. Während „die anderen drei Viertel zu
der Gütlichfeit gerne gewilligt“, wollten fie ſich zu Feiner
153
„gütlichen Kommunikation‘ verftehen. Man mußte deshalb,
um nicht die Gejandten, ſowie die Deputierten der Stadt
der Gefahr auszufegen, von dem Beichluffe zurüdtreten.
Die Unterhandlungen ruhten nunmehr völlig, bis Mitte
Juni die Belagerungsgeihüge aufgefahren waren. Neue
Mahnichreiben, welche am 21. und 28. Mat von den fürft«
lihen Räten und dem Landesherrn jelbit eintrafen, wurden
kurzer Hand mit der Begründung abgewiejen, daß die An:
Holter jich inden Städten „nicht veraccordierter Maßen ver:
halten’ und ſich auch an der eigenen Stadt Perjonen und
Habe vergriffen hätten.
Die Mannſchaften, welche in Safjenberg, Fredenhorft
und anderen Nahbarorten in Quartier lagen, hatten mit
denjenigen Warendorfern, welche in ihre Hände fielen, nicht
eben glimpflich verfahren, ſeitdem Anholt diejelben offen für
Rebellen erklärt hatte. Gleih am 15. März wurde der
Bürger Heinrih Borftmann gefangen genommen und nad
Bedum gebradt. Als nunmehr die Proviantlieferungen
nad Saffenberg verboten wurden, lagerten ſich feindliche
Batrouillen fort und fort in der Stadt Feldmarf, um alles
abzufangen, was an Holz, Torf und BVorräten jeglicher Art
auf den Markt gebradht werden jollte. Niemand konnte fort:
an ohne Gefahr für jein Leben feinen Acer beftellen, und
das Vieh wurde von den Weiden fortgetrieben. Als am
19. April Einwohner der Stadt, welde in Münſter Ein:
fäufe gemacht hatten und mit jchwerbeladenen Karren heim:
fehrten, von fünfzehn ſaſſenbergiſchen Soldaten ausgeplün-
dert wurden, blieben zwei Mann tot am Plate. Von den
Kriegsleuten zu Fredenhorft wurde um dieſelbe Zeit der
fiſchreiche Schügenteih auf der Walgern Heide abgelaffen.
Der Rat zu Warendorf Hingegen bot alles auf,
Ausjhreitungen der Bürgerjoldaten zu verhindern, freilich
— wie wir hören werden — ohne Erfolg. Er dachte nur
an Abwehr. Zur Sicherung der Saatfelder wurde jeit Anz
fang April morgens wie nachmittags eine halbe Korporal—
haft ausgejandt; der Spielmann auf dem Turme hatte
Alarmiignale zu geben, jobald er jtreifende Notten im Stadt:
gebiete bemerkte, damit nötigenfalls weitere Mannſchaften
nachgeichieft werden fünnten. Die Nusgerüdten hatten jtreugite
Weiſung, ſolche Anholter, welche rubig ihres Weges ziehen
würden, „ungehindert paſſieren zu lafjen’, überhaupt „nichts
offensive zu attentieren”. Eigenmächtig durfte fein Soldat
„mit oder ohne Gewehr” die Stadt verlaſſen; indeſſen ſtand
es den Bürgern frei, jich dem Befehle des dienithabenden
Ktorporalichaftsführers zu unterftellen.) Als am 4. April
gleihmohl ein Wagen des Nittmeifterd Ritz nebſt dem Kut—
iher und vier Pferden nah Warendorf gebraht wurde,
nachdem diejenigen zehn Neiter, welche denjelben zu jichern
hatten, nad Freckenhorſt zurücdgetrieben waren, ſchickte die
Stadt die Leute jofort „ohne Entgeld“ zurüd. Und doch
waren alle Bemühungen, Vorſtmanns Entlaſſung und re-
stitutio ablatorum von Gallas zu erwirfen, ohne Erfolg
geweſen! Dreien Neitern, welche tags zuvor Einlaf begehrt
hatten, um etwas einzufaufen, war geantwortet worden,
„wenn lie würden von ihrem Oberſten assecuration brin:
gen, daß unjere Bürger hin und wieder frei und unver:
hindert paſſieren mögen, jo jolle ihnen bierim auch frei zu
handeln geftattet fein“. Am 11. April war von zweien
Reitern, welche innerhalb der Landwehren verfolgt wurden,
einer getötet worden. Sofort erließ der Nat an den Kapi-
tün von neuem die Weiſung ergehen, „die Soldaten in
officio zu halten und nicht auszufallen ohne Befehl. Haus
für Haus ließ er folgenden Erlaß befannt geben:
„Hiermit und fraft dieſes wird vor allen und jedermäne
niglihen bezeugt, daß Bürgermeilter und Nat der Stadt
) Bol. Brot. 27. 29, März, 3. 6. 19. 20. April 1623,
155
Warendorf allen und jeden Bürgern und Eingefeffenen an-
jagen und gebieten lafien, daß diejelben alle und jede Sau—
vegarden und Kriegsvolf, welche Seiner Excellenz dem Herrn
Grafen zu Anholt zuitändig, und diefer Stadt Bürger und
Eingeieffene an ihren Perſonen und Gütern nicht beleidigen,
frei, fiher und ungehindert, auch unmoleitiert bleiben lafjen
tollen bei Bermeidung hoher Strafe, und daß die, jo da=
gegen gehandelt, in Haft genommen und nad Befindung
gebührender Strafe gewärtig jein jollen. Sign. 13. Apri-
lis 1623,
ALS der Schüßenteih abgelajjien war, nahm der Nat
davon Abjtand, „um der Fiihe willen‘ die Bürger zum
Angriffe auszufenden; er begnügte jich, bei dem Kapitäne
Friedrih von Münfter und dem Kapitel zu Kredenhorft Be-
ihwerde zu führen.
Die Borgänge am 4. und 11. April haben jchon ge:
zeigt, daß die Bürgerjoldaten weniger friedfertig ge:
jinnt waren; aber bejonders zeigte jich das am 4. Mai.
Die halbe Korporalichaft, welche an diefem Tage zur Side:
rung des Stadtfeldes ausgejchidt worden war, ftand unter
dem Befehle von Gert Nömer und des Gefreiten Johann
Sinninghof. Sie lagerte fih an dem Wege nad) reden:
horft in der Nähe des Siechenhaufes, während zwei Mann
zur Aufklärung an die Yandwehr vorgejandt wurden. Dieje
erblidten einen feindliden Doppelpoiten auf Schildwache,
von welchen jie den einen niederſchoſſen; derandere, welchen
die Kugel gefehlt hatte, riet hierauf laut um Hülfe. Als—
bald ertönten in Freckenhorſt die Alarmſignale der Trom—
meln und Trompeten. Gert Römer hielt es deshalb für
nötig, Verſtärkung zu erbitten. Er beauftragte hiermit den
Kannengießer Friedrich Eilers, welcher zufällig des Weges
fan. Da diejer meldete, die Korporalichaft ſei eingejchlefjen
und die ganze Beſatzung von Fredenhorft im Anmarjche, fo
gab der Kapitän Hans Menſe ſofort Befehl zum Ausrüden.
156
An der Landwehr wollte er wieder umkehren, da er erfannt
hatte, daß der Bote übertrieben hatte, und auch der Ma—
giftrat durch den Stadtdiener den Angriff auf Fredenhorft
verbieten ließ. Aber die mitausgerüdten Bürger waren da—
mit nicht einverftanden; jie erklärten, der Teufel jolle dem
in den Leib fahren, welder nicht mitwolle. Alle Borftellun-
gen des Kapitänd waren vergebens, jie nahmen alle Ver:
antwortung auf fih. Als auch Johann Detmers fie zurüd-
zuhalten juchte, ftieß Chriftian Niehues mit feinem Gewehre
unter drohenden Worten auf die Erde, und Johann Kuhk,
welcher eine jpige Feder am Hute trug, wollte den Rats—
boten erichießen, als dieſer jeinen Auftrag ausrichtete. Auf
die Entihuldigung Römers, daß er den Weg nicht fenne,
antwortete David Nettelenftrot, den fenne er, man möge
ihm nur folgen. Neben den Genannten gehörten zu den
Haupträdelsführern Bernd Stenbrint und Rotger Duttind.
— Alſo David Nettelenftrot führte. MS jedoch die Freden-
horſter ein lebhaftes Feuer eröffneten, verkrochen ſich die
Warendorfer hinter die Zäune, um von dort aus die Schüfje
zu erwidern; und al3 die Gegner jich zum Angriffe anſchick—
ten, liefen fie jchleunigit davon.
Auch die Anholter nahmen immer weriger Rüdjicht.
Am 9. Mai trieben fie am hellen Tage die Kühe von einem
Schultenhofe in der Nähe des Siechenhaufes nah Freden-
horft, und acht Tage Ipäter knüpften fie zur Nachtzeit Jo—
hann Kalthoff an einem Baume vor der GStadtpforte auf.
Die Hofe war ihm ausgezogen, die Hände vor ber Bruft
zufanmengebunden, vor dem Munde hatte er ein Tud.
Auf der Bruft trug der Leichnam einen Zettel folgenden In—
halt3: „Dies ift der Anfang des Prozeſſes, jo wir mit euch
rebelliihen, ebrlojen Schelmen halten wollen, und da ihr
vermeinen würdet, im Falle ihr einen von den unfern be—
kommen möchtet, den jelbiger Maßen zu traftieren, jollet ihr
wien, daß nod zwei andere, jo wir von euch haben, ihr
157
auf ſolchen Fall vor euren Pforten, wie aud alle, jo wir
ſonſt befommen werben, follet gevierteilt finden, bis das
wir die endlihe Abrechnung mit euch machen werden.”
So geitaltete fih die Lage von Tag zu Tag drohender.
Immer enger wurde die Stadt eingejchlojien, die Not in
derjelben wuchs von Tag zu Tag. Der Scheffel Roggen
foftete Schon Ende April einen halben Thaler. Als nun die
Beamten zu Safjenberg am 3. Mai die Steuerrüdjtände ein:
forderten, verweigerten die Warendorfer die Zahlung feines:
wegs; aber jie baten um Stundung, da in diejen jchweren
Zeiten „teine Nahrung vorhanden und die Bürger feinen
Handel und Wandel treiben und Geld erwerben könnten“.
Am 17. Mai jah ſich der Senat genötigt zu beſchließen, es
jolle den notleiden Bürgern von den in der Kirche gejam:
melten Geldern „Beiſteuer und Verſtärkung“ geſchehen;
von den Beligenden wollte er ſolche Unterftügungenin beſſe—
ren Zeiten zurüdfordern. Tags darauf erklärte ein Einge-
jeflener, wenn der Krieg noch act Tage dauern würde,
jo müßten wohl hundert Bürger Hungers halber weglaufen.
Sept endlich jah man es „‚einhelliglich für gut an, den
Zuftand diejer Stadt Ihrer Kurfürftliden Durchlaucht zu
melden und um Berjchonung zu bitten“. Wir wilfen, wie
jchon im Dezember die Stadt Münfter geraten hatte, fich
Ichriftlih an den Landesherrn zu wenden; und Alterleute,
Kur und Gilden hatten diefen Vorſchlag wiederholt erneuert.
Aber der Nat war nie darauf eingegangen, weshalb ihm
namentlich Doktor Gije am 8. April lebhafte Vorwürfe ge
macht Hatte.
Eifriger wie je zuvor, rüftete man fih zur Abwehr.
Schanzkörbe und Pechkränze wurden angefertigt, Kugeln ge:
goflen, auf den PBulvermühlen emſig gearbeitet, der Wall
ausgebejiert, an der Schevelpforte eine Batterie errichtet.
Meifter Hans Meier aus Wiedenbrüd mußte zwei neue Ge:
158
ihüße gießen. Eins derjelben, der „Neſſelenkönig“ genannt,
jollte „ſechs Pfund Eiſernes“ hießen können; an ihm bohr—
ten ſechs Perſonen drei Tage lang. Auch die (beiden?)
alten Stüde wurden neu ausgebohrt. Damit nicht zwecklos
Munition vergeudet werde, erhielt der Konjtabler Anweiſung,
nur dann zu feuern, wenn er Abteilungen von mindejtens
jieben Mann in Schußmweite erbliden würde.). Vor allem
aber juchte man auf der Wache Ordnung zu fchaffen. Seit
dem 8. April zogen abends achtzehn Rotten auf. Die Stell:
vertretung wurde von neuem ftrengitens verboten. Am 10.
Mai beſchloß man, fortan jeden, der im Dienite trunfen
jein würde, auf „drei oder vier Stunden in das Halseijen
zu jtellen”. Der Antrag, das Vollſaufen auf Wache mit
ſechs Schillingen zu betrafen, welde zur Hälfte den Offi—
zieren, zur Hälfte den Verwundeten zufallen follten, wurde
auf den Nat des Kapitäns hin zurücdgezogen.
Aber was fonnten all ſolche Maßregeln helfen, da es
in der Stadt an einträdhtiger Gefinnung fehlte, und
den Anordnungen des Magiftrates mehrfach feine Folge ge-
leijtet wurde? Allein am 22. Mai kamen zwei Fälle grober
Unbotmäßigfeit von Bürgerjoldaten zur Anzeige; felbjt dem
Hauptmann Altermann Hefleling war der Gehorjam ver:
weigert worden. Wir haben bereit gehört, daß am 12.
April die Bewohner des Emsviertels den Abbruch der Un:
terhandlungen über einen gütlihen Bergleich erzwungen hat:
ten. Ein anderer Teil der Bürger wollte hingegen den
Truppen des Kaiſers und Landesherrn bedingungslos die
Thore geöffnet willen. Der Kämmerer Johann Sterneberg
erklärte: „Es iſt wider Eid und Bilicht, daß wir das Volt
nicht annehmen, denn e3 find unfere Feinde nicht; die Bür-
ger jind mehr als toll und machen ihr Necht zu Unrecht”.
Bon einem anderen Natsmitgliede erzählte man jih, daß
9) Bol. Prot. 3. 24. April; 15. 17. Mai; dgl. die Kämmereirechnung.
159
e3 von den „Hiſpaniſchen zu Bedum‘ einen goldenen Pfen:
nig und ein Schimmelpferd befonmen habe. Schon im
Dezember hegte man den Verdacht, dag Junker Ties Nagel
und der Kurgenojje Doktor Gije auf Seiten der Gegner der
Stadt jtänden. Xebterer ſcheint thatfählih mit den Anhol—
tern in regen, brieflichen Verkehre gejtanden zu haben. Be:
zeichnend für die Stimmung in der Bürgerichaft ift es, daß
Gert Schürmann, ein Einwohner der Stadt, am 20. April
offen auf dem Marfte erklärte, man jehe nicht, wie es zu—
gebe: es gehe über die Armen; man habe ji) vereinbart,
Leib und Gut bei einander aufzujegen, und gleichwohl ſei
von den Neichen das Ihrige aus der Stadt geichafft worden;
er müjje jolche für Schelme halten. Über diefe Worte kam
e3 zu einer Nauferei;z Schürmann wurde in Haft gejeßt.
Wie jehr es an gegenjeitigem Bertrauen mangelte, geht aber
wohl am beiten daraus hervor, daß es Glauben fand, als
man Ende April erzählte, Anholt habe gejagt, „er babe
den Schlüſſel von Warendorf bereits in der Taſche“.
Und noch weniger glaubte man ſich auf die Bewohner
von Saſſenberg, Gröplingen, Milte, Einen und der übri-
gen Nachbardörfer verlajien zu dürfen. Schon am 20.
April wurde an den Thoren angejagt, daß niemand, er fei
jung oder alt, Frau oder Mann, eingelafjen werden dürfe.
Am 19. Mai wurde diejer Befehl erneuert, „da auf die
Bauern allerhand Berdadht” Auch für die Eingeſeſſenen
der Stadt felbjt wurden am 24. Mai die Thore gänzlid
abgejperrt; im Protofolle dieſes Tages heißtes: „Conclu—
sum, daß feine Bauern jollen eingelajien, wie auch die
darın jind, ausgelaijen werden, auch in genere niemand
ein= oder ausgelaſſen werden. Und jollen auch die Weiber
ich des Weidens enthalten, auch die Bürger nicht düngen,
nod) ſäen oder bauen, wie auch fein Moos aus den Gärten
holen; und damit jolches deſto bejjer gehalten werde, foll
160
an jeder Pforte eine Ratsperfon fein und auf diefe Ordnung
Aufſicht Haben”.
Über den Verlauf der eigentlichen Belagerung find uns
nur jehr unzureichende Nachrichten überfommen. Da die
Anholter der Stadt alle Zufuhren abſchnitten, jo zwang der
Mangel an Lebensmitteln diejelbe, jchlieglih zum Angriffe
überzugehen. Am 20. Mai wurde „dem Kapitän, wie auch
Lieutenant und Fähnrich angezeigt, fie möchten, da der
Feind jo nahe liege, Anſchläge machen, ob man ihm Ab-
bruch thun und Beute machen könne“. Sie machten vier
Tage ſpäter einen Ausfall auf die feindlichen Schanzen.
Nach dem Berichte der fürftlihen Räte!) wurde derjelbe ab:
gewiefen, und verloren die Warendorfer 25 Mann. m
Katsprotofolle heißt es freilih: „Heute find zwei Schar:
mützel zwijchen diejer Stadt und den Anholtifchen vorgegan-
gen, darin diefe Stadt obgefiegt”.
Nunmehr wurde der Verſuch gemadt, in der Stadt
Brand zu ftiften, damit während der hierdurch hervorgeru—
fenen Verwirrung die Belagerer durch fehnellen Angriff ihr
Ziel erreichen könnten. Marie Jaſpers, eine fäufliche Dirne
aus Warendorf, welche mit dem Reiter Jung Hans aus
Dortmund und Hans Penning aus Harfewintel, zweien Sol-
daten Anholts, Belanntichaft hatte, — von erfterem erhielt
fie 12, von legterem 7 Schillinge „wegen geleifteten Leib—
dienites” —, übernahm ſolchen Auftrag. Am 29. Mai
legte fie zwei brennende Lunten, die eine in das Herren:
haus am Fredenhorjter Thore, die andere in ein Haus an
der Ditpforte. Diefelben zündeten jedoh nicht. Und es
blieb bei dieſem erften Verſuche, da die Dirne, welche ver:
dächtig geworden war, ſchon am nächſten Tage in Haft ge:
nommen wurde. ?)
— — — —
1) MLP—AE (Staats-Archiv zu Münſter).
2) Wie weit man im Lager Anholts von der Verabredung der beiden
161
Im Juni hatte Anholt ſelbſt fein Hauptquartier in der
Nähe Warendorfs ; er wohnte auf dem vor der Djtpforte
gelegenen Hofe Afhüppen. Die Belagerungsgeihüge wurden
berangefahren. Gleihmwohl waren die Bürger guten Mutes
und dachten nicht daran, jich zu unterwerfen. Als am 8.
Juni beichloffen wurde, nur an der Emspforte noch einen
beichränften Verkehr zu geitatten, alle anderen Thore aber
immer verſchloſſen zu halten, verlangten die Alterleute, Kur
und Gilden, daß die Zugbrüden nicht aufgezogen würden,
‚damit der Feind nicht meine, als wenn man nicht aus—
fallen fönne”. So begannen die Anholter am 11. Juni
um 2 Uhr nahmittagg au der Seite nad dem Holden-
berge die Stadt zu belagern, und zwei Tage jpäter fin-
Soldaten Kımde hatte, ift nicht befannt. Es läßt ſich nicht einmal
mit Sicherheit die Frage enticheiden, ob die Dirme in der Stadt
Mitwiljer hatte, da die Ausfagen,, welche man zum Teile durch %ol-
terung aus ihr erpreßte, fich fort uud fort widerjprachen, und ein
Bericht über dae Endergebnis der Unterfuhung , wie es ſcheint, nicht
erhalten it. Nach der Unterwerfung der Stadt fcheint diejelbe ein-
geitellt worden zu fein. Sie bejchuldigte, widerrief und beichuldigte
von neuem. Insbeſondere handelte ed fich um ihre Beziehungen zu
dem Kurgenofjen Doktor Giſe. Bald jollte diefer nicht nur durd)
fie und Trine Burbanf, (welche, jelbjt unehelich geboren, von zwei
Männern drei uneheliche Kinder hatte), Jowie den Garnfpinner Ernſt
Halfhus fchriftlihe und mündliche Botfchaften nad Rheda, Telgte
und Safjenberg vermittelt und dem Feinde Hülfe verſprochen haben,
„Joviel als in feiner Macht wäre”, jondern auch derjenige gewefen
jein, welcher fie durch das Verſprechen reicher Belohnung zur Brand»
legung beitimmte und ihr Lunten gab; bald verficherte fie, „von
Doktor Gije niemals etwas Ungebuührliches gejehen oder gehört” zu
haben, um beim nächiten Berhöre ihn von neuem anzuflagen. Daß
er mit den Anholtern in brieflichem Verkehre ftand, machen auch die
Ausfagen der übrigen Beichuldigten wahrfcheinlih. Er felbft hielt
fih während der Inquifitiou außerhalb Warendorf auf. Am 5.
Juli erfcheint er wieder unter der Zahl der auf dem Rathaufe thäti-
gen Kurgenoſſeu.
XLVIl 1, 11
162
gen fie auch auf der Fredenhorjter Seite an zu ſchießen.
Gleichzeitig wurde der Mangel an Lebensmitteln täglich fühl:
barer. Der Rat ſah fich genötigt, die Vorräte der Stadt
anzugreifen; den Bebürftigen wurde Mehl geliefert und den
Bädern zwölf Molt Roggen verkauft, „damit die Armut
und Soldaten Brot belfommen mögen”.
Als nun die fürftliden Näte am 14. 16. und 18. Juni
von neuem die Aufnahme einer Bejagung im Namen des
Landesherrn verlangten, erflärte jich die Stadt zu „unver:
fänglichen, zuträglichen Mitteln‘ bereit und jchidte Johann
zur Möllen in das feindliche Lager. Aber Anholt erwiderte
biefem, „daß fein anderes Mittel zu finden, als daß man
dem Befehle der Kurfürftlihen Durchlaucht gehorſame“. Am
19. Juni bejchloß deshalb der Rat, „da es ja nicht anders
jein könne‘, über die EinquartierunginUnterhbandlung zu
treten; nur Ahage und Dorſſel erhoben Wideriprud. Die
Alterleute, Kur und Gilden waren damit einveritanden, ver:
langten jedoch, daß der Accord, welden die Abgeoroneten
vereinbaren würden, der ganzen Gemeinde zur Genehmigung
unterbreitet werde. Aber Anholt ließ fi auf feine Bera-
tung ein; er gab am 20. Juni Johann zur Möllen den
Beicheid, die Stadt habe fich kurzer Hand zu erflären, ob
fie feine Vorſchläge annehmen wolle, oder nit. „Zur Ver:
meidung der Ertremitäten’” gab der Rat nad. Er wollte
jet nur noch an der cinen Forderung fejthalten, daß er
bei jeiner „Freiheit und den Schlüffeln zu den Pforten blei-
ben möge”. Bon den Kurgenoſſen waren Uphoff, Werner
Hefjeling und Seifen gegen diefen Beihluß ; die übrigen,
jowie alle Gilden und die anmwejenden Hauptleute traten dem:
jelben bei, indem fie die Hoffnung ausipraden, es werde
nur etwa Kapitän Velen mit 100 oder 200 Mann ihnen
überwiejen werden. Als aber der Gemeinde Zuftimmung
nachgeſucht wurde, zeigte fih ein Teil derjelben „ganz un:
163
geduldig” und wollte die Einguartierung „kurzum nicht
geftatten”.
Gleichwohl wurden am 21. Juni Johann Gije, Jo—
hann zur Möllen und Johann Elkmann als Vertreter des
Rates, der Kurgenoſſen und der Gilden an das Hauptquar:
tier zu Afhüppen abgeordnet. Sie kehrten mit dem Bejcheide
zurüd, daß Anholt unbedingte Unterwerfung verlange.
E3 war gegen Abend; und „da es zu Nachmittag nicht dienlich,
mit der Gemeinde zu traftieren, jo ift die consultation
bis auf folgenden Morgen zu 4 Uhr verjchoben.” Die
Rottmeilter der vier Viertel, welche zu diefer Stunde vor-
beichieden wurden, legten den Enticheid in die Hände des
Magiitrates. Diejer aber vereinbarte mit den übrigen Ver:
tretern der Gemeinde, „daß zur Abwendung der extremi-
täten auf billige Einquartierung zu handeln ſei, dergeftalt,
daß man fih auf Ihrer Kurfürftliden Durchlaucht Gnade
ergeben und die Anzahl auf 4 oder 500 zum höchſten ver-
bitten jolle, item, daß aufs möglichjte nah Inhalt eines
Memoriale, jo gefertigt, möge abgehandelt werden” Mit
furzen Worten, die Stadt empfahl fi) der Gnade bes Geg-
ners, dem fie nicht länger Widerſtand zu leilten vermochte,
und noch am 22. Juni konnte Anholt diejelbe bejegen.
Er nahm hier fein Hauptquartier und ließ ſich von
der Bürgerſchaft 12000 Thaler als Kriegsentichädigung zahlen.
Anfang Auguft führte er freilich feine Truppen dem Grafen
von Tilly zu, welder wenige Tage ſpäter bei Stadtlohn
das Heer des Herzogd Chriltian von Braunſchweig vernich—
tete. Aber auch weiterhin hatte Warendorf eine jo ftarfe
Bejagung zu unterhalten, daß fi die monatliden Unkoſten
auf 1500 Thaler beliefen. Kurfürft Ferdinand forderte des:
halb Anholt am 19. Februar 1624 auf, andere Ordnung
zu jchaffen, „damit die hochbedrängten Leute nicht gemötigt
werden, Haus und Hof zu verlafien und ins Elend zu ver:
laufen”. Denn wenn auch die Bürger ihres gegenwärtigen
11*
164
Unheils „eine ftarfe Urjache ſelbſt geweſen“, jo erforbere
doch die Billigfeit, daß man fie nicht aller Mittel beraube
und ihnen „das Brot aus dem Munde nehme”, zumal fie
ihr Unrecht erkannt und fi zur Abbuße unterworfen hätten.
Ferdinand jelbft hatte jedoch von einer Beitrafung jeiner un-
gehorfamen Städte Feineswegs Abftand genommen. Nach
langen Unterhandlungen mit feinen Räten wurde am 15.
März 1627 der recessus destitutorius erlaffen, welcher
alle bürgerlihe Selbftändigfeit vernichtete. Zum Teil wur:
den bie alten Privilegien und Freiheiten indefjen ſchon am
15. März 1632 durd den recessus restitutorius zurück—
gegeben. !)
ı) über die Beftrafung der Städte und das Ungemach Warendorfs im
weiteren Verlaufe des dreißigjährigen Krieges jpäter Näheres.
VI.
Eine weſtfäliſche Pilgerfahrt nach dem h. Lande
vom Jahre 1519.
Mitgeteilt
von
Dr. Hoogeweg.
— — ůů[E— —
J. Vorbemerkungen.
Das heilige Land mit all jenen Stätten zu ſchauen,
an denen der Heiland der Welt lebte, lehrte und litt, iſt
von jeher das Ziel der Wünſche vieler Chriſten geweſen.
Zange bevor die Kreuzzüge jene Maſſenwanderungen nad
Paläſtina verurjachten, laſſen ſich Pilgerfahrten nach dem
heiligen Lande nachweiſen. Alle hriftlihen Nationen ftellten
ihre Teilnehmer zu diejen Reiſen. So erfahren wir!) (um
nur unjere Gegend genauer zu betrachten), daß bereit3 im
9. Jahrhundert Biſchof Engilmar von Dsnabrüd nad)
dem 5. Lande gezogen ilt und von dort das Haupt der 5.
Chriftina mitgebradt hat, mit dem er das Kloſter Herzebroif
beſchenkte.) 1027 begleitete Benno, der jpätere Biſchof von
Dsnabrüd, der damals noch als Jüngling in Straßburg
jeinen Studien oblag, den Biſchof Werner von Straßburg
auf der Reife nah Konitantinopel, die diefer im Auftrage
des Kaiſers Konrad machte, und kam von hier auch nad
Serufalem.?) Biſchof Erpho von Münfter trat am 12. Februar
1091 jeine Reiſe an und fehrte Anfang des Jahres 1092
1) Bgl. den Katalog deutfcher Pilger und Kreuzfahrer bei Röhricht,
Beiträge zur Geſch. d. Kreuzz. 2, 293 ff.
*) Dal. Sudendorfs Abhandl. in den Mitth. des hift. Dereind von
Osnabrück 3 (1853), 207 ff.
) Vita Bennonis bei Perg SS. 12, 62 und Vita Conradi, ibid. 11, 267,
166
wieder heim; ihn begleitete der Kanonikus Ludolf von Stein-
furt.!) Der Abt Wino von Helmmardeshaujen machte im
Auftrage des Biſchofs Meinwerk von Paderborn eine Reije
nad Serufalem, um von dort den Grundriß der Kirche des
h. Grabes zu holen. Wino entledigte ſich feines Auftrages
und fehrte im Jahre 1034 zurüd. Meinwerk benugte den
Grundriß bei der Erbauung ber neuen Kirche an der öftlichen
Seite außerhalb Paderborns (Busdorf), die er felbit zwei
Jahre Später einweihte.?) —
Der endgültige Verluft des h. Lande nah all den
großen Opfern, welche die Kreuzzüge gefordert hatten, das
allmälige Einſchlummern der Idee, einen planmäßig organi-
fierten VBerfuh zur Wiedergemwinnung des Verlorenen zu
machen, die religiöfen und politiihen Wandlungen, welche
ih in den folgenden Jahrhunderten vollzogen, konnten die
Sehnfuht nah den h. Stätten nicht erftiden. Von Jahr
zu Jahr kann man e3 verfolgen, daß immer wieder einzelne
Pilger und ganze Geſellſchaften fih auf den Weg madten
und jich den Mühen und Gefahren einer langen Reife unter:
zogen, um mit dem freudigen Bewußtſein, ein gottgefälliges
Merk vollführt zu haben, und ausgeftattet mit Reliquien,
die fie durh Kauf oder Schenfung an Heiliger Stätte er:
worben — aber aud um des Ihrigen beraubt und Frank
von den Strapazen oder einer jahrlangen Haft in den
türkiſchen Gefängniffen, oder um garnicht wieder heimzu—
fehren.
Obwol die Zahl der meitfäliihen Pilger nah den
Kreuzzügen verſchwindend gering ift gegenüber der großen
Menge, welde Süddeutfchland und bejonders die Schweiz
aufweilen Fönnen 3), jo fehlen fie doch nicht ganz. Aus dem
2) Röhricht a. a. O. 296.
?) Vita Meinw. bei Pertz SS.11, 158 ff.
2) Vol. Röhricht, Deutjche Pilgerreifen nad) dem h. Lande, Gotha 1889,
167
14. Jahrhundert ift der Pfarrer von Sudheim, Lubolf,
befannt, der während der Jahre 1336—41 eine Reije nad)
dem h. Lande machte und diefelbe auch beichrieben hat’).
Für das 15. und 16. Jahrhundert konnte bisher fein Weit
fale?) genannt werden, der nachweisbar eine Pilgerreiſe
unternommen hätte. Es ift deshalb bejonders erfreulich,
daß wir dur die Liebenswürdigfeit des Herrn Beſitzers der
Handichrift, welche auf den folgenden Blättern zum erjten
Male der Defjentlichkeit übergeben wird, in der Lage jind
eine Pilgerreife weiteren Kreifen befannt zu maden, an der
ih ausſchließlich Weſtfalen beteiligt haben.
Ein olüdliher Zufall Hat es gefügt, daß ein anderer
Pilger, der in demjelben Jahre, im übrigen aber unabhängig
von unferen NReijenden, eine Fahrt nach dem h. Lande mit-
madıte, eine beiweitem ausführlichere Beichreibung feiner
Erlebnifje ung hinterlafjen hat, nämlich der Schweizer Lud—
wig Tihudi von Glarus, Herr zu Greplong?). Verglichen
mit unferer Bilgerfahrt geben die Berichte Tſchudis manche
Ergänzung zu jener. —
Zu DOftern 1519 verfammelten jih in Köln unfere
Pilger, abgejehen von der Dienerjchaft, ſechs an ber Zahl:
Dietrih von Kettler, Droft von Dttenftein und jein
Bruder Gotthard von Kettler, Droft zu Elberfeld H,
Gert von der Rede zu Heeflen, Evert von Cobben—
rath, Dehant in Wormbach, Curt von Brenfen und
!) Herausgeg. von Deycks in der Ribl. des litt. Vereind zu Stuttgart,
1851; vgl. auch Evelt im 80. Bande diefer Zeitihr. ©. 1 ff.
2) Vielleicht kann noch genannt werden der Domherr Dr. med. Hunold
von Plettenberg, der (wenn der Name richtig ift) unter den Begleitern
des Herzogs Wilhelm von Thüringen 1461 genannt wird. Röhricht
a. a. O. ©. 145.
) Herausgeg. von Melchior Tſchudi, St. Gallen 1606.
) Vater des erſten Herzogs von Kurland nnd des Biſchofs Wilhelm
von Münfter (1553—57).
168
Johann von Hanrleden‘). Sie fuhren am 26. April
von Köln ab und zu Schiff den Rhein hinauf bis Mainz,
durchritten die Pfalz, Baden, Wirtemberg und Tirol über
Meran und Trient und kamen am 25. Mai nad) Venedig.
Die Verhandlungen mit dem Patron des Schiffes, das fie
zur Weiterreije benugen wollten, zogen fih in die Länge.
63 jammelten fih in Venedig allmälig gegen 190 Bilger
der verfchiedenften Nationen?); zwei Schiffe waren nötig,
um diefe Menge nad) dem 5. Lande zu befördern. Der
„Delphin“, den Tſchudi benubte, und der „Johannes“,
welcher unjere Pilger mit etwa 90 anderen trug®), mußte
fegelfertig gemacht werben. Dies erforderte wieder Zeit.
Indeß nugten unfere Pilger den Aufenthalt in der Lagunen-
ſtadt gut aus, fie beiichtigten die Kirchen und Klöfter mit
ihren reihen Reliquien, fahen den Schaß des Herzogs von
Venedig und hatten Gelegenheit an der großen Frohnleich-
namsprozejlion teilzunehmen, bei welcher den Pilgern viel
Ehre erwieſen wurde. Auch gewannen fie noch Zeit, in
Padua und anderen benachbarten Städten fich umzujehen. —
Endlid am 1. Juli konnte man in See ftehen. Parenzo
und Rovigno auf Sftrien wurden berührt, man fegelte die
Küfte entlang um Morea herum und gelangte am 19. Juli
nah Rhodus. Unfere Pilger mußten bier bedauern, ‚Herrn
Friedrih von Keppel aus dem Stift Münfter” nicht anzu—
treffen, weil diefer gerade nah dem Schloß St. Peter auf
dem Feltlande von Klein-Aſien abweiend war. Doch wurden
fie von einem anderen deutichen Sohanniterritter Wolf von
Maaßmünſter in zuvorfommender Weiſe berumgeführt und
hatten Gelegenheit, den Glanz der Hofhaltung des Groß:
1) Ein folder heiratet 1520 Elijabeth von Kettler, Tochter des Conrad
(eines Vetters der gen. Brüder) und der Adelheid von Coppenrath.
2) Tſchudi ©. 26.
3) Der Name ©. 124 der Hdſchr., die Zahl nah Tſchudi ©. 52,
169
meifter8 zu bewundern und deſſen Gaftfreiheit ſchätzen zu
lernen. Die riefigen Befeftigungen der Stadt wie die innere
Einrichtung der Drdensburg erfüllte fie mit Erftaunen, nicht
weniger die Gärten, die Strauße, die Brutöfen und eine
bejonder8 jchlaue Art von Hunden. Von Rhodus weiter:
fahrend erblidten fie am 25. Juli das h. Land und landeten
Tags darauf in Foppe. Hier erhielten fie von dem Guardian
Anweiſungen für ihr Verhalten während des Aufenthaltes
im 5. Lande und mußten die fcharfe Kontrolle der türkiſchen
Behörde über fih ergehen laffen. Ueber Ramleh erreichten
fie Jerufalem. Die heiligen Stätten in und um der Stadt
wurden prozeſſionsweiſe befucht, ſoweit ihnen nicht ein ftrifter
Befehl des Sultans den Zutritt verjagte; wol mochten fie
bedauern, Ruinen oder einen Stall zu finden, wo früher
eine Kirche oder Kapelle die Heiligkeit des Ortes bezeichnet
hatte. Bei dem dritten Beſuche des heiligen Grabes wurde,
wie gewöhnlich, in der Nacht durch den Guardian der feier:
lihe Alt des Nitterfchlages zum Ritter des h. Grabes voll:
zogen. Wenn die Angabe Tichudiß!) Glauben verdient,
daß in jener Naht auch ‚zwei von Cöln“ mit anderen
Deutihen zu Rittern geichlagen worden find, fo können
bierunter wol nur zwei unjerer Pilger gemeint fein.
Auch die Umgegend Jerufalems, den Olberg, Bethlehem,
den Jordan und das Todte Meer befuchten unjere Pilger
und fehrten darauf nach) Joppe zurüd. Am 19. Auguft
beftienen fie wieder das Schiff. Auf der Rüdreife wurde in
Eypern gelandet; während der Weiterfahrt überrafchte fie
mehrmals der Sturm und trieb fie in gefährliche Nähe des
türkfiihen Landes; doch kamen fie mit dem bloßen Schred
davon und gelangten am 3. November wieder nad) Venedig.
Hier bricht die Handichrift ab; der weitere Weg durch
Deutihland wird nicht erzählt. Beigefügt find aber nod am
) Tſchudi ©. 308; im Ganzen zählt Tſchudi 26 Ritter,
170
Schluffe Anweifungen über dasjenige, was der Pilger zur
Reife nötig hat, die auch fulturhiftorisch von Werth find,
ſowie der Kontrakt, den die Pilger mit ihrem Schiffspatron
machten. —
Die Handihrift befindet fih im Belig des Herrn
Grafen von NefjelrodesHerten und wurde im Winter 1888/89
in Düffeldorf in einer Ausftellung von Gegenftänden der
Geſchichte und Kunft aus Privatbeſitz ausgeſtellt. Signatur
XLI, 7. Sie ift 15 em. hoch und fajt 10 cm. breit, ge:
bunden in braunem Leder mit aufgepreßter Verzierung, Die
noch Spuren früherer Vergoldung trägt. Auf dem vorderen
Dedel ift das Leder durh den Wurm unten linfs zerfreffen
und fehlt zum Teil; fonft ift die Handichrift gut erhalten.
Vier grüne Bänder dienen zum Verſchließen. Die innere
Seite des vorderen Dedeld trägt den Vermerk, daß die
Handjchrift aus der Hertenichen Bibliothek ftanımt.
Auf dem eriten Blatte befindet ſich folgende gleichzeitige
Notiz: „Anno 88 hait Joist vann der Reck dis buch
widder auffruisten undt innbynnden laissenn to ene
gedechnuss der pelgramm, also hyr inn benompt wurdt
unnd duisse reyse vollenndet.“ Darunter jteht in der
Schrift und Drthographie des 18. Jahrhunderts Ddiejelbe
Bemerfung. Es folgen 6 leere Blätter, jodann der Tert
der Handſchrift. — Dieſer ift gleihmäßig und in einem
Zuge gejchrieben, Hein, aber deutſch. Bei der Wiedergabe
des Terted war nur wenig zu ändern, denn von Abkürzungen
finden ji — mit einigen Nusnahmen hervorgerufen durch
den Umftand, daß dem Schreiber der Raum knapp wurde —
nur die gewöhnlichen für fehlende® n oder m und für
fehlende er, re oder r. Nötig war dad Zuſammenziehen
getrennter Worte wie was kersen = waskersen, an ge-
bunden, na volgende u. j. w., jowie die Umſchreibung
der Zahlen in die arabiihen Zeichen. Die Interpunktion
fehlt, außer zuweilen dem Punkt am Ende des Abjapes, ganz.
171
Die im Terte gefperrt gedrudten Worte find im Original
mit roter Tinte gejchrieben.
Bis zum 26. Blatt ift die Handſchrift folürt.
I. Text der Handidrift.
Anno Domini viffteynhondert und negenteyn S. 1.
hebben dusse nabescreven to herten und to synne ge-
nommen ene bedevert tom hilligen lande tho done tho
eren und love der werder unverdeilden hilligen drey-
voldicheit Got schepper hymmelrekes und ertrickes und
Marien syner gebenedieder moder der hochgeloveder
koningynnen und dat ganse hymelsche her, welker sick
Apr.24.dan vergaddert hebben up dey hilligen hochtit Paschen
im yar vorg. als mit namen dey erntvesten erbaren
ersamen und vromen Dirick Ketteler, droste ton Otten-
steyn!) &c., Goddert Ketteler, droste to Elverfelde,
gebrodere, Gert van der Recke tho Heissen?), her
Evert van Cobbenrait, decken to Wormeke?), Cort van
Brencken, Johann van Hanxelede, Zeries van Scheleke ®)
als en deyner Gerdes vorg. und en Bernt van Waren-
dorp und || Johannes Hagebecke als deyners Deyrikes <,
vorg. und Gossen Berchen als deyner Godderdes vorg.
Apr.26.So hebben wy pelgeryms des Dinstages na dem hilligen
Pasche dage den morgen tho 6 uren vor den hilligen
dren konyngen messe gehort, dey der vorg. decken las.
Als dey messe uth was, hebben wy broders den hilligen
dren konyngen geoffert itlick en bernende kerse van
en punt wasses und uns den hilligen dren konyngen
dar mit befollen und synt vort 1/2 mele weges utlı
10
) Weſtlich von Ahaus. — *) Heeſſen nordöſtlich von Hamm. —
») Wormbach bei Schmallenberg im Sauerland. — *) Schalte
Kreis Bochum,
172
Collen geredden und dar up den Ryne int schyp!)
gesetten, dey deyner gode bevollen, dey do van uns
gescheit synt.
Item so syn wy den Ryn upgefaren. Als wy
tegen Bunna?) quemen, hefft itlick broder 2 goltgulden
up itlick pert in dei burse gelacht, dat maket 20 gold-
gulden, und der deken is burserer gewest, || und &.3.
synt tegen den avent tho Wynters®) gekommen, is 7
mele van Collen, unde dar dey nacht vertert 2 golt-
gulden und 3 rader albus in des schulten hus.
Apr.27. Item den gudesdagen morgen van Wynters na
Cavelens®) gefaren is 6mele, und underwegen to Lyns
vor 21 rader albus vische und eyer gekoflt und den
avent tho Cavelens in dem speis tor herberge gekommen,
dar vertert 2 goldgulden 31/3 rader albus.
Apr.28. Item den donnerdage morgen van Cavelens na
Bacharach gefaren, is 7 mele und den meddach to
Poppert ) gekafft vor 2 goldgulden haver und kruet,
den mandach®) to sunte Gelber?) visch und vleisch
gekofft vor 6 rader albus, und den avent to Bacharach
tor guder herberge gekommen genant in den rebbestock,
dey nacht 1 goldgulden vortert, so wy in dem scheppe
maltyt gehalden hedden; und dar was gut wyn. ||
Apr.29. Item den vrydagen morgen na Mens®) gefaren, is &, 4.
6 mele van Bacharach, tor guder herberge in dem Ros
genant, und under wegen to Rodelsem?) wyn und vische
vor 1 goldgulden, und 4 rader albus, und den selfften
morgen gegeven 5 goltgulden, dat man in dem schep
verdan hadde, und vor en bock papyrs 2 rader
albus. Noch den meddach to Rodelsem vortert
) In der Hdichr. seryp. — ) Bonn. — ?) Königswinter. — *) Eoblen;.
— 5) Boppard. — °) Soll wol heißen nameddach. — ?) St. Öoar,
— 8) Mainz, — °) Rüdesheim,
173
171/3 rader albus. Und dar sette wy uthem scheppe und
redden tho Mens, und tho Walne!) overgefaren, dem
gegewen 51/, rader albus und den avent tho Mens ge-
kommen und dar vortert avent und morgen tor soppe
und geleide tosamen 4 goldgulden myn en albus.
Item dem schipman, dey uns van Collen vorde to
Mens, em gegeven van itliken perde und man en gold-
gulden, summa 10 goldgulden, und den knechten 2 albus.
‚Apr.30,
Item den Saterdach van Mens || na Oppenhem?) &,5,
geredden, is 3 mele, und tegen den avent to Wormes
gekommen, is 4 mele van Oppenhem in en herberge
Mai 1. tom koffhus und den sondagen morgen Quasimodo ge-
niti messe gehort, dem prester gegeven 2 rader albus
und dar vortert 4 goldgulden 3 rader albus und vor
dat geleide bis to Spyr, und dar hebben dey broders
up itlick pert 3 goldgulden ingelacht, summa 30 gold-
gulden.
Item den sondach na Anderschet?®) geredden, is
3 mile van Wormes und dar dor gereden na Spyr, is
4 mele van Änderschet und in en gude herberge ge-
‚Mai,
J
kommen, in der kannen genant, und dar 2 nacht und
1 dach gelegen, dar vertert 7 goltgulden 4!/, rader
albus, den knechten und megeden 7 albus, noch twe
monnicke 2 albus und 2 albus vor 2 appel van Arraneen®),
und wy broders worden erliken tractert || und to gaste &, 6.
geladen van den domhern tho Spyr.
Item den dynstagen morgen vro van Spyr na
Rynhusen) geredden und dar over den Ryn gefaren,
dar aff gegeven 4'/, rader albus, und den meddach to
Brucksel®) vortert en goltgulden 121/, albus und is
3 mele van Spyr, und tegen den avent tho Bretten
1) Walluf. — *) Oppenheim. — ?) Mutteritadt oder Otterſtadt? —
9 Granatäpfel. — °) Haufen. — *) Brudjal.
Maid
Mai 5
Mai 6
Mai 7
174
gekommen in dey kroen tor herberge, und is 3 mele
van Brucksel, und dar dey nacht vortert 31/3 goldgulden
9 rader albus, und den boden, dey den geleideman
holde, 4 albus, und dem geleideman, dey uns geleide
to Etzlingen!), dem gegeven 5 rollebassen, und den
gudesdach van Bretten na Veyngen ?) myt den geleides-
man geredden und de Junckeren, dey to Bretten legen,
so dat dem palsgreven tohort, deden uns 30 gewapen
wol gerustet mede en stucke weges to geleiden, und
wy quemen an en schon monnecke closter, Molbron ®)
genant, und den middach to Veyngen gekommen, dar
en schon slot licht an der stadt, und tor herberge in
|| dey kroen gekommen und dar de nacht vortert 31/2
goltgulden; is 3 mele van Bretten.
Item den donnerdagen morgen van Veyngen to
Kanstadt gereiset und den middach dar vortert am
orthus in der voerstadt 1 goldgulden und 20 krutzer,
und tegen den avent to Etzlingen gekommen in de
sterne tor herberge und den fridach dar gebleven, is
4 mele van Veyngen, und is en stadt van den ricksteden,
dar gelden rollebassen und krutzer, en rollebasser
4 krutzer, und 15 rollebasser vor en goltgulden; und
dar is dey edel juncker Hinrick grave tho Nassaw und
her zo Bilsten by uns in unse geselschop gekommen
und dey erbar Diderick van der Recke is dar ock by
Gerde van der Recke synen leven vedderen gekommen,
so Gert synen deyner Zeries wederumme tho hus sande;
und dar vertert 7 goldgulden und 8 krutzer. ||
Item den saterdagen morgen van Etzlingen to
Gepyngen geredden, is 3 mele und den meddach dar
vortert 1 goldgulden 45 krutzer, und den avent to Gis-
lingen*t) gekommen, is 2 mele van Gepingen, und dar
) Ehlingen. — ?) Baihingen, — ) Maulbronn. — * Geislingen.
©.
8.
175
dey nacht und morgen vortert 4 goldgulden und 7
rollebassen, den prester 3 krutzer, den knechten und
megeden 6 krutzer in der kronen; und boven der stadt
licht en schoen sloit up dem berge.
Item tho Gepingen hebben wy broders up itlick
pert ingelacht 3 goltgulden, summa 33 goldgulden, so
myn juncker van Nassaw dar nu by gekommen is.
Rai 8 Item up sondach misericordia domini synt dey
ses uthriders van der stadt van Ulm by uns broderen
tho Gislingen gekommen und uns geleidet wente tho
Ulm in dey kroen tor herberge, und is 3 grote mele
van Gislyngen; || und den uthriders gegeven 131/, rolle- ©. 9.
bassen, und dar vortert de nacht 3’/a goldgulden und
14 krutzer; und dey hern von der stadt hebben uns
den wyn geschencket myt namen 12 verdel wyns roit
und wyt in 24 kannen dragende; und den knechten
gegeven en halven goldgulden.
Mai 9 Item den mandagen morgen na Menningen!) ge-
redden, is 6 mile van Ulm und underwegen in en
herberge by den wege liggende vortert den middach
21 rollebassen, und den avent to Menningen in dem
hertze tor herberge gekommen und dar dey nacht vor-
tert 2 goltgulden und 32 krutzer, und den megeden
4 krutzer gegeven.
Mai 10 Item des dynstages morgen van Menningen to
Kempten geredden, is 4 mele und dey nacht dar ver-
tert 4 goltgulden 47 krutzer, knechten megeden 6
krutzer, und in dem sworten beeren tor herberge
west. ||
Rai 11 Item den gudensdach van Kempten to Eswangen &.10.
is 2 mele und den meddach dar vortert 1 goltgulden
und 49 krutzer, und van Eswangen tegen den avent
) Memmingen.
176
tor Klusen!) geredden is 3 groite mele und dar dey
nacht vortert 3 goltgulden und 42 krutzer, den knechten
und megeden 6 krutzer, und vor en gymse gegeven
6 krutzer.
Mai 12 Item den donnerdagen morgen van der Clusen
geredden unter den Verner?) dar den middach vortert
1 goltgulden 29 krutzer, und is 2 mele van der CGlusen,
vort over den Verner geredden und tho Nazarith ’?)
tho, is 2 mele und den avent to Eymes#), is 1 groit
mele van Nazarith, und dar dey nacht vortert 4 golt-
gulden myn 9 krutzer tom Roff in der herberge genant.
Mai 13 Item den fridagen morgen van Eymes geredden
to Landeck), is 2 grote mile und dar den meddach
vortert 1 goltgulden 20 krutzer, und tegen den avent
to Reyt®) gekommen, is 2 groit mele || van Landeck, S. ıı
und dar dey nacht vortert 2 goltgulden 36 krutzer.
Mai 14 Item den saterdagen morgen van Reydt geredden
tho Nueders?) over sicke her Clawes berch®) unde den
meddach dar vertert 1 goltgulden und 56 krutzer?),
und is 3 mele van Reydt tho Nueders. Tegen den
avent geredden tom Haveke 10) liggende by en staende
see !!) und dar vortert 3 goltgulden und 20 krutzer
und is 2 groite mile van Nueders, und dar in gelacht
up itlick perdt 3 goltgulden, Summa 33 goltgulden.
Mai 15 Item den sondagen morgen Jubilate van den
Haveke to Sevenkerken!2) geredden is 1 mile und dar
) Klauſen. — ?) Fern⸗Paß. — °) Nafjereit. — ) Imſt. — °) am Inn.
— °) Ried am Inn. — 7) Nauderd. — *) Nicolausberg. — ?) In
der Hdſchr. kutrerz. — 10) Wol in der Nähe von ©. Valentin a. d.
Heide. — ) Wol der Haid-See. — 9) Mals an der Etic.
Arnold v. Harff in ſ. Pilgerreife v. 1496 ff. (Ausg. von v. Groote
Köln 1860 ©. 7), der bis bier denjelben Weg von Köln aus wie
unfere Pilger machte, fagt: Mals is eyn groys dorff mit VII kirchen,
darumb wyrt idt geheischen Sevenkirchen.
177
messe gehort und den meddach vertert 1 goldgulden
39 krutzer. Van Sevenkerken tegen den avent to Lets!)
is 3 mele, dar dey nacht bes tom anderen dage; to
meddach vertert in Hans Beke syn hus 5 goltgulden
und 12 krutzer, und dar stet tegen up enen hogen
berge en || capelle, dar sunte Mertyn ser genedich is. S. 12.
Mai 16 Item den mandach to middage van Letz tegen den
avent to Meraen?) gekommen, is 3 mele und dar dey
nacht in der kroen in Hans Wynmans hus vortert
3 goltgulden und 3 krutzer, den knechten und megeden
9 krutzer, vor malmoseer) gegeven 9 krutzer.
Mai 17 Item den dinstagen morgen van Meraen na Kalten®)
geredden is 4 mele, und den meddag in den roden
lewen vortert 1 goltgulden 27 krutzer, und tegen den
avent geredden to Termyn°). is engroit mele van Calten
und dar dey nacht vortert 3 goltgulden 6 krutzer in
den witten lewen.
Mai 18 Item den gudensdagen morgen geredden van
Termyn to Trendt®), is 4 grote mele, und to medde-
wege over Etsch gefaren, darvan gegeven 6 krutzer, und
to Trendt in dey Kronen tor herberge gekommen und
Mai2ı dar gebleven bis tom saterdagen morgen und dar vor-
tert 14 goltgulden myn 12 krutzer. Noch 1 goltgulden
dem kylindelin, sent Simon genant, geoffert, dat men &, 13.
uns toende noch liffhafftich, so eth dey Jodden myt
natelen, tangen und messen dot hadden gepiniget um
des bloides willen, dat in korten yaren noch gescheyn
is”). Noch 14 krutzer vor haver und wyn, den knechten
und megeden 12 krutzer, und den biscop van Trendt
syner v. g. vorwarer schenkeden uns 8 half verdel
wyns, roit, wyt und soete gedrencke.
u Laatih. — 2) Meran. — ?) Malvafier-Wein. — *) Kaltern. —
°) Tramin. — °) Trient. — ?) Nach Felir Tabri (Ausg. des litt.
Vereins in Stuttgart 1843) I, 76 im 3. 1475.
XLVM. 1. 12
178
Item den saterdagen morgenna demsondage Jubilate
geredden to Levyngen!), is 21/3 dusche mile van Trendt,
so Trendt halff welsch und dutz is und dat welsche
lant dar angeth, unde dey broders wedder ingelacht
up itlick pert 2 goltgulden, Summa 20 goltgulden, so
dat elfite pert verkofft wort. Der 20 goltgulden sal
dey burserner 4 und 12 krutzer hebben, dey hey ver-
lacht hevet, so blyven?) || noch 15 goltgulden und €. 14
50 krutzer, des by Michel?) von Leffyngen to Leffyngen
vertert den middach 1 goltgulden und 54 krutzer; und
tegen den avent in de Burge*) gekommen, is 7 welsche
mele van Leiffyngen, dar dey nacht vortert 3 goltgulden
19 krutzer, dem prester tor messe gegeven 7 krutzer,
den knechten und megeden 7 krutzer.
Mai 22 Item den sondach Cantate5) den morgen to As-
frala®) geredden, is dat erste dorp in dem venedieschen
lande und is 12 welsche mile van Burge, und dar den
middach vortert 1 goltgulden und 20 krutzer und in
ener herberge genant Anthoni de Merunum’?), und tegen
den avent tor Sage®) gekommen, dar dey nacht vor-
tert 3 goltgulden myn 28 krutzer, und is 7 mele van
Asfrala.
Mai 23 Item van der Sage den mandagen morgen ge-
redden to Persaen?) in de stat, is 7 mele, und dar
den meddach || vortert 2 goltgulden und 40 krutzer!P), &. ı5
und tegen den avent to Castelfranck !!) gekommen in
den swert in der herberge, is 10 mele van Persaen,
und dar vertert 2 goltgulden und 20 krutzer.
1) Levico, füdöftlih von Trient. — 9) Hdfr.: bylyven. — °) Hdidr.:
Nichel oder Mchel. — *) Borgo. — 5) Hoſchr. faljch: sondach na
Cantate. — ®) Lage? — ?) sie! — 3) Miago? — *) Perſana. —
»v) Hdſchr.: krutrer. — 9) Gaftelfranco.
179
Mai 24 Item van Castelfranck up dinstagen morgen ge-
redden na Meisters!) und to mitwegen vortert 1 gold-
gulden und 16 krutzer, und tegen den avent to Meisters
gekommen, is 18 mele van Castelfranck, und to Meisters
in dey kroen by enen duschen wert genant Jacob tor
herberge gelegen.
Mai 25 Item den gudensdagen morgen uthgesant to Ve-
nedien van den broderen myt namen her Evert van
Cobbenrat decken, Goddert Ketteler, Johan van Hanx-
lede und Johannes Hageboeke umme tydynge to ver-
horen, und synt van Meisters in vordekeden wagen ge-
faren bis to Margeyr ?), is 2 mele, und dar int schep
gesetten und gefaren to Venedien in dey stadt, is 5
mile, und in den witten lewen tor herberge gefaren,
und dey wert is en Nederlender || genant Jacob. So ©. 16.
Mai 265yn de den donnerdach myt dem patroen weder to
Meisters gekommen und den tolmetzen, Michel genant,
und hebben myt den broderen gekalt der reyse halven,
und tegen den avent is dey patroen weder to Venedien
Mai 27gefaren und wy broder synt eme den fridagen morgen
semptliken to Venedien gefolget und in dey vorg. her-
berge gefaren und do myt dem patroen overgekalt und
verdragen, als wy dat schyp hadden geseyn und dey
patroen uns annam, als dey ander patroen uns ock gerne
hedde gehat, so dit yar dar twe naven na Jherusalem
gengen; und dat verdrach vynde gy int leste van dussen
bokesken.
Mai 28 Item den saterdach syn wy broders semptlich myt
dem patroen und tolmetze tho scheppe gefaren an en
stadt vaste by Venedien to Moraen?) genant, dar men
1) Meitre. — *) Malghera. — *) Murano. Das Glasblafen erwähnt
u. A. aud Otto Heinrih Pfalzgraf bei Rhein; vergl, Nöhridjt-
Meißner, Deutiche Pilgerreiien ©. 357.
127
—
180
de glase maket, dey wy segen blasen. Int erste queme
wy tuschen Venedien || und Moraen in sunte Augustinus S. 17
closter, dey kerke in sunte Cristofferus ere gefundert,
dar sunte Gracian liffhafftich is. und is en broder van
denselften orden gewest und doit groit mirakel.
Item vort in sunte Michels kerke gefaren und is
en closter van sunte Benedictus orden, vort licht dar-
by sunte Georgius closter, dar an gefaren, dar stan twe
hoge altar, in den enen altar tor rechteren hant secht
men, dat sunte Steffen dar under liggen solle und be-
nedden in der kerken an der selven sydt licht sunte
Eustachius syn corpus, dar wy unse pater noster leyten
roren, und dat liff liffhafftich segen liggen. Dar tegen
over an der anderen syt der kerken in enem altar licht
sunte Pauwel martir syn corpus, dar achter den altar
is eyn capelle, dar men uns toende und mede bestreken
worden myt sunte Jacob minor syn hovet, sunte Geor-
gius hovet und syn || luchter arm, und van sunte Cos- &., 15
mas und Damianus hoveden in eyn silveren hovet ge-
wracht, und sunte Lucien luchteren arm. Vort in dey
stadt Moraen gefaren und dar getert und uns myt den
patroen vrolick gemaket, dar dey patroen dat alle be-
talde, des wy dar vordeden; und tegen den avent
wederumme to Venedien gefaren in unse herberge.
Mai 29 Item den sondagen morgen Vocem jucunditatis
syn wy broders gefaren in sunle Helenen eloster buten
Venedien und dar messe gehort up sunte Helenen altar,
dar sey liffhafftich licht als wy sey geseyn hebt und
unse pater noster laten roren, und is en closter van
WMai30sunte Bernhardus orden, und den mandag wederumme
na Meisters gefaren unde under wegen in sunte Secunda
closter gefaren, dat en junfferneloster is, dar sancta
Secunda liffhafftich licht als wy geseyn hebt, und tegen
181
den avent to Meisters gekommen und || dar gebleven S. 19.
bis tom dynstagen avent.
Mai 31 Item den dynstagen avent wederumme to Venedien
Iuni 1 gefaren und den gudensdagen morgen to meddage to
der hilligen dreyvoldicheit gefaren und to sunte Marien
charitas, und is eyn closter van sunte Augustinus orden
und vort to sunte Rochus gefaren, dar syn corpus
liffhaftich licht, und darby to den fratern to Minoer,
dar dat hillige eruce genedich is, und is en groite
kerke wol gefyret van mormelen gesteynten.
Juni 2 Item den donnerdagen morgen is unses heren
hymmelfart gewest, do to schepe gefaren an den pallas,
dar wy segen, dat dey heren van Venedien in eyn groit
schip gengen, dar en brugge van den pallas up scheppen
gemaket was bes an dat groite schep, dat tho dusser
nabescreven processien sunderlingens gemaket is, und
boven bedecket myt roden syden satyn, unde voren ||
myt groter pomperye int mer by dey twe slotte, dey
by sunte Nicolaus kerken liggen. Up den sceppe weren
achte vergulde veneken und eyn hovetbanner van enen
gulden stucke und eyn vergolt wapen an den mas-
boem, und vor up den scheppe sat sancta Justicia up
enen lewen, beide verguldet, und noch vele ander sceppe
mit veneken und ander barken by dey 2 dusent.
Tuschen den slotten synt de heren myt dem scheppe
wederumme gekart und dargehalden, dat dey patriarcha
dat mer tribbede!) van des hertogen wegen myt enen
gulden rynge, unde waıp den int mer; und dar helden
twe galleyen int mer wol gerustet myt luden, bussen
und trumpet &c., der en quam und toch umme dey
heren van Venedien her myt grotem geschutte sey aff
A
to
1) — benedieit? ®emeint ift die Vermählung des Dogen mit dem
Meere,
182
leiten gaen, und van dar wederumme na sunte Nicolaus
kerken getogen, dar men messe in discante sanck, dar
gengen ses spillude vor dey itlick || eyn silveren besune ©. 21.
drogen, dey so groit und so lanck was, dat itlick enen
yungen moste hebben, den sey de besunen up dey
schulderen leggen mosten, und noch vele mer schal-
meider und ander spill. Als dey messe uth was, synt
sey wederumme in Venedien gefaren myt groter pom-
perye, und dey heren van Venedien synt ser kostlick
van clederen gewest, und myt kostliken geschutte, dat
van den scheppen genck, als dey hern wedder an dey
stadt quemen.
Juni3 ° Item den fridach dorch dat pallas in sunte Marcus
kerken gegangen, dar 4 metalen perde up staen an dem
plaz uth, und sunte Marcus toern is dat dach myt du-
katen golde verguldet und sunte Marcus dar boven
up verguldet und dey torn steyt van der kerken um-
trent 18 strede weges, und in der kerken steit eyn
malt crucifix up den altar tegen der kameren, || dar der ©. 22.
Venedier schat ynne is, dar dobbelers gekommen synt
und hebben dat crucifix dorch gestecken und gehowen,
dar do bloit uth vloith, als men noch seyn mach; und
an den choer stan up beiden syden 2 rode pilers,
synt dey 4 pilers, dar Pylatus uppe sat, als hey syn
hande wosch und wolde sick unschuldich kennen.
Item dussen selfften vridagen avent van Venedien
gefaren na Paduwa und en schep gehuret, dem gegeven
van 9 personen 12 marcell, und 9 marcell is en golt-
Suni4 gulden; und den saterdagen morgen to Paduwa ge-
kommen im Toerne tor herberge; und in der stadt is
vil hilgedomes, dan men woldes nicht thoenen dan
up syn secker tyt.
Zunig Item den mandach na dem sondage Exaudi des
morgens wederumme van Paduwa na Venedien gefaren
183
und dem schepman gegeven 8 marcell, und den avent
gekommen to Venedien. ||
Zuni 7 Item den dynstagen morgen in sunte Marcus ©.23.
kerke gegangen und gefaren, dar men uns pelgerym
alle gethonet hefft der Venedier schat, dey so kostlick
was, und deschat licht in dem orde na den water uth,
unde dar synt 2 yseren doren vor und dyt nabescreven
geseyn up eyn lange taffel gedeckt: Item des hertogen
bernet myt kostliken gesteynten, item noch 12 kronen
van golde gemaket myt gesteynten, item noch 4 kar-
bunculen steyn so groit als honereyger, dey myt perlen
umme dat benet weren bevatet, so groit als haselnotte;
item noch en kasseldomen krois!) van 1 mengelen?),
noch andere krose van edelen gesteynten, noch grote
smarachden als 2 hant breit; item noch 7 gulden borst-
stucke mit kostliken gesteynten; item noch 1 kostliken
kelck, dey by na en arm lanck is, myt tabernakelen
und gesteynten, und noch || gulden lochter kostlick ge- &. 24.
maket; item noch drey hele enhorn), der twe lenger
weren dan dey en, und der is wol en ses uff vii voit
lanck; item noch vele andere silveren vate und cleinode
und gesteynte so kostlich, dat men des nicht so seryven
kan als men dat geseyn hevet.
Juni 8 Item den gudensdagen morgen to sunte Lucien
gefaren und dar messe gehort, und dar sunte Lucien
corpus licht behalven en arm als wy geseyn hebt, und
dey pater noster leiten roren, so dey hillige junffer
noch en kroen myt perlen und gesteynten up ere hovet
hefft, und tegen den avent wederumme tho Meisters
gefaren.
2) Kanne, Krug. — *) Kleines Maaß. — ?) ein Zrinfgefäh. Vergl.
Röricht ⸗Meißner a. a. D. 172 Anm. Daf. erwähnt Dietrich von
Schadten nur ein Einhorn, Tſchudi a. a, O. 42 drei,
Maid
Maid
Mai 6
Mai 7
174
gekommen in dey kroen tor herberge, und is 3 mele
van Brucksel, und dar dey nacht vortert 31/3 goldgulden
9 rader albus, und den boden, dey den geleideman
holde, 4 albus, und dem geleideman, dey uns geleide
to Etzlingen!), dem gegeven 5 rollebassen, und den
gudesdach van Bretten na Veyngen?) myt den geleides-
man geredden und de Junckeren, dey to Bretten legen,
so dat dem palsgreven tohort, deden uns 30 gewapen
wol gerustet mede en stucke weges to geleiden, und
wy quemen an en schon monnecke closter, Molbron ®)
genant, und den middach to Veyngen gekommen, dar
en schon slot licht an der stadt, und tor herberge in
| dey kroen gekommen und dar de nacht vortert 3!/a
goltgulden; is 3 mele van Bretten.
Item den donnerdagen morgen van Veyngen to
Kanstadt gereiset und den middach dar vortert am
orthus in der voerstadt 1 goldgulden und 20 krutzer,
und tegen den avent to Etzlingen gekommen in de
sterne tor herberge und den fridach dar gebleven, is
4 mele van Veyngen, und is en stadt van den ricksteden,
dar gelden rollebassen und krutzer, en rollebasser
4 krutzer, und 15 rollebasser vor en goltgulden; und
dar is dey edel juncker Hinrick grave tho Nassaw und
her zo Bilsten by uns in unse geselschop gekommen
und dey erbar Diderick van der Recke is dar ock by
Gerde van der Recke synen leven vedderen gekommen,
so Gert synen deyner Zeries wederumme tho hus sande;
und dar vertert 7 goldgulden und 8 krutzer. ||
Item den saterdagen morgen van Etzlingen to
Gepyngen geredden, is 3 mele und den meddach dar
vortert 1 goldgulden 45 krutzer, und den avent to Gis-
lingen®) gekommen, is 2 mele van Gepingen, und dar
») Ehlingen. — ?) Baihingen. — ) Maulbronn. — *) Geislingen.
©.
t
Rai 8
Rai 9
175
dey nacht und morgen vortert & goldgulden und 7
rollebassen, den prester 3 krutzer, den knechten und
megeden 6 krutzer in der kronen; und boven der stadt
licht en schoen sloit up dem berge.
Item tho Gepingen hebben wy broders up itlick
pert ingelacht 3 goltgulden, summa 33 goldgulden, so
myn Juncker van Nassaw dar nu by gekommen is.
Item up sondach misericordia domini synt dey
ses uthriders van der stadt van Ulm by uns broderen
tho Gislingen gekommen und uns geleidet wente tho
Ulm in dey kroen tor herberge, und is 3 grote mele
van Gislyngen; || und den uthriders gegeven 131/, rolle-
bassen, und dar vortert de nacht 3!/, goldgulden und
14 krutzer; und dey hern von der stadt hebben uns
den wyn geschencket myt namen 12 verdel wyns roit
und wyt in 24 kannen dragende; und den knechten
gegeven en halven goldgulden.
Item den mandagen morgen na Menningen'!) ge-
redden, is 6 mile van Ulm und underwegen in en
herberge by den wege liggende vortert den middach
21 rollebassen, und den avent to Menningen in dem
hertze tor herberge gekommen und dar dey nacht vor-
tert 2 goltgulden und 32 krutzer, und den megeden
4 krutzer gegeven.
Nai 10 Item des dynstages morgen van Menningen to
Kempten geredden, is 4 mele und dey nacht dar ver-
tert 4 goltgulden 47 krutzer, knechten megeden 6
krutzer, und in dem sworten beeren tor herberge
west. ||
Mai li Item den gudensdach van Kempten to Eswangen
is 2 mele und den meddach dar vortert 1 goltgulden
und 49 krutzer, und van Eswangen tegen den avent
I) Memmingen.
©. 9.
©. 10.
176
tor Klusen!) geredden is 3 groite mele und dar dey
nacht vortert 3 goltgulden und 42 krutzer, den knechten
und megeden 6 krutzer, und vor en gymse gegeven
6 krutzer.
Mai 12 Item den donnerdagen morgen van der Clusen
geredden unter den Verner?) dar den middach vortert
1 goltgulden 29 krutzer, und is 2 mele van der Clusen,
vort over den Verner geredden und tho Nazarith ®)
tho, is 2 mele und den avent to Eymes®), is 1 groit
mele van Nazarith, und dar dey nacht vortert 4 golt-
gulden myn 9 krutzer tom Roff in der herberge genant.
Mai 13 Item den fridagen morgen van Eymes geredden
to Landeck®), is 2 grote mile und dar den meddach
vortert 1 goltgulden 20 krutzer, und tegen den avent
to Reyt®) gekommen, is 2 groit mele || van Landeck, &, ıı.
und dar dey nacht vortert 2 goltgulden 36 krutzer.
Mai 14 Item den saterdagen morgen van Reydt geredden
tho Nueders”?) over sicke her Clawes berch®) unde den
meddach dar vertert 1 goltgulden und 56 krutzer?),
und is 3 mele van Reydt tho Nueders. Tegen den
avent geredden tom Haveke !P) liggende by en staende
see!!) und dar vortert 3 goltgulden und 20 krutzer
und is 2 groite mile van Nueders, und dar in gelacht
up itlick perdt 3 goltgulden, Summa 33 goltgulden.
Mai 15 Item den sondagen morgen Jubilate van den
Haveke to Sevenkerken!?) geredden is 1 mile und dar
I) Klaujen. — ?) Fern⸗-Paß. — °) Nafjereit. — *) Imſt. — °) am Inn.
— *) Ried am Inn. — 7) Nauderd. — ®) Nicolausberg. — °) In
der Hdſchr. kutrerz, — 1°) Wol in der Nähe von ©. Valentin a. d.
Heide. — 2) Wol der Haid-See. — '?) Mals an der Etſch.
Arnold v. Harff in ſ. Pilgerreife v. 1496 ff. (Ausg. von v. Groote
Köln 1860 ©. 7), der bis hier denjelben Weg von Köln aus wie
unfere Pilger machte, fagt: Mals is eyn groys dorff mit VII kirchen,
darumb wyrt idt geheischen Sevenkirchen.
177
messe gehort und den meddach vertert 1 goldgulden
39 krutzer. Van Sevenkerken tegen den avent to Lets!)
is 3 mele, dar dey nacht bes tom anderen dage; to
meddach vertert in Hans Beke syn hus 5 goltgulden
und 12 krutzer, und dar stet tegen up enen hogen
berge en || capelle, dar sunte Mertyn ser genedich is. S. 12.
Mai 16 Item den mandach to middage van Letz tegen den
avent to Meraen?) gekommen, is 3 mele und dar dey
nacht in der kroen in Hans Wynmans hus vortert
3 goltgulden und 3 krutzer, den knechten und megeden
9 krutzer, vor malmoseer®) gegeven 9 krutzer.
Mai 17 Item den dinstagen morgen van Meraen na Kalten)
geredden is 4 mele, und den meddag in den roden
lewen vortert 1 goltgulden 27 krutzer, und tegen den
avent geredden to Termyn®). is engroit mele van Calten
und dar dey nacht vortert 3 goltgulden 6 krutzer in
| den witten lewen.
Mai 18 Item den gudensdagen morgen geredden van
Termyn to Trendt®), is 4 grote mele, und to medde-
wege over Etsch gefaren, darvan gegeven 6 krutzer, und
to Trendt in dey Kronen tor herberge gekommen und
Wai2ı dar gebleven bis tom saterdagen morgen und dar vor-
tert 14 goltgulden myn 12 krutzer. Noch 1 goltgulden
dem kylindelin, sent Simon genant, geoffert, dat men &, 13.
uns toende noch liffhafftich, so eth dey Jodden myt
natelen, tangen und messen dot hadden gepiniget um
des bloides willen, dat in korten yaren noch gescheyn
is”). Noch 14 krutzer vor haver und wyn, den knechten
und megeden 12 krutzer, und den biscop van Trendt
syner v. g. vorwarer schenkeden uns 8 half verdel
wyns, roit, wyt und soete gedrencke.
u Laatih. — °) Meran. — ?) Malvafier-Wein. — *) Kaltern. —
°) Tramin. — °) Trient. — 7) Nach Felir Fabri (Musg. des litt.
Vereins in Stuttgart 1843) T, 76 im 3. 1475.
XLVII. 1. 12
178
Item den saterdagen morgenna demsondage Jubilate
geredden to Levyngen!), is 21/3 dusche mile van Trendt,
so Trendt halff welsch und dutz is und dat welsche
lant dar angeth, unde dey broders wedder ingelacht
up itlick pert 2 goltgulden, Summa 20 goltgulden, so
dat elffte pert verkofft wort. Der 20 goltgulden sal
dey burserner 4 und 12 krutzer hebben, dey hey ver-
lacht hevet, so biyven?) || noch 15 goltgulden und ©. 14
50 krutzer, des by Michel?) von Leffyngen to Leffyngen
vertert den middach 1 goltgulden und 54 krutzer; und
tegen den avent in de Burge*) gekommen, is 7 welsche
mele van Leiffyngen, dar dey nacht vortert 3 goltgulden
19 krutzer, dem prester tor messe gegeven 7 krutzer,
den knechten und megeden 7 krutzer.
Mai 22 Item den sondach Cantate®) den morgen to As-
frala®) geredden, is dat erste dorp in dem venedieschen
lande und is 12 welsche mile van Burge, und dar den
middach vortert 1 goltgulden und 20 krutzer und in
ener herberge genant Anthoni de Merunum’?), und tegen
den avent tor Sage?) gekommen, dar dey nacht vor-
tert 3 goltgulden myn 28 krutzer, und is 7 mele van
Asfrala.
Mai 23 Item van der Sage den mandagen morgen ge-
redden to Persaen?) in de stat, is 7 mele, und dar
den meddach || vortert 2 goltgulden und 40 krutzer!P), &. 15
und tegen den avent to Castelfranck !!) gekommen in
den swert in der herberge, is 10 mele van Persaen,
und dar vertert 2 goltgulden und 20 krutzer.
1) Levico, füdöftlich von Trient. — *) Hdfchr.: bylyven. — 9) Hdidr.:
Nichel oder Mchel, — *) Borgo. — 5) Hdichr. faljch: sondach na
Cantate, — ®) Lage? — ?) sic! — *) Aſiago? — ?) Perfana. —
0) Hdichr.: krutrer, — ) Gaftelfranco,
179
Mai 24 Item van Castelfranck up dinstagen morgen ge-
redden na Meisters!) und to mitwegen vortert 1 gold-
gulden und 16 krutzer, und tegen den avent to Meisters
gekommen, is 18 mele van Castelfranck, und to Meisters
in dey kroen by enen duschen wert genant Jacob tor
herberge gelegen.
Mai 25 Item den gudensdagen morgen uthgesant to Ve-
nedien van den broderen myt namen her Evert van
Cobbenrat decken, Goddert Ketteler, Johan van Hanx-
lede und Johannes Hageboeke umme tydynge to ver-
horen, und synt van Meisters in vordekeden wagen ge-
faren bis to Margeyr ?), is 2 mele, und dar int schep
gesetten und gefaren to Venedien in dey stadt, is 5
mile, und in den witten lewen tor herberge gefaren,
und dey wert is en Nederlender || genant Jacob. So ©.
Mai 265yn de den donnerdach myt dem patroen weder to
Meisters gekommen und den tolmetzen, Michel genant,
und hebben myt den broderen gekalt der reyse halven,
und tegen den avent is dey patroen weder to Venedien
Mai 27gefaren und wy broder synt eme den fridagen morgen
semptliken to Venedien gefolget und in dey vorg. her-
berge gefaren und do myt dem patroen overgekalt und
verdragen, als wy dat schyp hadden geseyn und dey
patroen uns annam, als dey ander patroen uns ock gerne
hedde gehat, so dit yar dar twe naven na Jherusalem
gengen; und dat verdrach vynde gy int leste van dussen
bokesken.
Mai 28 Item den saterdach syn wy broders semptlich myt
dem patroen und tolmetze tho scheppe gefaren an en
stadt vaste by Venedien to Moraen?) genant, dar men
ı) Meitre. — *) Malghera. — *) Murano. Das Glasblajen erwähnt
u. A. auch Otto Heinrih Pfalzgraf bei Rhein; vergl, Röhricht-
Meißner, Deutiche Pilgerreilen S. 357.
19*
180
de glase maket, dey wy segen blasen. Int erste queme
wy tuschen Venedien |] und Moraen in sunte Augustinus €. 17
closter, dey kerke in sunte Cristofferus ere gefundert,
dar sunte Gracijan liffhafftich is. und is en broder van
denselften orden gewest und doit groit mirakel.
Item vort in sunte Michels kerke gefaren und is
en closter van sunte Benedictus orden, vort licht dar-
by sunte Georgius closter, dar an gefaren, dar stan twe
hoge altar, in den enen altar tor rechleren hant secht
men, dat sunte Steffen dar under liggen solle und be-
nedden in der kerken an der selven sydt licht sunte
Eustachius syn corpus, dar wy unse pater noster leyten
roren, und dat liff liffhafftich segen liggen. Dar tegen
over an der anderen syt der kerken in enem altar licht
sunte Pauwel martir syn corpus, dar achter den altar
is eyn capelle, dar men uns toende und mede bestreken
worden myt sunte Jacob minor syn hovet, sunte Geor-
gius hovet und syn || luchter arm, und van sunte Cos- &, ı5,
mas und Damianus hoveden in eyn silveren hovet ge-
wracht, und sunte Lucien luchteren arm. Vort in dey
stadt Moraen gefaren und dar getert und uns myt den
patroen vrolick gemaket, dar dey patroen dat alle be-
talde, des wy dar vordeden; und tegen den avent
wederumme to Venedien gefaren in unse herberge.
Mai 29 Item den sondagen morgen Vocem jueunditatis
syn wy broders gefaren in sunle Helenen closter buten
Venedien und dar messe gehort up sunte Helenen altar,
dar sey liffhafftich licht als wy sey geseyn hebt und
unse pater noster laten roren, und is en closter van
Wai30sunte Bernhardus orden, und den mandag wederumme
na Meisters gefaren unde under wegen in sunte Secunda
closter gefaren, dat en junfferneloster is, dar sancta
Secunda liffhafftich lieht als wy geseyn hebt, und tegen
181
den avent to Meisters gekommen und |] dar gebleven S. 19.
bis tom dynstagen avent,
Rai 31 Item den dynstagen avent wederumme to Venedien
juni 1 gefaren und den gudensdagen morgen to meddage to
der hilligen dreyvoldicheit gefaren und to sunte Marien
charitas, und is eyn closter van synte Augustinus orden
und vort to sunte Rochus gefaren, dar syn corpus
liffhaftich licht, und darby to den fratern to Minoer,
dar dat hillige cruce genedich is, und is en groite
kerke wol gefyret van mormelen gesteynten.
juni 2 Item den donnerdagen morgen is unses heren
hymmelfart gewest, do to schepe gefaren an den pallas,
dar wy segen, dat dey heren van Venedien in eyn groit
schip gengen, dar en brugge van den pallas up scheppen
gemaket was bes an dat groite schep, dat tho dusser
nabescreven processien sunderlingens gemaket is, und
boven bedecket myt roden syden satyn, unde voren |)
myt groter pomperye int mer by dey twe slotte, dey ©. 20.
by sunte Nicolaus kerken liggen. Up den sceppe weren
achte vergulde veneken und eyn hovetbanner van enen
gulden stucke und eyn vergolt wapen an den mas-
boem, und vor up den scheppe sat sancta Justicia up
enen lewen, beide verguldet, und noch vele ander sceppe
mit veneken und ander barken by dey 2 dusent.
Tuschen den slotten synt de heren myt dem scheppe
wederumme gekart und dar gehalden, dat dey patriarcha
dat mer tribbede!) van des hertogen wegen myt enen
gulden rynge, unde warp den int mer; und dar helden
twe galleyen int mer wol gerustet myt luden, bussen
und trumpet &c., der en quam und toch umme dey
heren van Venedien her myt grotem geschutte sey aff
2) — benedicit? Gemeint ift die Vermählung ded Dogen mit dem
Meere,
182
leiten gaen, und van dar wederumme na sunte Nicolaus
kerken getogen, dar men messe in discante sanck, dar
gengen ses spillude vor dey itlick || eyn silveren besune S. 21.
drogen, dey so groit und so lanck was, dat itlick enen
yungen moste hebben, den sey de besunen up dey
schulderen leggen mosten, und noch vele mer schal-
meider und ander spill. Als dey messe uth was, synt
sey wederumme in Venedien gefaren myt groter pom-
perye, und dey heren van Venedien synt ser kostlick
van clederen gewest, und myt kostliken geschutte, dat
van den scheppen genck, als dey hern wedder an dey
stadt quemen.
Juni 3 Item den fridach dorch dat pallas in sunte Marcus
kerken gegangen, dar 4 metalen perde up staen an dem
plaz uth, und sunte Marcus toern is dat dach myt du-
katen golde verguldet und sunte Marcus dar boven
up verguldet und dey torn steyt van der kerken um-
trent 18 strede weges, und in der kerken steit eyn
malt crucifix up den altar tegen der kameren, || dar der ©. 22.
Venedier schat ynne is, dar dobbelers gekommen synt
und hebben dat crucifix dorch gestecken und gehowen,
dar do bloit uth vloith, als men noch seyn mach; und
an den choer stan up beiden syden 2 rode pilers,
synt dey 4 pilers, dar Pylatus uppe sat, als hey syn
hande wosch und wolde sick unschuldich kennen.
Item dussen selfften vridagen avent van Venedien
gefaren na Paduwa und en schep gehuret, dem gegeven
van 9 personen 12 marcell, und 9 marcell is en golt-
Juni 4 gulden; und den saterdagen morgen to Paduwa ge-
kommen im Toerne tor herberge; und in der stadt is
vil hilgedomes, dan men woldes nicht thoenen dan
up syn secker tyt.
Juniß Item den mandach na dem sondage Exaudi des
morgens wederumme van Paduwa na Venedien gefaren
Quni 7
183
und dem schepman gegeven 8 marcell, und den avent
gekommen to Venedien. ||
kerke gegangen und gefaren, dar men uns pelgerym
alle gethonet hefft der Venedier schat, dey so kostlick
was, und deschat licht in dem orde na den water uth,
unde dar synt 2 yseren doren vor und dyt nabescereven
geseyn up eyn lange taffel gedeckt: Item des hertogen
bernet myt kostliken gesteynten, item noch 12 kronen
van golde gemaket myt gesteynten, item noch 4 kar-
bunculen steyn so groit als honereyger, dey myt perlen
umme dat benet weren bevatet, so groit als haselnotte;
item noch en kasseldomen krois!) van 1 mengelen?),
noch andere krose van edelen gesteynten, noch grote
smarachden als 2 hant breit; item noch 7 gulden borst-
stucke mit kostliken gesteynten; item noch 1 kostliken
kelck, dey by na en arm lanck is, myt tabernakelen
Item den dynstagen morgen in sunte Marcus ©.23.
und gesteynten, und noch || gulden lochter kostlick ge- ©. 24.
maket; item noch drey hele enhorn), der twe lenger
weren dan dey en, und der is wol en ses uff vii voit
lanck; item noch vele andere silveren vate und cleinode
und gesteynte so kostlich, dat men des nicht so scryven
kan als men dat geseyn hevet.
uni 8 Item den gudensdagen morgen to sunte Lucien
gefaren und dar messe gehort, und dar sunte Lucien
corpus licht behalven en arm als wy geseyn hebt, und
dey pater noster leiten roren, so dey hillige junffer
noch en kroen myt perlen und gesteynten up ere hovet
hefft, und tegen den avent wederumme tho Meisters
gefaren.
1) Kanne, Krug. — *) Kleines Maaß. — ?) ein Trinkgefäß. Bergl.
Röricht-Meifner a. a. D. 172 Anm. Daſ. erwähnt Dietrich von
Schachten nur ein Einhorn, Tihudi a. a, O. 42 drei,
184.
Juni 14 Item des dynxslages to pynxten is unser broder
en deil to Venedien gewest und in sunte Rochus kerken
gegangen, dar alle dey pelgrym, dey to Venedien weren,
in gewest synt, dar men hochtidich messe sanck in
sunte Rochus broderschop; und || men sach dar sunte ©. 25.
Rochus liffhafftich liggen und alle dey pelgrym oflerden
erst tor messe und dar na vor sunte Rochus licham,
dar men allen pelgrym en kerse 1'/, spannen lanck
in dey hant gaff und leiten unse pater noster bestriken.
Als de messe uth was, genck men in en processien,
dar men en dornen van der dornenkroen unses leven
heren hochlick droch myt 20 vergulden lochters, dar
dan sworte kersen uppe stonden, und itlick borger van
Venedien, dey in der kerken weren und in sunte
Rochus broderschop horden, nemen enen pelgrym und
gengen in dey processie, und vor der kerken in dem
uthgange stonden 2, dey deden itlicken borgeren und
itlicken pelgrym en waskersen in dey hant van en verdel
punt wasses, und gengen uth sunte Rochus kerken in
dey grote kerke, dey darby licht, dar dey pelgrym offer-
den und dar men uns toende dat bloit Christi de mi-
racula und enen voit || Danielis des propheten, dar men &. 26.
offerde, und gengen wederumme in sunte Rochus kerken,
dar men dey lengeste kerse wederumme gaff, und gengen
wederumme in de herberge. |
Item den meddach in sunte Barberen closter ge-
gaen, dar sunte Barbara liffhafftich licht behalven dey
kywen!) van den hovede und sunte Cristoflerus
leendenben und van sunte Laurentius 2 armpipen, dar
noch vele mer hilligedoms ynne was, allet myt unsen
pater noster bestrecken.
Juni 22 Item up gudensdach vor corporis Christi syn wy
broders sementliken gekommen van Meisters, dar wy
1) Kinnbaden,
185
hochtyt hedden gehalden und synt to Venedien gekommen
umme dey processie to halden, dar wy alle myt yn
gengen, dey so kostlick und schon gemaket was und
tho genck, dat eth so nicht wol tho seryven is als wy
dat alle geseyn hebt.
Zunt 23 Item den donnerdagen morgen nemptlich up dach
corpus Christi synt alle || pelgryms sementliken in sunte ©. 27.
Marcus kerken gegangen und en deil to scheppe ge-
faren, dar dat ganse welffte an der kerken kostlick
verguldet was, und synt up dat koer gegangen, dar
gestolte was gemaket vor dey heren van der stait und
pelgryms. So synt dey hern van der stat aldar upt
koer gekommen in kostliken cleydern gulden stucke,
carmesyn, fluel!), dammast und scharlaken, dar sey
myt gecleidet weren, und synt an en sydt gaen sytten,
und dey pelgryms up dey ander syt des koers, dar dey
patriarcha is gekommen myt 7 deyners in epistelrocken
gecleydet van gulden stucken und hefft dar gesetten
up enen gulden stoil und hevet dey messe angehaven
myt kostlikem discante und orgelenspill und hebben
de misse gesungen bis dat men unsen hern got upge-
haven hefft. Do is dey processie angehaven als hyr
na gescreven steit: ||
Item int erste synt 5 broderschop gekommen, ©. 28.
dar wol by 2 dusent Jude ynne waren, und dey vor
den patriarchen mosten overgaen und weren alto male
wyt gecledet und witte runde benette uppe; und dyt
weren dey broderschappe, de erste is genompt de
sancta Maria misericordia, und hedden 14 par gulden
lochter myt witten watskersen und en crueifix myt
ener fanen navolgende und van der broderschapen en
itlick ene bernende waskersen moste dregen.
1) oder fluwel, flowel = Samt.
186
Item dar na is gekommen des hilligen Gestes
broderschap und groen kersen dragende und myt 13
par lochteren und itlick broder en groen waskerse
dragende und en cruce als vorg.
Item darna sunte Johannes baptisten broderschap
und 13 par vergulden lochter und brun waskersen
dragende und en cruce myt der vanen als vorg.
Item dar na sunte Rochus broderschap all wyt
gecleidet als alle dey vorg. broderschappe synt gewest, ||
und dusse was ser kostelick tho gemaket. Tom ersten €. 29.
synt sey gekommen und hebben 24 par vergulden
lochter gedragen myt swarten kersen und en cruce
myt der vanen, und dar gevolget dey historie van Adam
und Eva und van Cayn und Abel und van dem alden
testamente kostlick uth gerichtet, altosamen levendige
personen myt gulden und silveren stucken und ander
fluel, dar sey myt gecleidet weren. Als dey historie
uth was, dar na synt wol 50 par broders gekommen,
dey itlick drogen en erer hant en silveren geschenck
van kannen, krosen, schalen, groite becker, und dat
kostlick was, und dar na dey broders volgende myt
swarten waskersen.
Item darna is sunte Marcus broderschap gekommen
myt 13 par vergulden lochteren und eyn vane myt dem
cruce und dey || broders drogen up ener baren silveren & go,
geschencke van vleschen, schalen, kannen und ander
geschenck upgesat na gesteltnesse ener borch, und dey
broders volgeden myt roden kersen dragende.
Item in itliker broderschap weren gestalt cleyne
kynder, dey uthgerustet weren in gulden stucken und
andern siden cledern in gestaltnesse der engelen und
in eren hande dragende silveren geschenk, dar groene
kruth und blomen yn weren, dar sey dey heren van
Venedien und dey pilgrym mede bestreiden; welcker
187
kynder so kostlick weren uthgerustet par by par, itlick
par over en cledynge gecledet und ere vlogele over
ens all van syden satyn off sloyer!) er cleder gemakt.
Item dar na synt gekommen monnike in dey
processie eyn vane myt en eruce?) und en par torssen
dar vor, dat hadde itliker orde, und derorden was 18,
und itlike orden hadden || er epistelrocke und messe- ©. 31.
wande so kostelick van gulden stucken als men dat
seggen kan, und gengen all twe deyners vor in epistel-
rocken und en prester in eyn messewant &c., so dat
dar orden myt weren, dey so 20 off mer der epistel-
rocke hedden van allen varven, und itlick monick droch
en witte waskerse van en halff pundt, und der moneke
weren over de dusent. Als dey tegen den patriarcha
quemen, gaff dey patriarcha dey benedictien over sey
altomale.
Item darna synt gekommen prester van 12 paro-
chienkerken, eyn deil myt koerkappen, itlick porrochia
mit erem cruce dar vor myt kersen. Der prester weren
wol 2 hundert.
Item darna is dey patriarcha myt den prestern,
dey de messe sungen, in sunte Marcus kerken |] [ock]?) ©. 32.
in dey processie gegangen, und 4 prester drogen dat
hillige sacrament up en gulden barde kostlick verguldet,
und dat hillige sacrament stont in enen langen kostliken
kelck, und dar drogen & prester en gulden stucke
boven und drogen vor dat hillige sacrament wol 30
par kerssen, itlick kersse van 6 punt wittes wasses.
Item dar na synt dey heren van der stadt eyn
in eyn gulden stucke, und dey andern gecleidet wo sey
vorg., dem hilligen sacrament gefolget unde itlick her
to
) &o für „floyel”? — ?) Dies Wort fehlt in der Hoſchr. — °) un-
deutlich, aber jo wol zu leſen.
188
van der stadt hefft enen pilgrym boven sick genommen
to gaen und der processien so gefolget, und in dem
uthgange heflt den heren van der!) stadt und uns
pelgryın gegeven en witte waskertze van !/s punde
bernende, und so gevolget myt bernenden kersen. Als
men in dey kerke wederumme quam, nam men dey
kersen van den hern, und nicht van uns pel || grym, ©. 33.
und gengen myt den hern in den pallas boven up en
ummeganck, und nemen orleff van den heren und ge-
faren tor herberge.
Item ock to wetten, wo sey ‚gegangen synt myt
der processien. Dey broderschoppe synt neden in dey
kerke van dem platze gekommen und ock de vorg.
historia, dat all levendige lude weren und up groten
barden droch, und synt up den kor vor dem hilligen
sacramente over gegan und vor dem patriarchen und
synt to der rechteren hant van dem koer weder uth
der kerken gegangen umme sunte Marcus platz, so dey
verkant is, und was myt enen laken boven bedecket,
und up itliker syt van dem vordeckden gange stonden
alle 5 strede van en ander grote lochter myt bernenden
waskersen, und als dey moneke und heren in sunte
Marcus kerke quemen an dey sydt, dar men dat ewan-
gelium synget, dey gengen ock over || dat choer vor dat & 34,
hillige sacrament unde folgenden der broderschappen.
Als itliker orde van monneken und itlike porrochie-
prester tegen dat hillige sacrament quemen, so hebben
sey den ymnum angehaven to syngen: Pange lingwa
und synt vort gegan.
Item ock als men dat hillige sacrament up alle
veer orden des platz quam, vel dey patriarcha neder
myt allen pilgrym op er kney, dar dat hillige sacrament
1) Hdichr.: den.
159
restede, und sungen, und boven den ummeganck so dey
to gemaket was up allen husern darumme her sach
men der hern van der stadt vrowen in venstern liggen
up groiten kostlicken tapeten uth den venstern hangende
und boven den venstern umme der sonne willen, dar
dey vrowen so kostlich stonden und leiten sick be-
schowen; anders en konde men er nicht to seyne
krygen!), und itlick hadde eyn weyger van plumen in
der hant umme hitte willen. ||
Zunt 28 Item so syn wy up sunte Peter und Pawels ©.35.
avent in dey kerke gan de corpore Christi. Dar heb
wy broders und dey Hollender messe gesungen, und up
3uni29 sunte Peter und Pauwels dag syn wy semtliken to
scheppe gefaren, so unse grote schip buten dem slotte
by Venedien lach in dey havynge umtrent 5 welsche
mele, und dar in godes namen in gefaren.
Item so syn wy van den donnerdagen up den
Sufii fridach na sunte Peter und Pauvel in godes geleide
affgefaren na Parens?) und umme storm des wyndes
Zuli2 syn wy Parens vorby gefaren und synt den saterdagen
avent gut tyt to Rulbinen®) gekommen in dey haven,
dar unse patroen syn parvande koffte, dat 8 mele is
boven Parens, und Parens is hundert mele von Venedien,
und eyn sloit licht tuschen Parens und Rulbinen, dat
dem bischop to Parens hort, und Rulbinen licht an
eyn || geberchte up en cleyn bergeken runth int mer ©. 36,
und is en cleyn vleckesken, und dar licht en Obser-
vanten*) closter by ant geberchte und dar is starck
und gutlı wyn und gutlı kop. Und dar vaste by licht
1) Ganz anders allerdings berichtet und urteilt Dietrich von Schachten
über die Frauen Venedigs. Pol. Röhricht-Meihner a. a.D. 171. —
2) Parenzo auf Zitrien. — ?) Rovigno ebenda. — * Hdſchr.: Ob-
steryauten,
190
en bergeken, dar sunte Gregorius 7 yar gefangen sath
und dede penitentie als men secht, do hey tom paweste
gekoren was.
Zuli 7 Item den donnerdagen avent weder in gotz namen
afgefaren uth der haven to Rublinen!) und synt so
veer int mer gekommen, dar wy steynelippen segen,
Zulis und van den donnerdach up?) fridach hebbe wy enen
groten storm gehat und donnerde und blixemmede, und
Auli9 segen den saterdach vische, dey vleygen konden, und
quemen vel vische by dat scep, dat er natur is; dey
schipknechte schotten dey mit geren und stralen ?) myt
langen steven und dar snoer angebunden.
Juli 12 Item dar na syn wy gekommen || up sunte Mar-
gareten avent, dey des dynstages was, to Zanten off
Janten in dey haven und dar gekofft honder und eyer,
und dar licht en schon sloit boven up dem berge und
dar tegen over up dem eylant licht en vast sloit, dat
den Torken tohort genompt Moree®), und dar noch
entegen over licht en starck sloit genompt Valeive°),
dat den Venetianen®) tohort, und myt dem slotte be-
dwyngen sey den Torck, dat hey nicht in eristenlant
kommen kan. Und Janten is ock eyn eylant, dat wol
70 mele lanck und breth is und hefft wol 60 dusent
man, und de wyn is dar starck und wesset des yars
drey mall, und grote druven.
Juli 18 Item up sunte Margareten dach des avendes syn
wy myt dem patroen weder in unse schip gefaren und
in gotz geleide na Rodus gefaren. ||
1) sic! — 9) Hdichr.: und. — *) Pfeil. — *) Bei Tichudi 64: Torneſo
in Morea; vielleicht liegt bier eine Verwechlelung ınit dem Namen
der Halbinjel vor, auf der das Schloß lag. — °) Valevie zu lejen?
Tſchudi 65 erwähnt hier aud ein venetianisches Schloß, gibt aber
feinen Namen. — °) Hdichr.: Venetranen,
©. 37
191
Quli 14 Item den donnerdagen morgen so ver int mer &,38,
gekommen, dat wy en slot in Torkyen segen liggen
genompt Tzaensi!) in dat lant van Morym?).
Juli 15 Item den fridach gekommen tegen Modon, dat
Cristen plach to syne, dat dey Torke nu under heflt,
und is en schon stadt an dat mer, dar en torn ynne
steit, dey hundert dusent ducaten gestanden hefft.
Juli 16 Item den saterdach gekommen tegen enen berch,
dar dey Troyaners uppe verslagen worden, und in dem
lande plach dey stat van Troyen to stande®), dar en
mur umme was, dey was lanck 7 mele, und dey stadt
is verdestruert, und sancta Helena hefft dar vele wunders
bedreven in dem lande, dat to lanck to scryven is, und
synt eylande, dar wy by herforen.
Sui19 Item den dynstag gekommen || an dat lant van & go,
Rodus, dat 16° welsche mele van Venedien is, und dat
gefaren in 19 dagen; so quemen wy an en sloit, dat
Nyendorp®) up dutz genompt is, dar unse leyve vrowe
vaste by up dem hogen berge ser gnedich is, unde
langes dem mer liggen vele waketoern um der Torken
willen unde liggen ock vel slotte. So syn wy den
dinstagen avent late to Rodus in dey have gekommen.
Zuli 20 Item den gudenstagen morgen uth dem schippe
gefaren to Rodus an dey stat, dar dat mer an dey
muren wendt, und synt in dey stadt gegaen, dey ser
1) Eyparijfia ift wol gemeint, jeßt Arkadia; vgl. auch Conrady, Vier
rhein. Bal.-Pilgerreifen ©. 98. — *) Morea. — *) Hier liegt ein
Irrtum vor, gemeint ift Gerigo (Kythera), an das ſich die Sage
fnüpft, dab hier Menelaus gewohnt hat und von hier Helena geraubt
wurde. Bol. 3. B. Bernh. v. Breitenbad bei Röhricht-Meifner
S. 135 und Dietrih v. Schadhten a. a. DO. 10—1 u. A. —
*) Billa Nova, vgl. B. v. Breitenbach bei Röhricht-Meifner a. a. O.
©. 136.
192
starck und vast is, und buten der stat liggen 4 torne
dey dey grote mester van Rodus nicht en versoldet
dan dey balyers uth Franckrick, England, Hispanien
und Borgonien, welker so starck || synt und wol toge- &, 40.
rustet myt luden und geschutte. Und als wy in dey
stat gekommen synt mit namen Derick van der Recke
und Johannes Hagebocke an enen heren van sent
Johannes orden genant her Wulff!) van Wetzs by Basel
in dusche lande geboren und vrageden en na her
Frederick van Keppel uth dem stichte van Monster
geboren, dey uns berichtede, dat hey wer in Torkyen
up sunte Peters sloit?), dat hundert mele van Rodus
is, und moit dar en yar lanck syn so queme hey weder
to Rodus; und de vorg. her Wulff entfenck uns so
geutlick und dede uns gude anrichtynge und is myt
uns int schip gefaren unde unse broder in dey stat
gehalt und brachte uns up en fyn hus myt kameren
und bedden wol togerustet unde dey grote mester van
Rodus heft || uns vort den morgen ambiten gesant und S. 41.
den middach kost genoch und twyerleye wyn in sil-
veren kannen, und gegetten und gedrunken uth groten
silveren schalen, item silveren schottelen, silveren teller,
silveren hantvat?), und dar deyner to geschicket, dey
!) Oben pag. 119 wird er Wulff van Masmonfter genannt. Derſelbe
wird and) 1520 von Heinrich Wölfli erwähnt. Bergl. Röhricht,
Pilgerreiien ©. 229. — *) Bol. aud) unten pag. 113, wonad) es
umweit „Yungwe“ oder Yango lag. Ditr. v. Schachten (NRöhricht-
Meißner a. a. O. ©. 182) nennt nad) Yango die Injel Piscopia
(nw. v. Rhodos) und jagt: „hiender derselben Jnsell hinein ist
das slos S. Peters, auch S. Johannesser herren ... und liegtt
auff des Tuercken landte.* Demnad) ift die angegebene Entfernung
ftarf übertrieben. — °) Nah D. v. Schadten a. a. O. ©. 186
wurde dad Eilbergejdirr der Johanniter daj. auj-16000 Dutaten
geihägt.
193
uns deynen mosten, und derselve groite mester hefft
uns seggen laten, wes wy begeren, solden wy seggen,
und was uns syne genade to willen don konde, solde
wy syne genaden ungesparet vynden, des wy uns sement-
liken tegen syne genade bedanckeden. Den namiddach
syn wy in sunte Johannes kerke gegangen, dar 16 sil-
veren lampen in hangen myt silveren ketten, dey bernen,
und dar toende men uns dyt nabescreven hillegedom:
sunte Johannes baptisten hant, dar unse leyve here
Jhesus Christus myt || gedopet wart van sunte Johanne, S. 42,
van sunte Annen arme, sunte Marien Magdalenen vynger
und noch en stucke van eren licham, noch en stucke
van dem hilligen eruce; und dar synt 3 dornen van
unses leven heren dornenkrone, der en up alle stillen
fridach bloyet und en blome affvelt als men uns ge-
sacht hevet; noch vele mer hilligedomes, dar wy unse
pater noster leiten an roren. Dar na syn wy gegangen
in des groten mesters pallas und ock in dem umme-
ganck van den pallas und darna in den bomgarden
gegangen, dar mannigerleye van vruchten ynne wassen,
und dar by in enen anderen hoff geseyn, dey under-
scheyden is, und negest des meysters borch lach vil
wildes, der en del ser grote twyger up eren hoveden
hadden, en deil nicht; dar by is eyn hoff myt hondern,
dar en oven ynne steit; wan men versche eyger || hefft, ©. 43.
lecht men in den oven und temperert den oven myt
fuer und maket in dren ure tydes dar kueken uth!).
Darby is en groit hoff, dar gan ynne strus, der 5 was,
jungen und alt, so sey in den hove tuchten. Ock vele
gense und esele, dar to Jude geordnert synt, dey den
hoff verwaret. Noch heb wy vil kostlikes geschuttes
) Ueber die „ſonſt nur in Aegypten gebräuchlichen Brutöfen“ j. Röhricht,
Pilgerreifen 77 Anm. 300.
XLVM. 1. 13
194
geseyn und synt kostlike graven und muren an der
stadt und alle dey huse synt gewelvet und boven myt
kalke to gemaket sunder pannen off ander dack. Ock
synt dar over 2 dusent Torken genompt Slaven, dey
de hern van Rodus uth dem Torkenlande hebben ge-
fangen, dey moiten arbeiden und dregen alle dage dat
to Rodus to done is, gelick eselen und ander beiste
doen, und heben um en ben eyn iseren rynck gesmedet,
und men drivet sey alle avende up eyn nap!) in torne
als hunde, und dey || grote mester hadde der Torken
vele gekofft, want enen Turken kan men kopen um en
ducaten. Item noch hebben dey hern van Rodus en
slot in den Torkenlande genant to sunte Peters sloit,
dar hunde uppe synt, itlick syn leger gemaket is; wan
dan dey overste wechter ludet, wey dan nicht up der
wake en is, lopen dan dey anderen hunde und biten
den uth dem leger. Noch to enen mirakel up denselven
slotte, also dat dar en groit her van den Tork enen
hunt gehat hevet, welcker hunth van den Torken ge-
lopen is an sunte Peters slot vor dey porten, so is dey
hovetman gekommen van der borch vor dey porten und
dey hunt is eme upt liff gesprungen umme vruntschop
to bewisen, und hefft den hundt to sick up dey borch
genommen und dem hunde syn leger gemaket vor der
porten und geyn dyr en mach up dey borch kommen
©. 44
dat || en kome den Christen to; darto wan dey hundt ©. 45
des nachtes dey clocken hort luden, dat dey wechters
waken solt, so lopt dusse hundt umme dat slot, wey
nicht up der wake en is van luden und hunden, dar
byt sick der hundt mede up dat hey waken solle. So
quam up en tyt dat dey Tork, den dey hunt thoharde,
quam an dat slot riden und wolde den hunt weder
1) Oder hap?
195
hebben myt geleide, so hefft dey hovetman den hundt
van der borch laten kommen und de hunt is to dem
Tork in gesprungen und wolde en van dem perde to
riten, hedden em dey Cristen gedan, und dey hunt leip
weder up de borch und is noch dyt yar dar uppe ge-
west, und vele Cristen, dey gefangen synt van den
Torken, de sick loven to sunte Peters slot und werden
verlost. Den selfften gudensdagen avent hefft uns dey
groite mester erliken dey kost || und wyn gesant gelik &.46.
den morgen und middach und na der maltyt wederumme
in unse schep gefaren.
Juli 21 Item den donnerdagen morgen syn wy in gotz
geleide van Rodus uth der have gefaren und den maen-
Juli25 dach so vere gekommen, dat wy dat hillige landt segen,
und vellen neder up unse kney van pilgeryms und
sungen Te deum laudamus. Und den dynstag morgen,
Zuli26 was nemptlich des dinstages na sent Jacob, syn wy tho
Japhat!) in dey haven gekommen und tor stundt 2
uthgesant van den erentfesten negest den patronen na
Jherusalem um geleide to verwerven van dem heren van
Jherusalem. So hebben dey uthgeschickeden des fri-
Zuli29 dages unsen patronen weder gescreven, dat alle dynck
wol bestalt wer, und dey Tork hevet unsen patroen
Zuli30 en wilt swyn int schip geschicket. Des saterdages is
dat geleide gekommen in beide sceppe || und unse schip S. 47.
was er in der haven tho Japhat dan der Delphyn?,,
dey myt synen pelgrym 3) 11%) dage vor uns uth der
haven van Venedien toch; unde als dat geleide quam,
2) Zoppe. — ) Nah Tihudi (a. a. ©. 10), der mit diefem Schiffe
fegelte, hieß der Patron defjelben Ludwig Delphin. — °) 102 an der
Zahl, Tſchudi a, a. D. 52, während der andere Patron, aljo unferer
„bey 90 bilgern“ Hatte. — *) Vielmehr nur 8 Tage; das Schiff des
Zichudi jegelte am 21. Juni ab (Tſchudi 53).
, 13*
196
wort 3 male van itliken sceppen myt bussen geschotten
und dat banner uthgestecken, und dey Turk hefft en
pavlun int erste upgeslagen an dey twe torne boven
Japhat liggende, dat waketorne synt und hefft eyn slot
gewest.
Aug. 1 Item up maendach to middage — is nemptlick
sunte Peters dach ad vincula gewest — is dey gardian
in unse schip gekommen und weder uth gefaren und
dar na uns eyn prediker gesant int schip, dey uns
predikede, wa wy uns halden solden und sachte, wy
moisten patientien liden myt allem des uns anqueme,
und hefft uns gesacht tho bewaren vor viff stucken.
Tom ersten offt way wer, dey || geyn orloff en ©. 48
hedde van unsen hilligen vader den paweste, dey moste
orleff hebben, wante dey gardian hedde dey macht em
orloff to geven und dar van tho absolveren.
Tom anderen dat wy myt vullenkommen beruwe
unser sunde syn sollen, und hey wel uns en guden
bichtvader bestellen und geven em pawestes macht tho
absolveren.
Tom derden dat wy myt vullenkommen beruwe
und gelowen hebben tho allen hilligen plettzen, dey
men uns wiset, alse dat in vortiden gewontlick is
gewest.
Tom verden dat wy uns verwaren, dat wy nicht
up der Torken grave en treden, so sey des nicht liden
moget.
Tom vifften dat wy uns vor enen Morian hoiden
solden, dey konde dutz, weltz, fransois, dey solde van
uns verhoren, off dar ock Hispanier off Portugalosen!)
mede || manck uns weren eder ander grote hern. ©. 48
ı) „Daun fie in ungnaden des Turcken jeind“ jagt Tſchudi a. a. O.
©. 102.
197
Item darna syn wy myt der boiten ant landt ge-
faren, dar dey Torken myt den patroen und gardian
an dat water gaen sitten und hebben alle pelgrym in-
gescreven, und den namen mot itlick behalden. Als
wy ingescreven weren, hefit men uns in en gath an
der kant des meres geleidet, dar drey gatter liggen als
keller under dey 2 torne to Japhat, dar weren hoender,
eyger genoch veile. Und by Japhat licht en steyn ge-
nant sent Peters steyn, dar is dey stede, dar sunte
Peter vischede als unse leyve here tho em quam, dar
dat ewangelium affsprecket. Ock Japhat is en schon
stat gewest, dey verdestruert is als men noch seyn kan
an den fundamenten, dar dat mer nu over geith. Und
dey patroen was alle tyt myt dem gardian by uns und
uns wort verbodden, || dat wy neimant seggen solden, ©. 50.
war wy her geboren weren und uth wat lande.
ug. 2 Item den dynstag hefft unse patroen uns en baryll
wyns in dat middelste gat gesant, so dey gardian und
unse patroen in den oversten gatte legen und van dem
anderen schippe in dat derde gat.
Item den dynstagen avent hefft uns unse patroen
noch en baryll wyns gesant, so wy 2 nacht an dem
gatte liggen mosten.
Ing. 8 Item den gudensdagen morgen to 6 uren heb wy
pelgrym tosamen up dey mulen und esele gan sitten
und geredden bis tho Rama und is 2 dusche mele van
Japhat und dar in den hospitael gelegen, dat dey her-
toge van Borgonien hefft gestifftet ), dar vil kameren
in synt und licht in der stait tho Rama, und Rama
is en schon stat gewest und is verdestruert, als men
noch an den fundamenten suth und dar || staen noch ©, 51.
N Ramleh; die Burg erbaute 1420 Herzog Philipp von Burgund; ſ.
Röhricht, Pilgerreiien ©. 22.
198
2 lange kerktoern, dey synt fyn, und dar was alle dynck
veile, hoender, eyger, broit, 8 eyger um en market.
Aug.3/A Item van den gudensdach up den donnerdach um
2 uren na meddage hebbe wy tho Rama upgesetten
und geredden na Jherusalem, und do wy over 2 mele
quemen, hebben wy uns gerestet an enen born und
vort up gesedden und geredden vor Jherusalem, dat
8 mele var den born is, und to 4 uren tho Jherusalem
gekommen und hebben den dach grote hitte gehat, dat
dar 5 pilgrym van hitte gestorven synt. Als wy tho
Jherusalem quemen, syn wy up den berch Syon gegan
in dat Observantencloster, dat hefft uns pelgrym en
maltyt bereidet und dar gegetten und gedruncken guden
wyn und kost. Als dey maltyt gedaen was, hefft twen
pelgrym gedan en schartze!) und 1 kussen van leder
gemaket || und dar myt in dat hospitael gegangen, dan &. 52.
wy broder hedden ene gude herberge by der Greken
patriarche, dey uns all guth dede, dan dey gemeynen
pelgrym gengen in dat hospitael, dat myt vorscheiden
kammeren is dat to gemaket.
Aug. 5 Item den fridagen morgen gekommen weder up
den berch Syon int closter und beneffen dem putte in
dem closter twe trappen van 20 graden, dey men op
geth und dar is en breithganck al men in dey kerke
geith, und in der kerken upt hoge altar is de stede,
dar unse leyve here myt synen jungeren dat aventmal
ath, und dar is afflait van allen sunden, und 2 screde
weges darby to der luchteren syth is dey stede und
altar, dar unse leyve here syne yungeren dey voite
woisch, und dar is afflat van allen sunden, und dar
hebbe wy syngen und lesemesse gehort. Als dey messe
uth was, hefft men || uns geprediket, wo wy uns halden ©. 53.
2) MWolldede,
199
solden und offt wey wer, de geyn orleff en hedde van
unsen hilligen vader dem pawest dusse bedevart tho
thonde, den absolverde hey dar van und gaff allen
presteren, de myt uns gekommen weren, so der will
was, pawestes macht tho absolveren van allen sunden
behalven dey dem Tork wapen tho gefort hedden offt
des pawestes segel gevelschet hedden und tegen den
Cristengeloven dede &c. Als dey predicate gedan was,
hefft men den ymnum gesungen Pange lingua gloriosi
corporis misterium. Als dat uth was, is dey processie
angehaven unde synt uth der kerken gegaen all boven
erden, und synt achter der kerken 14 trappen upgegan.
Dar is dey stede, dar dey hilligen apostolen den hilligen
geist entfengen, und dar plach en capelle to staen, dey
verdestruert is, unde dar gesungen den antiffen!) || van ©. 54.
dem hilligen geste; dey 13 trappen weder affgegaen
und tor luchteren hant dey 20 trappen weder aff, dey
men up quam beneffen dem putte tor rechteren hant
umme in den ummeganck in en capelle in en ort ge-
gangen, dar sick dey apostolen ynne verborgen hadden,
als dat ewangelium dar aff sprecket, dar unse leyve
here beslottener dor is bey sey gekommen und sprack
Pax vobiscum. In der capellen steit en altair und in
den alter steit en stucke van der sulen, dar unse leve
here an gegeisselt wort, und is en roit sten gesprenckelt
roit und lenger dan en spannen lanck und is wat 4
span dicke. Und dey capelle is genompt sent Thomas
capelle, want sent Thomas stack syn vynger in dey
wunden unses leyven heren Jhesu Christi up der stede.
Van der capellen gegaen und dey gestorven pelgrym to
. grave gebracht und itlick pelgrym en bernende was kerse ©. 55.
gedragen in der processien. Als dey begraven synt,
2) Antiphon.
200
hefft men uns pelgrym gesacht, dat wy in unse hospitael
gaen solden und men gaff uns wyn und broit alle dage
eyns, en guth broit, und des morgens und avendes
itliker tyt en halff anxter wyns, dan des avendes geyn
broit.
Aug. 7 Item des sondages na Petri ad vincula syn wy
ummetrent to 3 uren tho middach in den tempel
gagaen, dar dat allerhilligeste graff is und dar quam
dey here van Jherusalem und sloit syn slott up an dem
tempel, so dar twe slotte vor hangen, dat ene sluth
dey gardian, dat andere dey here van Jherusalem. Und
dar syn wy dey nacht ynne gebleven. Als wy uth!)
dem tempel gegangen, syn wy int Observantencloster
gegan und unse tuch dar in gelacht. Item to wetten,
dat 4 closter der Observanten int hillige landt synt,
dat overste up den berge Syon, dat || ander by?) dat S. 56.
hillige graff, dat derde to Bethleem, dat verde to Be-
ruth by Alkaren, und 7 sochten van luden wonen in
dem tempel um dat hillige graff, tom ersten dey Ob-
servanten, Greken, Armeenens, Jacobiten, Indianen,
Suryanen®) und Nestorianen, itlick hefft synen egen
geloven.
Item so hebben de Observanten myt dem cruce
und vanen dey stacien angehaven, dey men halt in dem
tempel van den hilligen steden.
Item tom ersten hebben sey in unser leyven
vrowen capelle, dey vor der Observanten waninge is,
tor rechteren hant in den tempel gegaen und Salve
regina mit der collecten gesungen, und dit is deyselve
capelle, dar unse leyve vrowe so bedrofflick ynne lach,
1) &o wol zu leſen jtatt des „in“ der Hoſchr. — *) by fehlt in der
Hr. — 5 So zu leſen für das Sinyanen oder Smyanen der
Hdihr. Die fieben Nationen werden ſehr verfchieden angegeben; vgl.
Eonrady, Bier rhein. Bal.-Bilgerjhr. ©. 54. -
201
dey wile unse leyve here in den grave doit lach; und
do hey upgestan was, quam hey und oppembarde sick
syner leyven moder Marien in dus ser selven capellen G. ;7.
dar dat meddelste altar steit. Unde tor luchteren syth,
is 2 screde van den vorg. altar, steit en stucke van
der vorg. sule, dar unse leyve here an gegeisselt wort,
dat is wat 3 span lanck. In dat meddel van dusser
capellen is en runt steyn, dar sancta Helena enen
doden menschen vorweckede myt dem hilligen cruce,
als sey dey 3 cruce gefunden hadde; und sey halde
ersten de 2 schekereruce, dey wolden den doden
menschen nicht vorwecken dan dat derde und dat
rechte cruce dar unse here Jhesus Christus an gestorven
was; do dat quam, do wort dey dode mensche vorwecket,
und darby wart sancta Helena gewar, dat eth dat
rechte cruce was; do bewarde sey dat cruce, unde dey
stucke, dey dar aflgefallen weren, las sancta Helena
by en ander in en mur tor rechteren hant in dusse
selffte capelle || gemuret, dar nu enaltar in deshilligen &, 53,
eruces ere steit. Und in dusser selven capellen hangen
4 bernende lampen, und dar is afflait van allen sunden.
Und dusse capelle is der Observanten kerke, dar sey
messe und er getide halden alst gebort to doen.
Item dey ander statie is 2 offte 3 strede van
unser leyven vrowen capellen vor der eyner doer na
dei: tempel & trappen aff. Dar liggen 2 runde steyn
und dey en licht wol 5 strede van der capellen, und
is dey stede, dar unse leyve here sick sunte Marien
Magdalenen oppembarde, unde unse leyve here stont
up den negesten stene der vorg. capellen unde Maria .
Magdalena up den anderen steyn, unde do se sach und
verstont, dat unse leyve here er oppembarde, do wolde
sey em anroren und vel em to voite. Do sachte unse
leyve here: Noli || me tangere, dat is so vil gesacht: &,59,
202
Wil my nicht roren, und nam syn twe gebenediede
vynger und druckede vor er hovet als men noch hude
to dage suth, dar er hovet in Franckrick is. Und boven
den twen steynen hangen twe bernende lampen, und
dar vordeynt men 47 yar afflates und seven karenen.
Item dey derde statie is eyn steynworp weges
tor luchteren hant in den tempel van dusser vorg.
stede umme to gaen und is eyncapelle, dar unse leyve
here in gefangen sait dey wile men dat cruce makede.
Und dusse capelle plach en gefencknisse tho syne, dar
men alle mesdeders plach in to werpen, dey men van
der gulgen plach tho snyden, und in dusser capellen
hanget 2 lampen und is en altar ynne under oppen,
dar unse leyve here gefangen sat, und dar is || afflait ©. 60.
van allen sunden. Und men geith 3 trappen dael int
der capellen, unde vor der capellen synt 2 runde gater,
dar 2 bernende lampen boven hangen, .dar men secht,
dat ock unse leyve here in gefangen sath.
Item dey verde statie is wederumme utlı der
capellen ock en steynworp weges, dar steyt en altar,
dar dey 4 yodden umme unses leyven hern_cleit
dobbelden, und dar henget en bernende lampe, und
dar is 7 yar und 7 karen afflates.
Item dey viffte statie is 3 strede van dusser vorg.
statien tor luchteren hant 30 trappen aff und noch
12 trappen aff tho gaen under der erden, unde dar is
en capelle und eyn altar ynne, und dar hefft sancta
Helena dey 3 cruce gefunden, dey dar van den yodden
2c yar verborgen weren gewest, und dar hangen 4
lampen, und dar is afflat van allen sunden. |]
Item dey seste statie geit men dey 12 trappen &.61.
wederumme up, dar hefft sancta Helena getymmert ene
capellen myt 2 trappen und 2 altar, dar sey plach to
beden umme dey stede to beseyn, dar dat hillige cruce
203
gelegen hadde; und dar hangen 3 lampen, und men
secht, dat dar afflat sy van allen sunden.
Item dey sevende statie is dey 30 vorg. trappen
wederumme up tor luchteren hant umme over 5 strede
in eyn cleyn capelle, dat dey Indianen in beslut hebbet,
is dey sule, dar unse leyve here uppe sath, als hey
gecronet wort, und dar is 7 yar und 7 karen afflates.
Item dey achtede statie is wol 12 strede weges
van dussen vorg. statien und is dey hillige berch van
Calvarien, den men myt 19 trappen up geth, dar dat
gath in dem berge steit, dar dat hillige eruce || ynne ©. 62.
gestanden hevet, und is en elen deyp, und up beiden
syden dar dey schekers gehangen hebbet, steit en altar
und dey steynschorynge is tuschen dem gate, dar dat
hillige eruce in gestanden hefft und des bosen schekers,
gelick als dey ungelovigen solt affgesneden syn van den
ewigen leven. Und dar by over 2 strede is dey stede,
dar unse leyve here upt cruce genegelt wort, und up
dussen berge hangen 67 lampen und noch up enen
lochter vele cleyne lampen, und dar en is geyn gesat
afflat, wen dar is afflat over alle afflat, dar unse leyve
here Jhesus Christus dat menschelike geslechte verlost
hevet; und unse leyve here is tor luchteren hant myttem
swaren cruce up gekommen dorch en doer, dey nu to
gemuret is, und under dem berge is en capelle, dar
Ad:ıms hovet sal || gemuret syn in dey steynschorynge &, 63.
so men secht, dat dey steynschorynge int affgrunt van
der hellen sal gaen. Und in dusser capellen licht be-
graven Godefroet van Billion, dat dey erste kersten-
konynck was van!) Jherusalem; und men secht, dat dat
bloit unses leven heren Jhesu Christi dey steynschorynge
dail leip bes up Adams hovet. Und dar henget en
’) van fehlt in der Hoſchr.
204
lampe in der steynschorynge und noch 2 lampen in
der selven capellen, und dar is 7 yar und 7 karenen
afflates.
Item de negende statie is van dem berge van
Calvarien 12 strede, dar unse leyve vrowe stont als
Nicodemus und Joseph van Arimathia brechten er dat
dode bedrovede licham unses leyven heren Jhesu Christi.
Nu dencket, wu bedroveden herte Maria de moder godes
moste hebben, und dar licht en lanck roit sprenckel
steyn up der stede, und dar hangen boven || 8 bernende
lampen, und dar is afflait van allen sunden, und is tegen
der doer als men in den tempel geith.
Item dey teynde statie dey is wor van der negeden
6 strede, dey stede dar unse leve vrowe und sunte
Johannes stonden, als unse leyve here sachte: Moder
su an dyn kynt, kynt su an dyn moder. Und dar is
afflait van allen sunden. Und van dar wat 10 strede
is dat alderhilligeste graff, dar unse leyve here Jhesus
Christus in gelegen hefft. Und als men dar vor kommet
vor der doer henget eyn bernende lampe, und als men
vordan kommet, hangen 5 bernende lampen und dar
steit int middel en steyn, dar dey hillige engel up
saith als hey den dren Marien antworde und sachte en,
dat unse leyve here upgestaen were. Und dan krupet
men dor en verkant gat in dat rechte || hillige graff,
dar dat warhafftich licht, und is wat so groit spatium,
dat dar & personen by eynander sick in bedden mogen,
und men doit dar alle dage messe ynne, und dar hangen
11 bernende lampen ynne, und dar is afflait van allen
sunden, und men kan in den tempel um dat graff und
dey capelle, dey dar achter ane steit, umme her gaen,
und dar en synt geyn vynster in den alderhilligesten
grave, und eth is boven myt kalke und loet boven be-
decket, und dey tempel is boven den grave oppen.
©. 64.
S. 65.
205
Item int middel van dussen tempel steit en groit
koer, dat dey Greken ynne hebt, und midden in den
choer is en runt hol, dat men secht, dat dat middel
van der werlt sy. Und dusse vorg. statien gaen umme
dat choer her, und in dussen tempel hangen noch vele
mer lampen, so dat over all in || den tempel bernen ©. 66,
2c lampen.
Aug. 8 Item des mandages en morgen umtrent to acht
uren syn wy weder utlı dem tempel gelaten van den
heren van Jherusalem, so wy dey nacht dar ynne be-
slotten weren, und alle prester van pilgrymmen deden
messe na der ordinantie, dey erste reise deden en part
messe in unser leyven vrowen capellen, dey ander
int hillige graff, dey derde up dem berge van Calvarien,
und to der anderen reyse, do wy wedder in den tempel
gengen, deden dey prester messe int hillige graff, dey
ersten in unser leyven vrowen capelle hadden messe
gelesen, und dat genck so umme, dat alle prester van
pelgrymmen up den dren steden messe deden als in
unser leyven vrowen capelle, in dat allerhilligeste graff
unses leven heren Jhesu Christi und up dem berge van
Calvarien. Und wan wy uthen tempel mosten gaen,
hebbet dey || Observanten en singende messe gesungen; &.g7.
wan dey uthe was, syn wy uth den tempel in unse
herberge gegaen, so wy by der Greken patriarchen legen,
und dey anderen pelgrym int hospital, dat darto ge-
maket is.
Aug. 9 Item des dymstages!) en morgen umtrent to 5
uren synt 2 broders van den Observanten myt uns na
Bethanien und na den berch Oliveti geredden.
Item so syn wy tom ersten gekommen an de
stede, dar men unse leyve vrowe to grave wolde brengen
1) sie!
206
in dem dael Josaphat. Do quam en Torcke und wolde
dat hillige licham affschuven van der barden, und so
synt eme syn handen krum geworden und hadde geyn
macht syck an dat gebenediede licham tho strecken.
Und dar is 7 yar und 7 karenen afflates.
Item dar na an eyn steyn gekommen || dar sunte
Peter sath und schrigede vor syn sunde, als hey den
hanen horde kreygen in Cayphas huse, und dar is 7
yar und 7 karenen afflates.
Item dar na gekommen up dey brugge, dar torrens
Cedron under her fluth, dar wort unse leyve here int
water under dey bruggen geworpen, als en dey yodden
gefangen hadden, und dar is 40 yar afflates.
Item dar na an dey stede gekommen, dar sunte
Jacob in en holuen steyn sath und wolde dar nicht
uth, er Christus upgestan was.
Item dar na over dey stede getogen, dar sick
Judas gehangen hadde, do hey beruwe krech, do hey
unsen leven heren verraden hadde. Darna an dey stede
gekommen, dar unse leve here den vigenboem ver-
maledigede.
Item dar na in Symons hus gekommen des uth-
setteschen, dar en unse leve here gesunt makede; unde ||
in dem selven huse hevet Maria Magdalena unsen leven
heren syn voite gewaschen myt eren tranen unde er
salve up syn gebenediede hovet gestort; und dar is 47
yar afflates.
Item dar na in Lazarus hus gekommen, dar men
suth an den fundameite, dat dar en vast hus gestaen
hevet, und is versturet.
Item darna in sunte Marien Magdalenen hus ge-
kommen, dar Lazarus begraven was und noch syn graff
steit, dar en schon kerke vor eren hus gewest is als
dat fundament uthweset, dey sunte Helena gebowet
©. 68.
©. 69.
207
hefft. Und in dussen huse in eyn art is engath gelick
en oven, dar lach sunte Maria Magdalena 7 yar ynne
und dede penitencie und unse leyve here halde sey
selven dar uth dem gate und vergaff er dey sunde, und
dar is afflat van allen sunden, und dat hus || hebt dey S. 70.
Torken yn, so wy itlick dar en modyn mosten geven,
is 2 markett, und dyt hus dat licht in dem dorpken
Bethania genompt.
Item tho sunte Marten hus gekommen, dar unse
leve here myt er gegetten und gedruncken hevet, und
dusse 4 huse ligen up der rige, dat ene by den anderen
ummetrent 1 schotte weges, und altosamen verdestruert.
Item tegen sunte Marten hus steit en steyn, dar
unse leyve here uppe gerestet hefft, als hey van der
Jordan quam und leith syn leve moder myt Marten,
und up den selven steyn quam Marta to unsen leyven
heren und sprack: Her, werstu hyr gewest, myn broder
wer nicht gestorven. Unse leyve here is in!) sunte
Marien Magdalenen hus gegaen und hefft dar Lasaren,
Marthen broder, vorwecket van den dode || und vort & yı.
Marien Magdalenen uth dem gate gehalt und er sunde
vorgeven wo vorg. steit. Und dar an den steyn is afflait
van allen sunden.
Item dar na gekommen an dey stede, dar unse
leyve here sath und vorbeide den esel dar hey syn 2
discipulen na gesant hadde, als dat ewangelium dar aff
sprecket; und dar is afflat van allen sunden.
Item dar na gekommen tar dey esel gebunden
stont, dar unse leve her up denpalmdach upsath und
reth in Jherusalem, do dey Yodden eme dey cleder und
twiger underworpen; und dar is afflat van allen sunden.
Item dar na gekommen boven up den berch van
Oliveti, dar men noch suth, dat dar en schon tempel
—
») „in“ fehlt in der Hdichr.
208
gestaen hefit, dar noch en cleyn cappel in steit, dar
unse leyve here tho hymmel foer, und men suth dar
warhafftich dey voetstappen van synen gebenedieden
reehteren voite in enen harden steyn getreden, dar ||
4 bernende lampen boven hanget; und dar is afflait
van allen sunden; unde dar moste wy itlick twe markett
den Torken geven, er wy dar in gengen.
Item als wy wedder uth den tempel gengen thor
rechteren hant umme 2 steynworp weges is dey stede,
dar dey hillige engel unser leyven vrowen dat palmris
brachte, dat men vor er dragen solde wan sey doit wer
in en teken, dat sey noch reyne junfler wer. Und dar
is afflat van allen sunden.
Item wederumme an dussen vorg. tempel ge-
kommen, dar noch en capelle tor siden an steit, dar
geth man in under der erden 21 trappen deip, und dar
is sunte Pelagia begraven gewest, und dat graff dat
steit dar noch und hanget 4 bernende lampen, und dar
vordeynt men 40 yar afflates.
Item so syn wy den berch van Oliveten na der
stat van Jherusalem || aff getogen en halffschotte weges
und dar en steynworp weges uth den wege tor luchteren
sydt is dey stede, dar dey apostolen den Credo gemaket
hebben; und dar is 40 yar afflates.
Item dar by over eyn steynworp weges an der
selven syden is dey stede, dar unse leve here dat
Pater noster gemaket und den discipulen gelert hevet,
und dar is 47 yar afflates.
Item dar tegen over in dem wege is dey stede, dar
unse leyve here up den sten sath und prekede van
dem yungesten dage und lesten ordel, dar is ock 40
dage afflates.
(Schluß im nächſten Bande.)
©. 7:
S. 72
VII.
Weſtfalica aus der Pariſer und
Eichſtädter Bibliothek.
Von
Dr. Heinrich Finke.
— — —
I. Zur Verehrung des bl. Gorgonius in Minden.
Erhard, Regg. Nr. 615 und Diefamp, Supplement 481
datiren ein Schreiben des Biſchofs Milo von Minden, worin
er dem Abt und Konvent des Klofterd Gorze in Lothringen
jeinen Dank für freundliche Aufnahme ausipriht und die
Passio des h. Gorgonius überjendet, nad der Regierungs—
zeit Milos (969— 996). Beide folgen dem Drud des Briefes
in den Acta Ss. ord. s. Benedicti, welder den Namen
des Abtes nicht nennt und als einzigen biftoriichen Halte:
punft nur die Perjönlichkeit des Bifchofs bietet; fie überjahen,
dag Mabillon in den jpäter veröffentlichten Annales Bene-
dietini, den Brief noch einmal abgedrudt, vielleicht aus
anderer Duelle, und dieſes Mal den Namen des Abtes hin:
zugefügt hat. Es ift Immo, der 987 zuerft erwähnt wird,
ein hervorragender Klofterreformator des 10. Jahrhunderts,
welchen nad der Reform von Gorze und Prüm Heinrich TI.
den Mönchen des berühmten Klojters Reichenau als Abt
aufnöthigte. Dadurch wird die Abfafjungszeit des Briefes
auf die Jahre 987—996 eingeengt; innerhalb dieſer neun
Sahre eine engere Grenze zu ziehen, ijt unmöglich, da das
Stinerar Milos in feiner Lücdenhaftigkeit nicht den geringften
Anhalt bietet, ebenfowenig der Brief jelbit, nachdem das
„olim“ der Aufnahmezeit wegen der ganzen Faſſung nur
allgemein als „früher und „vergangen“ überjegt werden
XLVII. 1. 14
210
darf. Ein von mir in ber Barijer Nationalbibliothef ein-
geiehenes Verzeichniß von Heiligenleben aus dem 12. Jahr—
hundert enthält ebenfall3 den Brief mit folgender, von
den Druden etwas abweichender Einleitung: Epistola do-
mini Milonis Mindonensis episcopi missa ad Gorziense
cenobium. Sancte Gorziensis ecclesiae venerabili abbati
Immoni et cuneto monachorum cenobio sibi commisso
Milo episcopus servorum Dei famulus debitas in Christo
cum oramine preces.?)
Da das ganze Schreiben fpäter in den Mon. Germ, hist.
jedem leicht zugänglich gemacht werden ſoll, jo laſſe ich hier
nur die interejlanteite Stelle folgen. Der Bijchof gedenft der
bejondern Liebe, mit der die Klofterbrüder ihn aufgenonmen
und nicht jo jehr als Gaft denn als einen der Ihrigen be-
handelt hätten, und fährt dann fort: „Unde dum inter
ipsa sacra eloquia vestra, que mihi videbantur quod-
ammodo flatu sancti spiritus ignita et quasi ex ipso
fonte salutaris scientie salientia, passionem et miracula
sanctissimi ac beatissimi communis patroni nostri Gor-
gonii vos non habere cordetenus doleretis, idque sicut
dignum erat gravibus suspiriis egre toleraretis, ego
quoque super hoce non minori cura sollicitus mecum
tacitus cogitavi, quid de hac re fieri potuisset. Et cum
adhuc predictam sancti martyris passionem non habui,
pro communi nostra utilitate querere proposui, sicubi
potuisset inveniri; idque ne deleretur oblivione, tenaci
potius memorie commendavi. Post hec itaque cum
reversus venissem ad patriam, plurimas librorum per-
cucurri paginas et favente domino quasi ex optato citius
!) Die Drude: Mabillon, Acta Ss. ord. s. Benedicti III. p. II,
204 s. und Annales Benedietini III, 605 s. Die Handſchrift Cod.
Paris Lat. 5594 fol. 9 ss. Bol. Wattenbach, Deutichlande Ge—
Ihichtäquellen I, 347 und 367. Zu dem Ganzen Acta Sanctorum,
September, Bd. III, 327—355. MG. SS. IV, 357 Anmerkung.
211
repperi, quod prius me non habere vehementer extimui,
seilicet V idus Septembris sanetorum martyrum Gorgoniü
et Dorothei sollemnitatem per singulos annos fuisse
natalem. Quorum quoque passionem sub eodem kalen-
darum numero inventam brevi quidem sermone suc-
cinctam sed a me avidius acceptam vestrae caritati
dirigere destinabam.“ Daran fchliegen fich zwei Paſſionen,
deren erite beginnt: „Magnum summopere studium“ (bie
zweite mit: „Salvatoris omnipotentis“) und ſchließt: Inde
(von Gorze) postea crescente in Saxonie partibus christiana
religione pars earundem reliquiarum in Saxoniam adtri-
buitur, ubi idem s. Gorgonius genti Saxonum et ecclesig
Mindonensi patrocinatur; regnante domino nostro Jesu
Christo, qui cum patre — amen.
Darnach haben aljo um 987 Biſchof und Mönde in
ihren erbaulichen Gefprächen es lebhaft bedauert, Feine Passio
et miracula ihres gemeinfamen Schutzpatrons zu bejigen
oder zu kennen; daheim findet Milo jofort den Felttag der
Martyrer Gorgonius und Dorotheus und ebenfalls ihr Mar:
tyrium zum ſelben Datum verzeichnet. Er ſchickt den Bericht
darüber, unzweifelhaft Magnum summopere, nad) Gorze.
Auffälligerweife deutet Mabillon obige Stelle, als habe
Smmo dem Bilchofe einen Theil der Reliquien jegt erſt ge:
ſchenkt. Davon jteht nichts in dem Briefe, im Gegentheil
beweijt der Schluß ber erſten Passio, daß nad der Aus:
breitung des Chriſtenthums im Sachſenlande dieje Translation
bereit ftattgefunden habe; zudem wird in einem nad) all:
gemeiner Anficht zwanzig Jahre früher entitandenen Wunder:
bericht bereits des im Wolfe verbreiteten Gerüchtes Erwähnung
gethan, nicht der ganze Körper des h. Gorgonius ruhe
in Gorze, ſondern ein Theil befinde fich „jenſeits des Rheines
in einem Bisthum, das feinen Namen trage.” Die Zeit der
Translation liegt allerdings völlig im dunfeln: Fein Bericht
ift darüber auf uns gefommen, ſelbſt das fonft in der Auf:
14*
212
zählung fremder Translationen fo eifrige Chronicon Min-
dense incerti autoris fchmweigt hierüber völlig. Doc fteht
feft, daß bereit3 952 Bilchof Helmward die neuerbaute Dom-
firhe u. a. zu Ehren des h. Gorgonius weihte. Seine Reli—
quien erwähnt ein Mindener Reliquiar des 11. Jahrhunderts.
Bei dem großen Mindener Brande von 1062 müſſen fie mit
faft allen andern (nur die der h. Maria Magdalena blieben
übrig) zu Grunde gegangen jein. Keine Erwähnung derjelben
gejchieht troß der Menge der übrigen Reliquien in den von
mir gefundenen Aufzeichnungen vom Jahre 1064. Hundert
Sahre jpäter ſchenkte Heinrich der Löwe nad jeiner im Min—
dener Dome volljogenen Bermählung mit der englijchen
Königstochter der Kirche einen Arm ihres Patrons. Woher
er benjelben erhalten, wird nicht berichtet. !)
Seit diejer Zeit wird in gedrudten Quellen, abgejehen
von dem mir nicht zugänglichen Brevier der Mindener Kirche
von 1516 der Reliquien nicht mehr gedacht. Daß das Gor:
goniusfeit in Kirhen und Klöftern des Bisthums als eins
der vornehmiten gefeiert wurde, ergeben die Mindener Kalen:
darien und andere Aufzeichnungen im hiefigen Kal. Staats:
archiv, die im übrigen wenig zur Gejchichte der Verehrung
des Heiligen’ enthalten.
') Der Bericht: Magnum summopere, gedr. in den Acta Sanctorum,
folgt auch in der Parijer Handſchrift. Die Stelle bei Mabillon,
Ann, Ben, III, 605 lautet: eique (Miloni) partem s. Gorgonii
martyris reliquiarum in Saxoniam asportandam concessit. Der
Pajjus im Wunderbericht Kap. XIII. Chron. Mind. incerti autoris
bei Meibom, Rev. Germ. SS. I, 549-—-574. Zu den Ctellen über
die Reliquien vgl. Erhard, Regg. Nr. 574, 1931; Kayſer, Aus der
Schakfammer des Domes zu Minden II, 59, (Paderborner Lehr-
anjtalt, Finladungsichrift 1868); meinen Auffaß, Forichungen u. ſ. w.
Ztſchr. XV, 1, 153 f. Zwei Briefe vom 22, und 27. Sept. 1183:
Anno v. Minden bittet Abt Konrad von Gorvey um Reliquien,
diefer jendet näher bezeichnete, in Falke's Coll. (Braunſchw. Arch.
in Wolfenbüttel) I, 721 und II, 707. Bal. die angebliche Chronit
Buſſo Wattenftedt's in Paullini, Syntagma u. j. w.
213
Bei der Anmwejenheit Milos in Gorze iſt wahricheinlich
auch eine Fraternität der beiden Kirchen geitiftet worden.
Als nach zwei Jahrhunderten (1175) Biichof Anno auf jeiner
Wallfahrt nah S. Jago di Compoftella Gorze beſuchte und
„ibi de fraternitatis societate pridem habite inter eas-
dem sanetas ecclesias“ nachforjchte, ſcheint man dort wenig
mehr darüber gewußt zu haben, und wurde darum bie Fra—
ternität in mweitgehendjter Form erneuert und beiderjeitig Die
gegenfeitigen Verpflichtungen genau feitgejegt.
Auf eine Schwierigkeit, welche durch das Schreiben
Milos an Gorze für die Datirung der Miracula s. Gorgonii
entiteht, ſei jchließlich auch hier hingewieſen, da bis jetzt
feiner der Forfcher, die ji mit ihnen bejchäftigt haben,
darauf aufmer!iam geworden tt; jelbit W. Schulte nicht in
feiner jcharfiinnigen Unterfuchung über Abt Johannes von
Gorze. Die Miracula s. Gorgonii, beginnend: Descripturus
miracula, entjtammen nad) allgemeiner Annahme der Feder
eines Gorzer Mönchs um 965; der obige Brief muß zwifchen
987 und 996 abgeiandt fein und in ihm wird ausdrüdlic
des Mangels einer Passio und der Miracula des Heiligen
gedacht. Genügten die ältern Miracula nicht, waren fie
vergefjen oder muß ihre Datierung eine andere jein?!)
I. Ein deutfhes Bloffar in Corbie.
Beziehungen des vom franzöliichen Corbie aus gegrün—
deten Corvey der Weſer zum Mutterklojter laſſen jih im
frühern Mittelalter manche nachweiſen. So ſchickte Paſchaſius
Radbertus als Mönch von Gorbie dem zweiten Corveyer Abt
Warin feine Schrift über die drei göttlichen Tugenden; eines
1) Berg, MG. SS. IV, 238. Walther Schulte, War Johannes
von Gorze hiftorischer Schriftiteller? Neues Archiv IX, 495—512.
Auch Wattenbad, der Prief und Miracula an den angeführten
Stellen erwähnt, gedenkt der Schwierigkeiten nicht. — Die Urff. über
die Societas fraternitatis zwiſchen Minden und Gorze in UB. II, 373,
214
andern Mönche, Ratramnus Schrift De propinquorum con-
jugüs findet fih nur in einer Handſchrift des mit Corvey
eng verbundenen Herford und it u. a. an Abt Adalgar
von Corvey gerichtet. Translationen von Reliquien nad
Herford und Nigenkerken bewirkte Corbie. Das Tochterflofter
beeinflußte dagegen, jagt Delisle, eine Zeitlang die Schrift
des Mutterflofters. In Corbie fand Mabillon zwei Ma:
nufcripte mit der von ihm ſogenannten ſächſiſchen Schrift,
welche ihm Material für fein Rieſenwerk lieferten. Leider
find Diefe beide koſtbaren zu St. Germain aufbewahrten
Handichriften in den Stürmen der Revolution 1791 geftohlen
worden. Wahricheinlih würde eine Unterfuhung der zahl:
reihen in der Pariſer Nationalbibliothef beruhenden Nekro—
Iogien aus Gorbie vielfah neue Beziehungen ergeben. Eine
Unterfuhung derjelben war mir diejes Jahr bei der Kürze
der Zeit unmöglich. Dagegen gebe ich in folgendem ein aus
dem 9. Jahrhundert ftammendes deutiches Glofiar aus einer
Corbier Handichrift wieder, auf welches ich durch eine Notiz
des hochverdienten Leiters der Pariſer Bibliothek, 8. Delisle,
in einem bei uns jeltenen Buche aufmerkſam gemacht wurde.
Das kleine nur Thiernamen enthaltende Sloffar findet fich
hinter den Pronostica Juliani Toletani episcopi und
lautet:
Ineipiunt glose: Olor suuan, eignus helbiz, onacro-
culus alacra, griuus grif, pauo pao, merula ansla,
strutio struth, geometrix gauli (?), ciconia storch,
pellicanus heigro, miluus uuio, aquila arn, gar-
rula craha, turdus strala, coruus raban, filo-
mella nahtagala, accipiter habuch, tragis hera,
cicatus secgisner, palumpeis coscirila, cardolus
snepfa, aiccido lohfinco.
Das hat ſchwerlich ein jächiisch-weitfäliicher Landsmann
in Corbie geichrieben. Aber wenn es auch von einem Ober:
deutihen ftammt, darf man doc wohl ohne Bedenken an:
215
nehmen, daß der Vermittler diefer Perſönlichkeit unfer welt:
fäliſches Corvey war.!)
III. Weſtfäliſche Geiſtliche im päpſtlichen Supplifenband
in Eichſtädt.
Einer der koſtbarſten Schätze der hervorragenden, leider
noch nicht katalogiſirten Handſchriftenbibliothek in Eichſtädt
iſt ein Supplikenband Nr. 54 aus der päpſtlichen Kanzlei
des endenden 14. Jahrhunderts. Georg Erler hat auf ihn
und feine muthmaßlichen Schidjale im Hijtor. Jahrbudy 1887
zuerit hingewieſen. Vielleicht ift er bei den römijchen
Wirren zu Anfang des 15. Jahrhunderts abhanden gefommen,
vielleicht ift er aber noch mit auf das Konftanzer Konzil und
von dort jtatt nah Süden nach dem Norden gewandert. —
In dem Supplifenregijter wurden die vornehmlich von Geift:
lihen aus der ganzen Welt bei der Kurie eingelaufenen
Bittichriften (Suppliten) ihrem Wortlaut nad eingetragen
und die päpftliche Enticheidung (wenn ganz bewilligt: Fiat,
ut petitur) mit dem eriten Buchltaben des Taufnamens des
Bapftes; in unlerm Falle P., da der Band aus dem 5.
Regierungsjahre (fajt ganz 1394) Bonifaz IX. ftammt. Sch
laſſe aus demjelben die Namen der weitfäliichen Geiftlichen
folgen. Wir lernen eine Neihe intereffanter Perjönlichkeiten
in den verjchiedenften Kebensftellungen kennen; die beiden
Familiaren zweier Kardinäle beweiien, wie ſtark damals das
weitfäliiche Element in Rom war; der Fall des Hermann
de Fonte befundet, wie tief aud bei uns das Schisma in
die kleinſten Verhältniſſe eingegriffen; andere Beijpiele be:
jonders der Fall Storm (qui cum saptoribus et predoribus
vitam ducit) zeigen, daß auch unfer Klerus reformbediürftig war.
) Bol. Wilmanns, Kaiferurkunden I, 505 und Aum.2. Mabillon,
De re diplomatica, 351. Delisle, Cabinet des manuscrits, II.
Die Handſchr. Cod. Paris. Lat. 12269 fol. 58V.
216
1. Bernardus Advocatialias dietus Mulo, Reftor
der Pfarrkirche in der Neuftadt Warburg, bittet um eine
perp. vicaria in der Diöcefe Dorpat, welche früher Ludolf
Kerdhove gehabt (Einfommen 30 Goldgld.), unbeichadet daß
er wegen eined Kanonikats in Soeſt und einer „capella
domini Walderi primi fundatoris secul. ecel. Heruordensis“
an der Kurie procejiirt (fol. 14. 1394 September 4). —
2) Johann Scuttorp, Münfterjcher Klerifer, um Kanonifat
und große Präbende in Martini zu Müniter; die PBrovifion
hatte er jchon längit; die Sache betreibt Kardinal Cosmatus
tt. s. erueis, jpäter Innocenz VII. (fol. 40. 1394). — 3.
Münft. KHleriter Wilhelm Juncfrynck um Kanonikat zu
St. Andreas in Köln (fol. 51. Sept. 10) — 4 Hermann
Euerdind (Paderborner) um irgend eine Paderborner Pfründe
(fol. 57. Sept. 4). — 5 Gottfried Retberd alias van
Oldenhues, Münft. Kler., um Pfarrkirche in Nordwalde,
welche, durch den Tod Johann Kappenhagens erledigt, Heinrich
Loen ſchon jeit Jahresfrift bejegt hält ohne Priefter zu fein
(fol. 73. Sept. 2). — 6 Tylmann Eichart von Attendorn,
studens in legibus, um Pfründe in der Kölner Diöceſe
(fol. 88v. Sept. 2). — 7. Johann Stengodes, Paderb.
Kler., um ein Beneficium der Aebtiſſin von Herford (fol 98V.
Sept. 2). — 8. Wilhelm Juncfrynd (vgl. 0.) um Bene:
fiium mit oder ohne cura in Münft. Diöc. troß anderer Erpel:
tanzen in Münfter und Köln (fol. 106v. Sept. 2) — 9.
Dietrid Schwering, Paderb. Kler., baccalaureus in
artib us, um ein Beneficium in Hildesheim (fol. 107. Sept. 2).
— 10. Johannes Schrivers (Münfter) um Kanonifat in
Bedum, ungeachtet Anwartichaft auf Präbende in Martini
und Alt St. Paul in Münfter (ohne Fol. Sept. 15). — 11.
Kardinal H. Neapolitanus für feinen familiaris Gottfried
Ulmanni von Dortmund um Bifarie in Utrecht (D. Fol.
Sept. 19). — 12. Hermann de Fonte, cler Colon. —
de canonicatu et prebenda majoris ecel. s. Patrocli
217
Susaciensis ac ecel. parr. s. Georgii Susaciensis (fructus
XII marc)., vacantium ex eo, quod Theodericus Wern-
synck alias Stocle olim can. et preb. et Conradus de
Oueruorde ecel. parr. possessores dampnato Roberto anti-
pape et suis sequacibus et fautoribus post et contra
processus apostolicos contra ipsos fuiminatos adheserunt;
außerdem jeien fie vafant durch Verzicht des Konrad Leyber und
den Tod Hilger8 von Honjten, Kan. von St. Patroflus (fol.
117v. Sept. 19). — 13. Hermann Poek um 2 Beneficien
in Dsn. und PBaderb., Herzog Semovit von Mafovien be:
fürwortet es! (fol. 119%. Sept. 19). — 14. Heinrid
Sweryng um Präbende in Paderb. und Hildesh. (fol. 122.
Sept. 4). — 15. Johann Morjel um Beneficien Der
Hebtifiinnen der Gokirche (Paderb.) und von Herford (fol. 123.
Sept. 2) — 16. Heinrih Roclojfe (Mind. Kler.) um
Kanonikat in Bremer Diöceje (fol. 125. Sept. 15). — 17.
Engelbert v. Thouen um Pfarrei in Oeſtinghauſen, er:
ledigt durch inhabilitatio eines Johannes Storm, der fich
nicht hat weihen lafjen, qui cum raptoribus et predonibus
vitam dueit (fol. 162. Sept. 25). — 18. Da Heinrid
von Wynganden, Münit. Kler., der um die Pfarrkirche
St. Jacobi in Müniter früher gebeten, jet Dechant von
St. Johann in Minden geworden, erbittet Kardinal Cos—
matus (Innocenz VII.) die Kirche für personam dil. fami-
liaris sui domestici continui commensalis Gerardi
Gysonis de Tekeneborg (fol. 165. Sept. 28). — 19.
Wilhelm Odynck, Münft. Presbyter, baccalaureus in
artibus, de soluto genitus et soluta, um Dispens zur
Uebernahme mehrerer Pfründen (fol. 174Y. October 14) —
20. Bernard Greuind um Rektorat der Magarethentapelle
in Müniter, da Rektor Hermann Köfter mill ad laicalia
vota transire (fol. 180°. Oct. 14.) — 21. Johannes
Polyng, Münjt. Kler., um Pfründe in Hildesheim (fol.
192. Oct. 8.) — 23. Dietrih von Bedhlingen um
218
Kanonikat in Münster erledigt dur Tod Johannes v. Bech—
lingen (fol. 204. Oct. 14.) — 23. Zudolf Senepmole,
Thejaurar in Hameln, um Kanonilat von St. Martin in
Minden; beitritten von Heinrich Hofileger (fol. 206. Dct. 14.)
— 24. Johannes Kerkhop um Pfarrkirche St. Maria
in Minden (fol. 2117. Det. 14.) — 25. Auf dem
Blatte 218 wird noch der Mindener Klerifer Johannes
Swalenbergh genannt; das Weitere fehlt.
IV. Beiträge zur Gefchichte der INA. Schriftfteller
Weftfalens.
1. Hermann Zoeſt von Marienfeld. Ueber diejen
noch vor wenig Jahren fait ganz unbefannten weſtfäliſchen
Mönch, der als Kalenderreformator und Anhänger der con:
ciliaren Partei in Bajel eine Rolle fpielte, beiigen wir jet
zwei faſt gleichzeitig erichtenene Arbeiten von Wattenbad) und
Zurbonjen.!) Namentlich des letztern friih und mit ein:
gehendem Berftändniß gejchriebene Darftellung gibt ein lebens:
volles und beinahe vollitändiges Bild von der Wirkjamteit
unjers Landmannes. Zu wünjchen wäre, daß feine beiden
wichtigſten firchenpolitiihen Schriften über die Macht des
Papites und der Konzilien fowie über die Abftimmungzfrage
in größern Auszügen gedrudt würden. Cod. Paris. Lat.
16404, aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, enthält
die beiden Werke Hermanns De fermento et azimo und
De pot. conc. et pape mit den beiden durh Wattenbach
befannt gewordenen Schlußgedichtchen. Sch laſſe das lettere,
weil bier vollftändiger, folgen:
Edidit Hermannus opus hoc vi pneumatis almi,
Ordo Cisterci fovet hunc Campusque Marie,
1) Wattenbach, Ueber Hermann von Marienfeld aus Münfter, Berl.
Sitz. Ber. 1884, 93—109,. Zurbonjen, Hermannus Zoeftius,
(Warendorf, Progr.-Beilage 1884). Zurbonsen, Chronicon campi
s. Marie (Münjt. Beiträge).
219
Summe Theos Christe, sis merces, sis salus ipsi,
Cum nece mandante persolvet debita carnis,
Tune deus empirea des huic perhennia regna.
Auf fol. 67Y heißt es: Infrascripta concilia et hystorie
allegantur in tractatulis per me f. Hermannum de
Monasterio, professum in Campo s. Marie Cist. ord.
Mon. dioc. compilatis. Es folgen 9 Synoden, die Historia
tripartita, dann: De libris biblie nil pono, eo quod
quasi omnes allegantur in sceriptis meis. Hierauf werden
64 firhliche Schriftiteller aufgezählt, Darunter mehrere mit
einer Reihe von Werken; zahlreich find bejonders die aftro-
nomijchen Werke, Echriften zur Salenderfrage, Computi
2. f. w. Das ih hieran anſchließende Verzeichniß der
Schriften Hermanns ftimmt in drei Punkten mit dem durch
Zurbonjen veröffentlichten nicht ganz überein. 1. Die von
3. (S. 12) citirte verlorne Schrift Questio de sabbato
sancto führt hier den ausführlihen Titel: Questio, an sit
lieitum cantari vesperas in sabbato sancto apertis ja-
nuis tempore interdicti. Darnach fann fie nicht identiſch
fein mit dem Tractatulum exhortatorium. Da lebteres
auch bier nicht verzeichnet jteht, möchte ih an die Nicht:
eriftenz desjelben glauben. 2. Nr. 9 ift betitelt: Cronica
de fundacione monasterii Campi s. Marie et de abba-
tibus. Damit ift auch ein pojitiver Beweis dafür erbracht,
was Zurbonien aus innern Gründen wahrscheinlich gemacht,
daß Hermann Zoeſt Verfaſſer der Marienfelder
Chronif ift. 3. Die legte Schrift heißt: De cesarea ma-
jestate und nicht potestate; daher ift es wenigitens fraglich,
ob wir bier gerade eine politiihe Schrift vor uns haben. !)
2. Die beiden Kölner Profeſſoren Jakob von
Soeft und Dietrih von Münfter. Wann J. v. Soeft
I) Die von mir inzwijchen eingejehene Handichrift I fol. 276 fol. 149—
160 ſtimmt vollitändig mit der Pariſer überein; fie ift aber ältern
Urfprungs, wahrjcheinlid Mitte saec, XV entitanden.
220
zum Inquiſitor ernannt worden, ſtand bis jest nicht feft.
God. Paris. Lat. 5237, der für die Kölner Univerittäts-
geichichte jo außerordentlich wichtig iſt und u. a. das Schreiben
einer Keihe von Kurfüriten vom 10. November 1425 an
der Univerlität und die Antwort der legteren bezüglich der
Auslegung der Ariftotelifchen Philoſophie und anderer Lehr:
ftreitigfeiten enthält, (vgl. Bianco, Geſch. der Univ. Köln)
enthält das Inſtallationsſchreiben des PBrovinzialpriors und
Inquiſitors Giejelbert von Utrecht vom 3. 1409. Bier Jahre
ipäter ernannte Jakob den Dr. theol. Johann v. Lüding—
haufen ord. fr. Pred. zu jeinem Stellvertreter im Kölniſchen
ultra Renum, Münfter, Dsnabrüd und Paderborn, wo
die Härefie ſtark graffire. In der citirten Handſchrift
finden ſich außerdem verjchiedene Briefe Jakobs bejonders
in der Malkawſchen Angelegenheit. — Nach fol. 272 jchenkt
1419 Auguft 2 Theodericus de Monasterio, mag. in s.
theologia, professor eximius, pastor ecel. parr. s. Joh.
Bapt. Colon., plura volumina (52) librorum suorum der
Univerjität, prout eosdem libros per manum suam sig-
natos de mandato suo consignavi, fügt der Notar hinzu.
3. Hermann von Schildeſche. Cod. Paris. Lat.
4232 enthält auf fol. 152 ff. die beiden erjten Theile eines
umfaffenden Firchenpolitiichen Werfes des weitfäliihen Au:
guſtinermönchs, geichrieben auf Wunſch des Papſtes Jo:
bannes XXII. und gerichtet gegen die im Kampfe Ludwigs
des Baiern mit der Kurie auf Seiten des Kaijers jtehenden
literariihen Angreifer des Papſtthums. Ueber die Bedeutung
des Traftates vgl. Heft 3 des Hiltor. Jahrb. 1889,
4. Die beiden Dominilanergenerale Jordanus
Saro und Johannes Teutonicus. Da ich bei Fertig:
ftellung meines vorjährigen Aufſatzes den auf hiefiger Biblio:
thef nicht vorhandenen Quétif-Echard, SS. ord. Praed. I,
von zwei Bibliothefen nicht erhalten fonnte und mich mit
ungenauen Ercerpten begnügen mußte, jo feien hier einige
221
Berichtigungen und Ergänzungen zu Ztichr. XLVI, 197—200
geftattet. Zu den ©. 197 und 198 f. nicht nachweisbaren
Stellen vgl. Quétif-Echard p. 97 und 111. Die Möglichkeit,
Jordan mit dem berühmten Mathematiker Jord. Nemorarius
zu identificiren, war auch jchon dur die ihm bei D.-E. zu:
gejchriebenen Werte De ponderibus und De lineis datis
gegeben. Der fehler Grammaticalia ftatt Geometricalia
it Schon von den Vorgängern Q.-E.'s gemacht worden. —
Johannes Teutonicus, über den in deutichen Urkundenbüchern
manches Material jich findet, ſtarb nicht, wie Jakob v. Soejt
berichtet, 1253 jondern 1252 Nov. 4. Zwei bislang un:
befannte Briefe über feinen Tod finden jich in der
Summa dietaminum eines Bartholomäus Faventini ord.
fr. Praed. (Hdſchr. 519 der Baulin. Bibl. in Münfter saec.
XIV, fol. 231). Der eine gibt erwünfchte Nachrichten über
die legten Lebenstage des Drdensgenerals nach Briefen des
Prior Petrus in Straßburg und des Bruder Hermann,
jeines ftändigen Begleiterd. Auf Geheiß Innocenz IV. be:
gab fih Johannes nach dem Ordensfapitel zu Bologna (1252)
nad Deutihland zum dort weilenden päpftlihen Kardinal:
Legaten Hugo zurüd. Am Feſte des h. Laurentius begann
er, nachdem er in einer nach der Handfchrift nicht jicher
feitzuftellenden Stadt noch begeiltert das Wort Gottes ver:
fündet, zu kränfeln und hörte von jegt an auf zu predigen.
Am Feite Allerheiligen beichtete und fommunicirte er; tags
darauf empfing er die legte Delung in Gegenwart feiner
Ordensbrüder. Zwei Tage lag er noch fo, den Schuß Gottes
und der allerjeligften Jungfrau anflehend; dann verjchied
er, nahdem er noch die Brüder gejegnet, in der Stille der
Nacht am 4. November!) und wurde im Straßburger Kloiter
begraben.
) Non. Nov. (5. Nov.) Hdſchr.; vielleicht joll es heißen: in der Nacht
vom 4. zum 5. Nov. Der Tert ift inforreft. Ich werde denjelben
jpäter ganz veröffentlichen.
222
Das vorftehende war bereit3 in der Druderei, als
mir der Artikel: „Die beiven Dominikaner »Ordensgenerale
Jordans und Johannes Teutonicus‘ des päpftlichen Unter:
arhivars P. Denifle im Hit. Jahrbuch Bd. X, 564 ff. zu
Gejichte Fam. Die Korrekturen im dritten Abjag würde
D. wohl faum gemadht haben, wenn er gewußt hätte, daß
ich bereit3 im November vor. Jahres, ein paar Monate
nah BVeröffentlihung meines Auflages, in einer Situng der
Münfterihen Abtheilung unjers Vereins eine auf Duetif:
Ehard und urfundliches Material geftügte Lebensbefchreibung
des Johannes Teutonicus gebradht habe. Bezüglich der
Bemerkung Denifles, die jich gegen die von mir behauptete
Identität des Mathematifers Jordanus Nemorarius mit dem
MWeitfäliihen Ordensgeneral Jordanus Saro richtet: „Die
auf uns gelommenen ſicheren Schriften des Generals Jordan
verrathen wahrhaftig nicht im geringiten, daß er jemals ein
berühmter Mathematifer gewejen’ und den Gründen gegens
über, die D. zu einem entſchiedenen Zweifel bewogen, weile
ih hin auf eine Recenſion von (Mori); (Canto)r im Litt.
Gentralbl. 1889 Nr. 34, 1148: „Gleich Cure (dem Heraus:
geber der Schriften des Jordanus Nemorarius, der aud
für die Jdentität beider eintritt), fönnen wir... durch die
(von Denifle) beigebrachten Gründe uns feineswegs für be-
fehrt erflärten.”
VII.
Miscellen.
Dortmunder im Liber benefactorum
des
Karthäuferkflofters St. Alban bei Trier.
Von H. V. Sauerland,
— —— 14 ü —— —
Die folgenden Notizen find dem gegen Anfang des 15. Jahrhun—
derts angelegten Liber benefactorum s. Albani ord. Carthus, prope
Treverim entnommen. Sie geben Aufſchluß über die Berjon und Familie
ded Hildebrand Keyfer, welcher das dortige Gafthaus gründete und die
Kapelle darin dotirte (vgl. Dortm. UB. I, 787 und 843), jowie des
Karthäufer Priors Winand de Stenbefe, dem ich auch in andern Hand—
Schriften begegnet bin. Außerdem erinnern die Notizen über die Familien
Gronepaſſe, Sudermann und Berswort an dasjenige, was der Karthäufer
Werner Rolevind über die reichen weitfälifchen Kaufherren in Köln jagt.
pg. 14: „Henricus Eichof, cuius Coloniensis de Tremonia
Westfalie natus, ordini nostro quam plurimum devotus, legavit plu-
ribus monasteriis nostri ordinis plura, inter que exiit sors et pars
centum et XL. flor. ponderosi.
ibid.: Domina Elizabeth de Tremonia Westfalie mater do-
mini Wynandi prioris nostri sancti Albani, devotissima ordini et
amica generosa religiosorum et pauperum, pro Wynando de Sten-
beke quondam marito suo dilecto, patre supradieti prioris nostri,
et domino Hildebrando sacerdote dieto Keyser, suo germano, ac
omnibusquibus desiderat, nobis XXXIIII. for. ponderosos devota
dedit. In ornamentis vero ecelesiasticis usque ad valorem quinqua-
ginta florenorum ponderosorum pie providendo generosa contulit,
.. . Item quadam vice ex parte ipsius habuimus XX. flor. pond.
in subsidium ereetionis orientalis partis Galilee nostre cum lapidibus
sectis... . Hec domina obiit anno dno, 1382 die 16. Augusti, se-
pulta in medio Galilee supra domum colloquii nostri.
pg. 15: Henricus Gronepasse de Tremonia Westfalie natus
cinius Coloniensis, magnus amicus et benefactus ordinis noster, pro
se et Henrico Sudermann ac aliis, quibus desideravit, plura
bona contulit; et primo quidem III. flor. ponderosos; item XIX,
flor. pond; item XVI scudata antiqua; item unam pixidem parvam,
224
in quas servatur sacramentum altaris, item II. tunnas allecum. Hic
eciam devotus et dilectus noster in quibuscunque rebus in Colonia
eius indiguimus, nobis sollieite procurando et laboriose deserviendo
ac discurrendo fidelissimus extitit. .. Item idem dedit LXI. flor.
pond; item XXX. flor; item post obitum eius habuimus XXV. scu-
data antiqua,
ibid.: Conradus!) Berswort, ciuis Tremoniensis, pro se
et uxore sua ac liberis et precipue pro domino Conrado filio suo
monacho sancte Barbare in Colonia nostri ordinis ac omnibus, pro
quibus desiderat, primo quidem XL. flor. pond. contulit; postea
eciam X. flor. ponderosos dedit devotus. [Item Sybodo filius eius
dedit quinque flor; item dedit L. flor; item in testamento pro XX.
flor.]?)
pg. 22: Dominus Wynandus de Tremonia, prior hujus domus,
pietatis visceribus motus pro utilitate conventus et precipue prö
unione ecelesiarum nostrarum per sedem apostolicam facienda pluri-
bus vieibus ac magnis sui corporis laboribus ad capitulum nostrum
se transtulit generale. Insuper Galileam sive ambitum nostrum la-
pidibus sedis cum amicorum subsidio, depositis ligneis sustentaculis,
fideliter restauravit,. Domum etiam hospitum cum coquina et suis
necessariis ad plenum reformavit. Muros claustri ac cellarum pro
maiori parte reparavit, ac alia multa circa ornatum ecclesie nostre
et domus pie et benigne providit... [Obiit anno domini 1409 in
domo Basilee ordinis nostri tune prior.]?)
pg. 23: Dominus Hildebrandus dietus Keyser cum Ger-
trudi sua legitima, de melioribus quondam Tremonie; neenon do-
minus Sergius dietus de Hengesteberge quondam proconsul in
Tremonia cum Gertrudi eius legitima conthorali, propinquis et
amicis eorum universis oracionibus nostris intime sint recommendati,
Qui et (!) eciam beneficia contulerunt.
pg. 24: Dominus Tydemannus dictus Klepping sacerdos
ın Tremonia Westfalie pie ad nos affectus ac saluti sue providens,
dedit nobis calicem bonum ad valorem XXII. flor. Item in pecunia
et aliis circa VI, flor, pond.
1) Am Rande von anderer Hand des XV. Fahrh.: Nycolaus Bers-
word et Kunna uxor eius, Conradus, Detmarus, Lam-
bertus, Zighebodus, Johannes et Betta, liberi eorummn,
Helke uxor peredieti Conradi, Nyeolaus, Frowinns et
Conradus filii eorum,
2) Das Eingeflammerte von anderer Hand des XV. Sayeh.
*) Das Eingeſchaltete ift Zujaß von anderer Hand des XV. Zahrh.
Die Riete.
Ein altweſtfäliſches Blasinjtrument.
(Mit Abbildung.)
Die Weitfalen haben jo zähe wie nur ein Volksſtamm an den Gitten
ihrer Vorfahren feitgehalten, und manche Ueberreite alten Voltslebend haben
na troß aller Stürme bis auf dem heutigen Tag erhalten. Um fo auf-
fallender muß es erjcheinen, dat von den alten Mufifinftrumenten, deren
fih unjere Vorfahren zur Begleitung der Tänze und anders bedient haben
müfjen, jo wenig Epuren mehr vorhanden find. Es liegt das wol daran,
daß die altdeutjchen Tänze jchon früh auch auf dem Lande den fremden,
namentlich den franzöfiichen haben weichen müjjen. Statt des Reihens gab
ed Schleiftänze, und damit mußte der Tanz jelbit vom grünen Unger auf
die Haustenne verlegt werden. Das alte Initrument war hier zur Bes
gleitung nicht miehr geeignet, es wanderte in die Rumpelkammer und die
engbrüftige Ziehharmonita trat an feine Stelle.
Hier und dort jollen ſich indes noch verichiedenartige Inſtrumente
im Bolfsgebraucdhe erhalten haben. Eo vor allem das „Middewintershorn“,
welched den Advent hindurch jeden Abend und Weihnachtemorgen auf dem
Wege zur Uchte geblajen wird. Die Form des Horns ſcheint an verichie-
denen Stellen eine verjchiedene zu jein, indem es ftellenweile aud Baum-
baſt, anderewo aus einem Kuhhorne verfertigt wird. Im Borfenjchen und
Lingenjchen jollen fie noch bejonders viel im Gebrauche jein; es wäre zu
wünjchen, da darüber aus der Gegend einmal etwas Näheres mitgeteilt
würde.
Ein anderes voltstümliches Inſtrument fenne ich im füdlichen
DOsnabrüderlande; es ijt itark im Verſchwinden begriffen, und ich weiß
nicht, ob ed auferhalb der Aemter Melle und Iburg noch zu finden iſt.
Selbſt hier gehören Eremplare allmählich zu den Seltenheiten.
Das hornartige Inftrument heit Riete. Die Größe derjelben iſt
eine verjchiedene, im Durchſchnitt beträgt die Fänge etwa 1,50 M. Man
verfertigt fie aus Erlenholz, indem man einen ajtfreien Baum nimmt,
dem man eine koniſche Gejtalt giebt. Dann wird er der Yänge nad) durd)-
ſägt und beide Hälften gleichmäßig ausgehöhlt, bis die Wandungen die
Me a Dünne haben, worauf fie mit Weidenbändern nach Art einer
Tonne wieder mit einander verbunden werden. Das oben eingejegte Mund—
ſtück wird aus einem Hollunderzweig gemacht, den man einfach aushöhlt
und ihn oben jchräg abichneidet.
Die Art diejer Heritellung bedingt natürlich, da die Riete, um
dicht und damit brauchbar zu bleiben, im Waſſer aufbewahrt werden muß.
Ebenjo ijt es jelbitveritändlich, dat je nach der Größe des Erenplares,
nad) der Dide nnd Gleihmäpigfeit der Wandungen die Töne verjcieden
find. Nicht alle Nieten geraten ın der Mache. Bon den beiden Eremplaren,
die ich für das hiejige Muſeum mitgebracht habe, iſt das hier abgebildete
von jeltener Güte der Arbeit und Reinheit des Tones; es ijt bereits drei
Generationen hindurd im Gebrauche gewefen.
XLVIl 1. 15
226
Die Riete zu blafen iſt nicht ganz leicht und erfordert eine gute
Lunge; es liegt das an der Nohheit des Dımdffüctes, Wenn man ftatt des
Hollunderpflodes ein metallenes Hornmundſtück auffchraubt, jo bläft fich
die Niete wie jedes andere Horn, aber diefe Vervollkommung wird fie
wohl nicht mehr erleben. Ein guter Rietenbläfer ift jelten und genießt in
der Gegend einen gewifjen Ruf.
Daß die Riete ein uraltes Inftrument ift, kann wohl faum einem
begründeten Zweifel unterliegen: die Einfachheit des Inftrumentes und die
Kunitlofigkeit der huhreihenfäruilichen Pielodie deuten darauf Hin. Aud)
der Name „Riete“ (rite) fpricht dafür. Aus dem Wortichage des jegigen
Dialektes läßt das Wort fidy nicht erflären, es fommt einzig als Bereid-
nung für diejen Gegenitand vor. Un riten — reifen iſt faum zu denken;
aus jahlichen Gründen würde man zunächſt an das angeljächiifche hreod,
Rohr denken fünnen, das altfähliih hriot lauten mußte. Allein lautge-
jeglid) wurde hriot zu ret, neben dem riet weder im mittelweiträlifchen,
noch im jeßigen Dialefte jener Gegend vorfommt. Man fönnte auch an
das ags. vridhan mwinden, drehen (davon das italienifche ridare, den
Reihen tanzen) denten, aber danı mühte das Wort ride und nidyt rite
lauten. Diefe Unficherheit in der Deutung zeigt deutlich) genug, daß der
Name und mit ihm die Sache felbit hohen Alters it.
Die Riete wird im Frühjahr und Sommer, folange ed die Wit-
terung geftattet, im Freien abends nach Feierabend geblafen und iſt weit
über die Bauerichaft hinaus vernehmbar. Der Tert, welcher der Melodie
unterlegt wird, Icheint darauf hinzuweiſen, daß man früher nach der Niete
getanzt hat. Ich teile zum Schluffe beide hier mit:
Lüt haör es, Lüt haör ed, Ick will di wat van
AN
— e — — = Bere 1 —
— = Eee
dit un dat, Lüt haör es, Lüt haör es.)
’) Maid, hör’ mal, Maid, hör’ mal,
Ich will dir was von dies und das,
Maid, hör’ mal, Maid, hör’ mal!
Stanz Joſtes.
IX
Bericht des Vereins
für
Geſchichte und AlterthHumsfunde
Weſtfalens.
(Abtheilung Münſter.)
—- 9% r
Mit dem im vergangenen Frühjahr erfolgten Ausjcheiden
Sr. Ercellenz des früheren Königlihen Oberpräfidenten der
Provinz Wejtfalen Herrn von Hagemeiiter aus feinem
hoben Amte hat unjer Verein leider auch jeinen Kurator
verloren. Herr von Hagemeifter hat als jolcher während
eines Zeitraumes von etwa ſechs Jahren unferen Beftrebun-
gen ftet3 Lebhafte Theilnahme entgegengebradht und wirkſame
Unterftügung gewährt, wofür der Verein Sr. Ercellenz zu
danfbarem Andenken verbunden bleibt.
Wir fönnen aber zugleich die freudige Mittheilung an:
fügen, daß deſſen Amtsnachfolger, Se. Ercellenz der Königl.
Dberpräfident Herr Studt, auf jchriftliches Erſuchen des
Vorſtandes ſich alsbald bereit erklärte, die Stelle des Kurators
unjere3 Vereins anzunehmen, und überdies die Gemwogenheit
hatte, bei Gelegenheit einer dem Vorftande gütigſt verftatteten
Audienz feiner bejonderen Theilnahme für die Beitrebungen
des Vereins Ausdrud zu geben.
Den Borjtand bildeten im vergangenen Jahre die
Herren:
Dontcapitular und Geiftl. Rath Tibus, Director.
Kaplan Dr. Galland, Secretär und Bibliothefar.
Profefior Dr. Funde. GSonjervatoren ded Mur
Zandarmendirector Plafmann. ſeums der Alterthümer.
15 *
228
Goldabeiter W. A. Wippo, Confervator des Münz-
cabinets.
Kaufmann B. Nottarp, Nendant.
Sn der Situng vom 15. November vorigen Jahres
machte der Herr Director die Mittheilung, daß der Con—
jervator des Münzcabinets, Herr Goldarbeiter Wippo, in
diefen Tagen das fünfundzwanzigjährige Jubiläum
feiner Zugehörigkeit zum Vereins-Vorſtande feiere. Zum
Zeichen der Anerkennung des regen Eiferd und der reichen
Verdienſte des Herru Jubilars um die Intereſſen des Vereins,
insbejondere um die Ordnung und Bereicherung des jett jo
werthvollen Münzcabinets, erhob fi die Verſammlung von
ihren Sitzen. Ueberdies wurde dem Herrn Jubilar feitens
des Vorjtandes ein von Künitlerhand angefertigtes Diplom
zur danfbaren Erinnerung an jeine ein volles Vierteljahr:
hundert umfajfende Thätigkeit für den Berein überreicht.
Die Mitgliederzahl it auch in dem abgelaufenen
Jahre wiederum gemahlen. Diejelbe wurde im legten Jahres:
berichte auf 357 aufgegeben, heute beträgt ſie 361.
Der Berein verlor dur den Tod die Herren:
1. Boele, Alfred, Bürgermeifter, bier.
2. Lahm, Dr. Gottlieb, Domkapitular, bier.
3. Seliger, Heinrich, Pfarrer, Darfeld.
R. I. 1:
Durch Austrittserflärung die Herren:
l. Bäumfer, Dr. Brofeflor, Breslan.
2. Baurichter, Anton, KaplanadSt. Ludgerum, bier.
3. Brintmann, Rechtsanwalt, Borfen.
4. Diefenbad, UÜber:Ingenieur, Bochum.
5. Heſſe, Negierungsbaumeilter, bier.
6. Köfter, Dr. Julius, Oberlehrer, Sierlohn.
7. Kreuzer, Clemens, Kaufmann, hier.
8.
g.
10.
11.
12.
13,
229
Lindner, Dr. Theodor, Profeffor, Halle.
Duinde, Regnungsrath, bier.
Shmiemann, Bildhauer, bier,
Schüßler, Dr. Geh. Reg.Rath, Burgiteinfurt.
von Twidel, Freiherr, Havirbed.
Wilhbelmi, Bauinfpector, bier.
Dagegen wurden als neue Mitglieder aufges
nommen die Herren:
10.
11,
12.
13.
14.
15.
16.
17;
18.
19.
20.
21.
22.
23.
. Bahlmann, Dr. Euftos der Kol. Paul. Bibl., hier.
. Bedmann, Dr. med., praft. Arzt, hier.
. Bongard, Regierungs:Baumeifter, hier.
. Boppe, Auguit, Paris.
. Ei, Theodor, Poftjecretär.
. Gieje, Gymnafiallehrer, bier.
. Helnius, Kaufmann, hier.
. Herfeld, Franz, Caplan, Wankum bei Straelen.
. Helle, Amtmann, Horjtmar.
Hüfing, Leonhard, Kaufmann, Hamburg.
Kaufmann, Dr. Georg, Profeſſor, bier.
Knaup, Dr. phil., Rentner, bier.
Lehbrint, Amtmanı, Geicer.
Ludorff, NRegierungs:Baumeifter, bier.
Marcour, Dr. Eduard, Chefredacteur, hier.
Poggemann, Bicar, Ameloe bei Breden.
Quinde, Gerichts-Aſſeſſor, hier.
Füritlid Salm-Salm'ſche Bibliothek, Anholt.
Schild, Earl, Apotheker, bier.
Schrafamp, U, Kaufmann, Leuwarden (Holland).
Schürmann, Königlider NRentmeifter, hier.
Strietholt, Buchhändlergehülfe, hier.
Uppentamp, Kaplan ad St. Aegidium bier.
Aus der Paderborner Abtheilung trat über in die
Münſterſche Abtheilung:
24.
Herr Rodehüfer, Eifenbahnjecretär, hier,
230
Die im Winterfemefter ftattgehabten VBereinsfitzungen
erfreuten fih reger Theilnahme namentlich ſeitens der bier
anfäßigen Mitglieder. Bon Fleineren Mittheilungen abgefehen
wurden nachſtehende größere Vorträge gehalten:
am 15. Nov. a. p. von Herrn PBrivatdocenten Dr. Finke
über „zwei weſtfäliſche Dominifanergenerale des
13. Jahrhunderts (Jordanus Saxo u. Johannes Teu-
tonicus);“
am 29. Nov. a. p. vom unterzeichneten Secretär:
„Westfalica aus den ungedrudten Berichten der
päpftliden Nuntien von Köln;
am 12. Dec. a. p. von Herrn Reg.:Bauführer Effmann
über „die Grabftätte des zweiten und dritten
Bilhofs von Müniter;“
am 12. Jan. a. c. von Herrn Gymnaſiallehrer Dr. Zugge
über ‚die neuejten Hypotheſen (Mommjen, Knoke,
Höfer) über die Varusſchlacht;“
am 24. Jan. a. ce. von Herrn Privatdocenten Dr. Finke
über „das Papſtthum und Weftfalen bis zur Mitte
des 14. Jahrhunderts;”
am 7. Febr. a. c. von Herrn Ardivar Dr. Jlgen über
„die weitfäliihen Corporationsſiegel bis 1500;
am 21. Februar a. c. vom unterzeichneten Secretär über
„die Sklaverei im heidnifhen Germanien und die
Reibeigenihaft im Münfterlande.”
Die auf Anregung und im Auftrage des Bereind in
Angriff genommenen wifienihaftlihen Arbeiten nehmen
einen erfreulichen Fortgang.
Die von Herrn Privatdocenten Dr. Finfe übernom-
mene und vom Herrn Grafen H. von Bocholtz-Aſſeburg
thätig unterjtügte Fortjegung des „Weſtfäliſchen Urkunden:
buches“ jchreitet rüftig vorwärts. So eben ericheint das
231
25 Bogen umfaifende erjte Heft von IV» (Baberborn be:
treffend); das Ericheinen des ganzen Halbbandes mit etwa
100 Bogen jteht zu Anfang des fommenden Jahres zu erwarten.
Von der durch Herrn Profefjor Dr. Darpe fortgejeßten
Rublifation „Godex traditionum Westfalicarum*“
erihien bereit3 gegen Ende 1887 der dritte Band unter
dem Titel: „Die Heberegiiter des Klofters Ueber:
waſſer und des Stiftes St. Mauritz.“ Der über Weft-
falen und deſſen Nachbarichaft ausgedehnte große Beſitz jener
beiden Stifter — Ueberwaſſer's Beſitz allein dehnte jich über
70 Kirchſpiele aus — wurde hier, wie er feit dem 11. bez.
12. Jahrhundert jich geftaltet, durch erjtmalige vollftändige
Herausgabe der älteren Heberollen mit Hülfe ausgedehnter
Umfragen meijt ſicher nachaewiejen; ein Verzeichniß der vor:
fommenden Orts- und Perionennamen (87 Seiten umfaffend)
ift beigefügt. Im Drude befindet jih und wird zu Anfang
dieje Jahres ericheinen der vierte Band, enthaltend die
Heberollen und Lehnsbücher der Fürftabtei Herford,
jomwie die Heberegiiter des Stift! auf dem Berge
bei Herford aus dem 12. bis 16. Jahrhundert.
Bon unferer im vorigen Jahre begonnenen neuen
Sammlung „Quellen und Unterfudhungen zur Ge:
ſchichte, Eultur und Kitteratur Weſtfalens“ wird
der von Herrn W. Effmann bearbeitete II. Band: „Die
KRarolingiihzottoniihe Baufunft in Werden und
Korvey” demnädit die Preſſe verlaſſen.
Die von Herrn Gymnaitallehrer Dr. Lugge unternom-
mene Veröffentlihung der Lehnsregifter der biichöflichen und
ftiftiichen Curien, und zwar zunädit der Lehnsbücher des
Münfterihen Biſchofs Florenz von Wewelinghoven, nimmt
einen rüftigen Fortgang und wird der erjte Band noch diejes
Jahr erjcheinen.
Bon der Sammlung: „Weitfäliiche Siegel“ ift Fürzlich
das von Herm Archivar Dr. Ilgen bearbeitete Dritte Heft;
232
„Die Siegel ber geiftlihen Corporationen und ber
Stifts-, Klöfter: und Pfarr-Geiftlichfeit” veröffentlicht
worden.
Die Bereinsjammlungen murden wiederum durch
Ankauf und Geſchenke anjehnlich vermehrt.
Die Bibliothek erhielt an Geſchenken:
vom Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Joſten (Münfter) „der
Bethende und Beichtende Medicus in gottgeheiligten
Hauß:, Reife, Buß-, Beicht: und Communion-Andachten.
In zwey Theile verfaffet von Johann Samuel Ledeln,
Medicinae Doctore Practico. Grossen zu finden bey
Gottlob Hebolden Buchhändl. Anno 1728;
vom Herrn Bauinspector Rodde (Hannover) mehrere Eremplare
ſeines von ihm angefertigten Familienftammbaumes;
vom Herrn Kaufmann Bern. Shmik (Müniter) einen vier:
fah gejiegelten „Verſicherungsſchein“ über geleiftete
„Quotifation für die Mlliirte Armee” d. d. Münfter,
24. März 1759;
vom Herrn Fabrifanten Otto Weftermann (Bielefeld) eine
große Anzahl Fleinerer Schriften, Bildnifje, Siegel:
abdrüde und Photographien;
vom Herrn ©. Aug. B. Schierenberg (Frankfurt a. M.)
als VBerfaffer: 1. „Das Näthfelder Barusihladt,
oder Wie und wo gingen die Legionen des
Varus zu Grunde?” (Franff. a. M. 1888); 2.
„Die Kriege der Römer zwiihen Rhein, Wejer
und Elbe,” (Ebend. 1888); 3. „Der Ariadne—
faden für das Labyrinth der Edda, oder Die
Edda, eine Tochter des Teutoburger Waldes” (Ebend.
1889):
vom Herrn Nittmeifter Egbert von Zurmühlen eine
Anzahl intereffanter Manufcripte zur Culturgeihichte
des Miünfterlandes im 17. und 18. Jahrhundert;
233
von einem ungenannten, um das Münzcabinet hochverdienten
Mitgliede: „Beſchreibung der befannteften
Kupfermünzen von Sof. Neumann’ (Prag 1858),
6 Bände;
von einem andern ungenannten, um den Verein und fein
Mufeum der Alterthümer bejonders verdienten Mit:
gliede zu verjchiedenen Malen eine große Anzahl werth:
voller Schriften;
Für dag Münzcabinet wurden erworben duch Kauf:
4 Gold:, 107 Silber:, 66 Kupfermünzen und mehrere
Siegelftempel der Kreuzherren zu Ofterberg bei Tedlen-
burg;
durch Schenkung jeitend der Herren Negierungsrath
Freiherr von Droſte-Hülshoff (Münſter), Kauf:
mann 8% Hüjing (Hamburg), Landarmendirector
Plaßmann (Münfter), General-Major von Brittwiß
und Gaffron (Münfter) 38 Silber:u. 40 Kupfermünzen.
Dem Provinziallandtage verdanken wir auch in diejem
Jahre die hochherzige Zumendung einer Summe von 4500 ME.
an unſere Caſſe. Ihm mie allen Freunden und Gönnern
unferes Vereins jei auch an diejer Stelle aufrichtiger Dank
ausgeſprochen.
In der am 25. Juli a. c. abgehaltenen Generalver—
ſammlung wurde der geſammte bisherige Vorſtand auf
weitere drei Jahre wiedergewählt.
Münſter, den 26. Juli 1889.
Dr. Joſ. Galland,
Secretär.
Anlage.
Verzeichnis
der mit uns in Schriftenaustausch stehenden Vereine
und Institute.
Aachen, Geschichtsverein,
Altena, Verein für Orts- und Heimatkunde im Süderlande,
Amsterdam, Koningligk oudheidkundig Genootschap.
Augsburg, Historischer Verein für Schwaben und Neuburg.
Bamberg, Historischer Verein für Oberfranken,
Bayreuth, Historischer Verein für Oberfanken.
Basel, Historische und antiquarische Gesellschaft.
Bremen, Historische Gesellschaft des Künstlervereins,
Breslau, Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
Breslau, Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens.
Chemnitz, Verein für Chemnitzer (Geschichte,
Christiania, Kongelige Norske Universitet,
Cöln, Stadtarchiv.
Donaueschingen, Verein für Geschichte und Naturgeschichte der
Baar und der angrenzenden Landestheile,
Dorpat, Gelehrte Estnische Gesellschaft.
Dresden, Königl, Sächsischer Altertumsverein,
Düsseldorf, Düsseldorfer Geschichtsverein,
Elberfeld, Bergischer Geschichtsverein.
Erfurt, Akademie gemeinnütziger Wissenschaften,
Essen (Ruhr), Historischer Verein für Stadt und Stift Essen,
Frankfurt a/M., Verein für Geschichte und Altertumskunde,
Giessen, Öberhessischer Verein für Lokalgeschichte,
Görlitz, Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften.
Halle a/S., Thüringisch-Sächsischer Verein für Erforschung der
vaterl. Altertümer und Erhaltung seiner Denkmale.
Hamburg, Verein für Hamburgische (Geschichte.
Hannover, Historischer Verein für Niedersachsen.
Hermannstadt, Verein für Siebenbürgische Landeskunde.
235
Hohenleuben, Vogtländischer altertumsforschender Verein.
Jena, Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde.
Innsbruck, Ferdinandeum tür Tirol und Vorarlberg.
Kahla, Verein für Geschichte und Altertumskunde zu — u. Roda,
Kaiserslautern, Pfälzisches (rewerbemuseum,
Karlsruhe, Grossherzogliches Generallandesarchiv.
5 Badische historische Commission,
Kassel, Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde,
Kiel, Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer Altertümer.
» Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburg’sche Geschichte,
Klagenfurt, Geschichtsverein und naturhistorisches Landesmuseum
in Kärnthen.
Königsberg, Universitätsbibliothek,
Leiden, Maatschappig der Nederlandsche Letterkunde,
Lübeck, Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde,
; Verein für Hansische Geschichte,
Lüneburg, Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg.
Luxemburg, Institut Royal Grand-Ducal de Luxemburg -Seetion
historique.
Luzern, Historischer Verein für die fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz,
Unterwalden und Zug.
Magdeburg, Verein für (reschichte und Altertumskunde des Herzog-
tums und Erzstifts,
Marienwerder, Historischer Verein für den Regierungsbezirk
Marienwerder,
Meissen, Verein für (reschichte der Stadt Meissen,
Meiningen, Hennebergischer altertumsforschender Verein.
Münster, Westfälischer Provinzial - Verein für Wissenschaft und
Kunst.
Nürnberg, Germanisches Museum,
e Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
Oberlahnstein, Altertumsverein.
Oldenburg, Oldenburger Landesverein für Altertumskunde.
Osnabrück, Verein für Geschichte u, Landeskunde (Histor. Verein).
Petersburg, Commission Imperiale Archeologique.
Posen, Historische Gesellschaft für die Provinz Posen.
Prag, Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen.
Riga, Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostsee-
provinzen Russlands.
Schmalkalden, Verein für Hennebergische Geschichtejund Landes-
kunde,
236
Schwerin, Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertums-
kunde.
Sigmaringen, Verein für Geschichte und Altertumskunde in Hohen-
zollern.
Soest, Verein für die Geschichte von Soest und der Börde.
Stadtamhof, Historischer Verein von Oberpfalz und Regensburg.
Stettin, Gesellschaft für Pommersche Geschichte u, Altertumskunde.
Stockholm, Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Academien.
Stuttgart, Königl. Statistisch-topographisches Bureau.
Strassburg, Vogesenklub,
Trier, Gesellschaft für nützliche Forschungen,
Washington, Smithsonian Institution.
Wernigerode, Harzverein für Geschichte und Altertumskunde,
Wien, k. k. Oesterreichisches Museum für Kunst und Industrie.
Wiesbaden, Verein für Nassauische Altertumskunde u, Geschichts-
forschung.
Würzburg, Historischer Verein für Unterfranken u. Aschaffenburg.
X,
Verein
für
Geſchichte und Alterthumskunde
Weſtfalens.
(Abtheilung Münſter.)
1888 - 1889.
— + — a» — — —
Mitglieden- Menzeichnif.
A. Einheimifhe Mitglieder:
Gurator: Se. Ercellenz Herr Studt, Königl. Oberpräjident
der Provinz Weftfalen.
Alard, Bildhauer.
Bahlmanı, Dr. Cuſtos der Königl. Paulin. Bibliothek.
Beckmann, Dr. ıned., prakt. Arzt.
Berndzen, Boitjecretair.
Bierbaum, Dr. Ewald, Pfarrer ad St. Mauritium.
Bierbaum, Dr. Friedrich, prakt. Arzt.
Bisping, Gymnaltallehrer a. D.
Böddinghans, Carl, Kaplan ad St. Aegidium.
Boele, Dr. Geh. Juitizrath.
10 Bollmann, Aug. Kaufmann.
Bollmanı, Emil, Boftjecretair.
Bon, F. W., Kaufmann.
Bougard, Reg.:Baumeiiter.
Borggreve, Baurath a. D.
Brüd, Math., Kaufmann.
Brüggemann, Dr. med., prakt. Arzt.
Brüning, F. W., Kaufmann.
Brunn, I. A., Jumelier.
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238
Busmann, Fr., Oymnafiallehrer.
20 Deitmer, H., Baumeiiter.
Detmer, Dr. Heinr., I. Euftos an der Königl. Paul.
Bibliothek.
von Detten, Rentmeiiter.
Diepenbrod, Zof., Kaufmann.
von Drofte-Hülshoff, Freiherr, Negierungsrath.
25 von Drofte-Senden, Freiherr.
Effmann, Reg.:Bauführer.
Egen, Dr. Alfons, Gymnafiallehrer.
Ehring, Mar, Kaufmann.
Espagne, %., Lithograph.
30 Effingholt, Dr, Bern., Gen.Vicariats-Aſſeſſor und
Biſchöfl. Offizial.
Fahle, C. J., Buchhändler.
Fecke, Pfarrer ad St. Martinum.
Ficker, Ludwig, Kreisgerichtsrath a. D., Stadtrath.
Fiévez, Gen.Vicariats⸗Seeretär.
35 Finke, Dr. Heinr., Privatdocent.
Fleige, Heinr. Bildhauer.
Funcke, Dr. Peter, Profeſſor.
von Fürſtenberg-Borbeck, Freiherr Franz.
von Galen, Aug., Graf.
40 von Galen, Clemens Graf.
von Galen, Ferd. Graf, Erbkämmerer.
von Galen, Mar Graf, Domkapitular.
Galland, Dr. Joſ., Kaplan ad. St. Ludgerum.
Geisberg, Aſſeſſor a. D.
Gieſe, Ed., Gymnajiallehrer.
Glasmacher, Heinr., Rentner.
Göring, Dr. Rechtsanwalt.
Hagemann, Dr. Georg, Profeſſor.
Halbeifen, Profeffor, Gymnafialoberlehrer.
50 Hamerle, Dr. Brivatgeiftlicher.
4
oa
239
Hauemaun, Architekt und Stadtrath.
Hanfen, Dr. Jof., Kal. Archiv-Aſſiſtent.
Haverjath, Gen.-Bicariats:Calculator.
Havirbed-Hartmann, Friedr., Kaufmann.
55 von Heereman-Snrenburg, Mar Freiherr.
von Heerentan, Dr. El., Freiherr, Regierungsrath a. D.
Hegemann, Theobald, Kaufmann.
Heimbürger, Aler, Rentner.
Heitmann, Eberh., Premierlieutenant.
60 Heitmann, Felir, Regierungsrath a. D.
Heitmann, Reg.:Bauführer.
Hellinghans, Dr. Otto, Nealgymnafiallehrer.
Helmus, Kaufmann.
Herbermann, Kaufmann.
65 Herfeld, Dommerkmeifter.
Hertel, B., Reg.:Bauführer.
Hertel, Hilger, Architekt.
Hertel, Hilger, Reg.:Bauführer.
Helle, Referendar.
70 Hoeter, H., Kaufmann.
Hoogeweg, Dr. Herm., Archivar.
Horſtmann, Bern., Kaufmann.
Holtfamp, Wilh, Kaufmann.
Horitmann, Hermann, Kaufmann.
75 Horftmann, Gen.Vicariats-Regiſtrator.
Hötte, Joſ., Gutsbefiger.
Hüffer, Anton, Verlags-Buchhändler.
Hüffer, Eduard, Verlags:Buchhändler.
Hüffer, Fritz, Verlags-Buchhändler.
80 Hüffer, Wilh., Rentner.
Hüls, Peter, Domvicar und Domprediger.
Hülskamp, Dr. Franz, Päpſtl. Kammerherr, Präſes
und Herausgeber des „Lit. Handweiſers“.
Hüſiug, Werner, Kaufmann.
85
90
95
100
110
115
240
Hugenroth, Kaplan ad St. Lambertum.
Huſemann, Generalagent.
Huysfens, Dr. Victor, Realgymnafiallehrer.
Ilgen, Dr., Ardivar.
Joſtes, Dr., Privatdozent.
Yungeblodt, DOberrentmeiiter.
Kaempfe, Theilhaber der Coppenrathihen Buchdruderei.
Kajüter, Dr. Flor., prakt. Arzt.
Kaufmann, Dr. Georg, Profeſſor.
Kayſer, Gutsbeſitzer.
Kayſer, Theod., Rentner.
Keller, Dr. Ludwig, Kgl. Archivrath, Staats-Archivar.
von Kerkering-Borg, Freiherr, Landrath a. D.
von Ketteler-Haarkotten, Freiherr.
Kleimann, Adolf, Handelsgärtner.
Knake, Bern., Pianoforte: Fabrilant.
Knaup, Dr. phil., Rentner.
Koppernagel, Joſ., Zimmermeiiter.
Kreuzer, Bern., Pfarrer.
Kreuzer, Dr. Hub., Gymnaſialoberlehrer.
Krüger, Joſ., Kaufmann.
5 Kuhk, Theodor, Neferendar.
Kuhlmann, Phil, Kiiter.
von Landsberg-Belen und Gemen, Graf Friedrich.
von Landsberg, Freiherr Hugo, Yandesdirector.
Löns, Dr., Gymnajialoberlehrer.
van de Loo, Domkapitular, Geiftl. Rath und Regens.
Ludowigs, Baumeijter.
Ludorff, Kal. Neg.:Baumeiiter.
Zugge, Dr. Georg, Gymnajiallehrer.
Marcour, Dr. Eduard, Chefredacteur.
Meinhold, Dr. Otto, Gymnafialoberlehrer.
Merſch, Gerh., Gymnaſiallehrer.
120
130
135
140
145
241
von Merveldt, Graf Ferd., Erbmarſchall.
Meyn, Eugen, Reg.:Rath.
von Mitſchke-Collande, Nittmeiiter.
Moornanu, Arnold, Hötelbeiiger.
Moſecker, Aug., Bildhauer.
Müller, Dr. med. Ed., Oberitabsarzt a. D.
Mumm, Bern, Paftor, Marienthal.
Naaber, Aug., Caplan ad St. Lambertum.
5 von Nagel-Doornid, Freiherr Clemens.
Naumann, Reg.Rath.
Niehues, Dr. Bern., Profeſſor.
von Noël, Gen.Vikariats-Sekretär.
Nordhoff, Dr. Profeſſor.
Nordhoff, F. A., Architekt.
Nottarp, Bern., Kaufmann.
Nottarp, Herm., Rechtsanwalt.
Oſthues, Joſ., Juwelier.
Overberg, Rector.
Barmet, Dr. Adalbert, Profeſſor.
Barmet, Dr. Matth., Dompropſt und Geiftl. Rath.
Beus, Buſſo, Rechtsanwalt.
Pieper, Dr. Ant., Präſes des Gräfl. v. Galen'ſchen
Convictes.
Pietz, Bern., Subregens.
Plaßmaun, Wilh., Landarmen-Director.
Plaßmaun, Aſſeſſor.
von Prittwitz und Gaffron, General-Major, Commandeur
der 7. Feld-Art. Brigade.
Quincke, Gerichts-Aſſeſſor.
Renſing, Referendar.
Rincklake, Wilh., Architekt.
Rodehüſer, Eiſenbahnſecretär.
Rolfs, Dr. Alois, Dompicar.
Rohling, R., Fabrikant.
XLVII. 1. 16
150
—
zii
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160
165
170
—
——
—
180
242
Roß, Theod., Director des Franziskus-Hoſpital.
Rump, Eduard, Kaufmann.
Rüping, Herm., Domkapitular.
Salzmann, Dr. med. Ferd., prakt. Arzt und Zahnarzt.
Savels, Bauführer.
Scheffer-Boichorſt, Theod., Geh.-Reg.Rath, Oberbürger:
meijter a. D.
5 Schenk zu Scdweinsberg, Freiherr, Neg.:Rath.
Schild, Carl, Apotheker.
von Schwmifing, Graf, Oberftlieutenant a. D.
Schmitz, B., Kaufmann.
Schneider, Peter, cand phil.
Schnorbuſch, Dr. 9. A., Brofejjor u. Gymnajialoberlebrer.
Schölliug, Dr. Franz, prakt. Arzt.
Schöniugh, Heint., Verlags-Buchhändler.
Schöningh, Joſ., Verlags-Buchhändler.
Schürmann, Kgl. Rentmeiſter.
Schulte, B., Kauſmann.
Schultz, Dr. Ferd. Geheimer Regierungs- und Provin—
zial-Schulrath.
Schulz, Dr. B., Reg. und Schulrath.
Schumacher, Franz, Seminarlehrer.
Schwane, Dr. Joſ., Profeſſor.
Schwarz, Bern., Regierungs-Bauführer.
Severin, Geh. Regierungsrath
Simon, Eduard, Kaufmann.
Spital, Gen.-Bicariats:Calculator.
Steinbider, Clemens, Nentner.
5 Stienen, Caspar, Neitaurateur.
Strietholt, Eugen, Buchhändlergehülfe.
von Stockhauſen, Oberjtlieutenant a. D.
von Stockhauſen, Ferd., Lieutenant und Adjutant.
von Stockhauſen, Bottlieb, Hauptmann und Gomp.:Chei.
Sümmermann, Carl, Regierungs-Baumeiſter.
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243
ten Brinf, Gerh., Kaplan ad. St. Martinum.
Theiffing, Bernard, Inhaber der Negensberg’ichen
Buchhandlung.
Theiffing, Sigismund, Inhaber der Theilfing’ichen
Buchhandlung.
Tibns, Adolf, Domfapitular und Geiftl. Nath.
Tümler, Geometer.
Tümler, Rechtsanwalt und Notar.
Tüshans, Bern., Hötelbeiiker.
Uppenkamp, Kaplan, ad. St. Aegidium.
Irland, Johann, Decorationsmaler.
Verkrürzen, 5. Rentner.
Binde, B., Neferendar.
von Viebahn, Oberprälidialrath.
Bogeljang, Fr., Agent.
Bormann, Ant., Juwelier.
Waldek, A., Kaufmann.
Weilbäher, Dr. jur., Nedacteur,
Wenfing, Theodor, Architekt.
Werſebeckmann, H., Zabrikant.
Weverinck, Anton, Deeorationsmaler.
Wippo, W. A., Goldarbeiter.
Wippo, Gymnaſiallehrer.
Wittkampf, Bern., Kaufmann.
Wormſtall, Dr. Joſ., Profeſſor und Gymnaſialoberlehrer.
Worring, Wilh., Kaplan ad. St. Lambertum.
Wulff, Wilh., Bürgermeiſter a. D.
von Zurmühlen, Egbert, Rittmeiſter a. D.
16*
1
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30
— — —
B. Auswärtige Mitglieder:
Allbrinck, Pfarrer, Waltrop.
Aldenfirhen, Rector, BVierjen.
Alfers, Pfarrer, Rhede bei Bocholt.
Althaus, Wilh., Rechtsanwalt und Notar, Steele.
Anlife, Amtsgerichtsrath, Nedlinghaujen.
von Bentheim, Premierlieutenant, Soeit.
Berenten, Dr., Juſtizrath, Osnabrück.
Berlage, Dr. Dompropit, Köln.
Beileling, H., Pfarrer, Holthaujen bei Laar.
Bitter, Alb., Kaufmann.
Bitter, Referendar, Dortmund.
Bodsfeld, Major a. D., Bürgermeijter, Dülmen.
Bolte, Kol. Rentmeiiter, Ibbenbüren.
Boppe, Aug., Paris.
von Böjelager, Max Freiherr, Näzdar, Brankrome
Park bei Bournemouth. (England).
Brader, Commerzienrath, Borgborit.
Brand, Pfarrer, Stromberg.
Brockmann, Sparkajienrendant, Billerbed.
Brungert, Ludwig, Gymnalial-Oberlehrer in Inowrazlaw.
Brüning, Ant., Gutsbejiger, Fredenhorft.
Bruns, Pfarrer, Schöppingen.
Bücher, Dr., Landrichter, Duisburg.
Buffon, Dr., Profeſſor, Innsbrud.
Caſſer, Aug., Vicar, Bocholt.
5 von Eroy, Herzog, Durdlaudt, Dülmen.
Gulemann, Dr., Senator, Hannover.
DahlHoff, Heinr., Dehant, Ahlen.
Darpe, Dr., Brofejjor und Gymnafialoberlehrer, Bochum.
Degener, Joſ., geiftlicher Nector, Vreden.
Degener, Spiritual des Saleſianerinnen-Kloſters in
Zangberg (Poſtſt. Ampfing in Bayern).
245
Denhardt, Rudolf, Sprachlehrer, Eijenad).
von Drofte-Hülshoff, Freih. auf Rüſchhaus bei Nienberge.
von Drofte zu Viſchering, Graf Erbdroſte, Darfeld.
Edelbrock, Rudolf, Glodengießer, Gelder.
35 Eidhoff, Gymnaiiallehrer, Wandsbed.
Epping, Pfarrer, Ottenitein.
Eich, Theod., Boitjelretair, Recklinghauſen.
GEiterhazy- Plettenberg, Graf, Nordkirchen.
Fechtrup, Dr. Bern., Profeſſor, Bonn.
40 Ficker, Dr. Profeſſor und Hofrath, Innsbruck.
Freeſe, Dr. J., Brieiter, Holte in Hannover.
Fuiſting, Gch. Finanzrath, Berlin.
von Fürſtenberg-Borbeck, Freiherr, Kettwig.
Grevel, Wilh., Apotheker, Steele.
45 Grimmelt, Pfarrer, Heef.
Grosfeld, Dr. Peter, Gymnaftaldirector, Rheine.
Grotemeyer, Dr., Brofeffor und Symmafialoberlehrer,
stempen.
Gruchot, Dr., Gymnaſialdirector, Braunsberg.
Göttingen, Univerfitäts:Bibliothef.
50 Gütersloh, Hijtorischer Berein.
Hackebram, F., Apothefer, Dülmen.
Hammer, Pfarrer, Nienberge.
Harfort, Peter, Haus Schede bei Wetter a. d. Ruhr.
Henje, Dr. Friedr. Pfarrer, Dreniteinfurt.
Hentrid), Kaplan, Emsdetten.
Herfeld, Franz, Kaplan, Wantum bei Straelen.
Herold, Joſ., Kaplan, Holiterhauien bei Doriten.
Herte, Gymnaſiallehrer, Brilon.
Himly, Königl. Regierungspräſident, Poſen.
60 Hölſcher, Dr. Bern., Gymnaſialdirector a. D., Reckling—
hauſen.
Höting, Dr. Bern., Biſchof von Osnabrück.
Huckeſtein, Gymnaſialoberlehrer, Recklinghauſen.
it
ci
70
1
—
80
90
246
Hüffer, Dr. Georg, Profeſſor, Breslau.
Hüſing, Aug., Pfarrer, Geſcher.
Hüſing, Leonhard, Kaufmann, Hamburg.
Hülsmann, Rector, Lüdinghauſen.
Janſen, Pfarrer, Datteln.
Iber, Dr. Gymnaſialoberlehrer, Osnabrück.
Jülkeubeck, Adolf, Kaiſerl. Marincpfarrer, Wilhelmshafen.
Keiter, Hein., Redacteur in Regensburg.
Kemper, Gymnaſiallehrer, Warendorf.
Koch, Pfarrer, Altichermbed.
Kömſtedt, Heinr., Pfarrer, Venne.
König, Amtsrichter, Aſchersleben.
Köſters, Hugo, Rentmeiſter, Lembeck.
Kraft, Dr., Profeſſor, Bonn.
Krimphove, Caspar, Pfarrer, Weſſum.
von Landsberg, Freiherr Max, Velen.
von Landsberg-Steinfurt, Freiherr, Landrath.
von Ledebur-Crollage, Freiherr, Ahrenshorſt bei Bohmte
(Osnabrück).
Lehbriuk, Amtmann, Geſcher.
Lieſen, Dr. Bern., Gymnaſial-Religionslehrer u. Convictss
Regens, Emmerid).
Lorenz, Pfarrer, Doriten.
Lucas, Profeſſor und Gymnalialoberlehrer, Rheine.
Meiners, Franz, Kaplan, Aicheberg.
Melchers, Dr. Paulus, Cardinal, Eminenz, Nom.
Mellage, Piarrer, Marienfeld.
von Merveldt, Graf Fri, Fredenhorft.
Meſſiug, Schulze, Senden.
ter Meulen, Dr. Referendar, Hamm i. ®.
Morell, Oberftlieutenant a. D., Damme (Oldenburg).
Nadorf, Fabrikant, Rheine.
Neteler, Dr. Bern., Bicar auf Haus Loburg bei Djtbevern.
Nenwöhner, Pfarrer, Telgte.
247
95 Niemann, Dr. Pfarrer, Cappeln bei Kloppenburg.
von Der, Freiherr, Egelborg bei YXegden.
Boggemann, Vicar, Ameloe bei Vreden.
Nave, A. Kaplan, Zwillbrod.
Neigers, Kreisgerichtsrath a. D., Bocholt.
100 Neismann, Director, Paderborn.
Reuſch, Rechtsanwalt, Lüdinghauien.
von Rhemen, Kreiherr von, Lieutenant, Elbelojteleg in
Böhmen.
Ribbeck, Dr. Ardivar, Hannover.
Ningenberg, Wilh., Miſſionspfarrer zu Stadthagen.
105 Robert, W., Kaufmann, Damme (Oldenburg).
Nodde, Bauinjpector, Hannover.
Rohlmaun, Kaplan, Boraborft.
Rulle, Kaplan Vreden.
Rump, Franz, Pfarrer, Bocholt.
110 Salm-Salmı, Alfred Prinz, Anholt.
Salm-Salm’iche, Fürſtliche Bibliothek, Anholt.
Schmitz, Kaplan, Vreden.
von Scorlemer, Sreiherr, zu Sonderhaus bei Ahaus.
Schrakamp, A., Kaufmann, Leuwarden (Holland).
Schriever, Pfarrer, Plantlünne.
Schulte, Dr. Alois, Archivrath, Karlsruhe.
Schumacher, Hub., Kaplan, Stadtlohn.
Schwieters, Kaplan, Herbern.
Seibertz, Amtsrichter, Lüdinghauſen.
120 Sierp, Conrector, Werden a. d. Ruhr.
Soeſt, Verein für Geſchichte von Soeſt und der Börde.
von Spieſſen, Max Freiherr, Lieutenant a. D., Haus
Oſthoff bei Dülmen.
Sprickmaun-Kerkerinck, Bürgermeiſter, Rheine.
Spude, Landrath, Bochum.
125 Steigleiter, Pfarrer, Wettringen.
Sträter, Kaplan, Vreden.
—
—
x
130
140
—
-
—
155
248
Süß, Karl, Rechtsanwalt, Ibbenbüren.
Tappehorn, Ehrendomherr, Landdechant und Pfarrer in
Vreden.
Tenhagen, F., Kaplan, Vreden.
Timmermaun, Carl, Fabrikant, Rheine.
Tücking, Dr. Gymnaſialdirector, Neuß.
Tumbült, Dr. Georg, Archivſecretär, Donaueſchingen.
Tümler, Pfarrer, Vellern bei Beckum.
von Twickel, Freiherr, Clemens, Havixbeck (jun.)
Tyrell, Dr. praft. Arzt, Ahaus.
Neding, Profeſſor u. Gymnafialoberlehrer, Redlinghauien.
Bahle, F. J., Gaitwirth, Jbbenbüren.
Beltmann, C., Fabrikant, Pforzheim.
Bijfing, Pfarrer, Horft i. W.
Brede, Gutsbejiger, Haus Coerde bei Münfter i. W.
Wagener, B., Kaufmann, Emsdetten.
Wattendorff, Heinr., Kaufmann, Sbbenbüren.
Weddige, Juftizrath, Rheine.
Weidlich, Pfarrer, Albersloh.
5 von Wendt, Freiherr, Gevelinghaujen bei Mejchede.
Wesmöller, Gymnaſiallehrer, Brilon.
Weflelinf, Joſ., VBicar, Datteln.
von Weiterhoft-Gyjenberg, Otto Graf, Weſterholt i. W.
von Weſterholt-Gyſenberg, Ignatz Graf, Aſſeſſor, Bigge.
Weſtermanu, Joh., Pfarrer, Albachten.
Weſtermaun, D., Fabrifant, Vielefeld.
Wiemann, E., Fabrifant, Warendorf.
Winkler, Alois, Pfarrer, Gemen.
Wulf, Dr. Pfarrer, Laftrup (Oldenburg).
Zuhoru, Amtsrichter, Kamen.
Zweite Abtheilung
herausgegeben
vom Director der Paderborner Abtheilung
Dr. €. Merteus.
XLVII. 2. 1
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IE
Auszüge aus dem
Liber Annalium et Annotationum
Conventus ff. Capucinorum Paderbornensium
ab anno 1612,
Mitgetheilt
von
5. V. Sauerland.
In der Bibliothek des Capuzinerkloſters zu Dieburg
bei Darmſtadt befindet ſich zur Zeit ein Codex in IV® mit
vorftehender Aufichrift. Die eriten drei Fünftel der darin
enthaltenen Blätter jind bejchrieben, die legten beiden unbe:
Ichrieben. Jene bieten auf 393 Seiten die Geichichte des
Paderborner Capuzinerkloſters von jeinen erjten Anfängen
(1612) bis zum Jahre 1864. Die Aufzeihnungen jind von
drei Händen gemadt. Der erite Schreiber hat mit dem
Einzug der Gapuziner in Paderborn begonnen und auf Grund
der Acten des Kloſterarchivs die Klofterchronit bis ins Jahr
1790 weiter geführt (S. 1— 252). Sein nädjiter Fortjeger
hat über die Jahre 1790—1797 beridtet (S. 252— 261).
Der dritte und legte Aufzeichner hat die Ereigniffe bis zum
Jahre 1864 notirt (S. 261— 393).
In allen drei Stüden find nicht bloß über die Gefchichte
de3 eigenen Kloſters und Ordens, ſondern aud über die Ge-
Ichichte der Stadt und Didceje Paderborn vielfach recht werth—
volle Angaben gemacht, und wird es der künftige Dariteller
der Geichichte der Diöceje oder der Stadt Paderborn nicht
unterlaſſen dürfen, bei jeiner Arbeit diefe Paderborner Ca—
puziner-Annalen in jorgfältige Rüdjicht zu ziehen.
XLVII. 2. 3
Aber auch an Aufzeihnungen von allgemeinem hiſtoriſchen
Intereſſe fehlt e3 darin nicht, und find es bier namentlich
die Berichte über die Erlebniſſe während der drei ſchleſi—
hen Kriege, ) welche und wichtig ſcheinen und die wir
darum als Ercerpte in Nachſtehendem veröffentlichen:
A. 1740. ... . insufficientia ab anni praeleriti
acri hyeme iam ab Octobri saeviente magis magisque
saevire duravit ad Majum usque. Universum orbem fri-
gore, fame, ac caritate panis tanta vexavit, ut, si solius
recordor Paderbornae, septingentos a portario nostro
una Sabbatlıı numeratos seiam pauperes, quibus panis
datus est. Olera ex urtieis cocta tam nobiliori quam
nostrae mensae delieiae erant; adeo parcos congelata
terra verno tempore porrigebat fructus. (S. 134.)
A. 1741. Anno quo post obitum augustissimi
Romanorum imperatoris Caroli VI. Bavarus in amicitiae
foedera traxcerat Gallum 1741, Austriacae domus prag-
matica sanelio, vi euius Maria Theresia... et scrip-
tis impugnari caepit et armis; quadraginta nempe Gal-
lorum millia sub duce Malleboi sieut castra stativa fixe-
rant Düsseldorpii ad Rhenum magnificumque Regularium
s. Augustini Canonicorum Novesii?) monasterium apta-
verant in nosocomium, sie missa trans Rhenum nota-
bili huius exercitus parte ”), möonasterii nostri Paderani
tabulata duo una cum adiacente pestiferorum domo per,
submissos commissarios pro valetudinario militum pa-
randa exigunt ... (Nun wird im größeren Theil der
Kloftergebäude ein Militärjpital eingerichtet.) Vix in his
ultimas (sie!) desudaverat artifex, 15 et 6ta Novembris
*) Weber dieje finden ſich auch in der Chronica Conventus Tremoniensis
des P, Gonitantin Schultz (in Archiv der fath. Pfarrkirche zu Dort-
mumd) werthvolle Notizen.
2) d. i. Neuß.
8) In der Dandichr.: parte et.
35
advenerunt cum infirmis et bene valentes Gallorum duo
legiones pedestres, equestres itidem binae; harum una
Salzkottenae, Delbrugi et Burenae, altera aequaliter
divisa, tertia alterius parte Neohusii relicta, reliqui
omnes hanc civitatem ingressi sunt ... (Die Mönde
ind durch das eingerichtete Spital auf den Heineren Theil
des Klofters beſchränkt. Die zum Spital benugten Räume
werden jtarf bejchädigt und durch arge Unjauberteit bejudelt.
Zweimal bricht bei der leichtiinnigen Nachläfligfeit der fran—
zöriichen Soldaten dort jogar Brand aus, der jedoch noch
rechtzeitig durch die Mönche gelöjcht wird.) Referendo impar
sum, quas diu noctuque molestias et foedia tam ab
infirmorum, quorum alios febri, alios scabie, alios ve-
nerea lue infectos, vulneratos alios, et hine unum et
unum, illine binos et binos uni euleitrae !) incubare cum
horrore vidisses, lachrymosis gemitibus, quam a salta —
et gladiatoriae artis amatoribus in seram noctem pro-
tractis tumultibus devorare debuerimus. Inconveniens
quoque esset, recensere inconvenientias et petulantias
plurimas cum mulieribus contra omnes in contrarium
attentatos nisus?) hospitale infirmorum hospitalisque
euratores libere accedentibus patratas, saepe non sine
scandalo visas et auditas. . . . Interea quavis die ac
nocte moritur unus alterve ‘miles, qui sacco insutus
exiguo apparatu quatuor tantum portantibus, praece-
dente ceruciferario, sequente castrensi, extra portam
Giers dictam sepeliendus efferebatur.
His aliisque innumeris gravati eramus malis, donec
tandem ao. 1742 mille votis expeetata dies 14. Iulii
D. Bonaventurae sacra, qua, destructo hospitali, Gallorum
infirmi suo nos exhilarabant discessu . . . (©. 135 140.)
1) Bett. 2) ergänze: ad.
3%
36
A. 1758. Circa finem Novembris maxima militum
Borrussorum, Anglorum, Hannoveranorum, Brunswicen-
sium, Hassorum aliorumque confoederatorum copia oc-
cupavit urbem hanc et totam dioecesin ac hybernia
fixit. Serenissimus princeps haereditarius Brunswicen-
sis fuit urbis huius et copiarum Brunswicensium com-
mandans.
7. Decembris omnia civitatis huius coenobia plurimo
milite fuerunt oppressa. Abdinghoff habuit 40, Patres
S. J. 30, Capueini 30, Observantes 21. Hisce 30 vena-
toribus cibum et potum porrigere debuimus. (S. 173.)
A. 1759. In quintam septimanam praeter do-
mum pestiferorum minus conclave in conventu cum
contiguo lapidibus strato cubili militibus 23 tormen-
tariis!) Hannoveranis cedere coacti sumus, qui 19. Martii
cum tota legione prineipis haereditarii Brunswicensis
Cassellas abierunt . ..
24. Iunii advenerunt Paderbornae 130000, centum
et triginta millia, Gallorum sub duce Contades. Agros
et hortos omnes non tantum circa civitatem devastarunt,
sed ultra duas horas omnem hoc anno maxime arri-
dentem segetem falces gallicae demessuerunt. 29. abiit
totus exercitus in Schlangen. (S. 174.)
1. Augusti, Gallico exereitu Mindenae a confoede-
ratis caeso ac fugato, dux d’Armentier, urbe Monaste-
riensi et eius propugnaculo in potestatem Gallorum re-
dactis ac Lipstadio actualiter a 30000 Gallorum obsesso,
obsidionem solvit ac cum toto exerceitu suo hanc dio-
cesin pertransit Cassellas. Gallos fugitivos insequitur
exereitus confoederatorum.
7. Augusti venit princeps Holstein-Gottorp cum
S000 confoederatis, quibus ex supremi regiminis man-
2) d. i. Artilleriften,
37
dato 15 tonnas cerevisiae et ducentos panes ad castra
deferre debuimus.
9. Augusti magnus confoederatorum exercitus sub
duce Ferdinando principe Brunswicensi retro montem
S. Liborii prope sylvam dietam der Bod castrametatus
‚est. (S. 175.)
Monasterium Westphaliae !) a Gallis vi armorum
occupatum, usque ad 18. Novembris a confoederatis
sub Generali Imhoff obsessum, templis et aliquot centum
aedibus incineratis, iterum a confoederatis occupatur.
A. 1760. 15. Ianuarii super modum fuimus gra-
vati 150 captivis Dillenburgi factis Gallis, quibus per
duas noctes praeter hypocaustum in domo pestiferorum
omnia in ambitu conclavia concedere fuimus coacti.
28. Ianuarii dies prae ceteris accidit nobis molestus:
100 ex improviso circa medium 6tae vespertinae milites
Anglici cum 18 foeminis et multis liberis occupaverunt
omnia conventus et domus pestiferae, perfractis vi
quibusdam ianuis, conclavia, quibus cibum et potum
porrigere fuimus coacti.
Hibernia habuerunt milites confoederati in omni-
bus vieinis dioecesibus. Ipsemet serenissimus dux Fer-
dinandus Brunswicensis, supremus confoederatorum
mareschallus, aedes Fürstenbergicas in eivitate occupavit.
(Qui in coena domini et feria 6ta parasceves erecta in
ecclesiis sepulchra Domini cum aliis principibus visi-
tavit et per aliquot annos omissam solemnem figurarum
veteris testamenti repraesentationem in parasceve fieri
voluit. (S. 176.)
10. Aprilis advenit Paderbornae serenissimus Lant-
gravius Hassiae, inter varias adversitates in fide catho-
lica velut Marpezia cautus.
I) d. i. Münfter.
38
17. Junii ... Vidit et obstupuit Padera aliquot
centenos transeuntes Scotos Gassellas absque braceis
consueto Scotorum more incedentes. (©. 177.)
12. Decembris novam et maximam conventui attulit
afflietionem centum Anglorum militum copia, conventum
inferiorem et domum pestiferum oceupans, in Atam septi-
manam permanens.
A. 1761. In Januario per aliquot dies in con-
ventu nostro inclusi et eustoditi a militibus Hannoveranis
225 virapti iuvenes et viri !), qui confoederatorum castra
sequi coacti sunt. (©. 178.)
Circa finem Junii, recedente milite confoederato ex
confinibus nostris, Gallorum exercitus S0000 iterum
urbem hanc et patriam sub famoso duce de Broglio ad
tempus occuparvit.
18. Julii totam civitatem partesque vicinas, maxime
Neuhusium et Elsen, in summam adegit angustiam:
subito namque confoederati sub colonello Luckner
Gallos aggressi, eos propulsarunt et occupato Neuhusio,
Gallis inde fugatis, domos plerasque exspoliavere; Galli
vero sub principe regio Saxonico, Xaverio nomine, tor-
mentis bellieis ?) confoederatos Neuhusio expellere atten-
tantes, magnam et arci et domibus ruinam intulerunt.
In Augusto furor bellicus aliam et huic patriae
lugubrem exhibuit scenam, dum dux de Broglio cum
exercitu suo ad 30000 aucto e confiniis Susati, Lip-
stadii et Erwittae Cassellas et Visurgim repetebat, pede
presso insequente eos duce confoederatorum Ferdinando.
Quare sub alternis utriusque exereitus stationibus castris-
que circa Paderam positis, sala jam flavescentia partim
depasta partim depopulata summam annonae frumen-
torum caritatem induxerunt, ita ut modius tritici 7
2) Geijeln oder gepreßte Nefruten? ) d. i. Kanonen.
imperialibus, siliginis&, hordeae et avenae 2 ac medio
imperiali constaret. (©. 179.)
A. 1762. Hac hieme tum ob antecedentes agro-
rum depopulationes, tum ob frigoris et nivium copiam
ac acerbitatem nimium sucercevit annonae caritas, ita
ut circa pascha modius hordei 6 imperalibus et medio
constiterit . . . lieet hac hyeme Paderana civitas milite
nec Gallico nec confoederato praegravata fuerit, in arce
tamen Neuhusana continuam confoederati tenuere sta-
tionem non sine incolarum pressura ac clade. Praeter-
quam enim quod ultra 40 aedes non infimae sortis ob
ligni pretiositatem sint ibidem dirutae, nihil oleris, quid
dieam panis aut victualium remansit, imo nec spes
frumentorum necessariorum, dum agri fere omnes a
eivitate Paderbornensi Neuhusium versus iam triennio
magna ex parte inculti necessitatem induxerunt, non
solum pro hoc loco, sed etiam pro tota dioecesi —
quia ubique erat vastitas et desolatio — ultra centies
mille imperiales qua pro pane qua pro cerevisia partim
Cassellas, partim in Floto oppidum principatus Mindensis
transferre.
Circa finem Maii dux confoederatorum Ferdinandus
princeps copias per hanc ac dioeceses et loca adiacentia
diffusas e hyberniis Brakeliam collegit collectoque milite
Warburgam se movit, Gallos Cassellis expulsurus, «od
secus evenit. Et cum iam in annum 6tum varia eaque
continua miseriarum, vexationum, praesidiorum, vecti-
tationum, contributionum, depopulationum series clade
vix restauranda urbem hanc ac patriam afflixisset, pau-
peries eo devenit, ut in Junio ex praetacto pago Floto
40 modios polentae pro coquenda cerevisia pretio 200
imperialium comparare et pro transportatione huius per
14 asinos — non enim aut raro hisce, sed tantum pro
militaribus vectitationibus erat equorum usus — facta
40
60 imperiales; nam circa initium Junii modius hordei
ultra 7 imperiales constitit. Imo quod vix a posteris
fidem inveniet, 4 pondo carnis bovinae aut vitulinae
neenon 4 pondo aselli arefacti solvi debebant imperiali.
Ex defectu equorum asinus communiter 50—60 et capra
40 aut 50 imperialibus venum ibat. (S. 182—84.)
Occuparat hac aestate ac late sese diffuderat per
Hassiam uterque exereitus, qua Gallicus sub ducibus
d’Etree et Soubise, qua confoederatus sub duce Ferdi-
nando Brunswicensi; et licet Galli Göttingam prius ab
ipsis munitam deseruerint, attamen Cassellas sese de-
fensuros gallica ostentabant fallacia. Hine Paderborna
paulisper respirabat, quamvis nihilominus pagi et eivi-
tates militum depraedantinm excuret extorsionibus
perturbabantur. Ast et hune pacis et quietis prae-
gustum penitus extinguebat amara depauperatae dioecesi
a duce Ferdinando devictis Cassellis praelibata portio.
seu potius conscripta 1050000 imperialium contributio
sub ferro et flammis comminata, ni quantocius exsol-
veretur; quod ad avertendum patriae excidium magna
ex parte est praestitum. Flavescebant hinc et inde agri
optima spe messis; ast et hanc exspectationem mures
copiosi cum omni fere hordeo et avena depascebunt.
Verum in hoc turbulento rerum statu languescentem
patriam recreabat reficiebatque mille votis expetitus
pacis nuncius, Galliam et Hispaniam inter ex una,
Angliam et Portugalliam inter ex altera partibus sub-
signatae. Ast o inanis hominum spes! vix suspiravimus
ad quietem, et ecce sarissarum, gladiorum tormentorum-
que fulgur et terror eivium agricolarumque commove-
bat viscera, dum cum magna cexercitus sui parte in
patriae viscera dux Ferdinandus penetrabat, occupans
41
in festo Clementis!) palatium Neuhusanum. Et quod
malum augebat, statim 60000 rationes, ut vocant, in
avena, foeno et stramine, e minutissimis dioeceseos reli-
quiis corrasae, partim Paderbornae?) partim Neuhusium
comportari debebant. Super hoc exigebantur 9000
modii tritici et siliginis, et miles usque ad discessum
sumptuose a cive et rustico erat alendus. Tandem
exhausta dioecesi in vigilia nativitatis Domini dux
Ferdinandus Brunswicum discessit, relictis usque ad
15. Martii 1763 fere 500 militibus Hannoveranis intra
hanc civitatem.
A. 1763. Sub initio huius anni inita sunt foe-
dera pacis a rege Borussiae cum statibus imperü ...
(3. 18586.)
Aus den franzöliihen Revolutionskriegen fins
den jich in unjeren Annalen nur wenige Notizen von allge:
meiner Wichtigkeit:
A. 1793. Hoc anno se extenderunt calamitates
belli, et Gallis Belgium occupantibus confratres Galli
et ecclesiastici emigrantes ad provinciam nostram et
ultra Rhenum usque ad nos descenderunt pro receptione
et hospitio. Erat ergo miseria videre, qualiter hoc anno
vel maxime anno sequenti episcopi, ecclesiastici, mo-
nachi et moniales e Gallia expulsi in angustiis et pe-
nuria per mundum discurrere et circumire debuerint,
heu in quale gravamentum conventuum nostrorum, ut
tot homines reciperentur et eorum indigentiis sub-
veniretur secundum leges christianae charitatis.
(8. 253 —4.)
) 23. Nov. ?) lied: Paderbornam.
42
Bezüglich der Hinrichtung Ludmigs XVI. findet ſich
dann folgendes Chronogramm:
Viator sta! qVo properas?
HeV! ne hIC sItVM transeas
Et, qVIs sit, Vt non nesÖlas,
In DIgnans stVpens lege!
LVDoVIOCVs reX FrancClae,
ConIVX Antonettae aVstrIaCae, sVIs a
sVbDItls,
BonVs ab InIqVIs. InnoCens a reIs Caplte
pLeXVs.
Festo sanÖtae AgnetIs HIO agnVs,
GaVDentIbVs feroCIter LVpls,
SaglInatIs pestIfera esCa
DetestabILIs phILosophlae, oOOCVbVLt.
(S. 255.)
A. 1794. In Augusto ad nos confugerunt cum
ecelesiae pretiosis et reliquiis sanetorum et insignibus
imperüi reverendissimus decanus Aquensis cum aliquot
canonieis et suo syndico. !)
In Octobri Cartliusiani Colonienses cum pretiosis
suis venerunt ad nos; duo cum uno Carthusiano Gallo
et famulo fere per 5 septimanas sunt apud nos morati.
Dein sumentes hospitium in collegio Exiesuitarum in
Büren, pretiosa sua apud nos reliquere. Eodem tem-
pore etiam ad nos cum ecclesiae suae suppellectilibus
fugerunt canonieci Leodienses capituli s. Pauli. (2. 256.)
A. 1801. Trappistae e Gallia in Russiam emi-
grantes et hine in dioecesin Paderb. revertentes in Buren,
Welda, Driburg et Paderbornae domicilia sibi conıpa-
) Vergl. Ahlemeyer's Bericht über die Krönungs:Infignien der deut:
ihen Kaifer im Napuzinerflofter zu Paderborn in Zeitichrift für
Geſch. u. Alterthumsk. Weitt., 40,2 €. 150 ff.
43
— —
rabant ad pueros pauperes educendos et nutriendos.
In urbe Paderana inhabitabant domum oeconomi Rempe
prope conventum nostrum Paderb. Item moniales
Trappistae et Carmelitessae et Capucinessae ex Gallia
profugae in domibus civium habitacula acceperunt.
Monachorum Trappistarum dioecesin nostram aliquot
post annos (1804) relinquentium unus nomine Josephus
laicus in habitu civili in conventu nostro Paderb. multos
per annos .. . habitabat. (©. 273.)
A. 1802. Hoc anno alma nostra provincia Colo-
niensis infaustam nimis ac luctuosam subiit mutationem.
Dumque omnes nationes eruentissimum — quod iam
anno 1791 ferro et flamma in florentissimam (rermaniam
saevierat — bellum finitum ac pacem terra marique
constitutam gratulabantur, veneräbilis devastatae Ger-
manae clerus exoptatae pacis olivam sibi soll praerep-
tam ac internecinum illatum lugebat bellum. Siquidem
omnes religiosae corporationes tam collegiatae quam
monasticae, bonis suis et ecelesiastieis beneficiis, digni-
tatibus spoliatae, die 4. Julii 1802 in sinistra Rheni ripa
declarabantur supprimendae. (&. 274.)
#. Septembri trans Rhenum publicatum fuit de-
cretum suppressionis omnium capitulorum et religio-
sorum utriusque sexus erga pensionem, si a parte si-
nistra oriundi sint; qui vero in parte Rheni dextra
nati erant, cum itinerario 25 coronarum trans Rhenum
missi sunt. (S. 276.)
23. Novemb. huius anni mandato imperii Germanici
Ratisbonae facto episcopatus Paderbornensis saeculari-
zatus et regi Borussorum, qui illum iam 3. Augusti
occupaverant, traditus est sub principe episcopo Egone
de Fürstenberg, qui pensionem annuam accepit. (8.278.)
A. 1803. Hoc anno 1803 suppressae sunt abbatiae
resp. praelaturae ... virorum, secil.: 1. In urbe Pa-
44
derana Abdinghof Benedictinortum, 2. Hardehausen Ber-
nardinorum, 3. Dalheim Augustinianorum, 4. Böddeken
Augustinianorum, 5. Marienmünster Benedictinorum.
Data est conventualibus expulsis pensio annua.
Etiam monasteria foeminarum intendebantur supprimi,
sed deficiente consensu episcopi, qui requirebatur iuxta
recessum imperi, pro hoc tempore perstiterunt.
(Die Abtei Abdingbof hatte damals außer dem Abt
Wolfgang Heidtland von Schmallenberg nody 20 Patres, 6
Gleriter, 2 Novizen.) Abbas accepit pro annua pensione
1500 imperial., duo seniores acceperunt uterque 300
imperial., caeteri R. patres et clerici 250 imperial.,
novitii seme] pro semper 700 imperial. (S. 278—90.)
A. 1804. Hoc anno per mandatum principis Hasso-
darmstadtiensis, fratribus nostris e elaustro Rüthensi
16. Aprilis depulsis familiisque Werlensi, Stadtbergensi
et Brenschedensi adsoeciatis, coenobium nostrum Rüthense
assignatum fuit P.P. Minoritis pariter e monasterio !)
Brilonensi expulsis. Item tribus hisce praefatis con-
ventibus nostris ab eodem principe omnis communicatio
eum superioribus ordinis nostri est interdieta. (S. 286.)
A. 1805. De mandato camerae regiae studiosi
nostri sicut et ceterorum religiosorum ordinum prae-
lectionibus publieis interesse iussi sunt, utique cum
notabili damno religiosae disciplinae. Caetera taceo!
Annus praesens 1806 religioni catholicae, prae-
primis vero Mendicantium ordinibus, sub prineipibus
acatholicis totalem ministrari videbatur interitum. Ast
scena in melius mutata est, et saltem nos a iugo pro-
testantico liberati liberius iam respirare incipimus.
(S. 287.)
45
A. 1834. Fxistebant ergo hoc anno 1834 in 7
monasteriis!) 21 patres et 16 laici. At per edietum
regis Borussorum omnes hi conventus septem superstites
hoc eodem anno 1834 unus post alterum suppressi.
Favore autem tali gaudemus, ut singulis mensibus nobis
ex aeraris publico regis incunctanter pensio solvatur.
Edietum suppressionis sonat sie.:
Auf Ihren Antrag vom 16. v. M. unterrichte ic Sie,
die Gapuzinerflöfter zu Paderborn, Werne, Werl und
Brenſchede, ſowie die Franzisfanerklöfter zu Nedling:
baujen und Geſeke aufzuheben, und will nad Ihrem Anz
trage den noch vorhandenen 16 Prieitermönden und 14 Yaien=
brüdern die in Antrag gebrachte Penſion mit überhaupt
3450 Rthlen. aus dem allgemeinen Benjions:Ausfterbefonds
bewilligen. Die Gebäude und Gärten der Klöfter Nedling-
baufen, Werl, Baderborn und Brenjchede jollen respie den
Progymnalien und Drtsihulen, dem Bisthum, der
Gremitenanitalt und den Ortseinwohnern zun Gebrauche für
den Gottesdienſt und Schulunterricht, respie zur Wohnung
für den Geiltlihen und Schullehrer überlaſſen werden, und
den Einwohnern zu Brenjchede will ich außerdem zur Unter:
haltung ihres Gottesdienstes und ihrer Schule, welche beide
bisher vom Klofter verjehen worden find, aus Gnaden einen
jährlihen Zuſchuß von 150 Rthlrn. bewilligen, wozu Die
Naturalien, welche mehrere der aufgehobenen Klöjter aus
Domänenfonds beziehen, verwendet werden Fönnen, — Gie
haben hiernach das Weitere zu verfügen.
Teplig, den 4. Juli 1834. Friedrich Wilhelm.
An die Staatsminifter Freiherrn von Altenjtein und
Maapen.
+) Paderborn, Bratel, Werl, Werne, Eſſen, Kaiſerswerth, Brenſchede. —
Sm 3. 1851 wurde das Klofter in Werne von dem Magiltrat wieder
an die Kapuziner aurüdgegeben. (©. 376.)
46
—— —
Annua pensio, quam nobis capucinis Paderbornen-
sibus concessit rex Borussiae, haec est:
1. Patri Ivoni . . . . 170 imperiales
9. „ Ernesto . . . 150 =
3 „ Heracio. . . 150 R
4. Francisco Josepho 150 "
5. Fratri Joanni . . -» 70 .
(5. 343— 345.)
Hachträgli bringe id aus den Annalen nod eine
culturgeihichtliche wichtige Aufzeihnung aus der trüben
Zeit nad dem 30jähriaeı Kriege:
A. 1656. Hoc anno prodiit in lucem hie Pader-
bornae, Brakeliae et hine inde per totum quasi episco-
patum Paderbornensem stupenda ac miseranda quaedam
machinatio diaboliea.. Undique erumpebant ac sese
manifestabant obsessi et obsessae. Nec tamen erant
vere obsessae, sed partim erant sagae!) et venefici,
partim erant perversissimi homines, qui simulabant se
obsessos et obsessas. Posuitque haec diabolica machi-
natio totam patriam in maximam confusionem, longe
lateque per externa regna et provincias deferebatur haec
pessima fama, quod scilicet Paderborna scateret obsessis.
Haec miserja incepit huius anni 3ta Maji, qua die ve-
nerunt Brackelia Paderbornam duae sorores simulantes
se obsessas, quarum mater et avia fuerunt ut sagae
combustae. Has incepit quidam pater Jesuita nomine
Bernardus Loeper exorcizare. Cumque esset ac maneret
opinionis, quod diabolus sub exoreismis mentiri non
posset, hine quidquid istae bartliae?) interrogatae a P.
Löper responderent ac dicerent, ipse ac plurimi alii,
etiam intelligentes viri, tanquam evangelium credebant.
jnd. i. Deren. ®) lies: baratharise — Vetrügerinnen.
Dumque P.Löper supra modum foveret istas putativas
obsessas, non modo nullam liberavit, sed brevi spatio
crevit numerus utriusque sexus obsessorum ultra centum
in sola civitate Paderbornensi. Cumque capueini a
principio se opponerent et omnino negarent tales esse
vere obsessos, maximam indignationem ineurrerunt tum
apud principem, tum apud quosdam cathedralis ecclesiae
eanonicos aliosque ecclesiasticos et religiosos, tum etiam
apud saeculares viros consulares ac iuris doetores, qui
omnes mordicus (sic!) defendebant, tales esse verissime
obsessas. Exitus tamen et ipsa praxis landem compro-
bavit, omnes esse deceptos. (S. 26.)
A. 1657. Toto he anno miseria ista putativorum
obsessorum miserandum in modum exerevit, ita quod
talis res vix sit audita a saeculo. Illustr. princeps undique
eonsilia et remedia exquirit, erantque valde contrariae
opiniones. Interim P. Loeper advertens, quod hace
machina diaboli tenderet etiam in confusionem eapuci-
norum, ipse ferventer insistit exoreismis publieis. istas
putativas obsessas et obsessos deducendo ab uno loco
ad alium. Sed non tantum nullum fructum faciebat, sed
in dies novas ac novas confusiones, tum quod rectum
ordinem exoreixandi non observaret, sed curiosas inter-
rogationes communiter intermisceret. Accidit, quod plu-
rimi honestissimi viri et mulieres, religiost ac saeculares,
publice diffamarentur et ab ipsis putativis obsessis pro
sagis et veneficis exclamarentur, omnes seilicet illi,
qui dicebant illas non esse sagae et venefici, inter
ceteros etiam capueini et in specie P. guardianus Bra-
kelensis. Et quia iste P. Löper isto suo modo agendi
ordinem capueinorum plurimum diffamaret . . . oppo-
suit se egregie M. R. P. Benedictus provineialis, scri—
bens: Vindicias capucinorum contra P. Löper; sieque
ex utraque parte bis terve replicando istum ita devicit,
48
quod iubente Illustriss. principe debuerit Paderborna
discedere. (©. 27—28.)
A. 1658. Interea etiam in principio huius anni
insolentia istorum putativorum obsessorum eo usque ex-
creverat, quod turmatim incedentes multi homines et
specialiter capucini non erant securi in plateis, sed
diversis vicibus sic aggressi, quod etiam vi debuerint se
defendere; et erant tam miseri diaboli in talibus ob-
sessis, quod baculos aliaque quaecunque arma timerent.
Propter quae et alia plura indicia Illustriss. princeps
et illi, quorum intererat, inceperunt tandem sequi con-
siium M. R. P. Benedicti capucinorum provincialis,
videlicet ipsos obsessos ab invicem separando; cumque
singuli accuratius examinarentur, inventum est, omnia
ımerissimas fuisse daemonis illusiones ac deceptiones:
plures enim ex ipsis, qui se obsessos simulabant, utrius-
que sexus deprehensi sunt esse veneficos et sagas, et
ut tales publice combusti sunt. Alii etiam plurimi
utriusque sexus deprehensi sunt, se ex malitia simulasse
obsessos, ut suas nequitias, odia et invidiam impune
exercere valerent sub praetextu, quod ita agitarentur
a diabolo; ex quibus quam plures virgis caesi, stigma-
tizati et ex patria bannizati fuerunt, alii aufugerunt,
alii sua sponte ab obsessione liberati sunt. In summa:
brevissimo tempore nullus amplius obsessus nullave
obsessa in patria Paderbornensi reperiebatur. Et hie
bene notandum est pro aeterna memoria, quod non fa-
cile credendum sit energumenis sive obsessis, nisi prae-
vie, non uno tantum sed plurimis modis probentur, an
sint vere obsessi, et an in veritate liberari desiderent;
quia saepissime sunt pessimae sagae, quae se obsessas
simulant, vel sunt alii perversissimi homines, qui a sagis
inducti, ut se simulant obsessos. De his habentur multa
in Archivis. (©. 28—29.)
III.
Beihreibung
des
Amtes (Bürgermeifterei) Wefthofen.
Don
T Pfarrer Ludwig Nenhans.!)
— — ”—— —
Die Quellen, aus denen dieſe Beſchreibung geſchöpft iſt,
find die Schon von Joh. Diedr. von Steinen benutzten
geiehichtlichen Weberlieferungen von Rolevind, Gelenius,
Eluver, Meibom, Honjeler, Stangefol, Velthaus,
jodann aber auch die Alten der Archive des Amtes und der
Kirche zu Wefthofen. Es find dabei nur folhe Nachrichten
berüdjihtigt, welche auf die Gejlaltung der gegenwärtigen
Verhältniſſe ihren Einfluß geübt haben, darum aber aud
in dieſen ihre thatjächliche Beitätigung finden.
1. Politiſche Gejtaltung.
Schon zu jener Zeit, wo die alten Sachſen unter
Wittekind die ftarfe Feſte (castrum) Hohenſyburg inne
hatten, kannte die Gejchichte eine Heine, an der von Unna
über Schwerte nah Hagen führenden Landitraße, auf dem
rechten Ufer der Ruhr zwiſchen Schwerte und Syburg gele:
1) Der Nerfafjer, geb. zu Uentrop im Freie Hamm, war 54 Jahre
Pfarrer in der Gemeinde Weithofen - Syburg, und ift am
12. Zuli 1883 im 81. Lebensjahre geftorben. Die Abhandlung datirt
aus dem Jahre 1853, verschiedene Angaben find aber von anderer
Hand bis zur Jetztzeit fortgeführt. Die Ned.
XLVI. 2. 4
50
gene Drtichaft, melde den Namen Weſthofen führt.')
Diejelbe beitand damals nur aus einigen wenigen (der Volks—
ſage nach aus jech$) vereinzelten Höfen, „welche von Witte:
find’s Adel und Räthen bewohnt wurden”. Im Jahre
775 ging Carl der Große mit einem großen Heere über
den Rhein, eroberte in Ddiefem jeinem zweiten Feldzuge
gegen die Sadien ihre Feite Syburg (Hoheniyburg)
und wußte fie von da ab dauernd zu behaupten. Die Ort:
ihaft Weithofen wurde auch in den jpäteren Zeiten bei ihren
uriprünglihen Privilegien und Gerechtſamen ungejtört be-
lajjen und in kaiſerlichen Schuß genommen; ſie ftand nicht
unter Lehnsträgern oder jonftigen Bajallen des Kaiſers, ſon—
dern direft unter dem Kaifer jelbft, und wurde fortan „Tai:
ferlider freier Reichshof Weſthofen“ benannt, woraus
bald im Munde des Volkes jich die Fürzere Benennung
„Freiheit Wejthofen” bildete, welche bi3 auf den heutigen
Tag lich erhalten hat, und noch, in Etein gehauen, an dem
früheren Wejthofer Rathhauſe zu lejen ift.
Der Reichshof Wefthofen hatte eine weitere und eine
engere Begrenzung. Für eritere befand ſich der ſüdweſt—
lihe Grenzpunft, die unterjte Reichsvrede genannt, unter der
alten Burg zu Eyburg an der Ruhr, und führte die Grenze
von da den Klufenberg auf (mo die gejchleifte Feite Syburg
früher ein Thor gehabt, welches von einem Kluſener bewohnt
war) nach dem noch jeßt bekannten jog. Viermärfer Baume,
welcher die Aemter Wetter, Hörde, Schwerte und Wefthofen
icheidet. Von bier ab war der Schwerter Mark entlang eine
jtarfe Grenz.Landwehr aufgeworfen, nad) dem Bergerhofe und
der Echwerter Eluje zu, bei welchem legteren Punkte die
Landwehr mit einem Sclagboume verjhloffen war, durch
welchen die Heerftraße rührte, und deſſen Schlüſſel am
*) Urfundlic wird Weithofen zum eriten Male im I. 1041 genannt,
(Erhard, Reg. hist. Westf. Nr. 1026.)
51
Bergerhof verwahrt wurde. Bon diefem Schlagbaume an
bildete die längs Lenningshofe zum Wandhofer Bach fortge:
führte Landwehr, von da ab aber der dem Wejtenthore der
Stadt Schwerte vorbeifließende und dem Ergiter Kirchthurme
gegenüber in die Ruhr mündende Wandhofer Bach felbft
die Grenze. Der Endpunft derjelben an der Nuhr wurde
die oberite Neich&vrede genannt. Der Ruhr entlang bis zum
Wichagen (d. i. Neyms auch Nehems Rittergut, jetzt Haus
Ruhr genannt) fiel dann die Grenze am jenjeitigen Ruhrufer
mit der Grenze der Grafichaft Limburg zufammen, zog fich
unter Weijchedts beiden Höfen durch, der Landwehr nad
(dem alten Ruhrbette entlang) unter Weijchedts Yelde in
einen Sypen, dann wieder der Landwehr nah bis zum
Garenfelder Baume, mojelbjt die Landwehr zwiſchen der
Grafihaft Limburg und dem Burghofe Gardenfeld (jebt
Garenfeld genannt) durd einen Schlagbaum verjchlojjen war,
defien Schlüfjel auf dem Burghofe zu Garenfeld verwahrt
wurde; von dem arenfelder Sclagbaume der Landwehr
nah in den Deithmanns Sypen, in dem Sypen dem Bade
nach unter dem Sarenfelder Eleff zur Lenne, um den Bujcher
Kamp, dem Aınte Wetter entlang bis zur unteriten Reichs:
vrede an der Nuhr, dem Klujenberge gegenüber. „Dieß,
jagt Velthaus in jeinen gefchriebenen Nachrichten hierüber,
find die äußerſten Grenzen des Eaijerlichen freien Reichshofes
Weſthofen, welchen der legtgemwejene heidniſche König Witte:
kind zu feinem verfallenen („vorſtorden“) Burghauſe bejeilen
bat, worin aljo vier Bauerjchaften, nebjt dem oberiten Hofe
Wibbolt (Freiheit) Wefthofen belegen find, nämlich die Bauer:
ihaft Syburg, welche von der heidniſchen Stabt (civitas)
übergeblieben ijt, worin das verfallene Burghaus und die
alte heidniiche Kirche mit ihrer vom Papſte gegebenen Heilig:
feit zu ſehen ift; imgleichen eine Bauerſchaft Holthaufen;
imgleichen eine Bauerjchaft Wanthofen und der Burghof
Gardenfeld, auch eine Bauerichaft, und jind dieſe vier Bauer:
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ſchaften mit dienjt- und zinspflichtigen Leuten bejegt, welche
ihren Herren dienen und den Tafeldienft thun müfjen, aber
Freieigene wohnen nicht darin, außer des Kaijer und des
römischen Reichs Eigen.’
Von der Freiheit Wefthofen im engeren Sinne
des Wortes jchreibt Velthaus: „Hier folgt die Feltung des
oberiten Hofes, Wibbolt Wefthofen im Felde unter dem
Berge gelegen, wo die Barone und Burgmänner gewohnt
haben, und wird im Feldmarke genannt, und ift eine Freiheit
mit Thoren verichloffen. Die Grenzpfähle gehen aus der
Nuhr, die vorderſte Reichsvrede genannt, unter der
Ruhrbrücke, nach dem Kellerteiche, in die Ackersbache und in
der Bade auf, wo der Sypen ſich verläuft, und die Land—
wehr ihren Anfang nimmt und mit einem Schlagbaume
verſchloſſen wird, der Landwehr nah in den Mejenbeds
Sypen, aus dem Sypen der Landwehr nah in den Stein-
bed3 Sypen, wo die Landwehr mit einem Schlagbaume ver:
ichloffen wird, auf der Landwehr in den Steinbeds Sypen
ab, in den Rettelmühlenbach, in den Mollenteih, wieder an
der Landwehr lang nad dem Wiehagen (Haus Nuhr) in die
Nuhr, die oberjte NeichSvrede, mit der Nuhr ab an die
Brüde, wieder nad) dem SKellerteiche wie vorgemelbet, die
niederite Reichsvrede genannt.’
Es erhellt hieraus, daß der Reichshof Wefthofen im
weiteren Sinne genau den diefjeit3 Schwerte gelegenen Theil
des heutigen Amtes (Bürgermeifterei) Weithofen, im engeren
Sinne aber genau die heutige politische Gemeinde (Commune)
Weſthofen umfaßte.
Bis zum Jahre 1300 bejtand Weſthofen als Reichshof.
In jenem Jahre aber hat Kaiſer Albrecht denjelben, jedoch
mit Vorbehalt feiner Freiheiten, die in v. Steinen’s Ge:
ihichte, Th. I ©. 1560 ff. ausführlich vermerkt find, an den
Grafen Eberhard von der Mark abgetreten, welcher
denn auch davon Beſitz nahm, den Reichsleuten ihre Freiheiten
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beſtätigte, und ihnen zum Lohne für die bei Eroberung und
Zerſtörung umliegender Raubſchlöſſer, namentlich desjenigen
zu Volmarſtein, geleiſteten guten Dienſte erlaubte, Weſthofen
in einen befeſtigten Ort umzuwandeln, worin ſie ſich be—
ſchirmen, näher zuſammen ziehen und ihre kaiſerlichen Frei—
heiten gebrauchen könnten, worauf ſofort der Bau des Weſten—
thores und die Anlegung der Wallgräben begann. So trat
denn Weſthofen in die Reihe der Städte, wurde mit Mauern
umgeben und erhielt außer dem ſchon genannten Weſtenthore
deren noch vier, nämlich die Oftenpforte, die Hollemegspforte,
die Neuepforte und die Spiderspforte (zu Spider Schloß
gehörig), von denen Eingeſeſſene der jet lebenden Generation
noch einige gekannt haben, die aber gegenwärtig jpurlos
verschwunden jind. Nur von den Ummallungen find noch
einige Rudera fichtbar.
Als Stadt wurde MWeithofen von einem Bürgermeiter,
einem Secretair, einem Rathsherrn und zwei Gemeindever:
tretern („Gemeinsleuten”) verwaltet, welche zunädit alljähr-
ih, jpäter aber auf Lebensdauer gewählt wurden. Der
legte diefer Bürgermeifter war Georg Heinrih Färber,
welder am 12. Februar 1834 in einem Alter von SO Jahren
mit Tode abging, nachdem er feit 1809 penjionirt worden
war. Einen eigenen Richter erhielt Wejthofen unter dem
Grafen Albert 1337, und wurden ihm noch unterm 22.
Februar 1434 durch Wilhelm, Herzog von Cleve und
Grafen von der Mark, jeine fämmtlichen Privilegien und
Freiheiten verbrieft, ſowie nicht minder unter dem erjten
Churfürften von Brandenburg dur den Droften Johann
von der Mark zu Billigit.
Den eigenen Richter verlor Wefthofen ſchon früh. Der
legte erweislihe Richter war „Evert in dem Spyker“ 1407.
„Johann in dem Spyker“ war fchon 1452 Richter zu
Schwerte und Weithofen. Wejthofen wurde in Betreff der
Rechtspflege an die Stadt Schwerte, mit diejer 1753 an das
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Gericht zu Unna, 1811 an das Friedensgericht zu Hörde
verwiejen. Die Organijation von 1815 rehabilitirte ein
eigenes Gericht in Schwerte, zu deſſen Bezirk Weſthofen ges
Ichlagen wurde.
Den eigenen Bürgermeifter verlor Weithofen zur Zeit
der Fremdherrihaft durch die bergiiche Verwaltung, welche
es mit der Stadt und dem Landkirchipiele Schwerte, ſammt
dem früheren Reichshofe Weithofen, zu einer Municipalität
vereinigte. Unter Preußend Scepter zurüdgefehrt, wurde
dieſe Municipalität zur Bürgermeifterei Schwerte, welche,
außer dem Reichshofe Wejthofen in feinen weiteren Grenzen,
die Stadt Schwerte und die zum SKirchipiele Schwerte ge-
hörigen jenfeitigen Communen Billigjt, Geilede, Lichtendorf
und Overberge umfaßte, und deren Bürgermeifter in der
Stadt Schwerte feinen Wohnſitz Hatte. Im Jahre 1838
nahm die Stadt Schwerte die revidirte Stäbte-Drdnung an,
ewählte jich einen eigenen Bürgermeifter in der Perſon bes
Gravemann, und jchied Hierdurh mit dem geſammten
Stadtbezirfe aus der jeitherigen Bürgermeijterei Schwerte
aus. Der Reit diejer wurde zunächſt unter deren jeitherigen
Birgermeilter (fortan Amtmann benannt) auch ferner ver-
waltet, und zwar, wie früher, von Schwerte aus. Als dem—
nah die Stadt Weithofen von dem durch die Landgemeinde:
Drdnung ihr verliehenen Rechte Gebrauch madte und die
Verlegung des Amtsfiges von Schwerte nach Wejthofen ver:
langte, trat der Amtmann Ernſt Engelb. Mitsdörjer
mit Penſion in den Ruheſtand, und das Amt wählte ich
einen neuen Amtmann mit Anmweilung feines Wohnſitzes in
Weithofen. Diefer, Heinrich von Baſſe, trat in Funktion
am 27. April 1848, jtarb aber ſchon am 13. April 1850.
hm folgte durh Neumahl am 11. Juni 1850 deſſen Bruder
Auguft von Bafje, welder einer Wahl in die Landbürger:
meifterei Unna:Gamen am 18. Februar 1852 Folge leiitete.
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Es folgte dann im Amte der Bürgermeiſter Friedrich
Schulze-Vellinghauſen. Dieſer fungirte bis Ende 1856
und iſt dann nad) Stockum verzogen. Am 18. Februar 1857
wurde Freiherr Sriedrih von der Heyden-Rynſch,
der Haus Ruhr vom Juſtiz-Commiſſar E. Dverweg gekauft
und daijelbe bewohnte, ald Ehren-Amtmann des Amtes Weſthofen
in jein Amt eingeführt. Derjelbe verwaltete das Amt big
Mitte des Jahres 1866, um welche Zeit er wegen Kränklich—
feit jeinen Abjchied nahm. Durch Regierungs-PBräjidial:Ber:
fügung vom 6. October 1866 wurde dann der damalige
Beigeordnete Julius Rebber zum Amtmann des Amtes
Weithofen ernannt.
Die Grenzen des Amtes (Bürgermeifterei) Wefthofen
erhellen bereits aus dem Borftehenden. Die Seelenzahl
betrug: Im Jahre 2 =
1853: 1889:
1. in der Stadt Weithofen 1073 1729
2. im Dorfe Syburg 660 639
3. in der Bauerihaft Garenfeld 415 520
4. in der Bauerichaft Holzen 704 1057
5. in der Bauerihaft Wandhofen 184 329
6. in der Bauerihaft Villigſt und
Rheinen 182 226
7. in der Bauerichaft Geijede 205 275
8. in der Bauerichaft Lihtendorf u.
Dverberge 308 731
Sa. 3731 3506
‚sm Amtsbezirke befinden ſich folgende Rittergüter:
1. Billigft (Vilgeſte) füdöftlid von Schwerte auf
dem linken Ufer der Ruhr gelegen und jeit dem Jahre 1740
dem Freiherrn von Elverfeldt zugehörig, war früher Eigen:
thbum des Herrn von Sobbe, dann der Grafen von
der Mark.
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2. NRutenborn, in der Gemeinde Geijede, früher
von der gleihnamigen Familie, im 16. Jahrhunderte von
denen von Lappe und von Delwig- befejien, gelangte im
18. Jahrhundert an die von Drofte zu Erwitte. Gegen:
märtig befißt e8 der Graf von Fürftenberg zu Herdringen.
3. Wandhofen, Rittergut der gleichnamigen Familie,
deren Erbtochter Margaretha daſſelbe 1535 dem „Heinrich
von Haus“ zubrachte. Durch Vermächtniß gelangte es im
18. Sahrhundert an die von Gruiter zu Aldendorf, 1819
durh Kauf an von Fürftenberg zu Herdringen. Es liegt auf
halben Wege an der von Schwerte nach Wefthofen führenden
Straße.
4. Das Rittergut Steinhauß in der Gemeinde Holzen,
jest Steinhaufen genannt, zwiſchen Weſthofen und Hörde,
unweit der Landftraße gelegen, urfprünglid wahricheinlich
-der unter dem märkiſchen Adel vorkommenden Familie von
Steinhauß angehörig, bejaß im Jahre 1480 Jan Nagel und
deffen Gemahlin Elifabethd von Wandthoff, kam demnächſt
durch Heirath an die von Mengede zu Wejtönnen, darauf
durh Heirat) an von Rump zu Krange, welder ed an
Zadhariad Casper von PBöppinghaus verkaufte, der das
gegenwärtige Wohnhaus erbaute. Einer Schuldforderung
halber wurde es darauf dem preußifhen Hauptmanne im
Duadt’ihen Regimente Hildebrand Ditmar von Blande-
nagel gerichtlich zuerfannt. Später von einem Herrn von
Sudthauſen bejeffen, ging es durd Kauf an den jegigen
Beliger Grafen von Fürſtenberg zu Herdringen über.
5. Das Rittergut Ruhr an der Straße von Schwerie
nah Wefthofen, am Wannebahe und der Nuhr in der Ges
meinde Wandhofen gelegen, der Familie von Neym, aud
Neyhem genannt, zugehörig, gelangte durch Verheirathung
der Maria Catharina von Neyhem mit Caspar Friedrich
Anton von Hövel, Hetrn zu Sölde, am 25. Mai 1734 in
den Beſitz der von Hövel’ihen Familie, ging von diejer im
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Sabre 1839 duch Berfauf an den Herrn von Grote zu
Köln, demnähft an Carl Ebbinghaus zu Iſerlohn, von lep:
terem aber durch Tauſch gegen dad Gut Duddenrod an den
Juſtiz-Commiſſar Carl Dvermeg über. Diejer verkaufte im
Jahre 1356 Haus Nuhr an den Freiherrn von der Heyden-
Rynſch zu Hans Winkel bei Geldern. GE. Overweg erwarb
feinerjeit3 das Rittergut Haus Letmathe, wo er am 27. Mai
1876 nad einem Yeben reihen Schaffens und Wirkens, u.
a. als Landtags- und Reichstags: Abgeordneter, geitorben it.
Frhr. von der Heyden-Rynſch, zugleich Ehren:Amtmann von
Wefthofen, bewohnte das Gut bis zu jeinem am 21. November
1868 erfolgten Tode. Haus Ruhr ging jebt auf jeinen ein-
zjigen Sohn Friedrich über, welcher das Nittergut durch
Vertrag vom 22. Juni 1869 an den Freiherrn Ludwig von
Elverfeldt zu Haus Billigit für 115000 Thlr. verkaufte.
| 6. Huſen, auch Tenhujen, d. i. „zu den Häuſern“
genannt, Nitterfiß der Familie gleihen Namens, Tam durch
Heirat) an die Familie von Friedag, dann an die von
Homberg. Am Jahre 1479 bradte es Chriftine von Rom:
berg an Diedrih von Laer, deſſen Nachkommen es über 100
Jahre bejeilen haben. Im Jahre 1555 verfaufte es Anton
von Yaer an die von Romberg zu Maßen. Im Jahre 1804
gelangte das Gut durch Kauf an den Lieutenant Schulz,
welcher 1817 ftarb. Seine Wittwe heirathete 1819 den
Lieufenant Kautz, und bejaß nad deilen Tode Hufen mit
ihren Kindern.
Außer den oben benannten und jekt noch bekannten
Rittergütern befanden jich innerhalb des Neichshofes Weit:
hofen gejchichtlichen Weberlieferungen nach noch folgende:
1. Das Schloß der Herren von Spidern in Weſt—
bofen gelegen, und zwar an der Nordſeite dieſes Ortes.
Auch die legten Ueberreſte diejes einft jo herrlichen und der
jo mächtigen Familie von Spidern angehörigen Schlojies find
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längit verichwunden. Nur der Name „auf dem Schlofje’
iſt aeblieben. Es fteht dort jegt ein einfaches Bürgerhaus.
2. Das Schloß der Herren von Boyle, auch Böle
oder Büle. Bon diefem ift auch nicht einmal die Stelle
mehr mit Sicherheit anzugeben, wo es einit geitanden. Biel-
leiht befand es jich weitlid vom Gute Hujen am Fuße des
Syburger Berges auf demjenigen Bergfegel, welder nod
heute den Namen Bölberg führt.
3. Das Schloß der Herren von Syburg. Dies Ge:
ichleht wohnte und nannte fih nach der früheren Sachſen—
Feſte Hohenfyburg, am Zufammenfluffe der Ruhr und Lenne.
Seinen Namen joll es nach den Gejchichtsichreibern Gelenius,
Cluver und Stangefol von den Sigambern erhalten haben.
Der Bilchof Ferdinand von Fürftenberg jchreibt in den
Monum. Paderb. (ed. Norimb. 1713, p. 5): „Sicambri
sive Sigambri, Sigam primum accoluerunt: hinc pro-
gressi ad Rhenum, cui proximos Caesar facit; ad Ru-
ram, ubi Sigeburgi, unius ex tribus praecipuis Saxonum
castellis, vestigia supersunt.*“ Die Felte Hohenſyburg
wurde von Carl dem Großen im Jahre 775 erobert und
troß der lebhaften Belagerung der Sachſen, welche bis zur
Lippe zurüdgeichlagen wurden, behauptet. Nah Kaijer Carls
Zeiten blieb Syburg als integrivender Theil des Reichs:
hofes Wejthofen beim Reiche. Auch die folgenden Kaijer
behielten dort ihre Burglehen und Burgmänner, wie nament-
lid) die Familie von Syburg (jegt v. Sieberg). Nur zu
bald,machten die Burgmänner, auf ihre Burgen ſich verlafjend
und der Gewohnheit des Fauſtrechts folgend, ſich ein Geichäft
daraus, die Umgegend, felbft Grafen und Herren zu befriegen,
und wo und was fie fonnten, zu plündern und zu rauben.
Die Folge davon war, daß ihre Burghäufer, jo das Haupt:
Ihloß zu Syburg im Jahre 1287, gänzlich zerftört wurden.
Stangefol jchreibt darüber: „Hoc tempore (anno scilicet
1287) castra Isenberg, altera vice, post primam ever-
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sionem. et Ruenthael, Volmerstein. Hohen Siburg, prae-
donum asyla et receptacula, funditus eversa sunt.“
Im Jahre 1300 brachte Kaijer Albrecht die meilten der zu
dDiejer Burg gehörigen Güter nebit dem Reichshofe Weithoten
durch Berpfändung an den Grafen Eberh. von der Mark,
deſſen Nachfommen fie demnächſt erblih an jich brachten.
Durch Heirath gelangte ein mwejentliher Theil der Güter an
die Herren von Wermindhaus und an die Herren von Aiche:
berg zum Heidthoff. Gegenwärtig it die alte Burg eine
Ruine, welche der herrlichen Aussicht halber, die man von
dort in das Ruhr: und Lennethal hinauf genießt, jehr häufig
bejucht wird. Die nächſten Umgebungen, einjchließlich des
Burgbofes, in welchem die Ruine ich befindet, etwa 26
Morgen groß, find Eigenthbum der evangeliichen Pfarrei
Meithofen-Syburg, die weiteren Umgebungen aber privatives
Eigenthum der Eingefejlenen des Dorfes Syburg.
4. Das Nittergut Küdenhaus, der Familie von
Küken zugehörig, lag an der von Syburg nad) Holzen füh—
renden Straße, in dichten Walde. Es jcheint feine Ritter:
fähigkeit Schon jehr früh verloren und ſchatzbar geworden zu
fein. Jetzt iſt davon nur noch ein bedeutender Bauernhof
übrig, deſſen Beliger noch den Zunamen „Kückshäuſer“ trägt.
Erwerbsquellen.
Die Bewohner des jeßigen Amtes Wejthofen ernähren
ich in den ländlichen Bezirken faft ausſchließlich von Aderbau
und Viehzucht. Nur diejenigen von Syburg nehmen, bei
der geringen Grtragsfähigkeit ihrer fteinigen Grundjtüde zu
anderen Grwerbsquellen mit ihre Zufludt. Sie treiben
Handel mit gemäfteten Schweinen nach Elberfeld, mit Holz:
fohlen nad den benachbarten Hammerwerken und bauten
ihre jehr guten Sanditeinbrühe aus. Ein großer Theil der:
jelben lebt nichtsdeitomeniger in drüdender Armuth.
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Die Eingefejlenen von Weſthofen wendeten ſchon früh
der Induſtrie ſich zu, weil ihre, freilich jehr fruchtbaren
Meder und ihre jehr guten Viehmweiden an der Ruhr doch
allein nicht hinreichten, fie zu ernähren. Sie legten ih auf
die Verfertigung wollenen Tuches, und ihre Fabrifate waren
jehr geſucht. Seitdem aber mit dem dritten Decennium
des gegenwärtigen Jahrhunderts die große Nettmann’sche
Tuchfabrik von hier nach Limburg verlegt wurde, und das
Maſchinenweſen auch in der Tuchfabrikation Menjchenhände
mehr und mehr entbehrlich machte, ift der Wohlitand Weft-
hofens jihtbar gejunfen, und die Armuth wächſt in beſorgniß—
erregender Weile. Während noch im Jahre 1830 die nur
aus 170 Thlr. bejtehenden Intraden des hiejigen kirchlichen
Armenfonds zur Beftreitung Tämmtlicher Bedürfniffe voll:
auf hinreichten, war im Jahre 1853 ein Zuſchuß von fait
300 Thlr. erforderlid).
Bemerfenswerthe fonftige Ereigniffe.
1. In den fortwährenden Kriegen der Grafen von
Altena reip. der Grafen von der Mark gegen den Bilchof
von Eöln und die Grafen von Iſenburg und Limburg von
Jahre 1225 bis zum Jahre 1300 ftanden die NReichsleute
von Weithofen auf Seiten der erjteren, und wurden vom
Grafen von Iſenburg vorzugsweiſe heimgeſucht; ihr Land
wurde verheert, es wurde in demjelben gebrannt, geraubt,
geplündert, bis zur Schlacht bei Villigit, welche für die
Limburger verloren ging, und in Folge deren der Reichshof
Meithofen mit dem Grafen von Limburg unter Conjens des
Grafen von der Mark einen Vertrag abſchloß, welcher ſich in
Velthaus’ Nachrichten ausführlich verzeichnet findet. Die erfte
Bedingung dieſes Vertrages, auf welchen der zweite Theil
gegenmwärtiger Bejchreibung, die „kirchliche Geſtaltung“ um:
fajlend, Bezug nehmen wird, bejteht darin,, daß das Haus
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Limburg Gollator der alten Kirche zu Syburg auf dem Berge
bleiben folle, eine Bedingung, welde nod Heute in
Kraft ift.
2. In dem zu Ende des 14. Jahrhunderts zwilchen
dem Biſchof zu Münfter und dem Grafen von der Mark ge:
führten Kriege wurde Wefthofen nebſt den benachbarten Ort:
Ichaften von den Biſchöflichen verbrannt.
3. Im Jahre 1598 den 28. September find in der
Freiheit Wejthofen 85 Häujer dur Feuersbrunſt verzehrt.
Außer der Kapelle, dem Pfarrhauje und dem Rathhauſe
blieben nur 11 Häuſer verſchont.
4. Eine ähnlihe Feuersbrunft wüthete in Wefthofen
im Jahre 1706. Die Eirhliden Gebäude blieben hierbei
nicht verjchont. Das jetige alte Pfarrhaus (nur noch als
Scheune und Stallung benußt), jowie auch der jegige Kirch:
thurm datiren aus jenem Jahre.
5. Im Jahre 1829 wurde die den politiichen Gemeinden
MWeithofen, Syburg und Garenfeld zugehörige größere Ruhr—
brüde durch Eisgang völlig zerftört und mit einem Koften-
aufwande von 2845 Thlr. neu aufgeführt. Am 7. Januar
18380 wurde fie abermals durh Eisgang zeritört. Die
Wiederheritellungsfoften haben 12459 Mark betragen. Am
21. December 1881 wurde die Lennebrüde am Gabel durd
Hochfluth weggeriffen. Dieje bat Freiherr von Vincke auf
feine Kojten mwiederherftellen laſſen.
6. Bon dem Jahre 1844 ab wurde die von Schwerte
über Wejthofen, Kabel und Böhle nah Edejey führende
Landitraße im Wege der Aktienzeichnung in eine Chaufjee
umgewandelt, welche den Namen Schwerte: Edejeyer Aktien—
itraße führt. Die Koften des Baues betrugen überhaupt
43000 Thlr., zu deren Aufbringung die Stadt MWefthofen
jich mit 8000 Thlr. betheiligte. Der Reft diejer angeliehenen
Summe wurde im Jahre 1887 abgetragen.
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2. Kirchliche Gejtaltung.
Bon einer firhliden Geſtaltung kann erſt feit Ein:
führung des Chriftentbums, aljo erſt jeit dem jahre 775,
wo Garl der Große mit jeinem Heere das ſtarke Bollwerk
der heidniſchen Sachſen, die Feſte Hohenfyburg eroberte,
die Nede fein. Carl fand auf dem Berge zu Syburg,
unweit der Burg, einen „heidniihen Tempel“ vor, den er,
nach Angabe einiger Gejchichtichreiber, von heidniſchen Bildern
reinigte und in einen Chriftentempel ummanbelte. Andere
behaupten, er habe jenen Heidentempel zerftört und an deſſen
Stelle die erſte hriftliche Kirche gebaut. So viel fteht feft,
daß die Kirche zu Syburg Carl dem Großen ihr Dafein
verdanlt. Schon Sigfried a Lapide, welder zur Zeit
Kaijer Ludwigs des Frommen lebte, jchreibt: Carolus M.
basilicam B. Petri in Syburg construxit. Velthaus, Meve
und Stangefol find der Meinung, der Papſt Leo III. habe
die Kirche zu Syburg in Gegenwart Carls des Großen und
in Gegenwart von 415 Patriarchen, Erzbiihöfen, Bijchöfen,
Prinzen, Fürften im Jahre 776, jammt dem in der Nähe
der Kirche gelegenen Brunnen, welchem von da ab wunder:
thätige Kraft zugefchrieben wurde, und welcher bis auf diejen
Tag allerdings der Petersbrunnen heißt, dem Apoftel Betrus
mit eigener Hand gemeiht. Sie jchließen das aus der In—
ihrift einer fupfernen Platte, welche links über der Sacriftei-
thür der Kirche zu Eyburg fi befand und von dem erjten
Pfarrer reformirten Belenntnifjes, Theodor Lürmann, ent:
fernt worden iſt. Daß die Inſchrift jener Platte Obiges
bejagt habe, iſt unzweifelhaft, aber dennod das behauptete
Faktum jehr zu bezweifeln. Papſt Leo IT. kam nicht früher
al3 im ‚jahre 799, und auch da nicht mit glänzendem Ge:
folge, jondern als ein Hülfejuchender zu Carl dem Großen
nach) Paderborn, verweilte bei demjelben, wie der an Carls
Hofe lebende Einhard ausdrüdlich erzählt, einige Tage,
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nad deren Verlauf ihm Earl ein ftattliches Geleite gab, und
wieder zum päpftlihen Stuhle in Nom verhalf. Von einer
Reife nad) Syburg, und einer Einweihung der dortigen
Kirche, iſt dabei durhaus nicht die Nede, und konnte dieſe
Einweihung in jenem Jahre um jo weniger vorgenommen
werben, da zu Syburg damals bereits über 20 Jahre lang
eine chrijtlihe Kirche geweien war. Ueberhaupt fonnte,
wie die Inichrift jener kupfernen Platte behauptet, Papſt
Leo damal3 dem Kaiſer nicht mehr das Heidenthum in
Sachſen zeritören helfen, denn das war bereits zerjtört durch
diefen felbit. War ja Wittekind bereit3 im Jahre 785 (aber
nicht zu Syburg) getauft, waren ja damals auch ſchon
verichiedene Stifter im Sachſenlande gegründet. Die In—
Schrift auf der Nupferplatte verdankt ihren Urjprung
offenbar einem Certificate, welche® Papſt Gregor im Jahre
1274 den Burgmännern zu Syburg auf deren dringenden
Antrag ausitellte, und welches die in Nede ftehende Angabe
enthielt.
Nur dies aljo ſteht unbejtreitbar feit, daß die Kirche zu
Syburg Karl dem Großen ihr Dafein verdankt, und daß
mit ihrem Entjtehen im Jahre 775 das erjte Kirchenſyſtem
innerhalb des Bezirks der gegenwärtigen Bürgermeifterei
MWefthofen ſich geitaltete. Es bildete ſich daraus im Laufe
der Zeit zuerſt die katholiſche Gemeinde Syburg mit ihrer
Pfarrfiche und ’Bfarrwohnung in Syburg, und demnächit
die jegige evangelijche Gemeinde Wefthofen-Syburg, welche
die DOrtichaften Weithofen, Syburg, Garenfeld und den dies:
ſeits des Wannebachs gelegenen Theil von Holzen umfaßt,
und (im „Jahre 1853) zweitaufend Seelen zählte, mit ihren
beiden Pfarrkirchen, der zu Syburg und der zu Weithofen,
und ihrer Pfarrwohnung in legterem Orte.
Die von Carl dem Großen zu Syburg gegründete Kirche
wurde nach dem 30jährigen Kriege durch die Franzojen 1673
eingeäjchert und bis zum Jahre 1698 in ihrem gegenwärtigen
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Zuftande durch milde Gaben aus Potsdam, Brandenburg und
vielen Gemeinden Deutichlands und Hollands wieder herge:
ftellt. Bei dieſem Brande ift leider auch das Syburger
Kirhen:Arhiv ein Raub der Flammen geworden. Ob das
jetige Gebäude noch Rudera des von Carl gegründeten in
fich faßt, ift zweifelhaft.
Die andere Pfarrkirche der jetzigen evangeliichen
Gemeinde Weithofen : Syburg, die Kirde zu Wefthofen
nämlih, führt ihren Urſprung ebenfall3 auf die Zeit
der Franken zurüd, die „bei Syburg” um das Jahr 804
eine dem heiligen Aegidius gemeihte Kapelle erbauten.)
Sie wurde bedient von einem Bifarius, welcher dafür die
Pfründe der Bilarie St. Antonii (der Hauptbeitandtheil
des jegigen Wfarrfonds) bezog. Laut Dokument vom
17. Mai 1590 übertrugen die damaligen Patrone ge—
dachter PVifarie, die Herren von Spider zu Wefthofen, jelbige
dem damaligen Baftor zu Syburg, Diedrich Lürmann, weil
diefer in dem baufälligen Pfarrhaufe zu Syburg nicht länger
wohnen fonnte, und die Gemeinde zu arm war, eine neue
Pfarrwohnung zu beichaffen. Der Baltor zog von Syburg
in das Vikarienhaus nad MWefthofen herüber, predigte in der
Kirche zu Syburg nur noch an ſechs Sonntagen des Jahres,
an allen übrigen dahingegen in der Kapelle zu Wefthofen.
Gleich darauf, und zwar laut Dokument vom 10. Januar
1591, brachte das Kirchipiel (nämlich die Eingejellenen von
Weſthofen, Syburg und Garenfeld) die Vilarie St. Antonii
ı) Jordanus canonicus Osnabrugensis in Lib, de praerogativa Im-
perii seribit, quod Carolus N. circa 804 in Westphaliam miserit
10060 Franeos, ut sie in Saxonia fides Christi coleretur. Hi
capellaın S. Aegidii prope Siburg ad Ruram aedificarunt. (v.
Steinen, Weftphälifche Geihichte, TH. I S. 1607.) Sonſt wird
erft im Jahre 1147 eine Kapelle in Weithofen erwähnt. (Erhard,
Reg. hist, Westf, Nr. 1697.) Die Red.
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nebſt der Capelle St. Aegidii käuflich an fi, richtete Tegtere
um das %. 1668 dur Erweiterung für den Gottesdienft der
gefammten Gemeinde ein, und baute im Jahre 1709 den
jest noch ftehenden Kirchthurm hinzu. Die aljo erweiterte
Capelle, fortan Kirche benannt, wurde ihres baufälligen Zu:
ftandes halber im Jahre 1829 abgebroden und an deren
Stelle die jegige neue Kirche von Sandfteinen, mit einem
Koitenaufwande von noch nit 6000 Thlr., von denen dur
die Gnade des Königs 2500 Thlr. der Gemeinde geſchenkt
wurden, aufgeführt.
Ihren Wohnfig behielten jeit dem 17. Mai 1590 die
fämmtlihen Pfarrer der Gejammtgemeinde ununterbrochen in
MWefthofen, hielten auch bis zum Jahre 1776 in der Kirche
zu Syburg alljährlich nur an ſechs Sonntagen Gottesdienft.
Unterm 1. September 1776 wurde, nad endlojen Streitigkeiten
und auf fortwährendes Suppliciren des Schulzen zu Syburg
und Genofjen, von Berlin aus dahin verfügt, daß ber Pfarrer
zu Wefthofen fünftig in den ſechs Sommermonaten alle 14
Tage, und in den ſechs Wintermonaten alle 4 Wochen zu
Syburg des Vormittags predigen folle, bei welcher Ordnung
es bis heute verblieben ijt.
Die noch bekannten Pfarrer der Gemeinde find folgende:
1) Eberhard Werlemann, welcher im Jahre 1581
ftarb. Der auf feinem Grabfteine abgebildete Kelch fcheint
anzudeuten, daß ſchon er der Austheilung des heiligen Abend:
mahls unter beiden Seitalten zugethan war. Nah Stangefol
war er lutheriihen Bekenntniſſes. Ihm folgte
2) Theodor Lürmann, von Schwerte gebürtig, der
erite Pfarrer reformirten Bekenntniſſes, welcher die Bilder
und die fupferne Platte aus der Kirche zu Syburg ſchaffte,
und im Jahre 1591 den Pfarrfig von Syburg nah Weit:
hofen verlegte.
3) Hermann Waßmann, von mweldhem nichts bier
Bemerkenswerthes befannt ift.
XLVII. 2. 5
66
4) Heinrih Ludgerus, melder 1665 einem Rufe
nah Schwelm folgte,
5) Heinrich Brüggemann, welder 1685 ftarb.
6) Caspar Wever, welcher von 1685 bis zu jeinem
am 10. Februar 1734 erfolgten Tode fungirte. Dieſem
folgte
7) fein Sohn Johann Caspar Wever, welder dem
Vater bereits jeit 1726 adjungirt war. Er ftarb 1775.
Es folgt
s) Earl Friedrid Schemmann, mit deſſen Amts—
antritte die Ordnung beginnt, nad welder in der Kirche
zu Syburg in den 6 Sommermonaten alle 14 Tage, in den
6 Wintermonaten ale 4 Wochen Vormittag zu predigen
it. Er wurde emeritirt im Jahre 1817 und ftarb am
13. uni 1822.
9) Gottlieb Hadländer fungirte von 1817—1826,
wo er einem Rufe nad) Hagen folgte.
10) Kriedrih Wilhelm Umbeck fungirt von 1827
bis 1829, nachdem im Jahre 1826 der Candidat Klein-
ſchmidt von Kieripe zum Pfarrer erwählt war, auch einft-
weilen jchon in Weithofen feinen Wohnfig genommen und
die jonntäglichen Predigten gehalten hatte, dann aber einem
anderweitigen Nufe gefolgt war, noch ehe feine Ordination
und Einführung erfolgte. Umbeck wurde 1829 zum Pfarrer
der Gemeinde Dabringhaujen erwählt und nahm dieien Ruf
an. Ihm folgte
11) Ludwig Neuhaus, ordinirt und introducirt am
19. Auguft 1829. Er ftarb am 12. Juli 1883. Pfarrad—
junft war Wild. Terberger aus Flierich, ordinirt am
24, September 1878. Er folgte einem Rufe an die refor-
mirte Kirche zu Schwerte und wurde dajelbft am 9. Mai 1883
eingeführt. Sein Nachfolger
67
12) Rich. Falkenberg aus Caftrop trat am 10. Dct.
1883 fein Amt an.
Die Gemeinde Weſthofen-Syburg, welche früher refor-
mirten Befenntnijjes war, aber jchon bei der erjten Anregung
hierzu der Union beitrat und dieſer bis heute zugethan ift,
hat das Necht der freien Pfarrwahl und übt felbiges jeit
der Kirchen-Ordnung vom 5. März 1835 in vorgejchriebener
Meile durch ihre größere Nepräjentation. Weil aber in dem
erwähnten Bertrage zwijchen den Grafen von Iſenburg-Lim—
burg und dem Grafen von der Mark dem Haufe Limburg
das Gollationsredht bei der Kirche zu Syburg belaffen war,
jo muß der erwählte Pfarrer der Gemeinde Wefthofen-Syburg
demnächſt auch jegt noch bei dem Fürſten von Bentheim, als
Grafen zu Limburg, zur Collation von der Gemeinde ange:
meldet werden. Dieje Kollation wird ihm erit dann ertheilt,
wenn er in der fürftlichen Kirche zu Limburg eine Predigt
gehalten, und die Gemeinde zur fürftliden Kämmerei - Kaffe
ein Goldjtüd und ein Silberftüd eingezahlt hat. Sonitige
Batronat: oder Oberaufſichts-Rechte über Kirche und deren
Vermögen jtehen dem Haufe Limburg nicht zu.
Außer den beiden erwähnten Kirchen bejigt die Gemeinde
an kirchlichen Gebäuden noch das alte Pfarrhaus in Weit-
hofen, im. jahre 1708 erbaut, welches jeßt nur noch zu
Stallungen und Scheune benußt wird, indem jeit 1845 da—
neben eine neue Pfarrwohnung maſſiv aus Sandjteinen mit
einem Koftenaufwande von 3600 Thlr. aufgeführt if. —
Das alte Pfarrhaus in Syburg ift Tängft nicht mehr. An
jeiner Stelle hat der Anpächter des Pfarrhofes ein unbe:
deutendes Einliegerhäuschen für feinen Taglöhner errichtet. —
Die beiden Küfterhäufer, jowohl das zu Weſthofen als auch
das zu Syburg, find, feitdem der Schuldienft mit dem Küfter-
dienjte verbunden worden, zu Lehrerwohnungen geworden
5*
68
und werben theil3 von der gefammten Kirchengemeinde, theils
von den beiden Schulgemeinden unterhalten.
Das Presbyterium der Gemeinde bejteht außer dem
Piarrer aus zehn Mitgliedern, von welden 5 der Stadt
MWefthofen, 31/5 der Bauerſchaft Garenfeld und 11/2 dem
Dorfe Syburg angehören müſſen. Nach diejer Vertretung
im Presbyterium richtete ſich bis zur Kirchen-Ordnung vom
5. März; 1535 die Betheiligung der benannten Ortichaften
bei Aufbringung des kirchlichen Bedarfs. Erft die jeit 1835
bewirkften Umlagen haben jenes Verhältniß unberüdfichtigt
gelafjen. In den Händen des Presbyteriums liegt zugleich
die Armenpflege. Eine bürgerliche Armenverwaltung neben
diejer kirchlichen befteht bier nicht.
Aus Borftehenden erhellt, daß die kirchliche Gemeinde
Weſthoſen-Syburg nur einen Theil der Bürgermeijterei Weſt—
bofen umfaßt. Der andere Theil derjelben aber gehört ganz
der Kirchengemeinde Schwerte an und daher mit Ddiejer
in die Bejchreibung der Biürgermeilterei (Stadtbezirk)
Schwerte.
3. Die Schulen.
Ueber die Entjtehung der ſechs Schulen der Bürger:
meijterei Weſthofen fehlt e8, die in neueren Zeiten gegrün-
beten ausgenommen, au binreichenden Nachrichten.
1. Die Schule in Wefthofen. Bis zu Ende des
17. Jahrhunderts ſcheint Fein feſt befoldeter Lehrer in Weit:
hofen angejtellt gewejen zu jein. Erft im Jahre 1706 werden
die Intraden dee KüftereisFonds jammt dem Küſterdienſte
einem Scullehrer zu Wefthofen zu jeiner Bejoldung über:
tragen. Auf dieje Weile wurde die am nordweitlichen Ein-
gange des Stirchhofes gelegene Küftermohnung zur Lehrer:
69
wohnung, und ihr ein fehr jämmerliches Unterrichtszimmer
angebaut, welches demnädit durch Berfauf in den Belik des
Maurermeijters Leopold Wille überging. Aus dem Erlöje
wurde im Jahre 1820 an der Oftfeite des Rathhaufes, welches
inmittelft zum Unterrichtslofale umgewandelt war, eine neue
gleichfalls beſchränkte Lehrerwohnung aufgeführt. Dem Lehrer
Hermann Beder, der jeit 1814 fungirte, wurde der
wachſenden Schülerzahl halber im Jahr 1837 ein zmeiter
Lehrer mit einer durch Umlage aufzubringenden Bejoldung
von 130 Thlr., jpäter 150 Thlr., beigegeben, ſodaß an der
Schule zu Wejthofen zwei Lehrer in zwei Klaſſen Unterricht
ertheilen. Der erite feſt angeitellte Lehrer der zweiten Claſſe
war Fr. Sichtermann, welder einem Rufe nad Geijede
Folge leijtete. Ihm folgte am 17. März 1840 der zweite
Lehrer Wihelm Spielhoff. — m Jahre 1874 wurde
eine neue zweiklaſſige Schule gebaut, wofür einihließlih An—
fauf des Bau: und Spielplages 21000 Mark verausgabt
ſind.
2. Die Schule in Syburg. Auch in Syburg it
der Lehrer mit dem Küſtergehalte befoldet und mit dem
Küfterdienjte betraut. Noch der vorlegte Antecefjor des Lehrers
Garl Löwenjtein, welcher jeit 1808 fungirte, trieb neben
jeinem Küjter: und Schuldienfte ein Handwerk und war nicht
fähig, der Gemeinde Sonntags eine Predigt vorzulefen. Die
frühere Lehrerwohnung, welcher zugleich das Unterrichtslofal
einverleibt war, wurde zur Zeit der Fremdherrſchaft aufge:
führt, hatte nur beſchränkte und niedrige Wohnräume und
ein über doppelt zu beſchränktes Unterrichtslofal. Eine neue
Schule wurde im Jahre 1856 für 1400 Thlr. gebaut. Die
alte Lehrer: und Küſterwohnung it im Jahre 1865 dur
einen majliven Neubau erjegt, der 12480 Mark gefoftet hat.
Die zweite Schule ift im Jahre 1875/76 mit einem Koften:
aufwande von 10580 Mark öftlih an die ältere Schule an:
70
gebaut. Seit November 1876 ift ein zweiter Lehrer in
Syburg angeftellt.
3. Die Schule in Garenfeld. Bei diefer iſt mit
dem Schulamte Fein Kirchendienft verbunden. Das erite
jest noch bekannte Schulgebäude (Wohnung und Unterrichts:
lofal zugleich) befand fich am Nusgange des Dorfes nach der
log. Bunfe. Es wurde nebſt dem Garten auf dem Bohlen:
fampe im Jahre 1823 an Gaspar Heinrih Pütter für
190 Thlr. verkauft. Das demnächſt für den Schulge:
brauch acquirirte Gebäude, nur einige Schritte weſtlich von
erjterem gelegen, genügte bei wachſender Schülerzahl ſchon
bald auch nicht mehr. ES wurde nebit zugehörigem Hofraume,
17 Ruthen 50 Fuß groß, im Jahre 1842 an den Bäder
und Schenfwirth Friedrich Söding für 545 Thlr. 3 Sgr. 9 Pie.
verkauft, und dahingegen der Kampmann'ſche Kotten mit
Gebäuden und jämmtlihen Grundftüden von der Schulge-
meinde für 1700 Thlr. wieder angefauft. Das frühere
Kampmann’ihe Wohnhaus diente als Lehrerwohnung. Da:
neben bat die Gemeinde das jekige freiftehende majlive Un:
terrichtslofal nebjt Thürmehen und Glode mit einem Koſten—
aufwande von 1200 Thlr. erbaut. Im Jahre 1875 wurde
die alte Lehrerwohnung zum Abbruch verkauft und ein neues
maſſives Wohnhans mit Scheune für den Lehrer zum Koften:
preije von 13240 Mark gebaut. Der erfte mit Anſtellungs—
Patent verjehene Lehrer bei der Schule zu Garenfeld war
Franz Wild. Engelfe, welder von der Zchule zu
Höchſten unterm 6. Mai 1851 nach Garenfeld bernien wurde.
Sein Anteceffor, Heinrih Hoiang, hat zwar 47 Jahre
lang das Schullehreramt in Garenfeld mit Eifer und Treue
verwaltet, aber nie eine Anftellungg-Urkunde bejejien. 77
Sabre alt trat er mit dem 1. Mai 1851 und mit einer
Venfion von 54 Thlr. 19 Sar, 4 Big. in den Ruheſtand.
71
Die vorftehend aufgeführten drei Schulen befinden ſich
innerhalb des Bezirks der Kirchengemeinde Weithofen-Syburg,
die nachſtehend aufgeführten dahingegen innerhalb des Be:
zirks der Kirchengemeinde Schwerte.
4. Die Schule in Holzen. Dieje befteht exit feit
1808. Der Schulbezirk umfahte bis zur Gründung Der
nachſtehend aufgeführten Schule zu Höchlten die ganze poli-
tiihe Gemeinde Holzen, jelbft den diesfeitS des Wannebachs
gelegenen, zur Kirchengemeinde Weſthofen-Syburg gehörigen
Theil derjelben, welcher bi$ 1808 zum Schulbezirfe Weit:
bofen gehörte. Der erjte Lehrer an derjelben war Ludwig
Herbers, weldem feit 1838 fein Sohn Garl Herbers
folgte. Im Sabre 1876 wurde eine neue Schule für
6520 Marf gebaut.
5. Die Schule zu Höchſten. Mit Beginn dieſes
Jahrhunderts war von Aplerbed aus über den Kamm des
Ardei-Gebirges durd die Berghofer, Benninghofer, Schwerter
und Syburger Mark nah Herdede ein Kunftitraße gebaut.
Sn Folge deſſen entjtanden innerhalb des Bezirks der Com—
mune Holzen, namentlich auf dem Höchiten und im Sommer:
berge, eine Menge von Anfiedelungen, welche bald genug
das Bedürfniß einer neuen Schule fühlbar machten. Diejem
Bedürfniſſe wurde abgeholfen durd die im Jahre 1846 neu
gegründete Schule auf dem Höchſten, deren Bezirk aus Ab:
ipliffen der ſchon älteren Schulbezirte Holzen, Berahofen,
Wellinghofen und SHoltbrügge gebildet ift. Der erite bei
diefer Schule angejtellte Lehrer war der am 6. Mai 1851
nah Garenfeld berufene Franz Wilh. Engelfe Die
Schulgemeinde berief hierauf unter Genehmigung der Königl.
Regierung von der Schule zu Widede ber den Xehrer
Hermann Teelen. Im Jahre 1567 ift eine zweite Schule
gebaut, maſſiv von Sandfteinen, für 5200 Marf,
12
6. Die Schule zu Geijede. Big zum Jahre 1846
befand fich die Lehrerwohnung nebft Unterrichtslofal in dem
Dorfe Geiſecke felbit. In jenem Jahre wurde die jeßige
maſſive Lehrerwohnung, melde gleichfalls das Zimmer für
den Unterricht einjchließt, im Geifeder Felde, an der von
Schwerte nad) Opherdide führenden Landftraße, den Lichten-
dorfer Mitgliedern der Schulgemeinde gelegener, mit einem
Koftenaufmande von 4000 Thlr. aufgeführt. Eine zweite
Schule für die Schulgemeinde Geijede wurde 1883 zu
Eihholz mit einem Koftenaufwande von 13858 Mark
errichtet.
IV.
Die
Paderborner Arzeneitare von 1667
und der menjchliche Körper im Dienite
der Heilkunde.
— — — —
Von
Cuſtos Dr. P. Bahlmann.
— — — —
Von dem Eifer, mit dem der Paderborner Biſchof Fer—
dinand II. von Fürſtenberg (1661—1683) den Pflichten
feines hohen Amtes ſich hingab, zeugt eine ganze Reihe
heilfamer Verordnungen und Edicte. So förderte er gleich
nad) feinem Regierungsantritt die Ausbildung und Thätig-
feit der Seeljorger durch die Einführung des Pfarrconcurjes
und ber Jeſuiten-Miſſionen, die Unterweilung des Volkes
durch den Bau und die zwedmäßige Einrihtung von Schulen.
Seiner Sorge für das leiblihde Wohl jeiner Unterthanen
entiprang die
HochFürſtliche Paderborniſche
Artzney⸗Ordnung
Wie ſich die Medici, Pharmacopaei, Chirurgi und || andere
angehörige in praxı Medica in der Stadt und Stifft || Bader:
born hinfürter zuverhalten haben || Sambt verordneter Taxa,
wie nemlih und in weldhem || Wehrt alle Artzneyen jo wol
simplicia al® composita in den Apo: || thefen dies Orts
forthin verfaufft und gegeben werden follen. || Aus Gnädigſtem
Befeld) || des Hohwürdigit-Hochgebohrnen Fürsten und Herrn ||
Herrn Ferdinandt || Biihoffen zu Paderborn, des Heyl. Ro:
74
miſchen Reichs || Fürsten und Grafen zu Pyrmondt ꝛc. Zum
offnen || Drud außgefertigt und publicitt. ||
16 (Bilhöfl. Wappen) 67
Newhauß, In der Fürftl. Paderbornifhen Druderey
dajelbit || Gedrudt von Johan Todt.!)
Diefes für die Gejchichte des Paderborner Medizinal:
weſens äußerſt wichtige Werk, das neben der Frankfurter
und Nürnberger Arzenei-Ordnung im Jahre 1692 auch für
das Bistum Münfter Gültigkeit erlangte, ift zugleih der
frühelte auffindbare Drud von Neuhaus.) Es enthält
pag. 3—40: Die am 22. März 1667 volljogene Ar:
zenei-Ordnung.
„ 41—109: ‚„Taxa und Wehrt aller deren Argneyen,
welche in der Apothed zu Paderborn erfindlich.”
„ 110 u. 111: „Titulorum et Capitum Index.“
— — —
1) 111 Seiten. Signatur Ay —Oy. 4°. (Königl. Pauliniſche Bibliothek
zu Münſter.)
2) Harrwitz, der im Centralblatt für Bibliotheksweſen Jahrg. V, Leipzig
1888 pag. 443 den Irrthum Deschamps' (Dietionnaire de geo-
graphie, Paris 1870, pag. 619 u. 925), daß die Preife Todt's in
dem böhmijchen Neuhaus gelegen, berichtigt, kennt feinen früheren
Druck als Schaten’s Carolus Magnus von 1674, obgleich ſchon
Nordhoff (diefe Zeitſchr. Bd. 412 pag. 156) anführt: Regio mortis
ad beatam vitam dicata vivis, Neuhusi, offieina Jch, Todt, 1668,
— Erridtet wurde die Neuhaufer Druderei im 3. 1659; vgl. Bellen,
Geſch. des PBisth. Paderborn Bd. Il, Paderborn 1820, pag. 221.
Über die Einführung der Buchdruderfunit in Paderborn, wo-
rüber bieher nichts Sicheres befannt war, fanden wir eine werthvolle
Nachricht in der vom Dage S. Michaelis Archangeli 1595 bdatierten
Borrede des Dedyanten Michael Nuperti zu jeinem „Catechismus
und Betböflin. Gedrudt tho Münfter in Weſtphalen by Lambert
Raßfeldt. In Verlegung Matthaei Pontani genandt Brückner.
Anno M.D.XCVI.* (Paul. Bibl.). Hier heißt es: „Solds [i. e.
den Neudrud des Catechismus] aver hebbe ick noch biß anher upae-
halden: darum dat myn guder Fröndt Mattheus Pontanus, jonft
75
Die Verordnung findet fich vollftändig abgedrudt auf
Seite 122—153 der „Hochfürſtlich-Paderborniſchen Landes:
Verordnungen, mit gnädigjter Erlaubniß Sr. Hocdhfürftlichen
Gnaden Friedrih Wilhelm Biſchofen zu Paderborn ... in
einer Sammlung herausgegeben. Theil I, Paderborn, Wild.
Sunfermann, 1785 (Baderb. Vereins-Bibliothei Nr. 382).
Die Wiedergabe der Arzeneitare it leider unterlafien, weil ſie
durch die neue Taxa aufgehoben wurde, welde 1773 erjchienen
und auch der vom Bilchof Wilhelm Anton von Paderborn
am 3. März 1774 erlaffenen Medizinalordnung (abgedr.
in Baderb. Landes-Verordn. Th. IV, 1755, pag. 40 ff.)
beiaefügt war. Während die lettere die einzelnen Arzenei—
mittel alphabetiſch nach deren lateinischer Benennung aufzählt,
jondert die alte fie nad) Gattungen. ES handelt laut Index:
Gap. 1. Bon gemeinen, wie auch fremden Kräutern.
2. Von allen gemeinen Blumen.
3. Von gemeinen und ausländischen Samen.
-„ 4. Bon allerhand Wurzeln.
5. Bon fremden und einländijchen Früchten.
6. Bon Rinden einiger Bäume, Wurzeln und Früchten.
7. Bon Hölzern und was ihnen anwächſt.
. Von allerhand Bulvern.
. Bon frisch ausgepreften dünnen Säften.
= nn
Brückner genandt, (dev binnen Göllen, Meynk und anderswo, oid
allhier tho Münſter in Catholiſchen Druden vill getrumes Arbeides
gedaen hefft) mir beit vermeldet: welder geitalt he by U. F. G. hebbe
angehalden, off he des Orts tho Paderborn ein gude Gatholifche
Prente oder Iruderey (dartho U. F. ©. eren Underdanen tho heil:
jamer wolfarth mögen gemeiget jyn) befommen und anrichten möchte,
dar dan ein ſolck Boecklin ſyn erſte Werdlin hedde ſyn moegen.
Dewyle aver ſich ſölcks noch verwylet, ſo hefft he mich gelyck—
wol gebeden, dat icks . . . U. F. G. ... toſchrwen wölte. So wolte
he up de Drucke, ſo viel möglig, verdacht ſyn.“ — Des Rupertus
„Poſtill“ (Paul. Bibl.) druckte Brückner 1597 bereits zu Paderborn ,
Cap.
„
10.
11.
76
Von ausgepreßten und getrodneten Säften.
Bon einigen zähen Eäften, fo aus den Stämmen
fließen und endlich erhärten.
2. Von Gewürz und Specereien.
. Bon Stüden, jo von den Thieren genommen
werden.
. Bon Schmalz, Unfchlitt und Mark der Thiere.
. Bon Metall, Erde, Farben und Salzen.
. Bon edelen und gemeinen Steinen.
. Von Arzeneien, jo im Waſſer und Meer wachſen.
. Bon,gemeinen gebrannten Wäflern.
. Bon köftlichen deitillirten Wäflern.
. Bon mancherlei Ejjigen.
. Bon Starken deitillirten Wäffern, jo man Spiritus
nennt.
. Bon einfahen purgirenden Stüden.
23. Von purgirenden Latwergen.
. Bon purgirenden Gonfecten in forma solida.
. Bon manderlei Pillen.
. Von purgirenden Pulvern.
. Von mancherlei Ertracten.
28. Von purgirenden Ertracten.
29. Bon Eliriren, Effenzen, Tincturen in forma
liquida.
. Bon chemiſchen Medicamenten in forma solida.
. Bon künſtlich praeparirten Salzen.
. Von ausgepreßten und gefochten Delen.
. Bon deftillirten Delen.
34.
35.
36.
Bon wohlriehenden und jtärkenden Bulvern.
Bon ftärfenden und Gift treibenden Latwergen.
Bon Zeltlein?), Räucherwerk und Augen:Arzeneien.
) Rotulae, fleine halbfugelrunde Kuchen, aus feinem Zucker mit irgend
einem Pulver, oder aus Zuder mit ätheriichen Oelen resp. jäuerlichen
Säften bereitet,
77
Cap. 37. Bon Morjellen und Zuderküchlein.
„» 38. Von Syrupen, Julepen®) und Honigen.
39. Bon diden Säften, Gallerten und Sülzen.
„ 40. Bon Brufistatwergen.
41. Bon Conſerven und eingemachten Kräutern.
„ 42. Bon eingemadhten Ninden, Wurzeln und Früchten.
43. Bon manderlei mit Zuder überzogenen Eonfecten.
„44. Bon föftliden wohlriehenden Baljamen.
„» 45. Bon allerlei Salben.
46. Bon gemeinen PBflajtern.
» AT. Bon [im Breije] fteigenden und fallenden Waaren.
Eo verlodend es ift, auch auf die einzelnen Medicamente
näher einzugehen, wodurd wir ein intereffantes Bild der
früheren — und nicht nur weitfäliichen — Heilkunde erhalten
würden, jo müfjen wir au diejer Stelle doc) darauf verzichten.
GSejtattet aber mögen ung einige Erörterungen über diejenigen
der angeführten Arzneimittel fein, die auf irgend eine Weije
mit dem menschlichen Körper in Zuſammenhang ftehen. Wir
folgen bei diejer Darftellung der Pharmacopoea medico-
chymica des Frankfurter Arztes Johann Chriſt. Schroeder ?),
die bis zur Mitte des vorigen Jahrhundert3 das Haupthand:
buch der deutichen Apotheker war, ſowie dem berühmteiten
der damaligen franzöſiſchen Chemifer, Nicolas Leméry
(1645—1715) 6), und berüdjichtigen bei der Aufzählung
*) Julapium, ein flüffiges Medicament, dünner als Syrup.
®) geb. 1600 zu Ealzuflen in Lippe, geſt. 1664, — Die Pharma:
copoea erjchien zuerit 1641 und wurde mehrfach neu herausgegeben und
in verjchiedene Sprachen überjegt. Uns liegt vor: „D. Joh. Schröders
vollft. u. nugr. Apothefe oder ... Artzney-Schatz. Nebit D. Friedrich
Hoffmannd ... Anmerkungen. Bormahls [i. e. 1693 in deutjcher
Sprade] ... eröffnet von ©. Dan. Koſchwitz. TI. Edition. Frank—
furt u. Leipzig 1709.“
Traite universel des drogues simples. Ouvrage dependant de
la Pharmacopee universelle. IV. edition. Paris 1732. Zuerst
erschienen 1698.
—
78
der einschlägigen Medicamente außer der Paderborner Tare noch:
1)
2)
3)
Taxa oder mwerderung aller Materialien, jo zur
Medicin gehörig unnd in der Bilchoff. Fürftlichen
Oſnabrüggiſchen Hoff Apoteden zu Jburg vorhanden
jein und verkaufft werden jollen .... Durch D.
Fridericum Spieß. Münfter i. W. bey Lambert
Ntaßfeldt, 1616 [vom 3. Febr. 1616; Paul. Bibl.).
HochFürſtliche Münſterſche Artney » Ordnung |vom
20. Juli 1692] ... Sambt verordneter Taxa,
wie nemlih und in weldem Werth alle Argencyen,
jowoll simplicia als composita in denn Apothefen
dieſes Orths verfauffet und gegeben werden follen.
Münfter i. W., Witwe Raeßfeld, 1692. ſIm Be:
ji des Herrn B. Theijling zu Münfter.]
Hochfürſtl. Minfteriiche Tax-Ordnung, wornad) die
im hieſigen Hod:Stifft gnädigſt privilegirte Apo-
thecarii die Medieamenta ... hinführo verkauffen
jollen. Münfter i. W., Joh. Nic. Nagel, 1739
[der Münſt. Medicinal:Drdnung vom 1. Dec. 1749
beigef.; Paul. Bibtl.].
I. Ossa humana, Menſchenknochen.
Wurden zerkleinert (präparirt) und dienten als zerthei-
lendes und adjtringirendes Mittel, follten auch bei Gelenk:
ſchmerzen, Ratarrhen und Rother Nuhr von Nutzen fein.
Iburg 1616: vacat.
Paderb. 1667 pag. 64 (Cap. 13): Ossa humana non
humata, 1 Loth: 2 gr.?)
Münfter 1692 pag. 42: Ossa humana non humat.,
1 Xoth : 1 fchill.®)
Münfter 1739: vacat.
) 1 Reihsthaler = 36 Groſchen, 1 Groſchen — 7 Pfennige.
®) 1 Reichsthaler = 28 Schillinge, 1 Schilling = 12 Pfennige.
79
II. Cranium humanum, Menſcheuhiruſchale.
Mußte von jungen Leuten guten QTemperaments her:
rühren, die eines gewaltjamen Todes (durch den Henker oder
im Kriege) gejtorben?) und nicht begraben waren; in joldhen
Schädeln, fo glaubte man, jeien die Lebensgeijter gleichjam
gefangen zurüdgehalten. Hirnſchädel natürlich Verſtorbener
zu verfaufen galt als jchändlicher Betrug. Am gefuchteften
waren Schädelitüde von am Kopfe verwundeten und nod)
lebenden Menschen.
Anfangs wurden die Schädel caleinirt (durch Glühen in
Bulverform gebradht); ſpöter, weil dur das Brennen das
beſonders wirkſame flüchtige Salz verloren gehen jollte, nur
gerafpelt und zu Pulver geitoßen.
In Dojen von 1a—2 EScrupel gegen Epilepjie, Apo—
plerie (Schlagfluß) und andere Krankheiten des Gehirns,
gegen Diarrhöe und Bergiftung, auch zur Beförderung der
Tranjpiration gegeben.
burg 1616 pag. 6: Granium humanum ustum et prae-
paratum, 1 Xoth : 3 99.19)
pag. 35: Pulvis Cranii humani usti, 1 Loth:
3.09. 3 pl.
Paderb. 1667 pag. 64 (Cap. 15): Cranium humanum
ppt., 1 %oth : 16 gr.
pag. 56 (Cap. 8): Pulvis Cranii humani
usti ppt., 1 Xoth : 4 gr.
pag. 86 (Cap. 30): Magisterium Cranii hu-
mani, 1 Xoth : 12 gr.
pag. 89 (Cap. 31): Sal Cranii humanıi vo-
latile, 1 Quentden : 32 gr.
°) Pharmacopoea Wirtenbergica, Stutgardiae 1786, I, pag. 146:
„Nunquam erudum, sed praeparatum in usum vocatur. Non sit
hominis morbo, sed sani, et violenta morte perempti.“
10), 1 Fürften- oder Guter Grojhen = 9 Dsnabr. Pfennige.
80
Münjter 1692 pag. 41: Cranium hum. praep.,
1 Quentden : 8 ſchill.
pag. 72: Magisterium Cranii humani,
1 Quentden : 6 ſchill.
pag. 75: Sal Cranii humani volat.,
I Stan : 5 pf.
Miünfter 1739 pag. 10: Cranium human. sine igne
praepar.!!), 1 Xoth : 4 fill.
pag. 10: Craniihumani pulv., 1 2oth :2 jchill.
III. Usnea humana vel Muscus cranii humani,
Hiruſchädelmoos.
So nannte man die Flechte Imbricaria saxatilis Körb.
(Parmelia saxatilis Ach.), welde auf Baumrinden und an
Felſen, mandhmal auch auf Skeletten wächſt, die lange an
der freien Zuft gelegen haben. Bon diejen, ganz bejonders
aber von Menjchenichädeln, wurde fie als Arzeneimittel ge—
jammelt.
Diente, in die Naje geftedt, zum Stillen des Naſen—
blutens, innerlich gebraucht gegen Epilepfie, Blutflüſſe u. |. w.,
wurde auch mehrfach zur Bereitung fympathetiicher Pulver
und Salbeı verwendet. Am befannteften von leßteren ift
die Waffenjalbe (Unguentum armarium), die außer bem
Moos echte Mumie, Armeniichen Bolus, Rojenöl, Leinöl und
Fett enthielt und am beiten dann wirfen folte, wenn fie
mit der Waffe, die die Wunde beigebracht, geftrichen wurde.
Sburg 1616: vacat.
Paderb. 1667 pag. 65 (Cap. 13): Usnea, muscus cranii
humani, 1 Xoth : 16 gr.
Münfter 1692 pag. 44: Usnea, muscus cranii hum.,
1 Quentden : 14 ſchill.
Münſter 1739 pag. 37: Usnea s. muscus cranii human.,
1 Loth : 18 fill. 8 pf.
34) Nicht usual, mußte aber nach des Medici Qutbefinden zeitig beforgt werden.
sl
IV. Axungia hominis, Menjcdenfett.
Salt als das befte aller Fette!) Wurde von jung
und gejund Hingerichteten genommen und entweder nur ab:
gewaſchen und gereinigt oder noch geſchmolzen und durchge:
jiebt an luftigen, trodenen Orten aufbewahrt.
Innerlich gebraucht bei Contracturen, Atrophie, Lungen—
ſchwindſucht ꝛc.
Iburg 1616 pag. 8: Axungia hominis, 1 Loth: 4 go.
Baderb. 1667 pag. 66 (Cap. 14): Axungia hominis
coagulata, 1 Xoth : 2 gr.
* „ pag. 66 (Cap. 14): Axungia hominis
liquida, 1 Loth: 16 gr.
Münfter 1692 pag. 45: Axungia hominis liquida,
1 Xoth : 6 jchill.
Münfter 1739 pag.6: Axungiahumana??), 1Loth: 2 jchill.
V. Mumia, Mumie.
Bezeichnet hier nicht die durch Baljamierung vor der
Verweſung geihügten Leichen, jondern die zum Einbaljamieren
verwendeten Stoffe (gerbitoffhaltige und balſamiſche Mittel
oder Asphalt), in welche die „menſchliche Feuchtigkeit‘ ge:
drungen ilt.
Diefe Mumia war ein Beitandtheil vieler zufammen:
gejegten Medicamente, z. B. der bereits erwähnten Waifen-
falbe, und wurde — auch als Eijenz, Del oder Salz — bei
Wunden, Brüden, Bruftfrankheiten, Lungenſchwindſucht u. |. w.
gebraud)t.
burg 1616 pag. 7: Mumia, 1 Loth : 1 gg.
Paderb. 1667 pag. 56 (Cap. 8): Pulvis Mumiae,
1 Loth : 2 gr. 4 pf.
Miünfter 1692 pag. 42: Mumia Arabum, 1 %oth:1 fchill.
6pf .
1%) In der Pharmacopoea Wirtenbergiea 1786 I pag. 153 noch ala
eins der gebräuchlicheren Fette angeführt.
13) war zwar usual, brauchte jedoch) in den Apothefen der Heineren Land:
orte nicht vorräthig gehalten, jondern nur auf Verlangen des Arztes
angeichaftt werden.
XLVII. 2. 6
82
Münfter 1739 pag. 22: Mumia, 1 Loth :
„ „ pag.13: EssentiaMumiae —— 2ſchill.
VI Spiritus urinae, Harngeiſt.
Gewonnen aus zur Syrupdide eingedampftem faulenden
Harn dur Deitillation und Rectification. Bielfah zu Ein-
reibungen von Gicht: und Podagrakranken, aber auch innerlich
als bilutreinigendes, harn- und jchweißtreibendes Mittel
benutzt.
Iburg 1616: vacat.
Paderb. 1667 pag. 76 (Cap. 21): Spiritus urinae ex
sale, 1 Quentden : 4 gr.
Münfter 1692 pag. 61: Spiritus urinae, 1 Quent—
chen : 1 ſchill. 6 pf.
e 1739 pag. 34: Spiritus urinae volat.,
1 Xoth : 1 jchill. 6 pf.
VI. Sal urinae volatile, Harnjalz.
Iſt das durch die Deitillation des Harns erhaltene
fohlenjaure Ammoniak. Diente gegen Gicht, Atrophie, Stein:
franfheit u. ſ. w.
Iburg 1616 pag. 47: Sal urinae, 1 Quentchen: 2 ag.
Paderb. 1667 pag. 89 (Cap. 31): Sal urinae vol. mi-
crocosmi. (Preis fehlt!)
Miünfter 1692 pag. 75: Sal urinae vol. microcosmi,
1 Gran : 4 pf.
„ 1739 pag. 30: Sal urin. vol, 1 Quent—
chen : 1 jchill. 6 pf.
Außer diejen in den Apotheken feil gehaltenen Mitteln
entftammten noch weit mehr dem menschlichen Körper: es gab
fait feinen Theil dejjelben, der nicht in der Heilkunde Ber:
wendung gefunden hätte.1*) Alle derartigen Medicamente aber
verichwanden gegen Ende des acdhtzehnten Jahrhunderts ganz
aus dem Arzeneifchag; in Paderborn juchen wir fie ſchon in
der Tare von 1773 vergebens.
1°) Vergl. meine Abhandlung in der Npothefer-Zeitung, Jahrgang IV,
Berlin 1889, pag. 627 f.
V.
Die „alte Kirche“ zu Gütersloh.
Von
Paul Eickhoff,
Gymnaſiallehrer zu Wandsbeck.
u
Die „alte Kirche‘ zu Gütersloh, eine Pankratiuskirche,
ift zuerft Anfang der fünfziger jahre von Lübke unterjucht,
aus Mangel an Zeit aber nur flüchtig und ohne Zuhilfenahme
von Ardivalien!). Er ſetzt das Chor in die lebte Zeit des
romanischen Stils, das Langfchiff und den Turm in die Zeit
des 15. Yahrhunderts, und das Saframentarium an der
nördliden Chorwand fchreibt er der „Spätzeit” des 15.
Jahrhunderts zu. Nach Lübfe hat Otte?) die Zeit angeſetzt.
Als ich mich vor zehn Jahren mit der Geſchichte meiner
Heimat Gütersloh näher bejchäftigte, habe ich die Kirche jelbit
auf das genauefte unterfucht und das Vorhandene an urkund:
lihem Material verwertet. Bejonders ift zu erwähnen, daf;
e3 mir gelang, beim Nadforihen im Dsmabrüder Staats:
archiv eine Rechnung über den zu Anfang des 16. Jahr:
hunderts erfolgten Neubau zu entdeden. Das Gemwonnene
habe ich zu einem Bortrage verwertet, den ih am 4. Januar
1883 im biftoriichen Verein zu Gütersloh gehalten habe.
Diejen Bortrag habe ich zu der nachfolgenden Darftellung
verarbeitet. |
+!) Die mittelalterliche Kunft in Weſtfalen, Borrede S. VI, Text ©.
288 u. 305.
*) Kirchliche Kunftarchäologie des deutichen Mittelalters 5. Aufl. I,
S. 425.
6*
84
über die Zeit der Erbauung der jetzigen „alten
Kirche“ zu Gütersloh giebt es daſelbſt die ſich auch anderswo
findende Sage, daß noch die Heiden zu ihrer Herſtellung
Steine herbeigeſchafft hätten. Das iſt ſelbſtverſtändlich, weil
Steinkirchen bei der Bekehrung Weſtfalens nicht gebaut ſind,
leeres Gerede; dagegen kann man wohl nicht bezweifeln, daß
gleich damals die Gemeinde Gütersloh in ihrem nach—
weislich größten und älteſten Umfange, wo z. B. der Meier
zu Verl noch zu ihr gehörte, errichtet iſt. Gegen dieſe
Annahme kann man nur anführen, daß ihr Gebiet nicht zu
den fruchtbaren Teilen Weſtfalens gehört, und daß die Be:
bauung jowohl als die kirchliche Verſorgung in dem mehr
als taujendjährigen Zeitraum, der jeit Einführung Des
Chriſtentums verflojjen ift, nachweislich Fortiehritte von Süd—
weiten nach dem Teutoburger Walde zu gemadt hat, das
unbewohnte Gebiet der ehemals großen Senne immer mehr
verkleinernd. Für ehr alte Gründung des Kirchipiels
Iprechen mehrere Gründe. Erſtens zeigt das ältefte Zeugnis
der Bejiedelung der hier in Frage ftehenden Gegend, die um
1090 entjtandene älteite Herzebroder Heberolle, daß die Be:
fiedelung derjelben damals nicht dünner war, als die frucht-
baren Landesteile des Münfterlandes; wenigitens hatte das
Kloſter Herzebrod um 1090 in dem Gebiete des Kirchipiels
Gütersloh ebenjoviel Abgabepflichtige, wie in den ebenjoweit
von ihm entfernt liegenden Gegenden des Miüniterlandes.
Zweitens wird in der Urkunde des Jahres 1258, welche
Möfer in der „Geſchichte der Stiftung des Kollegiatftiftes in
der Stadt Wiedenbrüd‘ 1) anzieht, gejagt, die Kirche zu
Wiedenbrüd jei a prima fundatione eine Kapellanei ge—
wejen, d. h., wie Möſer erklärt, „fie war mit einem Erz:
priejter bejegt, der mehrere Kirchen unter fich hatte und der
diefer feiner höheren Würde wegen zur Ehre eines bifchöflichen
1) Sämtl. Werke, Berlin 1843, Teil 9, ©. 286 Anm. **,
85
Kaplans gelangt war”. Nun wurde das Kollegiatftift Wieden:
brüd bei feiner Gründung 1259 mit den Pfarren des ehe:
maligen erzpriejterlichen Diftrilts, nämlich mit Wiedenbrüd
(Hegidien und St. Bit), Rheda, Gütersloh, Neuenkirchen
und Langenberg, ausgeftattet; die Pfarre von Herzebrod wird
nicht mitgenannt, weil das Ardhidiafonat der gedachten Ge:
meinde 1208 dem Klofter überwiejen worden war; das ganze
Nietbergifche hat bis ins zwölfte Jahrhundert nach Tibus !)
zu Paderborn gehört, das denn auch in der Vita Meinwerei
Schenkungen dafelbit erhält, und Wadersloh und Lette nad)
Tibus?) immer zu Miünfter, wogegen die nachher zu er:
wähnende Urkunde von 1185 3), in der auch Paſtoren von
Lette und Diejtedde (verlefen oder verjchrieben Thyted) er:
wähnt werden, nichts befagt. Von den alſo als zum Archi-
diafonat Wiedenbrüd um 1200 gehörig nachgewieſenen Kirch:
ipielen ift außer den beiden Kirchen Wiedenbrüds nur Herzes
brod und Langenberg auf gutem Boden belegen; Rheda und
Neuenkirchen Liegen ebenjo gut wie Gütersloh auf dem Sand:
boden, und bei beiden ift, wenn fie auch gleichzeitig mit dem
legteren zum erſten Mal 1185 erwähnt werden, ſpätere
Gründung noch eher wahrſcheinlich wie bei Gütersloh, da
Rheda zwiihen den offenbar alten Kirchipielen Wiedenbrüd
und Herzebrod liegt, bei Neuenkirchen aber jchon der Name
auf die jpätere Gründung des Kirchipiels hinweiſt, wenigitens
eher al3 auf den Neubau des Kirchengebäudes. Iſt jomit
das Kirchſpiel Gütersloh, da Herzebrod und Yangenberg
allein für das Nrdipresbyteriat doch etwas wenig gewelen
wären, als ein um 800 gegründetes anzufehen, jo muß auch
angenommen werden, daß es vor dem Ende des 12. Jahr:
hunderts eine Kirche gehabt habe; von ihr haben wir aber
) Gründungsgeſchichte u. j. w. ©. 245.
2) a. a. O. ©. 251.
2) Möſer IX, 295.
86
feinerlei Spur, insbeſondere wiſſen wir nicht, ob fie an
Stelle der „alten Kirche” geitanden hat. ebenfalls ift aber
die Yage berjelben mit Abficht gewählt, ebenfo, wie e8 mit
Wiedenbrück geſchehen iſt. Es iſt nämlich ganz Klar, daß,
wie der größte Teil des Bodens der jetzigen Stadt Gütersloh,
ſo auch der Platz, auf dem die „alte Kirche“ ſteht, ſamt
allen urſprünglich zur Pfarre gehörigen nicht vereinzelt ge—
legenen Ländereien von dem Hofe „Meier zu Gütersloh“
abgezweigt iſt, der ſüdlich des Bahnhofs an der Dalke liegt,
ſo daß zwiſchen ihm und dem am Südrande Güterslohs be—
legenen Pfarrhauſe der katholiſchen Gemeinde, welche bei der
Teilung des Pfarrguts 1655 die alte „Wedum“ erhalten
hat, noch heute kein Haus ſteht, ſondern nur die Pfarrwieſe
und Gärten liegen. Dieſer Hof hat bis zum Jahre 1241
dem Biſchof von Osnabrück gehört, ſoweit ſich nachweiſen
läßt; er wird in dem Registrum bonorum, das am Ende
des Urfundenbuchs zu Möfers Dsnabrüdiicher Gefchichte ab:
gedrudt ijt, um 1240 verfaßt!), noch aufgeführt, wurde aber
12412) an das Kloſter Marienfeld verkauft, deffen Eigentum
er bis zur Aufhebung des Klofters geblieben if. Danach
ift ficher, daß die Kirche auf ehemals bifchöflihem Grund und
Boden Steht. Aber es ift auch in Betracht zu ziehen, daß
fie an zwei wichtigen Wegen liegt. Der eine zieht fich nörd—
lich der Dalke im ganzen Kirchipiel hin, diefelbe erft nahe
bei der Ems vor der „Neuen Mühle‘ überfchreitend; er
führt zu der urkundlich wohl nicht erwähnten Dingitätte ?)
bei dem Hofe Tiemann an der Emst), wo der „Thibrücke“
genannte Steg über die oft überſchwemmten Wieſen zwilchen
I) Ausgabe von 1843, Teil 8, ©. 395.
2) Weſtf. Urkundenbuch III, 393.
*) Lindner, die Veme ©. 161 ff.
*) Eollte der Hof Tiemann früher Sandfort (Weſtf. Urkob. III, 192,
Pindner, die Veme ©. 161) geheihen haben ?
87
Dalke und Ems geht und ein Grundftüd noch „Thiggoren“
heißt!). Diejer Weg, in deſſen gerade weftöftlicher Richtung
die Kirchſtraße und die Blefjenftätte liegen, führte füdlich
unmittelbar am Kirchhofe vorbei und iſt öſtlich Gütersloh
über eine Stunde weit deutlich zu verfolgen. Der andere
Weg iſt eine ebenfo alte Straße, welche von der Brüde über
die Ems, die Wiedenbrücd den Namen gegeben hat, über die
des Olbachs, von der der Name Schledebrüd herrührt?),
nach der Bielefelder Schlucht führt. Ihre Richtung ift wefent:
lih die der „Berliner Straße’, die unmittelbar weſtlich an
dem Kirchhofe der alten Kirche vorbeiführt; in ihrer Fort:
ſetzung liegt nordöftlich die Bielefelder Chauffee, die auch auf
den Turm der alten Kirche zu läuft, infolge einer Biegung
auf die Blefienftätte mündet, mit diefer einen rechten Winfel
bildend. In dem nad) Nordoften offenen Winkel der Kreuzung
diefer beiden Straßen ift offenbar ablichtlih die Kirche er:
baut und zwar unmittelbar an dem Kreuzungspunkte. Wegen
biejer günftigen Lage ift zu vermuten, daß auch die ältejte
Kirche dajelbit geftanden babe; ob der Hof Meier zu Gütersloh
gleih 800 3) oder jpäter in den Beſitz des Biſchofs von
Dsnabrüd gekommen it, jteht dahin.
Die ältefte Erwähnung des Kirchſpiels in der
oben angezogenen Urkunde vom 25. März 1185, wo ber
erjte nachweisbare Paſtor Güterslohs genannt wird, it aljo
nur eine mittelbare; die erjte unmittelbare wird die aus dem
Sahre 1201) jein.
N) Garten heißt urfprünglich: Gehege; vgl. Fick, Vergl. Wörterbud; der
indogerm. Spradjen VII, 102 und Kluge, Etymol. Wörterbuch der
deutfchen Sprache; auch: das „gehegte“ Gericht.
*) Bei Anlage der Chaufjeebrüde dajelbft wurde 1819 eine römiſche
Lanzenſpitze gefunden, jept in der Sammlung des Bielefelder hiſto—
riichen Vereins.
3) Bol. Tibus a. a. O. ©. 140 ff.
+) Weftf, Urkundenbuch II, 5.
Ss
Mit der erfteren Erwähnung aus 1185 muß die Er:
bauung der eriten nahmweisbaren Kirde, von der
jetzt noch Teile übrig find, aus Stilrüdjichten gleichgejett
werden; der naheliegende Schluß, dab die Zeit der erjten
Erwähnung auch die der Entjtehung jei, muß außer wegen
der vorftehenden Ausführungen auch deshalb zurückgewieſen
werden, weil um 1200 mit dem Häufigerwerden der Urkunden
viele Kirchſpiele, die unzweifelhaft ſchon lange vorher beftanden
haben, zum eriten Male erwähnt werden. Bon den jebt
noch vorhandenen Teilen der nad ihm um 1200 erbauten
Steinfirhe hat Lübke nur den Chor bemerkt. Er jagt von
ihm): „An der Kirche zu Gütersloh ftammt der geradlinig
geſchloſſene Chor noch aus romaniſcher Zeit; Eckſäulchen mit
reihem ſpätromaniſchen Kapitäl tragen die Gräten des Ge:
wölbes. Das Kämpfergejims befteht in eigentümlich roher
Weife nur aus einem balbrunden Wulft.“ Hier ift noch
etwas hinzuzufügen. Das Chor beiteht außer den Edjteinen,
die regelmäßig behauen jind, aus unbehauenen Sandftein-
blöden von gelbrötlicher Farbe, die wohl dem nächftgelegenen
Steinbruch des Teutoburger Waldes bei Steinhagen ent:
ftammten; das Gefüge ift vor einigen Jahren durch Kalkbe—
wurf bededt. Die drei Seiten haben in mehr als Mannes—
höhe je ein Heines rundbogig gejchlofienes Feniter. Das
Gewölbe ijt ſehr einfach aus immer jchräger übereinander:
gelegten Zieaeljieinen jehr großen Formats bergejtellt, wie
oben zu jehen ift. Die Eckſäulchen in den Pfeilereden find
ganz rund und nur angelehnt; ihre Knäufe nebit den an:
jtoßenden Kämpfergejimfen find mit Blattwerf und Vögeln
verziert; ihre Füße beftehen aus vierediger Blatte mit runden
Wülſten, und die freibleibenden Eden tragen Eckblätter.
An der Dftfeite über der Sakriſtei fol eine an der Außen:
mauer angebradhte Fratze vorhanden gewejen, aber von dem
')a.a.D. ©. 288,
59
evang. Paſtor Bolkering (1828—38) zeritört worden fein,
weil derjelbe Urkunden Hinter dem Kopfe vermutete. Zu
deu noch erhaltenen Teilen der vor jekt 700 Jahren er:
bauten Kirche gehört aber auch noch der untere Teil des
Turmes. Bon dem legteren jagt Lübke, nachdem er von dem
Langhauſe geiprochen hat, bloß: „Turm vieredig mit ſchlankem,
achtedigen Helm’; mehrere Merkmale an dem unteren Teile
des Turmes find aber von ihm überjehen. Außen zieht jich
in einer Höhe von ungefähr 50 Centimetern eine aus zwei
eintach gerundeten Wuljten, einer Hohlkehle ohne geichwungene
Linien und einigen Leiſten nebſt Abichrägungen gebildeter
Sims herum, der zwar in den jieben Jahrhunderten, Die
jeit jeiner Ausarbeitung verflojjen jind, ſtark gelitten hat,
aber an einigen Stellen noch wohl erhalten und als romaniſch
deutlich zu erkennen iſt; inmwendig findet jich derjelbe Sims
noch vollitändig unbeichädigt an der an das Schiff ftoßenden
Turmwand. Die beiden von Turm in das SKirhenichiff
führenden Thüren, von denen die obere jebt auf der ſog.
Scieferfammer ſich befindet, jchließen genau jo wie die aus
dem Chor in die Sakriſtei führende oben halbkreisförmig,
und die untere hat nad) dem Kirchenschiff zu einen romanischen
Sims. Endlich jpringen in den Eden des unteren Turmes
die Mauern, Wandpilafter bildend, in Streifen von bis
»0cm #reite 15cm vor; Diele Streifen ſchließen ſich oben
in Rundbogen. Überdadht ift der untere Raum des Turmes
von einen wie das Chorgewölbe fehr einfach aus vier Kappen
injammengefügten Gewölbe, unter dem jebt die Uhr ftebt;
evit über dieſem Gemölbe it inwendig an der Weſtſeite die
meines Wiffens von dem Mitgliede des katholiſchen Kirchen:
voritandes, Uhrmacher Pütt, entdedte Jahreszahl 1472
angebradt. Bon dem ehemaligen Schiffe diejer romaniſchen
Kirche ift nicht3 mehr zu ſehen; vielleicht finden jich Die
Mauern dejjelben in der Erde, wenn in den nächlten Jahren
die Kirche von der jetigen alleinigen Beſitzerin derſelben,
90
ber evangeliichen Gemeinde, erneuert wird. Dagegen jcheinen
Neite eines Simjes am Turme an deffen Nordoft: und Süd-
ede, welche etwas höher als die Dachrinnen des jegigen
Schiffs zu jehen find, und unter dem es ausfieht, als wäre
ein Nundbogenfries abgehauen, ähnlich dem am Schiff der
in den jiebziger Jahren abgebrodhenen Iſſelhorſter Kirche, zu
beweiſen, daß der Turm nicht höher als etwa 10 Meter
geweſen iſt und nur zwei Stodwerfe gehabt hat.
Dieſe romanifche Kirche, in weldder nach Lipp. Regeiten
795 im Jahre 1338 am Abend vor Marien Magdalenen
Tage Ritter Hermann von Merfeld vor Graf Bernhard von
Ravensberg auf einen Zehnten Verzicht geleijtet, hat un:
gefähr drei Jahrhunderte beftanden. Als dann bei gewadjlener
Bevölkerungszahl und gehobenem Wohlitande in ganz Weft-
falen die Kirchen umgebaut oder durch ganz neue erjegt
wurden, geihah das auch in Gütersloh, und zwar fing
Gütersloh früher an als die Gemeinden in der Umgegend.
Während nämlid das weltliche Herzebrod feine Kloſterkirche
erit 1474, MWiedenbrüd 1502 die Egidienkirche gänzlih ums»
baute und in Iſſelhorſt erit 1517, wie der nicht mehr vor:
handene Sclußftein über der Thür des Turmes bejagte,
der romaniſchen Kirche ein höherer Thurm vorgejeßt
wurde, geſchah das legtere in Gütersloh jchon 1472.
Dies bejagt die eben erwähnte Inſchrift, welche ſich unterhalb
der Scieferfammer unter einer Heinen oben ſpitzbogig ge—
ſchloſſenen Niſche befindet, die jeßt leer ift; dieſelbe lautet:
Anno dni meceelxxij. Offenbar ift 1472 an dieſer Stelle
unmittelbar da, wo das alte romaniſche Mauerwerk aufhört,
angefangen zu bauen, und das zweite Stocdwerf zum teil,
das. dritte faft ganz neu errichtet und der jchlanfe Helm
aufgejegt; damals muß aud die unten an der Südſeite des
Thurms befindliche jpigbogige Thür bergeftellt jein. In
demielben Jahre wurde aud) an die Nordjeite des Turms
und die Weſtwand des Schiffes ein jetzt nicht mehr vorhan—
9
denes Beinhaus angebaut; nach einer zuverläjiigen Über:
lieferung, die auf den in den dreißiger Jahren verftorbenen
Kaufmann Winkelhage zurüdgeht, welcher ein Alter von faft
hundert Jahren erreicht hat, hat über der Thür des Bein:
hauſes die Jahreszahl 1472 geitanden.
Kad) dem Turm: und Beinhausbau ließ ſich die Ge:
meinde einige Zeit Ruhe; erit 1513 machte man fih an den
Neubau des Schiffes. Über diefen allein find genauere Nach—
richten vorhanden. Im Königlichen Staatsardhiv zu Osna—
brüd befindet jih ein aus drei Foliobogen vermittelft zwei:
maliger Faltung der Länge nad bergeftelltes Heft, welches
jedenfall$ den damaligen dem Namen nah unbefannten
Paitor zum Berfafter hat; auf feinem erften Blatte fteht:
Registrum computacionis perceptorum et expositorum,
reddituum et proventuum ecclesie sancti Pancratii in
Gutersloe, primo compilatum anno quingentesimo decimo
quarto dominica prima adventus domini, computacione
per templarios protunc facta de expositis et perceptis
pro fabrica eccelesie etc. . sunt electi extunc ad emo-
vendum, solvendum et singula pro utulitate ecclesie
disponendum dieti Johan Westhederman, Johan Helwech,
Johan Amelinck provisores. Zu Deutih: ‚Verzeichnis
(der Berechnung) der Einnahmen und Ausgaben, der Ein:
fünfte und Einnahmen der Kirche des h. Pankratius zu
Gütersloh, zuerft aufgeftellt im Jahre 1514 am erjten Advent,
nachdem die Berechnung dur die bamaligen Templirer auf:
geſtellt war über Ausgaben und Einnahmen für den Bau
der Kirche u. f. w. Erwählt jind damals zur Hebung (?) !)
und Anordnung des zum Nugen der Kirche Nötigen Johann
Weſthederman (heute Weftheermann) Johann Helmeg und
Johann Ameling, Kirchenvorfteher.”” Der vorgenannte 1. Advent
!) Emovere fehlt bei Du Gange, auch Diefenbady hat feine pafjende
Bedeutung.
1514 iſt nad) dem Anfange des Kirchenjahres gerechnet, fiel
aljo um den 1. Dezember 1513, wie der Schreiber der
Rechnungen auch zuerſt gejchrieben hatte, da er an die neue
Jahreszahl noch nicht gewohnt war.
Yeider ift dies Rechnungsbuch, das eine Reihe von Jahren
umfaßt, in der eriten Zeit nachläſſig geführt, ſodaß wir über
manches, was wir gern willen möchten, nicht unterrichtet
werden; indeß kann man doc jagen, daß es über den Bau
der Kirche mehr Licht verbreitet, al3 irgend eine Kirche der
Umgegend beſitzt. Es führt neben den mitverzeichneten ge=
wöhnlichen Einyahmen der Kirche, die aus Opfern und Pacht:
geldern beitanden und zur Beftreitung der laufenden Be—
dürfnitje dienten, auch außerordentlihe Einkünfte auf,
die ojfenbar für den Kirchenbau bejtimmt gewejen find.
So jteht 1516 die Schenkung eines Stüdes Landes auf dem
Guttesmere (unbekannt) duch Hans Hellind, das verpachtet
wurde, verzeichnet; ein 13 ſ. werter Rod wurde von dem
Reitheger (Rehage) gegeben, 71/, ſ. „van eyner jterden‘
von ‚sorgen up den Diden (Teichen), 1 goltg. „van eynem
perde’’ von Bapenjtrot, 1 goltgulden van Siydmau; 1517
vermadtte VBosmar drei Kopmans(:Gulden) weniger 2 1.
„van eyner ko“, die „Saldmanjche” (Saligmannide) 16 }.
„van dem beiden” (Mantel); faft fämtlihe wohlhabenden
Bauern gaben dies Jahr einen Goldgulden, jo Pawel to der
Burheyde (Burenbeide), de meyer to jlebruge („to vnſes hoit—
heren dad to offer‘), de rowenkemperſche (Roggenktamp), be
jeysbrugeriche (Sehbrugger) „van eynem boden’, de meyeriche
to pamwenftede 11/5 goltg., de retberichen (Hietbergiichen,
nämlich Eigenbehörigen, heute Rebbesken geiprochen) 2 goltg.
‚van junte faterinen wegen”, de wyckhorneſche (Widern)
2. mard „vor eyn malck“ (Ring oder Spange). Schließlich
wurde noch, wohl um die gemachten Auslagen zu bezahlen,
im Herbit eine Kornſammlung veranitaltet, dabei brachte die
Bauerjchaft Spechert (Sperard) 18, Nordhorn 13, Avenwedde 12,
93
Bavenitedt, Kattenitrot und Blankenhagen je ſechs Müdde
Roggen auf (Sundern gab es damals noch nicht); und „den
genen, de den rowen brachten’, wurde vom Paſtor für die
reihe Gabe von 122 Scheffel auf Koſten der Sirde „4 1.
in beer geſchenket“. Auch jpäter, namentlih 1522, finden
ich noch Schenfungen und Bermächtniffe.
Sp viel von den Einnahmen für den Kirchenbau. Über
den Bau jelbjt und jeinen Fortgang finden fich gelegentliche
Bemerkungen. So findet ſich gleih Ende 1513 die Ausgabe
von 3 ſ. „als men dat junte Katerynen altar, den vot unde
den fteyn, gelecht hadde“1); natürlich find die 3 ſ. bei einer
angeitellten eierlichfeit ausgegeben. Ende 1514 ift 1 goltg.
verzehrt, „do men den fteyn lechte vnd de beide mackede“;
damal3 muß aljo nad der Bollendung der Gewölbe der
Fußboden mit Steinen gepflaftert und das Geftühl gemacht
jein. Dazu ftimmt, daß nah Weihnachten 1514 14 ſ. aus:
gegeben werden, „gotten to loyden (Hoffen, Dachrinnen zu
Löthen) vnd de kerken to ftoppen‘ (mit Schiefer zu deden)?).
So ſcheint mit Ende 1514 der Bau?) mitfamt dem Dadhe,
welches ein vom Turme an das Mittelichiff und den Chor
bededendes, von zwei Querdächern gekreuztes Satteldad) ift,
fertig gewejen zu fein. 1515 findet fich dann noch die Bes
merkung: „dat fenfter, dat fteyt 8 golt gulden, dat iS ge
beyden (geſammelt) mand fromen luden in dem keſpel vnde
buten dem keſpel, des iS genomen van der ferfen 2 golt:
gulden, dat ander (alio ſechs Goldgulden) iS gebeyden“.
!) Diejer Altar der h. Katharina iſt außer dem Hauptaltar noch nad)
dem dreißigjährigen Kriege vorhanden gewejen.
2) Vgl. bei Echiller u. Lübben, Mittelmiederdeutjches Wörterbuch, aus
Dortmund „twen leydederen, de kerke to jtoppen, gegeuen 7 jch.”
°) Lübke a.a.D. ©. 288: „Das Langhaus zeigt die Anlage der Kirche
zu Enger, nur mit etwas breiteren Seitenſchiffen; die Pfeiler find
achtedig, die Uuerverbindungen breite Gurten, die Krenzrippen gotiſch
profiliert, die Fenſter mit Fiſchblaſenmuſtern.“
94
Ohne Zweifel iſt bier ein gemaltes Fenfter zu verftehen, das
bis zum breißigjährigen Kriege bie Kirche geziert hat, da
jogar nad dieſem den Wohlftand vernichtenden Kriege bie
Gemeinde nicht die zerftörten Fenfter aus gewöhnlichem Glafe
bergeitellt hat, wie die Glasicheiben mit Wappen des Abts
von Marienfeld und des Droften Lüninf zu Rheda, ſowie
dem Namen des Meier zur Langert beweifen, bie ſich auf
dem Hofe Geifendrees in Avenwedde in einem Fenſter der
Däle befinden und Reſte der alten Fenfter der Kirche find.
Mit dem Kirchenbau hat die Gemeinde ihre Bauthätigfeit
nicht abgeſchloſſen; denn aus dem Jahre 1516 findet ſich
nah einer am Pankratiustage, dem 12. Mai, gemachten
Ausgabe eine andere von 30 kopmans gulden für „vuchten
dellen“, d. h. fichtene Bretter, und „16 f. vorterret vmme
des jpiders willen”. Spieker heißen noch heute die zwei
Stodwerke großen Häufer mit hohen Giebeln und überragen-
dem zweiten Stod und Dachgeſchoſſe, welche auf dem
Kirchhof ſeit 1624, wo die Erlaubnis zum Bebauen des
Kirchhofs erteilt wurde, ftehen und von denen einzelne
beftimmter Überlieferung und fchriftlichem Zeugniſſe zufolge
den Meierhöfen des Kirchſpiels gehört haben. Sollte die Ge-
meinde nahe der Kirche ein Gemeindehaus bejeffen haben,
etwa die jpätere Vogtei, die an dem Punkte lag, wo bie
Kirchſtraße an die Bleffenftätte_oder Berliner Straße ftöht?
„ebenfalls ift im Mai 1516 eine Art Nichtfeft geweien, bei
dem die 16 ſ. verzehrt find. Ferner findet ſich 1516 nad
Fronleihnam der Vermerk „utgegeuen vor holt vnde tymmeren
vnde Imytwerd vnde koſt vnde delle to den twen bonnen
(d.h. Bühnen, jegt in Gütersloh Priechen genannt) 4 goltg.“
und „3N/a |. vor dat jlot vor deme ſpiker“. 1516 find aljo
ſchon zwei Priechen in der Kirche gebaut, wahrſcheinlich, weil
ſich die fertige Kirche für das Kirchſpiel als zu Hein erwies;
mehr find auch jegt nicht vorhanden. Damit muß aber das
Bauen der Gemeinde zu Ende gemwefen jein. Das beweift
95
der Umftand, daß 1517 zu Anfang fich nur eine Ausgabe
von 3 |. 3 d. für Zinn zu der „gotte“ (Rinne) findet, auch,
daß jpäter im Herbit eine Zahlung von 3 goltg. für Blei
an Dtten Volmer als „olde jchult” bezeichnet wird. Noch
deutlicher zeigt dies aber, daß in dieſem Jahre viel öfter
als in den vorhergehenden gegebene Darlehen zurüdgezahlt
werden, jo 10 goltg. an den Meyer to Slebruge (Schlede-
brüd), 7 goltg. an den Meyer to Spechert, 1 goltg. an den
Baftor, und 16 ſ. „olde ſchult an den ybruger (der auch
jpäter noch etwas zurüderhält) van wyne“, den man ge
trunfen bat, „do men de ferfentymer wygede“, d. h. das
Kirchengebäude einweihte Wann dies gewejen, it leider
nicht angegeben. Später finden fih an Ausgaben für den
Bau nur noch 1519 gegen Weihnachten eine jolde von 51/2
Goldgulden für. ;,de gotte, de dar licht, kopper, lon und vor:
teret“ (Koftgeld), 1520 eine von I Markfür „Delle, Anfang
1522 eine von 8 ſ. „vor delle vp den torne”.
Bon der Einrihtung der Kirche find bisher nur die
zwei Altäre und die zwei „Bonnen“ erwähnt. Von den
legteren beiden muß, wie jet die eine an der Turmwand,
die andere an der Nordſeite vor den Kirchenfenftern ange:
bradt geweſen jein, da jo am menigiten Licht entzogen
wurde, zumal da auf dem außer nah Dften nad) allen
Seiten bochliegenden Kirchhof damals noch Feine Häufer
ftanden, aljo an der Nordjeite der Kirche nicht das Licht,
wie jegt wegnehmen fonnten. Sonft finden ih noch an
Ausgaben für die Einrichtung der Kirche viermal von 1514
bis 1522 eine foldhe von 4 ſ. „van dem vrwerde”, einmal mit
dem Zuſatze „dem fefter”, jo dab alſo der Küjter wohl die
Uhr hat aufziehen müſſen. (Ende des 17. „Jahrhunderts
wird auch ein „Sonnenmijer erwähnt.) Zweimal finden
jih Ausgaben „vor de flaſchen“, ein drittes Mal heikt es
„vor de luttiken flaffchen”. Was jollte das gewejen fein?
Zwei Gloden find vorhanden gewejen,; wiederholt fommt
a
„de luttike Elode” vor, einmal „de grote klocke“. Die Aus:
gaben wurden meift für den „kleppel“, der oft „to malen’
war, gemacht und betrugen 5 bis 10 j.; einmal waren die
Gänge und die Krampen herzuftellen. Auch eine Orgel hat
e3 damals fchon in der Kirche gegeben. Anfang 1516 findet
fi eine Ausgabe von xv ſ. „vor Iym vnde drat unde leyr
(Leim, Draht und Leder) to dem orgelen“, Ende 1515 jchon
eine „vor drat 2 ſ.“ umd 1520 „vor varwe, has (Harz)
onde drat 4 ſ.“ Leder und Leim dienten zum Verkleben der
Fugen und Ritzen namentli am Balge, Draht zur Über:
leitung der durch das Niederdrüden der Taten hervorge-
tufenen Bewegung zu den Verſchlüſſen der einzelnen Pfeifen.
Die Handwerker, welde den Bau geführt haben,
die Bezugsguellen der Materialien werden nie genannt;
nur wird, wie erwähnt, Blei an Dtto Volmer bezahlt, und
ein anderes Mal 6 f. an den „Smed to Reide“ (Rheda),
der wohl, als in einer Stadt wohnend, bejjere Arbeit maden
fonnte alg der Schmied oder die Schmiede im Dorfe Gütersloh.
Sonft wird nur „dem ſmede“ gejagt, einmal ein „ſchevel—
decker“ erwähnt, mehrere Perfonen, die Zahlungen empfangen,
haben feine VBezeihnung ihres Berufes. Die Steinmetzen und
Maurer mögen wohl einer wandernden Bauhütte angehört
haben, die nad Vollendung des Gütersloher Baues der
Kirche in Iſſelhorſt einen neuen Turm vorjegte, die innere
Ginrihtung wird dagegen von Handwerkern des Dorfes
Gütersloh beſchafft jein.
Noch einiges muß hier erwähnt werden, was zwar nicht
in dem „Regiſtrum“ vorkommt, zweifellos aber mit dem
damaligen Bau des Schiffes zujammenhängt, nämlich die
Wandgemälde des Chores, das Wandſchränkchen an der Nord:
seite deſſelben und der Kanzelfuß. Die Wandgemälde
find unter der Kalktünche der Chorwände auf den oberen
Flächen derjelben neben den Fenftern in den jiebziger Jahren
gefunden worden. Die Bilder wurden bald auf das Gut:
97
achten eines von der Kgl. Kommilfion für die Erhaltung
ber Denkmäler, die darüber benahrichtigt war, gejandten
Baumeiſters wieder übertündt; ihre Farben jollen nur mangel-
haft erhalten gewejen jein. Die untere Ede eines der zwölf
Apoitel, welche zu zweien auf die jehs Flächen der drei
EChorjeiten gemalt find, Hatte jedoch, als ſie ſpäter wieder
bloßgelegt wurde, noch friihe Farbe; die Buchſtaben des
Namens uler dem Apoftel waren die jpätgotifchen. Bei der
Erneuerung der Kirche iſt die Wiederheritellung von Fundiger
Hand wünjchenswert. Das Saframentarium aus Sand:
jtein gehauen, welches Lübke der Spätzeit des 15. Jahr:
hunderts zufchreibt und „ein Fleineres, jchreinartiges” nennt,
it in die Wand eingelafien und mit einer aus gefreuzten
dünnen Eifenftäben bejtehenden Thür geichloffen; die Trag—
bänder der Thür jind mit Nieten, deren Köpfe Nojen, da3
Zeichen der Berjchwiegenheit, darjtellen, mit der Thür ver:
bunden. Das Blattwerf an den Fialen, welche es oben an
beiden Seiten umgeben, und dem Ejelsrüdenbogen, der ſich
zwiihen den erjteren jpannt, ift nach jpätgotifcher Art reich;
der Raum zwijchen dem Bogen und dem oberen geraden Abs
Ihluß des Saframentariums ift mit Fiſchblaſen und Vierpäfien
ausgefüllt, deren Maßwerk blau, rot und golden (lektere
Farbe auf den jenkrechten Flächen) bemalt geweſen iſt,
während das Laubwerk dunkelgrün gejtrihen war. Heute ift
alles gleihmäßig blau übermalt. Der Kanzelfuß, jeden:
fall bei der „Verſchönerung“ der Kirche um 1800 aus der
Kirche gebracht, befindet jich jegt im Garten der eriten
evangeliihen Pfarre. Er iſt aus Sandſtein gehauen und
weilt in feinen Profilen und den in erhabener Arbeit aus:
gehauenen Spigbogen, welche die Seiten zieren, ganz die
pätgotiihen Formen der Zeit auf, in welder die Kirche er:
baut it; ſein Grundriß bildet ein nicht ganz regelmäßiges
XLVII. 2. 1
98
Achteck. ALS Kanzelfuß ift er daran zu erkennen, daß er
an einer Seite nur roh behauen ift, aljo mit diefer an der
Wand gejtanden hat, auch jeine Höhe anderen Zweden nicht
entipricht und der Höhe des jegigen Kanzelfußes gleichfommt ;
über den Verbleib der Kanzel ſelbſt ift nichts befannt.
Diefen drei unzweifelhaft mit dem Kirchenbau von 1514
oder kurz nad ihm entjtandenen Dingen muß wohl noch das
Bild des hl. Panfratius, des Schußpatronen der Kirche,
zugerechnet werden, weldes unter einer Überdahung an der
Nordwand des Chores angebradt ijt und zwar weftlich des
Feniters, da öſtlich defjelben das Sakramentarium in die
Wand eingelafien it. Das Bild, aus Holz gehauen, zeigt
gotiiche Formen; es ftellt einen jungen Nitter dar, der mit
einem alles außer dem Kopfe bedeckenden Blattenharnijche
gerüftet ift, wie fie feit dem 15. Jahrhundert üblich waren.
Sept ift es ganz blau übergeftrichen.
Endlich ift hiernoch der alte Taufjtein zu erwähnen,
der in den Aufzeichnungen des älteften evangelifchen Kirchen:
buches über Kirchenfigverfäufe von 1676 ab immer „die
Taufe genannt und nach denjelben wie aud nad noch
vorhandener Überlieferung nahe dem Eingange vom Turm
her geitanden hat. Gr ilt ohne Zweifel auch gegen 1800,
wo der jetige hölzerne Ständer für das QTaufbeden in bie
Kirche gefommen ift, aus der Kirche geſchafft. Wenn er,
was beitritten wird, der Stein geweſen ift, der lange unter
dem Namen „de fünte” in dem Garten ber ehemaligen
König’ihen Gaftwirtichaft gelegen haben fol, jo wäre das
eine arge Entweihung des Steind geweien, aus welchem viele
Gejchlechter des Kirchipield das Sakrament der h. Taufe
empfangen haben. In der That aber heißt „fünte“)
Taufſtein.
) Bgl. Schiller-Lübben, Mittelniederdeutſches Wörterbuch unter vunte,
ſchwediſch fonte.
99
An Grabfteinen ift nur ein einziger vorhanden; der:
jelbe liegt in der Safriftei am Eingange in die Kirche. Nach
dent Zeugnis des gegen Ende des breikigjährigen Krieges
aus Gütersloh vertriebenen katholiſchen Baftors Sprenger in
einem Briefe an den Bilhof von Osnabrüd ijt der Paſtor
Degenerus Bolmar, der von 1568 bis 1605 Bajtor war
und unter dem die Reformation eingeführt war, 1605 vor
dem Hauptaltare feierlichit beerdigt worden. Ob aber der
genannte Stein fein Xeichenitein ijt, muß dahin gejtellt bleiben,
da von feiner Umſchrift nur wenige Striche erhalten jind,
unter ihnen die Zahl 5.
Hiermit ift aber auch alles, was vor dem dreigigjährigen
Kriege vorhanden geweſen ift und von dem wir Kunde haben,
erwähnt. Bon ihm it fait alles, was an Geftühl u. j. w.
aus Holz gemadht war, während der wilden Stürme des
Krieges zu Grunde gegangen; auch alle metallenen Geräte
müſſen weggefommen fein und nur die Steine des Baues
(außer etwa dem Pankratiusbilde und dem Altarjchnigmwert
(vgl. weiter unten) ?) haben den Krieg überdauert. Aber
noch im legten Jahrzehnt des Krieges hat die Erneuerung
der Kircheneinrichtung begonnen Sn einer, wie es jcheint,
für den Biſchof von Osnabrück zur Benugung für die Ber:
handlungen in Münfter und Dsnabrüd entworfenen Dar:
ftellung der Geſchichte des Kirchſpiels Gütersloh von der
Reformationgzeit bis 1647 wird gejagt, der aus der Diöceje
Hildesheim flammende und von dort durch die Kriegsunruhen
vertriebene Prieſter Joachim Kinp fei einige Jahre nad) 1629
Baftor zu Gütersloh geworden und bis zu feiner Rüdberu-
fung in die Heimat im Jahre 1644 dajelbit geblieben. Auf
fein Betreiben aljo ift um 1640 die Betglode, welde
oben an der Spite de3 Turmes hängt, gegolien, wie Die
Jahreszahl beiagt. Im Jahre 1640 ſelbſt erhielt die Kirche
7°
100
auch eine Glode zum Läuten; diejelbe ift jetzt die mittlere
der für das Geläute verwendeten Gloden und trägt die
Inſchrift:
Pancratius ist mein Nahme,
mein Geluth sei Gott bequeme,
de levendigen rope ich,
de doden beschreye ich,
Hagel und Donner breke ich,
Joseph Michelin heft mich ghemact.
A° 1640
Sie ift mit Engeltöpfen, Füllhörnern und Blumen nad
damaligem Gejchmade geziert.
In derjelben Zeit muß auch das Geftühl erneuert fein;
das mitten in der Kirche befindliche ift jo einfach und un-
bequem (3. B. ohne alle Lehnen), daß feine Entftehung zu
der Zeit des Krieges paßt. Die ältefte Jahreszahl, die ein-
geichnitten ift, trägt der mittlere der drei Site, die ſich mit
ihrer Rüdfeite an den Kanzelaufgang anlehnen und ihrer Lage
wegen nicht zuerft hergeftellt fein werben; fie ift 1657. Die
Site an der Südwand und dem jühlichen Teile der Oftwand
find ſchon bequemer, werden aljo erft jpäter errichtet fein,
noch jpäter die im Rokokoſtil verzierten Site vorn vor den
Altarftufen in der Nordhälfte des Hauptſchiffs, die offenbar
den Honoratioren ded Orts gehört haben; einer bderjelben
trägt die Jahres 1711. Db die Site auf dem Chore, bie
auch mehr Verzierung aufweiſen, noch fpäter hergeftellt jind,
als ſchon alle zuerſt gelaffenen Gänge bis auf das äußerfte
zuläflige Maß verſchmälert waren, muß bahin gejtellt bleiben;
einige weijen allerdings auf die Zeit um 1800 Hin.
Hier mögen gleich die Priechen mit erwähnt werben.
Die jet vorhandenen, an der Turmfeite und nah Norden
101
vor den Fenjtern ber angebradt, ftammen nad) Bauart und
den Inſchriften aus der Zeit von 1800; natürlich ift ihnen
der fogenannte „Honnerwiem“ in der Nordweftede des Schiffs
gleihalterig. In den Aufzeichnungen über Kirchenfigverfäufe
wird im 17. Nahrhundert eine ‚neue Priehe oder Bühne‘
neben den an der Nord: und Turmſeite gelegenen genannt;
follte diefe an der Sübfeite gelegen haben? „Kleppen“, d. 6.
Ausziehlige, deren Sitbretter unter die der feiten Site zu
beiden Seiten des Mittelganges gejchoben werden, werben
ihon 1700 erwähnt und jind noch jekt vorhanden. Was
die auch in den Aufzeichnungen erwähnten „Ziehlen“ und
die „ZTuntelborg an dem großen Pfeiler” jind, ift nicht be:
fannt.
Zald nah der Errichtung des erften Geftühls und der
Erneuerung des Kanzelkorbes, die auch nad) dem 30jährigen
Kriege gefchehen zu fein fcheint, befam die Kirche neue,
wenigftens zum Teil farbige Fenfter. Die ſchon erwähnten
Reſte derielben tragen die Jahreszjahlen 1656 und 1659,
noch andere Refte jollen fih auf der Wöſtevogtei befinden.
1659 erhielt die Kirche einen neuen Kronleuchter,
zierlih im Barodjtil aus Meſſing verfertigt. Er trägt die
Inſchrift: „Johan Mars, Bürger und Handeldman der Stadt
Hildesheimb, habt diefe Crone zur Ehre Gottes der evange:
lichen Kirchen zu Güterslo, worin ich getaufft bin, verehrt
A® 1659.” Der Schenker jtammte offenbar von dem Hofe
Maaß, an der Dalfe bei Meier zu Pavenjtädt gelegen. Die
Kirche war übrigens ſeit 1655 Simultankirche, und die Sn:
ichrift hätte lauten müſſen: der evangeliichen Gemeinde.
1673 jind die beiden jett noch vorhandenen höchſt
bürftigen zinnernen Leuchter angejdhafft.
1686 ift glaubwürbiger Überlieferung zufolge eine neu
Drgel erworben, wenigſtens ein neues Drgelgehäufe gefertigt
102
Es hat wohl bis 1833 in der Kirche geitanden, wo das bis
um 1880 vorhanden gewejene, gejchmadlos mit Urnen und
Kränzen verzierte an jeine Stelle trat.
1743 erhielt die Kirche einen zweiten mefjingenen
Kronleudter; jeine Inschrift lautet: Jacob Northorn &
Anna Maria Mumperow, auch Joan. Bartold M. zu
(süterschlo genand Northorn und Anna NMaria Buxell
Cwg. (jo!) dd. A. 1743.
Ein dritter Kronleuchter trägt feine Inſchrift.
1763 ift die jeßige fleinjte Glode gegoſſen. Ihre
Inſchrift heißt:
Concordia res parvae crescunt.!)
Anna ift mein Nahme,
mein Geleut jei Gott bequame.
De Lebendigen beruffe ich,
de Todten bejchreye ich,
Hagel und Donner bredhe ich.
M. B. 9. Fride. 1763,
Sie ift alfo in Gütersloh von der der Lohmeier’ichen
Glodengießerei voraufgegangenen Fride’ihen?) gegoflen.
Nad 1800 ift bei Aufhebung des Stiftes Buftorf zu
Paderborn die größte der jetzt vorhandenen drei Gloden
gekauft. Ihre Inſchriften lauten: Vivos voco, mortuos
plango, fulgura frango und Joh. de tremonia me
fecit. 1484.
Kurz nah 1800 ift dann auch der kunſtſchänderiſche
Rationalismus in der Kirche thätig geweſen, und zwar durch
) Wegen des Friedensſchluſſes?
)) Bgl. u. a. Kunſt- und Geſchichtsdenkmäler der Provinz Weitfalen II,
©. 156.
103
den damaligen Tath. Paftor Maybüicher. Bis dahin war der
Altar nach der beitimmten Erinnerung einer vor einigen
Jahren im hohen Alter verftorbenen Frau „ſo, wie der in
der Altjtädter Kirche in Bielefeld”, d. h. er hatte ein altes
aus Holz geihnigtes Bild, wie jie überall in den
Kirhen der Umgegend gemejen find. Mayhbüſcher ließ an
Stelle dejfelben den jest noch vorhandenen Altaraufbau her:
ftellen, der mit den griechiſchen Säulen, dem dreiedigen Giebel
und den Figuren, in weiß und gold geftrichen, ala er neu
war, „wacker“ ausjah, aber doch recht geihmadlos ift. Auch
die Altarſchranken und der hölzerne Fuß des Taufbedens
nebit dem Dedel jind aus jener Zeit.
Um 1850 ijt endlih an der nördlichen Hälfte der Dit:
jeite des Schiffs eine von der Nordpriehe aus zu benubende
Thür nebft fteinerner Treppe angebracht.
Draußen finden fih an den Pfoſten der Thüren, be:
ſonders an denen der Südſeite, die befannten, tief einge:
ichnittenen Rillen, die nad) einigen von den an der Kirchthür
früher aufgegängten eijernen Maßen, nad) anderen von dem
Spiten der Griffel durh Schulkinder herrühren.
Im ganzen bietet jegt die Kirche, die von 1860 an nad)
Erbauung der neuen evangelifchen Kirche bis ungefähr 1880
nicht viel benußt ift, Feinen angenehmen Anblid dar. Das
Simultaneum, welches bisher in bderjelben bejtand, wurde
dur Vertrag vom 17. November 1887!) aufgehoben und am
4) Nach diefem Vertrage behält die katholische Gemeinde den in feiner
Art merkwürdigen fteinernen Opferſtoch, der ſich in der „alten
Kirche“ findet, und wird ihn im die neue hinübernehmen. Dieſer
Opferſtock ift ein Monolyth, 67 cm lang und 58cm breit und hoch,
von achtjeitiger prismatifcher Korm, in der Mitte etwas verfüngt,
an beiden Enden mit jodelartigen Geſimſen. Oben in der Mitte ift
104
6. Mai 1889 der Bau der neuen katholiſchen Kirche be-
gonnen. Nach deren Vollendung wird die „alte Kirche” in
ben alleinigen Befit der evangelifchen Gemeinde treten und
dann hoffentlich eine durchgreifende Erneuerung erfahren.
eine Deffnung eingehauen von 30 cm Länge, 20 cm Breite und
25 cm Tiefe, die mit einem ſtarken eijernen Verſchluß, eijernen
Bändern und Ketten und vier jchweren Hängeichlöffern geſchloſſen
war. Die Red.
vi
Zur
Geſchichte des Kloſters Willebadeflen.
Don
3. Schröder,
Seminar“ ;::r zu Paderborn.
I
Die nadhitehende Zujammenftellung von Einnahme und
Ausgabe des Klofters ift nach einem Manufcript angefertigt,
welches im Archiv des Freiherrn v. Wrede zu Willebadefjen
beruht und die Auffchrift führt: „Beläge und Revenuen—
Etat des Benediktiner-Nonnenklofters Willebadefjen im Diftrikt
Hörter.” Dafjelbe beiteht aus einer großen Reihe von Re—
vifionsprotofollen, fämmtlih von dem Kommiſſar Kuhfus
unterzeichnet aus der Zeit der Aufhebung des Klofters.
Das Klojter Willebadejjen wurde im Jahre 1149 ge:
ftiftet und im Jahre 1810 aufgehoben.
Einnahme.
Th.) Gr. | BE.
Tit. I. nn
—
Ex eleemosinaria zu Paderborn: 14Thlr.
12 Schill. — 14 Thlr. 20 Gr. 45.9 14 | 11 |
ı Unter dem Namen „Herbſtbedde“ aus ber) |
to
Twiſtenwieſe zu Peckelsheim Jährlich
2 Thlr. 4 Schill. = 2 Thlr.6 Gr.2 PR?) 2
3 | Von dem Mannlehn zu Vollmarsheim im)
Diſtrikt Caſſel, beftehend „in einer Hube
Landes in der Wettere‘‘®) | —
—
cA
6 Unter dem Namen Flußgeld:
7 An Zehnt⸗, Grunds,
8 An Weinkauf und Grundgeld:
9 An
106
| Thle. | Gr,
An Hause, Hof: und Wiefegeld aus dein |
Städthen Willebadeflen: 48 Thlr. |
5 Schill. 10%/; Pf. — 48 Thlr. 10 Gr.t) 18 | "20
An Wiejegeld und zwar:
von Borlinahaufen (9 Rräjtantiarier)
7 Thlr. 5 Mar. 6 Bf.
von Altenheerje u; Küdelſen (2 Präft.)||
4 Mar. 4 PB.
von Helmere (8 Bräftant.) 2 Thlr. «
10 Mar. 4 Bf. |
von Lichtenau u. Kleinenberg (8 Präft.)
2 Thlr. 10 Mer. 5 Pf
von Fölſen (7 Bräjtant.) 2 Thlr.
29 Mar. 11/, PF.?)
aus Nieheim (28 Bräft. )28 Thlr. 25Gr.
31/5 Pf. |
„Everſen (4 „ ) 1 AHl. 32 Gr.
.
2 ® Be
1 Thlr. 2 Gr.fj 50 | 26
„Oynhauſen (8 ,,
5 Pf.
)6 Thlr. 1 Gr.
5 2.6)
Wieſe- und Fuhr—
Löwen und Ikenhauſen
15 Schill.
|
‚„‚ Bergheim (8 ,,
geldern aus
3 Thlr.
tn
at
aus Welda (12 Bräftant.) -3 Thlr.
4 Schill. 8 Pf. = 3 Thlr. 8 Mer.]!
aus Großeneder (9 Präft.) 18 Schill.
79. = 31 Mor. 6 Pi.
aus Brakel u. Herfte (9 Präſt.) 13 Schill.
== 22 Mar. 2
Triftgeldern von Großeneder —
trift 5 Thlr., Rinderhude 6 Thlr.))
111
10 Von einer ſichern Fundation von der
Cämmerei zu Lichtenau 4
11 Der Sälzer Plettenberg zu Salzkotten iſt
|
|
verpflichtet, jährlich dem Klofter Ze |
| Pt.
to
107
| Thlr. Gr.
| vv. 18 Mollen Salz; und 2 Dar.
—4Pf. Dpfergeld zu entrichten — ®)
12 Unter dem Namen Zinsgetreide werden
die unveränderlichen Natwralgefälle,
welche das Kloſter aus verſchiedenen
Ortſchaften zu heben hat, verſtanden.
Nach dem Generalregiſter kommen nad
der Reduktion in Paderborner Maß
jährlich ein:
11Schffl.3 Spint 111/12 Becher Weizen
| al Thlr.
1490, — „33, Roggen
a 24 Marki2176| 5
403, — „ 21a „ Gerſte
24 2
| 4 20 Mgr.
2840 „ 1... 2 „ Hafer
| a 12 Mar. 9)
3 An Hühnern und Eiern:
aus Willebadejien 324 Hühner 3240 Gier
„Aſſeln 6 „ 60 „
| u» Xömwen B, 120; ,,
| „Herſte u 100
„Welda —— 420,
| Sa, 362 Hühmer a3 Mgr. und and)
| 3940 Eier a 1: Pf, 19)
14 Haus, Hof, Bflüges, Kornmähe- und
Spanndienſte 1!) .36:).28 6810
Außer den vorgedadten Dieniten muß |
noch jeder Pferde haltende Einwohner)
45 | 28
in Willebadeffen jährlid einen Tag
| Holz, was er jelbit hauen muß,‘ an-
| fahren und einen Tag. pflügen. Im
„gegenwärtigen Jahre’ (1810): betragen,
ſolche 32. Nach Abzug der reichlichen!
| Verpflegung fann man’ die 32 Holz—
fuhren A 18 Gr. = 16 Thlr., die 32
Prlugdienfte & 9 Gr. — 8 Thaler in)
Summa anlegen zu | 24 |
108
quantum von 250 Rthlr. in Erbmeier:
ftatt übertragen. 18 2350| — | —
quantum von 400 Thlr. und an Na:
turalien
200 Pfd. Butter, 6 Fr pr. Thlr. =
Thlr. 12 Gr.
1 Tonne Käſe — — ⸗ 458 34 —
1 Schwein =10 „ —„
2RKälbera 21a Thl..=5 „ — „
200 Eier = 7) 28 „
10 junge Hahnen = — „ 30 „
Dienftfuhren = 4, —,
verpachtet. 14)
3 | Das zwiichen Willebadeffen und Borling-
haufen belegene Vorwerk Lake ift für
ein jährlihes Pachtquantum von
200 Thlr. in Geld und in Naturalien
1 fettes Kalb — 2 Thlr. 18 Gr.
30 Bid. Butter,
6 Pfd. 1 Thlr. =5 „ —u
' 6 Hühner, a4 Mar. — 24,
120 Eier, a 1 Pf. rt Gr. 1 Ri:
ferner an Berzinfung des Inventariiß 244 | 15 | 1
20 Thlr. 12 Gr.
für Erich's und Schmig’Wiefen 5 Thlr.
10 Hühner 1 Thlr. 4 Gr.
1 Schinken 1 Thlr. 12 Gr.
für die Scherz's Wieſe 4 Thlr. |
für eine Dienftfuhre 4 Thlr.
verpachtet. 15) |
109
Thlr.| Sr.
4 | Die Äder: und Wiefengründe des Klofters:
gutes Land: 104 Morgen 19 [|Ruthen
— 182 Thl. 24 Gr. — Pf.
minder gutes Land: 149 M. 101 [R.
— 203 Thlr. 22 Gr. 41/4 Pf.
mittleres Land: 168 M. 78 []R.
— 164 Thlr. 10 Gr. — Pf.
ſchlechtes Land: 165 M. 9 IR.
— 110 Thlr. 4 Gr. 3/, Pr.
gute Wiefen: 72M. 54 [IR.
a 9 Etr. pro Morgen 2
mittlere Wieſen: 51 M.42[R. | Zw
a 7 Etr. pro Morgen @a
ſchlechte Wieſen: 132M.92]R. | * *
a 5 Er. pro Morgen j
Weiden: 189 M. 75 []R. & 18 Gr.
3 Thlr. — 52 Thlr. 9 Gr.
Summa 2174| 22
Tit. IV. Mühlen.
1 | Die auf dem Klofter Willebadefjen befind-
lihe Mahlmühle wird bloß zur eigenen 90
Wirthſchaft benugt.
2 | Die Stabtmühle zu Willebadefjen ift für
ein jährl. Pachtquantum von 80 Thlr.
und in Naturalien:
1 Schwein = 3 Thlr. — Gr. — Pr.
6 Hühner = — ,„ Au—n
60 Eier — 8 4,
verpachtet.
3 Die Waldmühle, 1/4 Stunde von dem
Kloſter Willebadejien belegen, ijt für
140 Thlr. verpadhtet.
83 | 32
140 | —
4 Die Waterfeld’he Mühle beim Dorfe
ynhaufen ift der Gemeinheit Oyn:
baujen für 50 Thlr. jährlich verpachtet
— Gonventionsgeld — 50 — —
*) Außerdem muß alle 6 Jahre, wo
eine neue Verpachtung vorgenommen
wird, ein Weinkauf von 6 Thl. erlegt
werden.
Summa 293 32 | 4
Tit. V. 3iegelei.
Die über dem Vorwerk Lafe am Walde
belegene Ziegelei, wobei an Feldern,
Wieſen und Gärten 14 Morg. 1 Gart
und 8 Ruth., ift für ein jährl. Pacht:
quantum von 55 Thlr. preuß. Courant
verpachtet. 55 — —
Summa 55 — —
Tit. VI. Teichfiſcherei.
Das Klofter Willebadefjen bejigt an Filch:!
teichen:
den Bülheimer Kälberteich — 5M. SIR
und Großen:Teid
den Schafsſtall-Teich
auf dem EleinenfDamm
auf der Inſel
die Pierdefampsteiche
in Summa — 27M. 9
| Tit. VOL . Zehnten.
1 Ben Nah einem 30jähr. Durch—
| Schmitt der gewejenen Kornpreije beträgt
der Zehnten von
111
1. Welda 31 Thlr. 34 Gr. 1 Pf.
2. Bergheim 62
3. Herite 97- -,„
4. Hafenberg 160 ,
5. Nieheim 137 ,
6. Rörichsbuſch 5 ,,
7. Sudheim 224
8. Bülheim 47 ,,
9. Abaren!6) 17 ,,
10. Dringenberg 94 ,,
11. Hohenfeld 84 ,
(Hagenfeld ?)
12. Sudahl 6 „
13. Löwen 164
2 | Blutzehnten, d. i. Entnahme des 10.
Theiles der in Willebadefjen gezogenen
Gänſe und Schweine, jährlich
Summa
Tit. VII.
Die Hütungen und Triften des
Klofters Willebadefjen erſtrecken jich auf
alle jeine Waldungen und Grunditüde
und die Schafhude in der Feldmark der
Stadt Willebadefjen. Nach ökonomiſchen
Grundjägen fünnen gehalten werden:
35 Kühe a 21/ Thlr. = 81 Thlr.24 Gr.
20denaäl ,„—=2
20 Rinder I =
40 Schweine a —183
800 Schafe A 17 Gr. = 136
Federvieh — 6
24
28
28
28
25
20
6
30
19
32
14
10
”„
”„
vol | | „oe
.
.
2
”„
12 [Z
Thlr. 1 BP.
1136 4
6
114 4
259 —
Summa 259 —
Tit. IX. Holzungen.
Die zum Klofter Willebadefjen gehörenden
Holzungen theilen fich in
a) Privatholzungen: 2154 M. 26 [R.
112
Nah dem bei der im Jahre 1806
geihehenen Vermeſſung angefertigten
Holzbeftand-Regifter können jene Hol:
zungen in den eriten 40 Jahren 659
Malter Holz abwerfen. Hiervon gehen
ab die Deputatholze:
für Haberhaufen 90 Malt.
„ Bülheim 45 „
„ Stadtmiühle 25 ,„;r216
0 ale 40 ”
„ Waldmühle 15 „
bleibt 444 Malter & 11/; Thlr. 592
b) Gejammtholzungen mit dem Amt
Hardehaufen, befteht in dem jog. Alten:
holz, ungefähr 240 Morgen. „Es it
äußerst jchlecht beftanden und kann
daher der jährliche Nukungswerth für
das Klofter Willebadefjen nicht höher
als zu 30 Thlr. angenommen werden.’ 30
Summa |622| —
Tit.X. Zinſen von Aftiv-Rapitalien.
Nach dem bejonders eingereichten Verzeich:
niffe hat das Klofter an Aktiv-Kapitalien
in Conventionsmünze 8159 Thlr. 7 Gr.
6 Pf. Dann tragen die jährlichen Zinfen! 368 | 21
„Dann find bei dem Klojter Willebadejien
unter dem Namen Conventsfapitalien
noch nad dem ebenfalls eingereichten
Nachweiſe 1208 Thlr. 27 Gr. vorhanden,
wovon die zeitige Priorin die Zinſen
ad 58 Thlr. 9 Sor. 1 Pf. erhebt und
folche unter die Gonventsmitglieder ver-
theilt, welche ſolche durch abzuhaltende
Memorien verdienen. Es ijt daher! |
diefer Zinjenertrag umfomehr in dem
Etat mwegzulajjen, als der zeitige Ad—
miniftrator mit der Erhebung und Be:
rechnung ſich nicht befaßt bat.’
6
113
hr] STB
„Die Kapitalien find von den vormaligen
Abtiffinnen zu Memorienftiftungen an:
| gelegt und dem Konvent vermadt. nt vermadt. 1)
\
Summa IJẽ 21 6
Tit. XL Extraordinaria.
„Unter diejem Titel fommt zu bemerfen: |
daß der Herr von Bord zu Holghaujen
| bei Nlieheim wegen eines unterhabenden
Zehnten herkömmlich alle 10 Fahre,
d. h. in dem, deſſen Zahl mit 4 fi
entledigt, 1/4 oder 4 Maß Wein, jo gut!
als er in Paderborn zu haben ift, an
die Höjterliche Neceptur zu Nieheim ab:
liefern muß. Da dieſer feit langen
Sahren mit 3 Rthlr. bezahlt worden,
jo wird denn der Ertrag mit 10 Gr.
35/7, Pf. in Einnahme geftellt.” — 10 3845
Summa | — | 10 |3%,
Ausgabe.
Tit. J. Öffentliche Abgaben. |
1 | Klojter Willebadeffen hat an jchagpflich:
tigen Grunditüden
139 Morg. 105 []Ruth. Aderland,
69 27 „ MWiefen,
4 — „Weiden.
Hiervon beträgt die einfache Schagung
1 Thlr. 18 Gr. Und da jährlich über:
haupt incl. Nebenihagungen 20 Schap:
ungen ausgejchrieben werden, jo macht
der Schaß.-Ertrag 30 — —
2 Grundſteuer jährlich 91 132
3 | Berjonaliteuer = 13/124 | 6
XLVII. 2, 8
114
— — — — — — — — — — —
4
5
6
—
Thlr.| Gr. | Pf.
Conſumtionsſteuer jährlich 396 25 —
Departemental: u. Cantonalſteuer „ 50 — —
Salzgelder * 91316
Summa |591 | 14 6
Tit. ID. Bejondere Abgaben.
An das Amt Dringenberg, Dienftgeld | 75| 2| 6
An die ehemalige Hoflammer zu Neuhaus
für Ochſenmaſt J——
An Zehnt⸗ u. Opfergeld nad) Dringenberg) 2 | 30 6
eine Dienftfuhre nad) Dringenberg 21-1 —
Summa | 94 | 33 5
Tit. IH. NRatural-Abgaben.
An das Domkapitel zu Paderborn:
12 Schffl. Roggen & 24 Gr. = 8 Thlr.
A „ Ser 412 —8 ne Ks
2m. Ba a 5 |
An das Stift zum Busdorf in Paderborn:
12 Schffl. Weizen a 1Thlr. — 12 Thlr
12 „ Roggena 24 Gr. — 8 „ 7 une
16, Gefteas „—8 „|
An das Stift zu Neuenbeerje:
28 Schffl.Roggen A 24 Gr. — 18 Thlr.
24 ©
7
28 Schffl. Hafer a 12 Gr. —9 —
12 Gr.
An die Kirche zu Neuenheerſe:
4 Schffl. Roggen, 4 Schffl. sl 3
2 Pd. Wachs, 2 Schillinge ö
An das Stift Corvey: 2 Pfd. Bade 11 —
Summa | 79 3 3
Trit: IV.
Nevennen-Steuer. 1005| — | —
Summa |1005| — | —
19mm N
115
Thlr
Tit. V. Gehälter.
Das Gehalt des Adminiftrator3 im Con—
vent 350
Das Gehalt des Propftes 150
Zum Gehalt des Paſtors 11
Zum Gehalt des Kaplans 25
Dem Küfter und Organiften:
10 Schffl. Roggen = 8 Thlr. 12 Gr.
10 „Gerſte = 6 Thlr. 8 Gr. 2Pf. 15
zu jäen:
2 Spint Zeinfamen = 1 Thlr. 12 Gr.
Dem ehemaligen Sekretär 40
Dem Höfterliden Syndikus 18) 12
Summa | 603
Tit. VI. Dienftlohn
„jolange der Convent befteht”.
Der Haushälterin 75
Dem Gajtmeijter 16
Dem Bäder und Brauer 21
Der Convent3magd 10
Der Küchenmagd 10
Der Leinenmweberin 9
Der Waſchhausmagd 9
Summa 150
Tit. VOL. Penſiousgelder der Convents-
mitglieder.
Die Conventsglieder haben beim Eintritt
unter der Bedingung, daß ihnen jährlich
die verabredeten Zinfen behufs Beitrei:
tung Kleiner Bedürfniſſe gezahlt werden,
gewille Kapitalien mitgebracht, welche
nah dem Abiterben der Mitglieder dem
Klofter anheimfallen follen. Dieſemnach
erhält:
16
27
el ıtı [81
—8
2
J
116
— — —————— — — — — — — — —
| Thir.| Gr. | Pi.
die Abtiffin v. Anippenberg von einem
| Gapitale vou 300 Thlr. = 15 Thlr.
die Priorin Larens von 300 Thlr.
| == 15 Thlr. |
| Die Jungfrau Riſſe von 300 Thlr.
— 15 Xhlr.
| die Jungfrau Hensel von 100 Thlr.
— 5 Thlr.
die Jungfrau Meinau von 200 Thlr.
— 8 Thlr.
die Jungfrau Freitag von 200 Thlr.
== 8 Thlr.
die Jungfrau Jacobi von 300 Thlr.
| 12 Ülr.
die Jungfrau Schorlemer von 50 Thlr.(
— 5 Thlr.
die Jungfrau Schonlau von 200 Thlr.
— 10 Thlr.
die Jungfrau Waldeyer von 100 Thlr.
| — 5 Thlr.
| die Jungfrau Wiegand von 200 Thlr.
| = 10 Tor.
| die Jungfrau Serrari von 200 Thlr.
| — 10 ltr.
die Jungfrau Weltphalen von 200 Thlr.] |
— 10 Thlr. |
die Jungfrau Prüfen von 200 Thlr. |
— 10 Thlr. |
Sunma 138 — u
Tit. VII. Memoriengelder
| an die Geiſtlichen der Kloſterkirche zu |
entrichten :
|
|
1 !pro memoria fundatoris —
2 pro memorta de Meinders 16 |
3 | in festo S. Nicolai
Summa | 22 | 18
|
117
Thlr.| Gr. | Pr.
Tit. IX. Almojen.
An Almojen werden von Klojter Wille:
badejjen jährlich verabreicht:
am 31. December 6 Schill. Roggen zu
Mehl gemahlen und vertheilt — 6 Thlr.
am Seite trium Regum 3 Schffl. Roggen
— Thlr.
am Grünendonnerftag 3 Schiil. Weizen
und 6 Schffl. Roggen zu Miden ver:
baden = 10 Thlr. 18 Gr.
täglich 20 Pfd. Brod an Arme vertheilt
— 152 Thlr. 6 Gr.
alle Samsdtage für drei Arme 18 Pfd.
Brod = 19 Thlr. 18 Gr.
an die 5 Perſonen im Armenhauje täg—
lih a PBerjon 1 Maß Bier = 38 Thlr.
1 Gr. 2 BE.
täglih eine Portion Gemüje und Fleiſch
an eine Arme — 20 Thlr. 10 Gr.
alle Dienftage an eine Arme Gemüje
und Fleiſch — 2 Thlr. 32 Gr.
Summa |252| 13
2|dem Kapuzinerkloiter in Brakel:
1 Schffl. Winterfaat = 3 Thlr. — Gr.
—*
3 Roggen —3 —n
3 „Gerſte —2 „18,
1 fettes Schwein —12, —,
1 fetter Sammel —3 „ —„
60 Stück Härinde = — „ 30, 32 1251| —
10 Pfd. Stodid =1 „ 4,
3 Stüd Labedan =— „ 27,
24 Pfd. Butter —=4 „ —,„
12 „ Käſe =1l —,„
6 Brode = 18 ,
2 Schffl. nie == — —
2 „ Gerſte — u A
1 Spint Winterfjam.—= — „ 27, 515 | —
4 Ph. Butte =1, —„
118
4|den Minoriten zu Heritelle: |
1 Schffl. Roggen, 4 Pfd. Butter 2 — —
5 | dem Fe eg su Baderborn:
1 Schffl. Roggen, 4 Pfd. Butter 2 — —
6Auf den Proceſfionstag zu Scherfede an |
den dortigen ‚Pfarrer:
1 Spint Roggen = 9 Gr. — BP.
1 E74 Gerite — 7 E73 3l/g 8 \
l ,, Safer —
l , NRaubfutter =
Summa |295| 11 2
Tit. X. Kirchennothwendigkeiten.
Da die Pfarrkirche mit den erforderlichen
„Nothwendigteiten“ von Seiten des |
Klofters mit verjehen werden muß, ſo
wurde nach einem ungefähren Übers:
ihlage die Ausgabe folgendermaßen
Erg |
beftimmt: |
lan Wein und Hoitien | Bl
2 | jährlich 60 60 Pd. Wachs à 24 Gr. 40 — —
3 ein Ohm Del I — —
4 Weihrauch und Salz II —
5 für Heine Nothwendigkeiten 7 — —
6 | für Talglichter * — —
— 7" Summa 1 — —
|
| Tit. XI. Unterhaltung der Gebäude.
|
| Die fänmtl. Kloftergebäubde ftehen zu 6400, |
die Gebäude des Vorwerks Lake zu 400, |
r Haberhaufen zu |
600 Thlr. in der Feuerſocietät einge | |
tragen.'®) Demnach zur Brandkaſſe
| 1/50, — 24 Thlr. 246r. 148
| Die Hevaratrkoften 1 1/g -)
| 123 Thit. 12 Gr.
Summa | 148 1481 —
119
Thlr. |
Tit. XII. Yaijfivfapitalien.
Klofter Willebadejien hat an Zinien zu
zahlen: von 1300 Thlr. Gold Bu 55
2 „ 9000 „ Gonv.:Gold |
2500 „ Br. Courant
Summa |533
u a 2
|
|
|
|
—
“N
J | #
; Tit. XII. Abholung der Henergefälle.
„An Erhebegebübren, Reiſekoſten und
Fuhrlohn nah einem billigen Anſchlag
ı incl. der verabreichten Errriichungen“ 256
| Summa Er
Tit. XIV. Stleidung.
„Nah Berficherung der Abtiffin” be:
| Tommen die Nonnen fowohl, wie die!
| Laienſchweſtern beitinmte Kleidung und
u: die Nonnen A jährlich 2 Hemden u.
| 1 Betttud) — 6 Thlr., alle 2 Jahre zum |
Habit 15 El. Camelot == 7 Thlr. 18 Gr., |
| zur Schürze 4 Ellen fein. Camelot — |
ı 2 Thlr. 8 Gr., zum Schleier 20 — |
| jährlih 11 Thlr. 5 Gr. |
Es ſind ind. Abtiſſin 14 Nonnen vor⸗ |
|
Fi
j
|
—8
| handen; macht alſo 1155|
*
die Laienſchweſtern: zu Hemden und
Schürzen 21 Ellen Leinewand—3 Thlr. |
24 Gr. und nod 10 Ellen Leinewand |
— 1 Thlr. 6 Gr. für Schuhe 1 Thlr. |
28 Ör., alle 2 Ser zum Habit 16
Sun Sarte = 5 Thlr. 12 Gr., alfo
—hlr. 24 Gr. __ BE
9 Thlr. 10 Gr.
Es jind 5 Laienjhweitern vorhanden;
macht alſo 46
Summa 202
Gr.
—
RT
N
'
|
14 |
12 |
|
nn
120
1) Diefe 14 Thlr. 12 Schill. „rühren von dem vom Biſchof Ferdi.
nand geftifteten Memorien her und werden jährlich durd den zeitigen Re-
ceptor in Conventiond-Münze abgeführt. Die 9 Sgr., welche mehr quittirt
werden, find eine Remuneration, welche fich der Receptor für feine Mühe—
waltung bisher zugeeignet hat.“
2) „Hergebraditer Maßen erhält der Gamerarius bei Überbringung
des Geldes davon 4 Gr. zurüd.“
2) Vollmarsheim — Bolfmarjen. „Beim Ausjterben der männlichen
Linie und beim Antritt einer neuen Abtiffin muß eine neue Belehrung
vorgenommen werden, wovon außer 1 Thlr. Schreibgeld die Lehngebühren
für die zeitige Abtiffin 6 Thlr. betragen. Die jährliche Lehnabgabe iſt
urſprünglich Pfd. Wachs, wofür aber jeit langem auf Michaeltag
8 Mariengrojchen entrichtet werden.”
9 „Geht um Martini ein und muß auf dem Kloſter abgeliefert
werden. Sie macht eine ftabile Intrade, indeffen nimmt ſolche zu, jobald
ein neuer Anbau ftatt hat, wo danı der neue Anbauer zur jährlichen
Präftation von 1 Schill. verpflichtet ift, und wird diefe Abgabe Haus—
Ichilling genannt.” — Nach dem namentlich aufgeführten Regifter vertheilt
fih die Summe von 48 Thlr. 10 Gr. auf 194 Präftantiarier.
5) „Über Urjprung oder Entftehung diefer Abgabe find gar feine Nad)-
richten vorhanden.“
°) „Über Entftehung und Urfprung hat man feine befriedigende Aus»
funft erhalten können,”
) „Wogegen der Commune Grokeneder die Schaftrift und Rinder:
hude im jog. Alten Holze zugeftanden wird. Der zeitige Vorfteher zu
Großeneder liefert diefe ftabile Pacht jährlih an das Klofter zu Wille
badefjen ab.“
8) Auch Hier heit ed im Protokoll, daß man über die Entitehung
feinen befriedigenden Aufſchluß erhalten habe, und es wird vermuthet, es
verhalte fi, wie mit Gehrden, wohin der Plettenberg als „Lehnvaſall“
ebenfalls jährlich; eine gewiſſe Quantität Salz liefern müſſe. — Es fei
indeffen bemerkt, dab ſchon im 18. Sahrh. Klofter Willebadejjen von
Suether aus Störmede, Domherrn in Paderborn, ein Salzwerk in Salz.
fotten für 10 Mark antaufte (Orig.Urkunde zu Willebadeflen). Ferner
erflärt im Auguft 1407 der Propjt Reinhard Schele, die Priorin Mar-
garethe und Convent des Klofterd Willebadefjen, dak der Inhaber ihrer
Saline in Salzkotten auf Johannistag dem Klofter jährlich 18 Malter
1231
Salz geben müfje; der Propft oder Kämmerer erhalte auf Weihnachten
drei „Rrojchen“.
?) „Es finden ſich über die Rorngefälle befondere Lagerbücher, in
welchen die Ab» und Zufchreibungen jährlich vorgenommen werden. Da
in der Gegend, woher Getreide gehoben wird, durchgehends ſchlechtes Korn
wächjet, jo ift natürlih, dak auch die Zinsgefälle von ſchlechter Qualität
find.” — „Die Zindgefälle aus Willebadefjen, Altenheerje, Küdeljen (Kühljen),
Neuenheerfe, Borlinghaujen, Helmern, Völſen, Yöwen, Ickenhauſen, Ochſen—
dorff, Perdelsheim, Welda, Eifjen, Hohenweipel, Herite und Aſſeln müſſen
von den Präjtantiariern zwiſchen Martini und Weihnachten auf dem
Boden zu Willebadejjen abgeliefert und mit einem Willebadefjer Scheffel
gemejjen werden.”
„Bei der Ablieferung erhalten die Präftantiarier hergebrachter Maßen
und zwar diejenigen aus Löwen, Ickenhauſen, Ochſendorff, Eiffen, Hohen:
weipel, Herite und Afjeln pro Mann eine Mide, ein Stud Wurft oder
Fleifch, eine Portion Gemüje aus dem Leute-Topf und eine Kanne Pier,
und werden auf jeden Wagen zwei Mann gerechnet.“
„Die Heuergefälle von Lichtenau, Hadenbera und Holtheim werden
auf Möfterliche Koften in Lichtenau erhoben, theils mit Willebadefjer, theils
mit Lichtenauer Scheffeln gemefjen; desgl. die Kleinenberger in Kleinenberg
mit Willebadefjer Scheffeln.” — „Die Gefälle aus Boldmarsheim und
Warburg werden auf Koften des Klojtere zu Marburg gehoben. Die Ge
fälle aus Voldmarsheim werden und zwar der Roggen in Warburger
Maß, der Hafer in Warburger Kreuzmaß eingemeſſen. Da gewöhnlich zu
Volckmarsheim fein Hafer wächlet, jo iſt bieher nachgegeben, dat 4 Scheffel
Gerſte zu 6 Echeffel Hafer in Kreuzmaß abgeliefert werden können.” —
„Jeder Präftantiarier aus Volckmarsheim erhält bei der Ablieferung zwei
Mar. ftatt einer Mahlzeit." — „Die Getreivegefälle aus Brafel werden
auf flöfterlihe Koften in Brafeler Mah zu Brakel gehoben.” — „Die
KRorngefälle von Salzkotten werden auf Kojten des Kloſters in Salzkotten
gehoben in Ealzkotter Maß.“ — „Die Korngefälle von Entrup, Everjen,
Oynſen (Deyuhaufen), Nieheim und Bergheim werden auf Noften des
Klofters auf dem NRecepturboden des Klofters zu Nieheim in Nieheimer
Maß in Empfang genommen.“
„Im Allgemeinen wird noch bemerkt, das zu Willebadejjen drei Becher
auf einen Spint und zu Nieheim acht Metzen auf einen Scheffel gerechnet
werden.“
122
Nach dem General-Regiſter mußte jährlich liefern:
R oggen I Hafer
en I
= | & z3 *
—5 = 537
HdR 5
— U,
Willebadeffen 436| 3!2%, 1614| 2) 2%,
Altenheerje | 28| 8/2. || 30| 3] 1%
Kühlſen und Neuenheerie 81—! 7, 13| 3 25
Borlinghauſen 163 2—96 —4
Helmern 1126 30 3] 21%
Fölſen 31 —214 5 2 —
Lichtenau, Hakenberg und Holtheim 24|-| —ıı 4l| 2 1%,
Löwen und Ikenhauſen 49 — — 60 — —
Oſſendorf ssI—|ı — j 6 — —
Welda 72 —2— | 72 —
Eißen 19 21 —19 au —
Summa ⁊ei] 3/1? ıı 320| 3 * 1%,
„in Willebadeifer Maß; thut in Baderborner Maß 9. 52 2 Sam. 1 Spint
1°/, Becher Roggen und 1609 Schffl. 3 Spint Becher Hafer.“
Hohenwepel: 46 Schffl. Roggen und 46 Schffl. Hafer
Volkmarſen und Warburg: 72, 2 72 ä
Summa 118 „ 118
„thut in Paderborner Mah 147 Scäffl. 2 Spint Roggen und
143 Schffl. 3 Spint %, Becher Hafer.“
| Roggen Gerſte Hafer
Sch. Sp. B. Sch. Sp. | B. Sch. Sp. B.
Tr
Brafel s8s — 2 |7| —| 2107| —| 2
Hefte 0 0900| | 1 Alte An
Sa. in Brafeler Mai | 36 | — | 2 ia! —-| 2|ln|—-|2
in Paderborner Maß | 56 | 3 ei 62 | 1 |2%,| 72] 2|1%
Begen Roggen || Gerite | Hafer
sisleläisl s ISlslslälile
_ SIESHE-AUKDIEN) 55
| |
Salztotten Een 36| 3j2%,,,\62| ıl2%,,|| 72 2lıy,
Entrup — 4 U — |! 5| 1] 2 || 11] 3i—
Everien 6! 31 3/71] 2! 1 142] 11 1 111051 21 8
Deynhauſen — ——– 609 1] 1 [93] 3] 3 211 |—
Nieheim 4 1661| — 78 3 1153; 2] 3
Bergheim —-[-/4s!-] 8 |is4| 3] ı |ısi ı| 2
123
Affen: 21 Eh. Roggen, 42 Sch. Hafer.
Lichtenau, Hafenberg u. Holtheim: 91 Ed. 2 Sp. Hafer.
Porgentreih: 4 Ch. Roggen u. 4 Sch. Hafer = 5 Paderb.
Nieheimer Mak : Paderborner = 12 : 13.
Lichtenauer Maße: Paderborner = 5 : 6.
10) „Diele Preftande iſt ſtabil und fann nur eine Vermehrung ein:
treten, wenn zu Willebadefien ein neuer Anbau jtatt hat, wofür herge—
bradhtermagen die SPreitanda mit 2 Hühnern und 20 Eiern beitimmt
werden. Geht ein Haus ein, und wird die Hansjtätte nicht zum Garten
oder ſonſt benüßt, jo wird das Preftandum nicht mehr entrichtet.“
21) „Sämmtliche (Dienftthuende) erhalten reichlihe Beköſtigung .. .,
daß man in den frühen Jahren Schon die Idee gefaht hat, die Dienfte
ganz eingehen zu laijen.“
2) „Es kann der Ertrag der von etwaigen neuen Bemeierungen auf
fonımenden Laudemien nicht höher als zu 12 Thlr. 24 Gr. angejchlagen
werden.“
13) ‚Pächtiger muß alle 12 Jahre gegen Crlegung von 24 Thlr.
Meinfauf und 24 Gr. Schreibgebühren einen neuen Meierbrief einlöſen.“
2) ‚Alle 6 Jahre findet eine neue Bemeierung ftatt und muß
Pächtiger dafür an Weinfauf 20 Thir. erlegen. Der Kulturbezirk diejes
Vorwerkes iſt nach dem von dem preußiſchen Commiſſario gefertigten
Specialanfchlag zu 637 Thlr. 22 Gr. 17/, Bf. angeihlagen.“
15) „Alle 6 Fahre ift ein Mendeljahr, d.h. es findet eine neue Ver:
pachtung statt, und muß Pächtiger einen Weinfauf von 12 Thlr. zahlen.
Der Kulturbezirf des Vorwerks Lake ift von preußiſcher Seite zu 357 Thlr.
17 Gr. 17%, Pf. veranfchlagt. Übrigens ift befannt, dak die vorigen
Pädtiger bei der Pacht von 200 Thlr. ihr Beſtehen nicht gehabt haben.“
1%, In dem zwiſchen Kloſter Willebadefjen und dem Pächter Hermann
Hordemann abgejchlojjenen Pachtvertrage heift es in Nr. 14: „Soll der
Conduktor alle Handelung mit den Juden |: weilen dadurd; nemeinlich
ein ruin zu präjumiren:: | gäntzlich meiden.” — In Nr. 7: „Was den
Albarer Zehnten betrifft, befommt der Pächter mit der Conductio incor-
porirt vorbehaltlich, dat er davon alle Jahre gegen Martini zahlen wolle
25 Ihlr. und alle Jahre 1 Thlr. Weinkauf.“ — Albaren lag öſtlich vom
Vorwerk Yale am Hoddenberge.
17) Nicht bloß Abtiffinnen, jondern auch andere Klojterfrauen und
Yaien machten nachweislich dajelbit nicht wenige Memporienftiftungen.
124
”) „Das sub 1, 2, 3, 4, 6 aufgeführte Perjonale erhält auf denn
Klojter völlig freie Station, d. h. freies Eſſen umd Trinken, Feuerung
und Licht, Aufwartung, Wäſche und Wohnung. Der Küſter befommt
freie Beköſtigung. — Die geiftlihen Perſonen erhalten noch jährlih ein
jeder drei Heinder. — An hohen Feſt- und fonftigen Rekreationstagen
wird den firchlichen Dienern eine ‘Portion Mein gereicht. — Der Baitor
und Küfter müſſen zugleich den Pfarrgottespienft in der Pfarrfirche wahr:
nehmen, wofür das Klofter vor unendlichen Sahren gewifje Grundſtücke,
welche zur Fundation der Pfarrei gehörten, an fich genommen haben foll.“
9) Es fehlen Bülheim, Ziegelei.
vo.
Negeiten und Urkunden
zur Geichichte der
ehemaligen Benediktiner- Abtei Marienmünfter
unter Berüdjichtigung der früher incorporierten
Piarreien.
Eriter Teil.
Bon der Gründung bis zum Tode des Abts Georg LI. (1128--1518.)
Gejammelt von
Fr. X. Schrader,
Pfarrer zu Natzungen, Kreis Warburg.
— ————— — —
(Fortſetzung.)
Ar. 89.
1304, Dezember 12.
Albert und Günther, Grafen von Swalenberg, befunden,
daß die Knappen Friedrih u. Konrad, Brüder, von Bader:
born, Regelinde, ihre Schweiter u. Kunigunde, Friedrichs
Frau, den von den Grafen zu Lehn gehenden Zehnten zu
Malrede dem Kloiter Gehrden (ecclesie in Gerdene) ver:
fauft haben. Graf Albert u. jeine Söhne Heinrid u. Albert,
jowie Graf Günther, mit Einwilligung jeines Bruders Heinrich,
entjagen allen ihren Rechten auf den Zehnten zu Gunften
des Kloiters.
Zeugen: Mauritius, Graf von Spiegelberg, Bodo,
Edelherr von Homburg, Roland, Ritter von SHolthujen ;
Heinrich von Ermmordeffen, Johannes von Eilinwordefjen
(Eilmordeffen), Friedrid von Mmeſſen, Hermann von
Eicherde, Knappen.
Dat. Swalenberg in vigil. Lucie virg. 1304.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 61.
deögl. zu Detmold fol. 31b und 32,
126
Diefe und die folgenden Nrn. 90 und 92 gehören bierber,
weil der Zehnte zu Malrede im %. 1503 durch Taufchvertrag an
Marienmünfter überging. Vergl. ferner über die Lage von Malrede
die Bemerkungen zu Nr. 92.
Nr. 90.
1304. Dezember 12.
Albert und Günther, Grafen von Smwalenberg, rejignieren
dem Bilchofe Dtto von Paderborn das ius pheodale am
Zehnten in Malrede, welcher von der Paderborner Kirche
zu Zehn geht, und bitten, das Eigentum diejes Zehnten dem
Klofter Gehrden zu übertragen.
Dat. Swalenberg in vigil. Lucie virg. 1304.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 226.
desgl. zu Detmold fol. 32.
Nr. 91.
1304. Dezember 19.
Bertold von Ermwordejien, Knappe, verkauft mit Zu—
ftimmung jeiner Brüder Heinrich und Gottfried, ſowie feiner
Söhne Heinrih und Johannes, dem Propite und der Kirche
zu Wilbodeffen eine Hufe mit dem Zehnten im Felde zu
Honroden, 30 Morgen (iugera) enthaltend, für 18 Hörter’iche
Markt. Sofern Roland oder Bertold, Brüder von Brejen-
hoſen, oder jonjt jemand das Klofter rüdjichtlich der gekauften
Hufe beläftigen follte, verpflichten ji die Brüder Bertold
und Gottfried von Ermwordeſſen, Friedrih von Mmeſſen
und Friedrihd von WBaderborn, Knappen, als Bürgen.
Zeugen: Siegfried in Ermwordeſſen und Johannes in
Pumeſſen, Plebane; Wernher Sumerfalf, Knappe; Johannes
von Addeſſen, Bürger in Nyhem. — Die Ratleute von
Nyhem tiegeln mit dem Stabtjiegel.
Dat. 1304 in Sabbato ante nativitatem Domini.
Siegel zerbrochen.
Vom Original des Willebadefler Archivs im Beſitz des Frei—
berrn von Wrede.
Von tiefer Urkunde enthält da3 Millebadefjer Kopialbuch im
Stadtarhiv zu Dortmund fol. 90 eine alte Überfegung, wo
‚‚Mansus oder Hufe‘ mit „Buwehoff““, „Plebanus’ mit „Paſtor“
wiedergegeben it.
127
Diefe3 Document beweift, daß Ermwordeſſen, jet Erwitzen,
bald nah 1300, wo das Dorf noch als Filiale von Nieheim be:
zeichnet wird, jelbitändige Pfarrei geworden ijt, weil Siegfried als
Pfarrer dajelbft in obiger Urk. ala Zeuge erjcheint. Die Pfarrei
muß ebenjo, wie jpäter 1324 Nieheim, Bömbfen, Steinheim, Vörden
u. Altenbergen, dem Kloſter Marienmünjter incorporiert geweſen
jein, wenn aud die betreffende Urk. nicht mehr vorliegt; dafür
jpricht der Umjtand, dab 1500 Abt Valentin diejelbe als Klojter:
pfarrei (parochialem nostram ecclesiam) einem Alerifer ver:
leiht. In der Folge iſt die Pfarrkirche eingegangen, und Ermiten
gehört Schon geraume Feit ohne Kapelle al3 Filiale zu Pömbfen.
Nr. 92.
1305. April 10.
Biihof Otto von Paderborn überträgt mit Zuftimmung
des Domkapitels dem Kloſter (coenobio sive claustro) in
Gerdene das Eigentum gewiſſer Güter in Malrede, welche
einjt den Knappen von Paderborn gehört, aber der Propſt
gedachten Kloſters erworben habe.
Dat. 1305 in vigil. Palmarum.
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 62.
deägl. zu Detmold fol. 32.
Die genaue Yage von Malrede oder Malride läßt fich nicht
mehr feſtſtellen. Sicher lag der Ort in ummittelbarer Nähe von
Nieheim, da er ftet3 bezeichnet wird: „iuxta oder ante Nyhem“.
Ob die Feldflur „Mallrich“ in der Nähe von Holzhaufen und nicht
weit von Nieheim auf Malrede gedeutet werden darf? Oder follte
der Alurname „Molmsgraben“, der bei Nieheim vorlommt, ich
darauf beziehen? — Um 1036 (VIII. kal.Junii = 25. Mai)
fommt Malrede als Vorwerk des Haupthofes Nieheim vor in der
Reihe der Zehnten, womit Biſchof Meinwerk von Baderborn das
von ihm neu gegründete Stift Busdorf an der Oſtſeite von Pader—
born augjtattete.!) Viele Jahre blieb die Busdorflirhe im unge:
ihmälerten Befite des Malreder Zehnten, bis Biſchof Simon J.
(GE. 9. zur Lippe 1247— 1277), um feinen mehrfach finanziellen
Bedrängnilien abzubelfen, ſich an demſelben vergriff. In einem
Teftamente von 1277 erkennt er nämlih an, daß der Zehnte in
Malrede der Busdorflirhe in Paderborn rechtlich zuftehe, und, was
1) Bergl. Erhard, Reg. hist. Westf. I. Cod. dipl, Nr. 127,
128
er bisher von demfelben bezogen babe, unrechtmäßiger Weife von
ibm erhoben fei.!) Später erhielt das Stift Busdorf den frühern
Beſitz zurüd, weil Bifchof Theodorich (II. von Itter) am 22. November
1315 befundet, daß aus feinem Haupthofe Malride bei Nieheim
jährlih 10 Spilermolder Korn (triplicis frumenti) an das Kapitel
zum Busdorf in Paderborn, dem die Xeiftung unrechtmäßig eine
zeitlang vorenthalten, zu liefern feien.?)
Ferner war das Klofter Willebadefien zu Malrede im 12. und
13. Jahrhundert zu größerm Bejige gelangt. Evergis, Biſchof von
Paderborn, beurkundet 1177 verichievene Schenkungen an gedadtes
Frauenkloſter, namentlich die Übereignung der Güter, welde drei
Brüder Rudolf, Johannes u. Albert zu MWatervelde als Lehn von
ihm beſeſſen und zu Gunjten des Klofters refigniert haben, jowie außer:
dem die Schenkung des Hauſes Malrede und eines dazu gehörenden
Sundern bei Horn.?)
Auch die Schwalenberger Grafen befaßen in Malrede den Zehnten
als bijchöfliches Lehn, welcher durch Kauf in den Beſitz des Kloſters
Willebadejjen überging. Nachſtehende Urkk. haben ſich über den
Erwerb des Zehnten erhalten:
Volquin, Graf in Sualenberg, bekundet, daß die Kirche zu
Wilbodeſſen, vertreten durch Propſt Gerhard und Prior Heinrich,
den Zehnten in Mittel: Malrede vom Ritter Ludolf von Elmering:
bofen und Hildebold von Vinsbele für 23 Mark gekauft habe. Da
Ludolf den Zehnten vom Nitter Ludolf von Hildenfem ala Lehn
befaß, übertrug er ihm denjelben, letterer refignierte ihn dem Grafen
von Schwalenberg als feinem Lehnsherrn. Diefer übermweijet den:
jelben als Paderborner Zehn dem Bifchof Bernhard IV. (E. 9. zur
Sippe 1228— 1247).
Zeugen: Lambert, Pleban zu Sualenberg, Heinrich, Prieiter
in Borhagent); Dietrid von Smwiginghofen und fein Sohn Johannes,
2) Zeitjichrift Bd. 31b Seite 13 und 14.
2) Dajelbit ©. 80.
®) Erhard, Reg. hist, Westf. II. Cod. dipl. Nr. 391. — Watervelde
lag bei Deynhaufen, weitlich von Nieheim; „die dortige Mühle wird
heute die Watervelder Mühle genannt. ber die Yage von Horn
vergl. die Bemerkung zu Nr. 88,
*) Bordagen, wo id) — das ſpäter nach Falkenhagen verlegte
Frauenkloſter befand, lag wahrſcheinlich eine Viertelſtunde nordöſtlich
von Falkenhagen, wo ein „Berkenhagen“ benanntes Forſtgrundſtück
vorkommt. Vergl. Zeitſchrift Bd. 40 b Seite 88 ff. — Swiginghoſen
dürfte mit Wiginghoſen gleichbedeutend jein.
129
Johannes Dalvenfen, Warmund, Wernher Dalmingmworthe und
Wernher, Wernhers Sohn, ſowie Heinrih Lofen. Act. 1242.1)
Im folgenden Jahre am 14. Februar überträgt auch feiner:
ſeits Bifhof Bernhard IV. mit Zuftimmung des Kapitels (con-
sensu nostri conventus) der Kirche zu Wilbodefien das Eigen:
tum des angefauften Zehnten in Mittel: Malride im Beifein der
Zeugen: Jordan, Abt und Heinrih, Cuftos im Abdinghofflofter
(st. Petri et Pauli) zu Paderborn, Prior Adolf zu Gerdene,
Gerung, Canonicus, Albert, Kaplan und Gottſchalk, Priefter; aus
dem Laienſtande: Bernhard, E. H. von Dede, Bertold von Brafel,
Ludolf, Droft (dapifer), Hermann, Marfhall (von Dsdagefien),
Ludolf von Dsdagefjen?), Hermann Spegel, Herbord, Schenk (pin-
cerna), Bertold von Bilenhufen, Albert von Oſthem, Albero von
Heritelle und Hermann, Sohn B.(ernhards) von Dfede. Act. 1243
in palatio nostro Paderbornensi in die beati Valentini.?®)
Der Bürgermeifter (magister burgensium) Gfbert und bie
Ratleute in Stenhem befunden am 29. November 1278, dab vor
ihnen Witwe Greta von Vreſenhuſen mit ihren Söhnen Lippold,
bamaligem Stabtrichter, u. Herbold die Erklärung abgegeben, nad
eingezogenen Erkundigungen hätten fie auf den Zehnten zu Unter:
und Mittel-Malride bei Nihem (in decima Malride inferiore
et medio apud Nihem), weswegen fie Propft u. Convent in
Wilbodeſſen zeitweilig beläjtigt, feinen Anſpruch. — Zeugen: Her:
mann, Pleban (Pfarrer zu Steinheim), Wasmod von Alfwinefjen,
Ekehard Vivus, Heinrich von Gheren, Bernhard Voldemerine, Bern:
hard Piſtor (Bäder), Heinrich von Alfwinefien, Hermann von Schunen ?),
Johannes Blomberg, Heinrich von Kuddeflen, Bernhard von Meg:
henberg (Meinberg), Lutbert Ghubelere, Lutbert Sutor (Schufter),
2) Kopialb. des Kloſters Willebadeifen im Etadtarhiv zu Dortmund,
fol. 34. Unvolljtändiges Regeft: Wilmans Weſtf. U.B. IV Nr. 315.
*) Düdageifen, ſpäter Audaſſen, Audaren ift zwiſchen Germete (bei War-
arg) und dem Waldegſchen Orte Weten zu ſuchen, wo eine Linde
mm Yufterfeib die Lage angiebt. — Bon denen von Osdagejjen, die
fi fortan nad ihrem Amte „Marjchalf“ nannten, fam Amt und
Zehen um die Mitte des 15. Sahrh. an Ludolf von Vlechten, der es
an Hermann m Spiegel (zu P elsheim) überließ. Bergl. Zeitichr.
Bd. 37b ©. 189 ff.
’) Wilmans — U.B. IV Nr. 318.
*) „Schunen“ dürfte eine untergegangene Anfiedlung in der Steinheimer
Teldmarf gewejen jein, wo ein Flurname „Schuine“ in der Nähe des
ftädtiihen Waldes vorkommt.
XLVII. 2. 9
130
Heinrih von Bilrebefe, Wernher Widemhovere !), Konrad von Pole
und Wernher Hufinc. Act. et dat. Stenhem 1278 in vigilia
Andree apostoli.?)
Meitere Erwerbungen machte Klofter Willebabefien in Malrede,
indem es 1348 von den Brüdern Johannes u. Udo Somerkalf
die ihnen dafelbjt gehörenden Güter käuflich erwarb, nachdem zu
diefer Veräußerung die Grafen von Schwalenberg als Lehnsherrn
ihre Zuftimmung gegeben hatten.
Heinrih, Edler Graf in Smwalenberghe u. fein Sohn Heinrich
befunden am 28. April 1348, daß die Brüder Johannes u. Udo,
Knappen gen. Somerfalf mit Einwilligung von Adele, des Johannes
Frau, die Güter in Mallerde bei (juxta) Nyhem, melde fie von
ihnen (den Grafen) zu Lehen getragen, dem Convente zu Wilbodeijen
verfauft haben, nachdem diejelben ihnen zur Überweifung an das
Klofter refigniert find. Die Grafen verzichten auf alles Eigentums—
reht daran zu gunften gedachten Conventes auf Rat und mit Zu:
ftimmung des E. 9. Konrad von Schonenberghe (nostri specialis
amici). Dat. et act. in festo pasche 1348.)
Nah erhaltener Zuftimmung des Lehnsherrn ftellen die Brüder
Johannes u. Udo, Knappen gen. Somerkalf, ſowie Adele, des Jo—
bannes Frau, die Berfaufsurfunde über die Güter in Mallerde bei
ı) „Widemhovere” bezeichnet jedenfalls einen Meier oder Colon, welcher
Pfarrländereien unter hatte, weil die zu Pfarrdotationen gehörenden
Höfe „Widemhöfe“ heißen. Der Ausdrud findet feine Erklärung in
„Widmen, zum Unterhalte der Kirche weihen“. Dafür jpridht, dal;
u Steinheim, Nieheim und jonft nod in der Volksſprache das Pfarr-
—* „Wime“ heißt. Es iſt nicht unmöglich, daß aus „Widemhovere“
ſich ſpäter der Familienname „Widemeyer“ oder „Wedemeyer“ gebildet
hat. Zu dieſer Steinheimer Familie iſt jedenfalls zu rechnen:
Johannes Wedemeyer, welcher um 1516 Canonicus am Stifte St.
Anschar zu Bremen war und in dortiger Erzdiöceſe das Amt des
— * und Officials bekleidete. Er hat ſich in ſeiner Vater—
ſtadt Steinheim noch dadurch ein Andenken bewahrt, daß er am
St. Gallentage (16. Oktober) 1519 den hl. Dreikönige-Altar mit
400 fl. und feinen Erbländereien ausftattete.
2) Kopialb. des Klofters Willebadejjen im Stadtardiv zu Dortmund
ol. 34
®) Original des Willebadefjer Arhivs im Befige des Freiherrn von
Wrede; die Siegel der Schwalenberger Grajen und des E. H. von
ne noch erhalten. — Die Beziehungen Konrade von
Sconenberg zum Grafen Heinrich dem ältern von Schwalenberg finden
darin ihre Erklärung, dat Heinrichs Gemahlin Elifabeth wahrjchein-
lih eine Edle von Schonenbera und Schweiter Konrad: war.
Bergl. Lipp. Reg. II Nr. 913 u. 927,
131
(iuxta) der Stadt Nieheim für das Klofter Willebadefien (religiosis
personis camere seu conventui sanctimonialium ecclesie
in Wilbodessen ord. sti Benedicti) am 29. Mai (in ascen-
sione Dni) dejjelben Jahres aus.!) Insbeſondere erflärt noch
Adela, Frau des Yohannes Somerkalf, am folgenden Tage vor
Biihof Baldumwin von Paderborn, daß ihr an dem von ihrem
Manne verkauften Hofe (curia) tho Mallrede Feine Nutnießung
zuftehe. Zeugen: Konrad E. 9. von Gconenberghe, Diedrich,
Dehant vom Busdorf (orientalis eccl. Paderborn.) und Konrad,
Pleban in Driborgh. Dat. et act. 1348 crastino ascens. Dni.?)
1) Dajelbit mit erhaltenem Siegel ded Johannes Somerfalf, ein links
aufgerichteted Kalb zeigend.
2) Daſelbſt; Siegel abgefallen.
Im Anſchluſſe an die jchon mitgeteilten Urkunden über die Brüder
Joh. und Udo Somerkalf mögen hier nod; aus dem Neuenheerjer Kopialb.
im dortigen Pfarrarchiv einige Nachrichten über dieſelben Pla finden.
Sie enthalten größtenteils Veräuferungen ihrer Befigungen bei Neuenheerje
an das Stift. Udo Somerkalf, der 1352 und 1353 noch ald Knappe er-
jcheint, widmete jich jpäter dem geiftlichen Stande und fommt 1573 bis
1402, wo er zum legten Male fich findet, als Beneficiat zu Neuenheerje
vor; 1414 war er ſchon tot.
1352. Auguft 29. Die Prüder Johannes u. Udo Zomerfalf, Knappen,
befunden, daß fie an „dat Oueregut“ zu Nygenherje, dad wieder eingelöft
jei, nichts zu fordern haben. Zeugen: Heinrich von Wolde und Bertold
von Driburg.
Dat. decollat. st. Johannis bapt. 1352.
Dr. im Kgl. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 52.
1353. Januar 7. Die Brüder SGohannee u. Udo Somerkalf,
Knappen, verfaufen mit Zuftimmung ihrer Schweiter, Bertrad, Adele,
Sohannes Frau und Katharina, deren Tochter, ihre der in der Feld-
marf des Dorfes (villae) Dedelinghufen, den Wald „Hachholt“, den Wald
„Sundere”, defjen Hälfte der Abtijfin von Heerje zugehört, ferner die
„Schotelhove”“ geheifene Hufe zwiſchen den Dörfern Oldenhirje und
Ghunterjen, in der Feldmark „Dldeveld“, der Aebtijfin Se von
Bentheim) und Kapitel zu Heerje, wovon fie diefe Güter um eine jährliche
Leiftung hatten. Bürgen: die Kappen Bertold von Dryborgh und Heinrich
von Nedere.
Dat. 1553 fer. II post Epiphaniam,
Dr. im Kgl. St. U. Münfter, Neuenheerfe Nr. 53.
1373. März 21. Herbolt von Papenheyn, Knecht, ag feine
Frau, Herbold u. Borchard, deren Söhne, Leneke, Ermgard u. Mechthild,
deren Töchter, verfaufen einen Hof zu Senbefe von 4 Hufen, den Wernher
von Albrofe bebaut, der Aebtijfin Sophie (Gräfin von Dldenburg) zu
Heerje und dortigem Stifte für 102 Markt Warburger Pfennige. Deghe-
9*
132
Ferner erwarben auch die Herren von Deynhaufen zu Malrede
Beſitz. Cord Bofe, Noltes Sohn, Knappe, betundet nämlih am
23. Mai 1416, daß er an Johannes den Alten von Oygenhuſen
vier Hufen Landes, nämlich zwei zu Aldagefjen und zwei zu Lütlen:
Mallerde, die Johann bereit? von Burchard von Oydinghujen ber
dingeslude: Sohan van Katerbede, Udo Somercalf, Prieiter; Gord van
Dinterborg, Knecht, Bode des Greven, Pürger zu Pekelſen.
Dat. 1373 am finte Benedictus Daghe des helygen abbas.
Dr. im Kgl. St.A. Münfter, Nenenheerje Nr. 72.
1375. April 1. Udo, Breiter, u. a Knape, abeheten de
Somerkelve, verfaufen mit Qulbord Adelen, ohannes rau, veir Dove
Landes, „ahelegen to Swederjjen“, der Mebtijfin Sophie zu Heerie und
ihrem Stifte, von derdie 4. Öove zu Lehn gehen, für 56 Marf Warburger
Pfennige. Innerhalb der nächſten 24 Jahre wird jährlih Wiedertaur
vorbehalten. Johannes Neynhildi, Archidiaconus (Seyntproveit nu thor tyt
des Stoles to Brafle, fiegelt ald Zeuge. („Schwederjen” wüſt bei Niejen.)
Dat. 1375. Dominica Laetare,
Or. im Kal. St-A. Münfter, Nenenheerje Nr. 74.
1380. Juni 80. Die Brüder Udo, Priefter und Johan Knecht,
de Somerfelve, verkaufen niit Wulbord Adelen, Johannes Frau, 4 Hofe
Sandes, gelegen thome groten Hagn, der Aebtiſſin Sophie zu Heerſe und
ihrem Stifte, wovon fie diejelben zu Lehn hatten.
Dat. 1380 in crastino Petri et Pauli beat. Apostol.
Dr. im Kal. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 80.
1381. November 10. Udo, Breiter, und Sohan, Knecht, Prodre
de Somerkelve, verkaufen mit Zuftimmung Abdelens, Sohannes Frau, ihr
But to Herje, das Somertalves Got geheifen, binnen deme Witbelde
(Weihbild) mit Koten, Garden und Worden der Aebtilfin Sophie to
Heerje und dortigem Stifte, wovon fie das Gut vor Mangot unterhatten,
Zugleich befundet Adele, daß ihr feine Leibzucht oder jonjt Gedinge an
demjelben zuſtehe.
Dat. 1381 an inte Mertines Abende.
Dr. im Kol. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 84.
1387. Juli 13. Hermann, Graf zu Everjtein, jchentt zum Ban
des Münſters zu Heerſe und der Kapelle unjerer lieben Frau zu Ryzele
(Riejel bei Brakel) eine Kotſtede dajelbit, worauf Bertold Wyttelenge
früher wohnte, die ihm vom verjtorbenen Borchard von Steinheim, ber
fein Mann davon war, erledigt ift, während er die Kottitede vom Stifte
zu Heerje in Mannjtatt hatte. Zeugen aus dem Klerus: Dtte Spegel,
Ganonit zu Paderborn, Udo Eomerkalf, Prefter, Bertold von Corbede;
Heyneman von Padbergh und Helmbert von Natezungen, Knappen.
Dat. 1387 ipsa die b. Margarete V,
Or. im Kol. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 89.
1402. — 6. Johannes von NYſtorp (Iſtrup), Knappe, wohn-
haft zu Brakel, giebt Bertholde von Corbeke, Kanonik im Busdorf zu
Paderborn, die Macht, den halben Hofzehnten vom Jaddenhoeff im Kirdy-
in Pfand babe, für die Pfandfumme vertauft habe. Dat. 1416
Sabbatho pro festo ascens. Duni. — Ein Lehnbrief Biſchofs
Simon (III, €. 9. zur Lippe) von Paderborn vom 15. März
1482 für Burdard von Oyenhufjen führt die Ortſchaften in folgen:
der Reihe auf: Aldagefien, Klein: DMallerde, Oſtorpe, Honroden,
alle vor Nieheim gelegen. Da Aldagefien und Dftorpe in der Nähe
von Grternbrof lagen und Honroden bei Holzhaujen an der Straße
nah Brakel zu juchen fein dürfte, jo ift nicht unwaährſcheinlich, daß
LüttensDiallerde in die Nähe von Holzhaufen, dahin, wo der Flur:
name „Mallrich-Siek“ oder ‚„‚Meller:Sief‘’ vorlommt, zu verlegen ilt.
Bergl. Oeynh. Reg. I Rr. 73 und 172.
Nr. 93.
1309. Februar 3.
Hermanı, Graf von Pyrmont, feine Gemahlin Xut:
gardis, Gottichalf, ihr Sohn, u. Hildebold, Hermanns Bruder,
ichenfen der Kirche ste. Marie genitricis Dei in Monasterio
das Eigentum aller Güter, welche Knappe Bertold, genannt
Scoppen, von ihnen in u. außerhalb des Dorfes Eilbrachteſſen
in Belig hat.
Dat. 1309 in crastino purificat. b. M. virg.
Kopialb. zu Grevenburg Nr, 63.
deögl. zu Detmold fol. I1b.
Vergl. über Bertold Scoppen Bemerkung zu Ar. 71.
Ipiel zu Yftorp, van Hern Gorde Remenjnidere, Breiter, Gorde, ſyme
Sonne, unde eren Erwen, welchen er denjelben verichricehen hatte, zu ac
Zeugen: Ude Sommertalff, Her Vertold von Sydincujen u. Her Zohan
Syverdes, Priefter, belehnt zu Heerſe.
Dat. 1402 in die b. Nycolay conf.
Dr. im St.A. Münſter, Neuenheerſe Nr. 105.
1414. Mai 13. Hadewigh (von Spiegelberg), Aebtiſſin zu
Heerſe, Schentt twe Hove Yaudes in der Marfe to Swederjen de nu
tor Tyt buwet Herman Brofies, de to Nyhuſen wonnet, die erledigt
find van Dodes weghene jalighen Hern Uden Sommerfalves, Breiter, belenet
in dem Stifte to Heerſe, ume Woldaet unde truwen Denft, den Her
Udo dem Stifte ghedaen hevet, zu einer Memorie für denjelben up junte
Serwatius Dag.
Dat. 1414 ipso die b. Serwatii ep.
Dr. im Kol. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 113,
134
Nr. 94.
1310. März 1.
Ermegard, Witwe des Knappen Werner Sumerfalf,
Bertold u. Werner, ihre Söhne, verkaufen dem Pleban
(Pfarrer) Johannes in Pomeſſen ihre Hufe (mansus) in der
Billa Emerife, welche vom Ritter Burchard von der Aſſeborch
zu Lehn geht, für 10 Mark Hörterfche Denare und reiignieren
fie dem Ritter zur Ueberweiſung (ad proprietandum) an bie
gedachte Kirche.
Zeugen: Borhard, Pleban in Holthufen,; Johannes
von Eilmordeffen, Gottfried von Ermmordefien, Ritter.
— Konrad und Albert von Addeſſen, Bürgermeifter (pro-
consules), $ohannes von Merlhofien, Hermann Meje, Volg:
win, Johannes Dormitor, Konrad (von) Herburg, Hermann
Stenhus, Heinrich Crispus (Krufe), Diderih von Emerife
und Bertold von Addeſſen, Ratleute (consules) in Nyhem
fiegeln auf Bitten Ermgards u. ihrer Söhne.
Dat. 1310. Dominica post Mathie.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 64.
desgl. zu Detmold fol. 21.
Gedr.: Ajjeburg. U.B. IL, 60. Nr. 673,
Bergl. Nr. 95, 96 u. 99; Ztſchr. Bd. 32b ©. 120 u. 121.
Werner Somerkalf (1300. Nr. 88), verheiratet mit Erme:
gardis, hatte zwei in Urkk. von 1331 erwähnte Söhne, Berthold
u. Werner, von denen erjiterer 1315 auch B. von Erdenemiſſe
beißt. Berthold fommt noch 1341, 1343 und 1346 vor,
Nr. 95.
1310. März 1.
Bordhard von der Aſſeborch, Nitter, übermweijet auf Ans
trag Ermegards, Witwe des Knappen Werner Sumerfalf
und deren Söhne Bertold und Werner die von ihm zu Lehen
gehenden Hufe im Dorfe Emmerife der Kirche in Pomeſſen
zum Gebraude des dortigen Pfarrer (plebani) mit Zus
ftimmung Agnes, feiner Frau, u. feiner Kinder Bertold,
Sohannes, Werner, Alheid, Ermgard u. Sophia,
Dat. Dominica post Mathie 1310.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 65.
deögl. zu Detmold fol. 21.
Gedr.: Affeburg. U.B. II, 60. Nr. 674,
135
Kr. 96.
1511.
Johannes von Eylmwordeiien, Ritter; Johannes Holt-
gravius dietus de Bodinchtorpe (Böfendorf), Gottfried von
Ermwordeſſen, Knappen; Johannes u. Albert, Brüder von
Addeſſen, u. Hermann von Horne, Bürger von Nim, befunden,
daß der Pleban Johannes in Pomeſſen eine Hufe in Em:
merfe, welche er früher von Ermegardis, Witwe Werners
Somerkalf, u. ihren Söhnen Bertold u. Werner gefauft, den
Kaufpreis dafür aus eignen Mitteln bezahlt und feiner Kirche
geihenft habe. In ihrer Gegenwart habe er diefe Schenkung
unter der Bedingung gemadt, er wolle für den Fall, daß er
auf die Pfarrei verzichte, dennoch die Hufe auf Lebenszeit
in Beſitz behalten, aber nach jeinem Tode jolle fie Eigentum
der Kirche zu Pömbſen werden.
Dat. 1311.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 66.
deögl. zu Detmold fol. 22 u. 23.
Nr. 97.
1314. April 23.
Günther, Graf von Schwalenberg, befundet,%daß Her:
mann, genannt Schillingh, Meytildis feine Frau, Adolf, Jo:
bannes, Hermann, Heinrih, Gerburg, Jutta, feine Kinder,
die Hälfte feines Hofes (curie) im Dorfe Holthufen, welche
diefer von ihm zu Lehn erhalten, der Kirche in Monasterio
verkauft und ihm refigniert habe. Graf Günther genehmigt
mit Einwilligung feiner Kinder Adolf u. Agnes den Verkauf
und eignet die Hälfte obigen Hofes dem Caritaten:Amte im
Klojter zu Münfter zu (officio caritatis eiusdem ecclesie
in Monasterio).
Zeugen: Patruus noster, dilectus comes Albertus de
Sualenberg, Henricus comes et Albertus domicellus, filii
eius; Florinus von Holthufen, Ritter; Hermann, Kaplan
auf der Burg Sualenberg, Heinrich von Aınmefjen ‘und Her:
mann von Dudenhufen.
Dat. 1314 in die Georgii mart. gloriosi.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 68.
deögl. zu Detmold fol. 26.
136
Nr. 98.
1314. November 30.
Die Grafen von Schwalenberg übertragen das Patronat
der Kirche zu Sommerfell an das Kloſter Marienmünfter.
Nos Albertus et Gunterus, comites et domini de
Sualenbergh, cupimus et volumus ad communem omnium
noticiam deportari, quod nos cum pleno assensu et con-
sensu domini Henrici Hildessemensis ecclesie canonici,
nostri domini Alberti!) comitis prelibati fratris, Henrici
nostri filii, Elisabeth, uxoris sue et omnium heredum
ipsorum videlicet Borchardi, Henrici, famulorum, Elisa-
beth, Jutte, Ermegardis, Willice, Mechtildis et Alene,
et Alberti nostri domini Alberti comitis premissi filii,
necnon cum consensu Adolphi, nostri domini Gunteri
comitis supradicti filii, et Agnese filie nostre, et cum
quorum debuit et merito potuit esse voluntate omnia
iura nostra etiam cum jiure patronatus, que hucusque
in ecclesia ville Sommersilen habuimus et quovis modo
habere dignoscebamur, ecclesie et conventui in Monasterio
damus et dedimus, tradimus et tradidimus presencium
sub noticia pure et penitus propter Deum et excellen-
tissime Virginis Marie ob honorem et incontaminatam
dilectionem, peticionemque honorabilis viri domini Her-
mani, prepositi monasterii Gerdene, dicti de Mengerssen,
in perpetuum sine contradictione et impeticione cuius-
libet nostrum vel nostrorum quiete et pacifice possidenda:
Et volumus iam premissa per quemlibet nostrum et
nostrorum in futurum successorum grata et rata omni-
mode observari, ita tamen quod quicunque plebanus pro
1) Statt „Alberti“ dürfte vielleicht „Gunteri* richtiger ſein. Obſchon
ſämtliche Kopialbüher — Original nicht mehr vorhanden — an diefer
Stelle Alberti haben, jo haben wir doc; geglaubt, jtatt dejjen Gunteri
eımendieren zu jollen, weil der Hildesheimer Domherr Heinridy nad:
weislich der Sohn Adolfs ift und deshalb Günthers Bruder. Wollte
man annehmen, daß „Alberti“ richtig wäre, To folgte daraus, daß
es außer dem bereits um 1279 veritorbenen Heinrich, Bruder Adolfs
und Alberts, uoc) einen zweiten Heinrich in jener Öeneration gegeben
hätte. Cohn hat in feinen Stammtafeln — ——— auf Grund
dieſer Urk. — einen zweiten Heinrich als Bruder Adolfs u. Alberts
angenommen.
tempore et ad tempus ab abbate et conventu in Munster
in predictam ecclesiam Summersile fuerit institutus, de pen-
sione, pro qua!) sepedictam ecclesiam convenerit seu
sibi locatam noverit, perpetuo lumine ipsi ecclesie Mo-
nasteriensi in honorem virginis gloriose sine aliqua con-
tradictione et murmuracione gratanter providebit: et
preterea si de predicta pensione ultra lumen aliquid
superfuerit, hoc totum in tegminis melioracionem claustri
in Monasterio et ecclesie fideliter convertetur. In cuius
rei evidens testimonium sigilla nostrorum videlicet do-
mini Alberti, domini Gunther et nostri domini Hinrici
comitis, fili domini Alberti comitis suprascripti, sub
quibus nos scilicet dominus Henricus canonicus Hildesshe-
mensis et omnes, ut supra sumus tacti, recognoscimus
presentia esse vera, presentibus sunt appensa.
Testes: Dominus Conradus, plebanus in Sualenberg;
Floreco miles dietus de Holthusen; Theodoricus de Bige,
famulus, Bertoldus de Keminate et Lippoldus Longus,
famuli, et alii quam plures fide digeni. Datum anno Do-
mini millesimo trecentesimo XIII’, ipso die Andree
apostoli.
Nah dem Kopialb. zu Detmold fol. 28.
deögl. zu Grevenburg Ar. 69.
Nr. 99.
1315. „uni 29.
Ritter Burchard von der Ajjeborch befundet, daß am
Tage Petri und Bauli der Prieiter Johannes, früher Pleban
in PBumefjen, bei ihm fich bitter darüber beflagt, er werde
von dem Sinappen B.(ertold) von Erdenemiſſen belältigt
wegen einer Hufe, die er von diejem, jeiner Mutter und
feinem Bruder gefauft habe; jett behaupte der Knappe
Y.(ertold) von Erdenemiffen, daß ihm das Wiederfaufgrecht
eingeräumt fei bezüglich der Hufe. Darauf erwidert Burchard
von der Nijeborh, daß jener Verkauf in jeiner Gegenwart
jtattgefunden, vom Vorbehalte des Wiederfaufs feine Rede
gewejen und niemand außer ihm Lehnsherr der Hufe jei.
1) Kopialb. G. fol. 1 hat „que sepedietam ecelesiam*,
#
138
Zeugen: Die Pfarrer (plebani) B.(ertold) in Brafele
und Helmic in Jftorpe; Heinrih von Ermwordeſſen, Ever:
hard von Mengherſſen und Anton von Iſtorpe, Knappen.
Dat. 1315, die quo supra.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 67.
deögl. zu Detmold fol. 24 und 25.
Gedr.: Affeburg. U⸗B. IL, 89 Nr. 754.
Nr. 100,
1317. September 14.
Hermann, Graf zu Pyrmont, verkauft mit Einwilligung
ſeines Bruder8 (domicelli) Hildebold, feiner Gattin Lut—
gardis, Gottſchalk u. Hermann, feiner Söhne, der Kirche und
dem Klofter zu Münfter bei Schwalenberg die zwei Zehnten
in den Dörfern (villis) Eckwordeſſen und Alfwenefien, wofür
Abt Hermann von Mengerjien die Kaufſumme bezahlt hat.
Zeugen: Die plebani Ludolf von Dldenberge und Ludolf
von Scydle (wahrſcheinlich Scydere); Hermann von Otterjen,
Knappe.
Dat. 1317 in exaltatione s. Crucis.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 146.
deögl. zu Detmold fol. 14b.
In diefer Urt, kommt Hermann von Pengerjien, auch ber
Weife (Sapiens) genannt, zum erjten Male als Abt vor. Wer
fein unmittelbarer Vorgänger war, läßt ſich nicht angeben. Alrad,
der von 1290—1298 vorlommt und nur 10 Jahre regiert haben
ſoll, kann es jchwerlich geweſen fein.
Hermann wurde nach dem Tode des Propſtes Konrad, welcher
von 1295 März 13— 1304 Juni 5 vorkommt, Propſt des Nonnen:
kloſters Gehrden und ericheint als folder in den Jahren 1305 —
1314 November 30, worauf ihm als Propft Johannes, genannt
von Smwalenberg (ſchon 1315 und noch 1319 in exaltat, s.
Crucis) folgte,
Darnadh dürfte Hermann 1315 zum Abt von Marienmüniter
gewählt fein,
Vergl. das Gehrdener Kopialb. in Zeitihr. Bd. 39b ©. 6 ff.
und Afjeburger U.B. Iu. II. — Eckwordeſſen foll in der Feldmark
von Steinheim zu fuchen jein, feine Lage läßt ſich aber nicht mehr
feſtſtellen. Alfweneſſen, Alleweneſſen oder Alvenjen, auch Lütlen:
Steynhem (1470) genannt, kommt bis 1580 -vor und war um
139
1613 nicht mehr vorhanden. Der Drt lag in ber Feldmark von
Steinheim zwiſchen der Stadt und dem Steinheimer Holje am fog.
Berge. Die benachbarten frühern Waldparzellen „Stübbe“ und
„Burholt“ bildeten die Mark des Dorfes. Die Vorbemerkungen
im Kopialb. D. haben darüber folgendes: „In Alvensen sunt
16 mansi, de quibus 12 nobis dant decimam, reliqui 4
sunt liberi a decima. Silva Stübbe pertinet ad illam
marchiam, item silva Burholt, et in illa Johannes Stock-
fisch, adhuc plebanus in Steinheim (1461), usus est lignis
quercinis.“
Vergl. Nr. 103, 104 u. 118.
Nr. 101.
1324. Februar 22.
Bernhard (V.,E. H. zur Lippe), Biſchof von Paderborn
genehmigt auf Bitte Abts Hermann von Marienmünfter Über:
tragung von Burg und Stadt Vörden an das Stift jeitens
des Klofters und incorporiert legterm die Pfarreien Nieheim,
Pömbjen, Altenbergen, Steinheim und Börden.
Bernhardus Dei gratia Paderbornensis ecclesie epis-
copus salutem omnibus in perpetuum. Que coram nobis
perpetuo duratura in memoria digna geruntur, ne per
oblivionem tollantur, expedit, ut scripture testimonio
posteris innotescant. Noverint igitur universi et preci-
pue illi, quorum interest, quod Hermannus abbas et
tetus conventus monasterii, dicti „Monasterium prope
Swalenberge“ ordinis sancti Benedicti, nostre diocesis,
provida deliberatione prehabita, considerantes statum
terre sibi circumiacentis esse periculosum et bona sua
temporalia iacere absque cultoribus miserabiliter desolata,
nec adesse sibi temporales facultates, sine quibus cultus
divinus libere exerceri non potest, unde fratribus de
conventu victualia et cottidiana stipendia ministrentur.
Et quod contra cottidianos predonum et invasorum loci
illius insultus ultra subsistere non valent, nisi adsit eis
temporalis dominii presidium opportunum: propter quod
ad nos et ecclesiam nostram, de qua maxime bonum
presumunt, fiducialiter confugientes, personas suas et
omnia bona sua mundana per nexum colligationis in-
dissolubilis nobis subdiderunt et firmiter astrinxerunt,
140
ut preter nos et successores nostros atque ecclesiam
nostram nullum querere, requirere et assumere dominum,
defensorem, advocatum aut tutorem valeant in perpetuum
temporalem. Nosque et successores nostri atque ecclesia
nostra abbatem et conventum de Monasterio et omnia
bona eorum defendere atque tueri constanter tenebimur
pro omnibus viribus nostris contra invasores et oppres-
sores, quorumcunque dolo, fraude et negligentia penitus
exclusis, ut sub alis protectionis nostre et successorum
nostrorum pacis amenitate et rerum temporalium uber-
tate, prout deus donaverit, securius perfruantur. Et sı
occasione colligationis et subiectionis abbatis et conventus
predictorum a comitibus de Swalenberge seu ab aliis
quibuscunque, cuiuscunque simt conditionis, sexus aut
status, impugnantur, opprimuntur vel inpetuntur, eos &
talibus oppressionibus debemus iuxta omnem nostram
possibilitatem defendere et efficaci defensionis subsidio
preservare. Per hanc tamen colligationem nullum ius
speciale in bonis predicti Monasterii nobis aut nostris
sussessoribus acquiritur, ut in hominibus et bonis Mo-
nasterii eiusdem aliquas petitiones facere vel quidquam
temporalis commodi querere, petere vel exigere debea-
mus, sed solam defensionem et conservationem hominum
et bonorum Monasterii eiusdem, ut est dietum. Item
predictus dominus abbas et totus conventus de Mo-
nasterio post plures deliberationes et post diversos
tractatus solemnes, qui in factis huiusmodi de juris
precepto precedere et premitti debent, ex speciali dilec-
tione et propter firmam spem, quibus circa nos et ec-
clesiam nostram cum charitatis zelo moventur, pari voto,
unanimi voluntate atque cum expresso consensu omnium
illorum, quorum consensus ad hoc fuerat merito requi-
rendus, donaverunt nobis, successoribus nostris et ec-
clesie Paderbornensi donatione vera, perfecta atque in
perpetuum valitura munitionem suam, videlicet castrum
et opidum dietum „to demVorde“, cum omnibus suis
iuribus, iurisdietionibus et specialiter cum alto iudicio,
quod „gogerichte“ vulgariter dicitur, agris, campis, silvis,
nemoribus, terris cultis et incultis, viis et inviis, aquis,
aquarumque decursibus, piscinis, cum decimis et ceteris
141
pertinentiis universis, prout hec omnia comprehenduntur
et includuntur sub metis, finibus, terminis seu limitibus
inferius annotatis.
Quod quidem castrum et munitionem abbas et con-
ventus predicti in solo fundo proprio suo suis propriis
sumptibus exstruxerunt, nihil iuris sibi retinentes seu
reservantes ibidem, nisi solam ecclesiam in eodem opido
constructam et quatucr mansos in campo a decima so-
lutos, unam piscinam ante oppidum et unum molendinum,
quod eidem piscine adiacet, que cum una area ad hoc
convenienti ad dotem illius ecclesie iugiter permanebunt.
Isti vero sunt limites et termini, in quibus conclu-
duntur agri et cetera iura ad oppidum Vorde pertinentia,
et incipiunt a via, qua itur de Brakle ad monasterium
Munster prope Abbenborgh ascendendo ad piscinam cha-
ritatum, piscina ipsa exclusa, et a piscina ipsa usque
ad molendinum Snaghermollen, molendino excluso, et a
molendino citra montem Sculenborgh, monte ipso incluso,
et per medium vallis intra montem Sculenborgh et Mo-
nasterium ascendendo ad viam, que dicitur Münsterwech,
qua itur a Monasterio in villam Wenden per silvam
dietam Mönsterholt, monte Hungherborg incluso, usque
ad vias Scratwegen, et transeundo viam Scratwegen ad
villam Wenden prope tyliam in sinistra parte ville, tylia
in supercilio montis exclusa, et sic a villa Wenden di-
recte procedendo ad viam, qua itur de Oldenborgh versus
Huxariam et deinceps per paludem Woldessen ad locum,
ubi terminatur Elwordessere Marke, et ab illa marka
directe transeundo ad Oldenbergere Marke, piscina tamen
Woldessen apud Monasterium remanebit, item ab Olden-
bergere Marke ad locum dietum Swinessgrave et ab
hoc eirculariter redeundo ad viam Brakelen, qua itur
ad Monasterium prope Abbenborgh, de qua signa ter-
minorum et limitum, ut supra scribitur, sumpserunt
initium.
Ex hac larga et devota donatione nobis et ecclesie
nostre factaperpendere debent nostri successores, se ad
protectionem dicti Monasterii et bonorum ipsius, etiamsi
labores et expense eis in hoc accrescant, non frustra,
sed ex debito obligari.
142
Nos etiam ut eandem liberalitatem gratitudine
condigna perpendere et respicere dinoscamur de bene-
placito, voluntate et consensu totius capituli nostri et
nominatim domini Borchardi de Asseborch, loci illius
archidiaconi, dotes ecclesiarum atque ecclesias in Nyhem
et in Pomessen ac in Öldenberge et quatuor mansos
ante opidum Nyhem sitos, nobis et ecclesie nostre per-
tinentes a decima absolutos, et duas areas in Nyhem,
quarum unam inhabitavit plebanus, et alteram eidem
contiguam, que fuerat Hermanni de Horne, ut ex illis
fiat una area dotalis, ab omni servitio et onere civitatis
quitam et liberam, donamus donatione vera, perfecta et
similiter in perpetuum valitura atque incorporamus cum
omnibus suis iuribus et pertinentiis abbati et conventui
de Monasterio supradicto, ut eedem ecclesie una cum
ecclesia Stenhem et ecclesia in Vorde sint in potestate
abbatis et conventus de Monasterio. Et quod abbas
ecclesias suas per suos monachos, viros tamen idoneos
ad suum beneplacitum ponendos et revocandos seu
removendos ex causa dum viderit expedire, gubernari
faciat, et fructus, proventus seu obventiones ab eisdem
ecclesiis recipiat, ex quibus indigentiam fratrum sui con-
ventus amplius relevare queat: iura tamen ligna rese-
candi in Marke Oldenberge ad dotem ecclesie hactenus
pertinentia, que „Echtwort“ in vulgo nuncupantur, nobis,
nostris successoribus et ecclesie specialiter reservamus
et ad munitionem Vorde volumus iugiter pertinere.
Item de consilio et consensu capituli nostri cassa-
mus et irritamus litteras predecessoris nostri super
translatione facienda per abbatem et conventum pre-
dictos de Monasterio ad oppidum Stenhem confectas,
sed potius decernimus, ut in loco sue prime fundationis
de cetero permaneant, ut loci illius fundatores sua spe
et devoto proposito non frustrentur, qui congregationem
monachorum ibidem instituerunt et ibidem permanere
perpetuo decreverunt, ipsasque litteras declaramus de
cetero nullius existere firmitatis eo salvo, quod ecclesia
in Stenhem cum sua dote et ceteris pertinentiis incor-
porata remaneat Monasterio supradicto, et abbas Mo-
nasteri), qui pro tempore fuerit, per nos ac successores
143
nostros speciali quadam prerogativa honorari dinoscatut‘
Quotiescunque abbas Monasteriensis post electionem de
se fectam confirmatus fuerit ab episcopo Paderbornensi,
tunc curam animarum ecclesiarum in Stenhem et in
Nyhem, in Pomesen, in Vorde et in Aldenberghe, que
ab archidiacono loci hactenus tenebantur, recipere debet
ab episcopo Paderbornensi, cui etiam de iuribus epis-
copalibus, quantum ad ecclesias illas, integre respondebit.
Nos etiam et successores nostri, qui collationes predic-
tarum quinque ecclesiarum in potestatem abbatis Mo-
nasteriensis et suorum successorum transtulimus, pro
aliquali recompensa potestatem habebimus conferendi
in Monasterio ex nunc et in perpetuum tertiam preben-
dam, quam ibidem vacare contingit, persone tamen ydonee
et ad regularem institutionem apte. Que quidem per-
sona recipietur absque difficultate a fratribus conventus
secundum consuetudinem, que circa monachos ibidem
de novo receptos a retroactis temporibus esse dinoscitur
obseryata. Quotiescunque vero abbas predictus in pre-
fatis quinque ecclesiis seu in altera ipsarum novos rec-
tores ponere decreverit, totiens destinabit eos ad loci
archidiaconum, ut sibi solum quoad observantiam et
executionem mandatorum suorum obedientiam repro-
mittant. Ipse enim abbas seu confratres sui, qui pre-
dietis ecclesiis presunt, archidiaconum loci vel eius sub-
stitutum temporibus illis, dum synodis president et pre-
sidere consueverunt archidiaconalibus, honorifice recipere
et decenter procurare tenebuntur, sicut hactenus fieri
est consuetum. Cum autem monachi illi, qui predictas
regunt ecclesias, decedunt vel ad mandatum sui abbatis
recedunt, loci archidiaconi iura illa, que communiter
vocantur synodalia, et que a secularibus clericis dece-
dentibus suis archidiaconis exhiberi consueverunt, dare
et persolvere, cum monachi proprium non habeant, nulla-
tenus tenebuntur, nec archidiaconus loci talia iura debet
requirere seu petere ab iisdem, sed in recompensam
istius emolumenti abbas Monasteriensis et eius successores
archidiacono in Stenhem, qui pro tempore fuerit, unam
marcam denariorum in Susato legalium in die b. Galli
confessoris in Paderberne singulis annis futuris nomine
pensionis annue presentabunt,
144
In signum etiam recognitionis huius donationis et
liberalitatis per nos et ecclesiam nostram facte Monasterio
supradicto de omnibus prenominatis quinque ecclesiis
dabit abbas Monasteriensis capitulo nostro singulis annis
in die b. Liborii confessoris viginti et quatuor libras
cere, de qua fieri debent duo cerei magni, omni die ad
missam in superiori choro ante altare b. Liborii post
prefationem accendendi et nullatenus extinguendi tamdiu,
quousque elevatio salutaris hostie et calicis cum omni
reverentia plenius sit completa. Ut autem presentis or-
dinationis perpetuus contractus fideliter et inviolabiliter
observetur, presentes litteras desuper confectas conscribi
et sigillorum utrarumque partium nostro scilicet et ca-
pituli nostri et abbatis atque conventus de Monasterio
parte ex altera appositione litteris presentibus sub una
forma et tenore duplicatis ad perpetuam rei memoriam
fecimus communiri. Nos vero Hermannus abbas et con-
ventus de Monasterio prope Swalenberge, supradieti
omnia et singula superius in presentibus litteris con-
scripta recognoscimus esse vera et ad firmandam gesto-
rum huiusmodi veritatem sigilla nostra presentibus
duximus apponenda. Testes huius rei sunt: Ludolphus
decanus ecclesie sanctorum Petri et Andree apostolorum
Paderbornensis, Henricus decanus Nove ecclesie sancti
Petri in Huxaria, Bertholdus plebanus in Brakle, Ly-
borius notarius dieti domini Bernhardi episcopi, Ever-
hardus de Mengersen, Ölricus de Nedere, famuli, et
alii quam plures fide digni. Datum Paderborne anno
Domini millesimo trecentesimo vigesimo quarto, in die
beati Petri apostoli ad cathedram.
Driginal im Staat3ardiv zu Münfter, Fürſt. Paderborn, mit
den Siegeln des Biſchofs u. des Domkapitel, fowie de Abts u.
Convents von Marienmünfter. Im Klojterardive war das Driginal
verloren gegangen und nur noch aus Abfchriften befannt. Solche
finden fih im
KRopialb. zu Grevenburg Nr. 70 und
beögl. zu Detmold fol. 15—17.
Gebr.: Schaten, Apn. Paderb. II ad ann., nicht ganz
correct, — danach: (Landrat v. Metternich) Beichreibung des Kreiſes
Hörter (1870) I. Anhang S. 76.
145
Nr. 102.
1328. Dezember 7.
Bertold, Richter, Bertold von Addeſſen, Hermann Meyfe,
Bürgermeifter (proconsules), Heinrih Kruſe, Konrad Borne-
mann, Konrad von Addeſſen, Dietrich Losbefe, Hildebrand
von Oynhuſen, Ludolf von Hörter, Gottſchalk Schilling,
Konrad von Andepe, Heinrih von Emmerfe und Siegfried
Godeking, Ratleute (consules) der Stadt Nyhem bezeugen,
daß vor ihnen ihr Mitbürger Konrad von Ringeldeſſen mit
Zuftimmung feiner Frau Kunigunde u. jeiner Söhne Konrad,
Hermann u. Johannes dem Prieſter Hermann, Kapellan zu
Smwalenberg, für ein Darlehen von 6 Mark Brafeler Denare
(Pfennige) eine Rente von 6 Schillinge (solidi) Brafeler
Denare aus feinem Beligtum zu Nyhem (de domo sua, de
area, de hereditate sua infra oppidum Nyhem) und aus
einem Garten außerhalb der Stadt vor dem Niedernthore
(ante valvam inferiorem) verjchrieben habe, jährlich auf
Michaeli zu bezahlen.
Dat. 1328 in crastino Nicolai ep. et conf.
Kopialb. zu Grevenburg = ‚rı.
Vergl. Oeynh. Regeſt. I Nr.
Da im Mittelalter die Er von Zinfen nicht erlaubt war,
jo wandte man die üblihe Maßregel an, den Zinsbetrag in eine
Jahresrente zu verwandeln, weldhe dem Gläubiger unter ber Be
dingung des Rückkaufs vonfeiten des Schuldners verfauft wurde.
Obige Pfandihaft wird jpäter in den Beſitz des Klofters ge:
tommen jein, weshalb es ſich erflärt, daß diefe Urkunde in den
Kopialbüchern vorlommt.
Cine alte Randbemerfung im Kopialbuche bejagt: De illa
domo nemini constat, sed de horto quodam ante illam
valvam accipimus 6 gl., et illum nunc habet Hermannus
Satsen.
Nr. 103.
1328. Dezember 20.
Gottſchalk, (nobilis domicellus) Graf von Pyrmont,
eröffnet den Knappen Konrad u. Ernit Brüdern, genannt
Teden, aus der Urkunde feines veritorbenen Baters (Hermann)
und aus einer Mitteilung feines Oheims (avunculi), des
Grafen Heinrich von Swalenberg, habe er erjehen, daß das
XLVII. 2, 10
146
Lehnrecht (iura pheodalia) am LZehnten zu Alveneffen dem
Abte Hermanı von Mengherken in Mönfter gehört, weil
dieſer dafjelbe von jeinem Vater gekauft habe. Deshalb er:
Kart er die den Brüdern Teden gegebene Belehnung (collatio
feodalis) für ungültig und meijet fie an den Abt; zugleich
will er das aud) für feinen Bruder Hermann gewährleiften.
Dat. in vigilia Thome 1328,
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 72.
desgl. zu Detmold fol. 14b.
Nr. 104.
1329. Sanuar 7.
Gottſchalk, (nobilis domicellus) Graf von Pyrmont,
befundet, daß er den durch feinen Vater (Hermann) mit dem
Abte Hermann von Mengerien zu Münſter iuxta Swalen-
berge und dem dortigen Convente vollzogenen Verkauf der
Behnten in den Dörfern Echmwordeffen und Alveneifen mit
einer Curie in Alvenejjen genehmigt habe, nachdem aud) fein
Dheim Graf Heinrih von Smwalenberg darüber Auskunft
erteilt, und will das Klofter rüdjihtli obiger Güter nicht
weiter beläjtigen, jowie auch für feinen Bruder (domicellus)
Hermann volle (plenam et iustam warandiam) Gewähr
leiften.
Zeugen: Der Nitter Walter Poſt; die Knappen Ger:
lag von Vespere und Heinrich von Uppenbrofe, Winand ge:
nannt Löff und Johannes genannt Steder, Bürgermeifter
(proconsules) in Lüde.
Dat. in erastino epiphanie Dni 1329.
Kopialb. zu Örevenburg Nr. 73.
desgl. zu Detmold fol. 14.
Nr. 105.
1329. März 25.
Florinus von Vreſenhuſen, Ritter, verfauft mit Zu—
ftimmung des E. 9. Heinrich Grafen von Smalenberg zwei
Hufen in der Feldmark von Dftorpe beim Dorfe Addefjen
dem Abte und Gonvente s. Mar. virg. iuxta Swalenberg
zu Münfter für 20 Mark Herforder Denare. Florin von
147
Vreſenhuſen und Heinrih, Graf von Swalenberg, von dem
als Lehnsheren diefe Güter herrühren, ‚behalten fi das
Wiederkaufsrecht für obige 20 Mark vor.
Dat. in annuntiacione Marie virg. 1329.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 74.
Bergl. Nr. 108 und 113.
Nr. 106.
1330. Mai 27 bis Juni 3.
Simon (1.), €. 9. zur Lippe, vertaufcht dem Klofter zu
Münftere drei Hufen Aderland bei Bredenborn gegen drei
Hufen bei der Burg Oldenburg.
Dat. 1330 infra octavam Pentecostes.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 75.
deögl, zu Detmold fol. 15.
Bergl. Lipp. Neg. III. Nr. 1514.
Nr. 107.
1330. Juni 25.
Bertold, Abt des Kloſters s. Pauli (Abdinghof) zu
Paderborn, befundet, daß der dortige Klofterbruder und Küfter
Sohannes von Swalenberge, weldyer vom Abte und Gonvente
zu Munſter bei Smalenberg den Niekbraud einer Curie im
wüjten Dorfe Swiderbejjen habe, dieien an Amelung, Rektor
der Altjitadt Wardberg, zu deſſen Lebzeiten abgetreten mit
der Verpflichtung, die Zujtimmung vom Klojier Münſter
einzubolen.
Dat. 1330 in crastino nativ. bti Joannis bapt.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 76.
Derjelbe Rektor Amelung kommt auch in bdemfelben Jahre
März 7 als Zeuge vor in Urk. Biſch. Bernhard von Paderborn. -
Aſſeb. U.B. IL, 158 Nr. 927.
Nr. 108.
1331. Dezember 15.
Gerhard, Florentius u. Heinrich, Brüder, genannt Hagen:
inidere, befennen, daß Ritter Florentius von Vreſenhuſen,
ihr Verwandter (cognatus), mit ihrer Genehmigung dem,
10*
148
Abte Hermann u. Eonvente der Kirche zu Mönfter 2 Hufen
in Oftorpe verfauft habe. Weil fie fein eigenes Siegel haben,
fiegeln Florentius Ritter von Holthufen !) und der Prieiter
Konrad, Pleban in Holthufen, für fie.
Dat. 1331 dominica post Lucie.
Kopialb. D (1. 129) im Staatdardhiv zu Münfter fol. 23.
deögl. zu Grevenburg Nr. 77, wo die Ausſteller der Urf.
„Hagenfinde‘ heißen.
Nr. 109.
1332.
Siegfried Boze, Knappe, befennt, er habe auf Lebens:
zeit vom Abte u. Convente des Kloſters Münfter Güter im
Dorfe Weldrinddorpe als Lehn erhalten mit der Verpflich>
tung, einen „Kluten“ Fett zu liefern.
Dat. 1332.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 78.
Unter Meldrinddorp dürfte Wellentrup im Amte Schieber,
Fürftent. Lippe, zu verftehen fein, wofür auch Walderingtorp vor:
fonmmt.
Die Stelle der Url: „pro quodam pacto scilicet uno
cluede sepi“, vorausgefegt, daß fie richtig überliefert it, kann
die Lieferung eines NKluten, großen Stüdes Fett oder Seife be
deuten.
Nr. 110.
1332. Mpril 4.
Ludolf von Ymmedeshufen, Knappe, verfauft mit Zu:
ftimmung jeiner Butter, Heinrich jeines Bruders, einen Hof
) Nachſtehende Mitteilung über den Ritter Florentius von Holthuſen
möge hier Plaß finden. Durch Urkunde vom 3. April (im heiligen
Paſchafeſte) 1328 jchenft er zur weitern Dotation der Pfarrei Holt:
hufen drei Hufen Landes zu Addejjen.
Gleichzeitig übergiebt Graf Heinrich von Schwalenberg mit Zur
ſtimmung al Söhne Borchard, Heinricd und Widelind der Kirche
zu Holthufen bei ee das Eigentumsreht an drei Hufen Landes
zu Addeſſen, welche Ritter Klorentius von Holthuſen von ihm bisher
zu a getragen, zum Belten des dortigen Kirchherrn.
Dat. 1328 im heiligen Bajchafefte. (Nach alten Nachrichten des
Pfarrarchivs Holzhaufen bei Nieheim.)
149
(curiam) in der Feldmark des Dorfes Hobrachteſſen, in der
Nähe der Stadt Bredenborn gelegen, dem Abte u. Convente
des Klofters Münftere für 12 Mark Brafeler Denare. Seine
Berwandten Johannes und Konrad, Brüder von Wynthufen,
Stnappen, fiegeln.
Dat. in die Ambrosii 1332.
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 79.
„Immedeshuſen“ it jedenfall eine ältere Bezeichnung des
GSeichlehtes von Imbſen. Vergl. Zeitihr. Bd. 44b ©. 154 fi.
Nr. 111.
1333. März 21.
Johannes von Eilmordejen, Knappe, verkauft dem
Klofter zu Monftere bei Swalenberg einen Wald, „Meynverſt“
genannt, und einen Hof (curiam) im Dorfe Erenwordeſſen,
welde er vom Paderborner Bijchofe Bernhard zu Lehn ge:
tragen.
Dat. in die s. Benedicti abbatis 1333,
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 80.
desgl. zu Detmold fol. 23.
An „Meynverſt“ erinnert „„Maifirfte‘‘, früher Wald, jeyt Weide
öjtlih von Pömbſen.
Ar. 112.
1333. Juni 26.
Bernhard (V.), Biihof von ‘Baderborn, und Ruppert,
Abt von Corvey, ſchließen mit Ritter Hermann von Bradle
einen Vertrag, in welchem feitgejegt wird, daß legterm der
vierte Teil der von Paderborn erbauten Burg Beverungen
verbleiben und der dritte Teil der noch zu erbauenden Vor:
burg mit dem Drittel der Gerichtsbarkeit und Oberherrlichkeit
in der Vorburg zufallen jolle, jowie die Einnahmen von der
Brüde, welche auf gemeinjame Koften über die Wejer jollte
gebauet werden.
Act. Bradle in Gegenwart der Äbte Engelhard von
Helmmwordishujen und Hermann in Münſtere, der Pröpfte
Diderich zu Marsberg und Arnold zu Wilbodefien, des Liborius
von Vulbeke, Kanonikus zu Paderborn; der Ritter Gottſchalk
von Padberg, Florefin von Holthujen, Herbold von Papen:
150
heim, Wernher von Brafle, Friedrih genannt Batefalt und
Johannes gen. Juden; der Knappen Johannes und Konrad
von Winthufen, Hermann von Dymele, Johannes von Ever—
ften und Gerhard Selinctorp.
Dat. 1333 ipso die Johannis et Pauli martirum.
Driginal im Staatdardhive zu Münſter, Fürftent. Paderborn.
Bergl.: Schaten, Ann. Paderb. II ad ann. und Ztidr.
>. 29a ©. 11.
Der Brüdenbau bei Beverungen über die Weſer fam nicht
zur Ausführung.
Nr. 113.
1333. September 26.
Hermann, Abt, und der Convent in Mönfter verpflichten
ih, den Brüdern Gerhard, Slorentius und Heinrih, genannt
Hagenichnidere, die Einlöfe der 2 Hufen in Oſtorpe bei der
Stadt Nyhem, welche das Klofter vom Ritter Florentius von
Breienhujen gekauft hat, gegen Zahlung von 6 Mark reinen
Silbers zu geftatten.
Dat. 1333 dominica ante Michaelis.
Kopialb. D (1.129) im Staatsarchive zu Münfter fol. 41.
desgl. zu Grevenburg Nr. 81, wo „Hagenfinde‘ ſteht wie
Nr. 108.
Nr. 114.
1334. Suni 11.
Arnold, Knappe, Sohn des Knappen Siegfried Bozen,
befundet, daß er ein Haus in der Stadt (oppido) Breden—
born, 2 Hufen in dortiger Feldmark und einen Fischteich beim
Dorfe Kymbife vom Abte und Gonvente des Klofters von
Münfter ald Burgmann in Belit habe, mit der Verpflichtung
in der Stadt zu wohnen und nad feinen Kräften mit den
übrigen Burgmännern diefelbe zu verteidigen.
Dat. in die Barnabe apost. 1334.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 82.
Nr. 115.
1334. Juli 4.
Heinrih, genannt Sesberahufen, Knappe, befennt, daf
er 2 Hufen in der Feldmark Brochuſen und einen Filchteich,
151
„‚Saritatendyf” genannt, mit einem Haufe und Wort (area
— Hof) in der Stadt Bredenborn vom Abte und Convente
des Klofters zu Münfter fo lange bejite, als er die Ber:
pflihtung übernehme, dort zu wohnen und die Stadt mit
den übrigen Burgmännern zu verteidigen.
Dat. in die Odelrici confess. 1334.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 83.
Der Karitatendyf oder Snagerdyk mit der Schnagermühle lag
auf balbem Wege zwiihen Marienmünfter und Bredenborn. Das
Häuschen und die Heine Mühle wurde vor etwa 3—4 Jahren abs
gebrochen, der Mühlenteich, früher Fiſchteich, ift verfumpft.
Nr. 116.
1354.
Bernhard (V.), Biſchof von Paderborn, überträgt dem
Klofter Marienmünfter die Kapelle in Bredenborn.
Bemerkung de3 Abt? Heinrih Höliher am Anfange des
Kopialb. D.
Wie lange diefe Kapelle beitanden, darüber jteht nichts Be:
jtimmtes feit. In der Folge muß fie eingegangen fein, und bildete
die Stadt Bredenborn eine Filiale von Marienmüniter. Um 1652
bauete die Gemeinde unter Zujtimmung des Abt3 Hermann Meyer
und de3 Domkapitel zu Paderborn hauptſächlich durch die Be
mübungen des dortigen domkapitulariihen Amtmanna Hermann
MWidemeyer eine neue Kirche, welche Biichof Theodor Adolf v. d. Reck
auf Allerheiligen 1656 einweibete. !) Derjelbe erhob Bredenborn
zur jelbftändigen Pfarrei und übertrug mit Genehmigung des Kapitels
die Verwaltung dem Abte des Kloſters, welcher die Seeljorge durch
Mönde verjehen Tief. Die Bredenborner Nüirchenbücher nennen
!) Vergl. ein Manufcript der VBereinsbibl. zu Paderborn mit dem Titel:
Status ecclesiarum, parochiarum, sacellanatuum et beneficiorum
in dioecesi Paderbornensi sub illustriss, et reverendiss. principe-
episcopo Theodoro Adolpho 1656—1658. (Ex actis visitationis
episcopalis Episcopi Theod. Adolphi 1656.) Bezüglich der Pfarrei
Predenborn fteht darin bemerkt: Haec ecclesia parochialis in Brei-
denborn, ante paucos annos aedificata, ab episcopo Theodoro
Adolpho 1656 la 9bris in honorem $. Josephi et S. Agathae
‚virg, et mart. consecrata est. Dedicationis dies proxima domi-
nica ante festum omnium Sanctorum celebratur,
152
P. Jodocus Menne von 1652—1667 ala erjten Pfarrer. Zur
Unterhaltung des Paſtors mußte ih die Gemeinde verpflichten,
jährlih dem Kloſter 30 Thaler zu zahlen.!)
Nr. 117.
1335. Suni 27.
Die Knappen Werner u. Konrad von der Xippe, Brüder,
verkaufen dem Abte Hermann und dem Gonvente des Klojters
zu Münfter ihren Zehnten im Dorfe Wulfferfen für 34 Marf
reinen Silber8 und rejignieren dem Bilchofe Bernhard von
Paderborn, von dem jie den Zehnten als Lehn erhalten,
alles Recht daran.
Zeugen: Florekin von Holthujen, Ritter; Friedrih von
Paderborn und Johannes von Eilmordefjen, Knappen; Her:
mann von Oynhuſen, Bürger (oppidanus) in Nyhem.
Dat. 1335 V Kal. Jul.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 84.
Vergl. Deynb. Regeſt. I Nr. 8.
Wulferſen lag jüdlih von Holzhaufen. Dort gibts noch ein
Wülfiſches Feld und auch Wülfiſche Teiche. Die Wülfiſchen Teiche
liegen ungefähr 10 Minuten von Holzhauſen rechts an der von
Holzhaufen nah Brakel führenden Strafe. Das Wülfiihe Held
fängt nahe an diefen Zeichen an und zieht fich in jüdlicher Richtung
nad Erwitzen Bin.
Nr. 118.
1336. Mai 6.
Wernher von Brafele, Ritter, befundet, daß er, nachdent
Knappe Konrad Tede mit feiner Frau Agnes unter Zuſtim—
mung feiner Söhne Konrad u. Bertold, ſowie feines Bruders
Ernſt u. deſſen Sohnes Bertold den vierten Theil des Zehnten
zu Alvenefjen, welchen diefer von ihm zu Zehn erhalten, dem
Abte Hermann der Kirche zu Münfter bei (prope) Smalen:
berg und dortigem Gonvente verkauft habe, auf jein Recht
an dem Zehnten zu Gunsten des Kloſters verzichte, jedoch
habe fich diejes mit dem Grafen von Perremunt zu verftän-
2) Vergl. ein Bifitationsprotofoll von 1686 in der Regijtratur dei Ge-
neral-Vicariat3 zu Paderborn.
153
digen, von weldhem er (Mernher von Brafele) mit dem
Zehnten belehnt jei.
Dat. et act. fer. II ante fest. ascens. Domini 1336.
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 85.
deögl. zu Detmold fol. 14.
Bergl. Ztihr. Bd. 37b ©. 153.
Nr. 119.
1337. März 26.
Papſt Benedikt XIL beauftragt die Äbte (Hermann) von
Marienmünfter und (Bertold) von S. Pauli (Abdinghof) und
den Domdechanten (Friedrich Graf von Rietberg) von Pader—
born, nadhdem jest die Führung des Auguſtiner-Prozeſſes
nah dem Rüdtritt zweier Auditoren auf den Auditor Wilhelm
von Norwich, Arhidiacon in Norwich, päpftlichen Capellan,
übergegangen ift, bie Zeugenverhöre vorzunehmen.
Dat. Avignon w. 0.
Vergl. Meinardus, U.B. des Stift und der Stadt Hameln,
Nr. 31055. 228.
Folgendes war die Veranlaflung zu diefem langdauernden Pro—
zeife: Abt Heinrihgvon Fulda hatte im Einvernehmen mit Bifchof
Ludwig von Minden im jahre 1326 den Auguftiner:Gremiten der
Provinzen ThüringenTund Sachſen gejtattet, in der Stadt Hameln
eine Niederlaffung zu gründen. Das Bonifatius:Stift und die Stadt
waren mit der beabjichtigten Klojtergründung keineswegs einver:
ftanden und ſuchten das Vorhaben in jeder Weife zu bindern.
Zrogdem gelang es 1328 den Auguftinern zu Hameln ein am
Neuen:Markte gelegenes Haus zu erwerben, und fie bezogen am
15. Oktober deſſelben Jahres das Gebäude. Stift und Stadt be:
tradhteten da3 ala Eingriff in ihre Rechte und erhoben beim päpit-
lihen Hofe zu Avignon entjchiedenen Widerjprud. Es entwidelte
fih nunmehr ein langjähriger Streit, welcher auf beiden Seiten mit
großer Erbitterung geführt wurde und 1360 mit der Niederlage
der Auguitiner-Gremiten endigte In der Folge wurden fie ge
zwungen, die Stadt zu verlaflen und das von ihnen bis dahin be—
ſeſſene Grunditüd am Neuen :Marfte an Stift und Stadt Hameln
zurüdzugeben. — Das oben angezeigte U.B. des Stift$ u. der
Stadt Hameln bietet von Nr. 223 ©. 149 bis Nr. 511 S. 388
die nähern Nachweiſe.
154
Nr. 120.
1337. Mai 13,
Florekin von Holtdujen, Ritter, bekundet, vor ihm habe
fein Vaſall Heinrih von Ymmefjen, Knappe, mit Einwilligung
feiner Frau Agnes, feines Sohnes Hermann u. feiner übrigen
Erben, befonders mit Zuftimmung Heinrichs von Seßbergh,
Sohn Bertolds von Ermworhejjen, und der Brüder Siffried
(Priefter), Gottfried u. Heinrih, Söhne weil. Gottfried von
Ermwordeſſen, feine Hälfte des Hofes im Dorfe u. Feldmark
von Ermwordeflen, jowie eine Hausjtätte (Wort, aream case)
am dortigen Slirchhofe, welche ihm, dem Heinrich von Ym=
meſſen, allein gehört, dem Abte Hermann u. dem GConvente
des Klofters zu Mönfter bei Swalenberg für 20 Mark reinen
Silbers wiederlöslich verkauft. Florefin von Holthufen giebt
al3 Lehnsherr feine Zuftimmung und fiegelt; ferner fiegelt
Hermann von Coven, Knappe, auf Bitten ſeines Schmwieger:
johnes Heinrih von Ymmeifen, deſſen Frau, feiner Tochter,
u. deffen Sohnes Hermann, ebenfo Heinrih von Seßbergh.
Die Brüder Siffried (Prieiter), Gottfried u. Heinrih von
Ermwordeſſen, welche obigen Hof mit Heinrich von Pmmeflen
gemeinschaftlich beſitzen, laſſen durch ihren Lehnsherrn Florekin
von Holthujen ſiegeln.
Dat. 1337 in die sti Servacii.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 86.
deögl. zu Detmold fol, 236.
Unter Hermann von Coven ift der gleichnamige Afleburger
Vaſall zu veritehen. Vergl. Aſſeb. U.:B. II, 168 Nr. 951.
Diefe Urf. ijt für die Gefchichte der Adelöfamilien dadurd
bemerfen&wert, daß jie eine in alter Zeit häufig vorkommende That:
ſache abermal3 nachweiſt, wie Glieder einer und derfelben Familie
mandmal einen andern Namen (bei Berheiratung mit Erbtöchtern
oder Beſitzwechſel bisweilen jogar ein anderes Wappen) annehmen.
Bon Heinrih von Seßbergh wird nämlich gleichzeitig geſagt, er ſei
Sohn Bertold3 von Ermwordeſſen. In ähnlicher Weife könnte
Bertold, welcher fihd 1315 (Nr. 99) von Erdenemiflen nennt,
diejelbe Perfon mit dem 1310 (Nr. 94) vorkommenden Bertold
Sumercalf, Wernerd Sohn, fein. Vergl. zum weitern Verſtändnis
der Urk. noch Zeitichr. Bd. 32b S. 137 ff.
155
Nr. 121.
1337. Dftober 3.
Die Äbte von Marienmünfter und von St. Baul in
Paderborn und der Domdechant dafelbit, als vom Apoftolijchen
Stuhl verordnete Commifjare, fordern auf zur Zeugenver:
nehmung nad Herford in der Auguſtiner-Prozeßſache gegen
Hameln.
Dat. w. o.
D. Meinardus, U.B. des Stift? und der Stabt Hameln
Nr. 318 ©. 234,
Unterm 13. Dftober (III Idus Octob.) obigen Jahres fordern
von Paderborn aus diefelben Äbte von Marienmünfter (prope
Sualenbergh) und von St. Paul und der Domdechant zu Pader:
born die Kanonifer der Kirche zu Herford auf, die General: und
Provinzial:Prioren und den Convent der Auguftiner » Gremiten zu
Herford oder deren Bevollmäcdtigte zur Gegenwart bei der Zeugnis
ablegung der Hameler vor fie zu citieren. Daf. Nr, 321 ©. 236.
Nr. 122.
1537. Oktober 14.
Der Abt des Klofters Marienmüniter bittet den Propſt
(Helmbert) von Gorvey, ihn, da er wegen förperlicher Ge:
brechen in Herford nit zugegen jein fünne, dort zu ver:
treten.
Dat. Schloß Bredenborn mw. 0.
Dajelbit Nr. 322 5. 236.
Der Propft von Gorvey nahm ſowohl am 29, Oktober bei
dem zu Herford auf dem Kirchhofe (super ossali) abgehaltenen
Zeugenverhör die Stelle des Abts von Marienmünfter ein, wie aud)
zu Paderborn am 12. Juni 1338, al3 die Dokumente über die
Zeugenausfagen an den päpftlihen Hof abgeihidt wurden. Dal.
Nr. 330 ©. 239 und Nr. 339 ©. 257. |
Nr. 123.
1337. Dezember 31.
Der Knappe Johann von Eilmordefjen befundet, daß er
mit Einwilligung feiner Frau Drudefen u. feines Sohnes
Johann alle feine Güter in und außerhalb des Dorfes (villa)
Ermwordeſſen dem Abte Hermann von Mengerfien u. dem
156
Convente des Klojterd der Hl. Maria zu Münfter bei Swa—
lenberg verkauft habe, und bittet feine Lehnsherrn, strenuos
famulos et honestos domicellos Johann, Werner u. Bertold
von der Aſſeborch, diejen Verkauf zu genehmigen. Die beiden
ih verbürgenden Zeugen, Knappen Bertold Sommerfalf und
Heinrich Seßbergh, verpflichten fi binnen 14 Tagen (infra
proximam quindenam) zum Einlager in Brafle, jofern dem
Verlaufe etwas entgegentreten jollte.
Dat. et act. in vigilia circumeisionis Domini 1337.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 93.
deögl. zu Detmold fol. 24,
Gedr.: Affeburg. U.B. IL, 195 Nr. 998.
Nr. 124.
1338. Sanuar 7,
* Die Knappen Johann, Werner u. Bertold von der
Aſſeborgh erklären, ihr Vaſall, Knappe Johann von Eilwor-
deſſen, habe mit ihrer Zuftimmung feine Güter im Dorfe u.
der Feldmark zu Ermwordeſſen dem Abte Hermann von
Mengherſſen u. Convente des Klofters der hl. Maria in Münſter
bei Sualenberch verkauft; fie beitätigen den Verkauf u. ver:
zichten als Lehnsheren auf ihr Eigentumsredht an den Gütern
zuguniten des Kloiters.
Dat. et act. in crastino epiphanie Domini 1338.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 87,
desgl. zu Detmold fol. 246.
Gedr.: Afjeburg. U.B. Il, 196 Nr. 1001.
Nr. 125.
1338. März 27.
Gottfried und Arnold von Paderborne, Knappen, er:
iterer mit Zuftimmung feiner Mutter Kunegunde u. jeiner
Frau Adelheid, legterer mit Einwilligung jeiner Mutter Eli-
jabeth, verpfänden an Abt u. Convent der hl. Maria zu
Münfter bei Swalenberg 4 der, wovon einer neben der
„Stenkule“ liegt, 2 nahe beim „Bokedyk“, der legte beim
157
„Beningholt“, zufammen 8 Morgen (iugera), für 7 Mark
Marburger Münze.
Dat. 1338 feria VI post annuntiationem ste Mar.V.
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 88.
Vergl. Nr. 152.
Diefe Felder lagen nah einer alten Bemerkung in der Breden:
borner Flur, ebendajelbjit auch der ehemalige Wald ‚‚Benningholt‘.
Kr. 126.
1338. April 12—18.
Theodericus von Alnhujen, Knappe, befennt unter dem
Siegel Biſchofs Bernhard von Paderborn u. jeinem eignen,
daß er mit feinen Söhnen Gerhard, Lipolt, Diderih u.
Henric auf den Zehnten von Embrete, welchen jeine Vorfahren
zu einem Altare in Pomeſſen gejchentt, auf die gegen ben
Pleban (Pfarrer) Otto in Nime erhobenen ——— Ver⸗
zicht leiſte.
Dat. 1338 infra octavam Pasche.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 89.
desgl. zu Detmold fol, 21b.
Alnhuſen ift Alhauſen, Pfarrei Pömbſen. Vergl. des weitern
zum Verftändnis diefer ſowie der beiden Nrn. 148 u. 156 Ztichr.
Bd. 32b ©. 121 ff u. 142 fi.
Nr. 127.
1338. Juli 31.
Johannes von Dldenborgh bekundet, daß er vom Abte
u. Convente der Kirche zu Münfter 2 Eurien, nämlich Drin—
torpe und Steinrod, auf 4 Jahre unterhabe, u. daß diejelben
dann an das Kloſter zurüdfallen jollen.
Dat. 1338 in vigilia Petri apost. ad vincula.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 90.
desgl. zu Detmold fol. 29 und fol. 32.
Drintorp (wüſt) lag jedenfalld in der Nähe von Löwendorf,
Pf. Marienmünfter, weil nah Urk. vom 2. Januar (achten Dag
fünten Steffen des erjten Mertelers) 1525 die Grundjtüde des
Ktloftergutes zu Drintorp von den Einwohnern zu Löwendorf bebauet
wurden. — An die Lage von GSteinrod dürfte eine Waldparcelle
„Steinrod‘ am weſtlichen Abhange des Köterberges erinnern,
158
Nr. 128.
1338. Auguſt 15.
Die Brüder Ludolf u. Heinrih von Jmmedeshufen,
Knappen, verlaufen dem Abte Hermann u. dem Kapitel der
Kirche der hl. Maria zu Münfter drei Hufen in der Billa
Hobredhtefjen.
Zeugen: Johannes von Wenthojen, Ritter; die Brüder
‚Johannes u. Konrad von Wenthojen, Knappen.
Dat. 1338 in festo assumpt. ste Marie.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 91.
deögl. zu Detmold fol, 30.
Bergl. die folgende Nr. u. Lipp. Reg. III Nr. 1516.
Nr. 129.
1338. Auguſt 18.
Die Brüder Ludolf und Heinrih von Immedeshuſen,
Knappen, rejignieren jene drei Hufen in der Villa Hobrech—
teſſen, welche jie dem Abte des Kloſters der hl. Maria bei
Swalenberge u. feinem Convente verkauft haben, der Abtiffin
zu Heerſe als Lehnsherrin.
Dat. 1338 fer, III post assumpt. ste Marie.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 92,
desgl. zu Detmold fol. 30.
Nr. 130.
1339. Februar 17.
Heinrih von Nedere und feine fratrueles, die Brüder
Johannes und Didericd von Nedere, Knappen, Söhne weil.
Heinrichs von Nedere, verlaufen dem Abte Hermann im
Klofter zu Münjter bei Swalenberg u. dortigem Gonvente
4 Hufen in der Feldmark von Aldageſſen bei Nhim, welche
- von ihnen bislang Thurelen von Horne zu Zehn gehabt, für
50 Mark reinen Silber8 mit den Rechte des Wiederfaufs.
Dat. in quadragesima fer. IV. proxima ante domi-
nicam, qua cantatur Reminiscere 1339.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 94.
desgl. zu Detmold fol. 13b.
159
Aldagefien (wüſt) bei Nieheim in der Nähe des Gutes Ertern-
brot, wo es in der Gemarkung Nieheim noch ein Aldeſſer oder
Aldarer Feld giebt. Diejes war früher dem Rittergut Holzhaufen
zehntpflichtig.
Nr. 131.
1339. April 9.
Ermgard, Gemahlin des E. 9. (domicelli) Otto zur
Lippe, will den Abt zu Müniter an feinen Einkünften aus
der Dykmühle vor dem oppidum (Fleden) Schwalenberg
nicht hindern, jondern ihre officiales et advocati anweiſen,
dem SKlojter zu jeinen 4 Viertel Roggen auf Michaeli aus
der Mühle zu verhelfen, bis die Abgabe für 31/, Mark Her:
forder Pfenninge, welche der verjtorbene Priefter Hermann,
Gapellan zu Schwalenberg, dem Klofter der hl. Maria zu
Münfter vermadt hat, von diejem wiedergefauft wird.
Dat. 1339 fer. VI post Quasimodo geniti et Am-
brosii episc.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 95.
Bergl. Lipp. Regeft. III Nr. 1518.
In alten Zeiten wurde das Feſt des heil. Ambrofiu3 am
4. April gefeiert.
Nr. 132.
1339. April 9.
Ermgard, Gemahlin (nobilis conthoralis) des €. 9.
Otto zur Kippe, beurfundet, daß fie dem Abte zu Münfter
u. dortigem Gonvente 6 Mark Wardberger (Warburger)
Pfennige, 100 Biertel (bipartite) Korn, nämlid 50 Biertel
Roggen und 50 Viertel Hafer, ſchuldig jei, u. weijet dafür
dem Kloster den halben Zehnten zu Sommerjel, die Zehnten
in Rotlevefjen, Everjen u. Honroden an. Sofern dem Klofter
beim Einfammeln des Zehnten von den Herrn zu Schwalen:
berg ein Schaden entjtände, joll diejer erjegt werden. Außer:
dem leiten die Knappen Heinrih von Wenthufen in Swa—
lenberge u. Hermann von Ötrunfede Bürgjchaft und ver:
pflichten jich innerhalb der nächſten 14 Tage zum Einlager
zu Nyhem.
Dat. 1339 fer. VI post Ambrosii.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 96.
Vergl. Lipp. Regeit. IV Nr. 2502 und II Nr. 808,
160
Nr. 133.
1339. Oktober 18.
Hermann, Graf von Everftein, und deffen Sohn Dtto
befunden, daß der (discretus et multe sapientie vir) Abt
Hermann und der Convent des Klofters in Monjtere prope
Sualenberg ihnen die Hälfte der Einkünfte in Korn u. Vieh
jamt Hühnern u. Eiern von den Gütern in Drintorp, Steyn-
rod, Mestorpe und Leverntorp auf ſechs Jahre übergeben
haben mit der Verpflichtung, dieſe zu beſchützen u. zu ver-
theidigen, jomwie den Bürgern zu Bredenborn ihre Holzbe-
rehtigung daran zu laſſen.
Dat. 1339 ipso die Luce evang.
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 97.
deögl. zu Detmold fol. 29.
Gedr.: v. Spilder, Gr. v. Everſtein, Urkb. Nr. 363 ©. 318.
Leverntorp ijt Löwendorf in der Pf. Marienmünfter. — In
Löwendorf und andern in deilen Umgebung am Fuße des Köter—
bergeö belegenen, nunmehr meift wüjten Orten, war aud das Stift
Corvey von alterher begütert. Unter VBerüdfihtigung der Tradit.
Corb.!) ſcheint Duggun, fpäter Dungon oder Dungen, der Haupt:
bof diefer Beſitzungen gewefen zu fein. Über die Lage diefes aus:
gegangenen Ortes, in deſſen Nähe vielleicht gegen Ende des 16.
Jahrh. das Dorf Hohehaus entitand, enthält das Marienmünfteriche
Kopialb. D. die Bemertung: Dungen situm est inter Bremen
(Bremerberg) et Eykholt (bei Bremerberg).
Mit diefen Gütern waren die Grafen von Pyrmont beliehen,
insbejondere hat nach dem Lehnsregiiter von 1360 Hermann, Graf
von Veremunt, die Villa Dungen. Mit dem 15. Jahrh. find dann
die Kannen zu Lügde in Belig dieſer Corvey'ſchen Befitungen ge
fommen, anfangs als Afterlehne von den Pyrmonter Grafen. Zu
diefen Lehnſtücken gehörte uriprünglid auch das Kirchenlehn zu
Löwendorf, wie fih aus dem Lehnäreverfale des Grafen Morit
von Pyrmont aus d. %. 1488 ergiebt. Dafelbit heißt es: „item
villam in Levendorpe cum ecclesia ibidem dieta de Lan-
genhagen“, jedoch wird in den Pyrmonter Lehnbriefen für bie
Kannen regelmäßig das Kirchenlehen zu Löwendorf ausgeſchloſſen.
1) Vergl. die Ausgabe von Wigand $ 139, Ztichr. Bd. 41b ©. 69 u.
x rn 42b ©. 2 u. 3, fowie Wigand, Corvey'ſche Güterbeſitz
>. 98 ff.
161
Die erfte urkundlihe Nachricht über dieſe Lehnsverhältniſſe
rührt aus dem %. 1407, Juni 15 (in die Viti martyris).
Heinrih, Graf von Pyrmont, belehnt die Kannen zu Lügde, nämlich
die Brüder Bernhard, Heinrih, Hermann und Johann „to einem
rechten Erve: Manlene mit dem ganten Dorpe to Leveringtorpe,
‚‚uthgeicheiden dat Kerdlein.. . .“ mit der Webeme u. mit alle finer
Tobeböring ..., u. mit dem gangen Dorpe to Dungen u. mit dem
ganzen Dorpe to der Node u. dillen vorichreven Dorpe alle mit
oren Tegenden, Gerichten u. Rechten, u. mit alle oren Tobe:
boringen ... u, mit dem langen Hagen balff u. mit deme Dorpe
to den Koten halff u. mit deme Tegeden halff darfelves over duſſe
vorſchreven twe halve Dorpe u. mit oren Gerichten, Rechten u.
Tobehoringen ... u. myt einem Meiger-Hove to Dendenhufen ?)
mit veir Hove Landes u. mit einem Kothove darfelves mit alle
oren Rechten u. Tobehoringen.“
Nah dem Tode des Grafen Morik von Pyrmont (+ 4. Mai
1494), welder feine männlide Nachkommen hinterließ, ging Die
Srafihaft auf die Grafen von Spiegelberg über u. bejtand unter
ihnen das frühere Lehnsverhältnis der Kannen wegen der Löwen:
dorfer Güter noch fort. Friedrich, Graf zu Spiegelberg, belehnt
nämlihd om 24. Auguft (am thage Bartolomei) 1496 „Idell
Kannen tho behoif ſines Vedderen Joet Kannen, von Lügde gebeten,
. mit dem Dorpe tho Yeverintorpe‘” u. den übrigen vorhin ge:
nannten Lehnsſtücken.
Eine Urkunde?) vom 11. Juni (am Britage nad) Medardi)
1535 erzählt weiter, daß zwiichen dem Abte Franz und dem Stift
Corvey, fomwie der Stadt Hörter auf der einen, u. ... Johann u,
Heinrih Kannen, Gevettern u. Brüdern auf der andern Seite,
wegen Poſſeſſion u. Gerechtigkeit der Dörfer u. Wüſtenungen ...
Aildenna, Dungen, Langenhagen ... der Kotten, fowie der dazu
1) Staatsarchiv zu Münjter, Corveyer Lehnsakten Nr. 460.
2) Dendenhujen (1535), Dennefhaufen (1557) lag auf der Höhe ded
Kapenberges zwilchen Bremerberg u. Ovenhauſen. Die Flurbezeich—
nungen im Walde: Dorpdentelfen, Denkeljtih (Denfhufer Stieg) er-
innern an den Drt. Nod; 1589 war Dendelitich ein Dorf u. als
Filiale nad) Altenbergen eingepfarrt. Bgl. Wigand, Corveyer Güter:
beſitz ©. 83 ff.
) Stadtarchiv zu Hörter Nr. 95. Die Urfunde hat mehrere durd
Teuchtigfeit erlofchene Stellen, welche durch Punkte fenntlich gemacht
find. Die drei Siegel der landgräflichen Commiſſarien fehlen.
XLVII. 2, 11
162
gerodeten Ländereien halber u. in betreff alles beilen, was zwijchen
Fürſtennaw u. Lebendorf belegen, jeit langer Zeit große Jrrung ge
weſen. Meil Schiedäfreunde nicht? ausrichten konnten, bat ſich der
Landgraf Philipp von Heflen auf Verwendung der WBarteien der
Sade angenommen u. einigemal durch jeine Räte Befichtigung und
Verhör der Sache thun laſſen. Es kam aber nichts zuftande, bes:
halb fette der Landgraf auf Donnerdtag nah Medardi (10. Juni)
abermals einen Tag an u. jhidte feine Räte Burchhard von Cramm
zu Drindelnburgl (Drendelburg), Heinrih Meiſenbugk zur Lichtten:
naw, beide Amtmänner u. den Doktor der Nechte Walter, welche
auf dem Nathaufe zu Hörter die Sache vornahmen u. fanden, daß
die Schnadlinie noch einmal müfle beritten werden. Die Schnab
wird ron ihnen in der Weile feitgefett, wie es früher zwiſchen
Corvey u, den Kannen geweſen ... Der Schnadezug erwähnt ge:
legentlih die Kottenbreite und da Dörflein Kotten. Was auf der
einen Seite nah Fürjtenau liegt, gehört dem Stifte, u. was auf
der andern Seite nach Lebendorf zu gelegen ijt, den Kannen. Von
dem auf der einen oder andern Seite Gerodeten foll der gebräuch—
liche Zins entrichtet werden. Dagegen überlaffen die Kannen 1)
an Eorvey den Hof zu Denelenhaufen mit ungefähr 4 Hufen Land.
Da die ftreitig gewejenen Orte und Güter Eigentum de3 Stifte
Gorvey u. von diefem den Grafen von Permunt verliehen u. nad
deren Abjterben durch die Grafen von Spiegelberg, als deren Erben,
binwieder an die Kannen zu Afterlehn verliehen worden, Corvey
aber meint, daß dur das Abjterben der Grafen von Permunt bie
Güter dem Stift frei heimgefallen jeien, jo fol u. will der Abt
nunmehr den Grafen von Spiegelberg auf fein Anfuchen ſamt feinen
Mannleibeslehenserben belehnen, u. die Kannen mögen im Befit des
Afterlehens bleiben, Wenn aber die von Spiegelberg fonder Manns:
erben mit Tode abgehen, jollen die Kannen das Lehen von Corvey
empfangen, u. das Eigentum befjelben aljo dem Stift bleiben. Die
Parteien geloben, daß hiermit aller Streit u. Unmillen auf ewig
in Güte foll geichlichtet fein.
Nah dem Ausfterben der Spiegelberger Grafen wurden bie
Kannen von Korvey unmittelbar belehnt. Abt Dietrich von Corvey
belehnt am 25. Auguft 1595 „zu einem rechten Erbmannlebhen
Idell Kannen zum Bredenhope als den eldejten zum mitbehuef
9 — a. a. O. hat hier ©. 84 noch den Zujag „to dem Breden-
oipe“.
163
Jobſten u. Arendten jahligen Ludolfen, Wilhelm, Burchardten, fahligen
Burchardten Sohnen, u, Dietherihen jahligen Dietherichs Sohn, alle
Gevettern und Brüdern die Kannen, mit dem gangen Dorpe tho
Leveringdorpe‘‘ und den übrigen in der Urk. von 1407 angege:
benen Lehnsftüden. Außerdem enthalten die Corveyer Lehnsalten T)
nod ein Gejuh des Jobſt Kanne vom 14. Januar 1598 an den
Abt Dietrid um den lehneherrlihen Gonjens zur Beleibzüchtigung
feiner Ehefrau mit feinem Hofe nebjt Zubehör in u. außerhalb
Leimentorf.
In den folgenden Lehnbriefen ?) kommt das Dorf Dungen als
nicht mehr beitehend vor und tritt Hohehaus an defjen Stelle, außer:
dem bezieht ſich das Lehn nur auf Lömwendorf, Hohehaus u. das
nunmehr wüſte Dorf „tho dem Rode’. Die übrigen Ortſchaften
müflen demnah um 1600 verihmwunden jein.
Abt Dietrih belehnt am 24. Mai 1602 Yobiten Kannen als
Älteften zu Mitbehuf Arendten feines Bruders mit dem gantzen
Dorpe zu Levendorpe, ausbejheiden das Kirchenlehen mit der Wedem,
mit dem gangen Dorfe zu Dungen, jo ifo das Hagehauß genannt,
u. mit dem ganten Dorpe tho dem Node u. dieje vorgejchrebenen
Dorpe alle mit iren Tegeden, Gerichten u. Rechten u. mit allen
ihren Thobehorungen.
In ähnliher Weile find die folgenden Lehnbriefe des Abt
Henrih für Bernd, Yudolf Kannen zu Mitbehuef Dietrih, Mordian
u. Raben gefammten Gebrüdern u. Vettern respective alle Kannen
am Sonnabend vor Quasimodo geniti (21. April) 1618, fowie
feitend des Abt? Arnold für Mordian Kannen am 30. September
1643 außgefertigt.
Im Jahre 1695 verkauften die Brüder von Kanne zu Bruch
haufen Friedrih Mordian u. Johann Wilhelm, Dombderr zu Vader:
born, unter Zujtimmung von Corvey u. mit Ginmwilligung der
Kannen zu Meißen als mitbelehnte Vaſallen die Lömwendorfer Güter
für 10000 Ihaler an den Paderborner Fürjtbifhof Hermann
Merner Freiherr v. Wolff-Metternich, welcher fie zunächſt feinem
Neffen Leopold Hieronymus, der von ihm auch die von denen von
Amelunren erfauften Güter MWehrden, Amelunren u. Drente erhalten
hatte, überließ und zu einem Fideicommiſſe conjtituierte. Gegen
1) Staatsarchiv zu Münfter, Corvey’er Lehnsakten Nr. 460.
*) v. Kanne'ſches Archiv Er Bruchhauſen, jetzt im Befige des Frhrn v,
MWolff-Metternicd zu Wehrden.
11*
164
biefen Verkauf u. die nachfolgende Belchnung für die Familie v.
Molff:Metternih erhob Idel Yobit von Kanne zu Breitenbaupt
Widerſpruch u. behauptete, in feinen Lehnrechten an den Gütern
u. dem Geriht Lömwendorf benachteiligt zu jein. Mehrere Jahre
dauerte der daraus entftandene Nechtöftreit, der jedoh nah dem
Tode des Idel Jobſt von Kanne durch folgenden, am 5. Januar
1699 zwiichen den Nerfäufern ber Güter, den Brüdern von Kanne
zu Bruchhauſen u. dem Bormunde der Hanne’ichen Kinder zu Breiten:
haupt Diedrich Adolf von Deynhaufen zu Eichholz, Paderborn'ſchen
Droiten zu Steinheim, abgejchlofienen Vergleich beendigt wurde:
Den Kanne’schen Erben zu Breitenhaupt bleibt ihr Recht am Gericht
u. Gut Löwendorf gewahrt, fie jollen nah dem Ausſterben des
Metternih’ihen Mannjtammes der Lehndfolge fähig fein, u. wird
diejes künftig in den jedesmaligen Lehnbriefen ausdrüdlih bemerkt.
Was in Folge des Vergleiht vom Jahre 1609 zwifchen den Kannen
zu Lugde und den Kannen zu Breitenhaupt legtern an Korn, Geld
u. ſonſtigen Renten aus dem Gerichte Löwendorf zufteht, Toll ihnen
ungefchmälert bleiben, dagegen follen fie zu jedem Lehnfall bei der
Corveyer Lehnskammer ein Drittel beitragen. Für den Fall, daß
bei Kannen zu Breitenhaupt feine männliche lehnsfähige Perſon
übrig ift, follen ihre bisherigen Renten u. Gefälle an gedadten
Gütern an den Metternih’ihen Mannitamm übergehen. Beim Aus:
jterben des Metternih’ihen Mannjtammes werden aber die Kannen
zu Breitenhaupt nicht eher in den Beſitz ded Gutes u. Gerichts
Löwendorf fommen, als bis fie die vom Fürftbifchofe zur Bezahlung
der Schulden und Beljerung des Lehns aufgewenveten 4800 Thaler
an die Metternich'ſchen Allodialerben bezahlt haben. Fürſtbiſchof
Hermann Werner gab am 15. Januar 1699 zu diefem Vergleiche
jeine Zuftimmung u. ebenjo am 14. April vefjelben Jahres der
Abt Florenz von Corvey. Bis in unjer Jahrhundert hinein blieben
die Freiherrn v. Wolff: Metternich zu Wehrden im Befige dieſer
Güter. Im Jahre 1813 verkaufte der damalige Inhaber des
Ritterfiges Landrat Philipp Frhr. von MolffrMetternih (zu fran:
zöfifch-weitfälifcher Zeit Unterprefelt de3 Diſtrikts Hörter) da ganze
Gut Löwendorf für 12400 Thaler an die Gemeinde, welche dem:
nächſt die Grundjtüde u. Mühle wieder an die Bauern veräußerte,
dagegen die Weide u. die 125 Dlorgen Wald ald Gemeindeeigen:
tum behielt,
In der Nähe von Löwendorf nach Fürſtenau bin liegt das
Dörfhen Saumer, Nach Gorveyer Lehnsregijter von 1375 beſaß
165
Albert von VBoffejen den Zehnten uppe der Sunmere. Nah Urk.)
vom 29. September (am Tage Michaelis archangeli) 1576
verkauft das Stift Corvey, nämlich Neinhard Abt, Johannes Prior,
Heinrih Senior u. Küfter, Adolf Kellner, an Johann Nevell, Bürger:
meifter in Hörter u. lieben, deſſen Hausfrau, etliche Stiftsgüter
an Zehnten, Meierhöfen, Heuer und Ländereien, wie fie ſchon deſſen
Großvater Hermann Groven in Verjak gehabt, nämlich einen Teil
des Nodzehnten vor Dttbergen, einen Meierhof zu Gobelheim, den
itzo Henrih Engeln dafelbit adert, stem einen Zeil der Heuer
u. des Zehnten uf der Samer u. Falkenflucht neben dem
Beringkhujer (Brenkhauſen) Gute u. zwanzig halbe Vlorgen Landes
vor Hörter gelegen, für 347 Goldgulden und 206 Thaler, welche
das Stift früher als DVerfaggeld erhalten, jedoh mit dem Vorbe—
halte, diefe Güter nad dem Tode des Käufers von — Erben für
obige Summe wiedereinlöſen zu können.
Für Löwendorf, Dungen (Hohehaus), Saumer u. andere Heine,
nunmehr eingsgangene Ortichaften beftand eine gemeinfame Pfarr
- Hirde. Dieie mag anfangs zu Langenhagen geitanden haben, muß
aber ſchon frühzeitig nach Löwendorf verlegt jein. Nach dem Ardi-
diafonatsregijter von 1251 ?) war Leverincthorp ein Pfarrdorf im
Arhidialonat Steinheim. Abgeiehen von der Bemerkung über die
Kirche zu Levendorpe im XLehsreverjale de3 Grafen Morig von
Pyrmont von 1488, erwähnt aud) ein Registrum contributionis
sedis Stenhem?) aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. die
Piarrlirhe Lewentorpe, welche varin als die unbedeutendite Kirche
des Archidiafonats zu dem Heinen Betrage von 2 Bielefelder
Schillingen eingefhägt it. In der Folge bekam das nahe Kloiter
Marienmüniter die Verwaltung der Pfarrei, Löwendorf mit den
andern Ortichaften wurde Filiale der Klofterpfarrei, u. die Pfarr:
güter gingen in den Klojterbejig über, wenngleich einige Pfarrrechte
für Löwendorf vorläufig noch erhalten blieben. Nach einem Vilitations:
protofol! von 1686) bejaß nämlih die dortige Kirche bis ins
17. Jahrh. hinein einen bejondern Kirchhof oder Gottesader, der
ı) Driginal im Staatsarhiv zu Münfter, Fürftentum Corvey. Die
Urk. iſt cancelliert und trägt auf der Rückſeite den Vermerk über
MWiedereinlöfung der betreffenden Beſitzungen.
2) Wilmans, Weitf. U.B. IV Nr. 204.
3) Vergl. Ztſchr. Bd. 32b ©. 144.
*) desgl. Bemerkung 2 zu Nr. 116.
166
allerding® während des 30jährigen Krieges profaniert wurde und
außer Gebraud kam. Der Status der alten Diöcefe Paderborn,
unter dem Bijchofe Theodor Adolf beichrieben von 1656 — 1658 1),
zählt Levendorf, Saumer und Hohenhauß zu den Filialen von
Marienmünfter. Die Pfarrkirche, welche in der heutigen Kapelle
ihren ältern Bejtandteilen nah gewiß nod erhalten it, war dem
hl. Martyrer Patroclud geweiht, woraus man zu jchließen geneigt
ift, alte Beziehungen zu Soejt anzunehmen. Nah frühern Nach:
richten beſaß Löwendorf ein altes Bild des Heiligen in der Kirche,
das hoch in Ehren jtand, aber nunmehr verihwunden ift. Dagegen
bat die jetige Kapelle im J. 1866 einige Reliquien aus der Pa—
troclifirhe zu Soeit erhalten, u. wird ſeitdem das Seit der Reliquien:
übertragung alljährlih im September von der Gemeinde Lömwendorf
als Firchlicher Feiertag begangen.
Nr. 134.
1339. Dezember 6.
Bernhard (V.), Biſchof von Paderborn, ſchenkt mit Ein-
willigung des Domkapitels dem Abte Hermann u. dem Con—
vente de3 Kloſters der hl. Maria zu Münfter bei Sualenberg,
welches 50 Mark reinen Silbers zur Erwerbung des Schlofjes
Krufenburg u. Helmmorbeshufen (Helmershaufen) bergegeben,
für ewige Zeiten eine Kornrente von 40 Viertel annone
duplieis, nämlid 20 Viertel Roggen u. 20 Biertel Hafer
Brafeler Gemäß vom Zehnten in Vörde.
Dat. 1339 ipso die bti Nicolai epi.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 98.
deögl. zu Detmold fol, 29.
Im Auszuge bei v. Spilder, Grafen von Everftein, Urktundenb.
Nr. 364.
Nr. 155.
1339. Dezember 13.
Bernhard (V.), Biihof von Paderborn, bekundet unter
Zuftimmung des Domlapitel3, daß er einverftanden, da durch
2) Bergl. Bemerkung 1 zu Nr. 116. Bei der Pfarrei Marienmünfter
iſt bemerft: „Sacellum unum est in pago Levendorf, cuius patro-
nus S, Patroclus. Dedicationis dies servatur ipso die 8. Jacobi
stil. vet, Est ibidem antiqua status S, Patrocli miraculosa,
jeine Borgänger 6 Mark reinen Silbers an Einkünften,
welche von der Precarie (Beede) in Nihem zu heben iind,
dem Ritter Johann, den Kappen Johann u. Konrad, Brüdern
von Wenthufen, für 66 Mark Silber verfauft waren, daß
der Abt Hermann des Klojters Münjter bei Sualenberg diejen
jene 6 Marf abfaufen u. dann jtatt 6 Mark jährlih nur
5 Mark fordern wolle.
Dat. 1339 ipso die Lucie virg.
Bürgermeijter, Nat u. Gemeinheit der Stadt Nihem
veriprechen, jährlich zwiichen Michaeli und Martini dem Abte
und dem Gonvente des Klofters Münſter bei Sualenberg 5
Mark reinen Silber als dauernde Verpflichtung zu zahlen.
Dat. mw. o.
Kopialb. zu Grevenburg Wr. 99.
deögl. zu Detmold fol. 30.
Vergl. die folgende Nr., wo das Kopialb, jtatt 66 Mark viel
leiht unrichtig 60 Mark überliefert hat.
Nr. 136.
1340. Februar 10.
Hermann Abt, Albert Prior u. der Convent des Aloſters
im Mönjter der hl. Maria bei Sualenberg fommen überein,
daß jie von den 5 Mark Silber, welche von Johann, Ritter,
Sohann u. Konrad, Knappen, Brüdern von Wenthujen,
mit Zuitimmung des Biſchofs Bernhard zu Paderborn für
den Gonvent als jährliche Rente um 60(?) Mark Eil"-r
erworben find, und die der Nat von Nihem bezahlen muß,
dem SKlojterbruder Prieiter Diederih von Brafele jährlich
eine Mark für erhaltene 121/4 Mark Silber geben wollen.
Derjelbe Klofterbruder wünſcht, daß nach jeinem Tode der
Garitatenmeilter für die Mark einen Jahrtag mit Meffen u.
Vigilien für ihn abhalten Laffe.
Dat. 1340 ipso die Scholastice virg., IV Idus Febr.
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 100.
Ar. 137.
1340. Duni 21.
Heinrih, Propſt zu Gerdene, bekundet, daß er dem Abte
Hermann zu Münfter 12 Mark ſchwere Wartberger (Warburger)
168
Denare u. 60 Biertel Roggen auf Michaeli bezahlen müſſe.
Siffrid Boyfe (Boſe) u. Johannes von Boventorp verpflichten
ih al3 Bürgen für Geld;ahlung u. Kornlieferung.
Dat. 1340 ipso die Albani mart.
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 101.
Nr. 138.
1341. Sanuar 18.
Ludolf und Heinrich, Brüder von Immedeshufen (Imbſen),
Knappen, verfaufen dem Abte und dem Convente im Kloiter
bei Swalenberg ihre Güter in Hemedilfen, welde von den
Herrn (nobilibus) von der Afjeborch zu Lehn gehen.
Dat. 1341 in die Prisce virg.
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 103.
deögl. zu Detmold fol. 26b.
Hemediffen iſt Hembſen bei Brakel. Bergl. Aljeburg. U.:B.
II, 209 Nr. 1022.
Nr. 139.
1341. Januar 21.
Sohannes, Werner u. Bertold von der Aſſeborch befunden,
dag ihre Vaſallen, Yudolf u. Heinrih, Brüder von Immedes—
huſen, Knappen, dem Abte Hermaun von Mengherken u.
dem Gonvente zu Münſter bei Sualenberg eine Curtis im
Dorfe (villa) Hemedeſſen u. 4 Hufen in dortiger Feldmark
verkauft haben. Die Aſſeburger genehmigen als Lehnsherrn
mit Einwilligung ihrer Erben, nämlich Bertold3, des obigen
Bertold Sohn, den Verlauf.
Zeugen: (Hermann) Dedant ecclesie (sancti Petri)
Huxariensis; Konrad von Vlechtene, Heinrich von Wenthoſen
(Burgmann) in Wörde (morans in Vorde) u. genannt Szeß—
berg, Knappen; Heinrih Wien u. Johannes Weftenberg.
Act. Brafle atque dat. in die ste Agnetis 1341.
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 102.
deögl. zu Detmold fol. 26.
Gedr.: Aifeburg. U.B. II, 209 Nr. 1023. Alte Randbe:
merfung: Von diejer Curtis werden jährlich gegeben: 6 Viertel Hafer,
3 Viertel Roggen und 3 Schillinge (solidi).
169
Nr. 140.
1341. März 22.
Boldewin (von Steinfurt), erwählter und beitätigter
Biſchof von Paderborn, Otto Propft, Friedrih Dedant, u.
das Kapitel befunden, daß jie mit dem Abte u. dem Convente
des Klofters Münfter bei Sualenberg in derjelben Weile,
wie früher Bilchof Bernhard (V.) wegen der Burg
Vörden, einen Taufchvertrag wegen der Burg Bredenborn,
welche das Klofter auf Veranlafiung Bernhards, aber aus
nn Mitteln zu jeinem Schutze gebauet, abgeſchloſſen
haben.
Abt und Eonvent übergeben die Felte ihres Kloſters in
Bredenborn mit allen Rechten, Gerichten, Zehnten u. Län—
dereien mit einer Mühle und zwei Teihen vor der Purg u.
zwei Teichen zu Marbede, ferner mit dem Dorfe Brochujen
ohne den Zehnten, zugleich mit drei Wäldern, als dem it:
brod, Frettholt und Bornholt, jedoch behalten jie ihrem
Klofter das Steinhaus (domus lapidea) zu Bredenborn vor
nebit einem angrenzenden Hofe, 6 zehntfreien Hufen, einer
Miele beim Dorfe Brochujen, einem Walde genannt Bennind-
holt, 7 Hufen Landes mit zwei Burgmwiejen, weldhe als Burg
lehn die Burgmänner bejigen jollen.
Dagegen überweijet der Biſchof obigem Abte und Con—
vente den Zehnten zu Brungherien, ferner Yändereien „dat
Ebrock“ gebeifen mit Zehnten nebſt jonitigen Einkünften u.
ichließlich eine Mühle vor Nihem, die Brochujer Mühle ge:
nannt. Zugleich wird das Kloſter entbunden von allen
Sontributionen und Subfidien, zu melchen Kirchen, Klöfter
und ver Didcejanklerus herangezogen werden, außer fie würden
vom Papite oder dem Mainzer Erzbiichof (ala Metropolitan)
auferlegt, jedoch ſoll dieje Befreiung nicht auf die Pfarrer
(rectores) der incorporierten Kirchen ausgedehnt werden.
Schließlich befreit der Biichof das Haus in Bredenborn von
allen jtädtiichen Laſten.
Dat. 1341 fer. V post Letare Hierusalem.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 104.
deägl. zu Detmold fol. 17.
Gebr. mit einigen Fehlern bei Schaten, ann. Il ad ann.
Burg und Stadt Bredenborn wurde von den folgenden Biſchöfen
nod mehr befetigt und blieb im Belige der Paderborner Kirche
170
bis auf Fürſtbiſchof Ferdinand von Bayern, welher durch Urkunde
vom 19. Dezember 1618 Amthaus Brebenborn und die dortigen
Güter mit der niedern Gerichtäbarkeit dem Domlapitel jchentte.
Die einzelnen Ortöbezeichnungen, wie Marbede, Ajtbrod, Frett-
bolt, Bornholt u. Bennindholt, werden bei Bredenborn zu ſuchen
fein. Auf Brochujen oder Brochhuſen dürfte der Brofter (Broc:
bujer):Berg hindeuten, eine Heine Erhöhung zwiſchen Bredenborn
einerjeit3, Entrup und dem wüſten Hobreren anderjeitd, unweit des
Beber: oder Beverbaches, der weiter der Emmer zufließt. Hier im
Nähe, nah Nieheim zu lag die Vrochufer Mühle. Später im 16.
Jahrh. kommt fie als Brocmühle bei Nieheim vor. Am 2. Februar
(in festo purificationis virg. gloriose Marie) 1534 vers
kaufte nämlih das Klofter Marienmüniter (Heinrih, Abt und Her:
mann, Prior) dem Nate und der Gemeinheit zu Nihemb die „„Brod-
möllen vor Nihemb gelegen, de uns von einem Herrn und Capittul
tho Paderborn voregent in einer Bütenichop tho bejittende was over-
gegeben’’, gegen eine jährliche Nente von drei Kopmansgülden, auf
Lechtmiſſen zu zahlen.) — Möglicher Weiſe ift es diefelbe Mühle,
welche heute als Brofer Mühle beim Gute Erternbrof im Betriebe
ift. „Dat Ebrod’ iſt eine Feldflur bei Nieheim, welche fi nord:
öftlih von der Stadt nad Everjen hinzieht. Abt Heinrih Hölicher
bemerft am Anfange des Kopialb. D, quod Nihemenses dent
annuam Hüram ex Ebrock centum modios hordei, sive
agri sint steriles sive fertiles.
Nr. 141.
1341. Dezember 16.
Boldomwin, Bilhof von Paderborn, befundet, daß Bertold
Somerkalf, Knappe, dejjen Frau Hildeburg u. Bertold, ihr
Sohn, dem Abte Hermann im Klofter zu Münfter und dem
Convente dajelbit den Zehnten im Dorfe Erdenemifje, welcher
vom Biſchof zu Lehn geht, verfauft haben, dab aber darauf
von Heinrich, Ludolf und Bertold von Driborgh Anſpruch
erhoben jei, dieje jedochnunmehr Verzicht geleitet Hätten.
Zeugen: Werner Raveno von Calenberg, Raveno
Herbold von Papenhem, Hermann von Galenberg, Ludolf
) Vach einer Abjhrift in der Regijtratur des General-Vitariats zu
Paderborn.
171
von Herife, Albero von Erflen, Ritter; Heinrich von dem
MWolde, Siffrid genannt Borne, Johannes Holtgreve, So:
bannes Hende, Knappen.
Dat. 1341 dominica proxima Lucie virg.
Kopialb, zu Grevenburg Rr. 105.
desgl. zu Detmold fol. 20.
Bergl. Nr. 150,
Das Gefchleht von dem Wolde jtammt aus dem Ravensber—⸗
giſchen. Walburg, die legte Äbtijfin von Böddelen vor Ummand-
lung in einen Convent von Auguftinerhorherrn, welche von 1390
bis 1408 vorkommt, gehörte jenem Gejchlehte an. (Vergl. Aſſeb.
U.B. II, 191, Nr. 990.) Diefe Urt. erwähnt Schaten in feinen
Annalen zum gedadhten Jahre, um die Zeit der Weihe Balduin
zum Bifchof zu bejtimmen, Er verlegt fie zwiihen Mär; 22 und
Dezember 16, weil in erfterer Urt, (Nr. 140) Balduin „‚electus
et confirmatus Epus”, in diefer (Nr. 141) dagegen „Pader-
born. ecel. Epus“ heißt. Nunmehr fteht nad Aſſeburg. U.B. II,
214, Nr. 1033 urkundlich feit, daß diefe Biſchofsweihe kurz nad
dem 18. Auguft des %. 1341 in der Stiftskirche zu Herford u.
wahricheinlih dur den Frater (Dominicaner?) Albert, Biſchof
von Jlonium (Ykonensis) vorgenommen ift.
Nr. 142.
1342. Mai 9.
Die Brüder Volmer u. Heinrich (Heino) von Werdere,
Knappen, befennen, daß ihnen Abt und Kapitel in Müniter
das Dorf Lüttefen : Bremen mit allen Rechten außer dem
Zehnten ad defendendam et regendam eandem villam auf
4 Jahre überlaften bat. Nah Ablauf derjelben fällt die
Villa ans Klofter zurüd.
Dat. 1342 ipso die ascens. Domini.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 106.
deögl, zu Detmold fol. 31.
Lüttefen:Bremen iſt gleichbedeutend mit Bremerberg, bat ent:
weder einen Teil des jeigen Dorfes ausgemacht, oder doch in feiner
Nähe gelegen.
172
Nr. 143.
1342. Dezember 28.
Boldowin (Balduin von Steinfurt), Biſchof von Bader:
born, befundet, dab vor ihm Johannes von Schorlemer und
jeine Frau Mechtild, jowie die Knappen „Johannes, Werner
u. Bertold von der Aſſeborch, Boncilina, Werners Frau,
u. Bertold der jüngere von der Ajjeborh, Sohn jenes Ber:
told, dem Abte Hermann von Mengherjien u. dem Convente
des Klofters der Hl. Jungfrau Maria zu Münfter bei Sua—
lenberg den Didhof im Dorfe Wlechtene, welden Werner mit
Gerechtigkeit u. Zubehör au Johannes von Scorlemer als
Brautibag deſſen Frau Mechtilde (jeiner Tochter) gegeben,
der von der Paderborner Kirche zu Lehn geht, für 60 Mark
reinen Silber übertragen haben. Boldowin, Biſchof, Otto
von Bentheim, Dompropit, Friedrich von Nedberghe (Bruder
der Boncilina von der Aſſeburg, Werners Frau), Domdechant
u. das Kapitel zu Paderborn genehmigen auf Bitten der
Dbigen den Verkauf, indem jie den Hof frei an das Klofter
abtreten, jowie aus dem Lehnsverbande entlaffen und jiegeln
mit den Aſſeborchern.
Zeugen: Konrad der Jüngere, Edler von Schonenbergh;
Werner von Brafle u. Hermann von Salenbergh, Ritter;
Helmic Tede genannt Sesberg, Heinrich von Mengherſſen u.
Heinrich von Nedere, Sinappen.
Dat. et act. sabbato infra festum nativitatis
Christi 1342.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 107.
deägl. zu Detmold fol. 19b.
Gedr.: Affeburg. U.:B. II, 221 Nr. 1046. Wigands Archiv
VI &.35. — ®ergl. Schaten, ann. Paderb. II ad ann.
Dieſe Urk. zeigt, wie Edelherren u. Ritter bei Heiraten ihrer
Töchter letztern als Heiratsgut jtatt einer Mitgift in Geld aud
Güter abtraten.
Nr. 144.
1317 — 1342.
Hermann, Abt, Everhard, Prior und das Kapitel der
Kirche zu Müniter bei Swalenberg befennen, dag Albert gen.
Sandeshere, Mechildis feine Frau u. Johannes ihr Sohn,
173
Bürger in Brafle, vom Klofter für 21 Mark Wardberger
Denare eine jährlihe Rente von 21 Schillingen derjelben
Währung, zahlbar aus dem Zehnten zu Seybete, gekauft
haben.
Undatiertes Bruchſtück im Kopialb. D fol. 22.
Unter dem Abte Hermann ijt wahrſcheinlich Hermann von
Mengerjen zu veritehen, und darum ift die Urkunde unter obige
„Jahre eingereiht. Van könnte allerdings auch an den Abt Hermann
denken, welcher 1371, April 18 mit einem Wrior Everhard vor:
kommt.
Nr. 145.
1343. Juni 24.
Bertold Sommercalf, Knappe, u. deſſen Sohn Bertold
verpfänden dem Abte in Mönſter Pir 12 Mark reines Silber
ihre Curie in Ermwordeilen, Die früher Xudolf von Zilen
von ihnen bejap.
Dat. 1343 in nativitate bti Joh. bapt.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 108.
Alle bisherigen Urkunden find lateinisch abgefaßt, die folgenden
find meilt deutih. Bei den ſpäter lateinifch gejchriebenen wird bie
Bezeihnung der Sprache „(Lat.)“ hinzugefügt.
Nr. 146.
1343. Olktober 9.
Konrad van Wlechtene, Knecht (Knappe), bekundet mit
Eljeten jeiner Frau (von Wmmedeshufen), daß fie der
„Junefrowen vam Hemmelrike to voren”, dem Abte Helmbracht
van Münſter u. dem dortigen Convente 10 Mark Löthigen
Silbers wardbergiicher „Wichte“ zu ihrem Seelenheile „in
dat Ampt der Karitaten‘ gegeben u. ald Pfand ihren halben
Hof zu Addeſſen, welcher Schirenbergh'ſche Hof heißt, gelegt
haben. Das Kloſter joll dafür nad) beider Tode ein Be:
gängnis mit Vigilien u. Meſſe halten. Den Erben fteht es
frei, den Hof zu Addeſſen mit 10 Mark wieder einzulöfen.
Konrad von Blechtene jiegelt und mit ihm Ludolf u.
Heinrich Brüder von Ymmedeshuien, Knechte, dejien Schwäger
u. Elſekens Brüder.
Dat. 1343 in junte Dionys Dage.
174
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 119, wo zuerſt die Jahreszahl
1353 ftand, dann in „1343 verändert iſt.
deögl. zu Detmold fol. 11b; D fol. 15 und G pag. 34
u. 35, beide im Staatdardhiv zn Münfter, worin eben:
falld das urjprünglide 1353 in „1343 umgeänbert ijt.
Die andere Hälfte des Hofes erwarb das Klofter durch Urk.
vom 6. Dezember 1361. Bergl. Nr. 168.
Nr. 147.
(1343.)
Heinrih, Graf von Swalenberge, genehmigt als Lehns-
herr, daß Konrad von Vlechtene, Knecht, den halben Hof zu
Addeſſen, welcher „Schyrenberch” heißt, dem Klofter Diarien-
miünfter verjegt.
Undatiertes Brudftüd im Kopialb. zu Örevenburg Nr. 120.
Nr. 148.
1344. März 22.
Theoderid von Alnhufen, Knappe, u. feine Söhne
Gerhard, Diederih u. Heinrih, verjprechen dem Abte u.
Convente der Kirche zu Münſter, daß der (des Eriteren) ab-
wejende Sohn Lippold nad) feiner Rückkehr den Vertrag
wegen des Zehnten zu Emmerde, wie er zwilchen ihnen und
dem Kloſter feitgeiegt ilt, genehmigen jol. Würden ſie dem
Stifte Paderborn feind, wollen jie ſich an den Kloftergütern
bei Bolcmerien u. in Edhujen nicht vergreifen.
Dat. feria II ante Palmas 1344. (Xat.)
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 109,
beögl, zu Detmold fol. 22.
Nr. 149,
1345. Auguſt 1.
Heinrih, Graf von Smwalenberge, beitätigt dem Abte
Helmbert zu Müniter bei Smwalenberg alle dem Kloiter durch
jeine Vorfahren u. deren Bajallen gemadten Schenkungen.
Dat. 1345 ipso die ad vincula sti Petri. (Xat.)
Nah einer Bemerkung des Jeſuiten Michael Strund in Lib.
Var. VII war zu feiner Zeit das Original noch vorhanden u.
batte die Jahreszahl 1345. Daran befand fih das Siegel mit
mn mn — — m un
ber Legende: Sigillum Henrici de Swalenberghe iunioris.
Die Kopialbücher zu Grevenburg Nr. 121, ſowie zu Detmold fol.
32b haben irrtümlih 1354.
Nr. 150.
1346. Dezember 1.
Biihof Boldewin zu Paderborn bekundet, daß Volmer
van der Driborgh, Knappe, mit Genehmigung jeiner Frau
Feneken u. Hermann, Johann, Volmer u. Amelung, feiner
Kinder, auf den Zehnten zu Erdenemiſſen, den er gegen das
Klojter von Münfter bei Swalenberg beanjprudt, Verzicht
geleiftet habe.
Zeugen: Konrad (von Holthujen, Lipp. Regeſt. II
Nr. 929), Kercher to dem Blomberghe, Konrad, Kercher to
der Dryborch; Bertold u. Johann Somerkalfe, Knappen.
Dat. 1346 des Vrigdages na junte Andreje des Apoſtels.
Kopialbuch zu Grevenburg Nr. 110,
deögl. zu Detmold fol. 20 b.
Vergl. Gieferd, burg und Driburg S. 24 fi.
Ar. 151.
1348. uni 7.
Hellembert, Abt, u. Convent im Klofter Münftere bei
Smalenberge erklärt, er habe von Johannes (de Gothe),
Pleban in Detmele, 24 Mark Hervorder Denare erhalten,
und überweift ihm dafür auf Lebenszeit die Korn- u. Geld-
einfünfte und 5 Hühner aus den Höfen (ex curtibus) und
der Mühle in Byſenhuſen, die Geldrente, Tynspenninghe
genannt, von den benachbarten Kotten (ex casis) am Ettelen:
berge, 18 Denare aus dem Haufe Everhards in Barichufen
und 13 Denare in Overnhufen. Nach deſſen Tode jollen die
Kenten ans Klofter zurüdfallen; dagegen übernimmt legteres
die Verpflichtung, für den Pleban Johannes, feinen Bruder
Heinrich und den frühern Peban Johannes in Cappelle (1315)
einen Jahrtag zu halten.
Dat. 1348 in vigilia Penthecosten. (Lat.)
Original im Staatdardhiv zu Münfter, Klofter Harbehauien,
Siegel des Abts vorhanden, Gonventöfiegel abgefallen.
176
Byſenhuſen (Biefen), Gttelenberg (Nettelnberg bei Bieſen),
Barihufen (Barkhauſen) und Overnhuſen (Obernhaufen) liegen
fämmtlih bei Detmold.
Nr. 152.
1348. Oktober 9.
Arnold von Raderborne, Knappe, befeunt, auf das Land
vor Bredenborne, das die Knappen Friedrid von Paderborne,
jelig, und Godevert von Paderborne, jein Sohn, dem Abte
und Gonvente von Müniter, „dat bu Smalenberge lighet“,
verjegt haben, Erinen Anſpruch erheben zu wollen. Für den
Fall, daß Godevert v. P. das Land vom Kloſter einlöfte,
will Arnold v. B. dem Abte Helmbradt bezahlen 8 Biertel
Korn u. eine Mark MWartberger Pfennige. Als Bürgen ver:
pflichten ji Arnold Boje u. Johann von Beahe, Knappen,
binnen 14 Nächten zum Einlager in Nihem, jofern die Zahlung
nicht geleijtet wird.
Dat. 1348 des billigen Dages ſünte Dionyſius.
Kopialb. zu Grevenburg Wir. 112,
Nr. 153.
1349, Februar 14.
Bertold von Addeſſen, Hermann van Nim, Bürger:
meilter; Arnold van der Brude, Konrad Bornid (Borning:
hufen), Heinrich de Krufe (Crispus), Johann de Roade (Rufus),
Friedrich van Paderborne, Heinrih Bornid (Borninghuſen),
Hermann Ludekink, Hermann van Andere, Johann de Kolere
u. Konrad Neinboldind, Natleute der Stadt Nym kommen
mit dem Abt Helmbraht von Münfter dahin überein, daß
fie einen in ihrer Stadt gelegenen Klofterhof in feinem da—
maligen Umfange von den ftäbdtiichen Yajten „vor Schatte,
vor Wachte” befreien. „Wer od, dat fie (das Kloſter) den
julben Hof bemeygeren mwolden, fo jchollen je den Hof nicht
danne mit eyneme Dieygere bemeygeren u. den Meyaere u.
ſyn Geiynde, dat in finem Brode, Lone u. Arbeyde were,
iholle wy (die Stadt) vorgedegedingen alje andere unſe
Borger, wate Gode de filve Abt u. jyneme Meygere in deme
Hove hedden, dat ere were, u. des Nachts darbinnen befclotten,
dat jchal vryg ſyn; wat he dar aver en buten hedde, were
he unje Borger, dar ſcholde he ung affdoen, alje andere unie
177
Börgere van ereme Wichbolder Gode plegen to doende. Were,
dat je den Hof bemeygerden mit enem wertlifen Manne, de
Schal Borger werden u. ſchal darme vryg ſyn, alje hyr vor
geicreven fteyt, anne ſynen Schaden u. anne Roft.” Dafür
zahlt der Abt an die Stadt Nieheim 9 Mark lötiges Silber.
— Biſchof Boldwyn von Paderborn genehmigt den Vertrag.
Zeugen: Ludolf van Herfje, Richter; Albert van dem
Blomberghe u. Bertold de Vriggreve, Knappen.
Dat. 1349 in funte Valentinus Daghe.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 113, wo fi die eingellams
merten Stellen befinden.
beögl. zu Detmold fol, 26b und 27.
Bergl. Lipp. Regeſt. III Nr. 1523.
Nr. 154.
1349. Mai 30.
Johann von Uppenbrod, Knappe, befennt, daß er einen
Hof im Dorfe Brac, zwilchen Lügde u. Riichenau belegen,
vom Abte Helmbradht u. deifen Convente zu Münſtere in
rechte Meierftatt von Pfingiten an auf 10 Fahre empfangen
u. gewonnen habe, dafür aber jährlih zu Michaeli dem Abte
Helmbradt in das Kornhaus zu Münfter drei „Verdel“ Roggen
u. drei „Verdel“ Hafer, mit des Kloſters Scheffel zu meſſen,
liefern und bezahlen wolle. Neben dem Ausfteller fiegeln
Konrad von Beghe, Ritter, u. Johann von Wetberghe, de
Junghe, Knappe.
Dat. 1349 des helighen Avendes vor der Hodtyt to
Pinkeſten.
Falkenhagener Kopialb. B zu Detmold,
Kopialb,. zu Grevenburg Nr, 114.
Bergl. Lipp. Regeit. II Nr. 919.
Zur Lage des audgegangenen Dorfes Brac fei bemerkt, daß
es zur Pfarrei Lügde gehörte. In Fallenhagener Urkunden wird es
bezeichnet ald: „Brach in parochia Lügde“ (1290) und
„Braler Belde yn dem Keröpel to Lude“ (1446).
Nr. 155.
1349. Zuli 9.
Heinrih Zeysberg, Knappe, Elizabet, deſſen Frau u.
Heinrich, ihr Sohn, verkaufen dem Klofter Wilbodefjen ihre
XLVII. 2, 12
178
halbe Hufe (mansus) vor der Stadt Nyhem, auf dem „hoye
Velde“ an der Emmer gelegen, die fie vom Klofter zu Lehn
getragen; gleichzeitig entjagen jie allen Anſprüchen auf eine
Hufe dafelbit, welche der Vater des Heinrich Zeysberg an
das Kloſter verkauft hatte.
Neben Heinrich Zeysberg fiegeln Johannes von Oygen—
huſen, Officiatus in Smwalenberg, und Godfrid von Balborne
(Baderborne), Knappen. Zeugen: Gyffrid von Volteſſen,
Mönch in monasterio prope Swalenberg, 2ubert von Ho—
breachteſſen und Heinrich von Oygenhojen.
Dat. et act. 1349 in crastino sancti Kyliani (Lat.).
Kopialb. des Klofters MWillebadefjen im Stadtardiv zu Dort:
mund fol. 38b.
Bergl. Oeynh. Regeſt. II Nr. 559.
Nr. 156.
IBusen
Gert, Diderik u. Henric, Brüder van Allenhoffen, Knappen,
befunden, daß „de Teghede to Emmerfe bynnen u. buten
dem Dorpe mit deme Ochmen is des Stichtes van Muniter,
dat gelegen iS by Swalenberge, u. horet tho der Kerken tho
Pomeſſen“. Die genannten Brüder van Allenhoffen wollen
fernerhin feinerlei Anſpruch auf den Zehnten erheben, jedoch
follen in der Kirche zu Bömbjen wöchentlich zwei Meffen für
die Familie von Allenhofjen u. jährlich einmal „Beghenckniſſe“
mit Vigilie und Mefje für die Veritorberen derjelben gehalten
werden. Für den Fall, daß der van Allenhoffen „yenich
Viand worde des Stichte8 van PBaderborne, de en fcal ...
nenen Scaden deme ... Stichte van Münfter in ereme Gude,
dat vor der Stad Volkmerſſen lycht u. tho Echofen, doen.“
Helmbradt Abbet to Münfter u. fein Convent geben eine
Broderscop aller guden Werke den genannten Brüdern van
Allenhoffen mit Vigilien u. Miffen, de fe bdeilhafftig follen
werden im Klofter to Münfter life den Brüdern.
Dat. 13....
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 115.
deögl. zu Detmold fol. 21.
Das Datum diefer Urf. ijt verjtümmelt überliefert. Weil fie
zu jolden aus den Jahren 1338 (Nr. 126) u. 1344 (Nr. 148)
179
gehört, hat man in den Kopialbücdern ſich dadurch zu helfen
gefucht, daß ,,50° oder „L“ von fpäterer Hand hinzugefügt ift,
um fie dem %. 1350 zu übermweijfen. E3 ijt auch verfucht worden,
diefelben aus dem %. 1300 zu datieren, das letztere dürfte aber
wegen de3 Zujammenhanges mit den Urkunden von 1338 u.1344
nicht zuläflig fein.
Nr. 157.
1351. April 30.
Sohann von Eyllewordefien (Eilverjen), Windele feine
Frau, Johann jein Sohn, Knappen, Alheit, Ricze u. Ger:
trud, feine Töchter, verkaufen dem Abte Hellmbrachte von
Münfter u. dortigem Gonvente ihren Hof zu Entorpe, einen
halben Hof zu Addeſſen, einen Kotten und „de Stede damede’
auf dem Kirchhofe zu Holthojen nebit einem Garten daſelbſt
für 16 Mark Pfenninge u. 3 Schillinge nah Warburger
MWehrung u. wollen auch wegen Hermanns von Eilleworbefjen
rechte Bürgichaft leiften.
Wernher, Bercolo (Bertold), Reynher u. Robbradt,
Brüder von der Xippe, Anappen, verpflichten ſich als Bürgen
auf Mahnung des Abts binnen 14 Nächten zum Einlager
zu Nym, fofern die Kaufbedingungen nicht gehalten werden.
MWiederlöje wird vorbehalten.
Dat. 1351 des billigen Avendes ſunte Wolberge.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 116 vergliden mit Kopialb.
D fol. 4 u. 5 und G Seite 31.
Vergl. Lipp. Regeit. IV Nr. 2504.
Nr. 158.
1352. April 25.
Albreht u. Wernder, Ritter, Hermann, Knappe, Brüder
genannt von Brafele, Albrechts Tochter Lyſe, Wernhers Frau
Drude, Hermanns Frau Ermgarde u. Hermanns Kinder
Wernher u. Agnes verkaufen dem Abte Helmbradht zu Münfter
by Swalenberge 4 Hufen Landes, gelegen auf dem Felde
vor dem Slote to dem Bredenborne, die ihnen ledig geworden
u. angejtorben jind von Konrad von Bredenborne u. deſſen
Söhnen Konrad u. Ernit, für 30 Mark lötigen Silber. —
Biſchof Boldewin von Paderborn als Lehnsherr von 3 Hufen
12*
180
und Äbtiſſin Berlyfe von (Neuen-)Heerfe als Lehnsfrau einer
Hufe genehmigen den Verkauf.
Er Bur mweitern Sicherheit ftellen die Verkäufer dem Abt
Helmbradt von Münfter folgende 6 Bürgen: Nolte und
Siverd, Brüder de Bojen, Heinrich u. Diederich von Nedere,
Heinrich von Mengerjen u. Konrad von Modekeſſen, Knappen,
welche jich binnen 14 Nächten auf Mahnung des Abts zum
Einlager in Nyme verpflichten.
Dat. 1352 in jfünte Marcus Daghe des Evangeliften.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 117.
desgl. zu Detmold fol. 18b.
Bergl. Ztſchr. Bd. 37b ©. 157 Nr. 227.
Verlyſe oder Lyſa (Elifabeth), Gräfin von Bentheim, findet
fih als Äbtiſſin von Neuenheerfe von 1339, in weldhem Jahre fie
wol Übtiffin geworden, bis 1372.
Nr. 159.
1352. November 7.
Bürgermeifter, Rat u. Gemeinheit der Stadt Bold'merfen
befunden, daß fie auf jene Wiejen neben dem ftäbtifchen Teiche,
genannt „Weſegraß“, welche fie gegen andere Wiejen dajelbit
dem Abte u. dem Convente zu Münſter taufchweife übergeben,
zu Gunften des Klofters Verzicht geleiftet.
Dat, feria IV ante festum Martini autumnale 1352.
(Lat.)
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 118.
desgl. zu Detmold fol. 13b.
Ar. 160.
1354. Mai 3.
Bor dem Grafen Hermann von PBerremunt, dem Bur:
richter Wedekind Pippele u. dem Gogherichtere (Gograf)
Bernhard Dejenberg im feierlichen Gerichte zu Lude (Lügde)
unter Königsbanne überweilen Johannes von Hudenhuien
u. dejjen Bruder Winand zugleih mit ihren Brüdern, von
denen Bernhard Möndh in Münftere bei Swalen:
berg iſt, nebjt den übrigen Verwandten dem Klofter Ma:
rienfeld gemwifje Güter zu Lude, Lowenhuſen (Löwenſen) in
ber Pfarrei Odestorpe (Oesdorf), Dldendorpe, ihren Wald
181
genannt das DVesperholt, Güter in Holthufen (bei Pyrmont)
u. den Haghenting zu Bredenborn, indem zugleih Johanns
Frau Adele auf ihre Leibzucht verzichtet. Dabei find zugegen
geweien und fiegeln neben dem Grafen und den Ratleuten
der Stadt Lude ftatt der beiden obigen mit Siegeln nicht ver-
jehenen Richter: Bertold, Freigraf des E. H. Dtto zur Lippe,
u. Hermann Wile, Richter der Altftadt Lemgo.
Zeugen: Die Lügder Ratleute Bruno de Molendino,
die Brüder Heinrih u. Florefin Nebod, Bernhard Kanne,
Friedrih Vateſchilt, Eggerig Poſt u. Johann von Ubbenbrof,
Knappen.
Dat. et act. 1354 ipsa die Invencionis ste Crucis.
(Lat.)
Gedr.: v. Spilder, Geſch. der Gr. v. Everftein, Urkk. Nr. 375.
Nah dem Original mit den 4 Siegeln.
Bergl. Lipp. Negeft II Nr. 972.
Nr. 161.
1354.
Dtto, E. H. zur Lippe, überweijet mit Genehmigung
jeiner Gemahlin Ermgard dem Klofter Marienmüniter einen
Baderborn’ihen Lehnzzehnten zu Lomwenjen (bei Pyrmont),
nahdem joldher ihm von jeinem Lehnmanne Bernhard Kanne
von Lügde aufgelafen.
v. Spilder, Geh. der Gr. von Everftein S. 201. Regeſt,
daraus Lipp. Regeit. II Nr. 986.
Nr. 162.
1355. Mai 22.
Ludolf, Knappe, Sohn Hugo's von Elbesdorpe, verkauft
dem Abt Helmbert von Beghe zu Münfter bei Smalenberg
und dortigem Convente 7 Morgen (pecias seu iugera)
Landes in der Feldmark des Dorfes Vinsbefe under deme
Edholte mit dem Zehnten für 4 Malter Roggen u. behält
fih den Rüdkauf innerhalb 6 Jahren vor, mwährenddem er
das Klofter wegen eines Zehnten auf drei Adern nicht weiter
beläjtigen will. Dagegen joll nah Ablauf der 6 Jahre, jo:
fern die Einlöjung nicht ftattgefunden, dieſer Zehnte mit den
7 verpfändeten Morgen dem Klofter ald Eigentum gehören.
182
Zeugen: Mbert genannt (von) Addeſſen, Convents-
priefter zu Münfter (vergl. Nr. 165); Arnold ger. Bofe,
Heinrih von Immeteshuſen, Knappen; Arnold gen. Brügge-
man, Bürgermeifter (proconsul) in Nym.
Dat. 1355 feria VI ante festum Pentecostes. (Lat.)
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 122,
Nr. 163,
1358. Sanuar 16.
Helmbradt, Abbet zu Münfter by Smwalenberg u. dor—
tiger Convent verfaufen eine halbe Mark lötigen Silbers
ald Rente für 16 Mark Warburger Pfennige an ihren Con—
ventsbroder Heinrih von Oyenhuſen und Eljefen Scattes
finer Maghet, zahlbar für beider Lebzeiten aus dem Klofter-
gute zu Volkmerſen. Nach ihrem Tode joll das Geld an das
Garitaten:Amt des Klojters fallen u. für beide ein Jahrge—
dechtnis mit PVigilien und Meſſen gehalten werben.
Dat. 1358 ipso die Marcelli pap. et mart.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 123.
Dergl. Deynhauf. Reg. I Nr. 16.
Nr. 164.
1358. Juli 25.
Helmbradht, Abt zu Münfter, bekennt, daß der Convent
aus dem Almojen-Amte des Klofters 10 Mark lötigen Silbers
empfangen jolle, um damit von Johann von Oynhoffen u.
feiner Frau Kunnefen die beiden verjegten Zehnten zu Brun-
gerien u. im Ebrode einzulöjen. Neben dem Abt fiegeln
Heinrih von Ymmedeshuſen und Albraht von Boffellen,
Knechte.
Dat. 1358 in die Jacobi apostoli.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 124.
Vergl. Oeynhauſ. Reg. J Nr. 18.
Nr. 165.
1359. November 13.
Helmbracht, Abt zu Münſter, befennt, daß er 6 lötige
Mark weitfäliihen Silbers aus des Klofters Sefen-Ampte
erhalten u. dem Papfte auf dejien Bitte gegeben, u. ver:
183
pflichtet fich, dafür aus dem Kloftergute zu Voldmerjen außer
dem Bing, der ſchon darin fteht, auf drei Jahre alljährlich
noch eine halbe Mark Silber dem Sekenmeſter Herrn Albracht
von Addeſſen als Zinjen zu entrichten. Nach Ablauf der
3 Jahre fol das entliehene Geld wieder bezahlt werden.
Dat. 1359 ipso die Brictii epi.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 125.
Nr. 166.
1361. Mai 7.
Helmbert van der Gnade Godes Abbet to Munftere
under der Auldenburgh u. dortiger Convent kommen mit
Alrad Bozen, Knappen, überein, daß der zeitige Kerchere to
Nym jal olle Vridaghe beghan in Godesdenite Hern Eyvorde
Bozen u. Vrowe Bredefen, jine Vrowe, den God ghnedigh
ſy, uppe deme overjten Altare to Nym in der Kerken u. erer
Kindere, wanner der weligh af ghinghe van Dodes weghene,
u. denken der alle Sundaghe in deme ghemenen Bede. Dar
umme Alrad vorenompt deme ſelven Kerchern heft ghemafet
ver Schillingh Gheldes, up to borende alle Jar. — Abt u.
Convent fiegeln.
Dat. 1361 in crastina ascensionis Dni.
Driginal im Staat3ardiv zu Münjter, Kloſter Hardehaufen-
Beide Siegel erhalten.
Letztes urkundlihe PVorlommen des Abt3 Helmbradht oder
Helmbert.
Nr. 167.
1361. November 25.
Wernher von Modekſen bekundet mit Gheſeke (Gertrud)
feiner Frau u. Gerhard jeinem Sohne, daß er wegen Des
Hofes, den Cord von Vlechtene u. er miteinander zu gleichen
Teilen im Dorfe Addeſſen beſaßen, welcher Schyrenberges
Hof heißt, von dem Cord von BVlechtene feine Hälfte dem
Stifte zu Münfter „gesehen, niemal® Anſprüche gegen ba3
Klofter erheben will
a — dem Ausſteller ſiegelt noch Albracht von Boffeſſen,
necht
Dat. 1361 ipso die Katharine virg. et martyr.
184
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 126, wo der Name der Fran
W. v. Modekſen „Bele“ (Eliſabeth) heißt.
desgl. zu Detmold fol. 12.
Dergl. die folgende Nr.
Das Nittergefchleht von Modekliſſen oder Modekſen bat feinen
Namen von der ausgegangenen Dorfihaft Modekiſſen, die nordöjtlich
von Brakel unweit von Hainhaufen lag. Das Moderer Holz im
Befige der Stabt hält die alte Bezeihnung noch aufredt.
Nr. 168.
1361. Dezember 6.
Werner von Modekſen, Knecht, Elske, feine Frau, Ghe—
refen, fein Sohn, verpfänden dem Stichte van Münfter u.
den Gonventusherrn darjulves in das Sefenampt ihren halben
Hof zu Addeſſen, den fie mit den Herrn van Müniter ges
meinfam bejigen, welcher der Schirenbergiiche Hof heißt, für
4 lötige Mark meltfäliihen Silbers Warburger Wichte
(Wehrung) und behalten fih Rückkauf auch von einer Wieje
vor, die dem Kloſter verpfändet ilt.
Bürgen find: Bernhard von Holthufen, Diederih von
Nedere u. Friedrih von Ymmeſſen, Knechte.
Dat. 1361 ipso die Nicolai conf. et pontif.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 127.
desgl. zu Detmold fol. 12.
Nr. 169.
1362. Sanuar 25.
Hilbold van Beveren, Knappe, bekennt, „dat ic hebbe
upgeboret twe lodige Marck van den ſes lodigen Marken,
de Wilkin (Wilhelm) unde ſyn echte Hußfrowe ... hadden
mit dem Stichte van Munſter, de eck affgerechet hebbe dem
Abte unde dem Stichte to Münſter ...
Dat. 1362 in ſunte Pawelsdaghe, fo be befard word.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 128.
Nah dem Tagebuche des Abts Heinrih Schröder vom 3.1524
enthielt die Mark Silber 8 rhein. Gulden,
185
Nr. 170.
1365. Auguft 15.
Johann de Zedeler, Freigraf des Edlen Junchern
Simon (III.) zur Lippe u. geſchworener Gograf des Goge—
richtes im Kirchſpiele zu Detmele, beurkundet, daß vor ihm,
als er in einem gehegten Gogerichte zu Bizenhuſen geſeſſen,
Johann, Berend, Hermann, Everd, Zegherd u. Brechteke,
Hovemannes Söhne, bekannt, der Overhof (obere Hof) zu
Bizenhuſen gehöre Henzeken van deme Rede, Bürger zu
Lemego, daß dann zwei der Hovemannes Söhne, nämlich
Brechteke und Berend, denſelben Hof von Henzeken van deme
Rede auf fünf Jahre in Meierſtatt empfangen haben, und
zwar in Gegenwart von Johann de Schwarte u. Heinrich
van Dehem, Knappen; Johann van Hovediſſen, Bertram van
Hilgenkerken u. Arnold Wendink, Borghermeſtere zu Lemego;
den dortigen „RKRadmannen“ Johann de Schizelere u. Johann
van deme Rede; dem Richter Detmar Rodembure, Nolte de
Koſtere und anderen guten Leuten, „de dat Richte beſtanden
und dat Ordele funden.“ Johann de Zedeler ſiegelt.
Gheven 1365, tho unſer Vrowen Daghe, alzo ſe tho
Hymele vor, gheheten tho Wortemyſſen (Krautweih).
Original mit abgefallenem Siegel im Staatsarchiv zu Münſter,
Kloſter Hardehauſen.
Vergl. Lipp. Regeſt. II Nr. 1132.
Dieſe und noch weitere Urkk. aus d. J. 1395 u. 1462 be
ziehen fi auf die Kloftergüter zu Biefen. Vergl. Nr. 151.
Nr. 171.
1368. September 14.
Heinrich von Imdeshuſen verfauft mit Zuftimmung feiner
Frau u. feiner Söhne Ludolf u. Hermann den Hof zu Entorp
mit zwei Hufen Landes an Johann von Oyenhujen den
Ältern u. deffen Sohn Johann.
Zeugen (Deghedinges Lüde): Herr Johann van Nyhm,
Mönch zu Münfter, u. Albert van Boffeſſen.
Dat. 1368 ipso die Exaltationis ste Crucis.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 129.
Vergl. Deynhauf. Negeft. I Nr. 29.
186
Nr. 172.
1370. Mai 23,
Godeke von Baderborn, Knappe, verkauft feinen Hof zu
Entorp mit Zubehör an Johann von Dyenhufen den Älteren
u. deffen Sohn Johann u. will die Einwilligung des Abts
von Corvey als Lehnsherrn erwirken. Bürgen find Die
Knappen Nolte Bofe und Günther von Hedewigeſſen, welche
auf Mahnung binnen 4 Wochen zu Nyhem einreiten wollen.
Dat. 1370 in die ascensionis Dni.
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 130.
Bergl. Deynhauf. Regeit. I Nr. 31.
(Fortjeßung folgt.)
—— — — —— — — —
vn.
Miscellen.
1. Lage von Merfce.
Wigand (Corveyſche Güterbefig, S. 121) und nad) ihm Andere
fegen die Lage des ausgegangenen Merfche zwifchen Albaren und Stable
(Kreid Hörter), wo noch eine Gegend die Maſch (Marjch) Heike. Dies
ift jedoch unrichtig; Merſche hat vielmehr zwiſchen Stahle und Heinfen
gelegen, unterhalb des Kickenſteins. Dort liegt auch das zu Stable gehörige
große Feld, die Mafch genannt. Zwijchen Albaren und Stahle führt feine
Barcelle diefen Namen, und es läßt ſich auch wohl wicht denfen, daß bei
einer Entfernung von einer halben Stunde drei Dörfer gelegen haben
follten.
Marinmünfter. v. Heeßen.
2. Lage von Scattenhufen.
An diefen ausgegangenen Ort erinnert jet feine Flurbenennung mehr.
Sowohl Giefers (Burg und Grafichaft Wewelsburg in Zeitichr. Bd. 22),
als auch Kampſchulte (Almegau in Zeitfchr. Bd. 23) verzeichnen auf
den ihren Abhandlungen beigegebenen Karten Scattenhufen ald am rechten
Ufer der Alme zwijchen Wewelöburg und Brenfen gelegen. Jedoch der jehr
lofalfundige Schr. Friedrich v. Brenken zu Erpernburg (+ 1867) verlegt
Scattenhujen and linfe Ufer der Alme. Died geht auch unzweifelhaft
aus dem Böddefer Urkundenbuch (im Befig des Frhr. v. Brenfen
zu Wewer) hervor, wo Scattenhufer Grundftüde angrenzend genannt
werden an den Helweg und andere noch bekannte Slurparcellen (Widbuſch,
Espenbuſch 20). Der Ort hat demgemäß nörblid von Brenfen an der
öftlihen Spite der Brenker Dark gelegen und war weftlich angrenzend
an das ebenfalls ausgegangene Rameshufen. — Im Böddeker Urkunden-
buche heißt es:
Fol. 221: In Schattenhusen boven Brenken, quondam villa
jam desolata, habet ecclesia Bodicensis unum mansum de officio
Aldenbodiken,
Fol. 289: To Scattenhusen dat aneval des groten hofs 9 morgen;
dat aneval des lüttiken hoffs by der groten Iynden 1 vifgarde; item 3 mor-
gen by der lüttiken veltreke; item 1 morgen de up den veltsant schut;
item 1 vifgarde boven dem Helwege beneden den veltsande, item
1 morgen dar entegen in dey oistsyden; item 1 sesgarde by den
espenbusche tuschen dem widbusche unde Scattenhusen; item 1 sesgarde
by dem widbusche beneden dem helwege; item 1 sesgarde boven den
188
brunshole unde dat schut over de slucht; item 2 morgen beneven
den vlegenbusche; item 5 morgen beneven der drift, de beneven der
langen reyne here geit; item 4 morgen beneden Scattenhusen by der
doren reke; item 2 morgen schetz up den knik over up de langen
reyne; item 1 sesgarde schut up de drift neden dar dey reyne wendet;
item 5 morgen schetet up den groten hoff to Schattenhusen,
Kirhborden. Mertens.
3. Münzfund auf Baus Stodhaufen (Kr. Mefchede).
Im Auguft ded Jahres 1888 wurden auf dem in der Nähe von
Meichede belegenen Gute ded Herrn v. Stodhaufen mehrere alte Gold-
mänzen gefunden. Sie tragen Wappen von Trierichen und Mainzer Erz-
biichöfen und ftammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Eine derfelben
zeigt auf dem Avers St. Johannes Baptift, eine andere das Pruftbild
des hl. Petrus in einer halbkreisförmigen Nifche. Das Bild eines figenden
Biſchofes auf gothiſchem Throne erkennt man auf einer dritten der Münzen.
Weſtfäl. Merkur vom 31. Auguft 1888.
4. Münzfund bei Neuenbeken (Kr. Paderborn).
Am 27. März 1888 wurde bei Neuenbefen und zwar hinter der
Glashütte im Strang, beim Ausroden eines Buchenftammes /, Fuß tief
an einer Wurzel ein irdener Topf mit einer großen Anzahl Silbermüngen
gefunden. Unter demjelben befinden fi) 182 Bracteaten, die übrigen
Münzen gehören dem 12. bis 15. Jahrh. an und vertheilen ſich auf ver
ſchiedene weftfälifche Territorien, darunter 64 Stück vom Münfterjchen
Bifhof Ludwig I. von Heffen (1310—1857). Der Münzfund wurde
von dem Alterthumsverein zu Paderborn erworben.
Paderborn. Ahlemeper.
5. Grabfund zu Berlar bei Ramsbed (Kr. Mefchede).
Im Sommer ded Jahres 1884 ftieß man bei Aufräumung des hie
figen alten Kapellenplages (die alte Kapelle, wahrjcheinlih noch zu dem
‚ alten Rittergute gehörig, ift im Sommer 1883 wegen Baufälligfeit ab-
gebrochen und der Bau einer neuen Kapelle auf einem anderen Plate
vollendet worden) zufällig auf einen großen, majfiven Stein, auf welchem
ein Doppel-Wappen und eine Injchrift zu jehen war. Aus leßterer waren
noch deutlich die Worte zu entziffern: „Freiherr Dietrich v. Pletten.
berg, gottfelig geftorben.” Das Doppel-Wappen führt die Namen
„Walraven und Plettenberg.” Bemerkenswerth ift, dab ein von Dietrich
v. Plettenberg ausgeſtelltes Shriftftüd aus dem Jahre 1668, weldes im
189
Beſitze eines hieſigen Grundbefigers ift, mit einem Siegel verſehen ift, in
welchem 3 Buchſtaben fich finden, wovon einer mit dem Wappenbuchſtaben
des Gteined übereinstimmt. Bei näherer Unterfuhung der Bauftätte fand
man genau unter dem Steine ein Grab, in welchem ſich noch Theile
des Sarges, verroftete Sargnägel, fowie Gebeine vorfanden. Man hat alfo
wahrjcheinlih die Leichenaruft der freiherrlihen Familie Dietrich
vd. Plettenberg aufgefunden. Daf die leßtere hierjelbft ein Landgut gehabt
bat, bejagt oben erwähntes Schriftitüd.
Weitfäl. Volksblatt 1884. Nr. 206.
6. Grabfund bei Süddinfer (Kr. Hamm).
Im Mai des Jahres 1884 fanden Wiefenarbeiter in der Nähe des
Dorfes Suddinter beim Abtragen eines Hügeld einen Sarg mit dem
Skelett eines in vollem Waffenſchmuck beigefegten Ritter. Auf dem
Stelett lag ein breites, mit jtarfem Handgriff verjehened Schwert und
neben bdemfelben der obere Theil einer Lanze. Das Schwertgehänge war
mit Beichlägen von Bronceguß, mit ſchwerer Bergoldung und reich mit
Almandinfteinen verjehen, welch' legtere von den Arbeitern beim Reinigen
des Fundes zum größten Theile leider abgewajchen wurden und dadurd
verloren gingen. Die Eijentheile waren vollitändig morſch. Nur die Lanzen-
fpige ift gerettet worden.
Weitfäl. Merkur vom $. Juni 1884.
7. Die Todtenbäume (Einbaumfärge) von Rhynern (Kr. Hamm).
Ueber diefe Todtenbäume, welche bei dem Erweiterungsbau der fathol.
Kirche im Jahre 1871/72 ausgegraben wurden, haben bereit? Nordhoff
(Kunſt- und Geſchichtsdenkmäler der Provinz Weftfalen, Kreis Hamm,
©. 84) und nad ihm Landois und Vormann (Meitfäliihe Zodten-
bäume und Baumfargmenihen, ©. 5) kurz berichtet. Ueber diefen Fund
theile ich im Folgenden Näheres mit.
Nachdem bereitd zwei übereinanderliegende Särge gewöhnlicher Art
entfernt waren, ftieß der Spaten auf die Bäume. Der Dedel des erften
wurde, weil die Arbeiter von einem jolchen Yunde feine Ahnung hatten,
zerichlagen und zerhauen und das Ganze demnach in Stücken audgehoben.
Als mir davon Mittheilung gemacht wurde, begab ich mich zur Stelle und
gab Befehl, für den Fall, daß fich mehrere folcher Bäume finden follten,
mich zu rufen. Das geſchah und die folgenden 5 oder 6 wurden nun
möglichft jorgfältig zu Tage gebracht. Die Rinde derjelben war nod fo
friich, ald wenn die Bäume erjt vor kurzem gefällt gewejen wären. Zwei
waren ganz vollitändig erhalten, die übrigen mehr oder weniger vergpodert,
190
Die Dedel waren den Bäumen abgeipalten. Einige waren ganz, einige für
Kopf, Hald und Rumpf bejonders audgehöhlt. Skelette oder auch nur
Theile derjelben fanden ſich im feinem vor, ſchwarze Erde bededte der Länge
nad) den Boden; nur in einem lag in der Kopfhöhle ein Convolut von
fuchſigen Haaren, die anfangs noch elaftijch waren, aber, nachdem fie furze
Beit der Luft ausgejeßt waren, in Staub zerfielen. Zwei Stämme lagen
mit ihren Enden unter dem Fundamente des Kreuzflügeld der Kirche, die
anderen jo nahe an dem Fundamente des Langſchiffes, daß fie stante
ecclesia unmöglich dahin gebracht fein konnten, die Kirche muß nothwendig
über fie hinweggebauet jein. Alle waren mindeſtens 7 bi 8 Fuß lang
und fehr did, und lagen ftart 9 Fuß unter der Oberfläche des Kirchhofes.
Nachdem diejelben längere Zeit, von den Vorübergehenden angeftaunt und
bewundert, auf dem Plate gelegen hatten und durch den Sonnenbrand
fehr geichädigt waren, wurden fie vom Kirchenvorftande den Armen im
Armenhaufe zum Verbrennen geſchenkt. Man kannte eben ihren Werth nicht.
Rhynern. Zerborg,
Dechant.
8. Urnenfund bei Weſternkotten.
Aus einem Schreiben des Gutsbeſitzers Reinhard Jeſſe zu Weitern-
fotten vom 15. Ian. 1884:
In meinem Befige hatte ich bis vor zwei Jahren, ald die Separation
ausgeführt wurde, ein Grundftüd, den fog. Roggenknapp, ſũdlich von der
Chauſſee Erwitte-Eicdeloh in der Nähe der Weſternkotter Ziegelei belegen.
Die Parcelle ift etwa 1 Morgen groß und liegt unmittelbar am alten
Helwege und war früher von allen Seiten von einem alten Wege begrenzt.
Dieſes Grundftüd wurde vor etwa 30 Jahren von den Zieglen als
Lehmſtich benußt. Beim Ausftechen des Lehmes fanden fi) damals eine
große Anzahl von Urnen. Ich erinmere mich noch fehr genau, daß in einer
Urne eine Schnur von etwa 50 bis 60 Stüd aus Thon gebadener Perlen
fich befand. Die Perlen waren theild von länglicher, theild von runder
und ovaler Form und hatten verjchiedene Färbung, gelb, blau, roth ꝛc.
Eine Urne mit ca. 20 Stüd von Perlen Habe id; vor mehreren Jahren
meinem Neffen, dem Amtsrichter F. Kellerhoff, damals im Sierlohn,
geichentt. Auch hatte man ein Schwert, über einer Urne liegend, aufgefunden.
Leider iſt daffelbe von den Arbeitern zerjchlagen worden. Das Grundſtück
ift in Folge der Separation auf den Frhrn. v. Papen-Lohe übergegangen.
Ermitte. Ludw. Krufe.
191
. 9. Die fog. Burg zu Medebadı.
Die fog. Burg zu Medebad; brannte im October des Jahres 1883
ab. An diefes ältefte Wohnhaus der Stadt knüpfen ſich folgende hiſtoriſche
Data. Am Ende des 17. Jahrhunderts, aljo vor ungefähr 200 Jahren,
— ob und wie viel früher, bleibt im Dunkeln — umfaßte die Ringmauer
unferer Stadt außer den bürgerlichen Sohlftätten zwei adelige Höfe, den
einen weftlih von der Kirche, die Vurg, den andern öftlid von der
Kirche, den Junkern-Hof. Das Haus auf dem Junkernhofe, welches
früher dem Herm von Gogrebe und fodann dem Herm von Bourſcheid
zu Heejen gehörte, brannte im Sabre 1789 ab; der Junkernplatz blieb un-
bebaut liegen, bid er nad) dem großen Brande von 1844 in den Retablifje-
mentöplan gezogen und mit Bürgerhäufern bebaut wurde. Das dazu ger
börige Junkerngut wurde von dem Gerichtöjchreiber H. Lübbert erfauft
und befindet ſich noch jeßt zum größten Theile in dem Befige der Nach-
fommen dieſer jet bis auf zwei Augen audgeitorbenen Yamilie. Die
„Burg“ fol um die Mitte des 17. Sahrhunderts, gleich nach dem 30jäh-
rigen Kriege, von dem Herrn von Dorffeld, welcher feinen Wohnfig
aus der gleichnamigen Feldflur in die Ringmaner der Stadt verlegte, erbaut
fein. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war fie Eigenthum der
Bamilie von Dalwigk — jegt Dalwigk-Lichtenfeld —, kam dann in den
Beſitz ded Medebacher Gerichtöheren Sponier, dann der Familie Lübbert,
der Yamilie Koefter und der Familie Poellmann, welche legtere vor
einigen Tagen die rauchenden Trümmer zu verlaffen gezwungen wurde.
Ein ganzes Jahrhundert lang nad dem Abzuge der adeligen Yamilie
hat deren Befigthum als folches und dem Namen nad fi erhalten; —
jegt hat die „Burg“ zu eriftiren aufgehört und wird nie wieder erjtehen,
Weſtfäl. Volksblatt vom 18. October 1883.
10. Nachrichten über Hexenproceſſe.
Im ftädtifchen Archive zu Hörter befinden ſich 11 Akten über Heren-
procefje aud den Jahren 1654 bi 1659, und zwar 1 vom 3. 1654,
7 vom J. 1655, 2 vom J. 1656 und 1 vom 3. 1659. Neben 4 Männern
handelt es fi um 4 Ehefrauen, 3 Wittwen und 3 ledige Frauenzimmer,
welche wegen „Zauberei, Abfall von Gott und (bei den Weibern) gemachter
Verbündniß und gepflogener Genoſſenſchaft mit dem leidigen Satan” an-
geflagt find.
Die Akten find ziemlich vollftändig; in einigen Fällen fehlen die
Protocolle der „gütlichen Befragung”; die der peinlichen Verhöre liegen
bis auf eine ſämmtlich vor.
192
Die Fragen in den Protofollen: Examine: find die allgemein befannten :
ob Inquiſ. zaubern fünnen? wer es fie gelehrt, und an weldem Orte?
welchergeſtalt? u. f. w. Die Geftändniffe erfolgten in den Panjen der
Tortur. In 2 Fällen wird der vorhergegangenen Wafferprobe gedacht, „wobei
Snculp. oben geſchwommen“.
Die geftandenen Verbredjen beftehen in Vergiftung von Hühnern,
Ziegen und anderem Vieh, auch Katzen, durch ein ſchwarzes Pulver, welches
die Beichuldigten von anderen Weibern, die fie dad Zaubern gelehrt, oder
vom Teufel erhalten haben. ine der Snculp. hat dad Pulver auf Brot
an eine Bettlerin gegeben, doc) wicht erfahren, wie ed angefchlagen ift.
Die Weiber find mit dem Satan („Gott behüte uns”) an abgelegenen
Orten zuſammengekommen, haben fich mit ihm, der einmal auch „Müller“
geheißen, vermifcht, wobei es „kalt gefommen”, find mit ihm zu Tanze
gegangen, der ’/, Stunde gedauert hat. Zu dem jchlafenden Ehemann Hat
der Satan unterdeffen ein Scheit Holz ind Bett gelegt. In den Akten
find Gutachten der juriftifchen Fakultäten Helmſtedt (8) und Rinteln (3)
vorhanden, 2 fehlen. Sie lauten in 6 Fällen auf „Hinrichtung und Ab-
ftrafung durch Feuer“, in dreien durch das Schwert. Das letzte Gutachten
von Helmſtedt (Decan, Senior und ſämmtliche Doctores unterſchrieben,
wie in ſämmtlichen) vom 28. April 1659 empfiehlt „den Weg der Juriften-
facultät zu Rinteln vom 11. September 1657 innezuhalten und Inquifitin
der Stadt und deren Gerichte ewig zu verweifen“.
Bei den Proceßakten befinden ſich mehrfach Geſuche der Angehörigen
von den Angejchuldigten um Freilaſſung oder Milderung der Strafe in
Enthauptung; auch ein Bürger und Schuhmacher, Peter Engel, 40 jährig,
bittet „ihm als gehorfamen Bürger ein Unbilliges nicht widerfahren zu
laſſen“. Mit ihm ift jäuberlicher verfahren; nachdem 7 Zeugen gegen ihn
audgefagt, wird bei der Suriftenfacultät in Helmftedt angefragt, „ob er
mit fcharfer Frage zu verjuchen ſei?“ Sie räth, vorerft die gütlichen
16 Fragen an ihn zu richten. Er wird der Wafferprobe unterworfen;
darauf jcheint er gefoltert zu fein und geftanden zu haben. Er iſt mit dem
Schwerte hingerichtet.
Die Ehefrauen und Wittwen find ftet# mit ihrem Taufe und VBaters-
namen genannt unter Hinzufügung von „Eheweib oder Wittwe des N. N.“
In den „articulirten peinlihen Anflagen“ wird zuweilen bemerkt,
„wenn allenfalld ein Defensor auftreten und peinlich Angeklagte zu ver-
teidigen gedächte, jo derjelbe durchaus zu befeſtigen“, aljo feitzufeßen.
Die Urteile von „Burgermeifter und Rath der Stadt Hörter” ftehen auf
Folioblättern und tragen das fleine Siegel; haben aber, wie alle Schriften
in biefen Aften, keine Namensunterjchriften.
193
Sie erkennen den juriftifchen Gutachten entfprechend; einmal indeffen
verjchärfen fie die Strafe aus Enthauptung in Verbrennung.
Meiſtens finden fid) noch Milderungsurtheile auf Folioblättern, wonad)
der Feuertod in Hinrichtung mit dem Schwerte verwandelt wird; doch foll
in einem alle der Leichnam verbrannt, übrigens außerhalb des Kirchhofs
ftattet werben.
In den 5 Sahren von 1654—59 haben Bürgermeifter und Rath
„wegen erlernter und befannter Zauberei“ 10 Todesurteile gefällt, wovon
4 die Hinrichtung dur Feuer, 6 durd; Enthauptung anordnen; bezüglich
einer auf der Folter „totwund gewordenen” Wittwe liegt fein Urteil vor;
fie jcheint infolge der Folterung geftorben zu fein. Auch bezüglich des
legten Falles, worin dad Gutachten der jur. Facultät Verweifung aus der
Stadt anräth, fehlt das Urteil.
Holzminden. Ziegemepyer,
Herzogl. Oberförfter.
11. Swei Handſchriften der Dombibliothef zu Trier.
(Bol. Zeitſchr. für vaterländ. Gefchichte und Alterthumskunde
Bd. 41, 1, ©. 137 ff.)
1. Paderborner Adelsfamilien.
Papier, saec, XVII, im Inder der Dombibliothet mit Nr. 198
vermerkt.
Die Handichrift enthält zumächft eine allgemeine Einleitung über die
Entjtehung und Geſchichte des Adels, welcher Theil werthlos und nur ein
Ertract aus den Jängft antiquirten deutſchen Geſchichtsbüchern ded vorigen
Sahrhundertd mit ebenjo antiquirten Anfichten ift. Dann folgt in alpha-
betiicher Abfolge die Reihe der ausgeftorbenen adlichen Familien des Hoch: .
jtiftsd Paderborn, wobei der Familie von Büren befonders ausgiebige Rüd-
ficht zugewandt ift. Die an die Namen der einzelnen Yamilien gefnüpften
hiſtoriſchen Angaben find leider jämmtlicd ohne Quellenangabe, zum grö-
heren Theil werthlos, werthvoll aber da, wo fie ſich als auszugsweiſe oder
wörtlich gegebener Inhalt von verloren gegangenen oder zur Zeit noch un-
belannten Urkunden fennzeichnen. — Es folgt dann eine Reihe von wört-
lic) mitgetheilten, auf den Adel des Hochftiftd oder einzelne adliche Fa-
milien bezüglicye Urkunden meift des 14., 15., 16., 17. und 18. Sahr-
hunderts meift in niederdeutfcher Sprache (31 Stüd), von denen die Mehr-
zahl nicht unwichtig zu fein jcheint. Beſonders interejfant fcheint mir davon
Urk. Nr. 6: „Der Herrichaft Bühren Beihnadung mit denen Cöllnifchen“
von 1653, jowie Nr. 17 eine Ubjchrift einer angeblichen Urkunde des
Erzbijchofs Engelbert von Eöln vom Jahre 1222. — Dann folgt eine
XLVII. 2, 13
194
gelehrte Unterweifung: „Pro enodatione vocum, liber, nobilis, militis
ministerialis etc. ohne allen Werth und eine annaliſtiſche Reihe von
Namen Adlicher des Hochftiftes wiederum durchaus werthlos. — Dann
„Origo comitum de Lippia etc.“ mit annaliftiichen Notizen über dieſe
Bamilie, zu deren Beurtheilung es einer Bergleihung der Regeiten von
Preuß und Faltmann bedarf. — Dann ein wichtiges Weistum über das
Lehn⸗ und Erbrecht im Hochftift Paderborn, nachgewiefen an den Familien
Deynhaufen, Harthaufen, Ajfeburg, Mengerfen, von der Lippe, Weitphalen,
Spiegel (42, Seite fol.), verfaßt im Jahr 1552 mit dem Titel: „Ein
wahrhafter Bericht, wie es ſich im Stifft Paderborn mit den Manlein-
güdern undt pantichilling under dem adel hait thogedragen.“ — Dann
fommen 2 Seiten thüringiiche Annalen mir unbefannten Urſprungo. —
Schliehlih kommen Steuertabellen des Hodjitifts: a) „Eine einfache Ritter-
ſchaft“ (d. i. Steuerfimplum für die Ritterihaft) mit den Anjägen für
die einzelnen Adlichen des Hochitifts und einem Gejammtbetrage des ad»
lihen Steuerfimplums von 756 Thl. 20 Egr. 7°, Pf. b) „Einnahme
einer einfachen Landſchatzung“ mit den Anſätzen für die einzelnen Stadt-
und Dorfgemeinden des Hochſtifts (Paderborn: 250, Salzkotten 150,
Büren 110 etc.) mit einer Gejammthöhe von 5437 Thl. 7 Sgr. 3 Bf.
2. Kalendar und Nefrolog des Klofters Falfenhagen.
Unter den vom Paderborner Domdechanten Graf Chriitoph von Keijel-
ſtadt herrührenden Handidyriften befindet ſich aud; ein im 15. Jahrhundert
im Kloſter Kaltenhagen angefertigtes Kalendarium (Handidr. Nr. 94 fol.),
welches zugleich als Nefrologium gedient hat. Jndeß jind die in diejes
Netrologium bis in die 80er Jahre des 16. Fahrhunderts eingejchriebenen
Namen mit einer einzigen Ausnahme ohne alle Wichtigkeit. Diele Aus—
nahıne betrifft das Todesdatum eines Lippiſchen Grafen und es lautet die
betreffende Einzeichnung:
„VI Kl. Octobris (= 26. Sept.) anno domini 1536 obiit nobilis, dum
vixit comes et dominus Simon de Lippia piissimus amicus et protector
omnium religiosorum et potissime huius conventus: *
Michtiger und intereffant aber find die auf dem legten Xlatte nieder:
gefchriebenen annaliſtiſchen Aufzeihnungen, weldye mit Ausnahme der
legten von einer einzigen Hand ſtammen. Ihr Wortlaut ift folgender:
In dein jare Chrifti dujent verhundert twe unde dertich hebben de
patres des hilligen crucesorden dat olde woeſte vorvallen cloſter Balfen-
hagen angenomen, unde hadde up duſſe tydt woeſte gelegen XXVI jar
unde hadde yn vortyden gemeit eyn juncferen clofter van Sanıte Berndes
195
orden. Unde de eddel Voldquinus greve thom Swalenberge hefft oth int
gheſtychtyghet.
Item in den jaren Chriſti duſent IIIIe ſewen unde vertich hebben de
Bemen vor Soeſt gelegen. In dem ſulfften jaren unde tydt ſyndt od de
Bemen getoghen dorch de herſcop van der Lyppe. Ock dorch de herſcop
Swalenberge unde hebben berovet dat cloſter Valkenhagen, alſe an kelken,
kettele, potte, kannen unde allerleyge huesgeraeth. Ock nemen ſe den prior
alze her Johan Mackenborch vencklick un togen uth wente up hemmeth.
Item in den jaren Chriſti duſent verhundert negen unde ſeventich
up Sancte Dominicus dad) in dem myddage ys vorbrant dat cloſter Valken—
hagen. Dorch ore egene vuer unde egene perſonen, alze kercke, belde, ſlaephus,
bachus, alle korne unde meel, all jnwendich huesgerath, alle gaftfameren.
Noch meer, dat men nycht ſcriven kan.
In den jaren na Chriſti gheborth duſent verhunderth dre unde ſeventich
up den dach Criſpini unde Criſpiniani ys gewigeth unde conſecreth int erſte
de chor thon Valkenhagen dorch den werdigen unde erhafftigen her Johannem
Thephalicenſem wigelbyſcop to Paderborne.
In den jaren Chriſti duſent IIIIeLIXXXVII up den dad der elven
dujent juncheren ys confecrethb unde gewygeth de ferde thom Valkehagen
dor) den werdigen unde erhaftigen heren Johannem van Myeſſen wygel—⸗
byſcop tho Hildenfem unde Mynden. De ferdwigynge hefft fi dat convent
beholden up veer fondage de mantzs octobris na gevalle des prelaten tho
holdende.
In den jaren Chriſti duſent viffhunderth dre unde dertich fabbato na
pincla Petri nd reconfiliert thom Waltenhagen de crũceganck unde de ferdhof
bynnen dem cerücegand unde vorth confecreet up nnge eyn kerckhoff, unde
dopt vor dath gantje kaſpel dorch dem werdigen heren Johanne wigelbijchop
tho Paderborne, unde vorth gejath de kerckmyſſe des gantſen keſpels, alie
des eriten ſondages na Dyonifii to holdende, up alle des feipels dorpen.
Item in den jaren na Chriiti gebort M.V. XXXIX hefft godt unfe
Griftus here de werlde geitraffet dorch dure tyd forne halven, der feyn
mynſche up erden gelevet hefft. Umme de tndt pajchen, pinrften unde Sohannie
tho mydden jommer, hebben twe fchepel roggen gegulden ennen goltgulden,
twe jchepel gariten eynen goltg., eyn,jchepel wyden eynen goltg., eynen
ichepel bonen eynen goltg., all Ludeiche mathe, od Hoxerſche mate. In duffen
tyden ys rogge dan Bremen de Weſer up gevorth in duſſe lant arther,
of ynt lant to Heffen, dar al groet kummer broeth forns was. In dufjem
jelfften jare wo boven ys dat forne tytlifen rype geworden, alze up dat
feit Viſitationis Marie; up fancte Kylians dach wart de erite rogge
gemegeth tom Balfenhagen; up Jakobs dad) all afgemenget, de menite
yngevorth.
13*
196
In den jaren Chrifti M.V.cXXXIX up den dad) der hilgen dre
Konnige hefft god de here geitraffet de werlt dorch fne, water unde regen,
fo dat alle water groeth unde kleyn ummeland her vor allen fteden, clofteren,
vlecken unde dorpen groten jchaden deden an muren, dyfe, Hufen unde der
gelifen. Bynnen Lude was ſunderlick groet vloth unde water, jo dat alle huſe
ful water weren, jtoweden over de ferdhones muren bynnen der ftat. Bele
foge, fwyne vordrunden. AN volt bynnen Lugede feten up oren balfen.
Itlike brochten perde, foge, ſwyne, jchape all boven erden, fo dat unſprekelike
moge unde jamer dar was. Godt helpe und alle! Gelifen was to Horer,
Brakel, Nym, Stenem aljo an oren muren, greven unde dergelid.
Anno domini 1540 in die Anne vidue insurgebat incendium
grande circa horam quintam vesper, in civitate Embicensi, ita ut
nichil remansit (!) nisi vestigia, quod nunquam in his regionibus auditum
aut visum est. —
Nachträglich ſei noch aus dem Nekrologium bemerkt, daß deffen Auf
zeichnungen für den Sommer des Jahres 1555 das Auftreten einer Seuche
melden, an welcher in wenigen Tagen 3 Mönche ded Kloſters ftarben. Die
betreffenden Aufzeichnungen lauten:
Juni 26: Obiit venerabilis pater prior Georgius Blomberg quondam
supprior et procurator 1555: peste.,
Juni 28: Obiit frater Johan Lotten laicus jubilarius anno
M.V,cLV: peste.
Juli 3: Obiit frater Johannes Ottensteyn sacerdos sacrista anno
1555 peste.
Und ſchon zwei Tage jpäter folgt noch:
Juli 5: Obiit broder Grande van Jppenbüren donatus et iubilarius
anno domini vC,LV. —
Schließlich gebe ich noch die jüngfte Notiz im Nekrologium, weil
felbe vermuthlich den Zeitpunkt des Eindringen der Reformation andeutet:
Anno 1589 16. die Martii. Reverendus et omni laude dignissimus
Dominus Christophorus a Dart, ex nobilium genere in Geldria natus,
conventualis Ruremundensis, pater et prior huius domus Falkenhag.,
cum loco huic per altquot annos summa cum laude et maximis
laboribus praefuisset, ex hac lacrimarum valle pie et devote concessit
in aulam coelestem, animam suam filio dei maximis suspiriis com-
mendans, et 18. eiusdem cum multorum gemitu sepultus, Requiescat
in pace,
Trier. 9. DB. Sauerland.
— — — — — ——
IX.
Chronif de3 Vereins
für
Geſchichte und Alterthumskunde
Weſtfalens.
(Abtheilung Paderborn.)
Den Vorſtand des Vereins bildeten im verfloſſenen
Jahre die Herren:
Dr. Mertens, Caplan in Kirchborchen, Director.
Rendant Ahlemeyer, Conſervator des Muſeums.
Profeſſor Hermann Kotthoff, Sekretär.
Banquier C. Spancken, Rendant.
Poſtſekretär Stolte, Archivar und Bibliothekar.
Von den Vereinsmitgliedern ſind ſeit Veröffentlichung
des letzten Berichtes geſtorben die Herren:
1. Holſcher, Superintendent, Horka (in Schleſien).
2. Huckemann, Pfarrer, Schmallenberg.
3. v. Kleinſorgen, Amtsgerichtsrath, Meſchede.
4. Wasmuth, Domkapitular, Paderborn.
5. Witkop, Amtmann, Brakel.
Es traten aus die Herren:
1. Bergmann, Oberförſter, Büren.
2. Bonsmann, Pfarrer, Geſeke.
3. Dr. Dürre, Gymnaſial-Director a. D., Wolfenbüttel.
4. Dr. jur. Joſ. Engels, Aſſeſſor, Warburg.
5. Wild. Engels, Eiſenbahn-Bureau-Aſſiſtent, ———
6. van Hees, Litterat, Iſerlohn.
7. Schlüter, Landgerichtsrath, Paderborn.
8. Wolff, Kreis-Schulinſpector, Brilon,
198
ALS neue Mitglieder wurden in den Verein aufge=
nommen die Herren:
1. Butterbrodt, Pfarrer, Kleinenberg.
2. O. v. Daſſel, Lieutenant, Chemnip.
3. Harjemwinfel, Juſtizrath, Wiedenbrüd.
4. Wild. Hafen, stud. theol., Gejefe.
5. Ant. Heiling, Nathsherr, Paderborn.
6. Kork, Schulamtsfandidat, Warburg.
7. Münſter, Paftor, Gejefe.
8. Frhr. Guſtav v. Pappenheim, Nittmeifter a. D.,
Marburg (a. d. Lahn).
9. Plugge, Caplan, Brafel.
10. Schmidt, Landgerichtärath, Berlin.
11. Schnittger, Neallehrer, Paderborn.
12. Berjen, Gutsbejiger, Paderborn.
13. Vüllers, Bergwerks-Director a. D., Paderborn.
14. Ziegemeyer, Oberföriter, Holzminden.
Die Mitgliederzahl beträgt 326.
Die üblihen Sigungen während des Winter:
ſemeſters erfreuten jich eine ſehr zahlreihen Beſuches.
Folgende größere Vorträge wurden gehalten:
am 23. Nov. v. %. von Herrn Director Dr. Mertens
über: „Leben und Wirken von oh. Suibert
Seiberg, zum Gedächtniß feines 100jährigen Ge:
burtstages;
am 12. San. d. J. von Herrn Gymnaiial= Director
Dr. Hehelmann über: „Altweſtfäliſches Bruder:
ſchafts- und Geſellſchaftsleben“;
am 23. Jan. d. J. von Herrn Frhrn. v. Ledebur über:
„Die Herrſcher de8.Bisthbums Paderborn, die
Entwidelung ihrer füritliden Macht und ihre
Stellung zu Kaijer, Reihb und Nadhbarn bis
zum Ende des 13. Jahrhunderts’;
199
— *
am 7. Febr. d. J. von Herrn Landgerichtsrath v. Detten
über: „Land und Leute, Geſchichte und Zu—
ſtände des Münſterlandes bis zur Zeit Karls des
Großen;“
am 27. Febr. d. J. von Herrn Baurath Güldenpfennig
über: „Baureſte aus kaärolingiſcher Zeit in Pader—
born und die Bartholomäuskapelle daſelbſt“.
Im Laufe dieſes Jahres wurde die Bibliothek, ſowie
die Urkunden- und Handſchriftenſammlung des Vereins, welche
bisher nothoürftig in einem Naume des Gollegiunisgebäudes
untergebracht waren, in das alte ſtädtiſche Arhivgebäude
übertragen. In demjelben hat die Stadt Paderborn drei jehr
gelegene und geeignete Näume dem Verein vorläufig auf
10 Jahre in zuvorlommenditer Weile unentgeltlich zur Ver:
fügung geſtellt. Es ift dadurch möglich geworden, die Bibliothek
neu zu ordnen und entiprechend aufzujtellen. Außerdem ift
für diejelbe ein neuer nach Materien geordneter Katalog
drudfertig hergeitellt, ausweis dejjen die Bibliothek ſich faſt
um die Hälfte des in dem zuleßt gedrudten Katalog verzeich:
neten Beitandes vermehrt hat. Insbeſondere wurden in diejem
Jahre eine Neihe werthvoller Incunabeln und ein ſchönes
Gremplar von Merian's Theatrum Europaeum erworben.
E3 konnten nunmehr auch die Urfunden und Hand:
ihriften in eimem eigenen und zwar heizbaren Zimmer
untergebraht und geordnet und dadurch die Benußung der:
jelben eigentlich erjt ermöglicht werden. Die Regeſtirung und
Repertorijirung der Urkunden ift joweit vorgeichritten, daß
das Generalrepertorium hofjentlih im Laufe des nächſten
Jahres fertig geitellt werden kann. 60 Urkunden mit bejonders
ganz prächtigen Siegeln aus dem 13. und 14. „Jahrhundert,
das Baderborner Stift Bustorf betreffend, jind aus dem
Nachlaß des verjtorbenen Domkapitular Barticher in dankens—
wertheiter Weile dem Verein gejchenft worden. — Ferner
hat es jich der Verein angelegen jein lajjen, genaue Ab:
200
ihriften von Handidriften, die für die Paderborner
Geſchichte beſonders werthvoll und unentbehrlich find, herzu—
ſtellen. So iſt in dieſem Jahre eine ſchöne Abſchrift der
Relatio historica des Stadtſekretarius Günther vom J.
1604, jet auf der Landesbibliothek zu Cafjel, und von 20
ungedrudten, bie Berfafjungsverhältnijfe des Hochftifts Bader:
born betreffenden Urkunden aus dem Provinzial-Archiv zu
Münfter durch den Herrn Ardivar ſelbſt Hergeftellt worden.
Dann führte die jehr mühjame Durchſicht der reponirten
Bapiere auf dem hiejigen Rathhauje, welde durd
die Zuvorfommenheit de3 Herrn Bürgermeilter Frankenberg
dem Herrn Archivar ermöglicht wurde, zur Auffindung viel:
fachen, für die Lokalgeſchichte jehr werthuollen Materials, jo
eines Bürgerbuches vom Jahre 1571, ſämmtlicher Akten über
ben ſog. Dörenhagener Krieg, zwölf für verloren gehaltener
Stabtprotofollbücher aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges,
fämmtlicher Zandtagsprotofolle des Hochſtifts jeit 1700 und
Stadtrehnungen jeit 1614. —
Für das Muſeum it dem Verein ein eigener, wenn
auch noch ſehr beſchränkter Raum im hiefigen Königl. Land—
gerichtögebäude eingeräumt worden. Für dafjelbe wurden
u. 4. die Protrait3 jämmtlicher Paderborner Fürſtbiſchöfe
von Hermann I. von Heſſen 1498 bis auf den legten Franz
Egon von Fürftenberg (F 1825) gefammelt. —
Aus dem Nachlaß des verftorbenen Gaplan Brand in
Memelsburg find eine größere Anzahl von Original-Zeich—
nungen alter Gebäulichkeiten und kirchlicher Kunſtgegenſtände,
die der Vater des Verftorbenen vor beiläufig 50 Jahren
mit großer Sorgfalt angefertigt hat, erworben worden. Es
wird beabjihtigt, aus diejen eine Darjtellung von Anfichten
der alten Befeitigungswerfe, Stadtthore, abgebrochener Kapellen
und anderer Baurejte früherer Zeiten in und um Baderborn
zu veröffentlichen. Die Zeichnungen kirchlicher Kunftgegenitände
haben theilmeije jogar zur Wiederherbeifchaffung der bereits
201
verſchollenen Gegenftände, felbft aus weiter Ferne, geführt.
Sp war der jo intereffante Tragaltar des Klofters
Abdinghof aus dem 11. Jahrhundert, von Prof.
Kayfer beichrieben und abgebildet im Organ für chriftliche
Kunſt 1866, durch die Wogen des Kulturlampfes bereits
nah Teutopolis, im Staate Illinois in Nordamerika, ver-
Ihlagen. Es gelang dem Unterzeichneten, von einer Notiz
auf der betreffenden Brand'ſchen Zeichnung ausgehend, diejem
für die Kunftgefhichte fo werthvollen Stüd bis über den
Ocean nachzufpüren und dasfelbe wieder herbeizufchaffen. Es
wird nunmehr im Franziskanerkloſter zu Paderborn aufbewahrt,
Den Bemühungen des Herrn PVereinsdirectord gelang es
ferner den alten Zunfthumpen der Paderborner Bäder
aus dem J. 1634 auf einer Berliner Kunftauction für bie
hiefige Bäderinnung wieder zu ermwerben.
Bei der von Herrn Brivatdocent Dr. Finke geleiteten
Herausgabe des Weſtfäl. Urkundenbudhs kommen jekt Die
Urkunden bes Bisthums Paderborn von 1251—1300
zur Beröffentlihung. Wie früher, jo widmet fortwährend
Herr Graf J. von Bocholtz-Aſſeburg zu Godelheim
diejem Unternehmen in thätiger Weife jeine Unterftügung.
Der Vereinsdirector und Herr Upothefer Rave
in Nieheim jegten auch im legten Jahre ihre Lofalunter:
juhungen im Gebiete der oberen Lippe und Ems und im
angrenzenden Teutoburger Walde fort. Die mühjamen Nach—
forihungen, die vielfah unterbroden werden mußten,
find jegt der Hauptſache nach abgeſchloſſen und führten u. N.
zur Feititellung einer römischen Straße von Bote zum Teutos
burger Walde und zur Entdedung bisher unbekannter großer
Gräberfelder. Das Ergebniß wird jpäter publicirt werden,
jowie aud über die Nachgrabungen, welche jeitens des Vereins
auf Beranlafjung des Herrn Schierenberg zu Frankfurt
a. M. mit Genehmigung der Lippiſchen Behörden an den
Erternfteinen vorgenommen find.
202
Der Bibliothet wurden auch im verfloffenen Jahre
verihiedene Zuwendungen gemacht. Es ſchenkten die Erben
des verftorbenen Superintendenten Holſcher zu Horka aus
deſſen Bibliothef verjchiedene Schriften; Herr Graf 3. von
Boholg:Ajjeburg zu Godelheim den 2. Band des von ihm
verfaßten Aſſeburger Urkundenbuchs; Herr Amt$gericht2-
tat) Bender in Siegen ein jehr wichtiges Gopiar vom
Kloſter Graffhaft und andere auf diejes Ktlojter jich beziehende
Papiere; Herr Banquier C. Spanden und Herr Land:
gerichtsraty Schlüter in Paderborn eine große Anzahl Bücher,
betreffend die Geihihte und das Rechtsweſen der Provinz
Weitfalen; Herr G. A. B. Schierendberg in Jrauffurt a. M.
verichiedene jeiner Schriften. Sodann erhielt die Bibliothek in
Folge eines provinziellen Zuſchuſſes von 500 Mark,
welche vorzugsmweije für den Bücheranfauf verwendet wurden,
einen namhaften Zuwachs.
Mit Freuden nimmt der Borjtand die Gelegenheit wahr,
auch an diejer Stelle für die genannten und andermweitigen
Bemühungen zur Körderung der Zwede des Vereins feinen
verbindlishiten Dank auszufprechen.
Profeſſor Hermann Kotthoff.
203
J- > ——
Bericht über das Rechnungsjahr 1888
(1. Oct. 1888 bis 1. Oct. 1889).
Einnahmen.
a) Beitand aus voriger Rechnung A 18,02
b) Mitgliederbeiträge . . » . „ 1674 —
ON SERIE a2. Se: re At
A 1704,77
Ausgaben.
a) jür die Zeitihrift . . . . c# 730,25
b) „Inſerate und Drudiahen ,, 52,85
c) ,, die Bibliothek und zwar
1) für Anſchaffung von Büchern,
Urkunden, Manufcripten „ 512,77
2) „ Buchbinderarbeit . . „ 57,60
3) „ Einrichtung d. mn
raum 2... u 191,60
4) , Berihiedenes . ». . .„„ 3778
d) für dag Mujeum (Miethe) . .,„, 10—
e) „Verwaltungskoſten an den
Director und Ardivar . ,„ 100—
A 1692,85
Bleibt Beitand am 1. October 1889 AH 11,92
Banquier C. Spancken.
—
Inhalt
des ſiebenundvierzigſten Bandes.
I. Abtheilung.
eite
ntergange der
Gkbertinger 1263. Don Th. Reismann
41
. Boltsaberglaube im 15. Jahrh. Von Dr. Bram Zoftes. 85
. Mönstersche Inquisitio, ein 1583 en Ipdile in
Pahlmann. 98°
. Die Stadt Warendorf im Kampfe gegen — und
Münſter verbreitetes Buch. Von Cuſtos Dr
Kaiſer. Von Dr. phil. Albert Westamp . 121
. Eine weitfäliiche Pilgerfahrt nach dem h. Lande vom Jahre
1519. Dlitgetheilt von Dr. Hoo 165
A ——— aus der Bm und Eintr Bibliotfet Bon
. Heinrich Finte . 209
i Miscell en i ; . 228
. Chronif des Vereind, (Abtheilung Müniter.) } . 397
. Mitglieder-VBerzeihnig. (Abtheilung Münfter.) . ; . 237
II. Abtheilung.
. Die Spiegel - * tphalen'ſche Fehde. ine Epiſode aus der
Gefchichte des weitfäliichen Adels = 15. Sahrhundert. Bon
Leopold Grüe, Pfarrer zu Borgholz . 3
. Auszüge aus dem Liber Anna — et Annotationum Con-
ventus fl. Capucinorum Paderbornensium ab anno 1612.
= etheilt von H. V. Sauerland . 33
A des Amtes (Bürgermeijterei) Wethofen. Bon
arrer Kudwig Neuhaus . 49
hie Paderborner Urzeneitare von 1667 und der menfchliche
Körper im Dienfte der ger Bon Euftos Dr. P. Bahl-
mann . 73
. Die „alte Kirche“ zu "Gütersloh. Bon Paul Eichoff, Gym:
— zu Wandoebeck. 83
. Zur Gejchichte des Klofters Willebadeffen. Don 3. Schröder,
Seminarlehrer zu Paderborn . 105
. Regeften und Urkunden zur Geſchichte der chemaligen Bene:
diftiner-Abtei Marienmünfter unter Berüdfichtigung der früher
incorporierten Pfarreien. Gejammelt von Fr. &. —
Pfarrer zu — (Fortſetzung.) —— 126
Miscellen . 187
. Chronit des Vereins. (Abtheilung Paderborn.) . : j . 197
— —
. Die Anfänge der Stadt Münſter. Bon H. — Aſſeſſor a. D. 1
Geſchichte der Grafſchaft Tekeneburg bis zum
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