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Full text of "Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde"

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Zeitschrift für 
vaterländische 
eT-XTeullesıc- 
und 
Altertumskun... 








⸗ 


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Univ. 





* 4 — 
[mar 11945” 
— 


Geſchichte und Alterthumskunde. 


— 
GSeitſchrift _ CALIFORR 


für vaterländifche 


Herausgegeben 
von dem 


Verein für Geſchichte und Alterthumskunde 
Weitfalens, 


durch 
deſſen Directoren 


Domkapitular WU. Tibus und Dr C. Mertens 


in Münjter in Paderborn. 


Sehsundpvierzigiter Band. 


Mit neun lithographirten Tafeln. 





Münjter, 1888. 


Trud und Verlag der Negensberg’ihen Buchhandlung. 
(8. Theiffing.) 


271136 


DDMAI 
— 424 


des ſechsundvierzigſten Bandes. 








I. —tbtbeilung. 





II. Deber * — des Seälehte von Bolmeringhauen 
on Pfarrer Aug. Heldmann : 


IV. ll u R von Klarhol;. Ein Beitrag zur di hichte 
: | 


It 
VI. Sit Dietrich von Stich: eim — Berfafle er der drei jo 
Sonttanzer Zractate? Quellen unterJucht von k_ 157 


TU, Sur älteren — en Überlieferung des Klo — 
















IX. — 206 
X. Chronik des — (Abtheilung Münſter.) . . 213 


II. Abtheilung. 


I. Geſchichtliche Nachrichten über Stadt und Pfarre Borghol 
Don ah re — in Borgholz. (Schluß.) 3 


II. Weſtfalen und die fran ngöfile ——— Von — 


Hechelmann, Gymnaſial⸗Direktor 33 
III. Die Paderborner en vom Zah 1938. Don 

Hermann Hoogemweg 92 
IV. Die Gnitaheide. Wo lie at fie? und wel es find die Dörfer 

Horus und Kiliandr? Bon ©. U. B. Schierenberg . 123 


V. Regeiten und Urfunden zur Gejchichte der ehemaligen Bene: 
diftiner-Abtei Marienmünfter unter Berückſichtigung der früher 
incorporierten Pfarreien. Gejammelt von Fr. X. Schrader, 
Pfarrer zu Napungen, Kreis Warburg. (Hortjegung.)  . 132 

VI. Chronik ded Vereins. (Abtheilung Paderborn.) . j . 201 


VII Mitgliederverzeihniß. (Abtheilung Paderborn.) . . 210 


— — — — — 


Erſte Abtheilung 
herausgegeben 
vom Director der Münſter'ſchen Abtheilung 


Donkapitular A. Tibns. 


J. 


Humanismus 
und die 
kirchlichen Neuerungen 
des 16. Jahrhunderts 
ſowie deren Bekämpfung in Rheine. 





Von 
Prof. Dr. F. Darpe. 


·  — 


Dürgerte ih in der Hauptjtadt des Hochſtifts Münfter der 
Humanismus zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch Rudolf 
von Langen? Bemühungen ein, jo machte fih um jene Zeit 
auch in den übrigen Städten des Miünsterlandes humaniſtiſche 
Bildung geltend; bis nad Oldenburg und Dftfriesland hin 
hatte ſich ſchon in der eriten Hälfte des 16. Jahrhunderts 
der Einfluß des Humanismus verbreitet.) 

Eine humaniftifche Bildungsanftalt, die lateiniiche Stadt: 
ihule, die im 17. Jahrhundert in Rheine beitand, hatte 
wahricheinlich ſchon im 16. Jahrhundert die Söhne der wohl: 
habenderen Bürger unterwielen; wenigitens zeigen Andeu— 
tungen, 3. B. die Inſchriften der Dionyſius- und Paulus: 
Slode der Kirche zu Rheine?) ſowie die Mottos vorn im 
Rrotofollbude de3 Stadtrats zu Rheine vom Jahre 1609 ff.: 
Non solum nobis nati sumus u. Omnia, quae a nobis 
9) Bgl. Nordhoff, Der Humaniſt Henr. Scheve, in dem Jahreaberichte 

des hiſtor. Vereins zu Münfter 1875 ©. 212 ff. 
2) Nordhoff, Denkwürdigfeiten des münfterichen Humanismus ©. 53. 
Die Injchriften mögen von dem Pfarrer Joh. v. Drünthen herrühren. 


XLVI. 1. 


2 

geruntur, non ad nostram utilitatem et commodum, 
sed ad patriae salutem conferre debemus u. a., daß 
humanijtiihe Bildungselemente im Orte lebendig waren. 
Auf dasfelbe deutet die Thatjahe hin, daß im 15. und 
16. Sahrhundert aus Nheine und Umgegend mehrere Dumas 
niſten umd Gelehrte hervorgingen. Dieſen ift wohl nicht, 
wie Nordhoff a. a. D.!) thut, Gerh. Lijter (Lijtrius) beizu— 
zählen, jener befannte Humanift, der eine Zeit lang Lektor 
an der Schule zu Münjter war und eine Bejchreibung des 
Ütrechter Landes in Herametern, eine Lobrede auf einige 
Ütrechter Biſchöfe und einen gelehrten Kommentar zu Eras— 
mu3 Encomium moriae?) und zur Dialektif des Petrus 
Hijpanus u. a. herausgab. Er heißt allerdings Rhenensis?), 
ftammte aber wohl, den obigen Titeln feiner Schriften nad), 
aus der Ütrechter Stadt Nenen, die auf dem rechten Rhein- 
ufer liegt, nit aus dem münſterſchen Rene oder heine 
an der Ems. Dagegen gehört dem letteren zweifelsohne 
der von Horlenius in feinen Epigrammen wegen jeiner treff— 
lihen Bibliothek und bedeutenden Gelehrjamfeit ehrenvoll 
erwähnte Pfarrer zu St. Jalobi in Münſter Bernhardus 
Dreyers Woldensis de Rhene an,*) indem das „Wandt— 
madher- Ampt3buch der Stadt Rheine” (Staatsarch. Münfter 
M. 8 A. Gilden und Zünfte 91) fol. 17a eine Familie 
Dreierwalt, nämlih Lüke Dreierwalt und ſyn husfraw 
Grete, ald im Orte Wandmacherei betreibend zum Sabre 
1562 ff. anführt,5) zum Jahre 1708 (fol. 215) SHerm. 


) Desgl. Kumann, Mfkr. 29. IM. 

?) Darüber vgl. Vischer, Erasmiana 56; Janſſen, Geſch. des deutjchen 
Volkes II. 56. 

”) Hamelmann, Op. gen. hist. p. 177, 336. 

+) Wal. Driever, Biblioth. Monaster. p. 35; Nunnine, Momum. 
Monaster. deenr. I. p. 370 59. 

>) Benannt it die Familie wohl von ihrer Heimat, dem Rheine be: 
nachbarten Dorfe Dreierwalde, weshalb auch die adjektiviiche Latini— 
ſierung Dreiers Woldensis, eigentlid) Dreierwoldensis. 


Dreierwalt und Geſe Mersmans, ſyn husfraw. Der in 
Scheves Briefen erwähnte Nechtögelehrte Theod. Hepperth, 
Rentmeifter zu Kloppenburg, ftanımte ebenfalls aus Nheine.!) 
Aud den Dr. jur. Johannes de Renis, den Buschius im 
2. Buche jeiner Epigramme feiert mit denWorten: 


Exigui quamvis occurras ruris alumnus, 

Ut surgant patriae moenia magna tuae, 

Tu facis, extollant vicina per oppida famam 
Cunctaque sint patrio tecta minora tuo. 

Te vidit docto stipata Bononia coetu 

Et tenuit longa non sine laude mora. 


u. j. w. dürfen wir wohl mit Hamelmann (l. c. p. 211) 
unjerm Rheine zuweilen. Johann von Rheine wird als 
Propſt zu Oldenzaal genannt; er wurde 1445 jeitens des 
Bateler Konzil mit einem Schreiben an die Univerfität Er: 
furt entjandt 2). Ebenjo ijt bier aus früherer Zeit zu nen- 
nen der Auguſtiner-Chorherr Fr. Hermannus Ryd (GRiet) 
de Rhene (Rene, Renen), geboren 1408, ſeit 1427 Au: 
auftiner indem reformierten Chorherrnitift Wittenburg in der 
Diöceſe Hildesheim, feit 1448 Prior zu Neumerf bei Halle 
und Reformator diejes jowie des Tyroler Kloſters Neuzelle 
und jeeliorglic thätig zu Neuwerk bis zu feinem Tode 1476, 
ein Mann, der, wie in jeinem Wirken, jo in mehren Schrif- 
ten, 3. B. in der de vita et honestate clericorum, als 
energiiher Befämpfer damaliger kirchlicher Mißſtände auftritt, 
deſſen daher Joh. Buſch u. a. als Freundes gedenken. Am 
Ende zweier jeiner Schriften wird er gradezu ein Weitfale 
jeiner Herkunft nah genannt®). oh. Hammaler, welchen 
Nordhoff a. a. D. auch unter die rheinefhen Humanijten 


1) Nordhoff, Der Humaniſt Scheve, a. a. D. ©. 214. 

2) Würdtwein, Subsid. dipl. IX. 64. 

2) ©. Evelt in Ztſchr. für Geſch. u. Altertumst. Weit. Bd. 23. ©. 308 ff. 
1* 


4 


zählt, gehört, wie unten jich ergeben wird, wohl nur feinem 
zeitweiligen Aufenthalte nad) der Stadt an. 

Hattedie erjte in Rudolf v. Langen verkörperte Generation der 
mäünfterländijchen Humanijten ihre Befriedigung in dem von je: 
der Feffel freien Studium alter Dichter und Schriftfteller und 
in Aneignung ihrer Spradform gefunden, war fie aber im 
übrigen durhaus innerhalb des Kreiſes der überfommenen 
Seen, auch beſonders in religiöjer Hinficht, ſtehen geblie- 
ben, fo betrat in der zweiten Generation der münjterlän: 
diiche Humanismus draußen vielfah die Pfade der Oppo— 
fition gegen das alte Kirhentum?); eine derartige Feind- 
jeligkeit desfelben tritt jedoh in Rheine zunächſt nicht 
hervor. Dagegen blieben die wiedertäuferiihen Bewegungen 
im Stifte Münfter auch in Rheine nicht ohne Rüdwirkung 
auf die Gemüter, zumal die Nachbarſchaft Hollands und der 
Handelsverfehr mit den Niederlanden dem Wiedertäufertum 
hier größeren Anhalt bot.?) Den Mittelpunkt des Wieder: 
täuferanhangs in Rheine bildete das Haus der Schweiter 
Gerd Reninks oder Neininfs, der ſchon 1530 in enger Be- 
ziehung zu Rothmann ftand und dann am Hofe Johanns 
v. Leiden die Stellung eines königlichen Rates einnahm. ?) 
Als die Wiedertäufer von Münfter aus durch Senpdlinge 
aufrühreriiche Schriften im Stift verbreiteten, um das Volf 
zur Entjegung Münſters aufzufordern, gingen die Sendun— 
gen für Nheine an die wiedergetaufte Neininf und dieje gab 


!) Cornelius, Die münfterfhen Humaniſten und ihr Verhältnis zur 
Neformation ©. 46. 

2) Es jei hier bemerkt, dab zu Anfang des 14. Jahrhunderte in Rheine 
ein Beghinenkonvent beitand, welcher mit Wernbold von ütrecht in 
Verbindung ftand und in einen Inquiſitionsprozeß verwidelt wurde, 
Auszügl. Mitteilung darüber findet fit) bei Mosheim, De beguar- 
dis et beguinabus. 

®) Kerijenbroid, Geſch. der Wiedertäufer ©. 150; Nieſert M. U. S. 
I. 28 u. 53. 


5 


auch den Sendlingen jelbit Herberge und leiftete ihnen allen 
möglichen Borjchub. !) 

Es jcheint danach eine Feine Wiedertäufergemeinde in 
Nheine beftanden zu haben. Cbendarauf deutet auch die 
Thatjahe Hin, daß 1534 in der Nachbarvefte Bevergern, 
wo die Regierung des Amts Rheine -Bevergern ihren Sik 
hatte, 6 Wiedertäufer verbrannt wirrben.?) Doc fcheinen 
die Miedertäufer in Nheine als biichöflicher Feſtung ſich um 
jo vorfichtiger geheim gehalten zu haben, als die Edifte des 
Kaiſers und der Landes-Negierung ihnen die jchärffte Be— 
ftrafung androhten; man mochte hier, wie anderort3, erft 
das ſchließliche Schickſal Münſters abwarten. Inzwiſchen 
ſehen wir grade von Rheine aus die erſten Schritte geſchehen 
zur Bewältigung des münfterjchen Wiedertäuferreiches: 1533 
tagte der Landtag in Rheine, welcher Müniter zu belagern 
und von den Wiedertäufern zu ſäubern beichloß;?) 1534 
zog Franz v. Walded von Rheine aus mit feinem Keere 
zur Belagerung Münſters aus. Die Stabtvertretung von 
Rheine aber juchte mit dem Stadtrate von Warendorf, 
Bedum, Ahlen und Werne, als jih die Belagerung 
Münfters Hinzog nnd der Sturm der Bilchöflihen am 31. 
Auguft abgeichlagen war, am 2. Dftober 1534 zwiſchen Bi: 
ichof Franz und Johann v. Leiden zu vermitteln.d) Diefer 
Schritt iſt vielleicht bezeichnend für die damalige Stimmung 
auch im Stadtrate zu Rheine; Rheine erjcheint hier an der 


1) Nieſert a. D. ©. 147, 149. 

2) Keller, Geſch. der MWiedertäufer S. 164. 

*) Cornelius, Seid). des Münſterſchen Aufruhrs I. 203—206. 11.198; 
Nil. M. U. B. J. 1. 225. Kerſſenbroick a. O. ©. 286 f. 

) Erhard, Geh. Miüniters ©. 334. Junker Wilten Stedinf, dem 
ber Biſchof ale Etatthalter neben Gerd v. Schedelich den Oberbefehl 
in Miünfter nadı deffen Eroberung übertrug, ſtammte vielleicht aus 
Rheine, zu dejjen Udelshöfen der Stedinfhof zählte, 

>) Keller a. O. ©. 263 f. 





6 


Seite von Städten, welche notoriſch den religiöjen Neuerun— 
gen anbingen!). 

Der Fall Münfters, die Hinrichtung der Wiedertäufers 
häupter, die jtrenge Fahndung auf alle Neuerer und die 
erwähnte Verbrennung der 6 Wiedertäufer in Bevergern 
wird einichüchternd und ernüchternd auf die wiedertäuferiich 
gejinnten Elemente in Rheine gewirkt haben. Aber die Milde, 
welche Franz von Walded bald walten ließ, indem er ji 
mit Landesverweilung der Wiedertäufer begnügte, welche 
Mahregel bei der Schwäche der Regierung teilweije gar 
nicht zur Ausführung fam, in Verbindung mit der erneuer: 
ten Bropaganda der flüchtigen Wiedertäufer, namentlich Heinr. 
Krechtings, der in Rheine wahriheinlih Familienbeziehun: 
gen hatte?) und zunächſt von Lingen aus zur Rache ſchürte 
wider dievom Blute „der Gerechten“ triefenden „Gottloſen“, 
führten dahin, daß die Wiedertäufer bald mit neuem Mute 
das Haupt erhoben. Zu Bevergern jaß Werner Scheyf: 
fahrt (Sceffer), ein aufgegriffener Wiedertäufer ?), im Ser: 
fer und der Drofte wendet fih am 31. Aug. 1536 an bie 
Regierung um bejondere Weifung, mit Rüdjiht darauf, 
daß der Bilchof befohlen, den Gefangenen „up geborlife 
orffeyde, borgen und geloven‘ frei zu laſſen. Der Biichof 
wird grade in Rheine damals um fo mehr durch harte Map: 
regeln Mipliebigfeit zu vermeiden gejucht haben, als bei den 
Feindfeligfeiten, welche der die Anabaptiſten, und unter diefen 


I) Nett M. U. B. 11.©. 213 ff. (Ahlen betr)., ©. 237 f. (Waren- 
dorf betr.). 

2) Das ſchon erwähnte Wandtmacder-Amptsbudy der Stadt Rheine 
führt als Amtsbrüder an zum I. 1562 ff. Bernd Krechting und 
ſyn husfraw, Wilm Krechting und ſyn husfraw Neile, Wilm Krech— 
ting und ſyn husfraw Ahleke, zum Jahre 1593 Henr. und Wilm 
Krechting nebſt ihren rauen. 

) Bol. Münſt. Geſch. Quellen 11. 292. Keller in der wejtdeutichen 
Zeitichr. 1. 459 ff. ſpricht von mehreren ergriffenen Miedertäufern, 


7 


— — — — — — 


auch den flüchtigen Krechting, als eventuelle Bundesgenoſſen 
ſchützende Graf Anton v. Oldenburg ſeit 1536 gegen ſeinen 
ſchwachen münſterſchen Nachbar behufs Wiedergewinnung 
Delmenhorſts zu eröffnen drohte, das feſte Rheine der nächſte 
bedrohte Punkt des Stifts war, deſſen Bürgerſchaft alſo zu 
thatkräftiger Verteidigung zu gewinnen durchaus die Klug— 
beit riet: Am 16. Juli 1537 meldete Klaus von Münch— 
haufen, Droite von Rheine: Bevergern, der Negierung, daß 
die MWiedertäuferei in ‚‚etlichen Eingeſeſſenen“ des Amtes 
Anhänger beiige, die ‚auf etlihe Tage zu Berfammlungen 
bei einander fämen; den Verjanmlungsort habe er noch 
nicht ausgefundichaftet, nur daß fie an Sonn und Feier: 
tagen in ihrer Kirchipielsfirche zu Neuenkirchen bloß der 
Predigt beimohnen und dann nach Haufe gehen.” Er bat 
zugleich um Berhaltungsmaßregeln, insbejondere, „ob er jie 
auf dem Kirhhofe, wo fie insgeſamt und am beiten zu 
befommen wären, angreifen laſſen folle..!) Die Regierung 
wies ihn an, zunächſt das Thatjächliche feftzuftellen. Dar: 
auf meldete Münchhaufen am 2. Aug., daß zu Neuenkirchen 
bei Rheine eine volljtändig eingerichtete Wiedertäufergemeinde 
beſtehe; in Beders Haufe hätten fie ihren „Anlauf“,; die 
Frau Beder, 2 ihrer Töchter, ihr älteiter Sohn Weſſel und 
deſſen Frau feien Wiedertäufer, während Beder jelbft und 
fein jüngiter Sohn Claes fih von der Sekte fernhielten; 
die alte Schirlemaniche und ihre Tochter feien ebenfall be: 
teiligt und in deren Haufe hielten bie Täufer ihre Gefell- 
ichaft oder „‚ Synagogen’; auch fänden wohl bei Heinr. Elbers, 
der mit jeiner Frau und Mutter dem MWiedertäufertum an: 
hange, Zujammenfünfte ſtatt; Johann, Sohn des Schulzen 
zu Offenheim, zähle zu den Seftirern; Gerd Xoe jei ihr 
Diener, Herm. to Johanninks Sohn zu Mejum, Dirif ge: 
nannt, jei ihr Bote; Bauer Arlings Sohn Bernd fei jeiner 


1) Staatsarch. Miünfter M. 2%. U. 518 ff. IX. 


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Mutter entlaufen um der Sekte willen, 2 Knete und der 
Schäfer des Evert Roleffing jowie deſſen Tochter Elje jeien 
ebenfalls Genofjen der Sekte; auch Bedemanns Söhne Joh. 
und Gerd, Xubbert Henrilings 2 Knete, Keven Knecht, 
der junge Duyiterbed und Herm. Kreyen Frau; Gords Alife, 
Kreyen Hermanns Schweiter, führe Regiſter und Kaffe der 
Gemeinde. Ein Weib von Neuenkirchen, das die Belagerung 
in Münfter durchgemacht, begnadigt und mit cinem Kinde 
heimgefehrt wäre, wolle auch jett Vater und Mutter nicht 
fennen, weil Dieje zum MWiedertäufertum nicht übertreten 
wollten; fie wohne bei Kreyen Alike; alle Genannten hätten 
fich vergangene Oſtern nicht nach der kirchlichen Ordnung 
gehalten; was aber ihr Handeln und Vornehmen jei, könne 
er nicht angeben, außer dann fie den Gruß der Nichtmit- 
glieder mit „Gott lohn' (et)! ermwiderten.!) Der Amt: 
mann erhielt nun am 10. Aug. 1537 Befehl, mit Hülfe 
„reiſiger Hofdiener“ des Biſchofs die Verdächtigen wo möge 
lih mit einem Sclage zu verhaften und mit Beihülfe des 
Scharfrichters von Dsnabrüd und der Folter zu verhören. 
Bei der nächſten Berjammlung der Wiedertäufergemeinde 
umftellte man das Haus, aber ein Genofie (9. Beder), 
der Wind befommen, warf den Feuerbrand ins Haus und 
bei der jo entitandenen Berwirrung gelang es den meilten 
zu entlommen.?) Nur 9 Berfonen, darunter Hinrifings 
Knecht, die Bedemannihe nebit ihren Söhnen Gerd und 
Johann, die Bederjche und 2 alte Weiber, Kreyen Geſe 
und Elbers Geje, wurden ergriffen. Beim peinlichen Verhöre 
leugneten die meilten, ſelbſt zur Sekte zu gehören; fie woll- 
ten nur von derjelben gehört haben. Einer jagteu. a. aus, 


1) a. O. 

2) So die Angabe bei Keller a. D., die ſich ſtützt auf den Bericht des 
Droften vom 17. Aug. 1537, wo aber auffallend dieſer Vorfall 
auf Faſtnacht verlegt wird. 


9 








es heiße, Joh. Loe jei der König der Wiedertäufer; ein an- 
derer gab an, der gemeine Dann jage, die nicht zu Biere 
gingen, das wären Wiedertäufer; einige Täufer, mit denen 
er verkehrt habe, hätten ihm auch die Trunfenheit als große 
Sünde bezeichnet. Die Gefangenen wurden, da der Drofte ihr 
Bergehen ihrem Geſtändniſſe nach als nicht todeswürdig bezeich: 
nete und für etliche jeiner in Bevergern gefangen gehaltenenteute 
der Graf Arndt von Bentheim, Herr zu Steinfurt, beim Bifchofe 
jih verwandte (28. Aug.), gegen Bürgschaft alsbald zufolge Be: 
fehl3 vom 28. Aug. wieder auf freien Fuß gelegt.) Sol: 
ches Vorgehen der Behörden mochte die Sektirer draußen 
im Amte höchſtens zu forgfältigerer Geheimhaltung ihrer 
Zufammenfünfte führen. Wiedertäuferayoftel reifeten herum 
und juchten die Hoffnung auf Wiedereroberung Miünfters zu 
nähren; in Greven hielt man jogar regelmäßige Zufammen- 
fünfte u. gottesdienftliche Übungen ab; Abgejandte aus verſchie— 
denen Gegenden, jo ein Sendling Krechtings aus Oldenburg, 
der Vorfteher der Neuenkirchener Gemeinde Heinr. Beder, 
Anton Schmitz, ein Noitator aus der Mark, u. a. begegne: 
ten ji dort. Der 1538 ergriffene Goldichmied oh. Lucas, 
zu Dülmen anfällig, einer ber „Brüderapoſtel“, geſtand, 
von dem in Telgte wohnhaften „Biſchofe“ Peter Glaßma— 
cher unweit Burgiteinfurt getauft zu fein, und fannte in 
legterem Orte und in Bentheim Miedertäufer?). Der 1544 
zu Münfter verbrannte Gerd Eilfenann nannte einen zu 
Sobenbüren wohnhaften Genofjen.?) Wenn bei folder Ver: 
breitung des Miedertäufertums in der Umgegend von der 
Sekte in Rheine ſelbſt nicht3 verlautet, jo liegt da® wohl 
daran, daß nach dem Landtagsabichiede vom 31. Mai 1536 
‘in den Städten das Recht der Unterfuhung, ob jemand der 


) Staatsarch. Mitr. a. D.; Keller a. O. 
2) Ebendaſ. 
3) Nieſert M. U. ©. I. 303. 


10 


m m ne 


MWiedertäuferei ſchuldig jei oder nicht, dem Magiftrate, nicht 
dem Amtsdroften, zuſtand, grade die Magiſtrate aber fait 
in allen Städten des Münfterlandes damals jelbit mit den 
Neuerern Iympathilierten oder doch infolge perjönlicher Be— 
ziehungen Duldung walten liefen, von Hinrichtungen aber 
jelbit in ermwiejenen Fällen nichts willen wollten; ein Rück— 
ihluß auf die Verhältniffe in der Stadt ericheint jomit aus 
den Verhältniſſen der Umgegend vielleicht gejtattet. 

Die Schon länger drohende Feindichaft zwiſchen Olden— 
burg und Münfter fam inzwifchen zum Ausbrud. Am 24. 
Mai 1558 eröffnete Oldenburg wirklich mit Braunſchweig 
und Tedlenburg im Bunde die Fehde gegen dag Stift Mün— 
fter; nach der Einnahme von Wildeshaujen, Vechta und 
Kloppenburg, rüdten die Oldenburger gegen Rheine heran. 
Die Ankunft des biichöflichen Heeres nötigte fie aber zur 
Umkehr; nach Wiedereroberung der vom Feinde eroberten 
Drte fielen die Münſterſchen felbit in Oldenburg ein, worauf 
e3 zum Frieden Fam.) 

Nunmehr veröffentlichte die füritbiichöfliche Regierung 
gegen Ende des Jahres 1538 ein von den Yandftänden ge: 
nehmigtes Mandat, daß alle Führer und „Lehrer“ der 
Täuferei ſowie die Nüdfälligen vom Leben zum Tode ge: 
bracht, die einfältig VBerführten aber anderweit geftraft wer: 
den jollten; die Kontrolle der Fremden jolle verjchärft ges 
handhabt werden?). Gegen 1540 jaßen danach wieder 
mehre wiedergetaufte PBerjonen, darunter der von dem ge— 
fangenen Heinrih Horſtmann aus Greven im VBerhöre 1538 
(26. Nov.) angegebene Heinr. Beder, „Paſtor tho Nienkerken 
geweit”, und fein Sohn, in Bevergern gefangen.?) Von 

1) M. G. Q. J. S. 339; Erhard, Geſch. Münft. ©. 365; Eſſellen, 
Geſch. der Grafſchaft Tecklenburg S. 140 f. 

2) Keller a. O. S. 466. 

+), Ebendaſ. S. 461 und 465. Der alte Becker bekannte, bei Emblichem 


11 


ſcharfen Maßregeln des Biſchofs verlautet aber nichts; that: 
ſächlich ließ er Duldung walten. !) 

E3 zeigte jih nun bald, daß Franz von Walded unter 
Benugung der neuerungsfüchtigen Stimmung, welche in den 
meiften Städten berrichte, und der politifhen Konftellation 
im Reihe den Plan verfolgte, duch Einführung der Re: 
formation im Stift ji ein erbliches Fürftentum zu gründen. 
Daher der Pakt mit den Städten, darunter au Rheine, 
„zu gegenfeitigem Schuge und Beiftande‘ 1542; die Städte, 
denen er ihre Privilegien beitätigte, follten dem Domkapitel 
und der Ritterihaft gegenüber ihm helfen zur Ausführung 
jeines Planes. 1543 trat er auf dem Landtage offen mit 
jeinem Plane hervor; zugleich bewarb er ih um Aufnahme 
in den ſchmalkaldiſchen Bund. War feit Febr. 1543 in der 
ihm ebenfall3 unterjtehenden Stadt Osnabrück mit feinem 
Gutheigen eine evangeliiche Kirchenordnung eingeführt, To 
leiftete er gleichem Vorgehen auch in den Städten des Stifts 
Münfter Vorſchub. Als jih das Domkapitel darüber 1544 
beichwerte, erflärte er, zwar feine Nötigung anwenden, aber 
den, der jich freiwillig zur evangeliichen Lehre befenne, da— 
bei jhügen zu wollen. Dieſe Verhältniſſe jcheinen es zu 
erklären, wenn auch in Rheine in der Folge, während die 
wiedertäuferiihen Tendenzen zurüdtreten, reformatorische 
Strebungen uns begegnen. Die Keime waren ja vorhanden 


(im Bentheimſchen) die Wiedertaufe erhalten zu haben nebſt jei- 
nem Weibe. 

1) Aus Warendorf meldet unterm 3. März 1540 der Pfarrer an der 
alten Kirche Joh. Weſſum, „er habe mit großem Fleiße das Wort 
Gottes verkündet, aber feine große Frucht vorgebracht — leider um 
mannigerhande heimliche Sekten, die noch dar verborgen feien, als 
jedem guten Herzen wohl bewußt“; Staatsarch. Münſter M. 2. 4. 
295. 1. Mennoniten-Gemeinden beftanden in Bocholt, Borken, Vre— 
den, Goesfeld, Dülmen, Warendorf, Steinfurt, Hamm, Soeſt und 
Osnabrüd ; vol. Blaupot ten Gate, Geſchiedenis der Doopsgezinden 


— — — 


in Friesland 1.29. u uud 


12 


und harrten nur der Befruchtung, um fich in eine beſtimmte 
Form zu Heiden; die ftaatli einzig mögliche Form eines 
abweichenden religiöjen Befenntniffes war aber feit der Be— 
fämpfung und Niederwerfung des MWiedertäufertums durch 
den Staat jet das Luthertum in Deutichland geworden. 
In das Bett des Luthertums ergoß ſich daher um jo eher 
der Strom religiöfer Sonderaniihten, als das Wiedertäu— 
fertum mit dem Überhandnehmen der Batenburger fchließlich 
in Räuber: und Mordbrennertum auslief und fo vollends 
aud beim Volke in Miskredit kam; zwar wurde Bilchof 
Franz bald darauf vermocht, von der Protejtantifierung des 
Landes abzuftehen, aber da derjelbe ebenfo wenig den Ka: 
tholizismus zu befeitigen fuchte, eine Richtung, welche aud) 
jein Nachfolger, der milde und duldfame Wilh. v. Ketteler, 
einbielt, während nad) diefem Bernd. v. Naesfeld nicht volle 
Entichlojfenheit zeigte, jo Fonnte der Proteſtantismus ich 
ziemlich unbehindert im Lande entfalten. 

In den firchlichen Verhältniſſen treten eben damals arelle 
Mißſtände hervor. Charakteriftiich in diefer Beziehung ift 
für Nheine ein Vorgang des J. 1558. „Da 2 Hausleute 
im Kirchipiel Rheine und Bauerjchaft Elte geſeſſen, ſich un— 
ter einander umb jchuldige geringe Schult, als nämlich mit 


) Mal. den Aufſatz Keller in Raumers hifter. Taſchenbuch 1882. 
In manden Orten des Münfterlandes, fo in Bocholt, Porfen und 
im Anıte Ahaus, hielt ſich auch jpäter das Wiedertäufertum bis ins 
17. Sahrhundert. Der letzte Wiedertäufer im Stifte Münfter, Joh. 
Welſing, der zu Bocholt am Markte wohnte, wurde 1632 auf Er: 
juchen des Grafen Diedrih v. Bronkhorſt zu Anholt vom Fürſt— 
biichofe Ferdinand auf Grund feines Alters und feines und feiner 
Frau Wohlverhaltene, welches Stadtrichter und Magiftrat zu Pors 
holt bezeugten, begnadigt, aud) wurde ihm die Rücktehr nach feiner 
Vaterftadt Bocholt, wo feine Vorfahren ein Spital aeftiftet hatten. 
geftattet; da er aber nicht widerrufen wollte, wurde er auf Veran— 
laſſung des Generalvifars Petrus Nicolartius am 7. Febr. 1633 neu« 
erdings ausgewiefen. Staatsarchiv Münfter M. 2. U. 2, 1 16. 





13 


Namen de Redeker den Walter, gebannen, aljo dat ein In: 
terdiftum jegen den Walter utgegangen und erequert ift 
worden, darmit dat ganze Keripel un gemeine Volk irent: 
halben Gadesdenjtes privert u. berovet moet ſyn“, jo ba— 
ten Paſtor, Gograf und Rat zu Nheine den Droften, von 
Amts wegen ein Einjehen zu thun, „damit dat Interdiktum 
affgedaen und dat arme jimpele Volk dermalen van Gades- 
denjte nicht geholden mochte werden.” Darauf befahl der 
Droſte dem Gografen, den 2 Hausleuten anzujagen, fie 
jollten fothanen Bann abſchaffen, Berklagter entweder deu 
Kläger bezahlen oder ſich doh aus dem Kirchſpiel Rheine 
fortbegeben, damit jeinethalben der Gottesdienjt nicht unter: 
bleibe. Vergebens; jene jchlugen alles verädhtlih in den 
Wind, „aljo dat de Kerke to Rhene nu aver twe 
Maent Tydes togeftanden und darin Gotsdenft 
niht geövet worden. Demwile dann dat den andern 
unichuldigen Serjpelsverwandten ganz hoichbeſchwerlich“, daß 
um der beiden willen fein Gottesdienft jtattfand, jo wandten 
ih Baitor, Gograf und Nat zu Rheine wieder an den Dro- 
jten „um Troit und Beiltand, damit jie der Beſweer des 
Bannes enthoben würden, Godes Ehr u. Denſt darmede by 
dem gemeinen Mann im Smwange to holden.” Der Drofte 
Herm. v. Belen fragt darauf am 28. Febr. 1558 bei den 
fürjtlichen Näten an, wie er jih da verhalten jolle. Am 
2. März erfolgt die Antwort, der Biichof habe entichieden, 
der Bellagte jolle nochmals aufgefordert werden, den Bann 
abzuſchaffen; falls er dann nicht folgjam, ſolle er handfeſt 
gemacht werben!). — Am 17. April 1558 „uf hillige Paeſch— 
avende” bitten in ähnlichen Anlaſſe jämliche Bauern der 
Bauerihaft Höne den Biſchof, „watgeitalt eyner unſer Me— 
denaeber, Joh. Engelbertink genompt, Schulde halven in 
veirerley Banne verſtrickt“ und deshalb ſämtliche 8 Bitt— 


1) Staatsarch. Münſter: Stadt Rheine, Ecclesiastica (M. L. U. 265), 


jteller von den Gläubigern im Bann erhalten würden, ſo 
daß, „Gott ſei's geklagt, deshalb ihnen die Saframente 
der h. chriſtl. Kirche entzogen und verweigert würden, dem 
ein Einjehen zu thun und zu veranlaffen, daß jie, die Nach— 
barn, des unverjchuldeten Bannes entledigt würden.” 1) 
Man fieht, der religiöje Sinn war lebhaft im Volke, aber 
man ließ ihn verfümmern. So griff denn GSittenlofigfeit 
und religiöje Gleichgültigfeit oder Abwendung vom alten 
Glauben allgemah um id). 

Pfarrer in Rheine war nad oh. v. Siberih (oder 
Siborch), der 1552 geitorben zu jein jcheint, Arnd tom 
Drede?). Unter diefem vollzog ſich die Proteftantifierung 
Rheines allmählich und unbemerkt. Zwar fügte es fich, daß 
am 25. März 1561 grade zu Rheine oder vielmehr in dem 
Kreuzherrenklojter Bentlage bei Rheine Bilchof Bernhard 
v. Raesfeld nebſt jeinem Bruder und Vetter und den Räten 
mit dem päpftlihen Nuntius zufammentraf, um mit dieſem 
nad) Entgegennahme eines beziglichen päpftlihen Breves 
wegen Beihidung des wiederzueröffnenden Konzils von Trient 
zu unterhandeln, 3) jowie daß der Nachfolger Biſchof Bern: 
hards, Joh. v. Hoya, in Bentlage durd den Weihbiſchof 
Joh. Kridt unter Aififtenz der 3 Benediktineräbte von Ab- 





) Staatsarch. Münfter: Stadt Rheine, Ecclesiastica (M. L. U. 265). 

2) 1605 bemerft dejjen Nachfolger in einem Echreiben, daß U. tom 
Drede „in die 55 Sahre die Pfarre zu Rheine mit loffende Ehre 
bedient. Dred ſtammte wohl von der Dredhove zu Yeer Kreis 
Steinfurt (j. Darpe, Codex trad. Westf. II. ©. 24°). 

5) Zu Bentlage leiftete auch am 7. Okt. 1567 der zum Pfarrer des 
von wiedertäuferiichen Anschauungen erfüllten Dorfes Willen bei Ahaus 
beitimmte Werner Kemener vor dem Weihbiſchofe, den 3 Nbten, 
dem Domdechanten und Domjcolaftitus und 8 Doktoren den Eid 
auf das Tridentinum. Keller, die Gegenreformation in Mejtfa- 
len und am Niederrhein I. Nr. 272. Das Keller fragliche incul- 
patum heit ſchuldlos, frei von Verſchuldung, Verfäumnis; Bentleri 
iſt Ortsbeftimmung: zu Bentlage. 


15 





dinahof, Liesborn und Iburg am 5. Dit. 1567 die bifchöfliche 
Weihe erhielt); der alte Glaube und die ftrenge Sitte be: 
gann aber in Rheine mehr und mehr zu jchwinden. Nur 
durch ſcharfe Beauffichtigung des Klerus, insbefondere durch) 
Wiederheritellung des ehelofen Lebens der Geiftlichen, ſo 
mahnte Papit Pius V. 1566 den Bilchof Bernhard von 
Müniter, könnten die Reſte des Katholizismus in Deutich- 
land vor völligem Untergange gerettet werden.?) Bei der 
dann vom Fürftbiichofe Joh. v. Hoya auf Grundlage des 
Tridentinums und der Kanones angeordneten SKirchenviit- 
tation vom Jahre 1571/2 ergab jich, daß in Rheine und 
Bevergern das h. Abendmahl unter beiden Geſtalten geſpen— 
det wurde; zwar heißt es, daß es in Nheine meijt wohl 
ftehe bezüglich der Religion, während in Bevergern Lauig— 
feit herriche, in Steinfurt Religionswechjel eingetreten fei; 
aber die Mipitände in heine ließen ſich nicht leugnen ?). 
Es erichienen nämlih am 9. September 1572 die Pfarrer 
von Rheine, Mejum, Emsdetten und Bevergern im Kloſter 
Bentlage vor der biihöflihen Viſitations-Kommiſſion; Vikare 
erichienen nicht, obſchon in Rheine 8 Vikarieen bejtanden, 
auch in Bevergern ein zweiter Geiltlicher amtierte. Die 4 
Erjchienenen von den 12 äußerten ſich zwar über die Glau— 
bensfragen katholiſch;“) aber 3 derjelben, nämlich die Pfar— 
rer von Rheine, Emsdetten und Bevergern, lebten im Kon 
fubinate, zeigten jich jedoch bereit, ihre Konfubinen zu ent: 


1) Hüſing Kampf um die fat. Neligion im Pistum Münfter 1555 
—855 ©. 21 f. 

2) Keller a. ©. I. Ar. 264. 

3) Keller a. D. I. ©. 385 und die Anmertungen 1 u. 2S. 384, 
In dem benachbarten Teile des Archidiafonats Winterswyf, näm— 
lich zu Schüttorf, Nordhorn und Gildehaus, war alles evangeliic. 
Keller a. O. I. Nr. 291. 

+) Hüfing a. D. ©. 54; das NAbendinahl wurde jedoch (j. o.) in 2 
Orten unter beiden Geftalten geipendet. Ebenda S. 236, 


16 


lajien. Da es nun bei der bloßen Bifitation verblieb und 
„feine Exekution folgte”, jo entitand „täglich mehr Jrrung, 
Unordnung und Religionsverahtung.”1) Das Domkapitel 
flagte 1582, daß die Pfarrer in ihrer Lehre wankelhaft, 
die Unterthanen vom rechten Wege abgeführt würden, die 
Schulen in Verfall feien, die Klöfter ihre Güter verzehrten 
und verkauften und die Archidiakonen Widerſtand fänden bei 
den Städten und dem Adel, deren einige „die Wiedertäufer 
und andere verführeriihe Lehrverwandte hinläſſig bei ſich 
pafjieren ließen.) Unitreitig von hohem Einfluffe war 
dann, um Rheine dem Protejtantismus zuzutreiben, unter 
ſolchen Umständen der längere Aufenthalt, den der allgemein 
beliebte frühere Biſchof Wild. v. Ketteler in diefer Stadt nahm. ?) 
Wir treffen ihn dort Schon um die Mitte des J. 1564 an 
und zwar in engeren Beziehungen zu dem im Orte ange: 
fefjenen Engelbert v. Langen, der feine religiös = politifchen 
Gelinnungen zu teilen fcheint.%) Bon der Teilnahme bei- 
der an den politiihen Zeitläuften zeugen Die beiden aus 
Rheine datierten Briefe an den Bilchof Bernhard v. Raes— 
feld, worin v. Ketteler für Rüdgabe der eingezogenen Gü- 
ter der Wiedertäufer in Münſter Sich verwendet.5) Ketteler, 
dejien Urteil, Wiſſen und Beredſamkeit Hamelmann wieder: 
holt preifet, hatte jich immer offener und entjchiedener einer 
ipezifiich deutichen Färbung des Katholizismus und dem Pro- 
tejtantismus zugewandt. Sein früherer Studiengenofle, ©) 

') Außerungen des Domkapit 3. 1582 bei Keller a.O. ©. 512 f. 

2) Ebendaſelbſt; vgl. Kolde in Rödigers deutfcher Pit. Zeitung vom 19. 
Aug. 1882, 

3) Vgl. Hamelm. 1. e. p. 84, 1302 n. 1312. 

4) Yudger und Greta dv. Yangen aus derjelben Familie hatten zur Wies 
dertäufer-Sekte gehört; Keller a. ©. II. ©. 273. 

5) Beide ungedrudte Schreiben nebit einem ebenfalls ungedrudten Briefe 
des Biſchofs Wilhelm v. Ketteler an die Königin Maria jind im 
Anhange unten beigefügt. 

°) Hamelm, l. c. p. 547. 





17 


der Magijter Joh. Hammaker, derjelbe, welcher von der 
biſchöflichen Viſitations-Kommiſſion am 5. Dt. 1571 als 
Prarrverwalter in Angelmodde, weil im Glauben verdächtig, 
ſcharf eraminiert wurde und meiltens in lutheriihem Sinne 
antwortete, war damals Kaplan bezügl. Prediger beim frü— 
heren Biſchofe v. Ketteler!) und zog auch in dieſer Eigen- 
Ihaft mit ihm in Rheine ein, um alsbald durch feine Pre— 
digten eine protejtantiiche Propaganda im Orte zu entfalten ; 
auch reichte er die Sakramente auf proteftantiihe Weije?). 
Ein jolches Beijpiel und jolde Anregung mußte auf die 
läſſigen und ſchon wanfelhaften Gemüter der Bürger bejtim: 
mend und enticheidend einwirken, zumal auch der Adel der 
Stadt und Umgegend zum Teile, wie wir wijjen, die Wege 
der religiöjen Neuerung betrat. ‚Rudolf von Müniter, 
Herm. v. Valke und Herbert (Engelbert?) v. Yangen” in 
Rheine unterftügten ‚aus guter Gewogenheit“ ihren luthe: 
riihen Pfarrer 1588 mit Beilteuern bei Erweiterung des 
Prarrhaujes, um dieſes zu einer Familienwohnung einzu- 
rihten.?) Engelbert von Langen jahen wir vorhin an der 
Seite v. Kettelers in Sachen des Wiedertäufer- Beligtums 
thätig®); daß die Familie wahrjcheinlih zum Proteftantis- 
mu3 übergetreten ift, wird ji unten ergeben. Bei Rheine 


1) Hüfing a. DO. ©. 48. Der dem Verfaſſer zweifelhafte Ausdrud 
a coneionibus hat eben jenen Sinn. Bol. Keller a. DO. 1. Nr. 292: 
In Angelmodde pastor Joh. Hameker, de cuius doetrina constat(!). 

2) v. Ketteler ſtarb 1582 und wurde in der Jakobikirche zu Coesfeld 
begraben. Driver Bibl. Mon. p. 75. — Bgl. die Notiz bei Niefert 
Mint. Urk. ©. VII. ©. 18 über ihn, 

»), Schreiben Dreds v. 2. Juli 1608. 

*) Unter den bei dem Wiedertäufer Claus Loyſink zu Wüllen bejchlag: 
namten Briefen (den einzigen erhaltenen Handichriften münſterſcher 
Miedertäufer) findet fidh ein „Engelbert v. L. wohlbefannt ‘‘ unter: 
zeichnetes Schreiben v. 1. Eept. 1563 (M. U. A. 518/519. Nr. 
259 und 260); dem Inhalt zufolge ftammt es aber von E. v. Yan: 
gen zu Rheine wohl nicht her. 

XLVI. 1. 2 


18 


ſaßen damals auf dem jetzigen Kevenbrinf3 Erbe die v. Ke— 
ven (Keffen)brint; auch diefe waren der neuen Lehre zuge: 
than. Der Junker Joh. v. Münfter zu Surenburg und Herr 
zu Vortlage im Tedlenburgiichen unmeit Rheine ging jogar 
joweit, daß er auf feinem Gute um 1574—1580 „bei Weib 
und Kind und Gelinde predigweis’ veformatoriihe Lehren 
„vortrug und dur Weitfalen ausjtreuete,‘ legteres in jei- 
ner um 1580 erjchienenen Schrift: „Erflärung der ganzen Lehr 
von Abendmahl Ehrifti, verfaflet in Form etlider Vermah— 
nungen oder Predigten”, ein Vorgehen, das ihm eine lite: 
rariihe Fehde mit dem Rektor des Jeſuitenkollegs zu Mün— 
fter Peter Michaelis eintrug, den das Volk jpäter befannt- 
lih von einer feiner Streitjchriften, dem jogen. Brillenfäft- 
lein, den Brillenmafer nannte.) Überhaupt war im Stifte 
Münfter einem Berichte v. 3. 1579 zufolge damals die Mehr: 
zahl des Adels der Augsburger Konfeilion zugethan.?) In 
der Bürgerihaft von Rheine, die bei ihrem lebhaften Han— 
del mit Holland, bei den Beziehungen zu den benahbarten, 
eben damals (1574—1587) mit ihrem Landesheren zur re: 
formierten Konfeſſion übergetretenen Grafichaften Bentheint, 
Zedlenburg und Steinfurt?) mannichfach auch von draußen 
Anregung zur Änderung ihrer hergebrachten religiöfen Über: 
zeugungen erhalten mochte, finden wir denn auch im legten 
Viertel des 16. Jahrhundert den Proteftantismus feit ſich 
einbürgern. Wie fehr hierbei die Nachbarichaft Hollands 
von Belang war, erjehen wir daraus, daß 1580 von den 
vereinigten Niederlanden, um die Wahl eines bairiſchen Prin— 
zen zum Fürftbiichofe von Münfter zu hindern, Striegsvolf 
ausrüdte und Hinter dem über Rheine voraufreifenden Statt- 
halter von Geldern und Zütphen, Johann v. Naſſau, her 

) ©. Driver, Bibl. Mon. p. 100 sq. und 104; Müller, Geich. von 

Tecklenburg ©. 262; vgl. Keller a. O. II. ©. 278. 
2) Keller a. O. Urt. Nr. 469. 
°») Vgl. Eſſelen, Geſch. der Grafſch. Tecklenburg. 


19 


etlihe Fähnlein desfelben fogar in Nheine einrücdten!) und 
armierte Schiffe Hollands auf der Ems zum Angriffe bereit 
ftanden.?) Nicht zum mindeiten war die Proteftantijierung 
auch dem Verhalten des ſchon oben genannten Pfarrers 
Arn. tom Drede zuzufchreiben. Diejer ftand ebenjo wie der 
Pfarrer von Bevergern, dem Bilitationsprotofoll von 15923) 
zufolge, in feiner Praxis auf evangelifhem Standpuntte, 
teilte das Abendmahl unter beiden Geftalten aus, indem er 
den Wein außerhalb der Meſſe konſekrierte, jpendete auch 
die Olung nicht mehr, unter dem Vorgeben, er habe ſol— 
hen Brauch bei feiner Ankunft vorgefunden und nicht än— 
dern fönnen. Er hatte als Konfubinar außer andern Kin: 
dern) einen Sohn, Namens Hermann; dem fuchte er, wo 
möglih, die Nachfolge in feiner Pfründe zu fichern. Diejes 
Ziel auch angeſichts der von Münfter her drohenden Tatho- 
ihen Reſtauration zu erreichen, galt es behutſam vorzugehen. 
Er ließ feinen Sohn auf fatholiihen Schulen ftudieren, zu: 
nächſt zu Münfter, dann auf der Univerſität zu Köln, mo 
er au geraume Zeit im Jeſuitenkonvikt war; indem der 
Sohn jih „damals und ftet3, jo viel als möglich, der al: 
ten römiſch-katholiſchen Lehre gemäß verhielt,“ °) gelang es 
dem Vater, mit Bewilligung der Herforder Abtijfin, der 
Patronin der Pfarre Rheine, feinen Sohn vorerft in die 
1) Keller a. DO. Nr. 488 u. 493; vgl. Nr. 526. Erzbiſchof Gebhard 
Truchſeß warnt die münsterichen Städte, durdy die Wahl Ernits v. 
Paiern der Sache der Spanier zu dienen; ebenjo warnen die allge- 
meinen Stände der Niederlande das Domtapitel zu Münſter. Kel— 
ler a. O. Nr. 525 u. 526. 
2) Keller a. D. II. Nr. 250. 
3, Niefert M. U. ©. VII. 36. 
+) ©. dad Schreiben des Dred jun. v. 2. Juli 1608, weldhes aud) 
erwähnt, da Dred sen. ein Haus in Münster beſaß, welches er 
vermietet hatte. 
5) Für diefe und die folgenden, Dred Vater und Sohn betr. Angaben 
finden fie) die Belege im Staatsarchiv Münfter M. Y. U. 265. 
2* 


20 


Pfarre zu Neuenkirchen zu bringen, die als Filiale von 
Aheine der dortigen Pfarre einverleibt geblieben war und 
je na dem Vorjchlage des Baitors zu Nheine noch jeßt 
ihren Pfarrer erhält!)., Wenn wir den eigenen Angaben 
des jungen Dred Glauben ſchenken wollen, entwidelte er 
als Pfarrer in Neuenkirchen, wo wir oben die Wiedertäu- 
ferzufammenfünfte trafen, eine rege Thätigfeit: „er fand die 
Kirche dort faft deformiert, ließ Predigtftuhl und andere Ge- 
jtühle auf eigene Koſten machen, da die Kircheneinkünſte 
mangelten, renovierte und vermalete mit eigener Hand Altar 
und Bilder und, als damals die Kirche zu Schüttrup durch 
den Grafen von Bentheim deformiert und die Bilder ausge: 
worfen wurden?), lief er dahin, nahm jteinen Bilder auf 
feine Schultern und trug fie gen Nienterfen, um die Kirche 
zu verzieren; als jpäter die Spanier?) und Geufen auf ihren 
Plünderungszügen Thüre, Kilten und Kaſten dev Neuenfir- 
chener Kirche erbrahen und andere Ornamente wegnahmen, 
verehrte er mank anderem auf jeine Unkoſten ein Mißgewand, 
jo über 30 Thlr. geloftet, und ein Miſſale in die Kirche.‘ 
Sp hatte er jchlieflih, wie Bürgermeijter und Nat von 
Rheine in einem Schreiben vom 4. juni 1596%) bezeugen, 
„ſonderliche Gunſt bei dem gemeinen Pöbel erreicht” und 
e3 war die Zeit gelommen, wo der alte Dred, geftüßt auf 
die Gunft, in die er ſich beim Stadtrate von Nheine zu 
jegen gewußt, e3 wagen durfte, mit Beziehung auf fein 
hohes Alter feinen Sohn zur Beförderung in die eigene 





1) Staatsarch. Münfter, Abtei Herford, Akten Nr. 68. 

2) Die Kirche zu Schüttorf, wo ſich 3 herrliche, kunſtvolle Altäre be- 
fanden, wurde 1588 ausgeraumt. Möller, Geſch. der Grafſch. Bent— 
heim ©. 316. 

s), Schon 1587 verwülteten dieje die Gegend und ſteckten Emsdetten in 
Prand; j. Keller a. ©. II. Wr. 257; im März 1590 plünderten fie 
Wettringen und Neuentirdhen. | 

9) Staatsarh. Münfter., Herf. Uiten a. O. (Urig.) 


21 


Stelle vorzuichlagen. Das gejhah dann 1596, und in dem 
eben angezogenen Briefe wenden ſich Bürgermeilter und 
Rat!) der Stadt Rheine bittend an Magdalena Gräfin zur 
Lippe, Übtiffin zu Herford: „da der wiürdige und wohl: 
gelehrte Herr Baitor Arnold zum Drede, ihr lieber und 
getreuer Freund, den Wunſch geäußert, nachdem er an 
die 44 Jahre mit guter, reiner Lehre und erbaulicher Con: 
verjation ihnen vorgeitanden, wegen hohen Alters zurüdzu: 
treten, die Poſſeſſion aber zeitlebens zu behalten, jo bäten 
fie, damit nicht nach feinem Tode ein ander vermeinter 
Seeljorger, mit neuer Religion inficiert, ihnen und 
den ihrigen zum hohen Nachteil und Abbruch mit gerürter 
Paſtorat providiert werde, zu weldem Ende ihr Paſtor den 
auch würdigen und gelehrten Hermanfen Dred, feiner Wür— 
den leiblichen Sohn, ernennet, — diefem die Pfarre zu über: 
tragen per resignationem patris in aliquem tertium sive 
personam interpositam. Vorab möge die Abtifiin dem 
Pfarrer und jeinem Sohne, auf deſſen jorgfältige Erziehung, 
Studien und Beliebtheit jie hinweilen, in der Sache Audienz 
geben und die Stelle diefem dann jo verleihen, daß er nad) 
jeined Vaters Tode in Vollbejig derfelben trete.” Die Ten: 
denz des Antrages it augenscheinlich, durch zeitige Einſchie— 
bung einer dritten ‘Berjönlichkeit, den ſpäter etwa zu erhe— 
benden Einwand unkanoniſcher Amts:Erwerbung gegen die 
Amtsnachfolge des jungen Dred abzujchneiden, der nicht 
direkt jeinem Bater im Amte folgen fonnte. Die Familie 
Dred hatte aber neben der jiheren Beförderung des jungen 
Dred noch ein weiteres Intereſſe bei der Sache: Dred jun. 
hatte jeine Magd Elſchina Hoet, die Tochter Dietrich Hoets 


) Unter den Ratsherrn zählte bejonders Gerh. Stüve zu des Paſtors 
Freunden; er ſchenkte demielben bei Ginricdytung feiner Familien— 
wohnung einen eijernen fen für 15 Thlr. (Schr. Dreds vom 
2/7 1608). 


22 


zu Rheine, zu feiner ‚, Chehausfrauen‘ angenommen; deren 
Schweiter war mit Herm. v. Eltern verheirathet, den man 
gern in die Neuenkirchener PBfarritelle bringen wollte. 1) 
Die Iutheriihe Äbtiſſin v. Herford wie den Stadtrat von 
Rheine juchte man dadurch zu gewinnen, daß man die Bes 
fürchtung betonte, die eingeleitete Konfejlionsänderung möchte 
durch einen anderen Nachfolger paralyfiert werden. Daraus 
übrigens, daß Bürgermeifter und Rat von Rheine einen 
jolden Plan zu dem ihrigen machen, erjieht man zugleich, 
dab der Protejtantismus in der Stadtvertretung bereitö Die 
Oberhand hatte. 

Die ſchlaue Bolitif der Familie Dred fiegte; „durch 
in der ‚Abtei Herford üblihe und mwohlhergebradhte Refig- 
nation jeitens eines dritten Beſitzers, durch Gollation und 
Inveſtitur der Äbtiſſin“ (nicht per successionem) trat der 
junge Dred an feines Vaters Stelle in Rheine, ſein Schwa— 
ger jodanı an feine Stelle in Neuenkirchen; die nötige 
Dispenfation erhielt Dred jun., wie er jelbit jpäter anführt, 
von dem in Köln wohnhaften apoftoliihen Nuntius und 
Biihof von Calatia Octavius. Den Stadtrat von Rheine 
hatte der neue Paſtor auf jeiner Seite und bei der dama— 
ligen kommunalen Selbjtändigfeit der Städte und der Herr: 
Ichaft des Broteftantismus auch in anderen Städten des 
Hochſtifts Münfter mochte er glauben, daß niemand ihm 
würde etwas anhaben können. 

Inzwiſchen bereitete ich aber, jeit Ernft von Baiern, 
von 1555 ab Biihof von Münfter, den kirchlichen und 
wiſſenſchaftlichen eilt im Münfterlande neuzubeleben juchte, 
wie dies längit von allen EinfichtSvolleren als dringend be— 
zeichnet war, und zwar mitteljit Berufung der Jeſuiten, 
welche 1588 in Münfter einzogen, von Münfter aus ein 

1) Bal. das Schreiben Dreds v. 4. Nov. 1605, Staatsarch. Müniter, 
Herf. Akten a. O. 


23 


völliger Umſchwung der kirchlichen Berhältniffe vor; durch 
Beleitigung aller bislang geduldeten religiöfen Sonderanfich- 
ten erftrebte man die Rüdfehr zur kirchlichen Einheit, durch 
genaue Inſtruktion und Beauffihtigung des Klerus fittliche 
Beflerung von Geijtlichkeit und Bolk!). Mit einem Kirchen: 
regiment diejer Nichtung mußte der Paſtor von Rheine in 
Kollijion fommen, denn er amtierte in vollends proteftanti- 
iher Weile. In einem Schreiben des Stadtrichter8 oh. 
Borhorft an die Regierung v. 22. Mai 1604 wird berich— 
tet, daß „er (Dred) als (wie) jein jel. Vater uf lut- 
terijh und der Kaplan uf fatholiich vergangenen Dftern 
die Salramente ausgeteilt”; in einem Schreiben 
Dreds v. 20. Nov. 1603 an die geiltliche Behörde gefteht 
Dred jelbft zu, daß bereit3 die Gewohnheit in feiner Ge— 
meinde beitehe, jtatt der bejonderen Beichte nur ein allge: 
meines Sündenbefenntnis abzulegen. Ganz erftorben war 
zwar der Katholizismus in Rheine nicht; das erjehen wir 
daraus, dab der Kaplan noch 1604 die Saframente auf 
katholiſche Weile ausipendete; daß aber mwenigftens der maß— 
gebende Teil der Bürgerichaft dem Luthertum anhing, er: 
giebt jich daraus, daß 1600 die Stadt Rheine dem Schuß: 
bündniſſe beitrat, welches die münfterländijchen Städte ge: 
gen die auf Beleitigung des Difjidententums in den Städten 
gerichteten Mapregeln der Regierung jchloffen, und daß 1603 
ſowohl Bürgermeifter und Rat, als auch Kirchenräte und 
Kirhenvorfteher von Rheine ihrem Paſtor das Zeugnis aus: 
ftellten, „daß er jein Amt chriſtlich und wohl verwaltet habe, 
jo daß man dort mit ihm gut zufrieden ei.’ 2) 

Die Kataftrophe erfolgte, nachdem das Münfterland 
eben von den Raub: und Wlünderungszügen der Spanier 
und Holländer aufzuatmen begann, infolge der Berichte 
über Dred, welche, wie es fcheint, unter Mitwirkung des 


1) Erhard, Geih. Müniters ©. 429. 
?) Beilage zum Schreiben der Abtijjin v. Herford v. 6. Dez. 1608. 


24 
fürftliden Stadtrichters Joh. Borghorſt, welcher zugleich 
Gograf zu Rheine und Bevergern war, an die bifchöfliche 
Behörde gelangt waren. Dred wurde der unfanonijchen 
Amtserwerbung, der Verlegung des Cölibats und lutheriicher 
Lehre und Amtierung angeklagt; man lud ihn jchlieklich 
unter Androhung der Erfommunifation zu mündlicher Er- 
Härung nah Münfter vor. Srankheitshalber, wie er ſelbſt 
angibt, erſchien er aber nicht, ließ jich jedoch, um einem 
Kontumazialverfahren vorzubeugen, durch feinen Prokurator 
in Münſter, Gerh. Bernink, entihuldigen; in etwa wieder: 
bergeftellt, juchte er in einem Schreiben d. d. Müniter, 
20. Nov. 16053 fich zu verteidigen. Bezüglich feines Amtes 
wies er auf die oben berührte nur mittelbare Erwerbung 
von jeinem Vater hin; feine Magd babe er „weit genug 
von ſich abgeichafft und darin gehorſamt“; jeine katholiſche 
Gelinnung ſuchte er durch die oben erwähnten Daten aus 
jeiner Amtsführung in Neuentirchen, jodann durch fein Ber: 
halten in Rheine zu ermweilen. Seine Angaben in letter 
Beziehung find charakteriftiih, wie für die Politik Dreds, 
jo für die damaligen kirchlichen Verhältniffe in der Stadt: 
„Zu Rheine befördert, jagt er, habe er populum satis 
dissolutum befunden, daher jelbes nicht fobald in ordinem 
bringen können und jolle ihm feiner in Wahrheit nachjagen 
fönnen, daß er in concionibus, in celebrandis divinis 
je nachläſſig befunden fei; im Gegenteile habe er die Vikare, 
jo fih hin und wieder verhalten, ad residentiam in Güte 
voziert und, als das nicht geholfen, im Rechtswege gegen 
fie verfahren, wie beiliegendes Dffizialatsmandat ergebe. 
Wie er auf eigene Koften die Altäre und Kirchen zu Rheine 
zu erneuern jebt thätig jei, juche er auch möglichit den ka— 
tholiihen Glauben dort zu verteidigen und Kebereien aus: 
zurotten. Er habe dies thatſächlich und mit Lebensgefahr 
zu Rheine ante anni Japsum bewiejen, da ein verfluchter 
Keper ſich heimlich in die Stadt eingeſchlichen und bei Nacht 





25 


angefangen, suo modo zu predigen und feine Schafe zu 
verführen: er habe fleißig gefahndet, ſei bei Nacht einge: 
broden, babe ihr verdammtes Fürnehmen zeritört und 2 
Bücher davon gebradt,!) jo noch bei ihm vorhanden und 
er den Herrn Räten zu behändigen bereit jei; er habe jofort 
beim Droften Anzeige gemacht und beim Dffizial Mandate 
erwirtt, daß jolde Wölfe möchten zeritreuet werden, wie 
aus beiliegendem Mandat erjichtlich jei. Was dann Das 
betreffe, daß die Beicht turmatim gejchehe, jo habe er 
publice und privatim feine anbefohlenen Bürger und Kirch: 
ſpielsleute unterſchiedlich ermahnt und ihnen auferlegt, juxta 
praescriptum S. catholicae et Romanae ecclesiae einzeln 
bejonders die Beicht zu thun, ihnen zum Troſte ihrer Seelen 
und Seligfeit, habe aber bisher nichts oder wenig erhalten 
fönnen; er bitte daher, ihn von oben herab in diejem Punkte 
zu unterjtügen. Gr hoffe, man werde die angedrohte Er: 
fommunifation nicht in Kraft treten laſſen, bitte ſonſt um 
Losſprechung von derjelben und, jofern er ſich vergangen, 
um Berzeihung.“ Dred wurde jedoch am jelben Tage 
(20. Nov. 1603) feines Amtes entjegt und ihm aufgegeben, 
bei hoher Strafe binnen 4 Wochen den Wedemhof (die Pa— 
ftorat) zu räumen. Er fagt jelbit jpäter in einem Briefe, 
„weil der firhlide Nat in Münfter die Konfejjion der 
evangeliſchen Religion nicht zulailen wollte, habe er 
jeine chriftliche Gemeinde dem reißenden päpſtlichen Wolfe 
übergeben ſollen.“ „Betrübten und befümmerten Gemütes 
eilte Dred alsbald nach Herford und die lutheriiche Batronin 
jeiner Stelle, die wohledle Äbtiffin Magdalena, geborne 
Gräfin zu Lippe, legte jih auf fein Anſuchen alsbald un— 
term 6. Dez. 1603 beim Fürftbiichofe für ihn ins Mittel; 
Dred jei, wie jie bezeugen müſſe, kanoniſch eingelegt und 
in Rheine, wo er die Paftorat wiedererbauet und große 


') spolia ampla! bemerft der Biſchof jpöttiicd dazu amı ande. 


26 





Koſten angewandt, wohlgelitten, wie die beiliegenden Zeug: 
niffe der Ortsbehörden (ſ. ob.) befundeten; kraft ihres Pa- 
tronatrechtes erjuche fie den Biſchoff, das Mandat jeiner 
Räte, das den Paſtor mitten in beſchwerlicher Winterzeit 
jeiner Pfarre beraube, rüdgängig zu machen, ihn vielmehr 
im Beige der Pfarre, die fie ihm verliehen, zu jhühen. 
In gleihem Sinne wandte fie ſich am jelben Tage an die 
fürſtbiſchöflichen Räte. Geſtützt auf diejes Einjchreiten führte 
Dred, trogdem das Dffizialat in Münfter die Abfegung auf: 
recht hielt und den weltliden Arm anzurufen drohte, jein 
Amt in NhHeine fort „zum höchſten Ärgerniſſe der Katho— 
lifen, ſtellte fih von Tag zu Tag ärgerlicher an, drohte, 
einen etwa von Münfter ihm gejandten Nachfolger dermaßen 
zu empfangen, daß ihm das Lachen vergehen jolle, übte 
allerlei Mutwillen, verwundete fogar feinen (fatholiih ge: 
jinnten) Kaplan tödlich), jo daß die Kirche nicht ohne gerin- 
ge3 Ärgernis 12 Tage geſchloſſen blieb. 1) Das bifchöfliche 
Offizialat ruft daraufhin am 6. April 1604 den weltlichen 
Arm wider den Abgejegten an.?) Ein Schreiben des Stabt- 
richterd Borchorſt an die Negierung v. 22. Mai mit neuen 
Belegen über das ärgerlide, Unruhe veranlafjende Auftre: 
ten Dreds, vor deſſen Mutwillen er mit Weib und Kind 
nicht mehr jicher jei, verjchärfte noch die gereizte Stimmung 
in Münfter gegen Dred. Die Abjegung Dreds wird darauf 
am 12. Juli 1604 in latiori forma allgemein fundgemadt; 
Dred fjolle Regifter und Einkünfte der Pfarre dem Richter 
ausliefern und den Wedemhor räumen, der Richter jofort 
alles und jedes, was Dred gehöre, mit Beichlag belegen, 
bis Dred diefem Dekret Folge geleijtet. Da alles erfolglos 
blieb, trat endlih am 1. März 1605 die angedrohte Ere- 
fution duch den weltliden Arm ein. Die fürftlichen Be: 





!) So das Dffizialatsichreiben v. 6. April 1604. 
2) Keller a. O. U. Nr. 338. 





ar 








amten zu Bevergern hatten unterm 25. Febr. 1605 ſeitens 
der fürftlihen Räte Befehl erhalten, Dred mit Gewalt aus 
dem Pfarrhauſe zu vertreiben und gefangen zu nehmen, 
bis er Gehorjam gelobt und verbürgt habe. !) Sie mögen 
es aber mit Rüdiiht auf das gemwaltthätige Weſen Dreds 
und die Stimmung der Bürgerihaft für rätlich gehalten 
haben, vorfichtiger aufzutreten; unter Zuziehung des Rich: 
ter3 laſen jie Dred den Ausweijungsbefehl vor und for: 
derten ihn auf, binnen 24 Stunden „de Wedthumb“ zu 
verlajjen. Dred proteftierte unter Berufung auf jein von 
Herford ihm verbrieftes Recht; Tags darauf und neuerdings 
am 7. März bat er die Regierung, bis zur Erledigung 
feiner Beichwerden den Befehl zu fiftieren, indem er am 6. 
März zugleich wieder das Einfchreiten der Äbtiſſin von Her: 
ford nachſuchte. Es wird von Belang fein, feitzuitellen, wie 
die Bürgerjchaft von Nheine jich jet zur Sade ſtellte: Bür— 
germeilter und Rat treten auf Anſuchen Dreds alsbald am 
4. März bei der Regierung für diejen ein, „inmaßen jie 
das anders nicht fpürten noch wühten, dann daß ihre jänt- 
lihe Gemeinde und Bürgerihaft mit ihrem Paſtor ein herz: 
lihes Mitleid getragen und aud noch ſämtlich wünjchten, 
dag für einmal dieſer beichwerliden Anmutung überjehen 
und (jelbe) zum beftändigen Stillftand gejeßt werden 
möchte. 2) 

In ein neues Stadium trat die Angelegenheit dadurch, 
daß Dred jih in den nächſten Tagen erbot, den Pfarrhof 
zu räumen, wenn ihm Erſatz geleiftet würde für die Koften, 
die er auf das Pfarrhaus verwandt habe, und vor Ablauf 
der Stägigen Räumungsfriſt mit Weib und Kindern aus der 
Wedeme in Bertlints Haus am Markt, und dann in Otto 
v. Münſters leer ftehendes Haus dem Wedemhofe gegenüber 





) Keller a. D. II. Nr. 342. 
2) Herforder Alten a. D. 


28 


309, während er Gefinde und Vieh im Pfarrhofe belieh. 
Bezeichnend für die Stimmung in der Stadt ilt, dab der 
Stadtrichter aus Furcht vor einem Aufruhr nicht wagt, 
auf die bloße Hülfe feiner Gerichtsdiener geftügt, den Dreck— 
jhen Hausrat aus dem Pfarrhofe zu jchaffen, und der Ne: 
gierung rät, die Bürgermeilter mit der Gefangennahme 
Dreds zu beauftragen, indem man diefen erit aufs Nathaus 
lade.) Die Dred ergebenen PBroviforen der Kirche (Otto 
Bertlinf, Tonies Hoet — Dreds Schwager — und Gerdt 
ton Sande) berufen jich in einem Schreiben v. 15. Märzan 
die Äbtiſſin v. Herford jelbitredend auf das für Dred rege 
Mitgefühl der „ſembtlichen Gemein und Bürgerjchaft. 
Dred paftorierte inzwijchen weiter, unterließ aber nicht, am 
14. März die bifchöfliche Behörde nochmal3 um Gnade zu 
bitten; er wolle fich jeder Cenfur unterwerfen und fein Le— 
ben ändern; man möge ihn in feiner Stelle belajjen oder 
doc) entichädigen. Während nun der Amtsdroite Herm. vd. 
Velen riet, Dred, außer dem nur ein Kaplan in Rheine 
jei, aus der Stadt zu Schaffen, da Oſtern bevoritehe, woll- 
sen die fürftlichen Näte noch verjuhen, ob Dred nicht zur 
Kaution de non offendendo vermodht werden und jo von 
feiner Verhaftung abgeiehen werden fünne?). So jchleppte 
jih die Sache unverändert bis in den uni hinein. Da 
läuft (am 7. Juni) Anzeige bei der Negierung ein, mit 
Dred jei gar nicht auszufommen; er trete nur mehr be= 
warrnet auf, drohe und beichimpfe fatholiihe Bürger; er 
babe ih einen auten Anhang verichafft und es fei ein 
Aufruhr von ihm nach Ketzerart zu befürchten; er predige 

’) Edjreiben Borchorſts v. 9. März 1605. 

?) Um 20. Mai klagt Dre der Abtiſſin v. Herford, er müſſe inmitten 
der ihm aubhangenden Gemeinde wie ein Oefangener fich erhalten; 
er habe ſichere Nachricht, das man ihn gefangen ſetzen wolle und 
die Paſtorat jchon einem anderen verlichen habe, 


und paftoriere indes weiter; nur feine Entfernung aus der 
Stadt werde Nbhülfe bringen. Darauf hin erfolgte dann 
Tags darauf Anweilung an die Beamten in Bevergern, 
Dred gefangen zu ſetzen, zugleich aber ihm billige Erſtattung 
zu geben. Zur Ausführung diejes Befehls am Mittwochen 22. 
März waren zufolge Tags vorher eingelaufener Anweiſung 
mit dem Stadtrichter auch die beiden Bürgermeilter von 
Nheine herangezogen; Rentmeiſter Volbier rüdte an jenem 
Mittwoch vormittags mit einer Heinen Abteilung Soldaten 
vorjichtig nach Rheine, ließ die Bewaffneten vorerjt draußen 
und wollte jo, wo möglih, ohne Aufheben! zu machen, 
während die bevoritehende Verhaftung Dreds noch nicht ruch: 
bar geworden, mit den oben genannten Givilperfonen und 
den Ratsdienern die WBerhaftung bewerfjtelligen — aber 
man fand das Neſt leer: Dred hatte Durch jeine Freunde 
in der Stadtvertretung!) Wind befommen und war 
in der Nacht vorher um 2 Uhr auf Veranlaſſung jener 
„Ratsverwandten” durch die Pförtner am Münſterthore aus 
der Stadt gelajjen; von O. Bertlint bis an den Bünerberg 
begleitet, hatte er unterwegs ein übers andere Dial geichrieen 
und die Hände ringend nad der Ztadt fih umgewandt mit 
den Worten: „O du edle Nene, ich jehe dich jeßt mein 
Tage nicht mehr!” Mit feinem Schwager, dem Bizefuratus 
zu Neuenkirchen, v. Münſter,?) der mit ihm Nheine verließ, 
zog er durch Sutrum über Horftmar, wo die Paſtores dem 
Bolizeiberichte zufolge in Hausfods Haufe 3 Kannen Wein 
getrunfen, ins Ausland. „Aus der Fremde, wo er mit 
jchweren Koften leben müſſe,“ bittet er (ohne Ortsangabe) 
wiederholt zu Anfang Juli die Negierung um freies Geleit 
nah Rheine, um jein Korn einzuernten und feine Vermö— 


) So die Ausſage des Rentmeiſters v. Pevergern in der anonymen, 
an die Regierung gerichteten Bittichriit 1605. 
2, Ein anderer Schwager, Chr. Edeling, war Paſtor v. Dingden. 


30 


gensverhältnifie zu regeln!); er wolle ſich jo verhalten, daß 
feine Klage entitände; man möge ihm eine andere Pfarre 
zu jeinem Unterhalte verleihen; für feine Aufwendungen 
verlangte er Schadenerfag. Sowie er jelbit, wandte fih dann 
alsbald auch der Stadtrat von Rheine an die Abtiffin 
von Herford mit der Bitte, ſie möge bei der Regierung zu 
feinen Gunſten einjchreiten?), was denn aud, jedoch ohne 
Erfolg, geihah. Die bijchöfliche Behörde verlieh die rhei: 
neſche Prarritele dem Joh. Schmeddes (wohl aus Horftmar 
gebürtig), der bis dahin „auf der Univerfität Löwen in 
päpftlicher Heiligkeit Kollegio’ Theologie ftudiert hatte; am 
1. Juli 1605 führten ihn „‚‚etlihe Herren des geiftlichen 
Rates“ ein und bejichieden dann Bürgermeijter und Lohn— 
herren in die Kirche, ihnen die Einjegung befannt zu geben 
und vorzubalten, daß fie den neuen Pfarrer in feiner Stel- 
lung „ſchützen und manutenieren‘ möchten, worüber ver: 
wundert die Stadtbehörde alsbald (8. Juli) an die Abtiffin 
von Herford berichtete. Der neue Pfarrer „‚paitorierte jeit- 
dem die Gemeinde allein nach der alten Kirche Ceremonien.“ 
Er hatte aber einen jchweren Stand in der Stadt. Beim 
Eintritt in das Pfarrhaus mußte er gewahren, daß ‚des 
abgejegten Paſtors Köchin und Freunde, davon die ganze 
Stadt voll, das Wedemhaus jo entblößt und ausgeräumt 
hatten, daß nur allein die alten Wände darin zu ſehen;“ 
Bücher, Negiiter und Belege über Stiftungen, Gefälle nnd 
Einkünfte der Pfarrjtelle, der Bilarieen und Kirche hatte 
Dred mit fortgenommen, jo daß Paſtor Schmeddes jich und 


!) Seit dem 25. Juli befand er fih „auf Haus Rodenleuwen“ 
im Glevifchen, von wo er 27. Juni und 18. Juli Schreiben nad) 
der Propftei Ejjen richtete, um dort bei ihrer Anweſenheit die Abtifjin 
von Herford ſelbſt zu treffen. Cr hatte danadı bei Herm von 
Yangen (j. u.) Unterkunft gefunden und blieb dort in brieflichen 
Verkehr mit Bürgern von Rheine. 

2) Vgl. die Antwort der Abtiffin v. 2. Juli 1605 (Herf. Alten a. ©.) 


31 


jeinen Kaplan aus jeinem Privatvermögen unterhalten mußte. 
Der neue Pfarrer jchwebte, wie feine ihm den Haushalt 
führende Mutter der Regierung Hagte, jogar in täglicher 
Lebensgefahr. Als im Dftober 1605 „der gewöhnliche Herbit- 
jend im Wedemhofe vom Archidiakon Sander Lennep gehal: 
ten wurde und die SKirchendiener dort verjammelt waren, 
fam des abgejegten Paſtors angegebene Frau ungeſtüm herein, 
jeßte fih, während mit Hellebarden bewehrte Burſchen hinter 
ihr eintraten, zu den auf der Kammer Verjammelten, fragte 
ironiſch nach dem abmejenden Nichter, Ichalt den Pfarrer 
und ließ verlauten, es jolle ihm das Herz kalt gemacht wer: 
den; auch die Kirchenräte madten fi dann unnüß über 
den neuen Pfarrer und jchlugen ihm Knippen für.” Man 
fieht, die proteitantiichen Elemente herrichten noch in der 
Stadt und waren in ihrer erregten Stimmung keineswegs 
gewillt, der in Münfter durch die Jeſuiten inaugurierten 
Richtung gegenüber zu Kreuze zu kriechen. 

Die Unruhe wurde noch vermehrt durch das Gerücht, 
der entfernte Baftor weile wieder dort in der Gegend, fo 
daß die Regierung auf denjelben zu fahnden und ihn zu 
verhaften befahl. Dred aber hatte zu Anfang Oktober 1605 
‚ih in der Generaljtaaten Dienſt begeben und eine Prediger: 
ftelle in der holländischen Feitung Covorden angenommen, 
die ihm eine Bejoldung bot, Weib und Kinder ehrlich durch— 
zubringen.”1) Bon dort aus wandte er ſich in wieberhol- 
ten Gejuchen, worin er ji als Diener des göttlihen Wor- 
tes tho Govorden unterzeichnet, an die münfterfche Negie- 
rung um Erftattung der Koften, die fein Vater und er auf 
Pfarrländereien und Pfarrhaus in Rheine aufgewandt hät: 
ten; fein jel. Bater habe einen neuen Saal und eine Stube 
an den Pfarrhof gebauet u. j. w. Dieje Forderungen un— 
terjtüßte, da Dred jebt zu jeinem Gouvernement gehöre, 


2) Schreiben Dreds v. 4. Dit. 1605 (Herf. Alten a. DO.) 


32 


auf Dreds Erfuchen Wilhelm Ludwig Graf zu Naffau durd 
ein unterm 12. Juli 1607 an die münſterſche Negierung 
gerichtete8 Schreiben.). Dieje aber bat den Grafen am 
4. Sept. 1607 auf Grund einer vom neuen Pfarrer Schmeb: 
des ausgeführten Widerlegung der Dredichen Bejchwerden, 
den Beichwerdeführer abzumeiien. Dred aber wandte jich 
im Juli des folgenden Jahres, „nachdem er eine langwie: 
rige Krankheit überftanden,” unter bejonderer Aufitellung 
jeiner Forderungen bejfonders mit Betonung des Umſtandes, 
daß man ihm väterliches Privatgut vorenthalte, neuerdings 
an den Grafen, jo daß diejer nebit Krynn de Blacu zu Co: 
vorden die fürftlich Münfterjche Negierung aufforderte, Dred 
„ohne langen Verzug klaglos zu ftellen.” Der Gegenbericht 
des Pfarrers Schmeddes griff Punkt für Bunft Dreds Auf: 
ftellungen an; wenn PBatrimonialgut nicht unterjchieden werde, 
fomme dies nur daher, daß Dred alle Regiiter mitgenom: 
men; die möge er erit ausliefern. In diefem Sinne erwi: 
dern die füritlichen Näte unterm 3. Nov. dem Grafen, der 
alsbald, indem er den Standpunkt Dreds fejthielt, welchem 
man „aus Haß der Religion‘ das Seine vorenthalte, durch 
ein Schreiben d. d. 's Graven Haag 15. Nov. (neuen 
Stils) 1608 „das ernite Begehren‘ wiederholte, Dred zu 
befriedigen, midrigenfalld® er „bedenken werde, ihm mit 
andern Mitteln und Wegen zum Seinigen zu verbel: 
fen.” Mittlerweile fand Dred, der bislang, wie er jagt, 
auf Befehl der Äbtiffin von Herford „die Jura und Negi- 
fter der Baltory von Rene verwahrjamlich vorenthalten, 2) 
fih veranlaßt, auf Erfordern derjelben Äbtiſſin jetzt, da man 

2) Dal. Keller a. O. II. Wr. 363. 

?) Selbe waren ſchon 1605 von ihm nad) Herford eingeliefert, einem 
Schreiben der Abtiſſin v. Herford v. 23. Aug. 1605 zufolge; die 
Briefe Dreds v. 12. Ott. 1614 und 20, Nov. 1621 zeigen, daß 
er die Haupturkunden zurüdbehalten hatte und wohl nad Her: 
ford, aber nicht nad) Münfter ausliefern wollte, 


35 








gegen Einlieferung derjelben feine Güter frei zu laſſen ver: 
iprah, „dem ehrbaren Rate dero Stadt Reine einen Kalten 
mit Briefen verwahrjamlich zu überantworten‘. Als man 
aber auch nun jeine Anfprüce nicht befriedigte, forderte 
auf jein Anfuchen der Graf Wilhelm Ludwig d. d. Leuwar— 
den 12. Mai 1610 die miünfterfchen Näte „zum lebten 
Male nad jo langer Geduld” auf, Dred klaglos zu ftellen, 
widrigenfall8 er andere Mittel brauchen müſſe. 

Währenddes behaupteten in Rheine die protejtantijchen 
Elemente da3 Übergewicht troß der Einfeßung eines katho— 
liihen Pfarrers und trog des Verbot, andere als fatholijche 
Perjonen in den Stadtrat zu wählen, !) und trogden man 
denen, welche nicht Fatholiich fommunizierten, das Firchliche 
Begräbnis verweigerte. ?2) Daß der Nat auf Seiten des ab- 
geſetzten Baftors jtand, erhellt Schon daraus, da ſowohl diejer 
als die Äbtiſſin von Herford dem Stadtrate das Pfarrarchiv 
in Verwahrung gaben, um es eventuell nur nach ihrem Wil- 
len verabfolgt zu willen. Die tiefe Kluft, welche die Stadt: 
vertretung und den Fatholiichen Pfarrer trennte, zeigt jich 
in einem Vorfalle des Jahres 1611, welden das Rats— 
protofollbuch meldet.?) Die Honoratioren der Stadt waren 
am 27. Juli 1611 von Mbreht v. Langen zum Rodeleu: 
went) auf deilen in der Stadt belegenen adeligen Hof ge: 
laden. Als man auf gegenjeitiges Wohlergehen ſich den 
Humpen zutranf, brachte Bürgermeilter Michael Balkhaufen 
e3 auch dem Pfarrer Joh. Schmeddes zu „auf der Bürger: 
meifter, des Rats und der ganzen Bürgerei Gefundheit und 
Wohlfahrt.” Der Pfarrer ſchien das anfangs nicht zu ver: 





) Keller a. ©. II. ©. 287. 

?) 0. D. Nr. 400. 

*) Protok. v. 1609—1625 (Pergam.:Bd. Staatsarch. Münſter) fol. 10 f. 

9 Rodelewe it urfprünglic) Name eines Gutes im Kſp. Hoetmar; ſ. 
Darpe, Cod. trad. Westf. IL, p. 191, val. p. 207 sg. 


XLVI. 1. 3 


34 

jtehen, als aber der Bürgermeilter feine Worte wiederholte, 
fuhr Schmedde3 „ſchier aus Drunkenheit“, troßdem Herr 
von Langen ihn zurüdzuhalten juchte, mit injuriöſen Schimpf— 
wörtern gegen Bürgermeilter und Nat los, Die er insge— 
jamt nur „für Hurdelers und Prachers halte.‘ Er wei: 
gerte ih, auf das Wohl der Natsverwandten zu trinfen, 
und der Nat lieg am 4. Auguit den Junker Yangen als 
Zeugen in der Injurienſache amtlich vernehmen. Tier Ein: 
fluß des abgeiegten Pfarrers war dagegen, wie e3 jcheint, 
noch jo ſtark, daß evangeliich geſinnte Bürger diejen nad: 
zogen; wenigitens beruft ſich Dred gegen Ende April 1610 
auf „die Bürger der Stadt Renen, jo jetzo binnen dieſer 
Stadt Covorden ankommen ſein.“,') Mit welchen Miß— 
trauen in firdliden Dingen vie fürſtbiſchöfliche Regierung 
der Stadtvertretung von heine gegenüber erfüllt war, be- 
fundet die Thatjache, daß man den 76jährigen Geiftlichen 
Herd Keritiens aus Rheine, welchem Bürgermeitter und Nat 
1612 die Bilarie am neuen Hoſpital daſelbſt verliehen hats 
ten, troß wiederholter Bitten, ihm Doch die 20 Goldaulden 
Gehalt auszjuzahlen, welche der Amtsrentmeifter von Saſſen— 
berg ihm aus der Mühle zu Warendorf jährlich zu zahlen 
hatte, 4 ‚jahre hindurch vergebens auf ſein Geld warten lie, 
obſchon der jeit 1605 an Borchorits Stelle getvetene Stadtrichter 
Lie. Erasmus Yethmate die fatholiiche Belinnung des Gewähl— 
ten beicheinigte, ja hervorhob, derjelbe ſei von den Ztatiihen 
(Hollündern) propter religionem aus feiner Bräbende zu 
Delden in der Imwente vertrieben — er gebe jetzt Sonn u. 
Seiertags, um Gotiesdienit zu halten, von Rheine nad Di: 
denzaal —, und die Aufhebung des Einkommen-Arreſts be— 
fürmortete. 


1) Ditob. 1614 und Nov. 1621 unterzeichnet jih tom Dredte als Pre— 
Diger der Gemeene Goedes der Herrlichkeit Middelſum in Gronin— 
gerland. 


35 


Bei abwartenden Mißtrauen ließ es aber die Regie: 
rung bald nicht mehr bewenden: mit dem Negierungsantritte 
Ferdinands von Baiern hörte die Duldung abweichender 
Bekenntniſſe im Münſterlande grundjäslid auf und den 
Diſſidenten blieb bald feine andere Wahl, als das katho— 
liiche Belfenntnis anzunehmen oder das Yand zu verlajien; 
gegen jeden, der ih von der Meile fern hielt, ging man 
unnachſichtlich mit Yandesverweifung und Gütereinziehung 
vor.) Wie Bocholt und Borfen,?) jo wurden im Nord: 
weiten des Hochitifts auc) Vreden, Ahaus, Meteln und Borg: 
horit meiit zwangsweiſe dem Katholizismus wieder zugeführt. ?) 
Den Bewohnern wurde ein Termin gelegt, bis zu dem jie 
der Neuerung entjagen oder den Ort verlaljen mußten. *) 
Manche mögen da, um Heimat, Haus und Hof nicht ver: 
laiten zu müſſen, zu Kreuze gefrochen fein; andere aber er: 
griffen den Wanderſtab. Damit beginnt dann in Rheine 
eine Zeit der Auswanderung protejtantiicher Elemente; die 
Zhatjache der Auswanderung ſelbſt und ihr Umfang geben 
uns den Gradmeſſer Fiir die Feſtigkeit der Überzeugung und 
die Ausdehnung, welde der Protejtantismus in der Stadt 
erlangt hatte. 

Von dem in der Stadt bis dahin angejeffenen Adel 
finden wir die von Münjter, welche wir oben in nahen Be: 
ziehungen zu Paſtor Dred trafen, ſchon 1618 nicht mehr 
vertreten;?) Albrecht von Langen, deſſen Stamm feit mehren 


ı) Erhard a. D. ©. 446. 

2) Nidert, M. U. ©. I. 366 ft. 

) ©. das Echreiben des Oeneralvifars an den Fürſtbiſchof vom 13. 
Nov. 1632 (M. X. A. 265): quos ad fidem per eoactionem, 
ut plurimum, adduximus heißt es da. Seit 1609 war übrigens 
die Unterweiung des Volkes in den Amtern Ahaus und Pevergern 
den Jeſuiten übertragen; Keller a. O. IL, Nr. 401. 

) Nieſ. M. U. S. 1 ©. 408 ff., val. Vorrede ©. 28. 

°) S. Zeitichr. für weit). Geſch. u. Altertt. Bd. 38. ©. 91. — 1605. 
28. Dez. verlaufen Otto von Müniter und Mechelt, ſeine Frau, 

3 


36 


Sahrhunderten auf einem Adelshofe binnen Nheine gejeffen,') 
der ſelbſt aber, jeit diejer ,, Erbgejejlene zum Rodelöuwen“ 
im Fürftentum Cleve ſich niederlaſſen, nur zeitweilig nod) 
in der Stadt erjchienen war, veräußerte 1615 jeinen Hof 
an die Stadt und zog endgültig aus Nheine fort; daß er 
ins Gleveiche 309, wo der Proteſtantismus geduldet war, 
deutet auf Übergang zum proteftantiichen Belenntniffe. >) 
Das „‚protocollum eines ehrbaren Rates dero Stadt Nene 
v. %. 1625 fi.” führt als Ausgewanderte an: Joh. Dantel: 
mann, Joh. tom Walde und Joh. Morrien. Der legtere 
Icheint der damalige Beliger des Faltenhofes zu Rheine zu 
jein, ältefter Sohn Wilhelms von Morrien, Sprofie einer 
Familie, die jpäter Glieder reformierten Bekenntniſſes zählt.?) 
Die von Keffenbrink (j. 0.) wanderten bis auf einen Sproſ— 
jen, der mit einer v. Neiherhahn vermählt war, damals in- 
folge des Konfefjionszwanges aus Weitfalen fort ; fie wohnen als 
Bürger zu Rheine, an TJakob von Peilten zu Emsdetten ihre im 
Emsdetten gelegene Behanfung mit Stallung ımd Garten. (Staats: 
archiv Mitr., Urk. der Stadt heine). 

1) In der Yandesvereinigung v. I. 1519 findet ſich Dyrich van Yanahen 
to Reyne;, Kindl. Münſt. Beiträge I. S. 223. Bal. Ztſchr. für 
weit. Geſch. und Altertt. Bd. 38. ©. 9. 

?) 1610 verkaufen auch Bernh. von Schedelich, Bürgermeiſter zu Ott— 
marjum, und Gert, Kaspar und Alb. v. Yangen, Erben el. Bern: 
hards v. Yangen und Zophien Schedelich, Bürger zu Rheine, gewe— 
jener Cheleute, binterlaifene Kinder, als VBormünder und Prüder 
des abwejenden Bernh. dv. Yangen, an Otto Schwalve und Alheid 
Stuve, jeine Frau, ihr elterlihes Haus am Markt zu heine zwi— 
ihen Otto Bertelints Haus und der Herrenftraße nahe bei Dr. Rud. 
Kellers Haus gelegen. (Staatsard. Münſter, Urk. d. Stadt Rheine). 

) ©. Ztiſchr. für weſtf. Geſch. Pd. 38. ©. 91; Bd. 40, ©. 122. 
Der Herforder Hof, den die Familie zu Lehen trug, verblieb in ih: 
rem Belite. Am 13. San. 1631 verwenden fi Wilh. Morrien, 
Serr zum Salfenhofe, und Matth. Korff gen. Schmifing beim Fürſt— 
bijchofe um jeine WVermittelung anläßlich der Neparatur der Kirche 
in Rheine (M. Y. A., Rheine, Ecclesiast.). 


37 


Grafen und Herren jetzt in Pommern.) Bon Bürgern 
Nheines wanderten weiterhin zufolge dem Natsprotofolle am 
25. Mai 1625?) aus: Gerd Stüve und Michael Balkhaus, 
beide frühere Bürgermeifter, Bernd Bönefer, Bernd, Joh., 
Henr. und Tonis Nörding, Herm., Gerd, Bernd und Dtto 
Bertelint, Walrad Keriting, Martin Stüve, des Bürger: 
meilterd Gerd Stüven Sohn,?) Klaus Weſſelink, Henr. Cor: 
des, Sebald Holjten, Reinhard tom Walde,t) Joh. Pott: 
geiter, Henr. Waflenborg, Henr. Keller, Heidenrich Sickmann, 
Joh. Niehoff, Wild. Henje, Henr. von Morlage,?) Otto 
Schwalve und Herm. tor Heide. Im ganzen waren bis 
dahin 29 dijjidentijche Bürger, darunter wohl eine Reihe 
Familienväter, abgezogen. Als in der Folge viele derjelben 
heimlich jich wieder eingefunden hatten, fam am 13. Auguſt 
1625 jtrenger Befehl von Münfter, ihnen die Niederlaffung 
nicht zu geitatten und fie im Betretungsfalle gefänglich ein: 
zuziehen. Am jelben Tage langte der Generalvifar Pater 
Deithmarus von Münfter an, beſchied auf 7 Uhr morgens 
des folgenden Tages die Zurüdgefehrten aufs Rathaus und 
eröffnete ihnen in Gegenwart des Stadtrichters Lethmate 


i) Auf früheren Reichtum jenes Geſchlechts deutet der 1853 auf dem 
jogen. Kevenbrints» Erbe bei Rheine gefundene Schag bin, beitehend 
aus 45 Stück Turnoſen und 6908 Denaren, die um das Jahr 1350, 
wo bei Rheine der Kampf zwiſchen Münfter und Steinfurt ſich ab- 
jpielte, vergraben waren. Vgl. Münzfund bei Rheine von L. u. €. 
Weddige, Münſter 1855. 

2) Val. Nieſert, M. U. ©. J. 408 ff. 

3) ſeit 1611, wie ſein Vater ſeit 1576, Mitglied der Schneidergilde, 
welcher zahlreiche angeſehene Bürger, die außer dem Handwerk ſtan— 
den, damals angehörten. 

*) 1613 aweiter Gildemeifter der Schneidergilde,, welcher meiit von Bür— 
gern außer dem Handwerke entnommen wurde; er gehörte jeit 1596 
oder 1601 der Gilde an und entitanımte einer im Orte zahlreich 
verbreiteten Familie, die audy (zum Teile?) den Namen Kerterinf 
führte. 

5) auch jeit 1615 Mitglied der Schneidergilde, 


und der beiden Bürgermeilter, daß fie bei Strafe von 52 
Goldgulden Haus und Stadt zu verlalien hätten. Andere, 
die bislang noch nicht ausgewiejen waren, weil fie ſich Bes 
denfzeit erbeten, wurden, da jie noch feine Erklärung bis 
dahin abgegeben, nachmittags voraeladen. Als Diele fich 
eine Verlängerung der Friſt ausbaten, gab ihnen der Ge— 
neralvifar Ausitand bis zum Felte Mariä Geburt; falls fie 
jih bis dahin nicht „der Neligion bequemen‘ würden, hät: 
ten jte die Strafe zu gemwärtigen. „Auch einige Frauens— 
pertonen wurden in Sachen ber Religion vor den Pater be= 
ſchieden.“l!) Als dann das Feſt Mariä Geburt (S. Sept.) 
fam, fand jich der Generalvifar wieder „mit noch einem 
Bater societatis” ein, um zu fehen, ob die Belehrung der 
Schwanfenden jich auch wirklich vollzogen, und er hatte nun 
die Genugthuung zu vernehmen, daß „die Neligionijten ſich 
gemeinlid ante et in termino Marik Geburt zu Beichte 
und Kommmnion geltellet.” Tags Darauf verließ er Die 
Stadt wieder, nachdem er zuvor noch mit dem Nichter und 
den Bürgermeiltern „auf der Ratskammer wegen der Neli= 
gioniften’ eine Konferenz gebalten. 

Den oben über etliche der Ausgewanderten mitgeteils 
ten Daten entnehmen wir, daß die Ausweiſung, wie auch 
natürli, vornehmlich jene Natsverwandten und Bürger 
traf, melche vormals, zu Zeiten Dreds, die Wortführer 
in der Stadt gewejen waren. Der Widerſtand, den Sie 
und das Gros der Gilden, denen ie angehörten, in den 
Jahren 1522 und 1623 auch auf politiichem Gebiete der 
fürjtbiichöflichen Negierung bereitet hatten, als Nie die Auf: 
nahme des Kriegsvolks des Grafen von Anholt bis zum 
äußerjten, — jo dab; Rheine jogar bombardiert und zur Zah— 
lung einer Strafiunme von 25,000 Thlrn. landesberrlich 
verurteilt wurde, — verweigerten,?) hatte die Aufhebung der 


1) Matsprotofoll, Stadtarchiv Rheine, 
2) Näheres ſ. Ztichr. fir weſtf. Geſch. m. Altertk. Po. 44 2. 100 ff. 


39 





Gilden, die Vernichtung der bürgerlichen Selbitändigteit, ") 
zur Folge; jet fette die Negierung den Oppojitionsführern 
und ihrem Anhang, joweit fie am Diſſidententum feithielten, 
furzer Hand den Stuhl vor die Thüre. 

Wie nahe liegt, mochte aber die Stadtbehörde in der 
Folge, eigener Sympathie, perjönlichen Beziehungen oder 
samilienverbindungen zu Liebe, ein Auge zudrüden, wenn 
ich einige Proteſtanten fernerhin in der Stadt aufbielten; 
Pfarrer Schmeddes jedoch erjuchte am 8. März 1626 den 
Stadtrat, „die Neligioniften, jo allhie noch vorhanden, als 
Otto Bertelint mit Frau, Weſſel Kramer, Herm. Dankel— 
mann, Tonies Nörding und andere aus der Stadt zu ver: 
weifen, weil jie anderen rgernis gäben und damit jo dem 
Befehle des Biſchofs Genüge geichehe.?) In den Stür— 
men des 30jährigen Krieges wird übrigen! eine genaue 
Kontrolle wohl nicht immer möglidd oder wirkſam gewejen 
jein: infolge deſſen überreichte der in der Stadt kom— 
mandierende biſchöfliche Kommiljfar von Wendt einen fürft: 
lihen Befehl, „daß den verwichenen Neligionsverwanpten 
in feine Wege allhie in der Stadt ihre Handtierung zu trei: 
ben, Sich aufzuhalten und umzugehen jolle geitattet, \ondern 
fie Jollten ausgewiejen werden.” Demgemäß wurde am 16. 
Mai 1626, als die Bürgerichaft, wie gewöhnlich bei wich: 
tigen Belanntmachungen, durch Glodengeläut aufs Rathaus 
beichieden wurde, neuerdings vom Nate einaeihärft, die 
Birgerwachen follten feinen Unbefannten und Fremden ohne 
Meldung in die Stadt laſſen und, falls jich Proteitanten 
am Thore einfänden, jelbe vor dem Gintreten warnen, Da 
der biſchöfliche Kommiſſar Die ſtrengſten Befehle befommen 
habe.s) Einige Tage ſpäter (21. Mai) richtete der Stadt: 


) Durch den Revessus destitntorius Des Fürſtbiſchofs Ferdinand v. 
15. März 1627. 

2) Matsprotofoll, Stadtarch. Rheine. 

3) Ebendaſelbſt. Val. Nieſ. M. U. S. J. 


60 
2 


40 





rat an den Ardhidiafon von Stetteler die Bitte, man möge 
den Bürgern Quirin Kremer, oh. Bedering , Joh. Hage— 
mann, oh. Barwid und Gerd Berlink, die nunmehr „der 
Religion fih bequemt,’ die Geldjtrafe nachlaſſen, wie ihnen 
dies in joldem Falle ſchon Pater Deithmarus verjproden.!)) 
So lichteten fi denn die Reihen der Proteftanten in Rheine 
vollends, allerdings um den Preis, daß auch die Bürger: 
Ichaft ſich lichtete und etliche gute Elemente der Stadt dauernd 
entzogen wurden; der Magijtrat fertigte 3. B. den ihres 
Befenntniffesg wegen ausgewanderten Bürgern Herm. Dans 
felmann und Soft Kloppenburg am 10. Juni 1626 ein 
Zeugnis „ihres redlichen Handels und Wandels“ aus, und be- 
zeugte, „daß fie an die 24 Jahre hierorts im Eheftande gelebt,’ 
und in einer Bittjchrift, welche unterm 2. Dez. 1625 nad 
Münfter abging, um Befreiung von der Einquartierung der 
in dortiger Gegend lagernden bijchöflichen Truppen zu er— 
langen, hob die Stadtbehörde gradezu hervor, daß die 
Kriegslaften und Beichwerden ſich gehäuft, Die zu denjelben 
beranzuziehende Bürgerihaft aber „durch Abzug vieler Bür: 
ger, darunter aud der Proteſtanten, ſich gemindert habe 
und jo die Stadt entblößet worden ſei.“?) 

So war mit Aufhebung der Gilden die politijche 
Dppofition, mit Ausweiſung der Proteſtanten der Wi- 
derftand gegen die Religionsedikte Ferdinands von 
Baiern, wie jener bejonders im Feſthalten an dem abge: 
fetten Pfarrer hervorgetreten war, dauernd in Rheine ver: 
nichtet. Als Kurfürit Ferdinand durch den Recessus re- 
stitutorius vom 15. März 1632 der Stadt ihre politifchen 
Privilegien teilweife zurüdgab,?) verfügte er, daß jeder 
Bilde eine neue Rolle oder Ordnung gegeben werden folle, 


I) Ratsprotofoll. — 2) Ebendaſ. 
3) Die Straffumme war der Stadt Ichon 1625. 23. Januar auf 5000 
Thlr. ermäßigt worden, 


41 


„damit in Religion und Bolitif feine Beſchwer— 
nis zu bejorgen fei.” | 

Zur Befeftigung der jo mit Mühe und Gewalt berge: 
ftellten religiöfen Einheit in der Stadt und zur Erneuerung 
fatholiihen Lebens jandte dann Fürftbiichof Ferdinand als 
dauernde geiftliche Beſatzung 1635 die Franziskaner hin, die 
von da ab in Rheine und Umgegend und in ganz Fries— 
land eine rege Millionsthätigfeit entfalteten. !) 


Anhang. 
3 Briefe des Biſchofs Wilhelm von Ketteler. 


(M. L. U. 518/519 Nr. 259 u. 260). 
1) Biſchof v. Ketteler an die Königin Maria 
von England. - 
Ahaus 1553. 5. November. 
Der Biſchof will zur Ausrottung der Wiedertäuferei ſonſtigen 
Sekten in Friesland gern die Hand bieten, kann aber, bevor er die päpſt— 
liche Beftätigung feiner Wahl erhalten hat, nichts thun. 
Durchleuchtige, hochgeborne Fürftinne, gnedige Frauwe! 
Nah Erbietunge unjerer gehorjamer u. ganz williger Dienite 
mogen wir Em. Kon. W. nicht verhalten, das wir derjel- 
ven Scrifte, am 18. Dft. jüngjt verichienen datiert, belan: 
gend die hochbejchwerliche Later und Selten des Widertauffs 
neben den verfürigen Irrſall der Sacramentarien u. andern 
tagelihen uffgeitandenen verbottenen Jrrungen in Frieslant 
u. andern nechitumbliegenden Orteren?) widerumb regen u. 
taglih8 je lenger je mer (ein)bredhen jollen, empfangen u. 
ires Inhalts ver(itanden) u. wollen E. Kon. W. demnad 
nit verhalten, dag wir unjerestheils nit alleyn gneigt, fon: 
der au mit höchſtem Vermögen gern daran jeyn wulten, 
das alle IR Secten hinweggenommen u. die ware 


) Die Umkehrung der Gefinnung der Bürgerjchaft zeigt jid darin, 
daß der Stadtrat 1635 bemerft, Pfarrer Schmeddes jet zu ſei— 
nem Yeidwejen geitorben, und 1652 von Dred bemerkt, daß ev 
eines böſen und ärgerlichen Lebens geweſen. 

?) Der Biſchof, von Münſter beſaß damals die Jurisdiftion in Fries— 
land; ein münfterfcher Archidiakon war für Friesland beitellt. 


Lere Chriſti durchaus u. fonderlih in dieſem Stift Münfter 
u. ſoweit ſich gerortes Stift Jurisdiction erjtredt , geleret 
u. den Yeuten ingepflanzet würde. Dmill aber E. Kon. MW. 
bewuſt, das und, ehe u. zuvor wir unjere Gonfirmation bey 
Bepftl. Heilligkeit ausgebracht, jonderlihd in den Fellen, 
quae sunt ordinis, wie man es nennt, nichts will zuthun 
geboren, da wir auch ichtswas für erlanater Konfirmation 
in den Eachen würden fürnemen, das uns jolches bei irer 
Deilligfeit zum Nachteil muchte gereichen u. aber wir noch 
zur Seit unsere Gonfirmation nit erlanget, demnach jo ift 
an Ew. Kom. W. unſer fleißig Bett, Sie wollen uns diß— 
mals entichuldigt haben, das wir die Kommiitton, wie bei 
E. Kon. W. für raitiam angejeben, nit verfertigen laſſen. 
Da wir aber hienegit gerorte Konfirmation wurden erlanz 
gen, willen wir unjerstheils unſerm bevollenen Ampt nad), 
jo vill Got Gnade verlehen wert, das zu Erhaltung u. zu 
Abmwendung oder Beilerung aller verdampten Secten dien— 
lich Inn mochte, erwinden laſſen, wilds wir E. Kon. W. 
die wir biemit dem Allmechtigen bevellen, nit haben wollen 
unangetzeigt laſſen. 
Gegeben zum Ahuis 5. Nov. ao. ete. LIU. 
| Euwer Kon. W, 
An die Koniginne guitwilliger Dener Wilhelm. 
Frouwe Marie. 


2) v. Ketteler an den BiihofBernbard v. Raesfeld. 
Rheine 1564. 21. Sum. 
Betrifft Die Güter der Wiedertänfer in Münſter. 

Hochwürdiger, in Bott bochvermögender Fürſt! Em. F. ©. 
jeien meine undertbenige Dienjte jederzeit mit Fleiß bevor! 
Gnediger Her! Welchergeſtalt etlide von E. F. ©. Netben, 
Ihumbcapittel u. Mitterjchait uff nechitgehaltenem Yandtag 
mit dennen vom Rhat der Stadt Münſter geſprochene u. Sie 
gern bewegen wollen, in die Verordnung zu der wider: 
teuffiichen Sutter zu willigen und aus was Urſachen ſolchs 
domals, unangeieben der Burgermeilter Hierdt ſich vernemen 
ließ, das innen verwunderte, wie man ſolche große Dim: 
eultet, in Anfebung warn 2 oder 3 aeitillet, der Sachen ge— 
holiten, ich auch domals daruff apartt mit ime geredet u. 
gerordert, das er mir Die Gelegenheit davon jollte anzeigen, 


mit dem Erbieten, da die Sachen durch trealiche Mittel 
kundten verricht werden, daß ich den Handel gern moglichs 
Fleiß wolte beforderen u. daßelbig mit nach jeinem Rath von 
gedachtem hate ungeichlagen, jolchs alles werden €. 3. ©. 
ich guediglich wißen zu erinneren. 

Wiewol ich nu nit anders gewilt, Dan der Handel hette 
damit feinen Bejcheid, jo hat mir Doch der edler u. ernvejter 
Engelbert v. Langen neiteren vermeldet, was maßen gedach— 
ter Hierdt mit janpt dem Bürgermeilter Vendt folgents 
widerumb zu ime fomen u. nochmals die vorige Meinung 
repetiert, al8 nemblih, wannehr 2 oder 3 ungefehrlich ge: 
ftillet, Das alsdan der Sachen verboffentlich zu helfen ſein 
fol, mit dem Anhang, das er mit mir davon Iprechen folde. 

Nachdem nu gemelter Yangen u. ic dieſe Handlung 
nach unjeren Einfalt erwogen u. bedacht, was Bejchwernus 
u. Weiterung aus dem bejoratem Zweiſpalt, da ime nicht 
fürfomen, zu gewarten u. wir dan unſerstheils ungern iecht 
was erwinden jolten laſſen, das zu Beforderung E. 8. ©. 
u. des Stifts Wolfart und Abwendung allerhandt Unrictig: 
feit mochte dienlich fein, jo it bei uns für rhatſam ange: 
jehen, E. F. ©. diefe Gelegenheit in Underthenigkeit zu ver: 
melden u. Daneben in derjelben anedigs Bedenken zu jtellen, 
ob es nit nuß u. dienlich fein jolt, das E. F. ©. zu eriter 
Gelegenheit binnen die Stadt Miünfter hetten geſchickt u. 
durch etliche der \jrer abermals uff dieje mit Yangen gebabte 
Inderredung mit gerürtem Hierden und Vendten Iprechen 
lajjen deraeitalt, das E. F. G. nichts liebers ſehen ſollten, 
dan das einem jederen, dazu er befuegt, verhulffen u. dasſel— 
big mit böchiter Einigkeit. Und obwol E. F. G. unbewußt, 
wbe dieſe Partheien wären u. wie fie in irer Anſprach ge: 
ariindet, To Jolte E. F. ©. dennoch nit zumider fein, Das 
derjelbiger Anſprach durch E. 3. ©. Rhete u. Deren vom 
Thumbcapittel in Beilein dero vom What, wo moglich, ſum— 
marticher Weit angehoret u. nach Befindung mit innen ein 
Bertrag uff Uncoſten der Yandtichaft getroffen mit dem Be: 
jcheid u. Vurbehalt, da Solche Vergleichung gefunden, das 
fie die vom Nhat auch alsdonn die Ire in anderen gleich: 
meßigen Kellen mit jampt anderen von den Ztenden wolten 
verordnnen oder quetwilliglicdh aeitatten, das andere verordnet 
u. volmechtigt in dieſen Sachen alles uff Uncoſten der 
Yandtichaft Schließlich zu handlen der Zuversicht u. Hoffnung, 


44 


das man hiedurch dem Handel etwas neher mochte Font: 
men, das auch die von der Nitterichaft u. Fleinen Stetten 
ji) dasjelbig nit wurden zumider fein laſſen, jedody alles 
zu E. %. ©. gnedigs Gefallen u. Verbefferung. Und thue 
diejelbige hiemit dem Allerhöchiten bevelhen. 


Datum Nenen am 21. Juni ao. 1564. 


E. F. ©. undertheniger 
Diener 
An .. Herrn Bernharden Wilhelm Ketteler. 


Erwelten u. Beſtätigten des Stifts 
Münſter, meinen gnädigen Herrn. 


3) v. Ketteler an Biſchof Bernhard v. Raesfeld. 
Rheine 1564. 22. Juni. 


Hochwürdiger, in Got hochvermugender Fürſt! E. F. G. 
ſeien meine underthenige Dienſte jeder Zeit mit Fleiß bevor, 
Gnediger Her! Ob ich wol E. F. G. geſtern zugeſchrieben, 
was Engelbert v. Langen mir in Sachen die Verordnung 
zu den widerteufferiſchen Gutteren anlangend angezeigt u. 
wes in diefem unfer beiden Bedenfen wer, jo hat mich Doc) 
der Marſchalk Velen berichtet, al3 das die Bürgermeifters 
(ſeins Behalts) folgen unnotig erachtet, dieſerhalb ferners 
mit mir zu ſprechen, wie dann dem Gantler Droſten zu 
Horjtmar und dem Secretario Vito davon bewuſt fein jolt. 
Und dweil ich nu ſolche vericheidene Berichtung vermerkt, 
jo hab ich nit jollen underlaffen und E. F. ©. (dwelche der 
Almechtiger in langwierigem fürjtlidem Negiment wol ges 
friften) dieſes aljo in Underthenigkeit zu vermelden. 

Datum Nenen am 22. Juni ao. 64. 

E. 5 ©. 
underthenig 
Diener 
Wilhelm SKetteler. 


II. 


Vorchriſtliche Altertümer 


im 


Gaue Süderberge (burg). 


Von 
$. Iofles und W. Effinann. 


An Herbite des vorigen jahres erſuhren wir zufällig, dap 
auf dem Gute Heringhaus zwischen Laer und burg beim 
Wiejenbau Urnen und Waffenitüde geſunden jeien. Erkun— 
digungen an Drt und Stelle ergaben, Daß Die Funde 
nidt in jüngfter Zeit, Sondern bereits vor 30 ‚jahren 
gemacht waren. In die Öffentlichteit war indes feine 
Nachricht davon gedrungen, ja jelbit in der Umgegend war 
die Sache ſchon ziemlich wieder der Bergejjenheit anheimge: 
fallen. Zum Glücke aber hatte der Beliger Heringhaus felbft 
nicht nur die Fundſtücke jorgfältig aufbewahrt, fondern aud) 
die äußeren Umftände des Fundes jeinem Gedächtniſſe jo 
jet eingeprägt, daß er uns überall genaue Auskunft geben 
fonnte und jo unjern weiteren Arbeiten höchſt förderlich 
wurde. Es hatte jich uns gleich die Überzeugung aufgedrängt, 
dag weitere jyftematische Unterfuchungen der Umgegend nicht 
erfolglos bleiben würden, und hierin haben wir uns nicht 
getäufht. Kaum war das Gerücht verbreitet, daß auf den 
Teufelsiteinen bei Heringhaus Ausgrabungen veranitaltet 
würden, als wir auch ſchon von verichiedenen Seiten über 
frühere Funde an anderen Stellen benachrichtigt wurden. 
Der Eintritt des Winters bat unjeren Arbeiten ein Ziel 


46 





gefteckt, bevor fie zum Abichluffe gelangt waren. Wenn wir 
trogdem bier ſchon die Ergebniſſe der bisherigen Unterfuhung 
veröffentlichen, jo glauben wir dies damit rechtfertigen zu 
fünnen, daß eine Fortſetzung derſelben und damit eine er: 
ihöpfende Behandlung des Gegenftandes unſerſeits nicht in 
beitimmte Aussicht geitellt werden Fann, zugleich aber auch 
die bisherigen Ergebniſſe intereilant genug fein dürften, um 
tie in weiteren Kreiſen zur Kenntnis zu bringen. Vielleicht 
veranlaßt diefer Aufiag aucd andere Altertumsfreunde, dieſem 
bislang ganz vernachläftigten Winfel der roten Erde ihre 
Aufmerkſamkeit zuzumenden, und ſpornt deſſen Bewohner zu 
einer jorgiältigen Behandlung Fünftiger Kunde an. Das ijt 
unſer Wunſch. 


Geſchichtliche Notizeu über den Gan Süderberge. 


Es dürfte angemeſſen erſcheinen der Beſchreibung der 
Funde dasjenige vorauszuſchicken, was ſich über die Urge— 
ſchichte dieſer Gegend jagen läßt. Es wird Dabei aber ab— 
geſehen von der Hypotheſe Knoke's!), der den Schauplatz der 
Barusichladt dorthin verlegt, weil Ddiejelbe noch keineswegs 
für bewiejen, wenn auch im Ganzen für nicht weniger wahr: 
Icheinlich erachtet werden kann, als irgend eine der anderen 
Hypotheſen. 

Aus dem Namen Glane, der von dem Bache auf die 
Dörfer Glane und Glandorf übertragen iſt, läßt ſich bereits 
auf eine frühere Zeit ein Schluß zieben. Denn da der Name 
ein keltiſches Wort ift und ebenjo wie der häufig vorkommende 
deutiche Flußname Na nichts als Waffer, Bach bedeutet, fo eraiebt 
ih daraus, daß die Südabhänge des fogenannten Teutoburger 
Waldes bereits in vorgermanischer Zeit beiiedelt waren, da 
die Teutichen gewiß nicht jelbit einen Fluß mit einem feltiichen 
Namen belegt haben werden. ?) 


1) F. Knole, Die Feldzüge des Germanicus in Deutichland, Perlin 1887. 
2) Miüllenhoft, Deutiche Altertumstunde Po. I, S. 227. 


47 

Die erite direkte Erwähnung der Gegend gejchieht in 
einer Urkunde Ludwig's des Deutichen vom „jahre 851, worin 
es heißt: in pago, quod dieitur Sutherbergi, in villa 
duae nuncupatur Lodre . . et in eodem pago, in villa 
qquae vocatur Arpingi.!) Dieſes Yoder ift das jetzige Yaer 
bei Iburg, welches bis in's 17. Jahrhundert noch Yoder oder 
Loer geichrieben wurde, von Wolfe noch jeßt Laoer geiprochen 
wird, aber ganz, unrichtig zu Yaer verbochdenticht ift. Arpingi 
ift die jegige Bauerſchaft Erpen bei Dijien. Außer dieſen 
beiden werden feine anderen Orte als zum Gau Süderberge 
gehörend ausdrüdlich in den Unellen angeführt, allein mit 
ihnen it doch jchon ein bedeutenderer Umfang gewonnen, 
als es auf den eriten Blick jcheinen möchte; denn e3 gehören 
darnach zu diefem Gaue: Diſſen mit jeiner alten Yiliale 
Hilter und jeiner neuen Nothenfelde, Laer mit jeinen alten 
Filialen Glandorf und Remſede und den bereits früher von 
ihm Iosgelöften Glane und burg. Da Hilter, Nemjede und 
Glandorf erjt in jpäter Zeit von ihrer Mutterpfarre losgelöſt 
ind2), jo braucht die uriprüngliche Yugebörigfeit zu Laer 
nur von Slane und Iburg nachgewieſen werden. Bei Glane 
iſt das alte Verhältniß noch deutlich genug ſichtbar. Einmal 
it die Gemeinde viel zu Klein, als daß tie urprünglid) 
jelbjtändig geweſen jein könnte, denn die Bauerichaft Dften: 
jelde — ſie liegt im Wejten von Glane! — gehörte ur: 
jprünglich zu Yienen, und daraus erklärt es ſich auch, daß 
ſie während des Mitielalterd ein Zankapfel für Tedlenburg 
und Osnabrüd war und blieb. Nach Abzug von Dftenfelde 
bleibt aber von Glane nicht mehr als eine ante Bauerjchait 


1) Wilmans, Die Muiferurinuden der Provinz Weſtfalen I, &. 114. 

*) Glandorf war um 1200 noch Filiale von Yaer, hatte aber Thon um 1400 
einen zweiten Seitlichen. Wann die Yoslolung von Yaer erfolgt üt, 
läßt fih aus den Urkunden des Pfarrarchivs nicht erjehen. Remſede 
it erit vor etwa 20 Jahren jelbitändig geworden, 


48 


übrig, denn nah Süden hin gehörte die damals noch viel 
umfangreichere Hölle nachweislih noh im 14. Jahrhundert 
zur Mark Laer. !) Auch beiteht zwijchen Laer und Glane 
feine eigentliche Grenze. Es iſt bezeichnend hierfür, daß 
Heringhaus früher zwar nad) Glane zur Kirche, aber nicht 
nur fat mit feinem ganzen Grundbeſitze jondern auch mit 
jeinem Hofe politiih zur Gemeinde Laer gehörte.?) Die 
Selbftändigkeit und die Einverleibung von Diftenfelde ver: 
danft Glane lediglih den kirchlichen Auftänden. Es beſaß 
um 1100 eine Kirche, die zwar nur eine Privatkirche war, 
aber, mitten zwiichen Laer und Lienen liegend, bei der großen 
Ausdehnnng dieſer beiden Gemeinden für Die zu beiden 
Seiten wohnenden Bauern einen neuen Mittelpunkt zu bilden 
wie geſchaffen war. Folgende Stelle in Norbert Vita Ben- 
nonis liefert hierfür den Beweis: Imo ecclesiolam suam 
S. Jacobi ruditer exstructam, quaeque suo sub- 
erat dominio, futuri abbatis direcetioni Gisela subi- 
eit.?) Es beitand aljo damals noch in Glane ein Privat: 
firchlein, welches eine Weltliche befab und verichenten konnte. 
Man ſieht hieraus zugleich, wie jpät in diefer Gegend eine 
Regelung der Pfarrverhältniſſe jtattfand und wie luftig daher 
alle Schlüffe aus den lirdlichen Verbänden auf die urjprüng- 
lichen Gemeindeverbände (menigitens in diefer Gegend) find. *) 
i) Lehnregiſter zu Zeiten des Biſchofs Johann II. von Osnabrüd; Lodt- 
mann, Acta Osnabrugensia, ©. 117: Gerhardus de Varendorpe 
dietus de Wisch, infeudatus est cum domo dieta tor Hole, 
sita in, proch. Lodere. S. 179: Gerh. Stenhues infeudatus est 
cum euria in Winkelzete, Westehus, dat Oldenbrock, de Hole 
in Lodere. Zum Zeil gehört die Hölle aud) jegt noch zu Laer. 
2) Jüngſt erft ift die Grenze rund um jeinen Beſitz verlegt. 
2) Vita Bennonis Epise. Osnabr. Monumenta Germaniae, Vol. XIV, 
S. 67 f. Cap. 16. 
*) Die Gonitruction von Ober: und lUntergauen, wie fie Böttger, Diö— 
ceſan- und Gaugrenzen Norddenticlands Il, &. 55 vornimmt, er: 
Icheint mindeitens jehr bedenklich. 


49 





Die Loslöfung Glane’3 von Laer wurde nun noch da: 
durch begünftigt, daß die Kirche den Benedictinern in Iburg 
unteritellt wurde. 

Die Erlangung der politifhen Selbitändigfeit neben 
der Eirchlihen war nicht ſo bejonders jchwer. Die alten 
Marken waren außerordentlich umfangreich. Um 1096 5.8. 
bejaßen Riemsloh, Neuenkirchen, Gesmold, Wellingholzbaujen 
und ein Teil von Melle zufammen nur eine Mark.!) Es lag 
in der Natur der Sache, daß practijch ſchon jehr früh eine 
Zeilung ſtattfand, wenn aud eine theoretische Einheit hier 
und dort länger feftgehalten wurde. Holz, Maft, Weide — 
Zorf und Heu gab es nicht überall — hatte allemal eigent: 
lih nur für die nähftwohnenden Bauern Wert. Keiner ſuchte 
es dort, wo e3 für ihn am mühſamſten zu erlangen war — 
am entgegengejehten Ende der Mark — troß jeines formellen 
Rechtes. So fam es, daß Glane (wie Slandorf) ſich prac= 
tiich bereits von Laer losgelöft hatte, indem es mit dem ihm 
zunächft liegenden Teil aus der Yacr’ichen Mark ausgeschieden 
war, al3 das Chriſtentum Fam, ebenſo wie es auch bei dem 
(bis jüngft) unfelbftändig gebliebenen Nemfede der Fall 
war. Daß dies feine bloße Bermutnng iſt, geht auch daraus 
hervor, daß nod im 15. Jahrhundert der Gemeindegrund 
von burg zur Mark Laer gehörte, wovon es durch das 
ganze Kirchipiel Glane getrennt ift, was Stüve — der jid) 
durch die jpäteren Firchlichen Verhältnifje zu jehr hat beir— 
ren laſſen — umerflärli vorfam?), aber ganz einleuchtend 
it, wenn das Gebiet von Glane, in dem das castrum 
burg lag, wie aus dem obigen hervorgeht, überhaupt voll: 
jtändig zu Laer gehörte. Mark und Grenze deden ſich be— 
grifflih, und eine Durch eine andere in zwei Teile geteilte 
Mark ift ein Unding. 

) Vergl. Stüve, Geihichte des Hochſtiftes Osnabrüd Ib, ©. 631 fi. 
2) Ibidem ©. 787. Vergl. auch Thyen, Benno Il, ©. 74. 
LXVI. 1. 4 


50 


Diefe Gemeinden gehen alfo auf 2 Urverbände — 
Diffen mit Hilter und Laer mit Glandorf, Remfede, Glane 
und Iburg — zurüd. Sicher gehörten noch andere Ge— 
meinden zum Gaue Siüderberge, wahricheinlich Lienen und 
Lengerich; der Sprache nad gehört dieje Gegend mwenigitens 
zu Dsnabrüd und nicht zum Münfterlande. In das Gebirge 
hinein erftredte jih der Gau indes nicht, denn Dejede wird 
ausdrüdlih als zum Gaue Threcwithi gehörend angeführt; 
der Name Süderberge ift demnach durchaus der geographiichen 
Lage entiprechend. 

Hiermit ift das, was ſich im Allgemeinen über die Vor— 
geihichte des Gaues Süderberge auf Grund jhriftlicher Ueber: 
lieferung fagen läßt, erichöpft. Ueber zwei fpecielle Orte läßt 
fi indes noch einiges vorbringen: es find Jburg und Rem— 
jede. Beide Orte hatten in ältejter Zeit eine hervorragende 
Bedeutung, Iburg eine politiihe, Remſede eine religiöfe. 
Remjede (Hramasithi — Nabenfeld) ift nad) der Volkstradition 
der Ort, an dem fich die erfte hriftliche Kirche der Gegend 
befand. Urkunden zur Geſchichte des Ortes find unſeres 
Wiffens nicht vorhanden; die Inſchrift „Aedificatum anno 
DCCXXXIV“, welde ſich auf einem Steine des Chorbogens 
befindet, ilt offenbar eine plumpe, wenn auch nicht mehr 
ganz junge Fälſchung. Möglich aber ijt es immerhin, daß 
in dem Kirchlein noch Reſte des erſten Baues fteden, ſicher, 
daß die Sage von dem Alter des Ortes feine müſſige Er: 
findung ijt, jondern auf hiftoriicher Grundlage beruht. Bei 
der Kleinheit des Ortes), die ihm bei den Nachbarn die 
jpotthafte Bezeichnung als „Stadt“ eingetragen hat, ilt es 
nicht denkbar, daß er ohne jede Veranlafjung und ohne jeden 
Grund im Bewußtiein der Bevölferung jener Gegend eine 
jo hervorragende Bedeutung erlangt hat, zumal er Firchlich 
erft in jüngſter Zeit von der Pfarre Laer Tosgelöft ift. 








2) Die ganze Gemeinde zählt jegt etwa 430 Seelen. 


51 


Eine Stütze findet die Sage übrigens in folgenden That— 
ſachen: Einmal iſt die Kirche dem hl. Einſiedler Antonius 
geweiht, ein Umſtand, der nad Kampſchulte I) allen betref— 
fenden Kirchen ein hohes Alter zumeif. Dann aber aud 
find beſonders die Nemfeder ‚Gefahren‘ höchſt charalteri- 
ſtiſch. Es find dies — wie das jchon der Name befagt — 
alte Wallfahrten, die ein geiftliches und zugleich mweltliches 
Gepräge trugen. Biermal im Jahre?) fam aus der Umgegend 
das Volk, namentlich das junge, in Remfede zufammen. Nach 
der Sage und Maurus Roft?), der ſich auf ältere Aufzeich- 
nungen beruft, pilgerte man von weither zum bl. Antonius 
in Nemjede um Abmwendung der Peſt und anderer Epide— 
mien. Selbft von Köln ber jollen Prozeſſionen gefommen 
jein und den Weg, den fie nahmen, nennt man in Glandorf 
noch den „Kölniſchen Weg“(2). In Köln ſoll noch bis auf den 
heutigen Tag eine Novene beftehen zum Andenken an bie 


1) Die weitfäliichen Kirchenpatrocinien. Paderborn 1867. ©. 290. 

2) „Riämser gefaor kümp veermol int jaor“ heißt ed im Volksmunde. 

>) In Remjede befindet fi ein Extractus ex Osnabrugo sacro et 
profano a Rmo. Dno. Mauro, abbate Iburg. composito, worin ed 
heißt: Sacellum S. Antonii antiquissimum et immediate post 
Caroli Magni tempora aedificatum et longe parochialem ecclesiam 
in Laer superare ex traditione creditur. Evincit id, quod marchia 
Remsedensis ad ipsum comitatum Tecklenburgensem fere exten- 
derit et in ea Iburgum et parochia Glanensis situata probentur. 
Ad hoc vero sacellum solemnis fuit olim pro devotione quarto 
per annum concursus pro avertenda peste et aliis epidemicis 
morbis intercessione S. Antonii profligandis; ex remotis parti- 
bus, etiam Colonia ipsa, ut habent annotationes areis 
Grotenburgensis (bei Remſede) confluxerunt, tepescente sensim 
devotione, haeresique pias hominum affectationes sopiente, so- 
lemnes illae devotiones in quatuor nundinas dissimulantibus 

_ episcopis commutatae sunt etc. Der Kirche jollen ſchon in früher 
Zeit viele Abläfje verliehen fein, „worüber noch jehr alte Dokumente 
in originali vorhanden find.” Dieje und audere Notizen verdanken 
wir gütiger Mitteilung des Herrn Vikars Dorfmüller in Remſede. 


4 * 


52 


früheren Wallfahrten nach Nemjede. Was man auch immer 
davon halten mag, die „Gefahren“ leben bis auf den heu— 
tigen Tag fort, wenn auch die Neformation die religiöje 
Feierlichkeit ſehr beeinträchtigt oder gar vernichtet und Die 
Geiſtlichkeit die weltlichen Luſtbarkeiten auch gewaltig einge: 
dämmt bat. Yebtere jind übrigens jchmwerlich eine Entartung 
der alten religiöjen ;Seter, cher wird das Umgekehrte der 
Fall fein, oder es werden doch beide immer auf das Engite 
mit einander vereint gewejen jein. Die „Gefahren müſſen 
auf uralte germaniiche Volksfeſte zurüdgehen, deren religiöfer 
Charakter dur das Chriſtenthum umgeformt wurde, deren 
weltlicher Charakter ſich aber durd) die Zeiten hindurch gerettet 
bat. Die Feite müſſen von Anfang an im Herzen des Volkes 
gewurzelt haben, denn nichts Äußerliches, fein Heiligtum ver: 
lieh dem Eleinen Orte jene Anziehungskraft für die Umgegend, 
feine Stiftung hob ihn und Fein Mönch jtand zur Ausbildung 
und Pflege der ;Seierlichfeiten den einfachen Bauersleuten zur 
Seite. Das Volksbewußtſein wird auch bier auf das Rich— 
tige hinweiſen: Nemjede wird wirklich die ältefte chriftliche 
Kirche bejejlen haben und zwar deshalb, weil es bereits in 
vorchriftlicher Zeit ein Zammelpunft des Volkes, eine heid- 
niſche Kultusftätte bildete, die nach dem Namen zu jchließen 
dem Wodan heilig war. Es iſt befannt, dat die Kirche den 
heidniſchen Sitten gegenüber ſich duldfam verhielt, wenn 
dieſe nicht direkt gegen hriftliche Hauptlehren veritiegen und 
jih in die heidniſche Schale mit der Zeit ein chriftlicher 
Kern legen ließ. Die Glaubensboten pflegten mit Vorliebe 
an die bejtehenden Verhältniſſe anzufnüpfen und erbauten 
dem GChriftengotte dort jeinen Tempel, wo früher der Heiden: 
gott verehrt war, wo Neligion und Sitte bereits dem Volke 
einen heiligen Sammelpunft geſchaffen hatten. Damit wurde 
ein gewaltjamer Bruch mit der ganzen Vergangenheit ver- 
mieden und die harten Sachſengemüter geichont, indem man 
ihnen ihr Heiligites nicht raubte, jondern im Laufe der 


53 





Zeit vertaujchte. Und jo blieb denn Nemfjede der religiöfe 
Mittelpunft des Gaues in chriftliher Zeit, wie es auch als 
Gerichtsſtätte!) in früherer Weiſe längere Zeit noch weiter 
beitand. 

Ganz vergejlen hat das Volk indes die alte Bedeutung 
von Iburg. Die politiihen Verhältniſſe greifen überhaupt 
weit weniger tief in das Bolksleben und wirkten minder nad): 
haltig als die religiöfen. burg auf einem Hügel am Fuße 
des Dörenberges ?) an einem der ſchönſten Punkte des Teuto— 
burger Waldes gelegen, läßt ſich auf Grund fchriftlicher Nach: 
richten bis in die Zeit der Sadjenfriege verfolgen. Als 
Biſchof Benno nämlih um das Jahr 1070 ein Klofter zu 
bauen bejchloß, da hielt er, wie fein Freund und Biograph 
Norbert erzählt, in feiner Diöceſe Umschau nad) dem be- 
quemiten und gejundeiten Plate, und vor allem gefiel ihm 
der Berg, auf dem die Trümmer der uralten Burg 
Iburg lagen, weil man dort fich jowol eines reichen Bau: 
materials als auch einer reinen Luft und einjamen Lage 


) Als ſolche wird es bereits im elften Sahrhundert urkundlich erwähnt. 
Zindner, Die Veme ©. 167. 

) Es ſei hier darauf aufmerkſam gemacht, day Anofe „Die Kriegszüge 
des Germanicus in Deutſchland,“ Perlin 1887, ©. 119 den Namen 
„Dörenberg“ unrichtig gedeutet hat. Wenn näntlich derjelbe joviel wie 
Thor, Eingang, Pat bezeichnete, jo würde das Volt Diterenbiärg oder 
Düörenbiärg ſprechen und nicht Däörenbiärg. Der erite Teil iſt 
viehnehr unjer „Dorn“, der im der alten Sprache auch „Spitze“ 
bedeutet, Dörenberg iſt alfo die Spike des Gebirges, der höchſte 
Perg, und daher iſt die Bezeichnung Norberts (Kap, 16) mons 
maximus als eine wörtliche Ueberſetzung von Dörenberg anzufehen. 
Auch anderswo heißt der höchſte Hügel der Umgegend Dörenberg. 
Fbenjo ift die Etymologie von Düte bei Knoke unridtig. Wer auf 
Namen im diefer Frage überhaupt Gewicht legt, der ſei auf den Nas 
men des Gaues Ihrecwiti aufmertſam gemacht, welcher mit dem 
altjächfiichen thraka Kampf, threki Kraft, Stärke zuſammenhangen 
fann, 


54 


erfreute.) Die Art diefer Burg läßt ſich einigermaßen aus 
den Angaben Norbert’3 erkennen: „Es liegt klar zu Tage, 
daß der Berg in alten Zeiten auf das Stärkfte befeftigt und 
mit trefflihen Wohngebäuden ausgeftattet war: Die Grund: 
mauern, welche fait täglich blos gelegt werden, beweiſen das 
zur Genüge.”’?), Der Hügel war jchon von der Natur zur 
Feltung geſchaffen, namentlid da er zwiſchen zwei Bächen 
lag, mit Hülfe deren die Umgegend unter Waſſer gelegt 
werden fonnte. Den urjprünglicen Charakter einer Burg 
(oder eines Berges), die im Waſſer beziehungsmweife im Sumpfe 
gelegen ift, deutet auch der Name an, denn der erjte Teil 
des Wortes bedeutet Wafler, Bad. (Vergl. J- sala (Mſel) 
J- bach und das Niederl. Y (geipr. Ei) u. ſ. w. 

Die Zerftörung diejer Burg verlegt Norbert in die Zeit 
der Sachſenkriege und damit ficher nicht in eine zu frühe 
Zeit.) Denn beim Beginn des Klofterbaues mußten zus 
vörderjt die auf den Trümmern empor gewachlenen Wälder 
niedergelegt und das Geſtrüpp ausgerodet werben;t) bie 


!) His itaque bonis ditatus et animatus Benno rem aggreditur, et de 
loco maxime commodo et salubri deliberat, tandemque lustrata 
dioecesi, ad montem in quo vetustissimum dirutum Iburgense 
castrum extabat, pervenit, qui locus illi ante omnia complacuit, 
quod et materia ad aedificandum esset abundans et quod pu- 
riori aere et solitudine gaudere possunt coenobitare. Cap. 17. 

2 


— 


Montem igitur istum antiquis temporibus munitissime fuisse 
constructum et egregiis sedibus adornatum, plurima indicia ma- 
nifestum esse declarant. Subterranea enim aedificia, quae quo- 
tidie Age eruuntur, huius rei certum dare testimonium suffi- 
eiunt, Cap. 16. 

N)... . inter ceteros, qui tune longe lateqte sunt diruti, etiam 
hune nostrum montem constat in solitudinem fuisse redactum, 
Ibidem. 

*) Episcopus autem montis amoenitate veterumque murorum ex 

fundamentis firmitate perspecta, et quod adhuc nomen pristi- 

num celebriter ab antiquitate servasset, suceisis sylvis et ar- 


55 


Zeit hatte den Hügel den umliegenden wieder ganz ähnlich 
gemacht, ſodaß ihn die Markgenoſſen längit wieder zur Mark 
gezogen hatten, ihre Schweine zur Maſt hinein trieben und 
die Eicheln in Säden fortholten. Die Bauern hatten fo wenig 
Gefühl mehr von dem Nechte des Biſchofs — welches übri- 
gens auch längjt verfallen war — daß fie ihm mit Gewalt 
Wideritand leijteten und erit durch den Bann niedergehalten 
wurden. !) 

Alle diefe Thatjahen jeren voraus, daß einige Jahr: 
hunderte jeit der Zerftörung verflojlen waren; in Jahrzehn- 
ten werden feine Ruinen zu Eichenwäldern. 

In Anbetraht der außerordentlih günftigen Lage von 
burg wird die Nachricht der burger Annalen doppelt 
wahrideinlid, daß Benno — der mindeſtens ebenjojehr Fürft 
wie Biſchof war — nit blos den Bau des Kloſters im 
Auge hatte, jondern auch bei den drohenden Kriegen die 
Wiederherftellung der Feltung.?2) Es heißt auch ausdrück— 
lich bei Norbert, daß bei der Wahl des Ortes auch die jtar: 


bustis erutis habitabilem fecit, parvamque capellam ligneam in 

honorem sancti Clementis exstruxit ....-. Cap. 11. 
') Cum enim aliquando fertilitas regionem istam cum caeteris re- 
bus tum etiam glandium ubertate replesset, et iam mons iste 
ex antiquissimo situ similis fuisset circumstantibus densitate 
silvarum, eircummanentes rustici, quos hie commarchiones apel- 
lant, porcos suos huc immittere, glandesque saccis asportare, 
et rem episcopi propriam communi usui mancipare coeperunt... 
Rusticos autem iustitiam suam iuramento defendere velle pro- 
fessos, communi huius regionis consuetudine devicit, dieens, se 
potius rem tanto tempore sine contradictione possessam, jura- 
mento advocati sui retinere debere, quam illos praesumptione 
perjurii violenter possessiones abstrahere alienas. Cap. 19. 
ad ann. 1077: Sub idem fere tempus venerabilis Osnaburgensis 
episcopus Benno Il. castrum in Yburg propter imminentia bella 
aedificare disposuit, a praedecessore suo jam inchoata aliquanta 
parte murorum. Vergl. über das Weitere Thyen, Benno II., 
Dsnabrüd 1869. ©. 138. 


— 


56 

fen Grundmauern des alten Gaftrum’s auf Benno Einfluß 
geübt hätten, was nicht verftändlich wäre, wenn er nur die 
Erbauung eines Klojterd innerhalb diefer Mauern beab— 
jichtigt hätte, da für ein ſolches doch die alten die Burg im 
weiten Ring umziehenden Mauern wenig benugbar waren. 

ALS eine alte Sadhjenburg aus den Tagen Wittefind’s 
darf Iburg demnah mit Fug betrachtet werden. Ob fie 
nicht in noch frühere Zeit zurüdreicht? Da die alten Grund: 
mauern erhalten blieben und jebt noch Reſte der alten Fe— 
ſtungsmauer vorhanden find, jo dürfte eine eingehende Unter: 
ſuchung bier vielleicht nicht ergebnißlos bleiben. 


Die urjprünglichen Anfiedelungsverhältniffe im 
Gau Süderberge. 

Es it eine von dem Amerikaner Garey zuerft auf- 
geftellte und von unjeren Nationalöfonomen jegt allgemein 
angenommene Anjicht, daß die Bergabhänge zuerit fultivirt 
worden, und von bier aus allmählich die Anjiedler in 
die Ebenen hinein vorgedrungen find. Für unjere Gegend 
ericheint diefe Annahme ſchon von vornherein jehr wahrſchein— 
lich; nit nur ijt der Boden am Abhange des Gebirges noch 
jegt weit fruchtbarer als weiter in der Ebene, jondern er war 
damals auch der allein fulturfähige. Im 15. Kap. rühmt 
Norbert die Verdienſte Benno's um die Anlage von Wegen 
durch die Sümpfe, deren es viele in diefer Gegend giebt, 
und wer heutigen Tags diejelbe durchwandert und ihren 
Sumpfreichthum fennen lernt, der kann ſich wohl einen Be: 
griff Davon machen, wie es zu jenen Zeiten hier ausjah, als 
die gewaltigen Wälder noch nicht ausgerodet waren.!) Daß 


N) Viele alte Namen weiſen audy darauf hin. „Hillige Meer“, „Hilde- 
brandes Meer“, „Bredewater* u. |. w. jind Namen für Fluren, die 
jeßt das ganze Jahr trocen find. Vergl. auch die vielen mit brok, 
diek, au, strot u. j. w. zujammtengejeßten Namen, 

Übrigens dürfte das 15. Kap. der Vita Bennonis bei der Pe: 


zur Zeit der Chriftianifierung im Wejentlichen noch diefelben 
Zultände berrichten, fieht man aus der Lage der Kirchen, 
die jowol in Lienen wie in Laer faum eine halbe Stunde 
von der nördliden, aber 2 bis 3 Stunden von der füdlichen 
und der ſüdweſtlichen Kirchipielsgränze liegen.!) Urſprüng— 
lich werden fie doch wol ziemlich inmitten der Bevölkerung 
angelegt fein. Das wird auch bewiejen durch die Urfunde 
Dtto’8 I. vom Jahre 965, worin er dem Bilchof Drogo den 
Forſt- und Wildbann verleiht, der nad den Grenzangaben 
unter andern die weitlihen und füdlichen Teile der Gemeinde 
Yaer (Glandorf) und Lienen in ich Schloß, alfo erjt jpäter 
urbar gemacht worden fein kann.?) Kine weitere Beftäti: 
gung diefer Anlicht ergiebt ſich aus der Yage der Dünen: 
gräber. Man jagt in der Gegend — und es jcheint jo zu 
jein — fie zögen fi von Nemjede bis zum Yerngericher Bahn 
bof;?) verbindet man die einzelnen Sundjtätten durch eine 
Linie, jo liegt diejelbe nirgends weiter al3 eine Stunde vom 
Fuße des Berges; weiter in die Ebene hinab finden jich 
Urnengräber erft wieder auf dem Meißen Felde bei Waren: 
dorf, alſo mit einer Unterbrehung von etwa 4 bis 5 Stun: 
den; das dürfte jo ungefähr die Breite des alten Grenz: 
waldes fein, der die zwei Stämme trennte. 


urteilung der jüngit vielfach behandelten Bohlwege in der Gegend 
von Barenau etwas Rückſicht verdienen; gerade dieſe Gegend (Mitte 
Feld) wird von Norbert ausdrüdlich genannt. 

) In Lienen iſt diefer Zuftand noch jet erhalten, in Yaer ift er durch 
die Abzweigung Glandorf's verwilcht; diejes jelbit aber liegt auch 
wieder ganz im Dften der Gemeinde. 

*) Die Ausdehnung des Forftbannes it auch Dr. Wieyer im jeinem 
verdienftlichen Aufſatze (Mittheilungen des hiſtor Vereins in Osna— 
brüd II, ©. 88 ff) nicht ganz zu beftimmen gelungen, zum Teil 
weil er Sinithi unrichtig in der Bauerjchaft Sentrup (Glane) ſucht. 
Der alte Name fir Sentrup iſt aber Semelinktorpe. Bergl. Yodt: 
mann a. a. D. ©. 83 u. 191. 

3) Bergl. unten. 


58 
Daß ich hier nämlich eine uralte Stammesgrenze hin: 
zieht, zeigt der Unterjchied in Sprade, Sitten u. f. w. der 
Bewohner bis auf den heutigen Tag noch deutlich genug. 
Die Bewohner des Gaues Süderberge — dem Norbert ge: 
fielen fie gar nicht, ihnen aber auch die Mönde nit!) — 
gehörten und gehören dem Stamme der Engern an.?) 


Die Götterjtätte in der Höllenheide. 


Ungefähr in der Mitte zwiſchen Laer, Nemjede und 
Slane, einige taujend Schritte wejtwärts der Laer-Iburger 
Zanditraße, liegt der Hof Heringhaus. (Tafel II.) Der jegige 
Name ift durch Volksetymologie aus Höringhaus entitellt; 
im 14. Jahrhundert lautet er noch Hoyrinthus,3) was ſo— 
viel Heißt wie Sumpfhaus (hör — Kot, Sumpf) ein Name, 
der fich durch die natürliche Beichaffenheit des Terrains mehr 
als genügend erklärt. Vielleicht bildete der Hof ehemals den 
Sit der alten Edelherren von Glane und einem Teil ihrer 
Güter; denn daß er fein gewöhnlicher Bauernhof war, dafür 
Iprechen die Bohlwerfe, die auf dem Hofe, und die mafliven 
Grundmauern eines feiten mit breitem Graben umgebenen 
Gebäudes, die in jeiner unmittelbaren Nähe gefunden ind. 

Der Hof Heringhaus ſtößt unmittelbar an den ſüd— 
weltlichen Teil der alten Yaerer Mark, genauer an die Hölle, 


») Porro in solutione reddituum quos annua deposcit exactio ma- 
nifestum est, illum Bennonem fuisse acerrimum, ita ut plerum- 
que verberibus affeetos debitum suum rusticos persolvere com- 
pulisset, quod ei profeeto facile indulserit, et pro summa ne- 
cessitate feeisse concesserit, quicunque hujus terrae homines 
novit eorumque durissimam infidelitatis et versitiae cogitur tole- 
rare nequitiam. Cap. X. 

Diefe Anfiht Wornitall's (Vergl. Brogr. des Gymnaſiums zu Mün— 
jter 1888 S. 21 f.) läßt ſich auch mit ſprachlichen Gründen ftüßen. 
) Rudolphus Stracke infeudatus est cum decima in Hoyrinkhuysen 

in proch. Glane. Lodtmann, a. a. 0. S. 204. 


u. 


59 


bezw. die Höllenheide,!) in die man unmittelbar beim Ber: 
laſſen des Hofes eintritt. Nach Often hin begrenzen zu Wie: 
jen umgeichaffene Sümpfe das hügelige Terrain bis auf 
einige taujend Schritte, dann wird die Hügelfette von dem 
durch die Wiefen fließenden Bache durchbrochen, und ber hier 
jo entitandene Sumpf bildet die Verbindung mit den im 
Weften gelegenen ehemaligen großen Fiichteichen der Iburger 
Mönde, die jegt ebenfalls zu Wieſen umgeichaffen find. Jen— 
jeit3 dieſes Durchbruches fetten fih die Sandhügel in etwas 
anderer Richtung fort bis nad etwa 100 Schritten ein Ein: 
ſchnitt an der ſchmalſten Stelle erfolgt, in welchem jet ein 
Heringhaus gehörender Kotten ſteht.“ Weſtlich dieſes Kottens 
in jeiner unmittelbaren Nähe bleibt der Hügel eine Kleine 
Strede ſehr jchmal, was aber vielleicht erjt der im Süden 
jtattgehabten Kultivirung und der Anlage eines Weges im 
Nordweiten zuzujchreiben if. Die Einfriedigungen, welche 
anläßlih der Marfenteilung angelegt worden jind, haben 
dann meiter dazu beigetragen, den urjprüngliden Zuftand 
zu verwiſchen. Diejer Hügel, der jetzt einem hoben künſt— 
lihen Wall ähnlich jieht, erhebt fi etwa um 3 Meter über 
da3 Terrain; er erftredt fich ziemlich genau in der Richtung 
von Dit nach Weft. Die größte Länge des Plateaus beträgt 
rund 19 Meter, feine größte Breite rund 9 Meter. Auf 
demjelben lagen ehemals die jogenannten „Düvelsſtene“, die 
Wächter bereit3 erwähnt hat,?) freilich nur nad Hörenjagen, 
weshalb denn auch feine Angaben ganz unrichtig find. 

Die Steine waren, wie aus der Zeichnung (Taf. II. 
und III.) zu erjehen ift, in zwei Gruppen gejondert. Die 
öftliche derjelben wurde gebildet aus 8 Steinen, welche der: 





1) Der einfache Name Hölle ift jeßt auf dem erhaltenen Teil des Hoch— 
holzes eingejchränft, während der entwaldete Teil die Höllenheide heißt. 

*) Statistik der im Königreiche Hannover vorhandenen heidniichen Dent- 
mäler. Hannover 1841. ©. 112. 


60 





art gelagert waren, daß 7 EHleinere Steine in einem nad) 
Diten geöffneten Halbfreis einen großen mittleren umgaben. 
Die erjteren waren rundlich geitaltet und hatten einen Durch: 
meſſer von etwa 1 Meter bei einer Dide von °/4 Meter. 
Der mittlere Stein näherte jich dagegen mehr der rechtedigen 
Form: er war gegen 21/4 Dieter lang, nicht ganz jo breit 
und 11/, Meter did; jeine Oberfläche war etwas abgeplattet. 
Darüber, ob in derjelben vielleicht Blutrinnen vorhanden 
gewejen, vermochte Herinahaus feine Auskunft zu geben. 
Die Gejamtbreite diejes Steinringes betrug 7 Meter, es 
verblieb aljo, da das Plateau eine Breite von rund 9 Meter 
hat, bis zum ande des PBlateaus nod ein freier Raum 
von 1 Dieter. Überragt wurde diefe Gruppe durd eine 
andere, wejtlich von ihr auf dem höchiten Teile des Plateaus 
belegene Anlage. Die Daritellung derjelben auf Tafel III. 
enthebt ung einer eingehenderen Beichreibung. Nur einige 
Zahlenangaben möchten erforderlich jein, Die Säulen hat: 
fen etwa eine Höhe von 1 bis 11/4 Meter und eine Stärfe 
von etwa 4 Dieter. Sie hatten eine unregelmäßig vier: 
edige Form. Jede Säule ruhte auf einem Unterlagsitein, 
welcher einen Durchmeſſer von 1 bi! 11,4 Meter hatte und 
etwa 1 Meter did war. Drei der Säulen jtanden ſenkrecht, 
die vierte war etwas geneigt; Nie waren derart aufgeftellt, 
dab zwiſchen ihnen ein freier Naum von etwa 0,80 bis 
0,90 Meter verblieb, Man konnte dieje Säulen von dem 
etwa 4 Kilometer entfernt liegenden Kloſterhoſe in Iburg 
aus Stehen jehen. Ende der fünfziger Jahre, als der jegige 
Beliger Heringhaus ein neues Wohnhaus errichtete, erichienen 
ihm dieſe Steine bei der jumpfigen Beichaffenheit des Bodens 
bejonders geeignet zur Herſtellung eines trodenen Stellers 
und er beichloß daher ſie zu diejem Zwede zu verwenden. 
Die damalige Hannoverſche Regierung ſuchte es zu verhin- 
dern; Heringhaus war aud geneigt, fie abzutreten, forderte 
aber 100 Thaler als Entſchädigung dafür, daß er dann ge: 


61 
eignete Steine weiter holen mühe. Nun verzichtete die Re— 
gierung auf die Erhaltung und das alte Denkmal der Vor: 
zeit fiel dem Pulver zum Opfer. Mit vier Pferden hat 
Heringhaus dreizehnmal fahren müſſen, um die Sprengftüde 
wegzubefördern. 

Nah der Volksſage, um dieje zunädhit anzuführen, jind 
die Teufeljteine die Reſte einer ehemaligen Heidenkirche, die 
der Teufel dort erbaut haben joll. Von diefer Kirche wären 
ehemals auch noch Dlauerreite vorhanden gewejen, aber weder 
hat Heringhaus ſelbſt je etwas davon gejehen, noch auch über ſie 
von Leuten gehört, die fie noch gejehen hatten. „Es ift immer 
jo gejagt‘ war jeine Angabe.) Gefunden jind dort in den 
legten 50 Jahren nur einige Steingeräthe, (mahricheinlich 
jog. Donnerkeile) die der Kolon Schove beiigt, jedoch nicht 
wiederzufinden vermochte. Außerdem zwei Glasflüſſe. Urnen 
wären an diejer Stelle niemals zu Tage gefommen, freilicd) 
hatte man auch nie darnach gegraben. Der Hügel war 
überall noch mit einer fußdiden Humusichicht bededt, die von 
den Eichen herrührte, welche ihn ehemals bededten, deren 
Stämme noch jest im Boden fiten und Schößlinge treiben. 

Die Steine der beichriebenen Anlage waren ſämmtlich 
jogenannte Granitfindlinge. Bon denjelben liegt nur noch 
einer, allerdings nicht mehr vollitändig erhalten, an feiner 
Stelle. Er ift in der Zeichnung durch dunflere Schraffur 
hervorgehoben. Aber die Yage der anderen ift durch die 
Zerraineinjenfung, welche durd die Entfernung der im Bo: 
den etwas verjenkt gewejenen Steine entitanden it, noch jehr 
gut erfennbar, ſodaß der Grundriß dev Seichnung auf 
AZuverläffigfeit Anſpruch erheben darf.?) Unſere Nachgra: 


) Daß dieſes Gerede indes wicht aanz ohne Anhalt war, wird ſich 
gleich eraeben. 

2) Im Uebrigen beruht die Zeichnung auf den Angaben von Derinahaus; 
nad) ihrer Vollendung it fie nady jeinem und anderer Augenzeugen 


62 


bungen hatten nun folgendes Reſultat. Auf dem eigent- 
lien Hügel fand ſich nicht das Geringfte troß jeiner Unver— 
jehrtheit; e8 muß daher die Meinung unwahricheinlich erjchei= 
nen, daß dieſe Steine Grabdenfmäler waren. Dahingegen 
fand ih an dem Südabhange des Hügeld — und nur dort 
— eine Reihe von Umengräbern ohne jede Beigabe und 
ohne jeden Knodenreft. a ſelbſt die Urnen waren jo 
ſchlecht gebacken geweſen, daß fie fich faft ganz aufgelöft hat— 
ten, und nur unbedeutende Scherben zum Vorſchein famen. 
Da die Urnen fämtlic mit glatten Kalkiteinen, wie man 
fie dort an den Bergabhängen findet, bededt waren, und 
unter diejer Dede eine Lage Ajche fich befand, fo war es 
nicht ſchwer, die größte Vorfiht anzuwenden; allein dieje 
hatte nur den Erfolg, daß aus dem Umfange der hellroten 
Färbung, welche der weiße Sand an ben mit Urnen bejeg- 
ten Stellen angenommen hatte, der Schluß gezogen wer: 
den fonnte, daß die Urnen von mittlerer Größe gemejen 
waren. Die aufgefundenen Scherben, ſoweit fie mit Ver: 
zierungen verjehen waren, find auf Tafel IV. unter Fig. 3a 
bis d abgebildet, fie zeigen bdiejelben Formen, mie fie fich 
durch ganz Hannover, auch ftellenweije im Rheinlande finden. 
An einer Stelle trafen wir auf eine dem dide Holzfohlen- 
ſchicht. 
Beſonders merkwürdig iſt der 1,40 Meter lange Über— 
reſt einer aus Laer'ſchen Steinen errichteten 0,45m dicken 
und 0,70m hohen Mauer an der Nordweitjeite des Hügels. 
Die Steine waren ohne Kalfmörtel nur durch Sand und 
Lehm mit einander verbunden. Die Mauer muß einem ftar- 
fen Feuer ausgeſetzt geweſen fein, wenigftens haben wir für 
bie bejonderen Erfcheinungen, welche fie aufmweift, eine andere 
Erklärung nicht finden fünnen. Zur Herftellung der Mauer 
Urteil berichtigt worden, jodah fie im Ganzen ein getreues Bild 
bieten dürfte. 


63 


— — — 





ſind Bruchſteine verwendet, welche mehr oder minder kalk— 
haltig ſind. Letztere ſind unter der Einwirkung des Feuers 
teilweiſe geſchwärzt, erſtere dagegen vollſtändig zu Kalk 
gebrannt. Ebenſo iſt es auch dem Feuer zuzuſchreiben, daß 
der Lehm zu einer ziegelartigen Maſſe gebrannt war. 
Dieſes Auftreten von Bruchſteinen, Kalk, Ziegelbrocken und 
Sand hatte zuerſt zu der Mutmaßung führen müſſen, 
daß die Mauer uriprünglid in diejen Materialien errichtet 
worden jei; eine eingehendere Erwägung mußte aber bier: 
von abjehen lafjen, zumal diejelben Erjcheinungen — wie 
wir noch weiter jehen werden — auch an einer anderen 
Stelle ihre Wiederholung fanden.?) Ob diefe Mauer ur: 
ſprünglich länger geweien ift und frühere Generationen be: 
reit3 auf Teile derjelben geftoßen find, wodurd denn das 
Gerede von den Reiten der alten Heidenfirche entitanden fein 
fönnte, muß dahin geitellt bleiben. Fragen wir nach dem 
Zwede der Mauer, jo dürfte es jchwer fein, in dieſer 
Hiniiht eine beftimmte Antwort zu geben. Es jcheint 
zunädft nicht wahricheinlih, daß fie urjprünglich um das 
ganze Denkmal herum fich erjtredt hat, zumal jih dann 
auch auf der andern Seite noch Spuren hätten zeigen müſſen. 
Aucd die Annahme, daß diefe Mauer als Net eines ehema: 
ligen Aufganges zum Hügel zu betrachten jei, läßt ſich nicht 


— 


ı) Die chemiſche Unterſuchung der Steine hat fein weiteres Reſultat 
ergeben. Es ift und indes dburd Maurer diefer Gegend, welche jtets 
mit den bier vorgefundenen Materialien umgehen, verfichert worden, 
und wir haben ung auch durh Vornahme befonderer Proben davon 
überzeugt, dah die Einwirkung des Feuers immer die hier auftre- 
tenden Erjcheinungen zur Folge hat. Aus den Fundamenten der aus 
dem 13. Jahrhundert ftammenden Kirche zu Laer find dieſelben 
Steine herausgefommen, als wären fie Tages zuvor hineingelegt; die 
ichönften Exemplare derjelben find ſogar wieder ald Zierjteine ver- 
äußert. Es find die in Weftfalen befannten, zu Grottenanlagen ge 
ſuchten „Piepiteine“, jo genannt wegen ihrer röhrenförmigen Bildung. 


64 





weiter vertreten. Amar möchte für diefelbe der Umſtand 
ſprechen, daß an dieje Mauer jich oben eine Art Pflaſter 
aus runden Kieſelſteinen (kleinere Granitfindlinge von 18 
bis 30cm Durchmeſſer) anſchloß, welches unter dem Humus 
ziemlich weit auf den Hügel hinauf verfolgbar war und viel- 
leiht urfprünglid den ganzen Hügel bededt hat. Es man: 
gelt dann aber jeglihe Erklärung für die ftarfen Brand- 
ipuren, welde die Mauer aufweilt: diefe laſſen faum eine 
andere Deutung zu, als daß hier ehedem eine Branditätte 
geweſen, welche mit dem Zwecke der ganzen Anlage in Ber: 
bindung jtand. Alle Merkmale aber ſprechen dafür, daß wir 
in diejer nicht blos eine Grabſtätte, jondern eine Kultusftätte 
zu erbliden haben. !) 

Der Gedanke, daß die jäulenartigen Steine bloße Unter: 
jäße einer Dedplatte geweſen feien, liegt an fich nahe. Ähnliche 
Denkmäler, die dann noch an den Seiten ausgelegt jind 
und als Ruheſtätte einer unverbraunten Leiche dienten, 
find ja mehrfach vorhanden. Allein einmal war eine joldhe 
Platte keineswegs leicht abzuheben und wenn man jich die 
große Mühe jchon gegeben hätte, was hätte man mit ihr 
anfangen jollen in einer unwegſamen Gegend, deren Bewoh- 
ner bis in unjer Jahrhundert hinein ihre Käufer nur aus 
Holz und Lehm bauten, die außerdem an Steinen der ver: 
ichiedenften Art Überfluß hatten? Bei anderen Denkmälern 
findet e8 fi wol, daß die Platte zerbrochen iſt, aber fie 
liegt noh an Ort und Stelle und blieb bei unfahrbaren 
Wegen liegen, wenn man fie nicht gerade an die Chaujjee- 
verwaltungen verfaufen fonnte und jo ihre Sprengung jich 
überhaupt lohnte. Diejen Weg ift indes der Deditein nicht 


) Es ilt bekannt, dak man auch die Grabmäler bejuchte und auf diejen 
Opfer darbradhte. Vergl. den Indieulus superstitionum et paga- 
niarum (vom Jahre 743): De sacrilegio ad sepulchra mortuorum. 
De sacrilegio super defunctos, id est dadsisas. 


65 


gewandert, und iſt es ſomit von vornherein zweifelhaft, ob 
er überhaupt je vorhanden gewejen iſt. Es ift jogar jehr 
unwahricheinlid, denn ein Herunterjchaffen der mächtigen, 
ſchweren Steinplatte von den Pfeilern wäre nicht möglid) 
gewejen, ohne den Umſturz diefer nur loje auf den Unterlag: 
fteinen ruhenden Pfeiler herbeizuführen. Letztere aber haben 
bis zu ihrer Vernihtung auf ihren Unterlagen aufrecht ge- 
jtanden. Es ſprechen jomit alle Anzeichen dagegen, daß dieſe 
Steine eine Platte getragen haben und muß deshalb die An— 
nahme gejtattet jein, daß das Denkmal, jo wie es in der 
Zeichnung vorliegt, feine urfprüngliche Geftalt bewahrt hat. 
Wir dürfen es daher in der Geſtalt zu erflären verfuchen, 
in welcher e3 befannt ijt. 

Der Schlüpfrigfeit des Bodens, auf dem wir uns bei 
mythologiſchen Unterfuhhungen leider befinden, find wir uns 
wol bewußt und erheben gar feinen Anſpruch darauf, überall 
das Nichtige getroffen zu haben. Nicht unangebracht jcheint 
es aber zu fein, gegen das bei manchen Lofalhiftorifern noch 
vorhandene Vorurteil, in jedem Steindenfmale nichts als ein 
Grabdenfmal zu jehen, aufzutreten. Im dem an folchen 
Dentmälern — und zwar der jchönjten Art — nicht armen 
Dsnabrüderlande ijt faum noch eines, dem man eine mytho- 
logiihe Bedeutung gelafjen hat. Wenn der Stein feine 
Blutrinne hat und in jeiner Nähe Urnen gefunden werden, 
daun ijt jein Geſchick meijthin entichieden — er ift ein Leichen: 
ſtein — oder wie der Bauer jagt ein „Honenbedde“.) Wo 


’, Fit der Ausdrud Honenbed uriprünglich wirklich volkstümlich, dann 
iſt es jehr zweifelhaft, ob die Überfegung Hünen bett richtig iſt; es 
faum auch Hünenaltar bedeuten, und dieſe Pedentung iſt an jid) 
jogar wahrjcheinlicher. Welchen Begriff das Volk jetzt mit dem Worte 
verbindet, bleibt gleichgültig. = „Für Altar (gr. Awaos) war ſonſt der 
heidniſche Ausdruck gotiſch biuds, althochdeutich piot, ags beod, 
eigentlich Tiſch, und wiederum geht gotiſch badi, althochdeutich petti, 
ags. bed, bedd (lectus) über in den Sinn von ara, areola, fanum, 


XLVI. 1. 5 


66 


mögen denn doch wol die aus demjelben Material verfertig- 
ten arae barbarae des Tacitus und die von den altdeut: 
ichen Theologen jo hart befämpften heiligen Steine geblieben 
jein? Anftögig waren die Grabjteine den chriftlichen Miſſio— 
naren doch auch, und zwar nicht ohne Grund; aber der Ber: 
nichtung leijtete der eine jo hartnädigen Widerftand wie der 
andere. 

Für die Anfiht, daß in den Teufelsiteinen eine alte 
Kultusftätte zu fehen jei, ſoll nicht der Name jelbft ange: 
führt werden. Das Volk ift ja geneigt Alles, wovon es 
erfennen muß, daß e3 nicht zufällig entitanden fein kann, 
jondern mit Mühe und Arbeit zu Wege gebradt ijt, deſſen 
Zwed es aber nicht einjieht, einer geiftigen Macht zuzu— 
Ihreiben; es ift ihm ein Werk des Teufels. Daher iſt e3 
nicht notwendig, in dem Volfsglauben, daß bier eine heid- 
niſche Kirche geftanden habe, den Nachklang einer wirklichen 
Thatſache zu erfennen. Wert kann er allenfall3 nur in Ver: 
bindung mit anderen Umftänden erhalten. 

Auch auf den Namen der Gegend — Hölle — mag zu: 
nächſt fein Gewicht gelegt werden. Den religiöjen Anklang 
verdankt er lediglich der falichen Verhochdeutihung. Das 
Volk jpricht „Hüelle“ ganz entiprechend der mittelalterlichen 
Form „Hole“, was richtig verhochdeutfcht „Hülle“ Tauten 
würde. Das hodhdeutiche „Hölle“ lautet im Dialekte jener 
Gegend ‚Helle‘. 

Von größerer Bedeutung iſt indes der an die „Hölle 
gränzende „Donnerbrink“. Die Gränzen besjelben fejtzu- 
ſtellen iſt nad jegigem Spradgebraude nicht mehr ganz 
leicht; wer einmal mittelalterliche Flurnamen mit den jegigen 


val. ags. vihbed, veohbed, veobed, fpäter entitellt in veofed (ara, 
altare) althochdeutſch kotapetti (leetus, pulvinar templi).... — al 
altare s. Kiliani, quod vulgo leetus dieitur.“ Lang reg. 1. 239. 
255. Grimm a. a. O. ©. 55. 


67 


vergliden hat, der weiß, wie fich diefelben bald auf weitere 
Streden ausgedehnt, bald auf einen Teil ihres urſprüng— 
lihen Gebietes eingejchränft haben. Soviel ift aber jicher, 
daß Donnerbrinf immerhin eine Gegend im Südweften un: 
jerer Denkmäler und zwar innerhalb derjelben Mark bezeich— 
net hat. „Mit völliger Sicherheit”, jagt nun Jakob Grimm, 
„Dürfen wir ſolche Bergnamen auf die Verehrung des ein: 
heimiſchen Gottes (Donar) beziehen.) Parallel dem Hügel: 
zuge, auf dem unſer Denkmal ftand, läuft ein zweiter, der 
den Namen „Oſſenbrink“ führt. Es dürfte nicht zu gewagt 
fein, diefen Namen nicht auf Ochſen, jondern auf Oſen (Aſen) 
zurüdzuführen, worauf ja auch der Name der Stadt Osna— 
brüd zurüdgeht, den ebenfall3 bereit3 im Mittelalter die 
Schreiber, welche von den Oſen nichts mehr wußten, mit 
Ochſen in Verbindung braten und demnach oft zu Dffen- 
brügge umgeftalteten. 

Nun war Donar (Thor) der Fürſt der Ajen (äsabrägr) ?) 
und wenn es in Norwegen ohne weitere Bezeichnung As heißt, 
jo ift Thor gemeint.?) Zu dem nahe gelegenen Donner: 
brint würde dieſe Deutung aljo vorzüglich jtimmen. Es 
ſoll hier nicht verfehwiegen werden, was Grimm jagt: „os 
iſt Jächliiche Form für ans, das einen Gott, aber auch einen 
Berg bedeutete... Daß osning in mehreren Gegenden vor: 
fommt, zeugt für einen allgemeineren Begriff; es ift wie 
äs, ans, fairguni der heilige Berg und Wald.“) Damit 
würden wir indes in dem Namen Ossenbrink ein Zeugnis 
für die urjprüngliche Heiligkeit diejer Gegend nicht verlieren. 

Auch in dem Denkmale jelbft dürfte fi ein Hinweis 
auf Donar finden laffen. Die Ausſagen aller Augenzeugen 


2) Deutſche Mythologie. 4. Auflage. I. ©. 141. 
2) Die Form ös iſt altſächſiſch, As altnordiſch. 
2) Eimrod, Handbud) der deutjchen Mythologie. 3. Aufl. &. 2217. 
*% Grimm a. aD. 1 ©. 97. Anmert. 2. 
5* 


68 


jtimmen darin überein, daß die vier Steine, die auf vier 
anderen ruhten, eine jäulenartige Gejtalt hatten. Säulen, 
die er mit römiſcher nterpretation dem Herkules zumeiit, 
fennt jchon Tacitus.!) Don Irmensülen berichten verſchie— 
dene mittelalterlihde Schriftiteller.?) Wichtig it bier vor 
allem, was Widufind von Korvei über das Denkmal jagt, 
welches die Sachen nad) ihrem Siege an der Unſtrut (c. 550) 
dem Irmin errichteten: „mane autem facto ad orientalem 
portam ponunt aquilam, aramque victoriae construen- 
tes secundum errorem paternum, sacra sua propria 
veneratione venerati sunt, nomine Martem, effigie co- 
lumnarum immitantes Herculem loco Solem quem 
(raeci appellant Apollinem ... quia Hirmin vel Her- 
mes graece Mars dicitur.* 

Daß „effigie columnarum“* auf mehrere Säulen 
deute, darauf weift Grimm hin.?) Der Gebraud des Plu— 
rals bei Tacitus jtellt e8 außer allen Zweifel, daß minde- 
ftens nicht ftet8 nur eine Säule dem Gotte errichtet war. 
Beitimmtes willen wir von ihrer Anzahl nicht. 

Wichtiger aber als dieje Frage iſt eine andere: welches 
war der bdeutihe Name für Herkules? wer war Irmin? 
Zeußt) entjcheidet ji für Donar, Grimm ſchwankt, ift aber 
mehr gegen dieje Annahme,’) Simrod®) dagegen verficht fie 
entichieden. Stellen wir uns auch auf diefen Standpunft, 
dann erflärt jich die Säulenform von felbjt; fie paßt zu dem 
Charakter des Gottes, dem das Denkmal geweiht war. Man 
darf nicht einwenden, daß dieje Säulen doch zu wenig groß: 
artig jeien. Solange ein Bolt aus Findlingen feine Denk: 








!) (rermania cap. 34. 

2) Bergl. Grimm, a. a. O. J. S. Nf. 

2) Ebendaſ. S. 302, 

) Zeuß, die Deutſchen und die Nachbarſtämme. Se 25. 
6) Grimm, a. a. DO. ©. 302. 

*) Zimrod, a. a. O. ©. 262, 


69 


mäler errichtet, iit e3 eben von dem Materiale abhängig, 
und jomwol die Auffindung wie Aufrichtung diejer mächtigen 
Steine wird Mühe genug erfordert haben. In den Dör- 
fern baut man feine Dome. 

Noch etwas anderes läßt fich für die Vermutung, daß 
wir bier ein Donardenkmal vor uns haben, anführen, jeine 
Richtung. Widukind's Angabe, daß das Denkmal „dem 
Orte nah der Sonne‘ geheiligt geweſen, ift lediglich auf, die 
Stellung zur Burg (Schildungen) gegründet (ante orienta- 
lem portam), nicht auf die Richtung des Denkmals an ich, 
die ja auch — namentlih bei einer Säule — indifferent 
war. Die Richtung unferes Denkmals ift dur die Steine 
genau beſtimmt und zwar gegen Südweften, gegen den 
Donnerbrinf, Donar ift der über Wolfen und Negen ge: 
bietende Gott, der Gott des Gewitter, der den Boden 
zum fruchtbaren Saatgrunde bereitet, die Früchte jegnet und 
jeine Blite gegen die dem Menjchengeichlechte feindlichen 
Kiefen richtet. Er wohnt im Südweften, von wo aus er die 
Gewitter entjendet. In Vermland pflegt der gemeine Mann 
die jüdweitliche Himmelsgegend ‚„‚Donnerhöhle” (Thörs hala) 
zu nennen.!) Sind wir bier nicht ganz auf dem Irrwege, 
jo müſſen wir den großen Stein der eriten Gruppe als 
Opferftein betrachten, auf dem der Prieſter dem Donar die 
Gaben darbradte, mit dem Gefichte gegen Südweſten ge: 
wandt, wo der Gott in dem gewaltigen uralten Marken: 
walde auf dem Donnerbrinf thronend gedacht wurde. 

Man jieht aus diejer Darlegung, daß die allerdings recht 
fümmerlichen Merkmale jehr gut zu einander jtimmen und die 
Anfiht von dem Charakter des Denkmales wol annehmbar 
ericheinen lajlen. Auch die am Rande des Hügels aufge: 
fundenen Urnen geben zu feinem begründeten Zweifel Ber: 
anlaſſung. Denn es ift ein durchaus faljches Verfahren, 


1) Srimm, a. a. O. ©. 142. 


70 


ein Denkmal deshalb ohne weiteres al3 Hünengrab hinzu— 
jtellen, weil bei ihm ſich Urnen und dergleihen Sachen fin— 
den.!) Wiffen wir ja doch, daß man gerade heilige Orte und 
Dpferjtätten als Ruheſtätte — vielleicht nur für Männer von 
hervorragender Bedeutung — auswählte. Auch Pläte, die 
allgemein als Opferſtätten anerkannt find, erweijen ſich zu— 
gleih als Grabitätten, das Eine ſchließt das Andere eben 
nit aus. Das Chrijtentum behielt die heidnifche Sitte ein— 
fach bei und legte den Begräbnisplag um die Kirche und 
ftattete ihn mit all den Nechten und Freiheiten aus, die der 
heidniiche gehabt Hatte. 

Einiger erflärender Worte bedarf noch der Name „Hölle“. 
Es iſt ſchon vorhin bemerkt, daß wir ihn nicht ohne weiteres 
mythologiſch deuten dürfen. Es gab niederdeutſch wie ober: 
deutjch zwei Wörter hol (Neutr.) und hola (Fem.) neben 
einander, die lautlich mit „Höhle“ ſich deden, dem Begriffe 
nad) aber umfaffender Sind, entiprehend dem Verbum 
(ver) hehlen, mit dem fie desjelben Stammes find. Sie be- 
beuten nicht blos Höhle, jondern auch allgemein Verſteck, 
Unterfchlupf, Zufluchtsort; ja noch im Mittelniederdeutichen 
wird hol geradezu für Feitung gebraudt.?) In Glandorf 
heißt noch jegt eine Gegend, in der nach der Sage die leb- 
ten Heiden, — de göen Hönken, d. 5. die guten Hunen, 
werden fie genannt und vertreten die Stelle der Wichtel- 
männchen — gehauft haben follen, Hönkenhuol, wobei an 
unjeren Begriff Höhle bei dem Charakter der Gegend nicht 
zu denken ift. 


1) Unter Anderen hat Müller 5. B. für die Bedeutung des Karliteines 
eine ſolche Schlußfolgerung gemacht. Vorchriſtliche Denkmäler der 
Landdroſteibezirke Lüneburg und Osnabrück. S. 26. 

2) Vergl. Schiller-Lübben, Mittelniederdeutſches Wörterbuch s. v. hol. 
Nach dem im osnabrückiſchen Dialekte herrſchenden Lautgeſetze iſt hol 
zu huol, hole zu hüelle geworden. 


71 


Dben Haben wir bereit3 zu anderem Zwede auf bie 
nordiihe Bezeichnung des Südweitens als Thorshäle — 
des Donars Höhle hingewieſen; man fünnte nun namentlich 
im Hinblid auf den engverbundenen Donnerbrint an dieje 
ipezielle Bedeutung unferer Hölle denken, allein es erjcheint 
dies vielleicht zu gewagt und dürfte eine allgemeinere Auf: 
faſſung annehmbarer ericheinen. Es iſt aus der Geſchichte be= 
fannt, daß die Deutſchen jich oft vor den drohenden Angrif- 
fen der Feinde mit Weib und Habe in die Urmälder zurüd: 
gezogen; lettere werden fie dort auch dann in der Regel in 
Sicherheit gebradt haben, wenn fie fich ſelbſt dem Feinde 
entgegenftellten. Es ift nicht recht einleuchtend, daß fie an 
der erften beiten Stelle in den Urwald hineindrangen, was 
diefer auch nicht geitattete, jondern man wird bejondere 
Zufluctsftätten gehabt haben, die zu einem längeren Aufent: 
halt geeignet, zugleih ein Eindringen des Feindes un: 
möglich macdhten.!) Und als eine ſolche Zufluchtsftätte dürfte 
unfere „Hole“ anzujehen fein. Ihre ganze Beichaffenheit 
wenigitens läßt diefe Anficht annehmbar erjcheinen. Hinter 
ih den gewaltigen Markenwald, der nicht nur eine Gau: 
fondern auch eine Stammesgrenze bildete, hatten fich die 
Flüchtlinge nur nah Norden, der fultivirten Seite zu, zu 
hüten, und bier hatte die Natur Alles gethban, um jede 
Verfolgung unmöglich zn machen; weite Sümpfe, von Bächen 
durhichnitten, geftatteten feinen anderen Zugang, als auf 
Schleihwegen. Daß bier in der That einmal eine friege- 
riiche Aktion jtattfand, das bezeugen die unten zu beſprechen— 
den Wälle, die den Stempel der Kunſt deutlich genug an 
ſich tragen. 

Bon der Natur jchon zur Feſtung geichaffen, ſtand bie 
Gegend auch noch unter dem Schuge des Gottes und wurde 





1) Bei den Galliern war es wenigftens jo. Vergl. Caesar, Bell. Gall, 
I, 29. V, 32, 


72 

dadurh als Zufluchtsitätte im Kriege doppelt geeignet. 
Donar ift ein Freund der Menſchen, ein Gott der Bauern, 
ja der Knete, während Wodan die Fürften zum Kriege 
reizt, die Saaten jchädigt und den Segen des Landbaues 
durch zerftörende Kriegsgewalt verdrängt. In allen vier 
Elementen offenbart er jeine fchügende Macht: nicht blos 
gegen die Winterriejen jchleudert er jeine Blife, auch die 
Dämonen der Gluthige, die dur Wolfenbrüche zerftörend 
wirken, zeripaltet fein Stral: den Gewittern jelbft, von denen 
jein Weſen ausgegangen war, wehrt er die verderblide Wir: 
fung und bannt jie in wohlthätige Schranken. Als Gott 
der Ehe, die fein Hammer weiht, legt er den Grund zu 
einem jittlich geordneten Leben; als Gott de3 Eigentums, 
da3 jein Hammerwurf begränzen und feititellen hilft, ent: 
widelt er den Staat aus der Familie; als Gott der Brüden, 
der die Bergitröme zähmt, verbindet er die Stämme und 
befördert er den Verkehr, ja indem er unter den Helden und 
Königen folche zu jeinen Lieblingen wählt, welde Länder 
nicht ſowol mit dem Schwert als mit dem Pflug erobern, 
weil jie Wälder ausrotten und Anfiedlungen in bisheran 
dem Anbau unzugänglide Erdſtriche führen, beſchließt dieſer 
Gott der Kultur die mythiiche Zeit.) 

Was it natürlider, al3 daß man in der Nähe eines 
jolchen Gottes bei Kriegszeiten den ſicherſten Schuß zu finden 
glaubte, oder vielmehr ihm die Gegenden mweihte und dort 
ihm jeinen Altar errichtete, wo man ſicheren Schuß in den 
Nöten des Krieges fand, daß alio „Donnerbrink“ und 
„Hole“ in einander überfließen? 

Daß die alten Germanen aud an abgelegenen Orten 
Kultusitätten hatten, ift nicht zu bezweifeln. Die Varus— 
ichlacht fand befanntlih an einer jolden Stelle ftatt und 
Tacitus berichtet ausdrüdlih, daß, als Germanifus jpäter 


1) Sinrod, a. a. D. ©, 228. 


73 


das Schlachtfeld befuchte, in den benachbarten Hainen heid— 
niſche Altäre gejehen mwurden.!) Für eine geficherte Lage 
mancher derjelben jpricht auch der altgermanifche Name des 
Heiligtums: gotiſch alhs, altſächſich alah, der mit dem latei: 
niihen arx identisch ift und wol kaum der hölzernen Ein: 
friedigung?) feinen Urjprung verdanken dürfte. An jolcdhen 
Orten war es natürli jchwer, an Stelle des heidniichen 
Heiligtum ein chriftliche8 zu erbauen und man wird, wo 
in der Gegend mehrere Heiligtümer ſich befanden — was 
wol überall der Fall war — ſich das geeignetite zur Chri- 
ftianifierung ausgewählt haben, jo daß jich gerade die abge: 
legenen erhalten hätten. An unferem Orte war die Erbauung 
einer chriſtlichen Kirche einfach unmöglih, und man mag 
daher das benachbarte Remſede gewählt haben, deſſen Name, 
wie bemerft ift, auf eine Kultusftätte des Wodan deuten 
fönnte. 

Hiermit fei die mythologiſche Unterſuchung abgeichloffen. 
Mag auch der Verſuch, aus den übrig gebliebenen Reiten 
das alte Gebäude wieder zu errichten, gewagt fein, jo dürfte 
derjelbe doch bei der Lage der Sache jeine Entſchuldigung 
finden; man wird das wenigitend zugeben fünnen, daß ſich 
in diejer Weije die vorhandenen Fragmente wol zujammen 
gefügt baben; wirr durch einander liegend würden jie dem 
Leſer wol weniger veritändlih und interefjant geblieben jein. 

E3 wurde bereit hervorgehoben, daß jich am füdlichen 
Abhange Urnengräber feftitellen ließen; ob jich diejelben 
weiterhin nah Süden eritredten, muß unentjchieden bleiben, 
da die Kultur das Terrain umgeftaltet haben kann. Wahr: 

1) Lucis propinguis barbarae arae, apud quas tribunos ac primo- 
rum ordinum centuriones mactaverant. Annal. I. cap. 61. 

2) Ausdrüde, wie fana idolorum cum septis finden ſich oft. Vergl. 
Grimm a. a. ©. I. ©. 66. Die Bezeichnung castrum für einen 
Tempel dürfte indes jtets ein hölzernes oder jteinernes Gebäude 
andeuten. 


74 





Icheinlich ift e8 gerade nicht; auch nad Sübmelten hin finden 
ih in den Hügeln feine Urnen mehr. 


Der Heidenfirdhof. 

Es iſt augenscheinlich, daß der Einſchnitt in der Hügel: 
fette, in dem jetzt das Kötterhaus jteht, urjprünglid und von 
der Natur gejchaffen iſt. Es fpricht hierfür das allmähliche 
Auffteigen des Hügels auf der anderen Seite des Haufe. 
Er iſt niedriger als der eben beiprochene, erjtredt ſich aber 
über ein weiteres Gebiet, jowol der Länge wie der Breite 
nad. Auf der nördliden Ecke des jetzt noch nicht urbar 
gemadten Teiles lagen ehedem in Kreisform 16 Findlinge, 
die aber Fleiner waren als die vorhin bejchriebenen. Bis 
auf einen jind fie jegt verihwunden. An diejer Stelle haben, 
was Heringhaus noch jelbit mit angejehen hat, vor etwa 
50 Fahren Herren aus Münſter nachgegraben; es Tieß jich 
dies auch noch deutlich erkennen. Ob fie etwas gefunden, war 
ihm unbekannt, aber einige Tage nachher hatte fein Kötter 
an jener Stelle einen jilbernen Ring gefunden, den der 
Regen losgeſpült hatte. Derjelbe wäre an einer Stelle ab— 
geplattet und jo groß gewejen, daß ein Erwacjener drei 
Finger hätte bineinfteden fünnen: „Er müffe wol einem 
Rieſen gehört haben.” Da Buchſtaben auf dem Ringe ge— 
jtanden, die fie nicht hätten leſen können, hätte der Kötter 
den Ring zum damaligen Paſtor Röpfe in Glane gebradt. 
Des Näheren erinnerte er ſich nicht mehr. Erfundigungen 
bei der Tochter des veritorbenen Kötter ergaben, daß fie 
den Ring nicht mehr befaß; ihrer Erinnerung nach hätte ber 
— auch längit verftorbene — Paſtor ihn behalten. Die von 
uns an diejer Stelle vorgenommenen Nachgrabungen blieben 
vollitändig erfolglos. Freilich waren ftetS an dem Orte viel 
Plaggen geichaufelt, eine Strede war früher auch einmal ſchon 
urbar gewejen. Daß man hier indes eine alte Begräbnis: 
jtätte vor fich hat, daS beweiſen die jich vielfach auf der 


75 


— — — 


Bodenfläche noch zeigenden, allerdings minimal kleinen Scher: 
ben von Thongefäßen. 


Das Totenfeld vor dem Heringhanfer Hofe. 


Die Harte zeigt, daß die joeben bejprochenen Hügel von 
einem anderen Höhenzuge, dem jogen. Siebfenhof, der auf 
Heringhaufen’s Hof zujchießt, durch ein jegt ca. 160 Meter 
breites jumpfiges Wiefenterrain, getrennt find. Dasjelbe ijt 
ehedem, bevor die Kultur fich der Vergrößerung der Wieſen— 
fläche zugemwendet hatte, viel jchmaler geweſen. Die höchſte 
Erhebung diejes Höhenzuges beträgt 3,80 Meter. Auf der 
Dftfeite begränzt den Siebfenhof ein Bach, deſſen alter Lauf 
auf der Karte durch punktirte Linien angedeutet ilt. Bei der 
Verlegung dieſes Bades wurde die dadurd abgeichnittene 
Höhe abgetragen und zur Wiefe gezogen. Diejer Melioration 
fiel eine Art Wallburg zum Opfer, welche eine Länge von 
ca. 25 Meter und eine Breite von ca. 15 Meter hatte. Da 
jich noch jebt das Grad an diejer Stelle durch bejjeres Wachs— 
tum auszeichnet, jo finden obige Maßangaben, welde auf 
Mitteilung von Heringhaus beruhen, auch in den thatſäch— 
lihen Berhältniffen eine Stüge. Der innere Raum lag un: 
gefähr auf der gleichen Höhe wie die jegige Wieje, war aljo 
in das Hügelterrain eingejchnitten. Die Wälle, welche fie 
auf drei Seiten umgaben, reichten damals, als Heringhaus 
die Abgrabung vornahm, noch ca. 2 Meter über die Sohle 
der Innenfläche empor. Die äußere Böſchung war jehr flach, 
die innere jehr ſteii. Am Fuß der inneren Böſchung ent— 
lang lief ein Wafjergraben, welcher mit dem Bach, ber die 
vierte Seite begränzte, in Verbindung ſtand. 

An der Meftjeite diefer Walburg ftieß man auf eine 
Reihe von größeren und Eleineren mit Ajche gefüllten Urnen, 
die aber beim Herausnehmen leider ſämtlich zerbrochen find. 
Die noch vorhandenen Bruchſtücke jind zumeift roh geformt. 
Mehrere diejer Urnen waren indes mit Verzierungen ver: 


76 





jehen, wie dies die auf Tafel IV. unter Fig. da und b ge- 
gebenen Abbildungen von Scherbenftüden bemeilen, welche 
bei den von uns vorgenommenen Nachgrabungen zu Tage 
gefommen find. Einer diefer Urnen gehörte der Hentelgriff 
an, welcher auf Tafel V. unter Figur 9 dargeftellt ift. Die 
genannten mit Verzierungen verjehenen Scherben befigen eine 
rote Farbe und eine nur geringe Dide, die Scherben der 
unverzierten Urnen find wejentlich ftärfer; fie find zum Teil 
ganz grau, zum Teil zeigen jie im Äußern eine rote Ober: 
fläche. Mehrere Urnen waren mit einem Plattenfteine, wie 
er beim Dorfe Laer im Felde gebrochen wird, oben zuge: 
dedt; jie hatten jämtlih Beigaben (Tafel V.): ein ein- 
ſchneidiges Schlachtmeſſer (Fig. 1) von 34em Gejamtlänge 
(der Griff ift 12cm lang); eine mit einem Loch für ben 
Schaft verjehene Yanzenipite (Fig. 2), deren Länge, obgleich 
diejelbe gekrümmt und nicht mehr vollitändig erhalten ift, 
noch 24cm beträgt. Ferner außer dem Teil einer Pferdetrenfe 
(Fig. 8) eine vollftändig erhaltene (Fig. 3). Diejelbe befteht 
aus einem größeren Gliede von I1em Länge und einem 
fürzeren von 9,dem. Sodann ein 3em breiter Eifenhammer 
(Fig. 5), von dem ein Stüd abgebrochen und der daher nurnoch 
12cm lang ift, während er nad) Maßgabe der ganz erhaltenen 
einen Hälfte urfprünglich 14cm lang geweſen fein wird. End— 
lid außer verjchievenen unbeftimmbaren Eijenftüden (Fig. 7) 
ein Steinhammer (Fig. 6) aus Granit von 13,5 cm Länge. 

Diejenigen Urnen, die nicht mit einem Laerſchen Steine 
gedeckt waren, jollen mit rohen Eifenftüden umlegt und ohne 
Beigaben geweſen fein. Die Sache wird fich folgendermaßen ver: 
halten: die Eifenftüde jind nämlich Rafenerz, welches fih nad 
Angabe von Heringhaus dort in der Gegend nicht findet, !) und 


2) In dem benachbarten Glandorf iſt es jedoch jehr häufig. Vergl. zur 
Sache: Ingvald Undset, Das erite Auftreten des Eiſens in Nord» 
Europa, in, der Überfegung von 3. Meitorf, (Hamburg 1882) ©. 469. 


77 


dieſes Rafenerz hat den ohnehin ſchon jehr gefräßigen Boden 
fräftig in der Vernichtung der eijernen Beigaben unterjtüßt. 
Wir jelbit haben noch eine derartige (fajt ganz vernichtete) 
Urne ausgegraben und unter dem Haufen Najenerz ein Stüd 
Schmiedeeifen gefunden, deſſen Charakter ganz unkenntlich iſt. 
Auf joldhe Kleinigkeiten haben die Arbeiter natürlich nicht 
geachtet. Daß eine große Menge von Urnen domals aus: 
gegraben iſt, beweijen die noch jegt zahlreih am Bachufer 
liegenden Scherben, von denen wir nad) 30 jahren ohne 
Mühe mehrere Handvoll jammeln fonnten. Das Terrain 
weitlih von dem neuen Badhlaufe hat zum Teil durch die bei 
Heritellung der Wieje erfolgte Bodenbewegung eine beträcht: 
lihe Erhöhung erfahren: eine weitere Unterſuchung iſt Da: 
mals nicht erfolgt. Jetzt iſt es mit einem jungen Kiefern: 
Ichlage bededt, der ein weiteres Nachgraben verbietet. Allein 
ein Einichnitt in das jenfeitige Bachufer fürderte ein Grab 
zu Tage, welches außer einem unkenntlichen Eifengeräte noch 
einen Weßftein von 12cm Xänge, I3em Breite und Lem 
Dide (Taf. IV. Fig. 5) enthielt. Die (zertrümmerte) Urne 
hatte zwilchen zwei Kiejeljteinen geitanden, auf denen ein 
dritter rubte. Unmittelbar daneben lag eine 131/2cm lange, 
llem breite und 1cm dide Steinplatte (Taf. IV. Fig. 4), die 
wol den Dedel der Urne gebildet hat. Die Gräber erjtreden 
ih hiernach aljo weitlih in den Kiefernichlag hinein, und 
da die eben erwähnte mit Eifenerz umgebene Urne mehrere 
hundert Schritte nördlich der Hauptfunditelle jich befand, jo 
dürfen wir auf einen ziemlich bedeutenden Umfang des Grab: 
feldes jchließen. 

Höchſt eigentümlich ift ein anderer Fund, auf den man 
beim Wiejenbau ftieß. An dem Abhange des Urnenhügels, 
dem Bade zu, fand man ca. 11/4m unterhalb der Ober: 
fläche vier SHerbditellen, die jo gebildet waren, daß drei 
Ziegeliteine auf der Langfante jtehend einen flach geleg- 
ten vierten umgaben (Taf. VI. Fig. 3), wobei die Offnung 


78 


aller vier Herde nah Norden gerichtet war. Unter fich 
bildeten jie ein Quadrat von 1!/4 Meter (Seite). Der Boden 
jedes Herdes war mit Aſche bededt, und die dem Innern zus 
gefehrten Flächen der Steine zeigten ftarfe Brandfpuren. Nach 
der Beichreibung von Heringhaus waren dieje Ziegelfteine 
länger, breiter und feiter, aber dünner gewejen, als die jebt 
dort gebadenen vom fogen. kleinen Format, mit denen er fie 
verglichen hätte. Er hatte fie leider nicht bewahrt, glaubte 
auch nicht, daß er fie überhaupt mitgenommen habe, was uns 
Beranlajiung zu Nachforfchungen gab, welche bei der Einjam- 
feit der Gegend uns nicht hoffnungslos erichienen. Diejelben 
blieben denn auch nicht unbelohnt, wir fanden in der Um— 
gegend mehrere Bruchitüde, von denen eines und nur an einer 
Borderjeite ein wenig verlegt erſchien, jtarfe Brandipuren trug 
und uns mit der Bejchreibung übereinzuftimmen dünkte. Das 
Gutachten von Heringhaus lautete zuftimmend, nur meinte er, 
feiner Borftellung und Erinnerung nad müfje an der Länge 
mehr fehlen als wir annähmen. Auf diefen Punkt fommen 
wir unten zurüd. 

In ſüdweſtlicher Richtung von diefer Fundftätte befin- 
den fih in dem Terrain zwei wallartige Erhebungen, welche 
ihrer Lage und Form nad auf der Karte (Taf. II.) ange: 
geben find. Augenjcheinlich haben zu ihrer Herjtellung Natur 
und Menichenhand zufammengemwirkt; der füdliche weift näm— 
lih eine Aufihüttung von 1,20m auf, und zwar ift es 
diefelbe Erde, welche die zwiichen beiden Wällen befindliche 
Thaljohle zeigt. Südlich davon jcheint ein runder Hügel der 
Ausſicht wegen abgeplattet zu fein, wenigitens liegt der hier 
ſonſt tiefer Tagernde jogenannte Orboden ganz an der Ober: 
flähe. Haben diefe Wälle einem kriegerischen Zwede gedient, 
jo wird fih der Feind in der Gegend der Teufelsfteine be: 
funden haben. 

Kurz erwähnt mag hier noch werden, daß fih am Dit: 
rande dieſes Hiügelzuges unmittelbar vor dem Hofe Hering: 


79 


haus eine Wieſe befindet, die chedem einen mit einem 
ca. 4m breiten Graben umgebenen Platz bildete, auf dem 
Mauerreite bloßgelegt find. Wir haben hier indes feine 
Unterfuhungen angeftellt, da mit großer Wahrjcheinlichkeit 
angenommen werden kann, daß bier früher ein mittelalter: 
liher Speicher gejtanden hat, wie fie in diefer Anlage bier zu 
Lande üblih waren. Auf das Mittelalter weilt auch ein 
dort im Boden gefundenes Schloß. Derjelben Zeit gehört 
auch wol eine Pfahlitellung an, die beim Umlegen des Baches 
vor dem Hofe bloßgelegt worden und noch jetzt ſichtbar ift. 


Die übrigen Urnengräber des Ganes Suderberge. 


Aus dem Charakter der dem Heringhauſer Grabfelde 
entitammenden Fundftüde jcheint fich zu ergeben, daß dort 
nur Männer bejtattet jind; die Fundſtücke zweier anderer 
Grabjtellen weilen dagegen nur auf weibliche, beziehungs: 
weile jehr jugendliche Perſonen hin. Der eine diejer Plätze 
liegt in der Nähe des Kolonen Dölken in Weſterwiede (Laer) 
auf einem al3 ‚Bor dem Venne“ bezeichneten Hügel. Der: 
jelbe war ehedem von bedeutenderem Umfange, ift aber jegt 
faft ganz abgetragen, da der weiße Sand in Laer ein ge 
ſuchter Segenftand if. Noch im vorigen Jahre hatte ein 
Knecht dort bei einer Urne einen goldenen Ring gefunden, 
den er indes jofort verkauft hatte, und deſſen Verbleib troß 
aller von uns aufgewandten Mühe nicht mehr zu ermitteln 
war. Als wir zu dem Hügel famen, ſahen wir gleich eine 
beim Sandgraben angeftochene Urne, die eine große Menge 
von Knocenreiten umgaben, !) aber ganz zertrümmert war. 
Es erwies jich überhaupt als unmöglich, hier unverjehrte Urnen 
an den Tag zu bringen. Zum Teil hat das wol in dem 


) Die Knochen in diefem Hügel find durchweg ſchlecht verbrannt, ſodaß 
einzelne ſich noch ale Zeile beitimmter Gliedmaßen (Schädel, Ober 
arm) erkennen ließen. 


80 





Eijengehalt des Bodens feinen Grund, welder die jchlecht 
gebrannten Gefäße ftarf angreift, zum Teil auch wol darin, 
daß die Wurzeln der Fichten diejelben bereit$ in der Erde 
gejpalten haben. Wir haben Urnen rund umber bloßgelegt, 
wobei fich herausitellte, daß fie bereits völlig zeripliffen wa: 
ren, eine Thatſache, die faum auf einen anderen Grund 
zurüdgehen kann. Sechs Urnen haben wir an diejer Stelle 
unterjucht: wir fanden Reſte von allerdings wenig bedeuten: 
den bronzenen Schmudjadhen, eine Berniteinperle von 3em 
Durchmeſſer (Taf. IV. Fig. 7), in deren Loche ſich der Reſt 
einer goldenen Stette befand, und eine Glasflußperle. Eine 
auf Tafel VII. Fig. 3 abgebildete jehr Fleine Urne, welche 
wol die Nejte eines Kindes enthielt, war mit einem auf 
Tafel IV. Fig. 6 Ddargeftellten S7/; cm langen YFeuerjtein- 
meſſer (?) belegt. ') 

Weſtlich von diefem Hügel, nahe bei Dölfens Mühle, 
befindet fid — oder richtiger befand ſich, denn er iſt bis 
auf den äußerſten Nand verihwunden — ebenfall® ein 
Hügel, in dem jehr viele Urnen gefunden find. Eine der: 
jelben war von Frau Dölfen aufbewahrt worden; diejelbe 
war zwar in Scherben, aber wenigitens foweit erhalten, daß 
die auf Tafel VII. Fig. 4 dargeftellte Abbildung mit Maß— 
angaben gewonnen werden fonnte. Es ift eine rohe Arbeit, 
der Thon zeigt im Innern eine graue, außen eine rote Fär— 
bung. Dieje Urne war ebenjo wie die übrigen bier gefun- 
denen mit Knochenreſten gefüllt, doch wollte man feine Bei: 
gaben bemerkt haben. 

Weiter nah Weſten hinauf zwiſchen Laer-Loh und 
Lohmeyer liegt ein Hügel, welcher eine ftarfe Kiesbanf ent: 
hält, und deshalb vor vielen Jahren zur Ausbefjerung der 
Kandjtraße ausgebeutet it. Bei diefer Gelegenheit war man 
angeblich auf Urnen geſtoßen. Erfundigungen beim alten Kolon 


’) Lindenſchmit weiit die Beigaben diefer Gräber in die merowingiiche Zeit. 


81 





MWiemann auf dem Donnerbrinf, der unter der hannoverſchen 
Regierung Wegeauffeher war, beftätigten das. ‚Die Urnen 
wären im Kreiſe aufgejtellt gewejen und hätten fchwarzgraue 
Aſche — daß es Leichenajche geweien, wollte er nicht glauben 
— enthalten. Die Arbeiter hätten dabei zwei goldene Ninge 
und „vul grön Tüg“ (offenbar bronzene Schmudjachen) ge: 
funden. Er felbjt jei dabei gewejen; die Arbeiter hätten die 
beiden Ringe an einen Goldſchmied in Osnabrüd verkauft. 
Wir haben Grabungen dort nicht veranitaltet. 

Das Gerüht über die von uns vorgenommenen Nach— 
grabungen verbreitete fich begreiflicherweile bald in der Ge: 
gend; es hatte dies zur Folge, daß uns mehrfach Mitteilungen 
über Funde aus alter und neuerer Zeit gemacht wurden. So 
erfuhren wir, daß der Kolon Stodhoff in Winkeljetten (Xaer), 
hart an der Grenze von Hardenfetten, beim Ausgraben von 
Streufand auf ein brumnenartiges Gemäuer geftoßen jei, wel: 
ches hohl geflungen habe, an deifen Öffnung er aber damals 
durch den Quellenreihtum des Bodens verhindert worden fei, 
obwol er eine große Menge flacher Laerſcher Steine bereits 
ausgegraben gehabt hätte. Der trodene Sommer des vorigen 
Jahres verſprach uns mehr Glüd, und es gelang uns wirklich 
ein wenn auch nur fleineres Grab aufzufinden, defjen Form 
feitgejtellt werden fonnte und auf Tafel VII. Fig. 1 u. 2 
dargeftellt ift. Eine genauere Unterfuhung des Inhalts war 
uns aber wegen des ftark eindringenden Waller unmöglich. 
Daß aber in der Mitte des Raumes, in welchem viele Steine 
lagen, eine Urne geitanden, bewies die Scherbe einer ſolchen, 
welche wir in dem Schlamme fanden. Stockhoff gab an, daß 
er in dem weißen Sande recht oft „Pannenſchäöre“ fände, 
die wol faum etwas anders als Urnenscherben fein werden. 
Sein Nachbar, der Kolon Steinbrinf, der eine unter feinem 
Ader ſich hinziehende Kiesichicht ausbeutet, hat zwiſchen dieſer 
und dem Mutterboden oft größere Knochen gefunden, die er 


LXVI. 1. 6 








für Überreite von Mahlzeiten der Riefen hielt.) Derjelben 
Art wie beim Kolonen Stodhoff jcheinen auch jene Gräber 
zu jein, von denen der Kolon Höpfe in Laer eines auf ſei— 
nem Ader im Nordoiten des Dorfes Laer anläßlich der Ber: 
foppelung in den jiebenziger Jahren entdedte. Nach jeiner 
Beichreibung war es dreiedig?) aus fantigen Laerſchen Stei- 
nen gebaut. Er hatte ein Schwert und ein Pferdegebig — 
beides aus Eiſen — darin gefunden, aber beim Neubau 
jeines® Haufes waren ihm beide Stüde verloren gegangen. 
Auch Hier jind von und Nachgrabungen nicht angejtellt 
worden.?) 

Der Kolon Auſtrup in Sentrup hat bei der Drainis» 
rung eines Ader8 an der Chauſſee von Glane nah Hilter 
eine Menge reichverzierter Urnen gefunden, die mit einer 
dünnen aus Thon gebadenen Platte belegt gewejen waren. 
Es ift nichts mehr davon vorhanden. An derjelben Stelle 
hatte er damals auch Münzen gefunden; die beiden noch 
vorhandenen waren indes Dsnabrüder Scheidemünzen aus 
dem Anfange des 17. Jahrhunderts, und offenbar mit dem 
Dünger dorthin verjchleppt worden. 

Es iſt Schon oben beiläufig bemerkt, daß es eine in der 
Gegend gang und gäbe Anjicht it, die Urnengräber reichten 
vom Kolonen Große Wechelmann in Nemjede bis zum Xen: 
gericher Bahnhofe. Das wird cum grano salis verjtanden 
wol zutreffen. An dem Wege von Heringhaus nah Große 
Wechelmann liegen wenigitens eine Neihe von Grabhügeln, 
die indes jchon früher angebrocdhen worden jind und uns 
daher zunächſt nicht gereizt haben. 


7) Es iſt jeßt Sorge dafür getragen, dab alle derartigen Funde aufbe— 
wahrt werden. 

2) Dies ift wol ein leicht erflärlicher Irrtum; aud wir hielten das Grab 
bei Stodhoff anfünglich für dreiedig. 

2) Die zulegt erwähnten Gräber befinden ſich in urbarem Boden, wo- 
durch Nachgrabungen jehr erſchwert ſind. 


83 

Nah der anderen Seite hin haben wir das Vorkommen 
von Urmengräbern bi tief in die Gemeinde Lienen hinein 
verfolgt. So ilt auf dem Gute Schulte Uffelage in Aldrup 
Lienen) eine jegt ebenfall3 verichiwundene Urne gefunden 
worden. Herr Kriege in Yienen erzählte und, daß man vor 
Jahren auch au der Windmuhle zwiſchen Lienen und Len— 
gerich Urnen gefunden habe, und ebenſo haben vor etwa 
20 Jahren einige Glandorfer Bürger beim Colonen Auſtrup 
in Holzhauſen (Lienen) Urnen gegraben. 


Die Grabhügel auf dem Gute Schulte Uffelage 
(Gemeinde Lienen). 


Wir erwähnten vorher einer auf dem Gute Schulte 
Ufrelage gefundene Urne Auf dieſem in der Bauerichaft 
Aldrup, Gemeinde Lienen, belegenen Gute befinden fich vier 
außerordentlih gut erhaltene Ereisrunde Grabhügel. Wir 
haben diejelben ihrer Yage und Geſtaltung nach auf Tafel VIII. 
in einer Weile zur Darjtellung gebracht, welche eine einge— 
hendere Beichreibung als überflüſſig ericheinen laſſen dürfte. 
Die Hügel erſtrecken ſich genau in der Richtung von Oſt 
nach Welt. Bor etwa 40 Jahren hatte man bei dem öſt— 
lichiten derjelben mit dem Abtragen begonnen und war bei 
diejer Gelegenheit die erwähnte Urne gefunden worden. Wan 
hatte die Arbeit darauf eingeftellt. Bei Nachgrabungen, welche 
von uns, allerdings nicht in weitgehenden Umfange, bei dem: 
jelben Hügel vorgenommen wurden, it nichts Bemeriens- 
wertbes zu Tage getreten. Die anderen Hügel haben wir 
unangetaftet gelaffen: fie find unverjehrt und verdienen für 
die Zukunft unveriehrt erhalten zu werden. Während der 
zweite und dritte Hügel einander jo nahe gerüdt find, daß 
ihre Böſchungen in einander jchneiden, zeichnet jich der vierte, 
am meiften nach Welten vorgejchobene Hügel (e) durch eine 
doppelte Ringwall-Anlage aus. Der größte Durchmeſſer des 
äußerſten Ringwalles beträgt ca. 42 Dieter, die Oberkante 

6* 


der Ningwälle liegt um Meter über Terrain, der in: 
nere Hügel, dejjen Kuppe einen Durchmeffer von ca. 9 Meter 
hat, erhebt ji) dagegen zu einer Höhe von ca. 1,50 Meter. 
Die Witterungseinflüffe wie die Bloßlegung der Oberfläde 
beim Plaggenihaufeln haben im Laufe der Jahrhunderte 
zujammengewirkt, um Das Soft zu erniedrigen, das Nie— 
drige zu erhöhen; aber noch immer ift der Lauf der MWälle 
und Gräben mit größter Deutlichkeit zu verfolgen. Auf 
ihrem Plateau zeigen alle vier Hügel eine Einſenkung von 
ca. 5 Meter Durchmeſſer und Yo Meter Tiefe. Die zwi: 
ihen den Hügeln a und c befindlide Ausſchachtung b 
hat einen Durchmeſſer von 16 Meter bei einer Tiefe von 
0,75 Meter; hier liegt, da jede andere Erklärung dafür fehlt, 
die Mutmaßung nahe, daß hierher der zum Auffchütten des 
Hügels erforderli gemwejene Boden zum Teil entnommen 
worden ift. 

Die Sorgfalt, welche der Beliger den Grabhügeln zu: 
wendet, läßt die Erhaltung der Anlage als geſichert erfcheinen. 


Der Brouzefund am Hüggel in Hagen.!) 


Hagen iſt ein osmabrüdijches Dorf, dad etwa in der 
Mitte zwiihen Osnabrüd, Tedlenburg und burg liegt. 
Dort hatten vor Jahren Knaben, welche an einem Sonntag 
Nachnittage in eine natürliche Berghöhle gefrochen waren, 
in dieler eine Menge von Bronzefahen gefunden. Zum Teil 
hat man fie als Zierrate 3. B. als Stockkrücken verwendet; 
eine große flache Schale (Opferichale?) hat man zum Dedel 


') Hagen gehörte zwar ſchon zum Gaue Threcwitht und diefer Fund 
dürfte daher ftreng genommen bier nicht beiprochen werden. Wenn 
dies gleihwol geſchieht, jo hoffen wir für dieſes Vergehen auf Nad)- 
ſicht; denn auf einen Aufſatz, in den er gehörte, iſt wol vorläufig 
nicht zu rechnen. Übrigens jollen in Hagen auch Urnengräber ge 
funden werden. 


85 





auf einen Kejjel, in dem das Kuhfutter gekocht wird, unge: 
arbeitet; nur ein Gegenftand, der zu nichts anderem brauch: 
bar war, ein jogenannter Kelt von bejonderer Schönheit war 
in die Hände des Herrn Dr. Kappelhoff in burg gelangt 
und befindet ſich jept im Bejige des Herrn Dr. Müller (Rat 
am biſchöfl. Konfiitorium zu Hildesheim), der ihn ung zur 
Abbildung (auf Tafel IV. Fig. 8) überjandt hat. Die Länge 
des Keltes beträgt 121/2 cm. 


Die Ofen in der Laerer Mark, 


Diejer Abjchnitt ijt bis hierher aufgejpart, weil fein 
Inhalt zum guten Zeile ohne jede Analogie dafteht und es 
fogar zweifelhaft jein fann, ob er durchweg jich auf die vor: 
bijtoriiche Zeit bezieht. 

Al wir eines Morgens von Laer zu den Teufelsiteinen 
gingen, trafen wir den Kolonen Dünnemeier, mit dem wir 
ein Gejpräh anfnüpften. Sein Hof liegt nicht weit ſüdlich 
von den Teufeläiteinen am linfen Ufer der Glane und gehört 
nach Wefterwiede (Laer). Er erzählte uns, daß er vor eini: 
gen Jahren einen Hügel vor feinem Hofe abgetragen habe, 
und bei diejer Gelegenheit auch Waffen zu Tage gefommen 
jeien, unter andern ein Speer und ein Pferdegebiß, auch Die 
Knochen eines ganzen Pferdes jamt jeiner Ausrüftung. Die 
Gegenftände habe er einen Dsnabrüder Herrn gegeben. 
Unterjudt habe er nicht viel, denn das Winterwetter jei jo 
falt geweſen, daß fie ſich warm hätten arbeiten müjfen. Nur 
ein eigentümlicher Ofen, der fich in der Erde gefunden, ſei 
deshalb etwas näher unterjucht worden, weil der Abbruch 
wegen einer darüber gewachſenen diden Eiche nur langſam 
hätte vor sich gehen Fünnen. Auf das Mauerwerk war er 
etwa in Tiefe von 1 Meter unter der Erdoberfläche geitoßen; 
bei dem weiteren Bloßlegen desjelben wurde feitgejtellt, daß 
dasjelbe einen Kreis bildete, dejien innerer Durchmeſſer etwa 
2m betrug; die Wandung hatte eing Stärke von ca. "am 


86 


und eine Höhe von ca. Im. Eine auf der Oſtſeite ange- 
brachte Öffnung geftattete den Eintritt in den Innenraum. 
Während zur SHeritellung der Wandungen nur Brudhitein 
verwendet war, war der Fußboden, auf welchem eine dünne 
Schicht von Holzfohlen lag, in Bruchſtein- und Ziegelſtein— 
mauerwerk ausgeführt. 

Wir erhielten zugleid noch von ihm eine eiferne Gem 
lange Pfeilſpitze, (Taf. IV. Sig. 2) und ein eilernes 101/scm 
langes, einem Hufmeſſer ähnliches Inſtrument (Taf. IV. 
Sig. 1), die er mit anderen indes inzwijchen verlorenen 
Gegenſtänden an anderer Stelle, jüdlich von jeinem Hofe, 
gefunden hatte. Unserer Bitte, doch nad den Ziegeliteinen 
zu ſuchen, die in dem Bodenbelage des Oſtens gefunden was 
ven — er hatte alle Steine wieder zu einem Backhäuschen 
verwandt — veripradh er zu erfüllen. Zwei Tage ſpäter 
hatten mir denn auch ein ganz unverfehrtes Eremplar. Unter: 
denen hatten wir aber jelbjt einen Fund gemadt, der uns 
allen Zweifel an der Nichtigkeit der Schilderung, die uns 
Dünnemeier von feinem „Ofen“ gemacht hatte, benehmen 
mußte: wir hatten felbit einen foldhen gefunden. 

In der Verlängerung des Hügels, auf dem die Teufels- 
ſteine lagen, jegt dur einen Wall und einen neueren Weg 
von Diefem getrennt (vergl. den Lageplan Taf. 11.) fanden 
ih in einer Heinen Terrainſenkung auf der Oberfläche einige 
zertrimmerte rundliche fog. Kleifteine, wie jene, welche den 
Umen an den Teufelsiteinen als Dediteine aedient hatten. 
Es erwedte dies bei uns die Mutmaßung, daß ſich bier 
ebenfalls Urnengräber befänden. Statt auf ſolche Stiegen 
wir indeß beim Graben ſofort auf eine fejte Steinmaſſe, 
die fich im weiteren Verlaufe der Arbeit al3 ein einge: 
ſtürzter „Ofen“ nac Art des Diünnemeierjchen entpuppte. 
Derjelbe iſt dargeitellt auf Taf. VI. Fig. 1 und 2. Der 
Durchmefjer beträgt im Xichten 2,50m. Die Stärle der 
Wand, welche aus Laerſchen Steinen hergeſtellt ijt, beträgt 


— — —“ —— — — 


0,50; der Eingang iſt 1,00m tief, die Wandſtärke des— 
jelben beträgt 0,25 m. Der Boden des Einganges ijt mit 
drei flachen Laerichen Steinen bededt, der Innenraum 
hat dagegen feinen Bodenbelag. Eine 14cm dide Schicht 
von Holzkohlen liegt unmittelbar auf dem gewachſenen Boden. 
Das Mauerwerk zeigt diejelbe Zujammenjegung mie der 
Mauerreit an den Teufelsiteinen: Bruchiteine, von denen 
unter der Einwirkung der Hite die ftark kalkhaltigen zu Kalt 
gebrannt find und ein lehmiges Bindematerial, weldes an 
ben dem Feuer ausgejegten Stellen zu einer badfteinartigen 
Maſſe gebaden ift. Der ganze Innenraum war mit Steinen 
und Mauerreiten bededt, welche durch den allmähligen Zu: 
jammenjturz der oberen Teile der Mauer jih aufgehäuft 
hatten; im Laufe der Zeit hat ſich eine Humusſchicht über 
das Ganze gelagert und nur die Terraineinjenfung und 
einige Steine waren dem Auge jichtbar geblieben als ein: 
zige Spuren der alten Anlage. Nach Vollendung der Auf: 
dedungsarbeiten holten wir den SKolonen Dünnemeier zur 
Belihtigung herbei; derfelbe erflärte, die Anlage des Ofens 
jei ganz diejelbe, wie die des von ihm gefundenen: doch 
babe bei diejem der Eingang jih im Often befunden — bier 
liegt er an der Nordfeite — und fei der Boden durchweg 
mit Steinen belegt geweien. Auch fei fein Ofen weit befjer 
erhalten gewejen, die Steine hätten viel weniger Feuer gehabt; 
die Kohlenfhicht auf dem Boden fei ungleich dünner gewejen: 
alles lediglid) Zeugniffe dafür, daß der von ihm gefundene 
Ofen nicht jo lange oder jo ftarf im Gebrauch gewejen fein 
wird. Welchem Zmede dienten nun dieje Defen? Dieje 
Frage getrauen wir uns nicht zu beantworten. Der Gedanfe 
an eine primitive Kalkbrennerei lag nahe, derjelbe wurde 
aber von den ortsangejeffenen Bewohnern als unmöglich 
erklärt. Auch ift nicht einzufehen, weshalb man das jchwere 
Steinmaterial erft von Laer weit in dieſe unwegſame Einöde, 
ichleppen follte, um e3 dann gebrannt wieder zurüdzuholen, 


denn in der Nähe war e3 gar nicht zu verwenden. Auch 
würden Fi dann in der Nähe Kalkiteinrefte gefunden haben. 
Die Bauernhäufer erforderten in früherer Zeit feinen Mörtel, 
jie wurden aus Holz, Lehm und Stroh hergeftelt. Sowol 
Heringhaus wie Dinnemeier haben ihre alten Häujer abge- 
brochen, ohne ein uriprüngliches Mauerwerk zu finden, und 
beide8 waren Häuſer größerer Bauern. Der Ofen liegt 
außerdem auf altem Marfengrunde, auf welddem dem Privat: 
manne Fein Recht zueiner jolchen Anlage zuftand. Sodann ift 
noch Folgendes zu beachten. Wir erwähnten, daß ebenso 
wie die Mauer an den Teufelsiteinen auch die Wandungen 
des Ofens zum Teil aus Steinen hergejtellt find, welche im 
Feuer zu Kalk gebrannt find. Der Umstand nun, daß man folche 
Steine an Mauerteilen angewandt hat, welche einem ftarfen 
Feuer ausgejegt waren, weiit darauf hin, daß die Erbauer 
feine Kenntnis davon hatten, daß die Steine im Feuer zu 
Kalk brennen und zerfallen würden, daß ihnen aljo wahr: 
jcheinlich der Kalk, feine Eigenfchaften und Verwendung etwas 
Unbefanntes waren. Sollten die Ofen mit der Leichenverbren- 
nung in Zuſammenhang jtehen? Die unmittelbare Nähe 
von ©rabjtellen führt auf diefen Gedanken hin, obwol ein 
weiterer Anhaltspunft nicht vorhanden ift. Knochenüberrefte 
haben fi wenigitens in der Aſche nicht gefunden. Über die 
Leichenverbrennung ift viel zu wenig bekannt, um eine ficher 
begründete Anjicht ausiprechen zu können; Borrichtungen 
irgend welcher Art werden aber an den gemeinjamen Be: 
gräbnisplägen doch wol vorhanden geweſen fein; denn auf 
jeweilig friſch errichteten Scheiterhaufen eine oder gar wie hier 
eine Reihe von Leichen derartig zu Ajche zu brennen, daß nur 
geringfügige oder gar feine Knochenrefte übrig bleiben, dürfte 
denn Doch leichter gejagt als gethan jein.!) 
) Es Scheint diefe Sache überhaupt noch nicht hinreichend aufgelärt zu 
jein. Die Annahme, daß man durd) Abkochen oder Abjchneiden zu: 


89 


Mir müſſen vorläufig auf eine endgiltige Löſung ver: 
zichten. Vielleicht bringt fie ein glüdlicher Zufall. Zu be: 
achten bleibt eritens, daß der Dfen in Material und Aus: 
führung genau dem des Mauerreites an den Teufelsiteinen 
gleicht, daß ferner beide Ofen in unmittelbarer Nähe von 
Zeichenfeldern jich befinden und drittens, daß der Dünnemeier: 
ſche Ofen auch einige Ziegelfteine enthielt, die vielleicht beide 
Ofen einer beftimmten Zeit zuzuweiſen im Stande jind. 


Das Ziegeljteingrab in DOftenfelde. 


Es ift vorhin bemerkt worden, daß Dünnemeier uns mit 
einem gut erhaltenen Ziegelitein aus feinem Ofen überraichte: 
eine Überrafhung auch deshalb, weil der Etein in Form 
und Material genau übereinftimmt mit dem, welchen Hering: 
haus als den Herden angehörig bezeichnet hatte; beide Funde 
gehören demnach wol derjelben Zeit au. Der Stein iſt 
26!/gcm lang, 13em breit und 41/,cm bis dem did. Unſere 
erite Sorge war nun, die Ziegeliteine älterer und neuerer 
Zeit in der Gegend kennen zu lernen. Der Betrieb einer 
regelrechten Ziegelei in dieſem Gau reicht etwa 50 Fahre 
zurüd, aber gelegentlih betriebene Feldbrände jind jchon 
früher befannt gemwejen. Um die Mitte des vorigen Jahr: 
hunderts jind Ziegelfteine im Klojter Jburg verwendet wor: 
den. Auch zu dem Heringhauſer Gebäude, welches wir als 
mittelalterlihen Speicher bingeftellt haben, find zum Teil 
Ziegeliteine verwendet; aber jie find von ganz anderer Ge: 
ftalt und Bearbeitung, namentlich viel dider. Won bejon- 
derer Dide!) find auch einige auf dem Dünnemeierjchen Gute 


nächit das Fleiſch bejeitigt habe, empfiehlt fich; dies Verfahren dürfte 
indes einer jüngeren Periode angehören. Vergl. übrigens Hoſtmann 
im Archiv für Anthropologie Bd. VII. ©. 288 und Eder ebenda 
Bd. X. ©. 14 ff. 

) Die Breite beträgt I4cm, die Dicke ſtark 7em. Die Länge iſt nicht 


gefundenen (mittelalterlihe?) Ziegelfteine. Hingegen ift beim 
Abbruch der Kirchen in Glane und Laer (13. Jahrh.), der in 
den 70er Jahren ftattitand, Fein Ziegel vorgefunden worden. 

Ziegel müſſen in dieſer Gegend überhaupt auffallen. 
Zum Bau der Wohn: und Wirtichaftsgebäude braudte man 
feine Steine, und wo man ihrer bedurfte, da bot ſich der 
natürliche Stein in unmittelbarer Nähe fowol in Iburg wie 
in Laer. Für die leichte und bequeme Gewinnung des Laer: 
ſchen Steines fpridht der Umstand, daß wir ihn jchon bei 
den Urnengräbern und den Ofen verwendet fanden. Ein 
ausgedehnter Gebrauch iſt deshalb auch jelbit in den legten 
Sahrhunderten von dem Ziegelitein hier nicht gemacht wor: 
den. Indes gelang es und do, eine Sammlung der ver: 
Ichiedenften Steine meilt aus dem vorigen und der erjten 
Hälfte unferes Nahrhundert3 zujammen zu bringen, aber 
feiner ftimmte auch nur annähernd überein mit ben Herd— 
jteinen von SHerinahaus und den Dfenfteinen von Dünne— 
meier. Unterdejjen erfuhren wir durch Herrn Dr. Kappelhoff 
in burg, daß feiner Erinnerung nad der Kolon Bogeljang 
in Oftenfelde (Glane) vor Jahren ein gemauertes Grab ge= 
funden babe, in welchem Urnen enthalten gemwejen fein. Wir 
begaben uns deshalb an Ort und Stelle und erfuhren von 
Vogelſang Folgendes: 

Vor etwa 20 Jahren habe er auf der anderen Seite 


feitzuftellen, da weder Dünnemeier nod wir ein ganz unbejchädigtes 
Eremplar gefunden haben. Sie wurden auf einem Plate gefunden, 
auf dem ehemals vier uralte hohle Linden ftanden. 

Der Plab iſt mit Holgafche bedeckt. Da in Folge deifen Die 
Plaggen dort jehr qut wachen, werden fie oft geichaufelt, ſodaß die 
Steine ehedem gewiß mehrere Fuß tief im Poden geſteckt haben. 
Dieſem Plage gegenüber auf der anderen Ceite des Weges fteht jun: 
ger Birkenſchlag, bei deſſen Anpflanzung Dünnemeier auf Mauerrefte 
geitogen it, die er für das Fundament eines Heiligenhäuschens ge: 
halten, von dejjen Dajein aber feine Erinnerung vorhanden ift, 


91 


der Yanditrage,!) ungefähr jeinem Hofe gegenüber, auf einem 
Kampe, den man Heedoft (Haidhorit? Heidenhorit?) nenne, 
und mo e3 nach dem Bollsglauben jpufe, ein Stüd Waldung 
ausgerodet, dabei fei er auf einen ebenfalls mit Schlagholz 
bewachienen Hügel aejtoßen, in dem: fich ein aus Ziegelfteinen 
gebautes Gewölbe gefunden habe. In der Hoffnung bier 
einen vermauerten Schat zu finden, jei er mit der Deffnung 
auf das Voriichtigite zu Werke gegangen. Aber jtatt des 
Scapes hätten nur drei Urnen in dem Gewölbe geitanden 
und jonft gar nichts. Zwei von gleicher Größe hätten neben 
einander, eine dritte kleinere davor geftanden, alle drei hätten 
nur Aiche ohne eine fonftige Beigabe enthalten und jeien mit 
einer Ihonplatte zugededt geweſen. 

Die Zeihnung des Grabes auf Tafel IX. iſt nach den 
Angaben Vogelſangs angefertigt, für die Yänge war ein 
jicherer Anhaltspunkt dadurch gegeben, daß Vogelſang ſich 
in das Grab hineingelegt hatte, was aber nur durch Nei: 
gung des Kopfes möglich geworden war. 

Der Boden des Grabes war aus Xaerichen Steinen 
hergeftellt, alles andere aus Ziegeliteinen, deren Zahl unge: 
fähr 500 betragen babe. Der Mörtel fei aber jchlecht ges 
wejen, jodaß der ganze Abbruch mit der Schaufel hätte be- 
werkitelligt werden können. Vogelſang hatte vermutet auf 
den Ziegeliteinen die Namen der dort Beigejeßten zu finden 
und jie deshalb unter der Pumpe mit einem Faßbeſen Stüd 
für Stüd gereinigt — indes ohne einen Buchſtaben zu finden. 

Die Urnen haben jeine Kinder als Spielzeug verbraudt; 
die 300 Steine hatte er wieder vermauert. Xeider fonnte 
weder er noch der Maurer, der auch beim Abbruc des Gra— 
bes mitgewirkt hatte, ji) der Stelle ihrer Wiederverwendung 
erinnern; es iſt auf dem Hofe jeit jener Beit viel gebaut 





) Ce iſt dies der alte am Gebirge entlang laufende Yandweg; derielbe 
iſt jet mit einem Steinfchlage bededt, 


— 


und faſt alles Mauerwerk nach dortiger Sitte verputzt, ſodaß 
die Steine nicht ſichtbar ſind. Die Beſchreibung ſtimmte 
indes genau mit der von Heringhaus und Dünnemeier ge— 
gebenen überein. Um nad) Möglichkeit ſicher zu gehen brach— 
ten wir jpäter eine Reihe verjchiedener Ziegel zu Vogelſang, 
aus der er den ähnlichiten herausſuchen follte: er griff ohne 
Weiteres nad den Dünnemeierſchen Ziegel und jaate: „Das 
iſt ganz derjelbe Stein, ich habe 300 davon abgewajchen 
und kenne fie,’ 


Ergebuniſſſe. 


Es kann hier nicht unſere Aufgabe ſein, auf Grund 
dieſer Funde Schlüſſe allgemeiner Natur für die Altertums— 
wiſſeuſchaft zu ziehen. Wir glauben zwar, die einſchlägige 
Litteratur, ſoviel uns möglich war, zu Rate gezogen zu haben, 
allein wichtiger als ſie iſt hier die Erfahrung und ein gutes 
Muſeum — und beides fehlt und. Wir haben uns daher 
gerne darauf beſchränkt, das, was wir ermittelt, ohne Rück— 
jicht auf andere Funde durch Wort und Bild möglichſt forg: 
fältig darzuftellen, um jo den berufenen Forichern vielleicht 
einige brauchbare Steine zum Ausbau der Altertumswijjen: 
haft darzubieten. Ein naheliegender Schluß aber iſt der: daß 
der jüdliche Abhang des Teutoburger Waldes bereits in früher 
Zeit kultivirt gewejen iſt und eine verhältnismäßig nicht 
unbedeutende Bevölkerung gehabt hat, was bei der fchon 
von Norbert gerühmten Fruchtbarkeit des Bodens nicht zu 
verwundern tit. 

Eine etwas eingehendere Erörterung verlangen indes 
die Ziegeljteine, die wol den interejlantejten Teil des Fun: 
des ausmachen. Wir waren bier ganz auf die Ausfagen 
der Finder angewieien. Ihre Glaubwürdigkeit fteht zunächft 
außer allem Zweifel; alle drei jind in der Gegend und ung 
perjönlich als durchaus ehrenwerte Männer befannt, die über: 


93 


dies nicht das allermindefte Intereſſe daran hatten, uns irre 
zu führen; feinen Pfennig haben jie von uns genommen 
und nur Nachteil gehabt. Man war auch darüber im Un: 
Haren, was wir eigentlih wollten: Siegener Steingut, 
mittelalterlihe Münzen, Kiſten, Schnigwerk brachte man ung 
oder erjuchte uns, e3 zu bejehen; gerade das, was wir für 
wichtig hielten, darauf legten jie gar fein Gewicht. Außer: 
dem wußte Heringhaus von dem Funde Dünnemeiers nichts, 
und beide nichts von dem Vogelſangs, obwol derjelbe da— 
mals gleich in Iburg befannt geworden war, woſelbſt wir 
ja aud über ihn erfuhren. Diejer aber war nicht im Vor: 
borgenen gemacht, es lebten noch mehrere Augenzeugen. 

Abfichtlihe Täufchung war hier von vornherein aus: 
geichloffen und unmöglich; es fann ih nur darum handeln, 
ob die Steine an allen drei Stellen derjelben Art waren, 
und in dem einen volljtändig erhaltenen Gremplare eine 
Probe davon vorliegt. Hier iſt ein Irrtum immerhin dent: 
bar, aber auch nicht wahrfcheinlid. Denn die Übereinftim: 
mung des Urteils dreier Perſonen, von denen feiner das 
de3 anderen und unjeren Zwed fannte, Spricht gegen einen 
jolden. Es ift dabei auch ferner zu beachten, daß das 
nicht überladene Gedächtnis eines Bauern das, was e3 ein: 
mal aufgenommen, zähe feithält, zumal wenn es fih um 
ſolche Gegenjtände des täglichen Lebens handelt. War doc 
allen Dreien bei ihrem Funde, dejjen theoretijche Wichtigkeit 
jie nicht ahnten, der praftiiche Wunsch aufgeltiegen und leben: 
dig geblieben: gäbe es doch jetzt noch ſolche Ziegeljteine! 
Unjeres Eradtens kann man daher unbedenklich den Aus: 
jagen der Finder Glauben jchenfen. 

Aber auch wer das nicht will, fann doch die Thatfache 
nicht in Zweifel ziehen, dab bier ein Ziegelfteingrab mit 
Urnen gefunden it, bier in dieſer jteinreichen Gegend aljo 
bereit zur Zeit des YLeichenbrandes Ziegel gebaden find. 
Das ijt eine Thatfache von bejonderer Wichtigkeit, zu deren 


94 





Erklärung nur zwei Wege offen ftehen: entweder haben die 
heidniihen Sachſen ſchon Ziegel gebrannt oder aber dieſe 
rühren von einem fremden Bolfe, von den Römern, ber. 
Die erite Annahme widerjpricht Allem, was uns über den 
damaligen Kulturzuftand der Sachſen bekannt ift und fann 
ernftlich erft dann in Betracht gezogen werden, wenn analoge 
Funde gemacht find, deren ſächſiſche Herkunft unantaftbar ift. 
Somit bliebe nur die Annahme, daß die Ziegel römiſchen 
Urjprungs find und damit zulammenhängend die weitere 
Annahme, daß jih hier in der Gegend irgendwo ein Stand: 
quartier der Nömer befunden habe; denn ein bloßer Durd)- 
zug ſchließt die Herjtellung von Ziegeln doch wol aus. Nach 
dem Plate möchten wir wol nicht lange zu juchen haben, 
das alte castrum burg!) würde die größte Wahricheinlich- 
feit für ji haben. Vielleicht möchte eine jorgfältige Durd) 
forihung der Grundmauern der Abtei Iburg und der Nefte 
der alten Umfaffungsmauern noch zu weiteren Nefultaten 
führen. 

Die bei Heringhaus und Dünnemeier gefundenen Ziegel 
brauchen indes feineswegs von den Römern jelbit dorthin 
gebracht fein; nach ihrem Abzuge werden die Sachſen ihren 
Nachlaß wol zu verwerten verftanden haben. Vielleicht haben 
fie ſich ſogar die römische Technik angeeignet und eine Zeit 
lang jelbit geübt, auf feinen Fall aber fommt man um die 
Annahme römischen Einflujfes herum. Denkbar ift es indes 
wol, daß auf dem Heringhaufer Totenfelde ſich auch noch 
andere Ereignijje abgejpielt haben, und die Opferftätte an 
den Teufelsiteinen wie die Urnengräber mit den Ziegelitein- 
herden in feiner zeitlichen Verbindung ftehen. 


) „Vielleicht auch hatten die Nömer in der Gegend von Iburg oder in 
der Nahe ein Kaltell, und da dieſes von den Aufſtändiſchen bedroht 
war, jo mußte es raſch entjegt werden und der Feldherr (Varns) 
hoffte vielleicht noch rechtzeitig hinzugelangen, che es von den Fein— 
den eingeſchloſſen war.“ Knoke a. a. O. S. 115. 


95 





Daß die Römer in diefer Gegend Handel betrieben ba: 
ben, jcheint durch die Bronzegegenitände, die dod) feine ein- 
heimiſche Arbeit find, außer Frage zu ſtehen. Soweit bekannt, 
ift indes nur eine, ſchon von Mommijen verzeichnete, römijche 
Münze, und zwar am Fuße des Urberges gefunden worden. 
Aber es hat hier in der Gegend auch nie ein Sammler 
eriltirt; die Münzen ind deshalb, falls ſolche gefunden find, 
mit den Ringen und anderen Schmudjadhen in die Werk: 
jtätten der DOsnabrüder Goldichmiede gewandert. Auch von 
dem, was in dieſem Auflage beſprochen ift, würde ſchwerlich 
eine Kunde in weitere Kreije gedrungen fein, wenn nicht ein 
Zufall zu den Unterfuhungen, deren Ergebnifje hier darge: 
legt find, die Veranlafjung gegeben hätte. 

Schneider nimmt eine Frankenitraße den Teutoburger 
Wald entlang laufend an; aber jchon die Lage der Bauern: 
häuſer jcheint dafür zu jprechen, daß der Weg älter und 
urjprünglid ift. Das Ziegeljteingrab lag faſt unmittelbar 
an dieſem Wege, und die Vorliebe der Römer, ihre Gräber 
an den Wegen zu errichten, it befannt. Doc wir wollen 
uns feinen Bermutungen überlafjen, zu deren Begründung 
der Umfang unjerer Unterfuhung nicht ausreicht. Wir find 
zufrieden, wenn unjere Arbeit mit dem Anfange nicht auch 
den Schluß diefer Unterfuchung bildet, und jie in einem 
weiteren Rahmen in Angriff genommen wird, als e3 ung 
möglich war. !) 

!) Herr Prof. Dr. Yindenfchmit, Direktor des rom. und aerm. Gentral: 
muſeums in Mainz Iprechen wir für jeine wohlwollende Beihülſe 
unjern herzlichen Dauk aus. 


III. 


Ueber den Stammijis des Geſchlechts 
von Wolmeringhanjen. 





Bon 


Aug. Heldmaun, 
Pfarrer zu Michelbach bei Marburg. 





Das Geſchlecht von Wolnteringhaufen, welches im Wappen 
nicht drei links gewendete Wiejel!), ſondern drei figende rote 
Eichhörnchen (2. 1.) in goldenem Felde führt, die beiden obern 
gegen einander, das untere lintS gewendet, auf dem Helm 
einen offenen Flug, auf jedem Flügel ein Eichhorn in figender 
Stellung, und 1632 mit Johann Otto von W. im Manns: 
ftanıme ausjtarb, gilt meilt für ein waldedijches. Am mei: 
jten befannt geworden ijt Otto von Wolmeringhaujen, geb. 
1538, heſſiſcher Nittmeifter und Kriegsrat zu Cafjel, Oberiter 
des oberrheiniſchen Kreifes, 1589 waldeckiſcher Oberſcholarch, 
y 18. Oftober 1591 zu Corbad und begraben in der Kirche 
St. Kilian dajelbit, wo ihm der dajige Pfarrer Georg Nym— 
phius eine zweieinhalbjtündige Leichenpredigt hielt und feine 
Wittwe Mechtilde, geb. von Viermundt-Oeding ein Epita: 
phium?) jegen ließ, welcher unter dem Erzbiſchof Gebhard 
Truchſeß von Göln die Nolle eines weltlichen Kirchenkom— 
miſſars im Herzogtum Weftphalen abgab und durch Herein- 
ziehung von heſſiſchen und waldediichen Geiſtlichen ſich als 
bejonders eifriges Werkzeug zur Durdführung der truch— 
jejjiichen Pläne bewies. 


1) Fahne, Urt.:®. des Gejchlehts Mejchede. Taf. XXVI. 
?) Ubgedr. bei Gurke, Gejchichte der Et. Kilianstirdde zu Gorbad). 
1843. S. 298 ff. 


97 

Die über den Stammfig dieſes Geſchlechts gebildete 
Heine Litteratur ijt bei Seiberg, Quellen, III. ©. 247—250 
enthalten, ohne daß Seibertz zu einem jiheren Ergebnis ge- 
langt iſt. 1) Caspar Chr. Voigt von Elspe, der Con— 
vertit und kölniſche Amtmann zu Medebah, jagt in jeiner 
ducatuum Angariae et Westph. delineatio (1694) von 
der Freigrafſchaft Züſchen: In hac comitia stetit olim ca- 
stellum Stoltzenberg super pago Hesperen, sedes origi- 
naria dominorum de Wolmeringhausen. Sie enim legi- 
tur in reversali domini Meinolphi de Büren sub dato 
1382, quod Meinolphus de Büren senior admodum re- 
verendo de Wolmeringhausen wohnhaft auff dem Stolgen- 
berge over Heipern gelegen, cesserit octo modios frumen- 
torum.!) Weil die Gejchlechter ſich in der.Negel nad ei: 
nem Stammorte benennen, jo meint Seiberk, daß bier jeden: 
falls ein Irrtum vorliege, wie auch 2) in der Angabe von 
Steinend: „Wolmeringhaujen in der Grafſchaft Arnsberg 
bat einer Familie gleihen Namens angehört, ſo 1619 nod) 
gelebt hat”,2) weil das Dorf Wolmeringhaufen am Neger: 
bach im Kreije Brilon, welches von Steinen im Sinne babe, 
weder je zur Grafichaft Arnsberg gehört, noch hier das Ge- 
ihleht von Wolmeringhaujen begütert gewejen. 3) Eure?) 
folgt zwar der Angabe von Steinens, ijt aber fpäter zu dem 
Ergebnis gekommen, daß die in VBarnhagens mwalded. Reg. 
Geſch. I, 61 erwähnte Wüftung Wammerenghufen oder Wam— 
rihhujen zwiſchen Corbach, Strote und Höringhaufen ber 
Stammjig des Geſchlechts gemwejen, weil bafjelbe jeit der 
Mitte des 14. Jahrh. in waldeckiſchen Dieniten geftanden 
und zu Meinringkaufen, Strote und Malberg, jowie den 
dajigen Wüftungen Rederfufen und Ryſſinchuſen begütert ge: 








) Seibertz, Quellen II, S. 191. — ?) Weſtph. Geſch. Hiſtorie der 
Ritterſitze St. 14, ©. 1646. — *) Geſch. und Beſchreib. Waldecks. 
S. 245. 

XLIV. 1, 7 


98 


wejen, der Umlaut a in o und die Verichmelzung des 1 mit 
m im Munde des Volks nichts Auffallendes haben Tönne. 
In diefer Gegend habe das Geſchlecht den Burgiig zu Meins 
ringhaufen vom Abt zu Gorvey feit ältejter Zeit zu Lehen 
gehabt, und als das Geſchlecht mit Joh. Otto von W. 1635 
erloihen, habe der Abt Joh. Chriſtoph 1636 den Curt von 
Twiſte, der die ältefte Tochter oh. Ottos von W. gehei- 
ratet, mit dem Gute belehnt. Hermann von W. nenne 1570 
den Burgjig Meinringhaujen „die uralte Stammesbehaus: 
jung“, weil er fie wol mit dem nahen, wüjt gewordenen 
MWammerighaufen identifiziert habe, das 1313 noch als eine 
villa vorfomme. In der Nähe habe ferner der Hof Rede: 
ringhaufen gelegen, !) welcher 1623 mit 3/4 des Zehnten den 
von W. gehört .habe. Kloiter Bredelar habe 1526 an Wal: 
def a) die Wüftung Riſſinghauſen zwiſchen Meinringhaujen 
und Höringhaufen, b) einen Hof zu Nederinghaufen, c) einen 
Hof zu Höringhaufen mit der gedachten Wüftung überlafjen 
und es jei anzunehmen, daß der letzte Hof zu den Höfen 
von Wammrichhaujen gehörte, welche noch 1787 von Höring— 
baufer Bauern unter dem Namen der Wammeringhaufer 
Höfe bewirtichaftet wurden. Seiberk findet jedoch auffallend, 
daß die Familie von W. niemals von Wammerinchuſen ge— 
nannt werde, und diefe Wüftung jchon 1313 dieſen Namen 
führe. 4) P. Kampſchulte, welchem Seiberk zuneigt, in 
jeiner Geichichte des Almegaues?) verjegt den Stammſitz Des 
Geihlehts in die Gegend von Almen und erflärt den im 
Güterverzeichnis des Kl. Bredelar von 1416 aufgeführten Hof 
Barmerinhujen?) und die Ortihaft Walberinghaujen, welche 
zum alten Freibanne Haldinghaujen gehörte, für identisch 
mit dem wüjten Kirchdorfe Wolmeringhaufen bei dem Weiler 
Lohe in der Pfarrei Alme, deffen „alte Kirche” bis in Die 


1) Barnhagen I, ©. 56. — *) Zeitjichrift für weftph. Geſch. 23, 290. 
20, 539. — ?) Seiberg, Quellen I, 154. 


99 


Neuzeit prozefiionsmweije von Alme aus bejucht wurde. Durd) 
Rezeß vom 1. Mai 1546 habe Gerd von Mejchede zu Almen 
den Bewohnern de3 Dorfes Ratlinghaufen die Grashute in 
den Gründen von Wolmerinkhauſen geitattet,) und 1577 
babe Dtto, 1619 Joſias von W. zu Oberalme gewohnt: AI. 
Bredlar habe 1423 den ganzen Zehnten zu Wolmeringhaujen 
durch Tauſch erworben. 

Die Nachricht C. Chr. Voigts von Elspe, daß der 
Stammſitz des Geſchlechts in der ehemaligen Freigrafichaft 
Züſchen bei Hallenberg gewejen fei, muß als richtig ange: 
jehen werden, da jich diejelbe, abgejehen von der von ihrem 
Verfaſſer angeführten Urkunde von 1382 auch Jonft urfund- 
lih nachweiſen läßt. Untgefehrt läßt fi urkundlich nad) 
weilen, wie das Geichleht die Güter zu Meinringhaufen, 
Alme 2c. erworben und daß es diefelben urſprünglich nicht 
bejeffen hat. Beide Gütererwerbungen und die deshalbigen 
Urkunden reihen nicht über das 16. Kahrhundert hinauf. 

Mammerihujen mit Leuten und Zubehörungen ge: 
hörte den Edelherrn von Itter. Heinrich III. von Itter ver: 
Ihrieb 5 Marf Einkünfte aus feinen Gütern dajelbit 1296 
(12. März) für ein Burglehen von 50 Mark dem Land: 
grafen Heinrich von Heffen zugleich mit der Öffnung feines 
Schloſſes Itter.“) Derjelbe Heinrich III. von Itter und 
jein Sohn Henrich tragen 1313 (22. Sept.) ihre eigenen Höfe 
zu Wammerihujen und Heyerichhufen dem Grafen Johann 
von Ziegenhain auf und empfangen jie von ihm als Yehen 
zurüd.3) 1326 (2. Dftertag) verlaufen Tilemann I. von 
Itter und feine Frau Cunegunde mit ihren Söhnen, jomwie 
feinem Bruder Johann dem Grafen Henrich von Walded die 
Vogtei und Gericht zu Höringhaufen ſammt dem Zehnten zu 





1) Sahne, Urk.B. von Meſchede. ©. 184. 
2) Kopp, Hiltor. Nachr. von den Herrn von Itter 1751, Wr. 49. 
2) Kopp x. S. 80. 


7* 


100 


Schyveliheid!) und Wammerenhufen und anderen Gefällen 
auf eine Wiederloje für 100 Mark Pfennige.?) 

Die Wüftung Rederinghaujen bejaß in alter Zeit 
da3 gleichnamige Geſchlecht von Rederinghaufen, welches um 
1400 mit Gurt von R. ausitarb. Letzterer hatte bereits 
1367 einige von den Herren von Itter lehnrührige Güter 
der Wittwe des Hermann Gaugrebe und ihren Söhnen Diet- 
rih und Hermann aufgelafien, welche von Adolf von Itter 
belehnt wurden, andere dem Ritter Brojede von Viermynne 
(Viermundt) verkauft, darunter ein Gut zu Berndorf (1394), 
ſowie Zehnten zu Nederinghaujfen. Mit einem Bierteil die— 
je3 Zehnten wird Brojede vom Grafen Henrich von Walde 
(1394, 23. Juni) belehnt. Anſprüche, welche Heinrich von 
Elle an diejen Zehnten hatte, trat diejer 1402 an Brojede 
ab.?) Ein anderes BVierteil des Zehnten zu Nederinghaujen 
hatte die bejjiiche Familie von Gudenberg (erlojchen 1534 
und verihieden von den Wolf von Gudenberg) von Walded 
zu Lehen. (Landau heil. R.B. 4, 259). Das Dorf Mein: 
ringhauſen, wozu die Jurisdiktion, Zehnten und Dienfte 
gehörten, gab 1460 Graf Wolrad von Walded an den Land- 
broften Henri von Immighauſen (Ymmekusen) auf Lebens: 
zeit zur Hälfte als Pfandichaft, zur Hälfte aus Gnade. Mit 
dem Genannten jtarb dieſes Gejchlecht gegen Ende des 15. 
Sahrh. aus. Darauf erhielt Hermann von Wolmeringhaujen, 
1481 Hofmeilter des Grafen Philipp, „um treuen Dienſtes 
willen” das Dorf Meinringhaufen zuerit als Pfandſchaft, 
dann fein Sohn Yohann von W. 1502 als Lehen. Deſſen 
Sohn Hermann von W. wurde nebit den von Grafichaft 
1528 mit allen Lehnsftüden des Henrich von Immighauſen 
belehnt. 1522 verfaufte Graf Philipp dem Johann von W. 
auch das Dorf Strote und 1533 belehnt Graf Johann die 
von Wolmeringhaujen mit dem Hofe Rederkufen, Gütern zu 





1) Wüftung bei Höringhaufen. — ) Kopp x. ©. 100, Nr. 64. 87. 
2) Mnfe. des Hauſes Nordenbed. 


101 


Riſſinchuſen und dem ‚freien Burgjaß in dem Malenberge.“) 
Ein Viertel des ganzen Malbergs bejaßen die von Cratzen— 
ftein zu Dorfitter, welche dafjelbe 1585 an die von Wolme— 
ringhaufen verkauften, worauf legtere mit diefem Bierteil 
von Walded belehnt wurden. 

Die Bezeihnung Meinringhaujens als „uralte Stammes: 
behaujung” der von W. ift bedeutungslos und findet fich 
auch bei anderen Geſchlechtern 3. B. gleichzeitig bei den von 
Viermudt bezüglich ihres Schloſſes Nordenbed, welches aud) 
jie erſt jeit 1369 bejaßen. Nur foviel ift richtig, daß die 
von W. einen zu Meinringhaujen gelegenen Erbhof bejaßen, 
welchen jie 1595 an das Klofter Berich verkauften, und Lehns— 
ftüde des Stifts Corvey, ohne daß damit etwas über den 
Stammfig bemwiejen wird. 

Die Güter zu Alme endlih haben die von W. durd) 
Heirat Hermanns von W., Johanns Sohn, mit Anna von 
Meihede, Tochter Goddert3 von Mejchede, 1527 erworben, ?) 
und deshalbigen Vergleih 1556 (28. April) durch Schieds— 
freunde abgejchlofjen. ?) 

Dahingegen weiſen die älteren Urkunden auf bie Frei— 
arafihaft Züſchen als Stammjig des Geſchlechts hin. Die 
von W. erſcheinen namentlich vielfach als Zeugen und Sieg: 
ler in Urkunden, welche in oder bei Hallenberg, Battenberg 
und Berleburg von dortigen Geſchlechtern ausgeftellt find. 
Es liegen u. a. folgende vor: 

Henrih von Wolmerkujen ift Zeuge: 1311 1. Septbr. 
neben Conrad von Dedenshufen, als des letteren Vater 


") Eurge, Beſchr. x. S. 246 und 655. 

2) Kampſchulte, weftph. Zeitfchrift 23, ©. 257: „Um die Mitte des 
16. Jahrh. ftarb die Linie von Mejchede zu Oberalme im Manns: 
ftamme aus; zwei Erbtöchter brachten die Güter auf zwei fremde 
Familien von Wolmerinfhaujen und von Bodenhaufen. Dietrich) 
von Bocholtz, Bl. zur Kunde Weitf. 1868. ©. 30. 

3) Fahne, Urk.B. des Geſchlechts Meſchede, Nr. 334, 


102 


Gottfried von D. bekundet, daß er mit feinem Blutsver: 
ten Friedrich von Hörde gegen den Willen feines Bruders 
Godebert von D. von zwei lippiihen Bürgern deren Teil 
an der Curie Niferswic mit Lehnreht und Zubehör ge: 
fauft hat;!) 

1322 neben Conr. von Diedenshaufen und Arnold von 
Beltershaufen, als Gurt von Lynne und ux. Güde ihre Güter 
zu Diedenshaufen, gen. das Sammengut, an Glaricia, des 
Nitter Eberhard von Viermynne Wittwe, verkauft, wobei 
Gerlah von Viermynne fiegelt;?) 

1329 neben Gerlad und Dietrich von Viermynne und 
Gerlah von Diedenshaufen, al3 der Knappe Tammo von 
Beltershaufen und ux. Catharina die halbe Vogtei Linsphe 
und das halbe Gericht zu Bromskirchen den Brüdern Conr. 
und Gottfried von Diedenshaufen verkaufen. 3) 

Derielbe Henrih von Wolmerkufen ift 1337 neben Con— 
rad von Diedenshaujen Bürge für den Grafen Syfried von 
MWittgenftein. *) 

1338 15. Juni. Auf Bitten Guthes von Wolmerkufen 
und der Frauen des Conr. von Diedenshaufen und Gonr. 
von Biermynne entläßt Conrad von PViermynne und fein 
Bruder Adolf eine Eigengehörige.) 

1383 25. Mai. Johann von Wolmerkuſen ift Siegler, 
al3 Gerhard von Therfe (Derih) und feine Söhne Gerlad) 
und Johann einen Hof zu Röddenau dem Klofter Haina zu 
einem Seelgerede für ihre und ihrer Eltern Seelen über: 
geben.?) 

2) Fahne, Bocholk IT, 83. 

?) Rotulum documentorum transsumptorum, eine 1581 notariell an- 
gefertigte Gopie von 698 Urkunden des Geſchlechts von Viermundt 
(1308— 1562) Nr. 76. 

’) Marb. St.Archiv, Elbringhaufen. 

) RBerleburger Archiv, Rep. Nr. 149. 

°) Wyß, U.B. der Deutſch-O. Ballei Heffen. II, 660. 

°) Marb. St.Archiv, Kl. Hainaiſches Cop.Buch Nr. 881. 


103 


Die jet wüften Orte Linsphe und Beltershaufen waren, 
wie das noch vorhandene Diedenshaufen, auf der heſſiſch— 
fölnifhen Grenze im Amte Battenberg gelegen, die von 
Diedenshaufen und Viermynne, jeit 1336 durch Ganerbichaft 
verbunden, fölniijhe Burgmänner zu Hallenberg. 

Die von Wolmeringhaufen jind im Bejig arnsbergiſch— 
fölniiher Lehngüter zu Nerdar bei Corbad. Im Güter: 
verzeihnis des Grafen Gottfried IV. von Arnsberg (1338) 
ift Gobel von Wolmerindhufen beliehen mit 3 Curien zu 
Neder, dem Kirchenpatronat und den Einkünften von 4 Solibi 
fowie allen Gütern, welde er in Beldene (Bilden bei Mes 
debach) unter hat; desgleichen hat Johann von W. von dem: 
jelben Grafen von Arnsberg zwei Haupthöfe zu Kirchneidern 
und den Wildpark, genannt „Sundern‘ zu Bilden zu Lehen, 
jowie Thomas, genannt Nymeren v. W. einen Haupthof, 
einen Nebenhof und ein Waldjtüd in Vilden.!) Nach einer 
Urkunde des Richters zu Corbach vom 14. Septbr. 1430 ijt 
vom Erzbiichof Friedrich III. von Cöln (1370 — 1414) be: 
urfundet,?) daß ihm „Johann von Wolmerkuſen mundtlichen 
und in unjer Jegenwordicheit Solche twene Hove zu Nerdar 
und daß Firchlehen darjelbes, jo er das von unß zu Lehen 
hadde, den wir doch gerne behalden heiten vor einen Man 
umb Berdenftes willen, den er vnſern vorfahren und vnſerm 
Stifte gedan hadt“, aufgelagen habe zu Gunften des Thilo 
Becheling, eines in den Fehden in Heſſen und Walded in 
jener Zeit befannten Ritters, was ebenwol die von Wolme— 
ringhaujen als arnsbergiſch-kölniſche Minifterialen kennzeichnet. 
Thilo von Becheling, in deilen Beſitz dieſe Lehnhöfe im Be: 
ftande des Marſchallamts von Wejtphalen (1368) vorkom— 
men, ließ diejelben dem Friedrih von Padberg auf, welder 
fie 1411 nebſt Kirchlehen und Holz dem Brojede von Bier: 


1) Seiberg, Urk.B. II. Nr. 665 5.291, 295,296. Nr.795, ©. 538, 
*) Rotulum doc. trans. Nr. 107—110 und 161, 








104 





mynne für 100 rhein. Gulden verfegte und 1416 nad) einem 
Zuſchlag von 50 Gulden zur Pfandjumme verkaufte, worauf 
Erzbiichof Dietrich Brojedes Sohn, Conrad von Viermundt, 
mit diejen Gütern, fowie einem Burglehen zu Hallenberg 
belehnte, 22. Februar 1430. 

Evident wird die Nachricht Voigts von Elspe durch 
folgende Urkunden: 

1404 4. Juli wird Gerhard von Ders, Gerhards Sohn, 
vom Grafen Johann von Wittgenftein belehnt mit einem 
halben Hof zu Achtelhujen, den bisher Henri von Wol- 
merfujen gehabt, worauf Gerhard von Ders Lehnsrevers 
ausitellt;!) 

1415 9. Auguft. Graf Johann von Wittgenftein be: 
lehnt den Heinrich von Wolmerkufen mit dem Zehnten zu 
Wolmerkuſen und Dreislar und dem Hof zu Franken: 
felde, worauf Henrih von W. am 10. Augujt Lehnsrevers 
augftellt über diefe ihm zu Lehen gegebenen Zehnten zu Wol— 
merfufen, Dreislar und den halben Hof zu Abresfujen.?) 

Hiernah kann es feinem Zweifel unterliegen, daß ſich 
das Gefchleht nach einem gleichnamigen, jegt wüſten Orte 
benannt hat, welcher in der ehemaligen Freigrafihaft Züſchen, 
im Amte Medebach oder in unmittelbarer Nähe der weſt— 
phäliichen Grenze in der Grafichaft Wittgenftein, wo auch 
die übrigen genannten jett wülten Gehöfte gelegen gewejen, 
zu ſuchen ift. Seiber& nennt Volemarinchuſen einen Ort im 
Amte Medebadh.?) Nah der von Voigt von Elspe ange 
führten Urkunde von 1382, fowie nah den Obigen von 
1383 und 1415 war der Stolzenberg, jet eine anjehnliche 
waldbefrönte Bergfuppe nordöftlih von Hesborn, bezw. das 
Dabei gelegene Wolmerkuſen noch von den von W. bewohnt. 
Mann dafjelbe wüſte geworden, ift unbefannt. Das weit: 





.)) Perleburger U. Rep. Nr. 571. — ?) Dajelbft Nr. 628 u. 629, 
2) Urk.B. IH, ©. 643, 


105 
phäliihe Neuterbuh von 1566, fowie die Matrifel der köl— 
niihen Ritterjchaft von 1584 wiſſen nichts mehr davon und 
fennen die von Wolmeringhaujen nur wegen ihrer Güter zu 
DOberalme als fölniihe Landjaflen, ebenſo die paderbornifche 
RitterichaftSmatrifel von 1603.1) 

In der Nähe von Hesborn, am Wege, ber über den 
jog. Galgenberg nad) Braunshaufen führt, befindet fich eine 
Feldflur, Wolmerkujen genannt, und der Teil des Durch dieſe 
Flur führenden Wegs heißt am MWolmerkufer Wege.) In 
diefer Flur wird daher der Stammſitz des Gejchlecht3 gelegen 
gewejen und die von W. als zu der zahlreihen Burgmann: 
ihaft von Hallenberg?) welche Kurköln auf diefem vorgeſcho— 
benen öftlihen Punkte unterhielt, gehörig anzujehen fein, 
bis das Geſchlecht, welches bereits jeit Alter3 mit arnsber— 
giſch-kölniſchen Lehngütern in Walded belehnt war, um 1420 
diefe aufgab, ganz in waldediiche Dienjte übertrat und fich 
in fruchtbarerer Gegend anfiedelte und belehnen lien. 


2) Seibertz, Duellen II, 219. 227. Bll. zur nähern Runde Weſtf. 
1869. ©. 163. 

2) Mitteilung des Herrn Vicarius Bergmann zu Medebad). 

s) Ein Garten „der von Molmerfufen vor der Oberporten“ zu Hallen- 
berg wird 1370 erwähnt. DB. zur Kunde Weſtf. 1869. ©. 85. 


106 


Stammtafel. Henrich von Wolmeringhaufen, 
Johann von W., 
1430— 1460 


— — — — 
Hermann, 


1480— 1500 


h. Eliſabeth von Rehen 


Johann, 
1500—1522 


h. Zeitlofe von Dalwigf 
— ln ln 
Hermanı, 


walded. Nat 1533— 1559 
h. 1527 Anna von Mejchede 


1. Otto, 2. Zeitloje, 3. Johann, 
geb. 1530, + 18. Oft. 1591, h. 1559 Chriltoph v. Mejchede. + zu Gorbady 21. Febr. 1577. 
heſſ. Kriegsrat, 1589 waldeck. Oberfcholardh, 
h. 1) 1570 Anna von Yandaberg, 


2) Mechtilde von Viermundt-Deding 
— e — — —ñ— — —— — — — — — ——— — 








ex I: 1) Anna, ex II: 4) Joſias, 

h. Hand von Wallenftein. + 1619, 

2) u. 3) Söhne, jung +. h. Luberta von Weftphalen, 
— — — — 


Johaun Otto, 
+1. Dez. 1635 in dem Niederlanden, 


h. Philippine von Biermundt-Bladenhorit 
nen, 


1) Mechtilde, 2) Anna Elifabeth, 
Erbin von Malberg, Erbin von Alme, 
Miterbin von Meinringhaufen, Miterbin von Meinringhaufen, 
h. Eurt von moi. h. Soh. Jobſt von Hanrleden zu Dftwig. 


IV. 


Propſt Friedrich von Klarholz. 


Ein Beitrag zur Geſchichte Weſtfalens 
im 13. Jahrhunderte 


von 


J. P. Schneider. 


Am 9. Juni 1203 ſtarb Biſchof Hermann II. von Münſter 
im Kloſter Marienfeld.!) Sein Tod fiel in eine ſtürmiſche 
Zeit; um den deutſchen Königsthron ftritten der Staufer 
Philipp von Schwaben und der Welfe Dtto von Braun: 
ichweig, und die deutſche Kirche konnte wegen der Stellung 
der Bilhöfe in der Reichsverfaſſung und wegen de3 Ein: 
greifens de3 Papſtes in den Thronftreit nicht unberührt von 
demjelben bleiben. In den erledigten Bistümern fpalteten 
ih die Wähler nad) den beiden Parteien und nur dann 
fand ein Gemwählter die päpftliche Anerkennung, wenn er dem 
Welfen anhing, auf deſſen Seite der Papſt fich geftellt hatte.2) 
Auch in Münfter fam e3 zu einer Doppelwahl, mit der zwar 
an jih die allgemeinen Neichsverhältniffe nicht unmittelbar 


) Meftfälifches Urkundenbuch III, Nr. 22. Hechelmann, Leben und 
Wirken Biſchof Hermanns I. in der „Zeitichr. f. vaterl. Geſchichte 
u. Altertumskunde“, Bd. 25, ©. 26. Münfter 1865. Tumbült, Die 
Münfteriiche Biſchofswahl des Jahres 1203 in der „Weftdeutfchen 
Zeitjchrift für Geichichte und Kunft“ III, 355. Trenkamp, Ueber 
Dtto I, Biſchof von Münfter, Grafen von Oldenburg im „Programm 
des Gymnaſiums zu Vechta 1882" ©.6, eine nicht jelten an irriger 
Auffafjung leidende Arbeit- Winkelmann, Philipp von Schwaben und 
Otto IV. von Braumjchweig I, 305 gibt irrtümlich den 8. Juni als 
Todestag des Bilchofs an. 

9) Vol. Winfelmann, a. a. O. I, 191 ff.; 183 ff., 142, 167 ff. 232; 
229, 248, 292, 376; 331, 366 bezüglich der Wahlen in Mainz, 
Würzburg und Halberitadt und der Abſetzung Adolf von Köln. 


108 


in Berührung ftanden, auf deren weitern Berlauf und 
ichlieglihen Ausgang jie aber keineswegs ohne Einfluß ge- 
blieben find. Ein Teil der Wähler erfor den Dompropft 
von Bremen, Otto von Oldenburg, Bruder des Bilchofs von 
Dsnabrüd), ein anderer den Propft Friedrich von Klarholz. 

Für den Propſt von Klarholz waren zwar nur wenige, 
meiſt jüngere Stanoniker, die ihm verwandt oder befreundet 
waren; dagegen hingen ihm die Edlen des Stiftes und vor 
allem deijen Obervogt, der Graf von Tedlenburg an?), für 
den eine günjtige Biſchofswahl leicht die Wiederlangung der 
alten Bogteirechte über das Bistum bedeuten fonnte, die um 
jo wertvoller jein mußte, al3 unter dem thatkräftigen Biſchof 
Hermann Stadt und Stift ſich mächtig entwidelt hatten. 3) 
Das Domkapitel hatte im Einverftändniffe mit den bijchöf: 
lihen Dienſtmannen und den Bürgern der Stadt die Thore 
geihlojfen und die Mauern mit Wachen verjehen, fo daß der 
Graf mit feinen Anhängern aus der Stadt ausgeichloffen 


) Meftfälifches Urkundenbuch III, 37. Möfer, Osnabrückiſche Gefhichte 
III, 3. 4. 20. Trenfamp, a.a.D. ©. 4 f. Tumbült, a.a.D. 357. 
Irrtümlich wird Otto bei Jung, Hist. antiquiss. comitatus Bent 

 hemiensis 235 und cod. dipl. XIII, ©. 35, und bei Hugo, Sacrae 
antiquitatis monumenta Stivagii 1725, ©. 16 Anm., fowie in den 
„Beichichtsquellen des Bistums Münfter“ I, 28 als Graf von Bent» 
heim bezeichnet. 


Weſtfäl. Urkundenbuch III, 25 und neu Vı, (Bapfturfunden) 195 aus 
dem Watif. Archiv Rgſtbd. 5 fol. 1269 Nr. 71. Annales Colo- 
nienses maximi in den „Monumenta Germaniae hist.“ Ss. XVII, 
811. Tumbült a. a. D. 356 u. ö. Trenfamp a. a. D. 7. 


Tumbült a. a. O. 363. Hechelmann a. a. D. 55 ff. Zur Ablöfung 
der drüdenden Bogteirechte hatte Biſchof Friedrih von Münster mit 
dem Grafen Heinrich von Tecklenburg einen Vertrag geichlofjen, der 
im Sahre 1178 durd den Bifchof Ludwig und den Grafen Simon 
erneuert wurde und den Tedlenburgern wohl die Stellung eines Ober- 
vogtes belieh, aber die Bejegung der Vogtei jelbit unmittelbar in die 
Hände des Biſchofs legte. Erhard, Regesta hist. Westf. II. cod. 
diplom. Nr. 361. Hechelmann a. a. D. 57. Tumbült a. a. O. 361. 


— 


3 


— 


109 


blieb; freilich Liegen ſich diejelben dadurch nicht hindern, nach 
eingelegter Berufung an den päpftlihen Legaten eine eigene 
Mahl vorzunehmen. Den Bremer Dompropit wählten der Bropft, 
der Dechant und der größte Teil des Kapitels; wenigſtens 
alle ältern Mitglieder defjelben mit einer einzigen Ausnahme 
ftanden auf feiner Seite, außerdem die ſämmtlichen Aebte 
des Bistums. Die Wahl war ganz in der vorgejchriebenen 
Weile, und, wie die Wähler verficherten, ohne jegliche Rück— 
fiht auf Verwandtichaft oder Freundichaft erfolgt !). Allein 
mag auch das kirchliche Intereſſe vorgemwaltet haben, ganz 
fehlten doc auch Nebengedanten wohl nicht. Die Biſchöfe von 
Paderborn und Minden, der Abt von Korvei und befonders 
der Graf von Tedlenburg waren eifrige Anhänger Dttos IV., 
jeine Gegner in Weitfalen, der Graf von Ravensberg und 
der Bilhof von Dsnabrüd, waren nit im Stande, die 
Sade der Staufer aufrecht zu erhalten?); wenn es num 
deswegen auch feineswegs, wie Tumbült will), undenkbar 
war, daß troß dieſer Verhältniffe das Münſteriſche Kapitel 
bei der Wahl die Intereſſen der Staufer im Auge haben konnte, 
jo fehlt zu einer derartigen Annahme doc) jeder weitere Anhalt. 
Bilhof Hermann hatte zwar die Kanzlerwürde, die ihm von 
Dtto übertragen war, niedergelegt und in den legten Jahren 
jeines Lebens vom politiihen Schauplage ſich zurüdgezogen, 
aber weder von ihm noch vom Domkapitel iſt befannt, daß eine 
Hinneigung zu Philipp von Schwaben ftattgefunden habe.*) 


1) ©. Anm. 2 vor. ©.; ferner Möfer, Osnabrückiſche Geſchichte IIT, $ 8 
Anm. e, ©. 21. 

2) Winfelmann I, 244. Qumbült a. a. D. 360. Möſer a. a. ©. II, 
82,86%. 

) a. a. O. 

*) Hechelmann a. a. O. 24 f. Tumbült a. a. O. 355. Vergl. auch 
Weitfäliiches Urkundenbuch III, Nr. 2. 8. 11. 15. In der Datirung 
diefer Urkunden jpriht Hermann von „zwei gewählten römijchen 
Königen, von welchen keiner bejtätigt jei”; ſpäter zählt er nur nod) 


110 


Und troßdem wurde ein Mitglied des Haufes Oldenburg 
und Bruder des Biſchofs von DOsnabrüd, eines Anhängers 
Philipps, gewählt, der gleichfalls ſtaufiſch geſinnt war! !) 
Die Gründe zu diefer Erſcheinung liegen auf der Hand. Es 
war vorauszufehen, daß der Bapft nur dann die Beitätigung 
der Wahl erteilen werde, wenn der Gewählte jid für Otto 
von Braunjchweig verpflichtete, nnd wenn nun das Kapitel 
ihm bier gewiljermaßen die Möglichkeit in die Hand legte, 
den Anhang feines Schützlings durch die Oldenburger zu 
verjtärken, jo lieg ji wohl erwarten, daß dieje Gelegenheit 
nit von der Hand gewiejen würde, und das Kapitel jelbjt 
erwarb ji durch die Wahl eine jtarfe Stütze gegen die 
Gelüfte der Tedlenburger. Bon Seiten des gewählten Bremer 
Dompropjtes Dtto wurde gleichfalls die Enticheidung des 
päpftlichen Legaten in Deutjchland, des Kardinalbijchofs Guido 
von Balejtrina, angerufen, vor dem die Barteien im Anfang 
des November 1203 zu Köln erjchienen.?) Die Wähler Dttos 
legten die Borgänge bei der Wahl dar und erjuchten um 
Betätigung derjelben und Verwerfung des Propite von 
Klarholz, deſſen Wahl ohne die Beobachtung der kirchlichen 
Vorſchriften und an ungeeignetem Orte nur durch wenige, 
dazu noch meijt jüngere Kanonifer erfolgt ſei. Allerdings 
fonnten die Anhänger des Propftes von Klarholz darauf 
erwidern, daß ein anderer Wahlort oder die Teilnahme an 
der Wahlverjammlung der übrigen Kapitelsmitglieder ihnen 
durch die Mahregeln des Kapitels, der Dienftmannen und 
Stadtbürger nicht möglich geweſen fei; aber immerhin 
blieben die übrigen Vorwürfe an ihnen haften. Für ihre 
nad) Jahren Chriſti mit Erwähnung der Regierungsjahre des Papſtes 
oder auch nur jeiner eigenen. Weſtf. Urfundenb. II, Nr. 17. 18. 19. 
1) Zumbült a. a. DO. 359. Trenkamp a. a. D. 17. Möfer a. a. O. 
S2u.8S.7ff. 
2) Weſtfäl. Urkundenb. III, 25 u. Vı, (Papſturkunden) 195. Tumbült 
a. a. O. 356. 365. Trenkamp a. a. D.7 ff. 





111 


Mahl jelbft und die Perfon ihres Gewählten wußten fie 
nichts vorzubringen; jie verlangten nur noch einen Ausitand, 
während ihre Gegner behaupteten, daß eine jofortige Ent: 
Iheidung mit Rüdjiht auf die Lage des Bistums dringend 
notwendig jei und fie überdies bereit3 18 Wochen Ausftand 
gehabt hätten.!) Der Legat befand jich in einer fchwierigen 
Lage: Sollte er beide Wahlen verwerfen oder nur die Fried— 
richs von Klarhulz und dadurd feinen Gönner, den Grafen 
von Tedlenburg, den eifrigen Anhänger Dttos IV., tief ver: 
legen?) Das mußte auf jeden Fall vermieden werden. 
Unrecht war auf beiden Seiten vorgefommen, aber die Wahl 
des Propftes von Klarholz litt an fo vielen Mängeln, daß 
an ihre Aufrechterhaltung kirchlicherfeit3 faum gedacht werden 
fonnte, während die Dito8 von Bremen doch unter den ber: 
kömmlichen Formen vor fich gegangen war. Es gab einen 
Ausweg; er konnte fi der Enticheidung entziehen und da— 
durch zugleih dem Wunſche der Partei des Propftes ent: 
gegentommen, und ohne, wie e3 fcheint, die Wahl überhaupt 
einer förmlichen und eingehenden Prüfung zu unterziehen, 


1) Weitfäl. Urktundenb. II, 25 und Vı (Bapjturfunden) 195. Tumbült 
a. a. D. 356, 369. Die Anfiht Trenkamps, die Anhänger des 
Propftes von Klarholz hätten vor der Wahl „inftändig um Aufichub 
nachgefucht“ und der Ausſtand von 18 Wochen falle in die Zeit vor 
der Wahl, widerjpricht dem Berichte des Papites vollitändig, auf den 
fie fi jtugen joll. Der ganze Zufammenhang läßt die 18 Wochen 
nur in die Zeit zwifchen der Wahl und den Verhandlungen vor dem 
Legaten jegen, und die Annahme, es jei überhaupt Aufſchub vor der 
Wahl erbeten worden, findet feinen Anhalt. Der Bericht jagt aud- 
drücklich: „Sie brachten indes nichts für ihre Wahl und ihren 
Gemwählten vor, fondern baten inftändig u. ſ. w.“ Bon einer Bitte 
aud der Zeit vor der Wahl ift nirgends Rede. 

2) Meber die Anhänglichkeit der Tedlenburger an Dtto vgl. Winkelmann 
0.0. O. I. 85, 141, 210, 244, 247; II. 874, 450. Tumbült 
a. a. D. 360. Graf Simon datirt nad) der Regierungszeit Ottos. 
Weſtf. Urkundenb. III, 14. 


112 


verwies er die Parteien an den Papſt, vor dem fie am eriten 
Sonntage in der Faitenzeit des nächſten Jahres, aljo am 
14. März 1204, erjcheinen follten. !) Den Anhängern bes 
Propftes von Klarholz war es wohl deshalb bejonders um 
die Verzögerung zu thun, weil fie dadurd hoffen durften, 
den König Otto zu Schritten für den Propſt zu bewegen. 
Allerdings konnte Otto, nachdem der Legat die Sade nad) 
Nom zurüdgewiefen und beſtimmt hatte, daß vorläufig feiner 
der beiden Gewählten die Verwaltung des Bistums über: 
nehmen folle,2) dem Propſte von Klarholz die Negalien nicht 
verleihen, wie Tumbült mit Recht hervorhebt;?) aber des— 
wegen war ihm doc keineswegs alle Möglichkeit entzogen, 
für denfelben einzutreten, und wenn in dem Termine vor 
dem Bapfte niemand ſich des Propſtes annahm,*) jo war 
das zwar nicht befonders verheißend für denjelben, beweiſt 
aber keineswegs, daß Otto es überhaupt abgelehnt habe, jich 
für Sriedrid zu verwenden; noch viel weniger ijt die Annahme 
Trenfamps anzuerkennen, daß der Bremer Dompropft dur 
die Dazwiſchenkunft des Königs Otto in den baldigen Belig 
des Stiftes gefommen fei;?) daß Dtto noch gegen Ende des 





) Weftf. Urkundenb. III, 25 u. Vs, 195. Tumbült a. a. O. 356,365, 
368. Trenfamp a. a. D. 7. Der Ausdrud Trenfamps: „Da der 
Legat nicht in der Lage war, den Etreit beizulegen“, läßt in feiner 
Unbeftimmtheit die wirkliche Sachlage nicht erfennen; feine Angabe, 
„die Parteien follten ji) bald nad dem Eonntage Invocavit in 
Rom einfinden“, ift nicht genau; die Vorladung erfolgte für den 
Sonntag Invocavit, wie das Schreiben des Papftes (Weſtf. Urkdb. 
a. a. D.) ergibt: „Prefatus episcopus eisdem iniunxit, ut domi- 
nica, qua cantatur Invocavit proximo preterita nostro se con- 
spectui presentarent.* 

2) Annales Colonienses maximi a. a. DO. Qumbült a. a. D. 365. 

8) a. a. D. 365 f. 

) Weitfäl. Urkundenbuch a. a. O. Zumbült a. a. O. Trenfamp a. 
0.0.8. 

5) a. a. O. 8 ff. 


113 


Jahres 1203 den Domkapiteln die alleinige Wahl der Biichöfe 
überwiejen habe, ift durchaus unermwiejen,!) und jelbjt wenn 
dies richtig wäre, dürfte diefe königliche Verleihung im vor— 
liegenden Falle wenig zur Beilegung des Streites mitge- 
wirft haben. Denn abgejehen davon, daß deifen Ausbrud) 
nod früherer Zeit angehört, jo hatte ja doch der Propſt von 
Klarholz unter den Kanonikern felbjt feine Parteigänger; 
aber gar anzunehmen, daß König Dtto für dejjen Gegner 
fih verwandt habe, verbietet nicht nur der Mangel jedes 
jichern Beweiſes, jondern vor allem auch die politijche Yage. 
Die Unklugheit darf man ihm nicht zutrauen, daß er durd) 
ein derartiges Handeln den eifrigften Verteidiger feines König: 
tums in Weftfalen, den Grafen von Tedlenburg, geradezu 
von jich geftoßen hatte, während er gewiß fein fonnte, daß 
der Papſt niemanden als Bilchof betätigen werde, der ihm 
nicht Treue jchwören wollte. Es mag fein, daß er zügerte, 
in Rom für Friedrich von Klarholz einzutreten, aber daß er 
gar nichts für ihn gethan habe, ?) ift ein Irrtum; die Folge: 
zeit zeigt, daß er gemeinfam mit dejjen Verwandten Schritte 
für ihn unternahm, und keineswegs ganz ohne Erfolg. ®) 
Und der Papſt jelbit fam ihm dafür entgegen. Trotz des 
Ausbleibens der Partei Friedrihg am 14. März 1204 in 
Rom verzögerte er die Entſcheidung, weil er durch das Fehlen 
der Vertreter Friedrihs noch feine volle Klarheit über die 
Wahlvorgänge und die Berjon der Gewählten babe erlangen 
fönnen:*) in der That ift die Auffchiebung nur eine Gunft- 
bezeugung für Dtto von Braunjchweig und feine Anhänger, 
den Grafen von Tedlenburg und den Bropft von Klarholz. 


) Zumbült a. a. DO. 364; vgl. dazu „Seichichtäquellen des Bistums 
Münster” I, 238 Anm. 7. 

2) So Zumbült a. a. DO. 365. 

®) ©. unten ©. 117. 

) Wet. Urfundenb. II, 25 u. Vı, 19%. Tumbült a. a. O. 356 j., 
369 j. Trenfamp a. a. D. 8. 


XLVI. 1. 8 


114 


Aus den Darlegungen des Domkapitel und feines eigenen 
Legaten, vor dem ja in Köln auch die Partei Friedrichs 
vertreten war, konnte er über die Wahlvorgänge und die 
Gewählten hinreihend unterrichtet jein, wenn er vielleicht 
auch jetzt erit durch die Abgejandten des Domlapitels Die 
Mitteilung empfing, daß Friedrich illegitimer Herkunft jei. T) 
Am 28. Mai 1204 ernannte er als neue Richter in der 
Angelegenheit den Abt Heribert von Werden und die Pröpite 
Bruno von Bonn und Dietrih von St. Kunibert in Köln.?) 
Zwar befiehlt er ihnen ganz bejonders, über die Herkunft 
des Propſtes von Klarholz jih zu vergemwilfern, und jobald 
feine illegitime Abjtammung ſich als ficher ergebe und damit 
der Vorwurf des Domkapitels als richtig erwieſen jei, feine 
Wahl jofort zu verwerfen, aber er trägt ihnen doch aud) 
auf, die Gefammtwahlverhältnifje einer neuen Unterſuchung 
zu unterziehen und die Wahl, welche in Fanonijcher Weiſe 
ftattgefunden und eine geeignete Perſönlichkeit getroffen hat, 
zu beitätigen, oder, fall® feine der beiden Wahlen eine Be- 
fätigung verdiene, eine Neuwahl anzuordnen, die inner: 
halb fünfzehn Tagen erfolgen müſſe; andernfalls jollten fie 
im Auftrage des Papſtes jelbit einen geeigneten Mann zum 
Biichofe ernennen. Die Möglichkeit blieb aljo immer nod 
offen, daß auch die Wahl des Dompropftes Otto verworfen 
werde, da ja auch feine Wahl unter einigen Unregelmäßig— 
feiten vorgenommen war, wenn auch fonit die firdlichen 


— — — — — 


’) Nach dem Berichte des Papſtes iſt dieſer Vorwurf gegen Friedrich erſt 
in Rom von der Gegenpartei erhoben worden, alſo jedenfalls nicht 
in den Mitteilungen des Legaten an den Papſt jchon enthalten ge 
weien. Tumbült a. a. O. 368 vermutet, daß er jhon in Köln er- 
hoben, aber vom Legaten verjchwiegen jei. Der Ausdrud: „hoc erat 
in suis partibus manifestum“, ermöglicht allerdings eine derartige 
Annahme. 

Weſtf. Urkundenb. IIT, 25 und Vı, 19. Qumbült a. a. DO. 366, 
369. Trenkamp a. a. D. 8. 


— 


115 


Vorſchriften beobachtet waren und gegen feine perfönlichen 
Eigenihaften faum etwas zu erinnern war, abgejehen von 
jeiner politiſchen Stellung. Die Richter jelbft gehörten der 
welfiihen Partei an,!) es war alfo ficher zu erwarten, daß 
ie nur der Erhebung eines Mitgliedes derjelben zuftimmen 
würden. Ein Haupthindernis ftellte fich freilich Friedrih von 
Klarholz in feiner unehelihen Geburt entgegen, die, wenn 
fie ſich als richtig erwies, ohne Weiteres feine Erhebung auf 
den Biſchofsſtuhl nach den Beitimmungen des Lateranconciles 
vom Jahre 1179 unmöglich machte.?) Aber war jonft feiner 
Wahl nichts entgegenzujegen, jo konnte er von jener Irregu— 
larität dispenfirt werden, und war nicht durch den Aufichub 
der Entſcheidung noch die Gelegenheit, Dispens zu erhalten, 
gegeben, zumal die neue Prüfung doch auch noch eine gemifje 
Zeit beanfprudte? Der Wortlaut des Schiedsſpruches Liegt 
nicht vor; er hat die Beitätigung des Dompropftes Otto von 
Bremen gebradt, gegen deſſen Wahl fih am wenigiten Stich: 
baltiges vorbringen ließ; hauptſächlich feine Hinnsigung zu 
den Staufern ftand ihm im Wege, aber dies Hindernis be- 
jeitigte das Gelöbniß der Treue gegen Dtto.3) Ungewiß ift 
auch die Zeit feiner Beitätigung. Die Chronif des Abtes 


2) Zumbült a. a. D. 370, 

2) Weſtf. Urkundenb. II, 25 und V1, 195. Hefele, Conciliengeſchichte 
V, 633. Zumbült a. a. O. 357, 369. Wie Trenfamp a. a. ©. 6 
jagen kann: „der Einwand gegen Friedrich, welcher deſſen vorgebliche 
illegitime Herkunft betrifft, ftand ja mit der Wahlprüfung nicht in 
notwendigem Zufammenhange“, ift mir unerflärlih. Der Zufammen- 
hang des Einwandes mit der Prüfung war eben ein jo feiter, dab 
er an fich nad den Beitimmungen jened Concild die Wahl ungültig 
machte, wenn’ er ald richtig bewiefen wurde, wie ed Mar und deutlich 
auch in dem päpftlihen Schreiben jteht. 

2) Weſtf. Urkundenb. III, 36. Tumbült a. a. D. 370. Die Treue war 
nicht jehr feit; jhon 1206 hat der Papſt darüber zu Hagen. Weitf. 
Urfundenb. a. a. D. 


8* 


116 
Emo in Werum läßt ihn noch 1204 als Biſchof auftreten 
und wohl mit Net; !) eine jichere Urkunde diefes Jahres, 
in welcher er als Biſchof erjcheint, ift freilich nicht befannt, 
und einige undatirte Urkunden von ihm können ebenio: 
wohl jpätern Jahren feiner Regierung angehören; ?) Die 
erite bejtimmte urkundliche Thätigkeit Ottos als Biſchof 
läßt jih nachweifen für das Jahr 1205), aber weder dieſe 
noch jpätere Urkundent) geben einen Aufſchluß über den 
genauen Zeitpunkt, an weldem er in den wirklichen 
Beſitz jeiner Würde gelangte; jedenfalls ift es erit gegen 
Ende des Jahres 1204 gejchehen, da früheſtens nicht vor 
der zweiten Hälfte des Juni die Urkunde über ihre Bes 
ftallung in den Händen der Schiedsrichter war und immer: 
hin noch einige Zeit verging, bis deren Urteil erfolgen fonnte. 
In zwei Urkunden vom Jahre 1205 bezeichnet Dtto jelbit 
diejes als das erjte Jahr feiner bifchöflichen Würde, ’) in 
andern das Jahr 1209 als das jechste 6) und 1210 als das 
fiebente.?) Entweder fällt nun jene in die frühere Zeit des 
Jahres 1205, während dieſe dem lebten Teile der Jahre 
1209 oder 1210 angehören und alle zählen von der Bejtä- 
tigung an, oder aber dieſe fallen im die frühere Zeit der 
angegebenen „Jahre und rechnen von der Wahl an, während 
die Urkunde von 1205 als Ausgangspunkt ihrer Zählung 
die Bejtätigungszeit nimmt; genau läßt ji allerdings nicht 
bejtimmen, welcher Jahreszeit fie angehört, wie fich überhaupt 
daraus auch nicht einmal erjehen läßt, ob die Beitätigung 
noch ins Jahr 1204 oder exit ins folgende Jahr zu ſetzen ift. 


!) Monum, Germ. hist, ss. XXIII, 466. Weſtf. Urkundenb. III, 26, 
Tumbült a. a. O. 370. 

2) Weſtfäl. Urfundenb. Ill, 28, 29, 30. 

8) Daſ. III, 31, 32, 33. 

*) Daſ. II, 55, 57, 61, 68. 

6) Daf. III, 32, 33, 

©) Daſ. III, 55, 57. 

) Daf. II, 61. 


117 





Letteres würde nicht ganz zu verwerfen fein, wenn eine Ur: 
Funde, durch welche der Bapft den Propſt von Klarholz; vom 
defectus natalium dispenfirte und ihm das Necht zur Ueber: 
nahme Eirhlicher Würden verlieh, 1) wirklich in den September 
oder October des Jahres 1205 gehört, wie wohl möglich, 
aber feineswegs jicher ilt; jeine Verwandten hatten that: 
jählich gemeinfam mit König Dtto den Papſt darum gebeten, 
jedenfall® noch in der Zeit des jchwebenden Streites und 
zwar, nachdem vor dem Papſie von Seiten der Wähler des 
Dompropftes von Bremen jener Grund gegen Friedrich geltend 
gemacht worden war. Die Bitte hatte zwar nicht den Er: 
folg, daß Friedrih nun das Bistum zuerkannt wurde; jeine 
Wahl war unter zu vielen Unregelmäßigfeiten gejchehen und 
die Unterwerfung jeines Gegners unter die päpftliche Politik 
hatte deſſen Beftätigung erleichtert, die auf jeden all 
vor der Gewährung des Geſuches Ditos und der Verwandten 
des Propftes von Klarholz erfolgt war, und wahricheinlich ift die 
Dispenfation abjichtlich erjt nach der Anerkennung des Bremer 
Dompropjtes als Bijchof erteilt, um jo einer vollendeten 
Thatiache gegenüberzuftehen und zugleih dem Wunſche des 
Königs Entgegenfommen bewiejen zu haben?); und wertlos war 
die Dispenjation feineswegs; feit 1187 ift Friedrich ala Propft 
von Klarholz nachweisbar; ?) nad) den Kirchenjagungen war er 

1) Meitfäl. Urfundenb. V 1, 201, Reaeit aus Potthaſt: Regesta pont. Rom., 
2587; die Urkunde jelbit a. a. D. 834 (Anhang) aus den Bat. Archiv, 
Regbd. 7 fol. 440, Nr. 137. Die Datirung der Urkunde beruht mur 
auf der Stellung der Urkunde in dem angegebenen Regiſterbande und 
es iſt nicht ausgeichloffen, dak fie frühern Monaten angehört. Das 
ändert indes an der jonitigen Sadjlage nicht viel. 

2) Es iſt freilich auch nicht ganz undenkbar, daß das Gejuh um Dis— 
penjation erit nach der Enticheidung über die Biſchofswahl geftellt 
wurde, wenngleich die andere Annahme viel näher liegt, da ja gerade 
vor der Entſcheidung jene Frage brennend geworden war. 

3) Erhard, Regesta hist. Westf. II, Nr. 2212, 2222, 2296, 2377, 
2411, 2421, 2422; eod. dipl. I, Nr. 481,525, 549, 578, 579, 580 


118 


unrehtmäßig zu feiner Würde gelangt, nun durfte er fie 
behalten und der Weg zur Erlangung neuer war ihm ge: 
öffnet, die ihm feine Verbindung mit den Anhängern des 
römischen Königs wohl verſchaffen konnte. 

Friedrich gab auch keineswegs die Hoffnung auf, höher 
zu fteigen; dazu war er eine viel zu ehrgeizige Natur; aber 
follten fi ihm wirklich Ausfichten dazu bieten, jo durfte er 
nicht mit den benachbarten Bilchöfen in Feindichaft ftehen; 
hatte er den Bilchof von Münfter zum Gegner, jo lag es 
ziemlich nahe, daß deſſen Bruder, der Biſchof von Osnabrüd, 
in deſſen Diöceſe Klofter Klarholz lag, ihm auch nicht be- 
freundet war, ein großes Hindernis für ihn, wenn in diefen 
beiden Diöcejen eine höhere Würde erledigt wurde. Eine 


aus den Sahren 1187 bis 1199; ferner erwähnt ihn ald Propſt von 
Klarholz eine noch ungedrudte Urkunde des Bilchofs Hermann von 
Münfter für Klofter Klarholz aus dem Fahre 1202 im fürftlichen 
Archive Rheda, Klarholz Nr. 9. Die Kenntnis derjelben verbanfe ich 
der Freundlichkeit des Herrn Privatdocenten Dr. Finfe hierjelbit. 
Geftügt auf die Worte: „Fridericus — in Clarholtensi ecclesia 
Premonstratensis ordinis in prelatum est pıomotus — cepit in 
brevi aspirare ad Monasteriensem ececlesiam* in einem jpäter näher 
zu erwähnenden Briefe des Praemonftratenfer Abted Gervafiud an 
Papſt Honorius III. bei Jung a. a.D. cod, dipl. Nr. XVII, ©. 42 
und neu Weſtf. Urkundenb. VI, Nr. 278 aus Hugo, Sacrae antiqui- 
tatis monumenta I], p. 16 epist. 11 vermutet Tumbült a. a. O. 358, 
daß Friedrich nicht lange vor 1203 die Propftwürde in Klarholz erlangt 
habe, und daß der Propſt Friedrich vom Jahre 1188 (1187) mit dem 
Kandidaten bei der Biſchofswahl 1203 nicht ein nnd diefelbe Perfon 
jei (ebendaf. Annı. 3). Das Bedenfen Tumbülts ift unbegründet. 
Eine Erledigung der Propftei von Klarholz in diefer Zeit iſt nicht 
befannt, die fortlaufende Heihe der Urkunden ergibt in Berbin- 
dung mit dem auch fpäter vorfommenden Namen die Gleichheit der 
Perfon, und der Ausdrud: „in brevi® widerjpridht dem nicht, da 
derjelbe keineswegs einen ganz kurzen Zeitraum bezeichnen muß, ander: 
jeitd aber das Streben Friedrichs nach dem Biſchofsſtuhle von Münfter 
auch jchon bald nad jeiner Erhebung zum Propſte eingetreten fein 
fanı, 


119 


Verſöhnung mit jeinem frühern Widerpart bei der Bilchofs- 
wahl war aljo jehr wünjchenswert für ihn, und in der That 
gelang ihm diejelbe; wann jie eintrat, ilt nicht genau zu be: 
ftimmen, vielleicht erit einige Jahre nach der Beltätigung 
Ottos auf dem bifhöflihen Stuhle zu Münfter; aber jicher 
war jie im Jahre 1209 erreicht; damals erjcheint Friedrich 
als Zeuge in einer Urkunde des Biſchofs Otto für Klofter 
Kappenberg,!) und ebenfo im Jahre 1212 in einer Urkunde 
für Liesborn:;?) das freundichaftliche Verhältnis zwiſchen bei: 
den hat alfo in diejer Zeit fortgedauert ; die Erfüllung feiner 
Wünſche braten ihm diefe Jahre freilich noch nicht; weder 
im Bistume Münjter noch in Osnabrüd gelangte er zu hö— 
bern Ehren, er erjcheint noch immer als Propſt von Klar: 
holz. Da wurde um das Jahr 1216 die reiche Abtei Korvei 
erledigt und bier fand jich eine Partei, die ihn zum Abte 
wählte; es war freilich abermals nur eine Kleine, während 
die Mehrzahl der Mönche den Abt Hugold von St. Michael 
in Hildesheim als Oberhaupt wollte. Aber was verſchlug 
das für Friedrich? Mit allen Mitteln gedachte er fich zu 
behaupten, und wähleriſch war er darin feineswegs; Trotz 
und Ungehoriam gegen feine Firchlichen Vorgeſetzten ver: 
ſchmähte er ebenfowenig wie niedrige Heuchelei und. Ver: 
ſchwendung der Kirchengüter. Ein Schiedsgericht follte den 
Wahlſtreit entjcheiden; aber Friedrich hoffte mit Hülfe feiner 
Angehörigen, denen er die Güter des Klofters Klarholz preis: 
gab, fich durchzuhelfen und zu behaupten troß des Schieds— 
gerichtes; weder ftellte er ſich demſelben perjönlic noch durch 
einen Vertreter. Infolge deffen wurde der Abt von St. 


1) Weſtf. Urfundenb. III, 51. Trenkamp a.a.D. 10. Jung feßt in feiner 
Hist. Benthemiensis comitatus, cod. dipl. Nr. 13 ©. 35 die Ur: 
kunde in die Jahre 1204 oder 1205; Wilmand im Meftf. Urfunden- 
buche a. a. D. gibt dad genaue Datum, 


) Meftf. Urfundenb. III, 66, 


120 


Michael für Korvei betätigt und Friedrih mit dem Banne 
belegt, aber zur Ruhe brachte ihn dies nit. In Klarholz 
hatte er unterdes barbarifch gehauft; die Lebensmittel fir 
die Klofterbewohner hatte er verichwendet und felbit das 
Tuch, das zu deren Kleidung bejtimmt war, für feine Zwecke 
verwendet; ebenjowenig waren die firchlihen Ornate und 
Gerätihaften verichont geblieben. Der Schaden, den er dem 
Kloſter zufügte, wurde auf mehr als 50 Mark geichäßt. Die 
Mönche wandten ſich Hagend an den Diöcefanbijchof zu Os— 
nabrüd, Adolf von Tedlenburg, und an den Abt Gervalius 
von Prémontré, der dann einige Aebte bejtimmte, in Ver: 
bindung mit dem Bilchofe die Verhältniſſe zu unterſuchen. 
Es geſchah, aber viel Abhülfe erwuchs dem Klofter vorläufig 
nicht daraus. Noch ſchwebte der Streit um Korvei und Friedrich 
hielt es nicht für geraten, dem Bilchofe und den Aebten ſich 
zu entziehen oder hochfahrend gegenüberzutreten; unter feinen 
Gewaltthaten hatte er nicht verlernt, im Notfalle die Miene 
der Demut und Neue zu zeigen, und Klarholz aufzugeben, 
ehe er Korvei bejaß, war er nicht gejonnen. Dffen geftand 
er, der Urheber jener Ausschreitungen zu fein und bat um 
Berzeihung und um Ausſtand bis Dftern, indem er verjprach, 
entweder dann nad Korvei jich zu begeben oder an feinem 
Orte für die Erftattung des Schadens zu forgen. So hofite 
er, der drohenden Strafe zu entgehen, und darin hatte er 
fich nicht getäufht. Der Biſchof und die Nebte gingen auf 
feine Bitten ein und er erhielt die erbetene Friſt, die er 
indes nur zu neuen Gewaltthaten benüßte; anitatt die Abts— 
würde von Korvei zu erlangen, mußte er von neuem in Uns 
terfuchung gezogen werden; aber diesmal zeigte er fich hart— 
nädig; fein Plan war mißlungen und damit auch die frühere 
Rückſicht geſchwunden, und troß mehrmaliger Borladung erſchien 
er jetzt ebenjowenig wie vor den Schiedsrichtern in der 
Korveier Frage. Die Folge war, daß ihn auch diefe Kom: 
miſſion bannte, aber jih auch zugleich veranlaßt ſah, wegen 


121 
der fortdauernden ftarfen Schäden, die er mit feinem An— 
bange dem Klofter Klarholz zugefügt hatte, für dieſes Die 
Hülfe des Prämonftratenjerordend anzurufen. Es war not: 
wendig, dab das Klojter von einem joldhen Vorgeſetzten, der 
mehr die Natur des Wolfes als des Hirten zeigte und nichts 
weniger als geiftliheGefinnungen an den Tag legte, befreit 
wurde, follte es nicht vollitändig verarmen und veröden. 
Auch das Klofter jelbft wandte fih an den Orden und feine 
Berichte ſowohl als jene der mit der Unterfuchung beauf: 
tragten Prälaten ließen über die Verhältniſſe jedenfalls feinen 
Zweifel übrig, und der Orden ſah ein, daß ein entjcheidender 
Schritt geſchehen müſſe. Ein Generalfapitel ercommunizirte 
den Propft, entjegte ihn feiner Würde und entband feine 
bisherigen Untergebenen von der Pflicht des Gehorſams gegen 
ihn. An den Bilhof von Dsnabrüd und die Nebte von 
Hamborn und Arnsberg richtete Abt Gervaſius die Bitte, 
für die Neumahl eines Propftes von Klarholz jorgen zu 
wollen.!) Die Wahl follte natürlih baldmöglichft vor fich 


1) Brief des Abtes Gervaſius an den Biſchof Adolf von Dönabrüd 
und die genannten Aebte bei Hugo, Sacrae antiquitatis monumenta, 
Stivagii 1725 epistola 104. Der Brief fällt in das Ende von 1218 
oder jpäteitend in den Anfang von 1219. Gervafius war Abt von 
1209—1219; dann wurde er Biſchof von Séez (Meftf. Urkundenbuch 
vi 273. Anm.) Biſchof Adolf wurde nicht vor der zweiten Hälfte 
1217 gewählt (j. Weftf. Urkb. V1, 253 und 273; Möfer IV, 115 
und 119); die Weihe erhielt er am 24. September (Winkelmann 
a. a. O. II, 434, 460). Die Unterfuhung gegen Friedrich von 
Klarholz kann er alſo auch erſt nach diefer Zeit begonnen haben, 
da er bei ihrer Uebernahme bereits Diöceſanbiſchof war; fie begann 
aber auch jedenfalld damals glei, da die Veranlafjung dazu jchon 
längft vorlag. Die Friedrich gewährte Friſt erftredte ſich aljo bis 
Oſtern 1218; dann wurde die Unterfuchung wieder aufgenommen 
und führte zu den angegebenen Folgen. Nah dem Abjchluffe der 
Unterfuhung und nah Mitteilung ihrer Ergebniffe an den Abt 
Gervaſius trat Friedrichs Entſetzung ein, und zwar früheiteng 


122 


gehen; ſo verlangten es die Verhältniffe des Klofters; ſollte 
deſſen zerütteter Zuftand ſich nicht noch verichlimmern, fo 
bedurfte e8 eines Hauptes, das wieder Ordnung ſchaffte im 
Innern und Schuß von außen erwirfen konnte; denn daß 
Friedrih nunmehr das Klofter unbehelligt laſſen würde, war 
nad) feiner Entjegung erft recht nicht zu erwarten. Die Er: 
ledigung der Bropftei fiel noch in das Jahr 1218; aber die 
Neuwahl wurde von dem Bilchofe und den Aebten von Scheda 
und Arnsberg erit für den Freitag vor Lätare, alſo auf den 
15. März 1219, angejegt.!) Ueber den Grund diejer Hin- 
ausjchiebung erfahren wir nichts Beitimmtes. Abt Gervafius 
zeigte jich mit der Anordnung wenig einverftanden und fürchtete 
Schlimmes davon für die Kirche von Klarholz, und wohl 


gegen Ende 1218, aber aud nicht fpäter, da Gervafius erit 
wieder diefelbe anzeigt und zur Auberaumung einer Neumahl 
auffordert, dann aber über die lange Zwiſchenzeit bis zu der 
jelben ſich beflagt und innerhalb derjelben noch mehrere Schreiben 
erläßt. Der bier in Frage fommende Brief ift nach der Entſetzung 
Friedrichs, aber vor der Feſtſetzung der Neuwahl gefchrieben, da er 
noch zu deren Beſtimmung auffordert; er füllt aljo in die angegebene 
Zeit. Aus dem Briefe geht hervor, daß auch der Korveier Streit ſich 
bis ind Jahr 1218 hinzog. 

) Rrief des Abtes Gervafius an den Biſchof von Münfter bei Hugo 
a. a. D. epist. 105. Die Abfaffungszeit läßt ſich zwar aud bier 
nicht ganz genau beftimmten, ergibt ſich aber doch annähernd daraus, 
dak er nad) der Beſtimmung der Neuwahl, aber vor deren Vornahme 
geichrieben ift, und zwar zeitig vor derfelben, da er Bitten bezüglich 
derfelben enthält. Er gehört alfo in den Anfang des Jahres 1219, 
Eigentümlicher Meife wird ftatt des Abtes von Hamborn jet der 
von Scheda ale Mitglied der Unterfuchungstommiffion genannt. Der 
Brief ift nod) an den Biſchof Otto von Münster gerichtet, der aber 
bereits am 18. März 1218 auf dem Kreuzzuge geftorben war, was 
Servafins jedenfalls unbekannt mar. Biſchof von Münfter war 1219 
bereits Dietrih von Iſenberg. Weitfäl. Urkundenb. III, 133, 134, 
Daf. V1, 273 Anm. wird der Brief irrtümlich in eine frühere Zeit 
perjekt. 


123 


nicht mit Unredht. Eine Zögerung in der Beſetzung der 
Propftei konnte nur dem Treiben des frühern Inhabers der: 
jelben zu Gute fommen, und je länger fie währte, defto an 
genehmer mußte e3 ihm fein; gab fie ihm doch die Miöglich- 
feit, perjönlihd und durch feinen Anhang für feine Wieder: 
einjegung thätig zu fein, und daß er diejelbe ganz außer 
Acht gelaffen habe, ift kaum anzunehmen. Gervafius that 
zwar feine Schritte zur Nenderung jener Beftimmung, jei es, 
daß er fich davon feinen Erfolg verſprach, oder daß die Zeit 
bereits zu furz wurde, um von feinem Aufenthaltsorte aus 
noch Unterhandlungen deswegen anzufnüpfen; er verhehlt 
aber auch feineswegs feinen Unmut darüber, und wenn er 
auch verjichert, Teine böfen Gedanken deswegen über den 
Bilchof von Dsnabrüd und die Aebte hegen zu wollen, jo 
geht aus feinen Worten doch ein tiefes Miftrauen hervor, 
das ſich namentlich gegen den Bifchof von Dsnabrüd richtet; 
er glaubt ihm den Gedanfen und den Wunfch einer Wiederein- 
jegung Friedrichs gar nicht ferne und befürchtet auch feiner: 
jeit3 Ddiejelbe, ohne daß er jedoch für feine Annahme irgend 
einen beftimmten Grund angibt. Der Biſchof von Osnabrück 
hatte veriprochen, der Wahl beizumohnen und dieje zu leiten; 
aber trogdem glaubt Gervafius, daß er fich derjelben ent: 
ziehen wolle, vielleicht um für Friedrich frei wirfen zu können 
und nicht der Erhebung eines andern beiwohnen zu müſſen. 
Er bittet den Biſchof von Münfter um freie8 Geleit und 
Schuß für den Propſt von Arnsberg, dem in diefem Falle 
die Führung der Wahlgeichäfte obliege, trogdem der Schuß 
der Wahl und der Wähler doch zunächſt dem Bilchofe von 
Dsnabrüd zuftand, ein klares Zeichen, wie fehr er gegen den— 
jelben eingenommen war. Offen jpricht er feine Anſchauung 
den Mönden von Klarholz gegenüber aus in einem Briefe, 
durch welchen er ihnen Mitteilung von dem für die Neuwahl 
beitimmten Tage madt.!) Er beihuldigt darin den Biſchof von 


2) Hugo a. a. D. epist. 106, ebenfalld aus dem Anfange des Jahres 


124 


Dsnabrüd geradezu, daß er zu Gunften Friedrichs mit der 
Neuwahl zögere. Dat Gervafius deſſen Wiedereinjegung nad 
Kräften zu verhindern fuchte, ift jelbftverftändlich, und wenn 
er den Mönchen fchreibt, daß er wider ihren Willen Friedrich 
nicht wieder einjegen werde, jo liegt darin zugleich die Mah- 
nung, ihn nicht wieder zu wählen, auch wenn von anderer 
Seite Einflüfe dafür jich geltend machen würden, und ebenfo 
enthält der Befehl, einen Mann an die Spite zu jeben, Der 
nicht bloß ein eifriger Seelenhirte, fondern auch zugleich ein 
guter Vermögensverwalter jei, einen deutlichen Hinweis dar: 
auf, daß Friedrih, der Verfchleuderer der Kirchengüter, als 
jolcher nicht gelten Fünne. Der Wunjch des Abtes wurde erfüllt; 
die Neuwahl fiel nicht auf Friedrich, fondern auf Ludger; !) aber 
deilen Stellung war nun keineswegs eine angenehme. In 
der Klojterverwaltung fand er die traurigen Zuftände vor, 
die durch Friedrich darin eingeriffen waren, und die nun ins 
Beilere zu ändern feine Aufgabe war; dazu bereitete ihn 
Friedrich jelbit fortwährend neue Unannehmlichkeiten; hatte 
früher vielleicht noch die Rückſicht auf feine eigene Perjön: 
lichkeit ihn etwas zurüdhalten können, jo war jegt auch diejer 
legte Grund für ihn hinfällig geworden, und mit Raub und 
Brand verwüſtete er nun dur die Söldlinge feiner Ange: 


— — — — — 


1219 aus den früher angegebenen Gründen, wohl gleichzeitig mit dem 
Schreiben an den Biſchof von Münſter. Das ſonſtige Auftreten des 
Biſchofs Adolf rechtfertigt die Anſchauung des Abtes von Prémontré 
über ihn nicht. S. Möſer II, 30 ff. Nieberding II, 24. Die Mut: 
maßungen des Abtes gründen fich wohl hauptjächlih auf die Hinaus— 
Ihiebung der Wahl und die frühere Friftgewährung an Friedrich. 

Weſtf. Urfundenb. III, 171 und Vı, 273. Weſtf. Urkundenb. III, 135 
ericheint ein Domlanonikus Ludgerus ald Zeuge einer Urkunde Biſchofs 
Dietrih I. von Münster; iſt er identiich mit dem ipätern Propite 
nleihen Namens zu Klarholz, jo läßt ſich damit auch dieje Urkunde, 
die Wilmans in die Jahre 1218—1226 fept, genauer datiren; fie 
fiele dann in die Zeit vom 22, Juli 1218 bie 15. Mär; 1219, 


1 


— 


125 





börigen das Klofter und feine Belitungen, ohne daß Lud— 
gerus bei den Biſchöfen und andern Nebten Schub und Stütze 
fand. Seine einzige Hilfe blieb Gervajius und diefem klagte 
er die Not des Klojterd nicht vergebens. Mit ſcharfen Worten 
tadelt derjelbe die Aebte von Kappenberg, Hamborn und 
Barlar, daß fie ihren Mitbruder im Stiche gelaffen hätten, 
und bindet e3 ihnen aufs Gewiſſen, ihm beizuftehen und mit 
ihm und für ihn die Biihöfe und Edlen des Landes zu jei- 
nem Schuße aufzurufen wider den „gottvergefjenen Menjchen, 
nämlich Friedrich”, den er mit dem Brudermörder Kain ver: 
gleicht. Ludgers Bedrängnis ſchildert er ihnen als ihre eigene 
Gefahr: „Si considerassetis verbum illud ethnicum sed 
et ethicum: Nam tua res agitur, paries cum proximus 
ardet, non reliquissetis virum religiosum fratrem et 
coabbatem vestrum de Claholto solatio et consilio de- 
stitutum“, jchreibt er ihnen. !) Seine Ermahnungen feinen 
nicht viel Erfolg gehabt zu haben, wenigitens trat niemand 
Friedrich ernftlich gegenüber; er jah ſich genötigt, den Papſt 
Honorius II. um Hülfe anzugehen, damit er den Biſchof 
von Münjter veranlafje, mit feiner Macht, die in der Gegend 
die bedeutendite jei, einzujchreiten.?) Der Biſchof von Osna— 
brüd, dejien Sache e3 zunächſt gewejen wäre, hatte anſchei— 
nend nichts gethan, um Xudger von den Räubereien und 
») Hugo a. a. O. epist. 107, geichrieben nad) der Wahl des neuen 
Propites,-aber jedenfalls noch 1219; jo lange ift Gervafius Abt von 
Tremontre. Im Weſtf. Urkob. Vı, 273 wird der Brief irrtümlich 
in die Zeit vor der Wahl und mit andern unrichtig vor 1219 gejegt. 
2) Hugo a. a. O. epist. 11. Weſtf. Urfundenb. Vi, 273. Der Brief 
gehört, da er nach der Wahl, aber vor der Erhebung des Abtes Ger- 
vajius zum Biſchofe geichrieben ift, wie der an die Aebte von Kappen- 
berg x. ind Jahr 1219. Im Weſtf. Urfob. a. a. O. wird er irrtüm— 
li nod ins Jahr 1218 geſetzt; dagegen ift die dort ausgeſprochene 
Anſicht, daß das vorerwähnte Schreiben ihm vorhergehe, jedenfalls 
richtig, da Gervafius ſich erit an die Aebte, und als dies nicht die 
erhofften Folgen brachte, an den Papſt gewendet haben wird, 


126 


Bedrängniſſen Friedrichs zu befreien. ) Die Behandlung, 
welche ihm Gervafius in feinen Briefen an den Biſchof von 
Münfter und an das Klofter hatte angedeihen laffen, hatte 
ihn jedenfalls, da ihm die Meinung des Abtes über ihn kaum 
unbefannt geblieben fein dürfte, tief verftimmt und war nicht 
geeignet, ihn noch fernerhin für die Angelegenheiten von 
Klarholz zu erwärmen. Bon ihm erbittet Gervafius auch 
feine Hilfe, aber er wollte ihm offenbar feine Unthätigfeit 
vorgehalten wiffen, wenn er den Papſt erfucht, nicht ihn, aber 
durch jeine Bermittelung den Biſchof von Münfter zum Vor: 
gehen gegen Friedrich aufzufordern, doch wohl in der Hoffnung, 
auf diefe Weile auch Adolf jelbit zu Schritten gegen benfelben 
anzutreiben. Ob und in welcher Weife dem Abte nun Hülfe 
wurde, ift ungewiß; ebenfo unbefannt find Friebrich® weitere 
Schickſale; er verſchwindet plöglic aus der Gefchichte, und 
über fein Ende wie über feine Jugend und fein Leben vor 
der Zeit, als er Propſt in Klarholz wurde, fehlen ung jeg- 
lihe Nachrichten. Dagegen bringen die Vorgänge bei der 
Münfteriichen Biichofswahl in Verbindung mit den Ereig- 
niffen, die jih an die Erledigung der Abtswürde in Korvei 
fnüpfen, ziemliche Klarheit über die Perſon Friedrichs. 

Die Anhänger des Dompropfte® von Bremen be— 
zeichneten ihn in dem Wahlftreite beim PBapfte als außer- 
ehelih geboren, aber ohne daß fie nähere Angaben 
machten, und ebenjo haben wir Ffeinerlei Mitteilungen 
aus der Unterfuhung, die deswegen angeftellt wurde; 
aber die Behauptung bat fih, wie die Folgen zeigten, 
als richtig ergeben. Sie findet ſich wieder in dem Briefe 
des Abtes Gervafius an den Papft Honorius, allerdings auch 
bier ohne genaue Angaben ;?) immerhin gibt diefer doch ſchon 





9 Die Angabe Nieberdings a. a. DO. II, 15, daß der Biſchof (won An- 
fang an) der Ausführung des Bannes fich entzogen habe, ift in dieſer 
Allgemeinheit nicht richtig, wie fi) aus dem Borhergehenden TgiR. 

2) Weſtf. Urkundenb. V!, 273 aus Hugo a. a. O. ©. 16, 


127 


einen weitern Fingerzeig, ındem er ihn als Sprofjen eines 
hervorragenden Dynaftengejchlechtes bezeichnet. Der Heraus: 
geber der Briefe des Gervaſius erläutert dies dahin, daß er 
Friedrich dem Haufe der Grafen von Tedlenburg angehören 
läßt, !) und nah ihm hat dieje Anſchauung allgemeine An— 
nahme gefunden.?) Und in der That läßt jich diejelbe nicht 
zurüdweijen, wenn auch keinerlei nähere Beweiſe dafür an 
gegeben find. Nicht nur, daß der Ausdrud „hervorragendes 
Dynaſtengeſchlecht“ vor allem auf die Grafen von Tedlen: 
burg paßt, fie gehören ja zu den bedeutenditen Geſchlechtern 
Weſtfalens und fpielen in der Münfteriihen Bistums: wie 
in der damaligen Reichögejhichte feine geringe Rolle, auch 
die einzelnen Umftände bei der Wahl 1203 laſſen die Ver: 
bindung mit den Tedlenburgern leicht erkennen. Wenn, wie 
e3 faum zu bejtreiten ift, der Graf von Tedlenburg das 
frühere Verhältnis zum biſchöflichen Stuhle von Münſter 
wiederherjtellen wollte, jo konnte er feinen Zwed am beften 
wohl erreichen, wenn ein Mann, der ihm verwandt war, 
den Biſchofsſtuhl beitieg, und wenn diefer Mann gerade feiner 
Hülfe alles verdankte. Und Friedrich gerade ift fein und ber 
mit ihm verbündeten Adelspartei Kandidat. Und wenn fich 
König Dtto felbft mit den Berwandten Friedrichs beim Papſte 
um Dispenjation vom defectus natalium für ihn bewirbt, 
jo ift der Schluß wohl erlaubt, daß diefe Verwandten Fried- 
richs zu Ottos bedeutenditen und treuelten Anhängern ge- 
hören müſſen; das alles weiſt auf die Grafen von Tedlen: 
burg hin, und die Annahme, daß der Propit von Klarholz 


») Hugo a. a. D. Anm. a. 

*) Jung, Hist. antiquiss, Comitat. Benth. p. 235 u. cod. dipl. p. 42. 
Nieberding, Gejchichte des ehemaligen Niederftifts Münjter IL, 15. 
Möſer a. a. O. I, ©. 21 Anm. e. Weſtf. Urkunden, III, 25 
S. 16 Anm. 2. Qumbült a. a. DO. 358. Trenfamp a. a. O. 8; 
allerdings bezeichnet er die uneheliche Abitammung nur ald „angeblich“, 
aber mit Unredt. 


128 


diefer Familie angehörte, ift umfomehr feftzuhalten, als Die 
Angehörigen eines andern mächtigen Geſchlechtes, die Dlden- 
burger, als feine Gegner auftreten. Verftärkt wird diejelbe 
durch die gereizte Stimmung des Abtes von Premontre gegen 
den Biſchof Adolf von DOsnabrüd. Biſchof Adolf ift ein 
Tedlenburger, !) und wenn ihm wegen der ſpäten Anfegung 
des Wahlterming und vielleicht wegen der frühern Ausſtands— 
bewilligung bis zu Oftern 1218 PBarteinahme für Friedrich 
zugefhoben wurde, ohne daß bejondere Einzelhandlungen, 
die dafür ſprachen, angeführt wurden, jo wird dies allerdings 
daraus erflärlih, daß ein nahes verwandtichaftliches Ver: 
hältnis zu dem abgejegten Propfte befannt war, und ift die 
Vermutung des Abtes, daß eine Wiederwahl Friedrichs dem 
Biſchofe erwünscht komme, berechtigt, jo würde aud daraus 
die aus andern Angaben und Verhältniſſen gefolgerte Zuge: 
hörigkeit Friedrich zu der Familie der Grafen von Tedlen- 
burg eine Befräftigung erfahren. Auf jeden Fall darf es als 
ziemlich ficher angejehen werden, daß Friedrih dem Haufe 
der Tedlenburger entftammte, wenn aud Nieberding, wie 
Ihon Tumbült hervorgehoben hat,!) zu weit geht, indem er 
ihn als Sohn des Grafen Simon bezeichnet,?2) und ebenjo 
Zrenfamp?) ihn mit Unrecht einen Grafen von Tedlenburg 
nennt. 





1) Möfer III, 30. Nieberding II, 24. 26. 
2) a. a. D. 358, Anm. 2. 

) a. a. O. 1, 16. 

) a. a. O. S. 7. 


7 
Beiträge zur 
Geſchichte der römischen Inquiſition 
in Deutſchland 
während des 14. und 15. Jahrhunderts. 





Von 
Walter Ribbeck. 


— — — 





In dem 5. Bande der Syhelſchen hiſtoriſchen Zeitſchrift Hat 
vor beinahe 10 Zahren Noger Wilmans Beiträge zur Ge: 
ihichte der römischen Inquiſition in Deutjchland während 
des 14. und 15. Jahrhunderts mitgeteilt, welche hanptfächlich 
die Thätigkeit der Inquiſitoren Eylard Schönefeld und Jakob 
von Soeſt oder von Sweve behandeln. Zu diejen Beiträgen 
nun laſſen ſich einige nicht unmwichtige Ergänzungen geben 
auf Grund eines Materials, welches Wilmans, al3 er diejen 
Aufſatz ichrieb, nicht zu Gebote jtand. Es iſt dasjelbe ent: 
halten in einem der Soejter Stadtbibliothek gehörigen, wahr: 
icheinli von Jakob von Soeit zuiammengeftellten Formel: 
buch, betitelt: formularium inquisitionis haereticae pra- 
vitatis.!) Da die in demjelben mitgeteilten Aftenftücde als 
Mufter für den Inquifitionsprozep dienen follten, jo berüd: 
fichtigen fie in erjter Neihe dag rein Formale des Prozeffes, 
während das Thatjächliche, das Individuelle des einzelnen 
Falles demgegenüber in den Hintergrund tritt in einer Weiſe, 
dak wir meiſtens gar nicht erfahren, um was es fi in dem 
betreffenden Prozejje denn eigentlich gehandelt hat, ja daß 


1) Bibliotheca Susatensis. Nro. 14. 


XLVT. 1, 9 


130 


jelbft die Namen der beteiligten Perſonen bisweilen durch 
ein nichtS jagendes N. N. erſetzt werden. 

Charakterijtiih für die Thätigkeit des Eylard Schönefeld 
it ein aus dem Ende des 14. Jahrhundert? jtammendes, 
bei Mosheim de beghardis et beguinabus p. 433—42 ab: 
gedrudtes, auch von Wilmans benugtes Altenftüd. Es iſt 
dies ein Auszug aus den Inquiſitionsakten, welcher ſich mit 
der im Utrecht’jchen vorkommenden Sekte der Gherardiner, 
insbejondere den weiblichen Niederlaffungen derjelben beichäf- 
tigt und im Gegenjage zu einem im Jahre 1398 von ange: 
jehenen Juriſten der Univerjität und Erzdiözeje Köln erlaſ— 
jenen Gutachten diejelben als fegerijche Verbindungen hin— 
zujtellen jich bemüht. 

Ein diefem Aktenjtüd ganz ähnliches findet ſich nun aud 
in unjerem Goder.?) Und zwar weijen beide Terte, neben 
vielfacher fait wörtlicher Übereinftimmung im Einzelnen, der: 
artige Berjchiedenheiten von einander auf, daß es unmöglich 
ericheint, den einen auf den andern zurüdzuführen und fie 
daher wohl als Auszüge aus einer und derjelben Vorlage 
betrachtet werden müſſen. Im Allgemeinen ift der Soejter 
Tert fürzer als der Mosheimiche, aber daß er fein bloßer 
Auszug aus diejem iſt, beweilt der Umjtand, daß er verfchie- 
denes enthält, was der andere nicht hat. Das wichtigite 
davon it, daß er als das Oberhaupt der hier Sweſtrionen 
genannten, in einzelnen Niederlajjungen, die Vorfteherinnen 
(Marthae) untergeben find, lebenden Sekte geradezu den be— 
fannten Wermbold (von Buscop oder von Utrecht) bezeichnet. 
Allerdings hat man ſchon früher, jo Moll in feiner Nieder: 
ländiihen Kirchengeſchichte Bd. II. p. 90 ff. in der bei 
Mosheim ganz allgemein als Prediger und Gejeßgeber be= 
eichneten Perſon diejen Wermbold zu erfennen geglaubt. 
Während ferner bei Mosheim nur von der Sefte im Allge— 


i) Beilage 1. 


151 
meinen die Rede ift, tritt hier eine einzelne Niederlaffung 
und zwar die in Nene (wohl Renen in der Diöceſe Utredht) 
in den Vordergrund als diejenige, welche hauptſächlich den 
Anlaß zu der gegen die ganze Sekte eingeleiteten Unterfuchung 
gegeben hat. Weſentlich auf den Ausjagen einer dort be- 
findlich gewejenen Schweiter, die wegen Mißhelligkeiten aus 
dem Orden austrat, beruhen nämlich die hier wie bei Mos— 
heim mitgeteilten Thatjahen. Dieſelbe jcheint bejonders 
dadurh verlegt worden zu fein, daß die Borfteherin das— 
jenige, was jie ihr in der Beichte hinjichtlich einer jchweren, 
von ihr begangenen Schuld anvertraut, ausgeplaudert hatte, 
und jih daher dem Pfarrer des Ortes entdedt zu haben. 
Infolge deſſen jtellte diejer die VBoriteherin zur Rede haupt: 
ſächlich inbetreff des Umſtandes, daß fie ihre Untergebenen 
daran gehindert, ihre Beichte vor den zuftändigen Geiſtlichen 
abzulegen, was dieje mit den dem gewöhnlichen Beichtver: 
fahren anhaftenden fittlihen Gefahren zu erklären juchte. 
Bei Mosheim macht ſich eine der älteren Schweitern, ftußig 
geworden infolge der Äußerungen einiger Karihäufer, daß 
die Negeln ihres Ordens mit den kirchlichen Satzungen nicht 
verträglich jeien, unter Mitnahme eines Verzeichniffes der in 
ihrer Niederlafjung geltenden Ordnungen auf den Weg nad) 
Utredt, um das Gutachten dortiger Prälaten einzuholen, 
was dann ihre Borfteherin zu Gegenmaßregeln veranlaßt. 
Nah unjerm oder jind es zwei von den älteren Schwe— 
ftern, die veranlaßt durch den Karthäuſerprior ſich mit einem 
Verzeichnis der Ordensjagungen nad Utrecht begaben. In— 
folge deſſen entſendet Wermbold eine dortige Borjteherin, 
Alheid Eluten, nah Nene, um die dortigen Schweitern zum 
Ausharren gegenüber etwaigen Verfolgungen zu ermutigen. 
Beiden Berfionen gemeinjam ijt die Notiz, daß die Schweitern 
beichlojjen hätten, alle ihnen zur Laſt gelegten Abweichungen 
von den kirchlichen Ordnungen einfach abzuläugnen und daß 
Mermbold diejes ihr Verhalten ausdrüdlich gebilligt habe. 


* 
9 


132 


Beigefügt find der Verjion des Soefter Coder eine Reihe 
Notizen das Formale der auf Grund der eingeholten Infor: 
mationen vorzunehmenden Unterfuchung betreffend. E3 finden 
fich dort die lateiniiche und deutſche Formel des von den 
Beihuldigten abjulegenden Eides fowie eine Anzahl an tie 
zu stellender Fragen. Daran jchließen ſich Gitate, welche 
darthun jollen, daß derartige Verbindungen zu der von ver: 
ſchiedenen Päpſten verurtheilten Sekte der Begharden und 
nicht etwa zu der von der Kirche zugelajjenen jogenannten 
dritten Regel des heiligen Franziskus gehörten und die Be: 
günftiger und Angehörigen derjelben daher ohne Weiteres 
dem Banıte verfallen jeien. 

Was die von Eylard angeitellte Unterfuhung für ein 
Rejultat gehabt, bemerkt Moll,!) wife man nit, dagegen 
gehe aus einer Notiz bei Dumbar, Analecta I. p. 30 ber: 
vor, dag Wermbold und jein ihm gleihgejinnter Freund 
Slorentius, fi) des jie bedrohenden Widerjachers energijch 
erwehrt hätten.) Sehr erfolgreich jcheint diefer Widerftand 
aber doch nicht gewejen zu fein, denn in einer zwijchen 1400 
und 1404 erlajjenen Bulle Bonifazs IX. werden Congrega: 
tionen, die aus ihrer Mitte ſich Vorſteher (procuratores, 
servi) oder Vorjteherinnen (marthae) jegen, ausdrüdlich als 
verboten bezeichnet. °) 

Auch Hinfichtlid der Thätigkeit von Eylards Nachfolger, 
des Inquiſitors Jakob von Sweve enthält der Soeſter Coder 
mehreres Bemerkenswerte. So ein Schreiben desjelben vom 


!) L. ec. — ?) tune temporis fuit magister Eylardus inquisitor hae- 
reticae pravitatis, qui multum molestabat sorores in Traiecto, 
sed dominus Florencius et Werenboldus resistebant ei. 

2) Gedrudt bei Haupt: Beiträge zur Geſchichte der Selte vom freien 
Geiſte u. ſ. w. ex cod. Colmar Nro. 29 fol. 108b 109a ff. Das 
bei Mosheim 1. c. p. 409 vorkommende Datum 31. Juli 1395 muß 
auf einem Irrtum beruhen, da dem Inquiſitor diefe Bulle unbekannt 
war, während er diejenigen der früheren Päpſte anführt. 


— — — — — — 1 


11. April 1410 an den Propſt von St. Anskar zu Bremen, 
Heinrich von der Mühlen, in welchem er ihn ermahnt gegen 
den Kaplan Johann Petri und den Pfarrer Nikolaus an 
der dortigen Marienkirche, die ſich gemäß den Ausſagen eini— 
ger Zeugen ketzeriſcher Außerungen, wir wiſſen nicht welchen 
Inhalts ſchuldig gemacht, die Unterſuchung zu eröffnen.) 
Ferner eine Anmweilung an jämmtliche Geiftlihe der Stadt 
Köln vom 8. Auguft 1411, ihre Gemeindemitglieder zum 
nädften Sonntag Mittagg um 12 Uhr in den Dom zu 
laden, wo er ſich in einer Predigt über Sachen des Glau— 
bens verbreiten wolle, während alle anderen Gottesdienfte 
zur jelben Zeit juspenbiert fein jollen. ?) 

Auf die Schon von Wilmans behandelte Angelegenheit 
des Magijters Johann Malkaw aus Preußen beziehen fich 
mehrere und bier erhaltene Schreiben aus den Jahren 
1411—12.3) Leider erfahren wir aus denfelben nichts Nä— 
heres über den Inhalt der diefem Manne zur Lait gelegten 
fegerifchen Äußerungen, wol aber über die Art des gegen 
ihn eingeichlagenen Verfahrens. Nachdem der Inquiſitor 
ihn dur ein an den Pfarrer von St. Marien zu Köln ge: 
richtetes Schreiben vom 16. Sept. 1411 hatte vor jich citiren 
laffen, wurden dem Angeklagten am 3. Dftober durch zwei 
Notare, Symon Ondorp und Jakob von Kleve gemifle ſchrift— 
lih aufgelegte Glaubensartifel vorgelegt und er aufgefordert, 
über jein Verhältnis zu diefen, ob er fich zu denſelben be: 
fenne oder nicht, ſich zu äußern, was er aber hartnädig ver: 
weigert zu haben jcheint. Er hatte jich ferner dem Inqui— 
fitor gegenüber eidlich verpflichten müljen, den Ausgang der 
Unterfudung in jeinem Haufe auf der Urjulafreiheit abzu: 
warten (Wilmans faßt diefen Unterfuchungsarreit irrig als. 
eine Gefängnisitrafe auft)) und über den Verlauf des Pro: 
zefjes nach Außen Hin nichts verlauten zu lafjen. Er brad 


1) Beil. IT. — 2) Beil, IV. — ®) Beil. V-X. — *) L.e. S. 209. 


134 


aber nicht nur diejes letztere Gelöbnis, jondern verließ auch, 
ohne ſich Hinfichtlih der ihm vorgelegten Fragen irgendwie 
geäußert zu haben, heimlich die Stadt, worauf ihn dann, 
nach wiederholten vergeblihen Citierungen, der Bann traf. 

Am befannteften unter den Prozeffen des Jakob von 
Sweve ilt derjenige geworden, den er gegen Johann Pal— 
borne, den Jüngeren, führte. Dieſer, Vicekurat an der 
Miejenkirche zn Soeft, follte in einer Predigt die Behauptung 
aufgeftellt haben, daß die Leichen der BVerftorbenen zu ihrer 
Parodialkirhe gebracht werden müßten, um dieſer die von 
ihr empfangenen Saframente gleihjam zurüdzugeben. Dieje 
Äußerung follte gefallen fein zu einer Zeit, da eine Epidemie 
in Soeſt herrſchte und troßdem durch dieſes Verbot ander: 
weitiger Beerdigung die Leichen 18 Stunden lang in der 
Kirche zurücgehalten wurden. Nachdem Jakob zu der Über: 
zeugung gefommen war, daß die von Palborne angeblich 
aufgeitellte Behauptung mit den Lehren der Kirche nicht 
übereinjtimme, begann er gegen denjelben einzujchreiten. Bei 
einer behufs Bernehmung der Zeugen auf den 26. November 
1420 einberufenen Verſammlung im Kapiteliaale de Domi— 
nifanerflojter8 wurde er jedoch von den Anhängern des Pal— 
borne überichrieen und begab fich unverrichteter Sade von 
Soeſt nah Köln, von wo er am 8. Dezember jene Klerifer, 
welche die Soeiter Verhandlungen geftört, vor ji) lud, um ihre 
Grfommunifation zu vernehmen. Diejelben erichienen und 
verlangten auf einer namentlich von kölniſchen NRechtsgelehrten 
jehr zahlreich befuchten Berfammlung (am 9. Januar 1421), 
daß ihnen eine Abjchrift der ihnen d. h. doch wohl haupt: 
ſächlich Johann Balborne jchuldgegebenen ketzeriſchen Mei- 
nungen vorgelegt werde. Jakob lehnte dies ab, fie aber 
reinigten jih, ihrer jpäteren Behauptung zufolge, zur voll 
fommenen Zufriedenheit der Verfammlung durd einen Eid 
von der wider fie erhobenen Anklage. Da aber der Inqui— 
jitor, welchen jene Nechtsgelehrten bei jenen Berathungen, 


135 


-— u 





die mit der Schuldloserflärung der Angeklagten endeten, gar 
nicht hinzugezogen, nach Rom appellierte (14. Januar), leg: 
ten die Beteiligten am 12. Januar gleichfalls Appellation 
an den Bapit ein, in welcher fie die ihnen zur Laſt geleaten 
Kegereien entichieden ableugneten und behaupteten ſich von 
den gegen jie erhobenen Vorwürfen auf jener Verjammlung 
vollfommen gereinigt zu haben. !) 

Seiner Appellation fügte der Inquiſitor ein vom 
15. Juni 1421 datiertes Schreiben an den Papſt bei, wel: 
ches nur in unjerm Goder enthalten iſt und das daher Wil: 
mans nidt gefannt bat. In diefem Schreiben formuliert 
er eine Neihe von Fragepunften, die ſich auf die im Verlaufe 
des Prozeſſes von Seiten der gegnerischen Nechtögelehrten 
und Glerifer begangenen Unregelmäßigfeiten beziehen, Unre— 
gelmäßigfeiten, die, wie der Inquiſitor mit einer Menge von 
Citaten nachzuweiſen jucht, ihm das Recht gegeben hätten, 
über die Schuldigen den Bann zu verhängen. Bon allge: 
meinerem Intereſſe iſt aber unter dieſen Fragepunften be: 
tonders der 14.2), der mit dem vorliegenden Prozeß aller: 
dings in feiner Verbindung fteht. In demjelben berichtet 
der Inquiſitor, es hätten jih bei Laien Meßbücher und 
Grläuterungen der Evangelien in deuticher Sprache vorge: 
junden. Da nun Grund zur Befürchtung vorliege, daß Die 
Beriger diefer Bücher der Irrlehre der Waldenſer anhingen, 
derzufolge auch Yaien die Meile zu leſen befugt feien und 
dag man ferner auf den Gedanken fommen könne, denjelben 
Überfegungen der heiligen Schriften hinzuzufügen, jo frage 
er an, was in diejem Falle zu thun jei. Ob dieſe Schriften 
zu verbrennen ſeien und ob diejelben überhaupt vor das 
Forum der Inquiſition gehörten, das ericheint ihm deshalb 
fraglich, weil fie ja feine Ketzereien enthielten, wenn fie frei: 
lich aud zur Entjtehung jolher Anlaß geben könnten und 





) Wilmans 1. c. ©, 214 ff. — ?) ©. Beil. X. 


136 

daher ihr Verbot rätlih fei. Er fcheint alfo das Edikt 
Kaifer Karls IV. vom Jahre1369, welches dieſe Frage unter 
Berufung auf kanoniſche Schriften nad feinem, des Inqui— 
jitor3 Sinn, geregelt hatte,!) entweder nicht gekannt oder 
als nicht maßgebend für fich erachtet zu haben, legteres viel- 
leicht darum, weil dasjelbe durch die Bulle Gregors XI. von 
1376 gerade in dem fraglichen Punkte wejentliche Milde: 
rungen erfahren hatte.?) Jedenfalls ſpricht das Verhalten 
des Inquifitors dafür, daß damals die Kirche noch nicht dazu 
gelangt war, inbetreff des gegenüber den in der Landes— 
ſprache verfaßten religiöfen Schriften einzuhaltenden Verfah— 
rens allgemein anerfannte Grundjäge aufzuftellen. 

Wie fih aus den übrigen erwähnten Fragepunften 
ergiebt, war im Laufe des Prozeſſes der eigentlihe Anlaß 
desjelben, die ketzeriſche Äußerung des Johann Palborne 
längſt zurüdgetreten vor der angeblichen Unbotmäßigfeit jei- 
ner Anhänger. Dafür jcheint auch folgender Umftand zu 
ſprechen: Wir erfehen aus einer im Staatsarchiv zu Münjter 
befindlichen, von Wilmans nicht gefannten notariellen Ur— 
funde, welche im ausdrüdlihen Auftrage des Inquiſitors 
abgefaßt ift,?) dag Johann Palborne am 9. März 1421 in 
der Wieſe-Kirche zu Soejt vor verjammelter Gemeinde bie 
fragliche Äußerung feierlichft abgeleugnet refp. widerrufen hat, 
womit, joweit e3 auf ihn anfam, dem Inquiſitor Genüge 
geleiftet fein mußte.t) Trotzdem ging der Prozeß weiter, 
wie wir aus einem bereits von Wilmans erwähnten Schrift: 
jtüd erjehen, und zwang den Inquiſitor fogar dazu, felbit die 
Reife nah Rom zu unternehmen. Freilich läßt fi) dies viel- 
leicht auch daher erflären, daß, nachdem einmal nah Rom 
appellirt war, die Sache nun nicht mehr rüdgängig gemacht 


1) Wilmans ©. 199. — ?) Ib. ©. 401. — ®) Beil. XII. 

*) Dominikaner zu Eoeft Urk 52. Merkwürdigerweiſe berührt Jakob 
von Sweve in feiner gleich zu erwähnenden Denkſchrift dieſen MWider- 
ruf mit feinem Worte. 


137 


— — 


werden konnte. Über den endlichen Ausgang des Prozeſſes 
wiſſen wir, wie ſchon Wilmans bemerkte,!) nichts Näheres. 
Wilmans meint,?) daß dem merkwürdigen Verbote des Jo— 
hann Palborne Motive des Eigennutzes zu Grunde gelegen 
hätten, indem durch die anderweitige Beerdigung die Stol— 
gebühren der Geiftlichen verkürzt worden jeien. Dazu will 
freilich nicht recht ftimmen, wenn er den Soeſter Klerus, 
der ih auf Palbornes Seite jtellte, von freieren Ideen er: 
füllt nennt, bejonders da man vom hygieniichen Geſichts— 
punkte aus dem Inquifitor unbedingt Recht geben muß. In 
Wahrheit würden wir wol in der Äußerung des Palborne, 
angenonmen, diefelbe wäre wirklich gefallen, nur einen Aus: 
drud des damals öfter hervortretenden Beitrebens der Pa— 
rochialgeitlichkeit zu jehen haben, gegenüber den überhand 
nehmenden Verſuchen der DOrdensgeiftlihen, in die reguläre 
Seelforge überzugreifen, ihre Autorität über ihre Gemeinde: 
nutglieder zu wahren. 

Für das Vorkommen Ddiejes Beitrebens legt noch ein 
anderes in unſerm Coder enthaltenes Schriftitüd Zeugnis 
ab. Zu Anfang des 14. Kahrhunderts hatte ein Pariſer 
Theologe Johann de Poliaco gleichfalls im Gegenſatze zu der 
Drdensgeiftlichleit die Lchre aufgejtellt, weder der Papſt nod) 
Gott jelbit könne ein Gemeindeglied von der Verpflichtung 
entbinden, bei jeinem regulären Seelforger, dem Geiftlichen 
feiner Parochialkirche, die Beichte zu hören. Diefe in ihrer 
Form allerdings jehr fraffe Behauptung war dur eine Bulle 
Johann XXI von 24. Juli 1321 verdammt und diefe 
Bulle durch Gregor XI. vom 5. Dezember 1372 beftätigt 
worden. Trogdem jcheint es auch ipäter wenigftens in 
Deutichland nicht an Anhängern diefer ketzeriſchen Lehre ge: 
fehlt zu haben, denn Jakob von Sweve ſah jich genötigt, 
in mweldem Jahre wiſſen wir nicht, den Geiftlichen feiner 


1) L. c. ©, 2235. — 9) Ib. ©. 215. 


138 
Provinz den Juhalt diejer Bullen ind Gedächtnis zurüdzu- 
rufen. Übrigens iſt bekanntlich die Parochialgeiſtlichkeit mit 
ihrem Kampfe gegen die Orden nicht jehr glüdlich geweſen, 
denn nach geltender kirchlicher Auffaffung ift die Spendung 
der Safranıente an eine beitimmte Kirche nicht gebunden. 


Beilagen. 
I. 


Ista sunt nuntiata inquisitori a diversis fide dignis 
personis sub iuramento de congregationibus domini 
Werimboldi Traiectensis. Quarum plures steterunt in 
illis congregationibus scil. swestrionum et verisimiliter 
videntur esse in aliis locis persone. (?) Que facto pulso 
quum convenerint ad refectorium, stantes in eircuitu 
dieunt benediecite in vulgari Martha inchoante et cete- 
ris prosequentibus. Et habita lectione in vulgari per 
totam mensam dato signo Martha ineipit gratias et alie 
prosequuntur per omnem modum religiosorum. 

Item quotiens Marthe videtur, datur signum et 
convocantur sorores ad cameram oratoriam sedente 
Martha in sede et ceteris ex utroque latere stantibus, 
in quibus dieunt culpas suas una post aliam. Et Martha 
iniungit aliis quod orent pro ea. Et iniungit sanctos 
psalmos vel alia ad dicendum iuxta qualitatem culparum. 

Item quod non possunt ire ad audiendam missam, 
serinones, vel ad confitendum seu ad recipiendum sacra- 
mentum eucharistie nisi de licentia Marthae. Rationem 
assignantes dicunt Martha et regentes sorores, quod 
quamcunque aliqua ad huiusmodi intentionem habeat, 
magis tamen esse sibi meritorium, quod ex obedientia 
ad prohibitionem Marthe huiusmodi dimittat, quam 
quod ex suo videri huiusmodi faciat. 

Item quum habent licentiam confitendi vel sermo- 
nes audiendi, tamen non possunt alteri confiteri vel 
etiam alium audire,. nisi quos eis Martha speeialiter 


139 


nominaverit. Causam vero, quare non possunt libere 
quemlibet secundum iudieinm conscientie sue confes- 
sorem eligere vel predicatorem audire, dieunt Martha 
et seniores hanc esse, quia non omnis predicatores et 
confessores favent observantiis congregationum et sua- 
dent ad illas observandas et accipiendas, sed potius 
dissuadent, ideo nolunt Martha et seniores quod alios 
audiant quam suos consentaneos, ne sorores retrahantur 
a tam sancto proposito, ut dicunt. 

Item si aliqua contrarium faceret et Marthe in 
huiusmodi non obediret, in capitulo coram omnibus 
aliis sororibus reprehenditur et, nisi desistat, de domo 
expellitur. 

Item quum licentiatur ire ad confessionem, inter- 
dum Martha audiverit, tune informat eas, qualiter hoc 
sacerdoti confiteri debeant et non aliter. 

Item in bona feria quinta celebrant cenam et la- 
vantur pedes sororum a Martlıa et soror ad hoc de- 
putata legit sermonem dominicam in vulgari ad modum 
religiosorum. 

Item quum aliqua soror vult extra tempus com- 
mune confiteri omnibus sororibus in generali, tunc 
omnes... ut preconfiteatur Marthe et due de senioribus 
domus monent eam ad confitendum, eciam si esset 
homieidium. 

Item una stetit in congregatione earum in Rene 
et ista de causa recessit ab eis. Nam cum semel an- 
giaretur a Martha et aliis ad preconfitendum Marthe 
et ita feeisset, invenit postea, quod illa, que sub se- 
ereto confessionis illi revelavit, aliis sororibus in publica 
mensa dixit. Et casus ille fuit ita gravis, quod sim- 
plex sacerdos non potuit eam absolvere, set fuit remissa 
ad habentem auctoritatem dioecesis. 

Item cum curatus in Rene intellexisset de huius- 
modi preconfessione et Marthen de hoc redargueret, 
respondit Martha, quod propter hoc faceret, quod so- 
rores essent iuvenes et de facili possent concipere car- 
nalem affectum ad confessores et sie magis ire ad con- 
fitendum ex levitate quam ex necessitate, cum vellent 
scire, si culpa esset talis, que esset. 

Item interrogatis ab aliquibus, an aliquam facerent 


140 


professionem, responderunt, quod nescirent de profes- 
sione, set cum ipse fuissent per mensem vel circa in 
domo, tunc senior soror et potentior post Martham dixit 
eis, quoniam deliberassent, an vellent cum eis manere 
et responso per istas quod sie, dixit illa: Si vultis 
nobiscum manere, oportebit vos ordinationes domus 
cum aliis sororibus uniformiter observare et proposuit 
eis punetatim omnes articulos supradictos et iste dixis- 
sent, quod libenter vellent, tunc prohibuit eas, quod 
ulli unquam istas ordinationes revelarent, nisi esset de 
domo vel alia domino Werimboldo subiecta nec etiam 
confessori suo, et cum una dixisset: Si ista sunt ita 
bona sicut dieitis, quod sit similior vita vite Christi et 
apostolorum quam sie, quare tune non possent dici 
elerieis, respondit illa quod multi sunt boni literati, 
set non habent saporem seripturarum, propter haec 
non videtur eis ita bonum, sicut est. Et sic melius 
esset, quod non seirent. 

Item cum due ex antiquioribus sororibus recesse- 
rant a congregatione in Rene propter informationem 
prioris Carthusiensis Arvernonensis, qui dixit eis ob- 
servantias predietas cum statutis ecclesie nullatenus 
posse stare, et predicte due sorores adhuc in congre- 
gatione existentes cum semel Traiecti causa informandi 
a iurisperitis inissent et secum observantias predictas 
portassent in scriptis et hoc dominus Werimboldus 
pereipiens interim misit Alheydim Cluten Martham de 
Traiecto usque Renem, que animavit alias sorores ac 
eis consuluit. ut potius starent in verbo dicti Werim- 
buldi quam cuiuscunque alterius et cum deliberassent 
omnino velle negare et, si opus esset, cum iuramento, 
quod tales ordinationes seu prohibitiones in domo non 
fuissent et sie evaderent turbationem et dietus Werim- 
boldus hoc intellexisset, dixit: si iurassent, de facili 
manum illis super caput interposuissem. 

Item dominus Werinboldus dieit et tenet eas pro 
apostatis. que contra voluntatem ipsius a congregatio- 
nibus recedunt. 

Item quod Alheydis (Cluten) et filie sue inducunt 
homines eciam extra suas congregationes immo in se- 
culo et matrimonio existentes ad hoc, ut confiteantur 


141 


dicte Alheydi et consilia animarum et directionem con- 
scientiarum ab ipsa recipiant. Et quod solum in pre- 
dicatoribus Werymboldum audiant. 

Item alique honeste persone in seculo eciam ma- 
trimonio existentes sunt confesse prodicte Alheydi ita 
nude et aperte sicut unicuique sacerdoti. 


Secundum predieta potest se regere inquisitor 
in inquisitionibus Lulardorum, Begardorum et Swe- 
strionum. 

Fiat ergo de hiis articulis, que secuntur, inter- 
rogatio. 

Iuret primo sub hac forma tactis sacris evangeliis 
propriis manibus. 

Ego N. iuro ad sancta dei evangelia, quod dicam 
meram et claram veritatem de omnibus, de quibus 
interrogatus fuero, prout scivero et potuero et hoc non 
pretermittendo propter amorem vel odii rancorem nec 
irae livorem nec propter quecunque bona huius mundi, 
sic me deus adiuvet et hec sancta dei evangelia. 


Iuramentum in vulgari. 


Ick N. swere und ghelove gode van hemelrike und 
seyner leyrven moder Marien und alle godes hillegen, 
dat ik wel segen dey claren luteren warheyt van al 
den dyngen, dar men my umme vraget, also vere als 
ik dat weet und eyn wil das nycht lazen um leyf eder 
leet, umma hat, nyet, thoren noch umme gheyn gut 
dusser werlt, so moche my got helpen und al syne 
hylgen. 

Si nollet iurare vel difficultaret, hereticus est 
(interrogationes extrav. excommunicamus primo). 

Primo iurabunt de dicenda veritate plane sine 
ambiguitate et directe. 

An teneat, quod sine peccatu jurare possit in 
iudicio. 

An jurantes propter scandalum vitandum possint 
licite celare secreta sue secte. 

Item an jurare recusantes vel verbaliter tamen 
jurantes reputant hereticum vel errorem. 


142 


Post requirantur: 

Unde sint. Qui sint parentes. Utrum vivi vel 
mortui. Ubi fuerit nutritus. Ubi fuerit conversatus. 
(Quare communem habitum. Quare communem locum. 
An credat in deum. An articulos fidei. An sacramenta 
ecclesie.e An in sanctam Romanam et Catholicam ec- 
clesiam. An tenere aliter quam ecclesia determinat 
credendum sit hereticum. An rebellare preceptis ec- 
clesie pertinaciter semper sit peccatum wmortale. An 
tenere quod precepta ecclesie non obligant aliquem 
hereticum. An umquam audierit preceptum ecclesie, 
novam religionem non assumendam et non confirma- 
tam deserendam esse. An audierint sectam, que dieitur 
begardorum et beghinarum seu swestrionum, dampna- 
tam esse. Item quando, a quo et quare dietam sectam 
reprobatam assumpserint et de modo receptionis et 
quamdiu duravit in ea et ubi receperit. Item quare 
sanus existens vietum per mendieitatem quisierit in 
detrimentum pauperum et laborare recusavit contra 
rempublicam. . Item quomodo deserviat illas, quum 
oret recompensando missam, vigiliam, psalterium et 
magnum oratorium. Item in quos usus expediantur 
eleemosyne et an reddatur conpotus, quantum recipia- 
tur et quantum exponatur. Item an Marthis et procu- 
ratoribus obediatur ad egressum et reditum, confesso- 
rem, predicatorem et penam portandam. An Marthe 
potius sit obediendum, quam plaeitis ecclesie et inqui- 
sitoribus et de culpis dicendis coram eis, post non 
iterandis sacerdotibus. Item an ad mandata inquisi- 
torum teneantur et an sententie ligent per eos emisse 
et separent a perceptione sacramentorum ecclesie. Item 
an hospitaverint per eos excommunicatos vel sciant 
aliquos excommunicatos sacramentum eucharistie per- 
cepisse vel sciant excommunicatos ab inquisitoribus. 
Utrum liceat in matrimonium assumere et an in ma- 
trimonino quis vivere possit sine peccato. An liceat 
eis recipere ad societatem suam existentes in ma- 
trimonio. An sciant in societate sua fuisse tales et 
qui et que fuerint et an per hoc meruerint vel pecca- 
verint. An status eorum sit perfectior matrimonio 
vel aliis religionibus approbatis vel imperfectior vel 


145 


equalis. De sacramento penitentie, an bonus homo 
teneatur confiteri. An culpas eorum possint inter se 
dicere et an per hoc purgentur. 


1) Novam religionem adinvenire est jure prohibi- 
tum (extr. de religiosis domibus, Ne nimia) 

2) Novum ordinem adinvenire et novum habitum 
religionis assumere interdieit concilium Lugdunense 
prohibitione perpetua (extr. de reljgiosis domibus, reli- 
gionum |. IV. Gregor X.) 

3) Statum beginarum swestrionum prohibet papa 
Clemens V. approbante coneilo Wyenense duxitque per- 
petuo prohibendum et a dei ecclesia penitus abolen- 
dum (extr. de religiosis domibus, Cum de quibusdam) 

4) dietus status est eisdem mulieribus et quibus- 
cunque aliis sub pena excommunicationis prohibitus, 
quam incurrunt ipso facto (ib.). 

5) Quod predictus habitus est eisdem mulieribus 
sub eadem pena interdietus (ib.). 

6) Quod fautores dietarum mulierum sunt ipso 
facto a dieto concilio et papa excommunicati (ib.). 

7) Quod tales mulieres speecificantur in privilegio 
Caroli IV. et in extravaganti Joh. 22 Ratio recta. 

8) Quod omnia predicta confirmat Joh. 22 in pri- 
vilegio, quod ineipit: Ratio recta. In qua quidem 
extravagante allegat jura supra posita. 

9) Quod dicta secta begardorum et beginarum est 
dampnata etas. R. e. reprobata cum fautoribus recep- 
tatoribus et defensoribus (extr. de hereticis Ad nostrum) 
in Clementis per concilium Wyenense. 

10) Quod omnia supra scripta sunt approbata per 
Urbanum V., Gregorium XI, ut patet in privilegio 
Garoli IV. Hic Gregorius XI. scribit ipsos begardos 
et beginas hereticos, ut patet in privilegio. 


t) Begine Joh. Andree super capitulum (Cum de 
quibusdam extr. de religiosis domibus in Clementinis) 


1) Das Folgende find einzelne abgeriffene und ſchwer leſerliche Notizen, 
die jich auf die Behandlung der vorliegenden Frage in der bisherigen 
firchenrechtlichen Litteratur beziehen. 


144 


dieit. Quod Hostiensis notat super cap. Cum ex eo 
de pe et re super verbo. Quod questores elemosina- 
rum non hospitent in locis incongruis, hospitent, in- 
quam, pareit, quod, non dicit hospitibus set cavendum 
est quasi a prostibulario sicut sunt hospitia beginarum, 
quod perniciosum est genus feminarum, a quibus modis 
omnibus est cavendum. . . . qu.2 diffinimus et contra 
perniciosam alibi etiam nota cavendum a beginis (extr. 
de frigidis fraternitatibus post primum. Item extr. de 
vita et honestate clericorum Monasteria. De erroribus 
beginarum nota extr. de hereticis ad nostrum). 

Quod beginatus dieitur quod (?) religio ibidem in 
glossa Cum de quibusdam. 

Quod sorores de tertia regula non tangit illa con- 
stitutio, cum illi permittatur obediendum nota (?) pro- 
prie quoad certa (?) substantialia, set habent quendam 
ınodum vivendi per sedem apostolicam approbatum (ib.). 

Querit speeulator 1. X. de sanctam monachorum 
p. 36: Si aliquis rusticus construit hospitale commutat 
habitum ete. Nunquam talis censetur religiosus et nun- 
quam ecclesia debet eum defendere tanquam personam 
ecelesiasticam, dieit, quod sie si hec facit de episcopi 
auctoritate, alias non. 

Nota: hospitale non potest construi sine licentia 
episcopi (extr. de ecelesiis edificandis: Si hospitale). 

Item nulla ecclesia materialis debet construi sine 
consensu episcopi (de conse. in parte (?) Nemo. 

Item glossa in capitulo precedente (ibidem Ecelesia) 
dieit: Ex quo ecelesia non potest construi sine aucto- 
ritate Romani pontifieis, multo potius aliqua nova secta 
sine eius auctoritate non potest construi. 

Item nullus debet edificare ecelesiam vel monaste- 
rium vel oratorium sine consensu episcopi ex cuius 
dyoecesi edificatur, quod si fecerit, episcopus ecclesiam 
ad suum dominium revocabit, nisi prescriptus inter- 
venerit (Extr. de privilegiis olim propter questiones(?) 
l. 8 qu. 1 Quidam. 


145 


I. 

Schreiben Jakobs von Eoeft an Heinrih v. Mühlen, Propſt 
s. Anscharü zu Bremen in Saden eines dortigen 
Kaplans. 

Köln 1410 April 11. 


Frater Jacobus etc. venerabili viro domino Henrico 
de Molendinis, preposito s. Anscharii dyoecesis Bre- 
mensis, salutem in vero salutari: Ad nostrum fide 
dignorum relatione pervenit auditum, quod quidam 
presbiter nomine Johannes Petri, capellanus in parochia 
b. Marie virginis eivitatis Bremensis, de iussu domini 
Nicolai pastoris diete ecclesie, ut presumitur, nuper in 
die pasche in dicta ecclesia b. Marie virginis nonnullos 
articulos temerarios male sonantes et de heresi in parte 
suspectos coram vulgo simpliei utriusque sexus predi- 
care et pertinaciter affirmare presumpserit, ex quibus 
multorum corda simplieium non modieum sunt scanda- 
lizata et infecta. Nos proinde attendentes, quod error, 
cui non resistitur, approbetur, et preterea facere vo- 
lentes, prout nostro incumbit officio, si premissa nobis 
relata continent veritatem, de vestra discretione confisi 
vobis tenore presentium auctoritate apostolice comit- 
timus et mandamus, quatenus ad sepedictam civitatem 
accedentes testes, quos religiosi viri fratres Albertus 
Luchtemeker prior ordinis fratrum predicatorum et N. 
guardianus fratrum minorum conventuum civitatis Bre- 
mensis simul vel alter eorum coram vobis super dietis 
articulis, quorum copiam vobis cum presentibus sub 
sigillo offieii inquisitionis clausam transmittimus, duxerit 
vel duxerint producendos iuxta morem recipiendorum 
testium vice et auctoritate nostra immo verius aposto- 
lica, prudenter recipiatis eosque iuxta discretionem vo- 
bis a deo datam examinetis diligenter et depositiones 
eorundem testium fideliter in scriptis redactas cum 
prefatis articulis neenon cum toto processu, quem super 
hoc coram vobis haberi contigerit, sub sigillo nostro 
interclusas nobis per fidelem nuntium quanto oeius 
destinare procuretis, ex tune in dieto negotio dante 
domino processuri, prout secundum deum et iustitiam 
viderimus pro fide catholica expedire. Testes autem, 

XLVI. 1. 10 


146 


si qui fuerint nominati, si se gratia vel odio vel amore 
subtraxerint, per censuram ecclesiasticam compellatis 
veritati testimonium perhibere. 


DI 


Schreiben desjelben an die Rektoren der Kirchen, Kapellen 
und Klöfter, gleichen Inhalts, vom gleihen Tage, mit 
dem Auftrag, die beiden Beichuldigten zu citiren inner— 
halb 10 Tagen in Köln im Konvent der Predigt: 
brüder jich zu verantworten. 


IV. 
Jakob von Soeſt an die Kölner Geiftlichkeit. 
1411 Aug. 8. 


Frater Jacobus etc. universis et singulis ecclesia- 
rum pastoribus seu vices eorum gerentibus per civita- 
tam Coloniensem constitutis salutem et mandatis nostris 
immo verius apostolicis firmiter obedire. Quia propter 
iniunetum nobis heretice pravitatis inquisitionis offieium 
intendimus in curia ecclesie cathedralis in die sancti 
Laurentii (10. Aug.) statim facto prandio hora 12 
predicare universis clero et populo congregatis ac pro- 
ponere aliqua super negotiis fidei et de fide, qua- 
propter auctoritate apostolica, qua fungimur in hac 
parte, vos rogamus, requirimus pariter et monemus, 
quatinus crastina die, que erit dies dominica et vigilia 
sancti Laurentii, intimetis populo, quatinus sint in die 
sancti Laurentii post prandium in predicta curia cathe- 
dralis ecelesie audituri ea, que ad fidem pertinent ortho- 
doxam, adiicientes quod nos suspendimus omnis aliis 
sermones generaliter illa hora per civitatam Colonien- 
sem fieri consuetos. Dat. Colonie apud fratres pre- 
dicatores anno domini 1411 in die s. Cyriaci martiris 
sub sigillo inquisitionis. 

Aehnliches Schreiben an die patres priores ordinum 
predicatorum heremitarum s. Augustini et b. dei ge- 
netricis de monte Carmeli und den gardianus ord. fra- 
trum predicatorum zu Köln vom gleichen Tage. 


147 


V.—X. 
Akten des Prozefies gegen Johann Malfaw. 


V. 
Schreiben Jakobs von Soeſt an den Pfarrer von St. Marien 
zu Köln. 
1411 Septbr. 16. 


Frater Jacobus de Susato etc. dilecto nobis in 
Christo pastori ecclesie b. Marie ad indulgentias civi- 
tatis Coloniensis vel vices eius gerenti salutem in do- 
mino et mandatis nostris immo vero Apostolicis prompto 
animo obedire. Cum dominus Johannes Malkaw de 
Pruszia presbiter regularis sic sit nobis et sancto of- 
ficio inquisitionis de herelica pravitate tamque vehe- 
menter suspectus multipliciter delatus et teneamur ex 
iniuncto nobis officio de huiusmodi nos informari, id- 
cireo vobis auctoritate domini nostri pape, qua fungi- 
mur in hac parte, mandamus quatenus ipsum dictum 
dominum Johannem coram testibus fide dignis uno pro 
omnibus eitetis edicto, ut tali die compareat coram 
nobis tali loco de fide responsurus et veritatem de se 
et aliis dieturus super crimine heresis, alioquin proce- 
demus contra eum eius contumacia non obstante, vos 
auten, quidquid inde feceritis, per vestras patentes 
litteras diem, locum et testium, qui affuerint, nomina 
continentes quam ceitius fideliter per transfixum rescri- 
batis vestro sigillo munitum in signum executionis. 


VL 
Schreiben Jakobs an die Geiitlichen der Diözefe und den 
Biarrer zu St. Marien. 
Köln 1411 Okt. 23. 


Frater Jacobus etc. universis et singulis curatis et 
non curatis et presenti plebano ecelesie b. Marie In- 
dulgentiarnm salutem — obedire. Cum alias fratrem 
Johannem Malkaw de Pruszia professum ordinis s. Be- 
nedieti XIII. die mensis Octobris moneri fecerimus, ut 
nonnullis articulis sibi de mandato nostro per Symonem 
de Ondorp et Jacobum de Clivis notarios nostros in 

10* 


148 


huiusmodi causa deputatos eodem die presentatis medio 
suo iuramento alias per eum prestito coram nobis, ut 
infra triduum immediate sequens dictam monitionem 
responderet per verbum credit vel non credit, quod 
hucusque in contemptu ecclesie clavium et sancte in- 
quisitionis officii facere non curavit, quare vobis man- 
damus auctoritate etce., quatenus eundem fratrem Jo- 
hannem ex superhabundanti moneatis, ut adhuc infra 
triduum post vestram monitionem immediate sequens 
respondeat ad dictos articulos per verbum credit vel 
non credit et responsionem suam nobis et sancto officio 
inquisitionis mittere seu tradere non differat, sed as- 
signare curet cum effectu. Alioquin elapso monitionis 
termino ipsum, quem nos auctoritate apostolica ex 
tunc propter hoc in hiis sceriptis terna tamen canonica 
monitione et peremptoria premissa excommunicamus, 
excommunicatum publice nuntietis atque teneatis, diem 
executionis et quidquid in premissis faceritis et testium 
nomina, qui afluerint, liquide rescribatis. 


Vo. 


Schreiben Jakobs von Soeſt an diejelben. 
1411 Dft. 30. 


Frater Jacobus etc. universis et singulis, ad quos 
presentes nostre littere pervenerint et presertim pastori 
ecclesie b. Marie ete. — obedire. Gum frater Johannes 
Malhaw etc. minus suffiecienter in causa fidei respondit 
(artieulis) sibi de mandato nostro per Symonem Ondorp 
et Jacobum de Clivis notarios nostros in huiusmodi 
causa deputatos die tredecima mensis Octobris sibi 
presentatis medio suo iuramento alias per eum prestito 
coram nobis et ex superhabundanti iterum et iterum 
monitus fuisset, ut sub certo termino suas responsiones 
de fide nobis destinare curaret, licet multas responsio- 
nes mitteret, nullam responsionem misit de fide. Id- 
circo adhuc vobis mandamus etc., quatenus iam tertio 
multum ex superhabundanti moneatis dietum fratrem 
Johannem, ut infra triduum post vestram monitionem 
immediate sequens sufficientius respondeat in causa 
fidei iuxta articulorum tenorem, utrum credat illa, que 


149 


te 


oratione et scripto confessus est sibi licuisse facere 
vel fecisse, vel non credat, et utrum lieuerit ei sie 
facere vel non. Et curet nobis illas responsiones mit- 
tere, si presentes fuerimus, alias nostro primario fratro 
Henrico Hagheman ordinis fratrum predicatorum cum 
effectu. Alioquin ipsum pro multipliei contumacia nos 
ex tunc elapso dicto termino monitionis propter hoc 
in hiis seriptis terna canonica monitione etc. — re- 
seribatis. 


vm. 


Schreiben Jakobs von Soeit an die Kölner Geiftlichkeit. 
1411. Dezbr. 19. 


Frater Jacobus de Susato universis curatis et vice- 
euratis, presbiteris clerieis ac notariis publieis per eivi- 
tatem Coloniensem constitutis salutem — obedire. Cum 
nuper, videlicet die sabbati tertia die mensis Octobris 
proxime preteriti, frater Johannes Malkaw etc. post 
examinationem super certis articulis et interrogationi- 
bus hereticalibus per nos tamquam de heresi suspecto 
sibi factam coram pluribus prelatis, magistris, docto- 
ribus et personis dicte eivitatis et dyoecesis Coloniensis 
ac notariis publieis ad hoc vocatis et requisitis ad 
saneta dei evangelia tactis scripturis sacrosanetis cor- 
poraliter iuravit inter cetera, quod ex tune statim de- 
beret ire ad domum suam, quam inhabitare consuevit 
infra emmunitatem ecelesie XI millium virginum Colon. 
et ibidem stare quietus usque ad vocationem nostram 
vel venerabilis viri domini officialis eurie Goloniensis 
ad certos diem, horam et locum. Et prout intellexi- 
mus, idem frater Johannes a dieta domo recessit contra 
suum iuramentum, ut premittitur, per eum factum. 
Quare vobis mandamus, quatinus eitetis peremptorie 
eundem fratrem Johannem, si ipsius presentiam habere 
poteritis, alioquin in dieta domo habitationis sue sub 
testimonio competenti continue hodierna die, que est 
dies XIX mensis decembris hora vesperarum coram 
nobis in domo capitulari conventus Colon. ordinis pre- 
dieatorum predicti personaliter compareat, de fide super 
certis articulis responsurus ac visurus et auditurus, 
ulterius in negotio inquisitionis intentato per nos pro- 


150 


cedi, prout iustitia suadebit et ordo dietaverit rationis, 
certificantes eundem nihilominus, quod sive comparuerit 
sive non, ad ulteriora procedemus eius absentia seu 
contumacia non obstante, quidquid vero in premissis 
feceritis, nobis liquide per transfixum rescribentes. 


IX. 


Schreiben gleihen Inhalts an die Plebanen s. Mariae In- 
dulgentiarum, s. Johannis superioris, s. Pauli et 
s. Columbe und alle Pfarrer der Kölner Diözefe. 
1411 Dezbr. 19. 


X. 


Schreiben Jakobs von Soelt an diejelben. 
1412 San. 16. 


Berichtet über das Verfahren gegen Johann Malkaw 
in gleiher Weife bis zur Uebernahme der Verpflichtung 
in feinem Hauſe zu bleiben nec aliquem vel aliquam 
ad se intromittere sine speciali licentia nostra vel 
offieialis euriae Coloniensis sub pena carceris. . Ipse 
tamen frater Johannes dei timore postposito ac dya- 
bolo instigante contra dietum suum iuramentum 
publice et diversimodo veniendo seripsit nonnullas 
litteras diversis personis ecelesiasticis et secularibus 
communiter et diversim de dieto inquisitionis ne- 
gotio ac de domo sua, in qua, ut premittitur, sub 
pena carceris stare debuit, fugiendo ac de civitate Co- 
loniensi, prout super hoc sumus sufficienter informati, 
recessit, reatum periurii ac sententiam excommunica- 
tionis et alias penas iuxta canonicas sanxiones talibus 
inflietas multicipliter incurrere minime formidavit in 
anime sue periculum et clavium ecclesie contemptum 
et scandalum Christi fidelium plurimorum. Et quia 
dietus frater Johannes huiusmodi sententiam excom- 
municationis per mensem et ultra non sustinuit indu- 
rato et iuxta canonica instituta eius crescente contu- 
macia crescere debet ipsa pena, ideo — e& folgt der 
Befehl, den Bann gegen ihn zu verkünden, 


Aus einem Beriht Jakobs von Soeſt an Papſt Martin V. 
1421 San. 15. 


14. In officio inquisitionis me fratre Jacobo') 
predicto Inquisitore humiliter occupato repperi libros 
missales ex toto in vulgari scriptos apud laycos solo 
canone excepto et eciam alios libros videlicet exposi- 
tiones evangeliorum et huiusmodi. Dubitatur, quid de 
libris illis fieri debeat propter -qualitatem temporis. 
Nam, ut dieitur, in aliquibus partibus novi heretici 
seculares tam viri quam mulieres utuntur forte iisdem 
cum canone et eredunt iuxta Waldensium errorem posse 
conficere et dieere missas ita bene sicut sacerdotes, et 
leviter ad istos libros canon apponeretur et sequeren- 
tur errores et hereses leviter non exstirpande. Petitur 
igitur, quid de libris fieri debeat; videtur, quod non 
sint comburendi, quia nulla heresis ibi continetur sed 
possent prestare materiam errorum et heresum; quid 
ergo fieri debeat, dubitamus. 


XII. 


Notariatsinſtrument über den Widerruf des Johann Palborne. 
1421 März 9. 


In nomine domini amen. Anno nativitatis eius- 
dem millesimo quadringentesimo vicesimo primo in- 
distione quarta decima dominica die Judica, quae erat 
nona mensis Martii mane hora primarum vel quasi 
pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini 
nostri Martini divina providentia papae quarti anno 
quarto de mandato et requisitione venerabilis et reli- 
giosi viri fratris Jacobi de Susato ete. Ego Siffridus 


2) In dem diefem Schreiben vorangehenden Auszug aus demjelben, der 
die Ueberjchrift trägt: Sequuntur eciam dubia pro officio Inquisi- 
tionis declaranda ift hier das Datum beigefügt: 1420 Dftober. 
Diefer Auszug gehört einem Bericht des Ingquifitors an, welcher mit 
dem im Ms. VII9 p. 47—116 des Münſterſchen Staatsardyivs 
enthaltenen übereinjtimmt, aber nur bis zum 25. San, 1421 ge 


führt ift. 


152 


Notarius infraseriptus certis viris religiosis fratribus 
ordinis predicatorum domus Susatensis Colon. dyoecesis 
inferius notandis per eundem ete. fratrem Jacobum etc. 
mihi pro ydoneis et fidedignis testibus adiunctis et de- 
putatis ad videndum et audiendum una mecum, quae 
per me hic statum infra narrantur et in publicam for- 
mam rediguntur, intravi ecclesiam parochialem beate 
Marie virginis in prato Sus. In quam cum venerim 
et modica mora facta dominus Johannes paderborne 
iunior vicecuratus in eadem ascendit ambonem stantem 
ibidem et coram plebis multitudine ad audiendum di- 
vina illie solito more satis in magna copia congre- 
gata juxta formam sibi per venerabiles et circumspectos 
viros dominos Johannem de Linepe canonicum maioris 
ac prepositum s. Gereoni ecclesiarum Colon. Tylman- 
num de Attendorn legum doctorem et officialem curie 
Golon. ac Thidericum de monasterio sacre theologie 
professorem in scripto traditam et a Colonia ab eisdem 
in quadam missiva prefato magistro Jacobo etc. et ei- 
dem domino Johanni destinata seriptam et transmissam 
alta et intelligibili voce clare et distinete in teutonico 
forme latine sibi ut prefertur tradite date et transmisse 
penitus et omnino....!) errorem alias per eum ibidem 
ipso die beati Martini episcopi coram populo tunc co- 
ram eo occasione cuiusdam funeris sepeliendi convento 
predicatum revocavit. Cuius revocationis formam ego 
Siffridus etc. in quadam cedula pergamenea in manu 
mea tenui et diligenter auscultavi inveniens quod teu- 
tonicum illius revocationis ibi per dominum Johannem 
ad populum prolatum penitus cum latino, quod in 
dieta mea cedula habui, consonabat ymmo nec aliquid 
de contentis in eadem anticipavit neque posterigavit 
sed precise sub hac verborum forma: (Alias in die 
saneti Martini in hoc ambone stans loquebar ad po- 
pulum in ecclesia ista occasione cuiusdam funeris tunc 
presentem et nonnulli tunc astantes dixerunt et dicunt, 
quod inter cetera verba per me tunc prolata dixerim 
sie: propter hoc corpora mortuorum portantur ad eccle- 


) Unlejerliches Wort, 


153 


sias suas parochiales ut reddant sacramenta, que ibi- 
dem receperunt. Que verba aut similia non recolo me 
dixisse et puto me non dixisse et scio quod nunquam 
habui intentionem aut voluntatem talia verba dicendi 
et si dixissem, quod talia verba sunt male sonantia et 
catholice veritati contraria et exhortor vos omnis in 
domino, quod predicta verba nullus vestrum asserere, 
tenere aut defendere perseverat,) revocavit, dixit et nar- 
ravit. Et facta huiusmodi revocatione revocans nota- 
rium super hoc requisivit quem quis esset, conside- 
rare non potui, quia multi homines sederunt et eciam 
multi steterunt inter me et prefatum revocantem, pre 
quibus videre non potui notarium per eum requisitum, 
de quo protestor eciam, quia inter me et ipsum erat 
bene distantia quoad sex vel octo passus quae erat 
plena populo utriusque sexus hie ut prefertur ad di- 
vina congregato. Quibus sic per me visis et auditis 
religiosos viros fratres Hermannum de Nehem priorem, 
Bernhardum de Molentino, Hermannum Stroppenbrok 
et Henricum Raven ordinis predicatorum et conven- 
tualium domus Sus. in testes predietorum requisivi, 
qui eciam una mecum contenta cedule, de qua pre- 
fertur, diligenter et fideliter auscultarunt invenientes 
omnia et singula pro visis et auditis sic esse, prout 
per me supra sunt narrata. Acta sunt hec etc. 


XII. 
Jakob von Soeſt an die Geiftlichen der ihm untergebenen 
Kirchenprovinzen. 
14... 


Frater Jacobus de Susato etc. universis et singulis 
ecclesiarum, capellarum Rectoribus per provinciam et 
dyoecesim predictas constitutis Salutem in domino sem- 
piternam. Dudum felieis recordationis dominus Johan- 
nes papa XXII optans veritatis vias notas esse fidelibus 
et cunctis erroribus precludere aditum quosdam arti- 
culos erroneos sacre fidei contrarios cathedre presidens 
apostolice de communi fratrum suorum consilio quan- 
dam doctrinam non sanam, set multum periculosam ac 


154 

veritati contrariam continentes dampnavit et reprobavit 
ac suis litteris apostolicis desuper datis et concessis 
vera eius bulla plumbea sigillatis universis et singulis 
distrietius inhibuit, ne quisquam ipsos articulos sie per 
ipsum dampnatos et reprobatos vel contenta in eisdem 
tenere auderet vel defendere quomodolibet vel docere 
et sie universis et singulis patriarchis, archiepiscopis, 
episcopis et electis quibuscunque sacre Romane ecclesie 
filis mandavit, quatenus ipsi et quilibet eorundem in 
civitatibus et dyocesi convocato ad hoc clero commu- 
niter ipsas suas litteras apostolicas et contenta in eis- 
dem fideliter publicarent. 


Nune demum felieis recordationis dominus Grego- 
rius divina providentia papa undeeimus fervore catho- 
lice fidei suecensus Nobis et aliis quibuscunque heretice 
pravitatis Inquisitoribus ubilibet constitutis ea, que 
pro defensione fidei catholice favorem nostri officii In- 
quisitionis heretice pravitatis dinoscebantur concernere, 
liberaliter desiderans tribuere inter cetera tenorem lit- 
terarum apostolicarum predictarum de ipsis litteris 
dieti domini Johannis sui predecessoris sumi et de 
verbo ad verbum annotari fecit in hec verba: 


(iregorius episcopus servus servorum Dei dilectis 
filiis fratribus ordinis predieti Inquisitoribus heretice 
pravitatis ubilibet constitutis Salutem et apostolicam 
benedictionem. Fervor catholice fidei et vestra devota 
supplicatio nos inducunt, ut ea, que defensionem dicte 
fidei et favorem vestri officii J. h. p. dinoseuntur con- 
cernere, vobis liberaliter tribuamus, hine est, quod Nos 
tenorem quarundam litterarum felieis recordationis Jo- 
hannis pape XXII. predecessoris nostri, quibus asserui- 
stis vos pro dicto vestro offiecio indigere, de litteris 
ipsis eiusdem predecessoris vera bulla cum filo canopis 
pendente munitis sumi, de verbo ad verbum presenti- 
bus annotari feeimus, qui talis est: (Folgt die im Corpus 
iuris can. extr. 1. V tit. III c. 2 abgedrudte Bulle gegen 
Johann de Poliaco vom 21. Juli 1321.) 





(Dann fährt Gregor XI. fort:) 


Et ut huiusmodi tenor insertus . . . rei seu facti 
certitudinem faciat, auctoritate decernimus, ut ille idem 
robur eamque vim eundemque vigorem dietus tenor 
per omnia habeat, quem haberent originales littere 
supradicte et eadem prorsus eidem tenori fides adhi- 
beatur, quantumque et ubicunque in iudicio et alibi 
fuerit exhibitus vel extensus et eidem stetur firmiter 
in omnibus sieud eisdem originalibus litteris staretur 
in omnibus, si forent exhibite et ostense. Datum 
Avennione non. Dee. p. anno secundo. 


Post quarum quidem litterarum receptionem Nos 
demum ex imposito nobis J. h. p. officio cupientes 
opiniones erroneas in quantum possumus retundere et 
sacre fidei iacere fundamentum, presentes litteras apo- 
stolicas huiusmodi articulos damnnatos et per sanctam 
sedem apostolicam reprobatos et contenta in eisdem 
in se continentes coram nonnullis ecelesiarum et capel- 
larum reetoribus per civitatem et dyoecesim et pro- 
vincias predictas constitutis propter hoc et communiter 
convocatis solempniter publicavimus iuxta traditam a 
sede apostolica predietam nobis formam. Et licet publi- 
catio litterarum predictarum sic per nos facta pro- 
cesserit publica, notaria et manifesta, nonnulli tamen 
ecclesiarum ipsarum rectores articulos predictos sic 
dampnatos et reprobatos et contenta in eisdem subdi- 
torum suorum auribus inculcare et mentibus eorundem 
imprimere minime satagunt cum effectu. Quapropter 
vobis universis et singulis presentium tenore precipi- 
mus et mandamus, «quatinus in ecclesiis vestris ac alias, 
ubi ad hoc fuerit accedendum, coram fideli populo 
ibidem ad divina congregato presentes articulos et con- 
tenta in eisdem ipsorum auribus fideliter inculcetis et 
diligenter exponatis, ne ipsorum articulorum sie damp- 
natorum ignorantia in perniciem vergere valeat anima- 
rum. Cum ovium vestrarum sanguis de pastorum ma- 
nibus in die iudicii requiratur et ut huiusmodi articu- 
lorum reprobatio et dampnatio vobis et vestrum cui- 
libet lucidius appareat cum effectu, presens privilegium 
seu institutum publicum per discretum virum N. no- 


156 


tarium publicum scribam ex ipsius declarationis ori- 
ginali forma transsumi fecimus, nostri etiam officii 
sigilli appensione communitum, exhibitum, actum., trans- 
sumptum et datum sub anno domini 'millesimo qua- 
dringentesimo N. mensis N. die N. hora N. ipsius diei 
vel quasi pontificatus sanctissimi in Christo patris et 
domini nostri N. anno tali in tali toco N. presentibus 
ibidem viris discretis et honestis N. N. N. talis dyoe- 
cesis testibus ad premissa vocatis et rogatis. 


VL 


Iſt Dietrich von Nieheim der Verfaſſer der drei 
jogenannten Conſtanzer Tractate? 





Quellenkritiih unterfucht 
von 


Dr. A. Frih. 
— — — — — 


Die drei von v. d. Hardt in ſein großes Sammelwerk: 
Magnum oecumenicum Constantiense concilium Frauk— 
furt 1697 ff. aufgenommenen Tractate: Monita de necessi- 
tate reformationis, De modis uniendi ac reformandi ec- 
clesiam und De difficultate reformationis in concilio uni- 
versali, welde man in früherer Zeit, und zwar die erjte 
und dritte dem Pierre d'Ailli, die zweite Johannes Gerjon 
zugeſchrieben hatte, erklärte LXenz, nadıdem der Glaube an 
die Autorjchaft jener Männer ftarf erjchüttert worden war, 
in jeiner Schrift: „Drei Tractate aus dem Schriftencyklus 
des Konitanzer Konzils. Marburg 1876 für Merfe des 
weiträliihen Curialen Dietrihs von Nieheim und fand mit 
feinen Ausführungen alljeitige Anerkennung. Die Entdedung 
einer neuen Handſchrift des Tractates: de necessitate, welche 
Finke in der Batilaniichen Bibliothek machte, ſchien in Bezug 
auf legtere Schrift jedem Zweijel ein Ende zu machen; denn 
im Anfang und am Schluſſe des höchſtens „18 Jahre nad 
Abfaffung des Traktates“ gejchriebenen Goder wird Dietrich 
als Berfajjer bezeichnet.) Neuerdings hat aber Erler in 
jeinem erihöpfenden und fleißigen Werke: „Dietrich von Nie: 
beim. Sein Zeben und jeine Schriften. Xeipzig 1887 jene 


’) Finte, Hiftoriiches Jahrbuch 1887, VIII, 284. 


158 


Tractate unferm Autor abgeiproden. cf. p. 468 fi. und 
485 ff. Da nun Lenz in der Anzeige meiner Schrift!) 
(Deutſche Litteraturztg. 1888 Nr. 15 p. 562) auf die Ber 
nußung derjelben Quellen in jenen Traktaten und in den 
unzweifelhaft echten Werfen Dietrich zur Stütze jeiner Auf: 
faſſung binmweift, jo jcheint es zeitgemäß zu unterfuchen, in 
wie weit die den angezweifelten Schriften eingeitreuten hiſto— 
riihen Notizen, welche jih auf das frühere Viittelalter be— 
ziehen, zur Löſung der Streitfroge beitragen können. Ein 
Bergleich derjelben mit den Erzählungen in Dietrichs Werfen: 
Nemus unionis, De Schismate?), Privilegia aut iura 
imperü®), Vita Iohannis XXIII), ergibt eine unläugbare 
Berwandtichaft. 

Auf die frappante Ähnlichkeit der Berichte über den 
Conflict Dttos I. mit Bapft Johann XII. in de modis 
p.99 f. und de necessitate p. 300 einerjeit3 und Nemus 
unionis p. 479 f., de schismate p. 157 f. Privilegia p. 
823 f. andererfeits hat jchon Lenz hingemwiejen und in Ver: 
gleihungstabellen deutlich gemabht p. 13—16, 57—60, 
Troß verichiedener Abweichungen berricht häufig eine wört: 
liche Übereinftimmung. Bergl. Zur Quellenkritik p. 12 ff. 
Auch Erler gibt die Verwandticdaft zu p. 468 und 484. 
Ferner läßt Erler p. 467 die Übereinftimmung gelten zwiſchen 
de necessitate p. 292, wo der erite Kreuszug und das ber: 


) Fritz, Zur Quellentritit der Schriften Dietrihs von Niem. Pader— 
born 1886. 

2) Beide herausgegeben Strakburg 1609. 

) bei Schard, de inrisdietione imperii. Baſel 1566. 

*%) hei Meibom, Scriptores I. Helmftadt 1688, 

5) Item expediret, prout factum fuit in Claro monte in Alvernia 
tempore Urbani papae Il sub Henrico V imperatore huius no- 
minis, tunc etiam schismate in ecelesia Romana satis magno et 
enormi vigente, quod indiceretur generale passagium pro libera- 
tione terrestri e manibus Saracenorum . . . .. 


159 


und Vita Johannis p. 41. Auf der folgenden Seite kommt 
ber Verfajjer von de necessitate wiederum auf jene Zeit 
zurüd, und dieje Stelle findet jich beinahe wörtlich Privilegia 
825 wieder!): 
De necess. 293. Privil. 825. 

- .... gloriosae memoriae .... ab eadem matrona 
comitissa Mathildi, quae tot nobilissima, quae ...magna 
bona temporalia tunc ipsi donaria ad altare, in quo 
obtulit beato Petro Apo- sanctorum Petri et P. apost. 
stolo in basilica sua urbis corpora requiescunt, eidem 
ad maius altare. beato Petro apostolo obtulit. 

De modis p. 116 werden unter den Kreuzzügen nur bie 
von den bei Dietrich fo verherrlichten Staufen unternommenen 
hervorgehoben. Es heißt hier: Ad liberationem regni 
Hierosolymitani e manibus infidelium libenter potissi- 
mum temporibus Conradi III, Frideriei I, Henrici VI 
eius filii, dieti Frideriei II Augustorum et regum Siciliae 
atque ducum Sueviae undique reges, principes et do- 
mini seculares, episcopi, sacerdotes ac cleriei contra 
Sarracenos infideles et paganos non absque gravissimis 
eorporum et rerum suarum periculis concurrerunt, fulti 
subsidiis multarum indulgentiarum, aceincti armis bel- 
licis diversorum armorum. 

Dieje Kreuzzüge werden geſchildert in den Privilegia, und 
zwar derjenige Konrads III. p. 844, Friedrichs I. p. 846 ff., 
Heinrichs VI. p. 850, Friedrichs II. p. 796, 839 f.,850. Eben 
dieje Kreuzzüge der Staufen werden auch grade hervorgehoben 
nemus unionis p. 490 f. Auf die Konftantiniihen Schen— 
fungen an die Kirche weit der Verfaſſer von de modis p. 
124 bin, ebenfo Dietrih Privil. p. 834. Auf Konftantin 
fommt Dietrid auch Privil. p. 799 zu jprechen, auf die 
Lanze, welde aus dem Beſitz des Nömers in den Ottos 1. 


) Bergl. Zur Quellenkritik p. 66. 


160 


gefommen fei, Privil. p. 815 und nemus p. 481. Ferner 
findet jih de modis p. 137 f. eine Stelle über Bapft Gre- 
gor den Großen, welche unzweifelhaft aus einer vita itammt; 
denn ihre Angaben jind joldhe, wie wir fie in den Heiligen 
leben zu leſen gewohnt find. Zur beileren Enſicht ſei jie 
wörtlich angeführt: Ipse Gregorius sanctus et magnus 
crat vere servus servorum. ÖOmni die pauperes. et fa- 
melicos refieiebat, nomina pauperum totius provinciae 
in sceriptis habebat et opera Christi indesinenter agebat, 
beneficia Christi virtuosis conferebat et re pauper erat, 
evangelia etiam Christi clero et populo exponebat, libros 
plurimos pro corroboratione et augmento catholicae fidei 
sedulo conscribebat, sanctos episcopos ad magnam Bri- 
tanniam, quae nune vocatur Anglia, et alia diversa 
loca mundi pro ceonversione infidelium dirigebat, impe- 
ratores sui temporis reverebatur et honorabat et sua 
oratione ad dominum populum Romanum a peste in- 
guinaria liberabat et alia multa pia opera usque ad 
ejus vitae terminum exercebat. Hic exemplo praecog- 
noscens, se receptum iri in papam fugit et in latibulo 
stetit per triennium, antequam divinitus, quod ibi lateret, 
populus cognoscebat. Und Privilegia 806 und 808 wird 
nicht nur die Belehrung Britannien unter Gregor berichtet, 
jondern 808 auch eine historia Gregorii in der That als 
Quelle angeführt. Ein Brief Gregors an Constantia regina 
Galliae findet fi nemus unionis p. 466.1) Auf die Sy: 
node von Sutri jpielt der Verfailer von de modis p. 106 
an: Qui occasionem damni dat et damnum dedisse vi- 
detur, est quam cito eapiendus et ab ecclesia ut turpis 
eius pars ejieiendus . . . . sieut fuit factum tempore 


1) Mach einer von Herrn Dr. inte mir freundlichſt zur Verfügung ae: 
jtellten Abſchrift jteht in einer Note des cod, Palatinus (ſol. 56) von 
de necessitate eine längere Stelle aus einer Homilie dieſes Papſtes. 


161 


Clementis II per Henriecum IT!) imperatorem. Und 
etwas weiter: Ut factum fuit de tribus se pro papa 
gerentibus abjectis tempore Henriei II] imperatoris Ro- 
mani et ejus mandato seu praecepto. Dasielbe Beiipiel 
gebraudit Dietrich im zweiten Fragment der Chronik p. 5992): 
Imperante gloriose memorie Henrvico tertio .... . contigit 
(sratianum (Gregor VI.) papam cesaris imperio congre- 
gata synodo tune in urbe Romana propter labem simonie 
a sede predicta repelli et alium sibi summum pontificem 
surrogari. Sodann hat der Berfaffer von de necessitate 
die Briefe Friedrichs TI. benugt, wie ſich aus der nach Finke's 
Anſichtꝰ) von demfelben VBerfaffer, nämlich Dietrich, gejchrie: 


) wohl III., wie ji aus der Anführung Clemens IT. und dem Folgenden 
ergibt. Es ift merkwürdig, daß auch Dietrich mit der Zählung der 
Heinriche jid) irrt, wie er Privil. 833 Heinrich V. angibt jtatt Hein- 
rich IV. Ebenfo de necessitate p. 292. Bergl. Erler p. 467. Ge 
hören diefe Fehler der Überlieferung an oder find fie Flüchtigkeiten 
Dietrihs? Eine Bergleihung der Handichriften dürfte ſchon Klarheit 
verichaften. Eigentümlich ift de modis p. 101, nachdem vorher die 
Nothwendigfeit betont ift, dat der römiſche Kailer das Schisina bei- 
lene, folgende Stelle: Ut etiam factum fuit tempore sancti Hen- 
riei II et aliorum multorum imperatorum, qui in disturbio ec- 
elesiae, non p’rcentes etiam quamquam vero papae propter pub- 
licam utilitatem,unionem ecelesiae procurarunt. Auf Heinrich II. paßt 
unmöglich jenes non parcentes quamquam vero papae propt. publ, 
utilit., denm von dem Öegenpapit Gregor, den er nidyt anerkannte, 
löst ſich nicht behaupten, daß er verus papa war. ef. Hirſch, Hein: 
rid IT. Berlin 1862 ff., 2ter Band p. 390 f., 419. Dagegen ließe 
fich dies mit größerem Recht von Gregor VI. 3. Zeit Heinrichs IL. 
gegenüber jeinen Gegnern Benedict IX. und Eilveiter behaupten, auf 
welche Zeit auch das propter publicam utilitatem paht. Hier aber 
Heinriei III ftatt H. II zu leſen, wird erfchwert durch den Zujaß sancti. 

2) Fünf Fragmente aus der Chronik des Dietrich von Nieheim, heraus- 

gegeben von Sauerland in Mittheilungen det Inftituts für öfterr. 

Beſchichtsforſchung Bd. VI, Seit 4. 

Forſchungen zur weitfäliichen Geſchichte p. 138 in Zeitjchr. f. Geſch. 

u. Altertumst. Weſtfalens, 45. Bd. 


— 1l 


— 


162 
benen Nota im Palatinus !) ergibt. Daß aber Dietrich 
bejonder® für die Privilegia eine reichhaltige Brief— 
jammlung diejes Kaijers, von ihm Registrum Friderici 11 
genannt, als Quelle gedient hat, habe ich nachgewielen Zur 
Quellenkritik p. 54 ff. Das find alle hiltorijchen, das frühere 
Mittelalter betreffenden Notizen 2), die ſich in den drei Trac- 
taten finden, und nicht etwa einzeln hervorgehobene. Daher 
läßt es ſich natürlich nicht erwarten, daß aus allen gleich 
deutlich die Verwandtichaft mit Dietrich! Berichten hervor: 
gebt. Ja die eine oder andere würde an fich betrachtet nichts 
Auffallendes haben. Beachten wir aber die Geſammtheit diejer 
biltoriichen Beilpiele, jo fehen wir mit Erftaunen, dap fein 
einziges vorkommt, welches nicht auch in Dietrichs unzweifel: 
haft echten Werfen verwendet wäre oder aus einer Quelle 
ftanımte, deren Benugung nicht auch bei Dietrich ſich nach: 
weijen ließe. Nicht jelten iſt jachliche, ja ſogar wörtliche 
Übereinftimmung. Wie follen wir uns dies erklären? Zwei 
Möglichkeiten jcheinen mir nur bier in Betracht zu fommen. 
Entweder hat derjelbe Autor diejelben Quellen für feine 
verschiedenen Werfe benutzt d. b. Dietrich iſt der Verfaſſer 
der Iractate oder aber ein Zweiter, der Verfaſſer der Trac: 
tate, hat Dietrichs Werke zur Vorlage gehabt.?) Yeßtere 
Möglichkeit nimmt Erler an, allerdings nur für die eriten 
der angegebenen Fälle, die er beachtet hat. Vergl. p. 471 


') Jetzt gedrudt p. 267 f. bei Finke, Forſchungen und Quellen zur 
Sejchichte des Konſtanzer Konzils. Paderborn 1888, 

2) Die aus der alten, befonders bibliichen Geſchichte habe ich nicht be: 
rücfichtiat, weil fie zu mangelhafte Kriterien bieten würden. 

9) Daß der Derfaifer der Iractate zufällig diefelben Quellen benußt und 
diejelben bittoriichen Nachrichten hervorgehoben hätte, wie Dietrich, 
oder daß Dderjelbe neben Dietrichs Werten nody andere Quellen, und 
zwar zufällig dieſelben wie Dietrich gehabt hätte, find die letzten Mög- 
lichteiten, zu denen man jeine Zuflucht nehmen könnte. Cine Be: 
nutzung der Iractate durch Dietrich ift jogar unmöglid). 


163 


— —— u 





und 489. Für de modis und de diffieultate wäre benugt 
nemus und de schismate, für de necessitate außer jenen 
Werfen noch Privilegia. Sehen wir nun zu, ob Erlers 
Hypotheſe uns die Verwandtichaft in jedem der einzelnen 
Fälle erklärt. 

In de necessitate fann die Ähnlichkeit der kurzen Er: 
zählung von Otto I. und Johann XII. (p. 300) mit den 
Berihten Dietrihs wohl durch Annahme einer Benugung von 
nemus unionis, de schismate, Privilegia erflärt werben, 
ebenjo die Berwandtichaft der Berichte über den erjten Kreuz 
zug und das derzeitige Schisma (de necess. p. 292 f.) durd) 
Benusung von Privil. p. 824 f. und 833 f.!) Die kurzen 
Kotizen enthalten nämlich feine Angabe mehr, als die um— 
fangreihen Berichte der Privil. u. j. w. Nehmen wir für 
die Erzählung des Conflictes Ottos I. mit den Päpſten in 
de modis p. 99 die Vorlage von nemus und de schismate 
an, jo verjtehen wir zwar nicht recht, wie der Benutzer, wenn 
auch nemus umd de schismate Xeo VIII. als Gegner Be- 
nedikts nicht erwähnen, ihn vorher ſterben läßt (quo defuncto). 
Im Übrigen enthält der furze Bericht nichts mehr, als ne- 
mus p. 479 f. und de schismate p. 157 f. Was bie 
Kreuzzüge der Staufen betrifft, jo Eönnte für de modis p. 
116 vorgelegen haben nemus p. 490 f., wenn auch der in 
de modis genannte Heinrih VI. in nemus nidt erwähnt 
wird.?) Die Konſtantiniſchen Schenfungen werden de modis 
p. 124 und Privil. p. 834 hervorgehoben, dagegen nicht 


in den vor de modis verfaßten Werfen nemus und de 


1) Zelbit die Berwandbtichaft der oben angeführten Berichte über die 
Scentungen der Martaräfin Mathilde könnte, wenn auch die An— 
nahe feine Wahricheinlichteit für fich hat, daher kommen, dat der 
Verfaſſer von de necessitate die Privilegia benußte nnd befannt mit 
der Ortlichkeit ftatt des altare in quo sanctorum Petri et P. apost. 
corpora requiesceunt jchrieb: ad maius altare, 

2) wahrjcheinlich, weil er nicht jelbit zu Felde zog. 

11* 


164 


schismate. Hier wäre alfo die Vorlage diefer Werke un: 
möglid. Doch da dieſe Schenkungen für jene Zeit ein ge— 
läufiges Thema gemwejen jein mögen, und die Annahme einer 
gleihen Duelle nicht nothwendig erjcheint, jo wollen wir 
darauf weiter fein Gewicht legen. Für die de modis p. 
137 f. gebrachten Nachrichten über Gregor den Großen, die 
offenbar auf eine vita!) zurüdgehen, wie auch Privil. 808 
eine ſolche als Quelle angeführt wird, können dagegen nemus 
und de schismate unmöglid als Quelle gedient haben, weil 
außer dem Briefe (nem. p. 466) fi feine Angabe über 
Gregor in ihnen findet. Augenjcheinlich kann auch der Ver— 
faffer von de modis nicht das Beijpiel von der Synode 
zu Sutri aus Dietrichs Chronik genommen haben; denn 
diejelbe Sache wird in beiden Schriften auf eine allzu ver: 
ihiedene Weile als Beiipiel erzählt. In Privilegia wie in 
de necessitate jehen wir jchließlih eine Briefjammlung 
Friedrichs II. benußt, aber wir fünnen nicht behaupten, daß 
die Privilegia in dieſem Falle dem Verfaffer der Schrift 
de necessitate als Quelle gedient hätten. Auch fei noch 
hervorgehoben ?), daß de modis p. 103 eine Stelle aus des 
Gervasius: Otia imperatorum citirt wird, und daß Dietrich 
dies Werf ebenfalls befannt war (cf. de schism. p. 97). 
Dietrih (nemus 463) kennt ein Werft Gesta Romanorum 
pontificum et imperatorum, ebenfalls der Berfaffer von 
de modis (p. 118 u. 120). a lepterer weiß jogar die 
Anzahl der in demjelben behandelten Schismata. Wie kann 


’) Bergl. Zur Quellenkritik p. 54. Eine Benutzung einer der mir be— 
fannt gewordenen drei vitae dieſes Papſtes (Canisius, Lect. Antiq. 
VI ©. 461; Mabillon, A.S. saec. I ©. 386 u. 398) anzunehmen, 
tonnte ich «mich deshalb nicht entichliehen, weil ich die Privil. 808 
anjcheinend wörtlich angeführte Stelle: Videns Romae vir beatus 
u. | w. nicht im ihnen wiederfand. Im Übrigen bringen diejelben 
ungefähr die gleichen Angaben, wie auch Dietrich). 

®) Bergl. Lenz p. 60 u. 76, 


165 


er aus dem einen Werke ein Citat anführen und den In— 
halt de3 anderen jo genau fennen, wenn er diefelben nicht 
telbit in der Hand Hatte? Auch in den beiden legten 
Fällen wäre aljo eine Benubung der unzweifelhaft echten 
Schriften Dietrihd nicht denkbar. Wir jehen aljo, mit 
Erler Hypotheie, weldhe er bei den von ihm beachteten 
Fällen immerhin anwenden fonnte, kommen wir nicht weiter. 
Meiſtens und jelbit da, wo die Benußung von nemus, 
de schismate, Privilegia nicht geradezu unmöglich ericheint, 
ftogen wir auf Schwierigfeiten. Ganz einfach, und in allen 
Fällen erklärt jich die Verwandtichaft der in jenen Tractaten 
und Dietrihs Werken benugten Quellen, wenn wir die ans 
dere Möglichkeit annehmen, dab Dietrich aud jene Tractate 
aeichrieben hat. 

Ferner muß Erlers Annahme jehr an Glaubwürdigfeit 
verlieren, wenn man die Abfafjungszeit der einzelnen Schriften 
in Betracht zieht. Für die im Auguſt 1410 geichriebene 
Schrift: De modis (cf. Erler, p. 482) ſoll de schismate 
Quelle fein, an weldem Wert Dietrih am 25. Mai 1410 
noch die legten Kapitel jchrieb (cf. Erler p. 319), für de 
necessitate im September oder October 1414 verfaßt (cf. 
Erler p. 463) die Privilegia, abgejchlojjen vor dem 6. Au: 
guſt 1414 (cf. Erler p. 358). Selbit in unjerem Zeit: 
alter it das feine gewöhnliche Erjcheinung, um wie viel 
weniger im Anfang des 15. Nahrhunderts, und nicht ein: 
mal joll dies geichehen fein, jondern in zwei Källen. Nun 
ließe fih ja einwenden, daß nach Erler Annahme, p. 
358 ff. der eigentliche Text der Privilegia in viel frü- 
berer Zeit liegt, aljo dem Berfaffer von de necessitate 
die Privilegia ohne die Scholien als Quelle gedient haben 
fönnten. Dies macht für unſeren Zweck nidts aus. 
Denn die Notiz von der Verfammlung zu Glermont (de 
necess. p. 292) findet ſich nicht im Tert der Privil. p. 824 


166 


wieder, jondern in dem Scholion p. 834. Tem Verfaſſer 
von de necess. müßten aljo jedenfalls die Privil. in dem 
Umfang, wie fie ihn 1414 erhielten, vorgelegen haben, falls 
fie jeine Duelle geweien wären. Nicht alio in den Privil. 
möchte ich die Quelle diejes Berichtes von de necess. 292 
erbliden, fondern im Fulcherius Carnotensis, dem aud) 
Privil. 824 f. und 833 f. entnommen find. cf. Zur Quellen: 
kritik p. 59 ff. Indem ich mich jo auf die quellenkritiiche 
Unterfuhung der Tractate bejehränte und die nochmalige 
Prüfung der religiögspolitiichen Ideen in Ddenielben, ſowie 
die Kritif der Gegengründe Erlers, welche aemäß der Anzeige 
in der deutichen Litteraturzeitung nicht lange auf ich warten 
laffen wird, dem angegriffenen Theile überlaſſe, möchte ich 
zum Scluffe bemerken, daß die Unwahricheinlichkeit einer 
Benutzung der Nieheimſchen hiſtoriſchen Beiſpiele ſeitens eines 
anderen Verfaſſers der Tractate uns allein die Gewähr der 
Autorſchaft Dietrichs natürlich nicht geben kann, wohl aber 
in Verbindung mit den anderen Indicien, die auf Dietrich 
hinweiſen. Daß die drei Tractate einen Verfaſſer haben, ſtellt 
auch Erler nicht ganz in Abrede.!) Aus dieſen erſehen wir aber, 
daß ihr Berfaffer ein Deuticher, ein päpftlicher Kanzleibeamter 
war und der Obedienz Johanns XXI. angehörte. (cf. Erler 
P. 463 f., 489.) In den Tractaten ſowie in Dietrich echten 
Schriften finden wir viele verwandte Anſchauungen, dielelben 
Redensarten, endlich diejelben hiſtoriſchen Quellen. Und 18 
Sahre nad der Abfaſſung wird der eine für ein Werk un: 
jeres Wejftfalen gehalten. Mögen noch manche Deutjche ich 


1) Mas ihm p. 481 für eine Benußung der Schrift de necessitate 
in de modis, aljo für zwei Verfaſſer zu ſprechen Icheint, beruht, 
worauf Finke zuerit aufmerfiam wurde, auf einen Irrthum 
hinsichtlich der Abfaffungszeit der Schriften. De necessitate iſt nad) 
de modis verfaßt, fann alſo nicht Quelle gewejen fein. 


167 


an der Kurie befunden, noch andere als Dietrich, die Kaiſeridee 
verfochten, wieder andere Dietrihs Schriften gekannt, ja 
geben wir auch zu, benußt haben, es wird jchwer halten, 
einen Zweiten zu finden, auf den jene Indicien alle zufammen 
jo paſſen, wie auf Dietrich. Und jo lange diejer Zweite uns 
nicht genannt wird, werden wir wohl thuen, an der Autor: 
Ihaft Dietrichs feſtzuhalten. 


vi. 


Zur älteren gefchichtlichen Überlieferung 
des Kloſters Cappenberg. 


Dr. Th. Ilgen. 


Unter Akten des Kloſters Cappenberg im Staatsarchive zu 
Münſter hat ſich neuerdings eine Handſchrift aus der erſten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts, 4 Blätter Papier in Folio, 
gefunden, welde auf der Rückſeite des lebten nur teilweiſe 
auf einer Seite bejchriebenen Blattes die Aufichrift trägt: 
„Origo monasterii Cappenbergensis.*“ Daß Diele Grüns 
dungsgeihichte des Kloſters in ihren Hauptbejtandteilen mit 
der in den Mon. Germ. Hist. SS. XII 513—530 aus der 
Sammlung der Acta Sanctorum Januar I. 834 ff. abge— 
drudten Vita I. Gottfrieds von Cappenberg übereinjtimmte, 
ergab fich auf den eriten Blid; nur im Eingang derſelben 
findet jich eine Stelle, welche mit der zweiten Lebensbeſchrei— 
bung (Acta SS. San. I. 857f.), Kapitel 2, in ein paar 
Worten gleichlautet. Diejer Origo unterjcheidet jich aber 
von der Vital. jehr weientlid. Einmal haben die Wunder: 
geichichten und die Beilpiele des frommen Yebenswandels 
Sottfrieds darin Feine Aufnahme gefunden, dann aber it 
die inhaltliche Anordnung eine bei weiten jachgemäßere und 
forreltere. Daneben enthält die Gründungsgeſchichte noch 
einige felbjtändige Nadhrichten, die wenn ſie aleih an ich 
nit von bejonderer Bedeutung ind, — immerbin lernen 
wir den Baumeijter der Kirche, freilich nur dem Namen nad, 
aus ihr kennen — dod im Zuſammenhang mit unjerer 
anderweitigen Überlieferung über die ältere Cappenberger 
Geihichtsichreibung neues Licht zu verbreiten im Stande 


169 
fein dürften. An einzelnen Stellen ift auch der Drud der 
Vita I. danach zu verbefjern, für den jedoch eine Collatio- 
nirung mit der von Falk in den Forſchungen zur deutichen 
Geſchichte 14, 615 ff. beichriebenen Handidhrift des 13. Jahr: 
hunderts das notwendigite Erfordernis wäre. !) 

Wir geben nun zunächſt den Tert unferer Gründungs: 
geihichte und zwar in der Weile, daß wir die Abweichungen 
unferer Handichrift von der Vita der Einfachheit halber im 
Druck durch curfive Lettern hervorheben. Dffenkundige Feb: 
ler und Berjehen des Schreibers jind verbeflert, die falſche 
Lesart ift in die Noten verwiejen worden; notwendige Er: 
gänzungen aus der Vita wurden ſofort in den Tert aufge: 
nommen und dur Klanımern kenntlich gemacht. Überall 
die Kürzungen unferer Handſchrift anzugeben, hielten wir 
deshalb nicht für notwendig, weil man ſich darüber an der 
Hand der von und an den Rand gedrudten jpeziellen Hin: 
weile auf die Ausgabe der Monumenta leicht informieren 
fann. Mit Rückſicht auf diefe fonnte auch von der Beigabe 
jadhlicher Erläuterungen Abjtand genommen werden. Außer: 
dem verweilen wir auf Geisberg, Das Leben des Grafen 
Gottfried von Gappenberg und jeine Klofteritiftung (dieſe 
Zeitirift 12, 309— 374), ferner auf Hüſing, Der hl. Gott: 
tried, Graf von Gappenberg, Münſter 1882. Über den Bau 
der Kirche handelt Savels in der Zeitjchrift für Baumejen 
1870. Jahrg. XX. ©. 67—70. 


Origo Monasterii Cappenbergensis.?) 


Ea tempestate Cappenbergense monasterium ex castro 
ejus loci comitis fundatum est. Kst enim in provincia 


?) Der verit. Diefamp bat zum Zwecke der Herftellung einer neuen Aus: 
gabe der Vita die Handjchrift bereits abgejchrieben. Herr Dr. Finke war 
jo liebenswürdig, mir von diejer Abſchrift Kenntniß zu geben, 

2) Staatearhiv Müniter Msc. VI 76. 


Vita II. 


170 


Westphaliae oppidum Gappenbergh dietum a situs qua- 


cap2.') Jitate sie nuncupatum, mons Syon, id est speculationis, 
528,503) quod „Kapen‘“ lingua Saronica proprie sonat. De hujus 


515,14. 


529,7. 


antiquis possessoribus, qui de Magni Caroli «ce Wide- 
kindi regis progenie per Iınezam, (quae) *) Xantis quiescil, 
(quam, ut ajunt, sororis suae fillam Garolus tanquam 
pacis obsidem Widekindi”) filio dedit uxorem) descen- 
disse traduntur, quorum usque ad Henrici IV. Roma- 
norum regis [tempus] °) excellens clarvit magnanimitas, 
unum 4:c 9) Hermannum comitem una cum devotissima 
ejus conjuge Gerberga de Huneburgh Dei cultorem prae- 
cipuum pro gratiae Christi commendatione praeterire 
silentio non debemus. 

Itaque temporibus gloriosi Henrici, qui hujus no- 
minis quartus Romanum administravit imperium, fuit 
in Westphalia electus ac dilectus Dei Godfridus comes, 
qui nobilissimis ac regiae stirpis ortus parentibus in 
timore Domini comitatus agebat officium. Pater ejus 
Godfridus, mater ejus Beatrix dieebatur. Avum Her- 
mannum comitem habebat, eleemosynarium praecipuum, 
misericordiae operibus intentum, a tumultu militaris inso- 
lentiae quietissimum, miraculis etiam in vita elarum. Is(l) 
dum tres jilios haeredes ex conjuge accepisset, duos fraude 
necari contingit, tertio reservato comite, Veltericus enim 
quidam potens et nobilis, cum eisdem filiis, dominis 
suis, fidele jurasset homagium, cepit denuo illis nil *) 


!) Vita Il, Acta Sanctorum Januar I 857. 

?) Mon. Gierm. SS. XII. 

a) Vinclam; quae fehlt. — b) Widekindo, 

c) Diefes oder ein ähnliches Wort ift notwendig zu ergänzen. 

A) Die Handichrift hat hinter magnanimitas einen Puntt und beginnt 
den neuen Satz mit „Unde“. Dann aber fehlt für den eriteren der 
Nachjak und aud das „Unde hii* giebt feinen Sinn. — e) vel. 


171 


minus opinantibus, clandestinis machinationibus ad- 
versari, quaerens, quibus eos dolis extingueret, quorum 
dominio integram fidelitatem et ore firmaverat et be- 
neficio obligatus debebat. Dispositis tandem insidiarum 
latibulis, eos ®) velut ipsius causae in Lunensi plaeito ®) 
suffragaturos humiliter, imo fraudulenter vocavit. Sed 
nutu divino tertius, qui et junior erat, pridie pedem 
sauclatus, proficisci nullatenus assensus est. Quid 


multa? Veniunt ad fraudis opertum et in medio ne- 


moris, quod hactenus « caede ipsa trahit vocabulum 
(revenloe, prosilientibus hine inde militibus bini cum 
duobus fidelissimis (famulis) interempti sunt, pro quo 
scelere non longe post homicida perfidus capite trun- 
catus et sursum versis pedibus ignominiosissime sus- 
pensus est. Solus Godefridus, hoc enim nomen erat 
superstetis, domi ut diximus residens, evasit. 

Hujus igitur Godefridi jilius Hermanni tanti, «et 
praedi,rimus, viri nepos, Godfridus ab ipsis adolescentiae 
primordiis caepit Deo devotus existere et seintillante 
in se flamma inspirationis divinae omni saeculari dig- 
nitati universaeque suae facultati satagebat renunciare. 
Igitur dum habitaret in castro, quod Gappenbergh di- 
eitur, loco nimirum spectabili situque ipso admodum 
salubri ac delectabili eundem locum visionibus fidelissimis 
praehabitis «ivino mancipandum servitio secum statuit. 
Presbyter enim quidam Wiemannus nomine in visu 
noctis aspexit quasi columnam auream in Gappenbergh 
exurgere atque ipsam caeli vestigia penetrare. Quo 
visu divinae laudationis elaritudinem illie ©) exercen- 
dam prudenter intellexit et obstuntihus, quwid futurum 
erat, verissime div ante praenunciavit. Unus praeterea 
ex amicis faelicissimi comitis, Egbertus nomine, cum 


a) ejus. — b) palatio. — «) illis. 


515,43. 


516,1, 


516, 15. 


516, 24. 


172 


— — 


esset in itinere proficiscens ad comitem noctu venit, 
vidit Cappenbergh urbem fore nive candidiorem, quae 
usque ad alta nubium sublimiter conscendens ipsius 
caeli cacumen vertice pulsare videbatur. Gerbergis 
insuper, patrui ejus filia, Monasteriensis caenobii abba- 
tissa, multa religione venerabilis cum beatum virum 
unice diligeret, et tam pro ipso quam pro subditis 
orationum indefesso excubaret pervigilio, quodam tem- 
pore somno parumper arrepto, vidit sibi assistere Ju- 
venem, vultu sydereo ®) praenitentem et verba haec 
saepius in auribus ejus reiterantem: „Locus Cappen- 
bergensis habitationis quam idoneus /werit conventui 
spiritualis congregationis.“ Quod illa jucundissime 
audiens, ?) jam enim diu id ipsum conceperat, (cum) 
beato viro retulisset, ille prudenter atque humiliter in 
hunc modum respondit nepti dilectissimae: „Potens est 
Dominus Deus hoc pro suo velle ordinare, nam ego 
per me nequaquam lud sufficio adimplere“; prout et 
Factum est. 

In!) ipso enim ferme tempore apparuit in West- 
phalia eximium quoddam jubar ecclesiae memorabilis 
Christi praeco Norbertus, vir gratiae admirabilis dwl- 
cis eloquio, summae continentiae informator ac pro- 
pugnator religionis canonicae, servorum Christi aggre- 
gator caenobiorum non paucorum fundator, tam habitu 
quam voce strenuus. (us cum circumquaque fla- 
graret opinio vir Domini Godfridus cum germano suo 
Öttone sitienter praeconem salutis adiit, verbum exhor- 
tationis devote accepit. Actumque est Deo miserante, 
ut etiam praefatus Otto sensim saeculum calcare inci- 
peret, idemque sanctitatis propositum, quod in fratre 
eminebat, arriperet, adeo ut uterque paulo post mutato 


— — ——— — — — 


a) siderio. — b) audierit, 


173 


habitu saeculari tonsuram religionis cum habitu sacrae 
professionis assumpsit (!): Uterque sub regula S. P. Au- 
gustini ac sub obedientia patris Norberti Domino mili- 
tare devovit. Uxorem ergo suam, Friderici de Arnsberge 
comitis fillam, sacrum sumere velamen erhortationibus 
piis effecit. Et quid major natu cum unanimi consensu 
fratris Ottonis castrum Cappenbergh et omnia sua Deo 
fideliter offerens in die S. Petronillae virginis usibus 
ea pauperum Christi dilegavit, tria videlicet extruens 
caenobia, hoc est in Cappenbergh, Varler et Elophstadt, 
quae singula praediis suis locupletans gloriose eadem sub 
beati patris Norberti ordinavit providentia; placuitguwe 
ut in praefatis caenobis fratres commorantes ®) regu- 
lam beati profiterentur Augustini, eo quidem tenore, 
ut regulam tandem aliquanto distrietius, quam hactenus 
usitatum fuerat, observarent, esu scilicet adipis et car- 
nium abstinendo, austeriori quoque habitu paenitentiae 
rigorem exhibendo. 

Eo itaque loco ®) ab Erico(), fundante Godfrido, con- 
structa surgit ecclesia instar crucis erecta, cujus apicem 
obtinet cum Joanne apostolo virgo semper Maria, ab utro- 
que latere cum Augustino praesidet Joannes Baptista, de- 
inceps quoque victoriosissimae crucis ac reliquorum Sanc- 
torum visuntur miracula, °) 

Dominicae igitur incarnationis anno M. C, diligenti 
supputatione perspecta vigint duo anni subjecti sunt, in- 
dietione XV quando primum in hoc loco servi Dei aggre- 
gart coeperunt. In die vero assumptionis B. Mariae 
virginis us loci ambitus ab antistite loci consecratus 
est. Swis itaque Deo sacratis ministeriales etiam cen- 
tum et quinque praeter alias donationes gloriosas cum 
sufficientissimis possessivonibus Monasteriensi donavit 


a) commemorantes. — b) loei. — c) oracula. 


619, 30. 


519, 42. 


519, 23. 


518, 26. 


524,29. 


518, 30. 


— 


ecclesiae praeter eos, quos 9) écclesiae Coloniensi aliis- 
que locis, ut ipsi oravere, contradidit, (Quam ob rem 
nonnulli insensati de ministerialibus et servis etiam 
infimis multis illum pulsavere convitiis dicentes, eum 
amentem factum, similiter falsarium impostorem illum 
Norbertum, tam sublimem hujus mundi gloriam deserere 
seque desolatos et acephalos relinquere. (Quibus ille: 
„Si diligeretis“, inquit, „me. gauderetis utique, quia 
ad Deum meum tendo, quia naufragium hujus saeculi 
praeterire desidero, quia ereatori meo proximari con- 
cupisco, Marine autem Friderieus comes sacris eyus co- 
natibus adversabatur,. (uw cum veligiositas sancti viri 
innotuit, avaritiae facibus accensus infremuit, fallaciae 
commenta exquisivit dieens, filiam suam arte eircum- 
venitam, haereditalis quoque debitae portionem frau- 
dulenta seductione sublatam.  Possessionibus enim 
comitis occasione filiae suae inhiabat, instabat, exerci- 
tum adversus conuitem dxcebat, cerebro placitabat, im- 
pielate pro pietalte ") utebatur diversisque virum Dei 
afficiebat injuriis multis vexabat conlumeliis, cum ta- 
men ille expeditissimam de omnibus redderet ratio- 
nem et impudentem ejus vesaniam, prout dignum erat, 
confidenter argueret. 

Gondicta igitur die in multitudinis magnae fre- 
quentia, collatis multis hine inde sermonibus demum 
vir Dei innocentiae puritate conspicuus atque liberri- 
mus hujusmodi fulminea ©) spiritus sancti jacula in 
illum contorsit: „Eia, inquit, miser homo, quid tanto- 
pere insanis el caducis rebus exaestuas? quid finitimis 
inhias contempto limite agellis? Numquid lu solus 
habitabis in medio terrae? Tu quidem filiae occasio- 
nem adducis, verum universi novimus, 9) quam insa- 
a) eas, quas. — b) proprietate, — c) fulmina. — d) Der Echreiber 

hatte zuerjt nominis gelejen. 


175 


tiabilis avaritiae te obsideat morbus, qui mundo teste 
nec defuneti fratris tui fillae pepercisti, sed eadem 
avarıtia vesaniens captivitatis eam injuriis affecisti.“ 
Tum ille sudridens cum timore respondit: „Vos qui- 
dem o Domine nondum adeo spiritu Dei estis repleti, *) 
quin ego fieri queam salvus aeque ut vos vesterque 
ille servus seductor Norbertus. Praeterea inexplicabili 
stimulo avaritiae castrum Gappenbergh obsidere, ipsum- 
que patrem Norbertum prae muris suspendere mini- 
tans eo usque mala malis adjiciens iram sibi thesauri- 
zavit, donee altıssimus, qui patiens est redditor con- 
digna illum animadversione ”) punivit. Mortuus enim 
est impius tam tetri, ut ajunt, putoris molestia, ut 
matrona, quae illi assidebat, etiam post paululum expi- 
raret. Sed nec sie serpens infernalis uno praeeiso Ca- 
pite a veneno suae quievit invidiae. Matronam enin, 
quae sacrum velamen assumpserat, Franco quidam °) 
scelestus diabolico rapuit instinetu. Qui beato viro 
inermi forte obvianti tantamque ejus nequitiam pie 
persequenti cum armatus et elatus diceret: „Tune ille 
es, qui detrimentis meis operam dare perhiberis!“ vir 
sanctus constantissime respondit: „Ego detrimentis tuis 
nequaquam invigilo, quin potius hostis antiqui denti- 
bus, cujus mancipium factus es, submovere te desidero.* 
Cumque ille vesaniens gladium arriperet vir Dei sine 
voce ut agnus ad vietimam ductus astitit, cervicenm 
protinus tetendit: sed nutu divino conterritus ille ferire 
non praevaluit. Denique raptam suam variis laborum 
anfractibus requisitam, cellulae restituit et raptor ille 
morte pessima non longe post lancea pereussus interiit. 

(aeterum Monasteriensis antistes cum suggerentibus 
plurimis castrum Cappenberg, ne in partem servorum 


a) repletus, — b) adversione. — c) quidem, 


518, 44. 


518, 50. 
519, 7. 


519, 20. 


524, 11, 


619, 32. 


176 

Dei cederet, obtinere niteretur, plurimaque bona in 
concambium ceunctis acclamantibus offerret, ipse supra 
petram vere fundatus constantissime resistebat, ita rre- 
spondens episcopo: „Frusta, pater, universi conantur, 
quicunque terroribus vel blandimentis propositum no- 
strum de loci hujus mutatione Dei dono inspiratum 
impedire seu annullare laborant, quia nulla feram ra- 
tione, ut me superstite deinceps ab hoc loco mundanae 
vanıtati serviatur, quin potius id elaborare necesse est, 
ut (ubi) hactenus lieentiosa militum grassabatur incur- 
sio illie amodo ®) caclestis obsequii succedat assiduitas. 
Sufficiunt enim praeteriti temporis dispendia ’) ad 
stultorum voluntatem consumendam, qui ambulaverunt 
in luxuriis et desideriis suis. Mihi credite etiamsi 
quadruplo tantum possessionum recompensantes ©) ofler- 
retis, nunquam castrum hoc ulterius saceuli negotiis 
oceupari consentirem.* Tanta b. virı constantia nihil 
antistes, nihil caeteri omnes ultra super hac re tentare 
praesumpserunt. 

Quis digne commemoret. quales tentationum im- 
petus, quantos tentationum fluctus evicerit *) aliis eum 
hine trahentibus, aliis inde retrahentibus ac mira im- 
probitate suggerentibus, ne tantae honestatis tantaeque 
spectabilitatis castrum desereret; cum et ipse antistes 
carnem sapiens et cor in terra trahens alterius ei man- 
sionis concambium promitteret. Sed Christi miles in- 
vietissimus et vere supra Ghristum fundatus inter im- 
bres et flumina totquwe ventorum flamina immobil:is 
persistens tollerantia nec terrore ferreri potuit. nec 
turbine frangi. 

Tandem ergo compositis rerum morumque in se- 
cundis, in commune bonis, postquam a concussione 





a) illi commode, — b) dispendii. — c) recompensantis, — d) eviserit. 


177 


dura datum est illi respirare claustroque fovere paci- 
fice sensus et in otio solvere curas, quam tune purga- 
tis moribus enituerit, humani sermonis inopia nullate- 
nus explicabit. Studebat in omnibus sui despectum 
appetere, indigna quaelibet atque extrema servitia non 
abhorrere, oblatam sibi a fratribus venerationem humi- 
üiter declinare. Verbum Dei audiens vel orationem 
fundens uberrimis fluebat lacrymis, quae satis in illo 
declarabant ardorem et devotionem internae puritatis. 
Corpus enim suum apostolico castigabat exemplo et 
perenni frangebat jejunio; modico contentus erat, aquam 
frequenter bibens et pane solo accepto, vix aliquid ali- 
mentorum sumers, spiritw Dei plenus sw similitudine 
respondit: „Qui magnum fluvium navigio transmeare 
proponunt, longe superius a distante ripa navigare in- 
eipiunt, quia Muminis violentia retorquentur incessabili 
et velint nolint cum fluvio quodammodo defluere com- 
pelluntur. Ita et nos fratres, quia hoc mare magnum 
(et) spatiosum pedibus pertransire contendimus, ad ju- 
gem ascensum nostrum roboremus propositum, quia 
humanae torpor negligentiae semper est in descensu.“ 


Denique ut summi patriarchae Abrahae non deesset 
eremplum dietum est illi a Norberto patre: „Exi de 
terra tua et cognatione tua et domo patris tui!* Ad 
quod sine mora implendum obedientissime paruit, jam- 
que discessurus una cum venerabili domino Ottone 
fratre suo: „Eece,“ inquit, „frater mi, si quid hactenus 
residuum fuit, quod non perfecta renunciatione calca- 
vimus, jam funditus in Christi nomine deseramus nihil- 
que ultra proprium retinentes ad iter obedientiae ala- 
criter properemus.* Venit ergo ad locum vere juxta 
nomen suum a Domino praemonstratum electum ac 
praedestinatum, ubi cum fratre accolytus ordinatus est 


XLVI. 1. 12 


520,9. 


520, 36. 
520, 41. 


520, 43. 


525, 39. 


526, 29. 


526, 34. 


521,24. 


ibique plurimos angelicae suae °) conversationis robo- 
ravit exemplo. Post annum vero revocatus ad patrem 
Norbertum jam archiepiscopum, cum saeculi pompam 
vel strepitum sancti viri aegre ferret aspectus, Domino 
jam electum suum remunerare disponente lenta caepit 
pulsari aegritudine acceptaque benedictione patris Nor- 
berti ad Helofstadense declinavit caenobium, ubi post 
non multos dies migravit ad Christum anno dominicae 
incarnationis MCXXVI indietione 4 aetatis b) autem suae 
ferme XXX. 

In transitu autem ejus apparuit Gerbergi abbatissae, 
quae unice virum sanctum "dierit, miro decore redi- 
mitus, aureo diademate coronatus; sine dilationis 
interstitio, sine eremptionis periculo ad summi regis 
palatium migrasse se jam confessus est. Claret autem 
sicut etiam in vita miraculis multis, ut videre est(?) °) qui 
vitam ejus legere voluerit. 

Hujus germanus Otto, cum esset apud Elofstad, 
illis in partibus divinae servitulis cultum Der domus (?) 
ampliavit. Manegoldus 4) enim vir nobilis et potens, 
cujus erant castra duo Hagen et Wirbergh ab adver- 
sariis una cum filio swo interemptus est. Remansit 
autem totius possessionis haeres unica filla nomine 
Aurelia. Quam multis uxorem petentibus — erat enim 
elegantis formae — venit Otto et dato ei®) perpetuae 
castitatis consilio, noctu eam non sine vitae periculo 
voluntariam abduxit. Deinde pontificali ac imperiali 
autzoritate subnixus, multis et variis exegit laboribus, 
quod simul cum Aurelia tota haereditas divinis mini- 
steriis mancipata est. 

Caeterum anno incarnationis dominicae M.C.XLVIII 


a) pie. — b) Zuerſt hatte der Abjchreiber abbatis geleſen. — 
ce) Vielleicht potest. — d) Mamgoldus. — e) ejus. 


179 


indictione XI praesidente sedi apostolicae papa Eugenio, 
regnante glorioso Dei cultore Conrado, ut fratrum 
Cappenbergensium satisfaceret desiderio, venerabilis 
pater Otto Elofstad profectus est, convocatisque fratribus 
dixit, se memorabilis germani sui Godfridi ossa Cap- 
penbergh transferre jam tandem oportere: „Hoc,“ in- 
quit, „dum extremum spiritum ageret, a me toto po- 
stulavit afleetu. Quod hactenus mea neglectum ®) de- 
sidia nunc demum oportunum est, ut sine dilatione 
gratanter adimpleatur.“ Illico consternati omnes, ae- 
qualis omnium timor ac perturbatio, una singulorum 
voluntas, eademque sententia, nunquam se tanti fun- 
datoris sui et Domini fraudandos praesentia ec patro- 
cinio carituros. Demum post longam factam_ altercatio- 

nem vocatis majoribus haec altercantibus potior senten- 527, 41. 
tia visa est et ipsorum consilio ad hoc deflecti con- 538 1. 
sensit, uti reliquias illas partirentur, quatenus amborum 
caenobiorum perpetuae stabilitatis et pacis forent ®) 
tuitio. Ad ossium autem partitionem matıona quaedam zag, 6. 
amplae satis familiae Matthia nomine, quae acerrimis 
eatenus febribus urebatur, nec ab aliquo curari potuit, 

ad Godfridi reliquias repente sanata est. 

Post hoc pridie Idus Februarii portio una reliquia- zog, 11. 
rum (a) fratribus cum summae ©) devotionis alacritate 
suscepta est. Sed et sequenti anno decimo sexto Ka- 59g 21. 
lendas Octobris sacra ossa multis astantibus in sanc- 
tuario Cappenbergensi venerabiliter ab antistite Mona- 
steriensi reposita sunt. Ex quo nimirum tempore ipsa 
rerum experientia cogritum est, quod superni muneris 
abundantia intus et foris magis magisque /ratres cu- 
mulat sunt, ita ut historiae illius recordari possint, 
quae dieit: „Benedixitque Dominus domui principis mi- 


a) neglecta. — b) foret. — c) suae. 
12* 


180 
litum et multiplicavit tam in aedibus quam in agris 
cunctam ejus substantiam propter Joseph.“ 


Daß wir es in dieſer Gründungsgeihichte mit zum 
Teil alten Aufzeichnungen zu thun haben, die wahricheinlic) 
noch neben der uns befannten erſten Vita Godefridi be- 
itanden haben, das beweifen die jelbitändigen Notizen der: 
jelben über den Bau des Klofters und die Zeit, wann Die: 
jer begonnen worden ift.!) Sie finden fich weder in der 
Lebensbeichreibung noch aud in den Zufägen zu derjelben, 
haben aber in der Form fo durchaus das Gepräge mittel: 
alterlich annaliftiiher Schreibweije, daß man den Gedanken, 
ein Späterer habe jie, als er die Gründungsgeſchichte aus 
der Vita zuſammenſchrieb, eingejchaltet, direkt von der Hand 
weifen muß. Und offenbar geht die „Origo“, jowie er ung 
überliefert ijt, auf eine ältere Vorlage zurüd. Dafür fpre: 
chen ſchon die zahlreihen Jinnentjtellenden Fehler unjerer 
Handichrift. Denn nur wenn wir annehmen, dab dieſe 
wörtlich aus einem älteren ſchwer lesbaren Manufcript über: 
tragen iſt, erklärt es jih, daß ein Eopijt des 17. Jahrhun— 
dert3 urjprünglih nominis für novimus, abbatis für aeta- 
tis jchreiben fonnte. Wäre die Gründungsgeſchichte eine 
jpäte Compilation aus der Vita, ihr Berfertiger hätte ſicher— 
li dem inhalt gegenüber, zumal er dabei. jeine Vorlage 
jtarf gekürzt haben müßte, eine größere Aufmerkſamkeit an 
den Tag gelegt, und lich nicht jo zahlreiche Verſtöße gegen 
die einfachiten grammatiichen Regeln zu Schulden fommen 
laſſen. Bei mechanischen Abjchreiben aber konnten fie Teicht 
mit unterfließen. 

Sreilich eine Lebensbeichreibung Gottfrieds von Cappen— 
bera beitand jchon, als unjer Autor die Gründungsgeſchichte 
de3 von jenen geftifteten Kloſters schrieb. Tas geht un: 


— — —— — 


) Siehe oben ©. 173. 


181 





zweifelhaft aus der Stelle ©. 178 hervor: Claret autem 
sicut etiam in vita .... ut videre (pot)est, qui vitam 
ejus legere voluerit. Bezieht jich diefer Hinweis nun 
auf die befannte Vita I? Bei der weitgehenden wörtlichen 
Übereinftimmung, die zwifchen diefer und unferer Gründungs- 
geihichte beiteht, möchte man es auf den erjten Blid hin 
vermuten. Dann käme dem Berfajler des Origo alio höch— 
ſtens das Verdienit zu, mit ziemlichem Geſchick die zerjtreu: 
ten, vielfach zufammenhangsloien thatjächlichen Angaben ſei— 
ner Quelle zu einer cinheitlicheren Darftellung verarbeitet zu 
haben. Und woher nahm er die Nachrichten über den Bau 
der Kirche, die die Vita nicht Hat? Und muß uns nicht 
auch der Umftand befremdlich ericheinen, daß er an der an: 
geführten Stelle ausdrüdlich noch auf eine Schrift hinweilt, 
die er bisher faft Wort für Wort ausgefchrieben hatte? Doch 
darauf wollen wir bei einem mittelalterlihen Schriftiteller 
io ohne Weiteres fein allzu großes Gewicht legen. Dies 
Argument gewinnt aber an Bedeutung, wenn jich wahrichein: 
lih maden läßt, daß die jetzige Geſtalt der Vita I nicht 
gut die urſprüngliche geweſen fein kann. 

Dem aufmerkjamen Yejer wird die ftoffliche Jerrifienheit 
der größeren Beichreibung fofort auffallen. Den Hauptitod 
der Nachrichten bilden Wundergeichichten und Schilderungen 
des gottgefälligen Xebenswandels des Grafen Gottfried. Da: 
zwiſchen aber find eine Reihe von thatſächlichen ganz interej- 
janten Angaben eingejtreut über die Eltern und Großeltern 
Gottfrieds, über die ftarfe Beeinflußung der beiden Grafen 
von Gappenberg von Seiten Norberts, über den Widerftand, 
welchen Graf Friedrih von Arnsberg, Gottfrieds Schwieger: 
vater, der Kloftergründung entgegenjeßte, über die Aufleh- 
nung der Minifterialen gegen ihre VBergabung an die Kirche, 
über die Verſuche des Biſchofs von Münfter, das neuzu— 
gründende Kloſter in eine andere Gegend zu verlegen. Diele 
fnüpfen bisweilen ziemlich unvermittelt an Die zur Verherr: 


182 


lichung Gottfried in breitem Stile geichriebenen Partien 
an. Dazwiſchen kommen bdeutlich-erfennbare annaliftiiche 
Fragmente zum Vorjchein, wie außer im Anfang von Kap. 12 
auch im Kap. 10 (526, 28 ff.) wo auf die Bemerkung . . 
Idibus Januarii ... . beata illa anima carne soluta ae- 
ternae regenerationis induit candidatum nod einmal 
wiederholend unmittelbar folgt Anno dom. inc. 1126 ae- 
tatis autem suae ferme 30 migravit ad Christum, troß= 
dem kurz vorher in demjelben Kapitel jchon gejagt war 
(525, 51): (Godefridus) . . . ad Elofstadense declinavit 
coenobium, ubi hoc ordine post non multos dies mi- 
gravit. Zwar wird audh an 3 Stellen (518, 49— 522, 
39—524, 48) erzählt, daß Graf Friedrich von Arnsberg, 
Gottfrieds heftigſter Widerſacher, eines elenden Todes ge— 
ftorben jei, nahdem zuvor jedesmal irgend eine neue Frevel— 
that, die er an dem Gottesmanne verübt, ausjührlid ge— 
ſchildert worden ift. Aber jelbit bei der ftet3 neuen Moti- 
virung find diefe Wiederholungen läftig und auffallend zu- 
glei, wenn wir es wirklich mit einer von einem Autor ein: 
heitlich concipirten Schrift zu thun haben. 

Borwegnahme von Bemerkungen, die erft auf Grund 
der jpäter gegebenen ausführlihen Schilderungen verftänd: 
li werden, fommt öfter8 vor. So ift ohne jeden überlei- 
tenden Gedanken an den Schluß von Kapitel 6, das fonit 
ausichlieglih Beilpiele von der Gerechtigfeitsliebe und der 
Mildthätigkeit Gottfrieds bringt, eine Nachricht über feinen 
Bruder Otto angehängt, daß dieſer nämlich während jeines 
Aufenthaltes zu Ilbenſtadt die reiche Erbtochter Aurelia zum 
Eintritt in das Klofter bewogen und diefem damit deren 
bedeutendes Erbe zugeführt habe. Aber erft im Kap. 10. 
(515, 47 ff.) wird erzählt, daß fich Otto mit Gottfried zu— 
fammen nad Ilbenſtadt begeben habe. Immerhin ließe ich 
ein jolches Beiſpiel von unrichtiger Gedantenfolge noh aus 
der geringen Fähigkeit des Verfaſſers der Vita, feinen Stoff 


183 


—— 





gehörig zu disponiren, erflären. Das geht aber jchwieriger 
in folgendem Falle an: Kap. 4. (519, 30 ff.) heißt es... 
In die vero assumptionis .... Mariae.... quando et 
hujus loci ambitus ab antistite consecratus est, quis 
digne commemoret, quales temptationum impetus . 
evicerit . . . cum et ipse antistes carnem sapiens et 
cor in terra trahens alterius ei mansionis concambium 
repromitteret. Allein jhon die Gedanfenverbindung zwi: 
ihen Border: und Nahjag iſt eine derartig jchwerfällige 
und unbeholfene, daß man jofort auf die Vermutung fommt, 
daß bier zwei Sätze, die urjprünglich in anderem Zuſammen— 
bang geftanden haben, ohne viel Überlegung aneinander ges 
foppelt find. Die Bemerfung cum et ipse antistes .., 
fann fih nur auf die vergeblihen Verjuche des Biſchofs von 
Münfter, Gottfried von Gappenberg dur einen Umtaujch 
von Gebietsteilen zur Anlage des Klofterd an einer anderen 
Stelle zu bewegen, beziehen. Dieſer geſchieht jedoch erſt aus: 
rührlid Erwähnung im Kapitel 9. (524, 11.) und nur 
wenn wir annehmen, dal die legtere Erzählung der obigen 
Notiz urjprünglich vorausgegangen iſt, dann erjt wird Dieje 
verftändlid. Denn daß der Verfaffer der Vita mit jenen 
Worten im Kap. 4. etwa die Erpoiition für jeine weitere 
Daritellung Habe liefern wollen, einer ſolchen Annahme 
widerjpricht der gleich folgende Eingang von Kap. 5. 
Tandem ergo compositis..... ganz abgejehen davon, daß 
nod vier lange Kapitel mit anderweitigen Nachrichten da— 
zwilchen liegen bis der Autor wieder auf jene Bemühungen 
des Biſchofs von Münfter zurüdfommt. Und aud um die 
logiihe Begründung diejes Tetterwähnten Satzes fteht es 
ſchlecht, wenn wir erwägen, daf eigentlich erit von Kapitel 6. 
an die Hauptfülle der Schwierigkeiten aufgeführt wird, die 
Gottfried von Cappenberg zu überwinden hatte, ehe er zur 
ruhigen Pflege jeiner Kloftergründnng gelangte. 

Dieje widerjpruchsvolle Anordnung des Stofjes in der 


184 


jetigen Vita und der Mangel an logiſcher Gedankenfolge, 
der an zahlreichen Stellen nachweisbar ift, dürften am ein: 
fadhiten ihre Erklärung darin finden, daß dieje eben Compi- 
lation iſt, daß mannigfaltige Beitandteile hiftoriicher Auf: 
zeichnungen aus Gappenberg in ihr zuſammengeſchweißt find. 
Daß ſolche vorhanden waren, beweiſen ſchon die Anhängſel, 
die der gedrudten Vita am Schluſſe beigegeben find. ?) 
Höchſt wahricheinlich find im Klofter Cappenberg auch Anz 
nalen geführt worden, die uns in größerem Zujammenhang 
verloren gegangen find. Deutlihe Spuren davon haben wir 
bereit3 in der Vita nachgewielen; ſie treten uns in der 
Origo (Bergl. die Notiz über den Klojterbau, oben ©. 173) 
ebenfalls und in bderjelben Form entgegen. Erjt jpäter — 
nehmen wir mit Saffe?) die freilich für die jegige Vita 
eruirte Zeit von 1150—1155 an — wurde bier auch eine 
Lebensbeichreibung des Gründers des Klofters verfaßt, Die 
offenbar hauptjächlich die Erzählung der durch diefen bewirk: 
ten Wunder, ferner Beifpiele feiner eifrigen Liebesthätigfeit 
und jeines gottgefälligen Lebenswandels enthielt. Daß dies 
ihr wejentlicher Inhalt geweſen ift, darauf deutet auch der 
oben bereit3 angeführte Hinweis unſerer Gründungsgejchichte 
bin, daß nämlich der, welcher die von Gottfried gewirkten 
Wunder Tennen lernen wolle, zur Vita greifen möge. Sie 
jollte wohl in eriter Linie erbaulichen Zwecken dienen. 

Über dies verjchiedenartige Material muß dann ein jpä= 
terer Bearbeiter gekommen fein, der die geichichtlichen Nach: 
richten mit der panegyrifchen Lebensbejchreibung verquidte, 
derart, daß er die eriteren benußte, um fie als Belege für 





) S. M.S. SS. XII. 528 ff. SIaffe Spricht fie mit den früheren Her— 
ausgebern dem Werfafjer der Vita ab. Die beiden letzten Zuſätze 
dürften auch gar nicht in Cappenberg, fondern in Ilbenſtadt zugefügt 
jein. Der eritere Porro de antiquis possessoribus... muf; jedod) 
nod) in Gappenberg gemacht fein, denn ihn hat auch unfere Origo. 

2) Dergl. die Praefatio zur Ausgabe der Monumenta ©. 513—514, 


185 

die Charaftereigentümlichkeiten und die einzelnen Züge des 
frommen Lebens Gottfrieds in die uriprüngliche Vita ein: 
zufügen, ohne die Spuren der Perſönlichkeit!) des Verfafjers 
der legteren zu verwiſchen. Zeitlich dürfte diefer Compilator 
dem Schreiber der Ilbenſtädter Handichrift,?) die der eriten 
Hälfte des 13. Jahrhunderts entftammt und auf der allein 
unſere Überlieferung der Vita 1. baſirt, nahe geſtanden haben.?) 

Wie verhält fih nun zu dieſer „überarbeiteten Lebens: 
bejchreibung unfere Gründungsgeihichte? Hat ihr Verfaſſer 
jene benußt oder ift umgekehrt fein Werk zum Teil Quelle 
für die Biographie Gottfrieds geworden? Beide Annahmen 
Icheinen uns ſchon deshalb unzuläffig, weil beide Schriften 
ſich in ihren Nachrichten nicht vollftändig deden.t) Dann 
bleibt aber nur die Folgerung für uns übrig, die heutige 
Vita jowohl wie unjere Origo müffen aus denfelben urjprüng- 
liheren Quellen geichöpft haben und wir fommen demnach 
auch auf diefem Wege zu dem gleichen NRefultat, zu dem uns 
eine inhaltliche Betrachtung der heutigen Vita führte. Über 
die Beichaffenheit der angenommenen Quellen haben wir und 
bereit3 im Allgemeinen ausgeſprochen und mir verweijen 
daher einfach auf unjere früheren Bemerkungen. Auf eine 
Ausicheiduug der analiftifhen Nahrichten und chronifartigen 
Erzählungen aus der Vita und der Origo müſſen wir ver: 
zihten. Der geringe Umfang der uns erhaltenen Gappen- 
berger Überlieferung und deren fpecififch Iofaler Charakter 
würden einen derartigen Verſuch bei der Unficherheit der 
bandichriftlihen Grundlage auch faum lohnen. 








2) Vergl. Jaffé in der Praefatio zu feiner Ausgabe 513—514. 

2) Vergl. hierüber Falk in den Forſchungen zur deutich. Geſch. 14, 615 ff, 

?) Wir vermuten das daraus, daß jetzt erft die Aufmerkſamkeit im 
Schweiterflofter auf die in Cappenberg entitandene Lebensbeſchreibung 
des Gründers hingelenft wurde. 

+) ©. die Nachweiſe zu dem oben gedrudten Text der Origo und die 
in demfelben curſiv geſetzten Stellen, 


2 


Ganz ohne Zweifel muß auch die Gründungsgeichichte 
als das Werk eines jpäteren Bearbeiters angejehen werden. 
Aber diefer iſt dem Compilator der heutigen Vita infofern 
bedeutend überlegen gewejen, als er feiner Schrift eine bei 
weiten abgerundetere, in jich geichloffenere Form zu geben ges 
mwußt hat. Zwar ift aud er ſprachlich und ftofflich vollftän- 
dDig;von feinen Vorlagen abhängig, aber er hat ſich in der 
Auswahl des Stoffes jehr verjtändiger Weiſe auf das für jein 
Thema Nothwendige beſchränkt und dies meilt in pafjender 
Gruppirung aneinandergereiht. Einen etwas befremdenden 
Eindrud madt der Anfang des Schrifihens. Das Ea tem- 
pestate Cappenbergense monasterium... fundatum est 
müßte fi, jo jollte man glauben, an etwas Borhergegan: 
genes angelehnt haben. Aber inhaltlich vermillen wir Doch 
nichts. Vielleicht, daß wir e daher nur mit einer annaliftiichen 
Notiz zu thun haben, die der Verfaſſer der Origo wortgetreu 
aus feiner Vorlage herübergenommen hat, ohne zu bedenken, 
daß er fie damit aus ihrem Zuſammenhang herausriß. 

Zur Beltimmung der Zeit der Niederfchrift des Origo 
fehlt uns jede äußere handichriftlide Handhabe und ebenfo- 
wenig gewinnen wir aus dem Inhalt ſichere Anhaltspunfte. 
Immerhin beacdhtenswert nad dieſer Nichtung Hin ift eine 
Abweihung des Tertes gleich im Anfang unjeres Schrift: 
chens,!) wo es jtatt quorum hodieque in multis excel- 
lens claret magnanimitas?) beißt: quorum usque ad 
Henrici IV. Romanorum regis [tempus] excellens elaruit 
magnanimitas. Auf jeden Fall liegt darin ein Beweis, daß 
das letztere jpäter gejchrieben ijt, als das erftere und daß 
der Verfaifer der Gründungsgeſchichte den Zeiten Heinrichs V. 
— dieſer iſt damit gemeint?) — ſchon ferner gejtanden 
haben muß. In unferer Handſchrift kehrt beitändig die Form 


1) Dben ©. 170. — 2) M. G. SS. XII 528, 83. 
3) ®ergl. M. G. 515, 14. 


—— 


Cappenbergh mit doppeltem „p“ wieder, die erſt ſeit dem 
Anfang des 14. Jahrhunderts gebräuchlicher wird. Ob auch 
die Zeit der Niederſchrift der Origo ſo ſpät angeſetzt wer— 
den muß? 

Sicher bleibt nur ſoviel, daß uns in der Gründungs— 
geſchichte einige ältere Cappenberger Aufzeichnungen erhalten 
ſind, die der Verfaſſer der heutigen Vita nicht benutzt hat. 
Von Wert iſt jedoch nur diejenige über den Bau der Kirche 
und daß bereits im Jahre 1122 fich eine Anzahl von Brü— 
dern zum gemeinſamen Leben in Cappenberg zuſammenfand. 
Als Baumeiſter der Kirche wird uns Ericus (Heinrich?) genannt. 
Wir haben damit freilich nicht viel gewonnen; immerhin ge— 
währt es eine gewiſſe Befriedigung, wenn man den Verferti— 
ger eines ſo beachtenswerten Baues, auf den vielleicht auch die 
Anlage der Freckenhorſter Kirche zurückgeht,) mit Namen 
nennen fann. Die Bemerfung über die Form der Kirche, 
daß fie ein Kreuz bilde, ift richtig. Intereſſant ift noch, daß 
als Patrone der Kirche außer der Jungfrau Maria und dem 
Apostel Johannes auch noch Auguftinus und Johannes der 
Täufer genannt werden. Von dem ferner erwähnten reichen 
Reliquienſchatz des Kloſters ift nur ein kleiner Teil bis auf 
unfere Tage gekommen. ?) 

I) Vergl. Savels in der Zeitfchrift für Bauweſen von 1870 ©, 68. 
2) Vergl. hierüber Nordhoff, Hohenftaufer Kleinodien des Kloſters Cap— 
penberq in Pids Monatöfchrift IV, 344—360 und Philippi, Die 

Gappenberger Porträtbüfte Kaiſer Friedrichs in dieſer Zeitichrift 44, 

150—161 und Hufing ©. 64 ff. 


VIII. 


Zur Geſchichte Jakobs von Soeſt und 
Hermanns von Schildeſche. 





Von 
Dr. Heinrich Finke. 


1. Die Sammlung von Dominifanerprivilegien des 
Jakob von Speit. 


Wohl nur felten ift dem Forſcher verftattet, jo klaren 
Einblid zu thun in die Geilteswerfitätte eines Mannes aus 
längſt vergangener Zeit, ein fo deutliches Bild unermübdlichiter 
Schaffenskraft früherer Jahrhunderte in ſich aufzunehmen, 
wie bei dem Dominikaner Jakob von Sweve oder von Soelt.!) 
Seine überaus zahlreihen Werkegtheologiſchen, juriftiichen, 
biftoriichen Inhalts, Traktate und Predigten, theilmeije rielige 
Folianten, find von jeiner Hand gejchrieben, überarbeitet und 
forrigirt und an erjter Stelle auf der Baulinifchen Bibliothek, 
dann auf der Stadtbibliothef in Soeſt und im Kal. St.A. 
in Münfter erhalten. Und, um gleich einem Zweifel Ottofar 
Lorenz’ zu begegnen?), es find, foweit ich die Materialien 
überichaue, jeine Werke, nicht lediglich Abjchriften, das be— 
weiſen die deutlich erfennbare Durcharbeitung, oder zahlreiche 
Nachtragungen 3.8. in hiltoriichen Abhandlungen. Daß der 
inhalt meiſt kompilatoriſcher Natur iſt, wie Jakob überhaupt 
nicht als Schöpferiiche Kraft angejehen werden kann, fteht dem 
nicht entgegen. 





1) In DOrdensliiten wird Jakob nur de Sweue (Echwefe, Dorf bei Soeſt) 
genannt. Er jelbit gebraucht beide Bezeichnungen z. B. Hdſchr. 164 
(871) der Kgl. Paulinifchen Bibl. in Münfter. 

2) Deutichlands Gejchichtäquellen II (3. Aufl.), 77 Anm. 2, wo aud) 
Pitteratur. 


189 


Ein umfaſſendes Lebensbild des weitfälifchen Inquiſitors 
und Theologieprofefjors fteht noch aus. ingehender haben 
jih in neuerer Zeit mit ihm beichäftigt: Evelt in jeinen 
„Mittheilungen über einige gelehrte Wertfalen, vornehmlich 
aus der eriten Hälfte des 15. Jahrhunderts”, Wilmans 
in dem intereffanten, aber von irrigen Anfichten nicht freien 
Auflag: „Zur Geihichte der römischen Inquiſition in Deutſch— 
land während des 14. und 15. Jahrhunderts”, und neueſtens 
Ribbeck in diejer Zeitjchrift, der wichtige Aftenftüde über 
ihn veröffentlicht.!) Mancherlei Angaben über fein Leben 
wird der demnächit erjcheinende Handichriften- Katalog der 
Paulina enthalten; nur zwei Notizen, die Zeit feines eriten 
und legten Auftretens betreffend, alſo die beiden Grenziteine, 
zwiſchen denen fein Leben jich abipielt, jeien hier verzeichnet. 
Unter lojen Bergamentblättern der hieiigen Bibliothek, welche 
ehedem als Einbanddedel gedient haben, befinden jich Auf: 
zeichnungen über Brovinzialfapitel der Dominikaner aus- ver: 
ihiedenen Zeiten des vierzehnten und aus dem Anfang des 
fünfzehnten Jahrhunderts. In der Rubrif: De studiis et 
studentibus des Warburger Kapitels von 1379 heißt es 
unter Minden: studentes: frater Jacobus de Sweyue; 
ihäßen wir fein damaliges Alter auf ungefähr 20 Jahre, 
jo wurde er um 1360 geboren. Die legte Aufzeichnung von 
ihm findet jih in einer Handichrift der PBaulina?): im J. 
1438 ſchenkt er als Liebeszeichen einem Dominikaner, wohl 
einem ehemaligen Schüler, ein theologiiches Werf. Wahr: 
jcheinlich ijt er aljo hochbetagt als Ordensjubilar um 1440 
geitorben. 





’), Evelt, in unjerer Zeitichrift Bd. 21, 241 ff, Wilmans, Sybels 
Zeitihrift Bd. 41, 193 ff., Ribbed, j. oben ©. 129. 

2) Hdichr. 426 (697) Liber fratris Jacobi de Sweue ordinis Predi- 
eatorum (von Satobs Hand), (quem) dedit fratri Hermanno Werlis 
anno domini MPCCCCCKXXVII® ob profectum sui majorem, 


190 


Das nachſtehend befprochene Werk Jakobs wird zuweilen 
unter dem Namen Dominifanerdhronif citirt, genauer 
gefannt hat e3 amjcheinend noch niemand.!) Es iſt eine 
nicht bejonder8 gut geordnete Sammlung von päpftliden 
Privilegien für den Dominifanerorden, untermifcht mit Gna= 
denbezeugungen anderer kirchlicher und weltlicher Perſönlich— 
feiten, daran gelnüpften kirchenrechtlichen Erörterungen, ein= 
geleitet mit kurzen Daten über Entftehung des Ordens, Leben 
jeines Stifter und feiner erjten Generale, welche bis auf 
nachher zu beſprechende Zuthaten wörtlich dem befannten 
großen Gejchichtswerfe jeines weſtfäliſchen Landsmannes 
Heinrih von Herford entlehnt jind.?2) Wenn er einleitend 
bemerkt, er habe die Anfänge, das glänzende Wahsthum und 
Gedeihen feines Ordens ſchildern wollen, prout ex diversis 
tractatibus et quaternis potui, jo wird wohl neben 9. v. 
Herford Bernard Guidonis tract. mag. ord. Praed. in 
Betracht fommen. Das Hauptgewidt legt auch er auf die 
päpftlichen Privilegien. „Die Gnadenbeweije der Päpite, die 
jett unter den Scheffel geitellt find, follen den Ordensbrüdern 
auf dem Leuchter jtrahlender als dag Sonnenlicht bekannt 
werden, damit wie bei Judas Machabäus wärmer das Ge: 
müth für die Nechte des Drdens entbrenne, da es beffer für 
uns ijt im Kriege für Gerechtigkeit und Wahrheit zu unter— 
liegen al3 die Leiden unjeres Volkes zu jchauen.” Die echt 
‚mittelalterlihe Anjchauung eines Ordensmannes, dem jein 
Klofter und jein Orden ein und alles war!?) Wenn jo aud 

) Nach dem Anonymus bei Martene et Durand (Brevissima chronica 
wag. ord. Praed.) Ampl. Coll. VI, gab es außer diefer Sammlung 
noch eine Ordenschronif Jakobs, die er ercerpirte. Handfchriftlich ift 
diejelbe hier nirgends aufzufinden. Die Annahme einer ſolchen Chronit 
hat ihre Bedenken, bejondersd wegen der verjchiedenen Angaben über 
die beiden weitfälifchen Ordensgenerale. 

2) Herausgegeben von Potthajt. Der Traftat des Bernard Guidonis 

Martene et Durand, Amplissima Colleetio VI, 397 ff. 

3) Ich laſſe die ganze Kinleitung hier folgen: Ut ordinis fratrum 


nn — — — 


der ordensgeſchichtliche Werth dieſes Werkes entſchieden gering 
iſt, ſo verdienen doch 1) die Brivilegienfammlung als 
ſolche, 2) einige Angaben über die Ordensgenerale 
Jordanus und Johannes Theutonieus die weiteſte 
Beachtung. Ich gebe zunächſt eine kurze inhaltliche Ueberſicht 
und ein paar Bemerkungen über die Abfaſſungszeit. 

Die Sammlung befindet ſich als Autograph Jakobs in der 
Hdſchr. 29 der Stadtbibliothek in Soeſt!), die außerdem noch 
mehrere Abhandlungen saec. XV enthält. Sie umfaßt 92 Bll.; 
ferner einige Einlagen von fremder Hand. Die erjten 10 BN. 
ind unnumerirt, daran jchließt ſich mit p. 25 eine gleich: 
zeitige Seitenzählung. Nach p. 134 beginnt auffälligermeife 
wieder Zählung von 25—48, dann jet 135 wieder ein bis 
135; auf dieſen jtehen aber Urkunden von jpäterer Hand. 
E3 folgen noch 16 bezw. 17 unnumerirte BI. 


Predieatorum primordium et successio gloriosa incrementaque et 
profectus valeant aliqualiter elarius haberi, ego frater Jacobus 
de Susato, inter dieti ordinis sacre pagine professores minimus, 
hereticeque pravitatis inquisitor, prout ex diversis tractatibus et 
quaternis colligere potui, tam ipsius ordinis exordium, seilicet 
status, gradus et capitula, quam summorum pontificum, sub 
quibus ipse ordo viguit, privilegia, quibus idem pontifices gene- 
rose ordinem Predicatorum dotaverunt, — ac conventus, in quibus 
habentur, secundum quod ad meam poterat venire noticiam, ad- 
jungere, postremo eadem privilegia secundum tytulos deeretalium 
eis competencium distinguere curavi pro fratrum consolacione, 
ut hune tractatum legentes, quibus nunc apparent apostolica or- 
dinis jura sub motdio, super candelabro radiancia luce elarius 
fiant nota et incalescat ardencius cum Juda Machabeo animus 
pro ipsius ordinis juris ulteriori defensione, quoniam melius est 
nobis mori in bello pro justieia et veritate quam videre mala 
gentis nostre et sanctorum. Prestante ergo domino Jhesu 
Christo, qui cum paätre et spiritu sancto regnat unus deus, 
aggrediar opus. 

Sch danke dem Herrn Gymnaſiallehrer und Bibliothefar Dr. Bogeler 
in Soeſt herzlidy für die freundliche Hebermittelung der Hdſchr. an 
das Kgl. St.A. in Müniter. 


1 


— 


192 


Nah der Einleitung beginnt das Werk auf fol. lv: 
Ordo fratrum Predicatorum ad fructus uberes in agro 
dominico producendos tempore Innocencie 3ü sumpsit 
exordium. Nun folgen die Bäpfte chronologiih; bei den 
erften eine kurze Charakteriſtik meift wörtlich oder verkürzt 
dem genannten Werke des Bernard Guidonis entnommen, 
dann entweder im Regeſt oder ausführlich die von jedem den 
Dominikanern verliehenen Privilegien. Die zeitliche Reihen: 
folge hört nach dem Mare magnum Bonifaz VII. auf. 
p. 59: Religiosi ligantur per multos casus Clementi- 
narum et colligi possunt. Nach diefem kurzen Einfchiebjel 
folgen ſich Bullen der Bäpfte des 13. Jahrhunderts in wirrer 
Reihe. p. 76 f. PWrivilegium des um 1287 in Deutjchland 
vermweilenden Kardinalbiichof8 Johann von Tusculum. Daran 
Ichließt fih ein Negifter über 150 Papſturkunden, ein Sad: 
regilter (im Regiſtermachen ift unfer Landsmann groß!) und 
fanonijtiihe Merkverje beginnend: Primus habet trinum 
Joachimque statuta rescriptum. Ich weiß nit, ob der 
auf p. 103 anfangende Brief („In vigilia assumpeionis“), 
den ein Freund einem Freunde über die Kanonifation des 
h. Thomas von Aquin (1324) ſchreibt, befannt ift; inhaltlich 
ift er von großem Intereſſe. Schreiber berichtet u. a. daß 
nah altem Brauch der 14. Juli für die sermones und der 
18. für die Meile des Papſtes refervirt worden ſei; unter 
den Nednern ericheint auch der König von Sicilien. Es 
folgen noch einige den h. Thomas betreffende Stüde, die 
Kanonijationsbulle und ein Brief des Biſchofs Stephan von 
Paris vom %. 1325 gegen die Angreifer einiger Doktrinen 
des großen Dominilaners. Auffällig ericheint, daß troß ur— 
Iprünglider Baginirung p. 123 f. wieder eine Reihe auf 
die Thomasverehrung bezügliher Dokumente Urban V. 
und Gregor XI. folgen. Borhergehen: p. 115 Abhandlung 
über das Wrivileg Martins IV. de confessionibus au- 


193 


diendis!);p.117 Bulle Benedifts XII.für das Dominifanerinnen= 
kloſter Zemgo, ein heftiger Angriff gegen den Sadjenjpiegel 
und die Befämpfer des Privilegs Clemens V., wonach die 
Dominikaner väterlide Güter erben fönnen?), und als Beleg 
für feine Anfiht das Privileg Kaifer Karls IV. für die 
Predigermönde von 1359 Juni 10, welche bislang nur im 
Regeit befannt war.?) Fügen mir noch an, daß an ver: 

1) Post datum privilegium de confessionibus audiendis a domino 
papa Martino IV erat in regno Francie murmur magnus, labo- 
rantes in curia pro ejusdem privilegii revocacione. Propter quod 
dietus dominus Martinus papa misit in Franciam duos cardinales 
ad sedandum rumnorem et roborandum dietum privilegium (dom. 
Gerardus u. d. Benedictus). 

9 Inprobacio erroris contra privilegium Clementis V, quod possu- 
mus succedere bonis paternis. Nam in speculo Saxorum diecitur, 
quod nullus religiosus vel monachus possit tollere paternam 
hereditatem. Hic error primo legi dei repugnat, deinde legi 
sedis apostolice et post sacri Romanorum imperi. — Videat 
ergo tenens hoc speculum, contra conscienciam teneat hanc legem. 
Et si opponitur, quod levite non acceperunt in veteri testamento 
hereditatem, respondeo, quod equale eis dabatur, ut decime, 
quibus poterant sufficienter vivere et in hoc omnes tribus con- 
venerunt. Item idem speculum Saxonum ponit judeos in pace 
regis et a theloneis liberos pro tanto, quod Vespasianus impe- 
rator eos libertavit, eo quod Josephus Tytum filium ejus sanavit. 
Propter hoc usque nune judei fuerunt liberi. Set papa Clemens 
4 et imperator Karolus 4 declaraverunt, quod religiosi heriditates 
accipere possunt. Et imperiales leges hoc ab antiquo sanxerunt. 
Tamen presens speculum privat religiosos, multo minus eos 
reputans quam judeos. — 

2) Vol. Böhmer-Huber, 2973. Nur Reg. in Reg. Boica 8, 419. 

In nomine sancte et individue trinitatis feliciter Amen. Karulus 
‚uartus divina favente gracia Romanorum imperator semper 
augustus et Boemie rex ad perpetuam rei memoriam, Inter alias 
gloriosas reipublice euras, quibus imperiale fastigium — adju- 
vari. Sane Predicatorum ordinem, quem pater celestis plantavit 
mirifice in ecelesie paradiso, speciali et sincera semper diligentes 
in domino caritate et quietem ac felicitatem ipsius pleno zelantes 


XLVI. 1. 13 


194 


ſchiedenen Stellen kanoniſtiſche Abhandlungen eingemiſcht 
ſind: Quamvis diversi sunt modi communicandi tamen 
illorum. qui cum sinistra communicant, videtur esse 
aptior ; über nterdikte, Begräbniſſe, Teitamente mit Bezug 
auf den Dominifanerorden, die Vertheidigung der Orden 
geuen die Verleumdung, daß jie in der Prophezeiung der 
b. Hildegard „Insurgunt gentes“ gemeint jeien, während 
jich diejelbe offenfundig contra Lulardos ridhte, jo haben 
wir damit den werentlihen Inhalt der Privilegienfammlung 
gefennzeichnet. 

Auf den legten unnummerirten Blättern beginnt Jakob 
die Ordensnejchichte von neuem, anfangs in wörtlicher Ueber— 
einitimmung mit dem Anfang des ganzen Werfes, dann mit 
einigen Abweichungen, bald find es nur mehr trodene chroni— 
falijche Notizen über die Negierungszeit der Päpſte, die Jakob 
wah:icheinlih als Rahmen für eine jpätere Darftellung be— 
uugen wollte. Aus ihnen läßt ſich mit einiger Sicherheit 
retten, wann „Jakob dag Werk in feinem Haupttheile be— 
eIndet bat. Den Anfang der Regierung Gregor XI., Ur: 
bau» VL, Bonitaz IX. ſcheint er nod gleichzeitig mit der 


affectu ipsum ubilibet dirigi et gubernari salubriter ejusque 
terminos dilatari et professores suos merito augeri et nunc de- 
siderancius affectantes, religiosum Symonem sacre theologie et 
ordinis Predieatorum predicti magistrum, consiliarium, familiarem 
nostrum et devotum dileetum, dietumque totum ordinem — de 
imperiali benignitate n nostram ac sacri Romani imperii salvam 
zuardiam ac protecticnem recipimus. (Keiner darf fie beläjtigen 
oder belangen.) Hujus rei testes sunt: venerabiles Arnestus Pra- 
gensis archiepiscopus, Johannes Olomusensis et Theodericus 
Wyndensis ecclesiarum episcopi, illustres Bolko Swydenicensis, 
Johannes Opauie, Bolko Falkenburgensis, Bolko Conpoliensis(!) 
et Primyslaus Thessynensis duces ac spectabiles Burcardus ma- 
gister curie nostre, Johrnnes et Burcardus de Recz comites et alii 
quam plures — Datum Prage anno domini M°CCC® 59 indictione 
12, 4 ydus junii regnorum nostrorum anno 13, imperii vero 
quinto. 


195 


Hauptmaſſe geichrieben zu haben. Bei legterem heißt es: 
anno domini 1390 (Xüde) Bonifacius nonus cepit et 
sedit adhuc. Die Lüde ift ergänzt durch ydus novembris 
über der Zeile, sedit adhuc durdjitrihen und coronatus 
in die & coronatorum !) über der Zeile gejchrieben und 
angerügt: et obiit anno domini 1404 in die Remigii 
anno pont. 14. Die Daten über Innocenz VII. und 
Gregor XII. folgen jpäter vielfach Fforrigirt und ergänzt. 
Als Nahtragungen deutlich erkennbar heben jich die beiden 
legten chronifaliihen Notizen über das Pijaner und Son: 
ftanzer Conzil ab, welde als Schluß des ganzen Werkes hier 
folgen mögen: (Später:) Anno domini 1409 in concilio 
generali Pisis per cardinales celebrato papa scilicet 
Gregorius 12 et Benedictus antipapa contendentes de 
papatu depositi sunt et elecetus in unicum papam ma- 
gister Petrus de Candia, magister in theologia, de or- 
dine fratrum Minorum, die 27 mensis Junii, cardinalis 
basilice 12 apostolorum, vocatus Alexander 5, et obiit 
sequenti anno in die invencionis sancte crueis scilicet 
3 die mensis mail. (od ipäter:) Anno domini MCCCCX 
electus fuit in papam Balthazar Neapolitanus Bononie 
et Johannes 23 nuncupatus et in die trinitatis coro- 
natus. Hic depositus est in concilio Constanciensi 
anno domini MCCCG 15 et captus atque positus in 
Bauaria in quodam castıo dieto Manhem posito super 
Renum. 

Wegen des Titels Inquisitor heretice pravitatis in 
der Einleitung, den Jakob im ‚jahre 1400 nod nicht trug, 
weil ferner die ihm aus Würzburg zugelandten Materialien, 
weldye er jeinem Werke einverleibte und die jicher mit der 
Abfaſſung desielben zuſammenhängen, die Jahreszahl 1405 
tragen, müſſen wir als Abfafjungs eit wohl die legten Lebens— 

) Beide Angaben find unrichtig. 
13* 


196 


jahre Bonifaz IX. d. h. die eriten Jahre des 15. Jahrhun— 
dert3 betradhten. Eine genauere Angabe wird ih ſchwerlich 
machen lafien, da Jakob wahrſcheinlich an den Materialien 
längere Zeit gejammelt und wiederholt Nachtragungen ge= 
macht hat. 

Wichtig ift das Werk Jakobs als Sammlung päpftlicher 
Privilegien. Mehr als zwanzig!) Konvente feine Ordens 
des In- und Auslandes haben ihm die Materialicn gelie- 
fert. An vielen Stellen wird er auf feinen großen Reifen 
jelbjt gefammelt haben: jo, wenn wir neben ein paar Papſt— 
urkunden Florenz, Piſa verzeichnet finden. Es wäre wenig: 
tens auffallend, daß er von andern ausländiichen Klöftern 
gar feine Nachrichten bringt, wenn wir bieje fremden zwi— 
jhen lauter deutfhen Namen nicht einem äußeren Anlaſſe 
zujchreiben wollten. Bon andern Orten wurden ihm Ab- 
ſchriften zugefandt; noch liegt der Handichrift ein Zettel mit 
Kopie einer Urkunde Honorius IV. von unbefannter Hand 
bei, auf die Jakob den Namen Wartberh (Warburg) ge— 
ſchrieben; ferner ein Sertern eingeheftet mit der Rückſchrift: 
Privilegia, que habentur in conventu Herbipolensi mit 
der „sahreszahl 1405, in welchem 45 Originale, 20 Vidimus, 
2 Raijerprivilegien verzeichnet ftehen. „Et sic non reperi 
plura“, jchreibt der Berichteritatter. 

Bei dem großen Sammeleifer Jakobs, und weil er ftets 
zwiſchen Originalen und Abſchriften genau unterjcheidet, 
dürfen wir nad) dem Ergebniß jeiner Nadhforihungen wohl 
den Stand der um 1400 noch vorfindliden Originale von 
päpftlihen allgemeinen Brivilegien für feinen Orden in 
Deutichland beurtheilen. Er verzeichnet nun nicht weniger 
als 125 Privilegien des 13. Jahrhunderts, die unter dem 
von ihm erwähnten Datum gänzlich unbekannt find. Dieje 


2) Die Zahl 270 im Weftf. Urkb. V. (Papfturfunden) ©. IX ift natür» 
lih ein Drudfehler. 


197 


Thatſache gewährt einen neuen Einblid in die überaus große 
Thätigfeit der päpftliden Kanzlei des 13. Jahrhunderts. 
Auf die Wichtigkeit des Umftandes für die päpitliche Diplo: 
matif, daß ein und daſſelbe allgemeine Privileg für ver: 
Ihiedene Klöfter zu verjchiedenen Zeiten ausgejtellt wurde, 
babe ich an anderer Stelle hingemiejen.!) 

Während die Bullen allgemeinen Inhalts wohl ſämmtlich 
befannt find durch das große Dominifaner-Bullarium von 
Ripolli, können die wenigen, an Einzelperjonen oder In— 
ftitute gejandten päpftlihen Dokumente meift al3 ungedrudt 
bezeichnet werden, und würde auf fie bei einer zweiten Aus: 
gabe von Potthaſt befonders zu achten fein. ch hebe hervor, 
daß die jo außerordentlich intereffante Bulle Aleranders IV. 
von 1256 Juni 24 an die deutſchen Bilchöfe über die Au— 
guftiner-Eremiten: „Recordamur liquide“, welche Potthaft 
16427 nur im Negeit fennt, in der Handſchrift Jakobs 
p. 126 vollftändig fich vorfindet. 

Bon Intereffe für weitere Kreife find Jakobs Mitthei- 
lungen über die zwei weftfäliihen Ordensgenerale Jordanus 
und Johannes Theutonicus. Ich laffe die Berichte 
bier folgen. 

Anno pontificatus Honorii 7 et mundi M°CC® 22 ce- 
lebratum est tertium capitulum generale Parysius, in quo electus 
est frater Jordanis in magistrum ordinis, licet nondum com- 
plesset in ordine duos annos et dimidium. Hie ergo fuit 
secundus magister ordinis, nacione Saxo de dominio de Dasle in 
dyocesi Hildensemensi. Erat autem tunc provincialis Lumbardie. 
Hujus temporibus ordo merito et numero multum fuit dilatatus. 
Mille fratres et desuper manu sua fertur ad ordinem recepisse et 
habitum induisse, Hie litteras primus a capitulo generali misit ad 
provincias. Sub ipso fratres primo ad legendum Parysius licenciati 
sunt. Et quia doctores egregii multi mox circa principium ordinem 
intraverant, duas scolas idem acceperunt. Rexit igitur ordinem 
optime annis fere XV dietus magister Jordanis. Et scripsit gra- 





1) Die Papfturfunden Weftfalend ©. X. 


198 


ciosam postillam super apocalypsim. Item super Priscianum minorem. 
Item geometricalia delicata. Hie gloriosus pater vita et doctrina 
mirabilis ultra mare, quo ad predicandum Sarracenis ierat, et ad 
loca sancta visitandum, in portu maris obiit. Nam inundante maris 
sevicia suoque impetu galeam, in quo cum duobus fratribus et aliis 
90 personis erat, ad litus propellente, pariter cum illis ab hoc seculo 
nequam beneficio mortis est ereptus. Quorum dum corpora jacentur 
inhumata, ut testantur, qui de ipso naufragio evaserunt, et qui 
sanctos propriis manibus sepelierunt, luminaria de celo super illos 
singulis noctibus effulserunt; set et eruces multe super illos et a 
multis vise sunt. Ad quod miraculum incole loci confluentes tanti 
odoris fragraneiam hauserunt, ut juxta testimonium illorum, qui 
post visa miracula tres illorum sepelierunt, usque ad X dies odor 
nimius ab ipsorum manibus non recederet, set et per sepulture cir- 
ceuitum ejus suavitas odoris lacius emanabat, usque quo fratres de 
Achon cum barcha venientes illos in ecelesiam suam transtulerunt, 
ubi et dietus pater sanetissimus miraculis choruscat multaque multis 
beneficia prestat. De hoc patre vide totam 3am partem libri, qui 
dieitur vitas fratrum ordinis Predicatorum. 


Ueber Johannes bringt Jakob zwei verjchiedene Berichte: 


Anno domini Gregorii 9 ultimo, seilicet 14, anno scilicet do- 
mini M°CC® 40?) quartus magister ordinis Predicatorum frater Jo- 
hannes Theutonicus, quondam episcopus Bosnensis in Ungaria, eleetus 
fuit in capitulo generali Parisius. Hie provineialis Ungarie existens fit 
episcopus; set cessionem impetravit et post factus fuit provinecialis 
Lumbardie et tandem eligitur in magistrum. Set quia renitebat et 
episcopali se defensabat excepeione, per privilegium domini Gregorii, 
quod tune fratres propter hoe ipsum impetraverunt, quod ineipit: 
Cum olim te ab onere pontificali, compulsus est offieium sus- 
cipere. Hic vir deo plenus ae in omni virtuti conspicuus fertur 
vivus et mortuus miraculis choruscasse, Cumque prefuisset 12 annis 
et dimidio migravit ad dominum anno «domini 1253 in conventu Ar— 
gentinensi pridie nonas novembris et ob hoc non fuit celebratum 
capitulum generale illo anno. 


Anno domini 1240 elecetus est Parisius in magi- 
strum frater Johannes Theutonicus, nacione Westphalus 
de dyocesi Osnaburgensi, metropolis Coloniensis, de 





ı) Muß 1241 heißen. 


199 


oppido Wildeshusen oriundus. Hic predicator egregius 
in multis linguis scilicet Teutonica, Ytalica, Gallica et 
Latina, multum fructum fecit in diversis partibus pre- 
dicando. Propterea fuit multorum cardinalium socer 
et penitenciarius in legationibus pape Et cum esset 
prior provincialis, in Ungaria factus est episcopus Boz- 
niensis, set postmodum propter multam ınstanciam op- 
tinuit a domino papa Gregorio cessionem et nulla pro- 
visione retenta ad fratrum humilitatem est reversus, 
manens inter illos, tamquam unus ex illis. Factum 
est autem postea provincialis Lumbardje et postea 
magister. Qui licet invite assumeret, in diebus istius 
ordo multum est sublimatus et roboratus in diversis 
et magnis privilegiis a curia concessis,. Sub eo etiam 
factus est dominus Hugo cardinalis et fiatres multi per 
diversa loca in episcopos assumpti cum magna tamen 
displicencia sua et fratrum, qui vere ordinem diligebant. 
Sub eo ceperunt celebrari capitula generalia per diversas 
provincias et ipse plures provincias. quam alii magistri 
consueverunt, visitavit. Hic tandem in omni sanctitate 
migravit ad dominum Argentine provincie Theutonice 
anno domini M°CCP53 et sepultus honorifice in ecclesia 
fratrum pridie nonas novembris. 

Der erite Bericht ilt fait wörtlich, nur mit Umſtellung, 
entlehnt aus Heinrich von Herford!), der die Haupttheile wieder 
entnommen hat aus Bernard Guidonis und der Brevis 
historia ord. Praed. Trotzdem iſt Jakobs Glaborat nicht 
ohne Intereſſe, denn durch die fehlerhafte Wiedergabe einer 
Stelle in dem großen Sammelmerf von Uuetif-Echard über 
die Dominilanerjchriftiteller it eine Entdedung lange Jahre 
verhindert worden, die erit in neuelter Zeit auf Ummegen 
gemadt iſt. Durch die Forihungen einer Reihe namhafter 


2) Edidit Potthast, p. 188. 


200 


Gelehrter auf dem Gebiete der Mathematik fleht es feit, daß 
der mweitfäliihe Ordensminifter Jordanus der größte Mathe- 
matifer des 13. Jahrhunderts und einer der hervorragenbiten 
des Mittelalters geweſen ift.!) Eifrig ift man jegt mit der 
Herausgabe der Werke des Jordanus Nemorarius beichäftigt. 
Hätten Quetif-Echard vor zwei Jahrhunderten ftatt gram- 
maticalia delicata das richtige in der Hoſchr. ftehende 
geometricalia delicata al3 Werk Jordans verzeichnet, jo 
wäre die jhöne Entdedung Jahrhunderte früher gemacht. 
Die Angabe über den Geburtsort Jordan ftammt, wie 
nunmehr feitfteht, nicht aus Jakobs Werk, fondern von Heinrich 
von Herford her. Ihm gehört fie nach Potthaſt's Unterfuhungen 
eigenthümlih. Die Erledigung der Geburt3ortsfrage bedarf 
einer eigenen Abhandlung, ebenjo die Prüfung feiner Herkunft. 
Hier fei nur noch hervorgehoben, daß die von Geiberk in 
diejer Zeitjchrift?) vorgebrachten Gründe dafür, daß Jordan 
ein Padberg ei, nicht ftichhaltig find und daß er fie durch 
eine Anmerkung, worin er über den Diebftahl einer Kuh 
berichtet, welche Jordans Mutter gehörte, ſelbſt völlig aufhebt. 
Während die erfte Aufzeichnung Jakobs über Johannes 

Theutonicus inhaltlih und beinahe wörtlich der oben citirten 
Duelle entnommen ijt?), vermag ich die zweite vorläufig 
nirgends nachzumeifen und fall nicht die Vitae fratrum 
Quelle find, bin ich geneigt, Jakob als Autor dieſes Berichtes 
anzufehen, befonders auch wegen der nur noch bei Schiphower 
in feiner Chronica Oldenburgensium Archicomitum vor 
fommenden Nachricht, daß Johannes aus Wildeshaufen in 
der Diöcefe Osnabrück ftamme. Diefer Bericht Jakobs ift 
vorläufig die beſte knapp gefaßte Lebensgefhichte Johanns. 
Hoffentlih bringen die Bollandiften im kommenden Bande 
der Acta Sanctorum weitere Auffchlüffe. 

1) Bol. Gantor in Allgemeine deutſche Biographie Bd. 14 ©. 501 ff. 

2) Bd. XVII, 278. 

») Heinrich dv. Herford ©. 19. 


201 


MWeftfalen darf auf dieſe zwei ihm entſtammenden großen 
Söhne des h. Dominikus ftolz fein. Beide verdienten eine 
umfajlende, auf wiſſenſchaftlicher Grundlage fußende Bio- 
graphie. Eonderbares Geihid! Jahrhunderte lang Fannte 
man Jordan und wußte nichts von dem jchönften Edelftein 
in jeiner Gelehrtenfrone: aber man kannte ihn und in ge 
wiſſem Sinne gehörte er zu den volfsthümlichen Heiligen; das 
bemweijen die theilmeile mehrbändigen über ihn erichienenen 
populär-wiſſenſchaftlichen und erbaulichen Schriften. Johannes 
Theutonicus fannte bis jett niemand: Feine ‚Allgemeine 
deutiche Biographie‘, feine jonftige Geichichte nennt ihn, wo 
jein Name auftaudt, iſt es Verwechſelung mit dem gleich: 
namigen Kanoniften. Und doc gehört jein Generalat zu den 
glänzenditen des Ordens; beide, der gelehrte Jordanus und 
der ſprachgewandte Johannes haben Unzählige für den Orden 
gewonnen, und dem Orden eine außerordentliche Verbreitung 


verichafft. 


2. Hermann von Schildeſche, primus Westphaliae 
insignitus sacrae paginae doctor. 


Als ich im vorigen Bande der Zeitichrift (S. 124 ff.) 
auf Hermann von Echildefche oder von Weitfalen zuerft hin- 
wies, wußte ih noch nicht, daß der Osnabrücker Auguitiner: 
Eremit Schiphower !) bereitS vor vierhundert Jahren feinem 
Landsmann und Ordensgenoſſen ein litterariſches Denkmal 
gejegt Hatte. Schiphower benugt ein jedes Kapitel feines 
Werkes dazu, um ein Verzeichniß der bedeutenditen Männer 
feines Ordens ſowie ihrer Schriften anzufügen. Da ihm für 
derartige Mittheilungen in jeinen Ordenstonventen reicheres 
verlornes Material zu Gebote ftand, find wir vielfach ge: 
nöthigt, feine diesbezüglichen Notizen als Quellen eriten 


2) In feiner Chronica Oldenburgensium Archicomitum bei Meibom 
Rer. Germ. script. II, 158 f. 


202 


Ranges zu benußgen. Er hat uns 3. B. das vollitändigite 
Berzeihniß der Schriften Dietrich Vryes erhalten und jo 
wilfen wir über manches Werk feines DOrdensgenofjen Her: 
mann von Schildejche nur durch ihn. Die Stelle lautet: 
Quartus fuit egregius sacrae theologie doctor ma- 
gister Hermannus de Schildis de conventu nostro Össen- 
burgensi. Pro quo concludo primum theologicum West- 
phalicum habuit Ossenburgensium conventus ordinis 
fratrum Eremitarum. Probo, quia ille fuit praenomi- 
natus reverendus magister Hermannus hujus conventus 
alumnus. Patet hoc per eundem magistrum reverendum 
in sermone facto coram clero Ossenburgensi, qui in- 
eipit: „principium in Osee“, ubi pro gloria ecclesiae 
OÖssenburgensis introduxit, quomodo ibidem per Karolum 
magnum utriusque linguae, Graecae scilicet et Latinae, 
studium fuerit institutum; consequenter infert nihilo- 
minus totius Saxoniae, excepto venerabili Hugone de 
s. Vietore, qui, si Saxo fuerit, quod ibidem non decla- 
rat. tamen totius Westphaliae se primum insigni- 
tum sacrae paginae doctorem pronunciat. Secundo 
propter hoc idem nostro ex martyrologio, ubi, dum 
mentio de magistro praedicto fit, sie scribitur: quem 
noster conventus in Christo genuit. Tertio magna oc- 
casio vel indicium veritatis pro nostra assertione ex 
donatione librorum suorum valore ducentorum floreno- 
rum. Idem reverendus pater et doctus vir ad multorum 
eruditionem haec, quae subjecta sunt, edidit opera. In 
primis videlicet super primum sententiarum commentum 
dignissimum. De materia canticorum volumen unum. 
Super cantica canticorum magistralem expositionem. 
Expositionem duplicem dominicae orationis. Expositionem 
devotissimam super Ave Maria. Breviloquium de ex- 
positione missae. Manuale sacerdotum perpulcrum. De 
quatuor sensibus sacrae scripturae compendium. Hexa- 


203 


meron duplex. De vitiis capitalibus librum unum. Glau- 
strum animae librum unum. De conceptione immacu- 
lata virginis tractatum pulcerrimum contra stolidam et 
amaram opinionem Jacobitarum. De modo studendi 
librum unum. Introductorium juris. Collationes prae- 
dicabiles per anni circulum. Super librum rhetoricorum 
commentum divinissimum. De quinque sensibus trac- 
tatum unum. De vera et falsa amieitia librum unum. 
De compensatione orationum dominicarum cum oratio- 
nibus canonicis librum unum. Super deeretalem: Omnes 
utriusque sexus. Super genesin postillam. Gontra errores 
flagellatorum tractatum. Contra magistrum Conradum 
de comparatione missae tractatum. Sermones praeterea 
multos ad populum edidit, sed et multae exstant quae- 
stiones. De mansionibus librum unum. Seripsit insuper 
X praecepta. Gaude Ossenburgica tali ac tanto viro 
decorata! Gaude conventus Eremitarum, a quo lumen 
tam praeclarum primum scintillavit. Sed ad propositum 
redeundo praefatus doctor primus Westphalicus decessit 
anno domini MCCCLI in pestilentia illa magna. 

Ueber Hermann v. Schildeſche läßt ſich nunmehr feit: 
jtellen: 

1. Hermannus de Schildis (Schilder, Schildicz), 
Hermannus de Westualia und Hermann von Schildejche 
find ein und diejelbe Perjönlichkeit. Als Verfaſſer des oben 
erwähnten „wunderſchönen“ Manuale sacerdotum wird bald 
Herm. de Schildis, bald H. de Westualia genannt.!) Die 
Beilegung eines ſolchen allgemeinen Namens erfolgte bei 
DOrdensleuten vielfach dann, wenn fie aus einem Ordenshaufe 
ihrer Provinz in fremde Gegenden verjegt wurden. Die 
Erziehung Hermanns im Osnabrücker Konvente läßt auf 
wejtfäliiche Abftammung ſchließen: einen Schildis ähnlich 


2) Zeitihr. Bd. 45,1, 126 Anm. 1. 





204 


Hingenden Namen außer Schildeiche bei Bielefeld gibt es 
aber nicht. Zudem lernen wir aus dem im vorigen Jahre 
edierten Hamelner Urkundenbud in Hermann von Schildejche 
eine bedeutende Berfönlichkeit des Gremitenordens fennen. 

2. Hermann von Scildejche genoß feine erjte Ausbil: 
dung im Osnabrüder Eremitenfonvente. Er wird im Mar— 
tyrologium des Kloſters als Zögling deijelben erwähnt und 
vermachte ihm jeine werthvolle Bücherfammlung. Wahrſchein— 
lih it er zu Ende des 13. Jahrhunderts geboren, da er 
in den Jahren 1328—1330 als Lektor im Eremitenklofter 
zu Herford erjcheint. Zwei „jahre jpäter wird er bachala- 
rius s. theologie genannt; jein Lektoramt hatte er nieder: 
gelegt. Zu Ende 1337 nennt er ſich Provinzialprior der 
Auguftiner-Eremiten und PBrofefjor der Theologie. Wie lange 
er das Priorat bekleidet, vermag ich nicht feitzuftellen, auf 
jeden Fall war acht Jahre ſpäter Jordanus PBrovinzialprior. 
In feinen jpätern Jahren erjcheint er in Beziehungen zu 
Süddeutichland: er dedicierte ein Werk dem Biſchof Friedrich 
von Bamberg, lebte und jtarb im Dominifanerklofter in 
Würzburg. Sonjt wird al3 Todesjahr 1357 angenommen, 
Schiphower jchreibt 1351. Ein Irrthum war durd Ber: 
wechjelung der beiden Ziffern leicht möglich. !) 

3. In einer Anſprache, die Hermann an den Dsnabrüder 
Glerus gehalten, hat er ſich jelbit al3 den eriten insignitum 
sacrae paginae doctorem genannt, fall3 man den berühmten 
Theologen Hugo von St. Biltor, dejjen ſächſiſch-weſtfäliſche 
Abftammung von einigen angenommen wird, ausnehme. Die 





') Belege hierfür: Schiphower a. a. D. Meinardus, Hamelner Ur: 
fundenbuch I, Nr. 234, 235, 263, 363 wird Hermann v. Sch. Lektor 
in Herford genannt; 1333 (Nr. 273) Gottfried Lektor; 1332 (Nr.271) 
H. de Schildesen bachalarius; 1337 (Nr. 325) Provinzialprior. 
Der „Heinrich“ von Schildeſche Provinzialprior 1337 (Nr. 321) 
wohl ein Irrthum, vielleicht fchon der Kopie; 1345 (Nr. 395) Sor- 
danus Propinzialprior, Im übrigen vgl. Zeitſchr. Bd.45.1, S. 128. 


205 


Richtigkeit der Behauptung wird ſich ſchwerlich feſtſtellen 
laſſen; dafür ſpricht, daß das Doktorat der Theologie um 
dieſe Zeit dem Beſitzer noch ein ſo bedeutendes Anſehen ver— 
lieh, daß ein Ereigniß, wie die Verleihung deſſelben, weithin 
bekannt und nicht ſo leicht vergeſſen wurde. Dazu vergleiche 
man folgende Notiz: Am 9. Juni 1338 ſchreibt Johann von 
Verden an Ditmar, Kaplan des Erzbiſchofs Baldewin von 
Trier, Neuigkeiten vom päpſtlichen Hofe in Avignon, insbe— 
ſondere über die Geſandtſchaft deuiſcher Biſchöfe behufs Aus— 
ſöhnung Ludwigs von Baiern mit dem ‘Bapjte.!) Die drei 
Sejandten waren: Graf Gerlah von Nafjau, der Bilchof 
von Chur und frater Hermannus de Westfalia ordinis 
sancti Augustini, novus doctor in theologia. Ich 
glaube, diejer Auguftiner-Eremit Hermann von Weſtfalen ift 
unfer Hermann von Scildeihe und hat jeine Promotion 
wahricheinlih an der Kurie jelbit jtattgefunden; ich würde 
nicht anftehen, das mit volliter Beſtimmtheit zu behaupten, 
wenn nicht die Bezeichnung „Profeſſor der Theologie”, die 
er nah Meinardus jich ſchon im Dftober 1337 beilegt, ei: 
nige Bedenken böte. Die Richtigkeit diejer Anficht zugegeben, 
haben wir einen interefianten Beleg dafür, wie jehr Hermann 
von Scildeihe in den höchſten deutichen Kreiſen geichägt 
wurde. 

Hermanns Werke waren viel verbreitet; ich kenne vor: 
läufig Handigpriften in Münfter, Wien und Rom und hoffe 
jpäter über einige derjelben berichten zu können. 


1) Böhmer-Fider, Acta imperii selecta, Nr. 1046. 


IX. 


J 


Miscellen. 


Die Margaretenfapelle in Miünfter. 


Don 
9. Hohgraefe, stud. phil. 


(Sin ſchönes und edles Ausjehen gewährten im Mittelalter die etwas 
größeren Städte jchon dadurd, daß ſelbſt ihre entlegenften Teile 
Kunjtbauten, namentlich reich gezierte Gotteshäujer hatten. Diele 
find größtenteild den verflahenden Anjchauungen der Neuzeit zum 
Opfer gefallen; und um jo mehr follte man die wenigen Refte, die 
nod vorhanden, in ihrem gefhichtlihen Werte würdigen, mit aller 
Sorgfalt erhalten und wieder injtandjegen, Von den Kapellen, welche 
einjt die Stadt Münſter bejaß, jtehen in ihrer mittelalterliben Baus 
weije noch die Sohanniterfapelle auf der Bergſtraße, die Kirche der 
Georgskommende und die Margaretenkapelle; dem kirchlichen Gebrauche 
find alle drei Kapellen entzogen und erftere auch in ihrer alten 
Einrichtung entitellt. 


Die Margaretenkapelle liegt in der Nähe des Domes in dem 
Gäßchen, welches an der Südjeite des Domplatzes parallel mit der 
Pferdegaſſe läuft und zur Zeit der MWiedertäufer nad) der Marga- 
retenfapelle „Margaretenweg“ genannt wurde. !) Die erite Urkunde, 2) 
in welder fie erwähnt wird, jtammt aus dem Sabre 1255. 
Kerjienbroid meint bejtiimmter,?) die Kapelle jei von der adligen 
Matrone Odinga von Büren gejtiftet, mit reichen Ginkünften be: 
ichenlt und der hl. Margareta geweiht worden. Dann habe die 
Stifterin ihre Gerechtſame, die fie an der Kapelle hatte, an das 
Domkapitel übertragen, ihrer Famille aber die Machtvolllommenheit 





1) v. Kerjienbroid, Seid. d. Wiedertäufer, deutſch 1771 ©. 185 in der 
Geſch. zum 3. 1535. 

2) MWilmans, Weit. Urfob. IIT, Nr. 590, 790 (1267), 548 (1268). 

) a. a. O. S. 43. 


207 


vorbehalten, die Stiftungsbenefizien zu vergeben. Nun erfahren wir 
auf anderm Wege !), daß nach einem Inventariſatione-Inſtrumente 
vom 8. Oct. 15585 noch eine Abfchrift über eine Schenkung der 
Stifterin Ddinga von Büren vom J. 1369 vorhanden gewejen 
ift, worin fie zum Nectorate der Margaretenfapelle eine Wieſe auf 
der Beerlage, die „Bure“ genannt, verwendete. Beide Duellen 
meinen biejelbe Stiftung der Odinga v. Büren vom J. 1369; 
die Urkunden zeigen dann aber, daß Kerfienbroid in feiner Angabe 
oberflählih ift, indem Odinga v. Büren der Sapelle nur reiche 
Stiftungen vermacht hat, deren Perleihung fie ihrer Familie vorbe: 
bielt. m J. 1255 ftand tie Kapelle alfo Schon, und diefes Datum 
fteht durhaus nicht im Miderfpruche mit der Verehrung der hl. 
Margarete überhaupt, welche vereinzelt vor den Kreuzzügen ſchon 
vorfam.?) Wenn fomit die Stiftung der Kapelle im 13. oder gar 
im 12. Jahrhundert ftattgefunden hat, jo ſteht jedoch die jetige 
Kapelle im Baujtile des 15. Jahrhunderts da. Die Urkunden ?) 
berichten und denn auch von einem Neubaue derjelben im %. 1464, 
welcher danı 1503 eine Rejtauration erfuhr. 

Tie Kapelle ift ein einihiffiger Bau, der aus zwei kreuzge— 
wölbten Feldern und einem fünfjeitig aus dem Achte geſchloſſenem 
Chore bejteht.*) Die Strebepfeiler find im ganzen regelmäßig, nur 
dadurd weicht der Bau für die jpäte Zeit von der Regel ab, daß 
die beiden weſtlichen nicht übered, jondern in der Querachſe jtehen, 
und jo möglihjt wenig in den Fußweg vorjpringen. Der jüdliche 
davon trägt einen Thorbogen von der Kapelle nad einem Haufe bin, 
der, aus demielben Material mit der Kapelle erbaut, dem Pfeiler 





’) aud dem Manuscripte des verjtorbenen Appellationsgerichts-Präfidenten 
v. Olfers über die Margaretentapelle, das Tibus in feinem Werke, 
Die Stadt Münfter, Münfter 1882. ©. 70 anführt. 

2) Kampſchulte, Die weit. Kirchenpatrocinien, Paderborn 1867. ©. 157. 
Zibus a. a. O. ©. 74. 

2) Geſch.Quellen des Pistums Münfterl, ©. 321 Zuſatz b: In diesen 
1464 jahr ist die capellen s. Margareten gebawet, aber hernacher 
verfallen und anno 1503 per Bernardum Melschede decanum re- 
staurirt worden. 

9) Die Mahe der Kapelle find nicht bedeutend: Die Länge des Baues 
ift 8m 30cm, die des Chores 4m 30cm, aljo die Länge der ganzen 
Kapelle 12 m 60 cm, die Breite beträgt 7 m 20cm, der Höheicheitel 
des Quergurted 8 m 30 cm. 


208 


ale Stütze dient, folglih dem Baue der Kirche gleichzeitig ift. Die 
5 Fenſter de3 Langbaues, wovon 2 vermauert find, haben das in 
der jpätgotifchen Zeit gebräuchliche Fiſchblaſenmaßwerk, während Die 
Chorfenfter mit dem in der früheren Periode der Gotik gebräudh: 
lihem Maßwerke, dem Wierblatt verfehen find. Das Vierblatt ijt 
aber gleichzeitig mit dem Fiſchblaſenmaßwerke in diefer Kapelle ver- 
wendet worden, denn das Profil fämmtlicher Fenjter ift von dem: 
jelben einfachen und ſchlichten Schnitt. Von den beiden Gingängen 
ift der füdliche vermauert, der an der MWeitjeite verhältnismäßig 
dürftig ausgebildet. Alle übrigen Stilzuftände find edler und jchöner. 
Die Gewölbe find, wie es der Gotik des Münfterlandes eigen ift, 
außerordentlich leiht und ſchlank emporgezogen; die Rippenjtügen, 
nämlih Sonfolen!), find mager profiliert und mit einem für die 
Zeit ſchönem Laubwerke bekleidet. Die Rippen zeigen ein zwar 
Ihmädhtiges, aber in Gliederung noch klares Birnenprofl; ähnlich 
die Profile an den Fenftern und Gefimfen. Gurt: und Hauptge— 
fims haben den gewöhnlichen gotifchen Profilfchnitt. Dieje ganzen 
Stilharakteren, wie wir fie jegt erkannt haben, ſowie das Material 
des Baues jtimmen volllommen zu dem Datum des Neubaues, das 
uns die Quellen überliefern. Als Bauntaterial diente für die Ge: 
fimje und Ginfafjungen der Bruchſtein, für die Füllungen und Ge: 
wölbe der Ziegelftein, der hier zu Lande erjt im fpäten Mittelalter 
gebrannt und verwertet wurde.?) Im Jahre 1503 ?) wurde ron 
dem Domdechanten Bernard von Mejhedet) eine Reftauration ber 


1) Die Kämpfer der Konfolen befinden ſich in einer Höhe von 4 md cm, 

2) Nordhoff, Holz. und Steinbau Weitf. 1874 ©. 431: Die Vadftein- 
ardhitectur ift 1222 hier nod) vereinzelt. 

3) Ic) habe in der Inſchrift jowohl das Jahr 1503 ale auch 1504 ge» 
lejen, da dieſelbe beſonders an dieſer Stelle verwilcht ift; ich nenne 
jedod) 1503 das Jahr der Reftauration der Kapelle, weil die älteren 
Urkunden diejes haben. 

B. v. Meichede war 1435 Priefter, 1459 Domherr, 1488 Domjcho- 
laiter, 1495 Domdedyant zu Münfter (Fahne, Die Dynastentv. Bocholtz. 
Köln 1859.). 

Bernardus de Meschede, huius (Monasteriensis) ecclesiae De- 
canus, obiit MDIII, Novembris die XIX und wurde neben feinen Bruder 
Cratho de Meschede, huius ecclesiae Canonicus (+ MCCCCLY) auf 
dem jog. Vilarien-irchhof begraben (S. Epitaphium auf einem dreiedigen 
Stein, der in einen der Strebepfeiler auf der Nordfeite des Domes einge 
fügt iſt.). Tibus, Domtkapitular. 


209 


Kapelle vorgenommen, wie und eine Inſchrift über der an der 
Süpdfeite befindlichen, jest vermauerten Thür jagt; diejelbe lautet: 


An(no) MCCCCCII (folgt das Wappen de3 B. v. Mejchede: 
ein Sparren) Bernard(us) de Melschede !) decan(us) hoc 
te(m)plu(m) restituit. 


An Skulpturen ift leider nichts mehr erhalten, als die Schluß: 
fteine der Gewölbe. Der Schlußftein de3 Chorgewölbes ijt mit dem 
Wappen der Familie von Meſchede verjehen, das ficherlich bei der 
Reitauration der Kapelle dort angebradt iſt; der Schlußitein des 
mittleren Gemwölbes trägt das Bild der hl. Margarete mit dem 
Kreuze in der Hand hinter dem Drachen jtehend, während der nod 
übrig bleibende Scheitel des dritten Gewölbes ohne Schlußitein ift. 
Von der gewiß ſehr reihen einjtigen Ausftattung der Kapelle findet 
ih Heute nicht mehr vor, ebenjowenig, wie vow dem Türmchen, 
welches früher das Dad Frönte.?) Nur von der früheren Malerei 
bliden nod bie und da ſchöne Mufter durch den Half, mit dem die 
Wände jegt beworfen jind, hindurch. Bemalt wurde die Kapelle 
entweder bei dem Neubau, oder fur; vor dem %. 1581. Denn 
wir willen), daß die Margaretentapelle vor 1581 Altartafeln be: 
aß, welde von einem geſchätzten Renaijjance-Maler gemalt waren. 
In den Grecutorial:Acten Bitterd von Raesfeld (+ 1581) tritt 
nämlih einmal ein Maler M. Yohann Molthaver, dem ein gleich 
zeitiges Monogramm oder gar ein Farbenwerk treffend noch nicht 
zugejchrieben werden kann, auf mit Sorderungen wegen der erwähnten 
Altartafeln, Es läßt fih aljo vermuten, dab bei der Beihaffung 
der Altartafeln die Kapelle zugleich bemalt wurde. 


2) Melichede und Mejchede ijt der Name ein und derfelben Familie, denn 
das Wappen der Infchrift ift das der Familie von Meſchede. 

*) Tibus a. a. D. ©. 75, 

) Nordhoff in Prüfers Archiv F. kirchliche Kunſt (1886) X, 13, 14. 


XLVI. 1. 14 


210 


Die Sirtusfajel in Breden. 
Don 
Kaplan Fr. Tenhagen. 


In Vreden iſt noch jetzt die Sage lebendig, daß der Hl. Papſt 
Sirtus einſt dahin gekommen ſei; das Meßgewand, welches 
er dort gebraucht, werde immer noch zum Andenken an ſeine An— 
weſenheit aufbewahrt.) In der Stiftskirche zeigte man thatſächlich 
bis vor wenigen, Jahrzehnten dieſe angebliche, ſehr alte, gothiſche 
Sixtuskaſel; gegenwärtig ſoll fie im biſchöflichen Muſeum zu Münſter 
ſich befinden. Intereſſant iſt nun, daß dieſelbe Sage bereits in einer 
Urkunde vom 3. Okt. 1485 vorkommt, einem notariellen Aktenſtück, 
welches die Nachweiſung des höhern Alters und des Vorranges der 
Stiftskirche vor der ſogenannten Pfarrkirche für einen römiſchen 
Prozeß zum Zweck hatte. Die betr. Stelle lautet in einer nicht 
viel jpätern Überſetzung: 

„Item op sunt Sixten des pawest und martelers dag werd mit 
groter solemniteit ein misse gedan van den pastor der grafinnenkerke 
op sunt Michels altar in ein missewand, welk sunt Sixt dar leet, als 
hi aldar die vromisse deede und op den selven dag die homisse durch 
grot mirakel deede binnen Romen. Na gedaner misse werden die 
broden und bomfruchten gesegent, die den graffinnen, enonniken, 
und die dar mit to horen, utgeldeilt.* 


Auch Nünning in jeinen handſchriftlichen Nachlaß, deſſen Be: 
nußung Herr Rittmeifter von Zurmühlen mit großer Freundlichkeit 
mir gejtattet bat, erwähnt die genannte Kajel, Zuerſt jagt er, 
Michael ab Isselt?) gebe an, daß „das Meßgewand, in welchem 
der 5. Heribert (Erzb. + 1021) bejtattet wurde, von runder Form 
und ganz, nirgends offen, nur mit drei Öffnungen (Löchern) für 
Kopf und Arme verjehen gewejen ſei“, und dazu bemerfe beatus 





1) Zum eritenmale erwähnt nad) meinen Angaben Weſtfäl. Urkb. V 
(Bapfturfunden), Nr. 2. 
2) Historia belli Coloniensis, p. 321. 


211 


Mallinckrotius in einem Buche, das er bei der Auktion der 
Bibliothef deſſelben erworben habe: 

„Videndum, an non in hoc erret auctor; nec enim nisi uno 
foramine pro capitis exertione antiquitus fuerint rotundae istae 
casulae, qualem viderit in templo collegiali Vredensi 
anno 1633.* 


Dann hebt Nünning hervor, daß beide Formen bei den alten 
Mefgewändern vorfämen und fügt hinzu: 

Casula vero unico foramine contenta, qualis s, Sixti Vredensis 
est, utroque brachio a terra levatur, ita ut ante et retro tegendo 
corpori suffieiat, qualis figurae episcoporum sive stantiunf sive in 
eathredris sedentium icones in sigillis — repraesentantur. Vredensis, 
ut hoc addam, hososerica est, rubei coloris et tantum non attrita; 
pontificali hoc indumento tota Westphalia e vestiario thesauro 
nec aetate antiquiorem nec digniorem veneratione possidet. Utinam 
instrumentorum fides tandem nos doceat, cuius beneficio aut quo 
aevo tantum devotionis pignus lipsanothecam ecclesiae Vredensis 
exornet. Ipsam casulae figuram lector contemplari non pigretur.* 

Der legteren Aufforderung Nunnings nachzukommen, wird 
hoffentlich bald nad ertigitellung des Katalogs der Altertümer des 
biſchöflichen Muſeums ermöglicht werden. Was den anderen Wunſch 
nah Aufklärung über den Urfprung der Vredenſchen Kafel aus Ur: 
funden betrifft, ift derjelbe leider auch jetzt noch nicht erfüllt und 
wird e3 wohl niemald werden. Mit der Frage, wie die Sage von 
einer Anweſenheit des Papites Sirtus in Vreden aufgelommen jei, 
ftehben wir vor einem Rätſel. Sollte nicht vielleicht die Nachricht 
einigen Anhalt bieten fönnen, dab im J. 839 die Reliquien der 
bb. Felizitad, Agapitus u. Feliziſſimus nad Vreden gebracht wurden, 
welch legtere heilige Perſonen befanntlih in naher Beziehung zu 
Papjt Sirtus ftanden? Und fönnte dann nicht die Anweſenheit 
eines fpäteren Papftes (Leo III.) in Meftfalen nit den Anlaß 
zu einer unabfichtlihen Verwechſelung gegeben haben. 

Angefügt ſei no eine andere Vredenſche Sage, daß nämlich 
auch Karl der Große eine Zeitlang jih in Vreden aufgehalten und 
dort eine Burg errichtet habe. Die Kellergewölbe der Burgruine 
jeien noch ein Reft jenes erjten Baued! Daß man in Vreden dies 
ihon lange geglaubt hat, bemeift eine Inſchrift an der genannten 
Burg: 

„A Carolo Magno sum structa, sed a Reinaldo 1337 destructa; 
— resurgo anno 1699.“ 


14* 


212 


Dennoch iſt es wohl außer Zweifel, daß an Stelle diefer 1398 
vom Biſchofe Dtto IV, erbauten Burg nicht ſchon früher eine ſolche, 
vielmehr ein Stadtthor, die „‚lüntener Porte“ (urkundlich nod 1366 
genannt) geitanden Hat. Hat aljo Reinald von Geldern 1324 
(nit 1357) mit der Stadt welde drei Tage lang gebrannt haben 
foll, auch eine Burg (castrum) zerftört, jo wird diefelbe an einer 
andern Stelle geitanden haben. Nah jener Zerftörung Vredens 
muß aucd eine Berlegung der Stadt vorgenommen fein, denn ein 
größerer Kompler von Gärten weitlih, dicht an der Stadt, beißt 
feit Mitte des 14. Jahrh. die „olde Stadt”. 





IX. 
Chronif des Vereins 
für 


Geihichte und Alterthumsfunde 
Weſtfalens. 


Abtheilung Münſter. 
—_ REF —— 


Den Boritand des Vereins bildeten auch im abgelau- 


fenen Jahre die Herren: 


Domfapitular und Geiftl. Rath Tibus, Director. 
Kaplan Dr. Galland, Secretär und Bibliothefar. 
Profeſſor Dr. wen | 


Conſervatoren des Mufeums 


Landarmen= Director der Alterthümer. 


Plaßmann, 
Goldarbeiter Wippo, Conjervator des Münzkabinets. 
Kaufmann B. Nottarp, NRendant. 


Bon den Vereinsmitgliedern find feit Veröffent- 


lihung des legten Berichtes gejtorben die Herren: 


1. 
. Brejjon, Pfarrer, Marl. 

. Hundt, Photograph, Münditer. 

. 5 W. Haute, Kaufmann, Müniter. 

. Theodor Lünnemann, Domlapitular, Münfter. 
. Heinr. Theijfing, Rentner, Münſter. 


nm Gm a 0 


Berger, Pfarrer, Geſcher. 


a ED 
Ihren Austritt erklärten die Herren: 


. 5. Hoeter, Kaufmann, Müniter. 
. Freiherr Mar v. Korff zu Harkotten. 


3. 
4. 


214 


Dr. Boigt, Hamburg. 
Weſtarp, Pfarrer, Dingden. 


Aus der Münfterrihen Abtheilung trat in die Bader: 


borner über: 


Herr Freiherr v. Dalwigk, Lieutenant, Stettin; 


Dagegen aus der Paderborner Abtheilung in die Münſter' ſche: 


Herr Rodehüjer, Eijenbahnjecretär, Miüniter. 


Als neue Mitglieder wurden in ben Verein aufge- 


nommen bie Herren: 


. Breffon, Pfarrer, Marl. 

. Dr. of. Hanfen, Königl. Archivaſſiſtent, Münfter. 

. Heitmann, Regierungsafjeffor, Münfter. 

. B. Hertel, Negierungsbauführer, Münfter. 

. 5. Hertel, NRegierungsbauführer, Müniter. 

. Himly, Oberpräfidialrath, Münfter. 

. W. Hüffer, Kaufmann, Münfter. 

. Th. Kayſer, Rentner, Müniter. 

. Dr. Georg Lugge, Gymnaftallehrer, Münſter. 

.v. Mitſchke-Collande, Rittmeifter, Münfter. 

. Aug. Naumann, Regierungsrath, Müniter. 

. Dr. Ant. Bieper, Convictspräjes, Müniter. 

. Dtto Plaßmann, Afejlior, Münfter. 

. Schr. v. Rhemen, Lieutenant, Elbefoftelet in Böhmen. 
. Wilh. Ringenberg, Mifionspfarrer, Stadthagen. 

. Stanz Rump, Pfarrer, Bocholt. 

. Dr. Salzmann, Arzt, Müniter. 

. Freiherr v. Schenk zu Shweinsherg, Regierung®- 


rath, Münſter. 


. Beter Schneider, cand. phil., Münfter. 

. Dr. Schulz, Reg. und Schulrath, Münfter. 

. Spude, Yandrath, Bochum. 

. Ferd. v. Stodhaujen, Lieutenant und Adjutant, 


Müntfter. 


215 


23. Gottl. v. Stodhaujen, Hauptmann u. Compagniedef, 


Münſter. 
24. E. Wiemann, Fabrikant, Warendorf. 


25. Wilhelmi, Regierungsbaumeiſter, Münſter. 

Die Mitgliederzahl ift demnah um 15 geſtiegen und 
beträgt gegenüber 342 im vorigen Jahre augenblidlih 357. 

Die erfreulihe Thatjache des itetigen Wahsthums des 
Mitgliederbeitandes dürfen wir wohl mit der regjamen und 
im abgelaufenen Jahre noch gefteigerten Vereinsthätig— 
feit in einigen Zujammenhang bringen. Die üblichen 
Sigungen des Vereins während des Winterjemefters wur: 
den von den einheimiihen wie auch von auswärtigen Mit- 
gliedern jehr rege beſucht. Folgende größere Borträge 
fanden ftatt: 

am 15. December v. 3. vom Herrn W. Effmann 
über „die Grabftätte des hl. Ludgerus in Werden 
0: d. Ruhr“; 

am 12. Januar d. J. vom Herrn Vereinsdirector 
über den „Michaelsplatz in Münſter“; 

am 26. Januar d. %. von den Herren Privatdocent 
Dr. Joſtes und Dr. Effmann über vorgenommene „Aus: 
grabungen am Teutoburger Walde, im alten 
pagus Suderbergi (Amtes burg); 

am 9. Februar d. 3. vom Herrn Ardivar Dr. Theod. 
Ilgen über „das Königreih Weitfalen, jeine Eon: 
ftitution und Einrichtung“; 

am 23. Februar d. 3. vom Herrn Bereinsdirector 
über „die Curien am Domhof in Münfter”; 

am 8. März d. J. vom Herrn Ardivafiiitenten Dr. Joſ. 
Hanjen über „die Spefter Fehde (1444—1449)’; 

am 22. März d. J. vom Herrn Vereinsdirector 
über einige topographifhe und geſchichtliche Merkwürdigkeiten 
der Stadt Münfter. 


216 


Auch über die auf Anregung oder im Auftrage des 
Vereins in Angriff genommenen wijjenihaftliden Ar— 
beiten können wir recht Erfreuliches berichten. 


Die im legten Jahresbericht angekündigte neue Samme 
lung: „Quellen und Unterfuhungen zur Gejhidte, 
Kultur und Litteratur Weftfalens, herausgegeben 
vom Berein für Geſchichte und Alterthumskunde Weſtfalens“ 
ift inzwiſchen erſchienen und durch eine ftattliche Publication: 
„Daniel von Soeſt“ von Dr. Joſtes eröffnet worden. 


Der zweite Band der genannten Sammlung: „Die 
Karolingiih:zottoniihe Baufunft in Werden und 
Corvei von Wild. Effmann“ befindet ſich unter der Preffe. 


Für dieſelbe Sammlung bat Herr Gymnafiallehrer 
Dr. ©. Lugge die Beröffentlihung der Lehensregilter der 
biſchöflichen und ſtiftiſchen Curien auf Grund der ältejten 
Lehensbücher übernommen. Mit der Bearbeitung der Münfter: 
ſchen Lehensregifter, jpeciell der Lehensbücder des Florenz 
von Wemwelinghoven ijt bereit3 begonnen worden. 


Bon den „Weitfäliihden Siegeln des Mittel- 
alters“ ijt das zweite Heft der zweiten Abtheilung, die 
Siegel der Städte enthaltend, (herausg. von Dr. Tumbült) 
erichienen. 


Weiterhin erjchien im Laufe des Sommers der erite 
Theil des fünften Bandes vom „Weſtfäliſchen Urkunden— 
buche” mit dem Specialtitel: „Die Bapfturfunden 
MWeftfalens bis zum Jahre 1378, bearbeitet von 
Dr. Heinrih Finke, PBrivatdocent an der Kol. Afademie 
zu Münfter. Eriter Theil. Die Bapfturkunden bis zum Jahre 
1304. Münfter 1888. In Commiſſion der Regensberg’ihen 
Buchhandlung.” Der Drud des zweiten Theil fteht im 
fommenden Winter zu erwarten. 


217 








Die Sammlungen des Vereins erfuhren auch in die: 
jem Jahre durch Ankauf und Gejchenfe eine anjehnliche Er: 
weiterung. 

Es wurden verausgabt: 

für das Mujeum . . c#H 5558,90 
„ die Bibliothef. . c/# 2014,14 
„ da8 Münzklabinet. cH# 530,32 


Sa. cf 8103,36. 








Der Bibliothef wurden u. a. geichenft: 

von Sr. Ercellenz dem UOberpräjidenten von Weftfalen 
Herrn von Hagemeifter das auf Anregung des Herrn Mi- 
nifters der geiftlichen 20. Angelegenheiten herausgegebene 
„Merfbuh, Alterthbümer aufzugraben und auf: 
zubewahren“ (Berlin, Ernit Siegfried Mittler und Sohn, 
1888). Gern millfahren wir dem Wunſche, auch an dieler 
Stelle die Vereingmitglieder auf diejes anregende und nüß: 
lihe Schrifthen empfehlend aufmerfiam zu machen. Der 
Yadenprei3 desjelben beträgt für ein Eremplar in einfacher 
Ausstattung 40 Pfennig, in beſſerer Ausitattung 60 Pfennig; 


von dem „Gejammtverein der deutſchen Geſchichts- und 
AlterthHumsvereine” ein Eremplar der von dem Herrn Mi— 
nifter der geiltlicen u. j. w. Angelegenheiten zur Verfügung 
geftellten „Kurzgefaßten Regeln zur Gonjervirung 
von Alterthümern“ (gedrudt in der Königl. Hofbuch— 
druderei, Berlin); 

vom Herrn Freiherr G.von dem Buſche, Major z. D., 
die von demjelben zufammengejtellten „Regeiten, Urfun: 
den und Stammtafeln der von dem Buſche“. 


vom Herrn Dr. Joh. Freeje deſſen Inaugural-Diſſer— 
tation: „Die Entwidlung des driftliden Turm: 
baues in Deutjhland bis zur gotiihen Periode“ 
(Münſter 1888); 


218 








von einem um das Vereinswohl bereits hochverdienten 
Mitgliede eine große Anzahl werthvoller Bücher zumeijt ge— 
Ihichtlihen, insbejondere auch provinzial: geichichtliden In— 
halts. 
Für das Münzfabinet wurden erworben: 
durch Kauf: 1 Gold:, 69 Silber:, 5 Kupfer: und 1 Zinne 
münze; 
durch Schenkung ſeitens des Herrn Grafen B. Hatzfeld 
(Boniburg), des Fräuleins Hellinghaus (Glandorf), 
des Herrn Privatdocenten Dr. Joſtes (Münſter), 
der Königl. Regierung (Münſter), der Herren Dom— 
kapitular Tibus (Münſter), Kreiswundarzt Dr. Vor— 
mann (Münſter) und Kaufmann Berth. Wagner 
(Müniter): 
36 Silber, 15 Kupfer: und 1 Bleimünze. 
Der Vorſtand betrachtet es als angenehme Pflicht, für 
die genannten und jonitigen Förderungen der Vereinszwecke 
auch an diejer Stelle jeinen herzlichen Dank auszuſprechen. 


Dr. Joſ. Galland, Secretär. 


Zweite Abtheilung 
herausgegeben 
vom Director der Paderborner Abtheilung 


Dr. €. Slertens. 


ALVL 2. 1 


J. 
Geſchichtliche Nachrichten 


über 


Stadt und Pfarre Borgholz. 





Von 


Leopold Grüe, 
Pfarrer in Borgholz. 


(Mit einer Abbildung der Stadt Borghol;.) 


(Schluß.) 
g. 10. 
Auswärtiger Pfarrbezirk von Borgholz. 


1. Eddeſſen und Nieder-Natzungen. 


Wir ſtellen dieſe beiden Orte hier zuſammen, nicht bloß, 
weil ſie nicht weit von einander entfernt lagen, ſondern des— 
halb beſonders, weil ein gleiches Schickſal zu derſelben Zeit 
ihren Untergang herbeiführte. 

Eddefjen, 1’/, Stunde ſüdöſtlich von Borgholz gele: 
gen, wurde bereit? in $. 1. als das alte Adishuſen der 
Traditiones Corbejenses erwähnt.!) Es jcheint, daß bort 
in frühefter Zeit ein Rittergeichleht jaß, weldes von dem 
Orte den Namen führte, wie wenigſtens aus einer urfund- 
lihen Nachricht zu erjehen if. In der weiter unten noch 
zu erwähnenden Urkunde vom J. 1221 wird nämlich der 
miles (Ritter) de Eddessen als patronus der Kirche 
genannt. Wichtiger aber iſt, daß Eddeſſen ein alter Pfarr: 
ort war. Die ältefte Nachricht über die Pfarrkirche zu 


1) Das in der Stiftungäurfunde des Kloſters Willebadeffen vorfommende 
Etheifin ift wohl nicht unfer Eddeſſen, jondern jener Ort wird im 
Lippiſchen zu juchen fein. Eipp. Reg. I. Nr. 62.) 

1* 


4 





Eddeſſen datirt aus dem J. 1221. In diefem Jahre wurde 
da3 Dorf Dalhaufen, welches bisher eine Filiale von 
Eddejjen geweien, von feiner Mutterkirche abgepfarrt. Es 
Ipricht hierüber eine bejondere Urkunde des Biſchofs Bernard ILL. 
von Paderborn, in welcher die Kirche zu Eddeilen deutlich 
genug als Pfarrkirche bezeichnet wird, z.B. durch die Worte: 
„villa Dalehusen, que prius ecclesie in Edessen jure 
parochiali pertinebat.* Für den Verluſt an Einfünf: 
ten, welchen die Pfarrkirche durch diefe Abpfarrung erlitt, 
jollte Dalhaufen nah Anordnung des Bijchofs jährlich zwei 
Mark (natürlid nad alter Geldwährung zu veritehen) an 
die Kirche in Eddejlen zahlen.!) Es ift alfo unzweifelhaft, 
daß jhon im J. 1221 zu Eddeſſen eine Pfarrkirche beftand, 


1) ©. die Urkunde bei Wilmans, Weſtf. U.B. IV, Nr. 98. Das Kloiter 
Gehrden hatte Schon in den Jahren 1208, 1210 und 1212 zu Dal- 
haufen Grundbejik erworben. (Vergl. die betreffenden Urkunden a.a.D. 
Nr. 32, 42 u. 50.) Später wurde Dorf und Pfarre Dalhaufen dem 
genannten Klofter gänzlich incorporirt, indem 1305 die Grafen von 
Everitein als Weudalherren „das ganze Dorf Dalhaujfen mit dem 
Patronatrechte über die dortige Kirche“ und die Herren v. Gundeſen 
(oder Gundeljen), welche mit Dalhauſen belehnt waren, in dem— 
jelben Yahre die „villa Dalhusen eum universis pertinentiis* dem 
Kloiter Gehrden als Eigenthum übergeben; Biſchof Dtto aber gibt 
in einer Urfunde aus demſelben Jahre deutlich zu verftehen, zu wel» " 
chem Zwede diefe Schenkung gemacht jei, nämlid zur Gründung 
eines Nonnenkloftere in Dalbaujen, welches vom Kloſter Gehrben 
dependiren ſolle. Alſo Lehnsherr, Vaſall und Biſchof conjentiren. 
Bergl. hinfichtlich der betreffenden Urkunden v. Metternich, Beſchrei— 
bung des Kreiſes Hörter, ©. 144 und das Gehrdener Copiar, in der 
Zeitfhr. Pd. XXXIX, 2. ©. 6ff. (Mr. 3 u. 4) Nah einer Be 
merfung von Giefers ſcheint das Kloſter Dalhauſen nicht lange be- 
jtanden zu haben, da es jpäter nirgends erwähnt wird, Schaten 
(Annal. 11.145) jchreibt über diefe Angelegenheit: Otto episcopus 
... parochiam Dalhusanam inter) Borcholt et Beve- 
rungen cum proventibus et oblationibus; transtulit ad praepo- 
situm Gerdensium virginum. 


a 





obgleih in dent ältejten Archidiakonats-Verzeichniſſe des Bis— 
thums Paderborn aus dem J. 1231 die Pfarre Eddeſſen 
nicht genannt wird. In dieſem Jahre berichten nämlich die 
von dem päpftlichen Cardinal-Legaten beitellten Viſitatoren 
den Erfolg ihrer Thätigkeit in Paderborn, darunter auch die 
Eintheilung des Bistyums in Archidiafonate, wobei fie dem 
Archidiafonate Iburch zuweiſen: ecclesias Eisnen, Nate- 
sunken, Brakel, Volstesen, Herstelle et omnes ececle- 
sias, quas modo habet Helmwordishusensis 
ecclesia, Herisiam, Wilbodisen cum ipsarum ecclesiis 
et capellis.!) Da aber bereits $. 4. Nr. 6. nachgewieſen 
wurde, daß die v. Amelunren den Wald und die Feldmark 
von Eddefjen zu Lehen trugen vom Klofter Helmarshaufen, 
jo ift anzunehmen, dat auch die Pfarre Eddeſſen zu diejem 
nahe gelegenen Klofter in Beziehung ftand, und unter den 
Pfarrkirchen, welche nad) obigem Archidiafonats:Verzeichnifie 
als von Helmarshaujen abhängiq bezeichnet werden, iſt daher 
ohne Zweifel die Pfarre Eddeſſen miteinbegriffen. Bekannt— 
lich theilt auch Beſſen ein „sehr altes’ Archidiakonats-Ver— 
zeichniß mit, freilich ohne Jahreszahl; in demfelben wird 
Eddefjen unter den Pfarren des Archidiafonats, welches dem 
Gamerarius der Domkirche unterstand, merkwürdiger Weiſe 
jogar zweimal genannt.?) Sicher beitand die Pfarre Eddeilen 
noch im 3. 1310, da eine Gehrdener Urkunde aus diejem 
Jahre einen Bfarrer (plebanus) Hermann in Eddeflen auf: 
rührt.) 

Nieder: Napungen lag in ſüdlicher Richtung 
1, Stunde von Borgholz entfernt. Wollen wir nun über 
diejen Ort ebenfalls die älteiten Nachrichten zufammenitellen, 


1) Wilmans, Weſtf. U-B. IV, Nr. 204. 

2) Beſſen I. ©. 295. Der Camerarius hatte die Juriediction des 
Arhidiaconats Iburg, Ipäter Brakel genannt. 

3) Gehrdener Eopiar a. a. O. S. 11. 


jo iſt zumächit zu bemerfen, daß es auch ein Ober-Natungen 
gab, daß diejes das jegige Natzungen ift (ungefähr !/. Stunde 
von Nieder-Natungen entfernt), daß aber gerade die älteſten 
Nachrichten einen Unterſchied zwiſchen Ober: und Nieder: 
Natungen nicht zu fennen jcheinen. In dem Schenfungs- 
regilter des Klofters Helmarshaufen findet fi an vier Stel- 
len der Ort Niternattejungen genannt, womit vielleicht 
Nieder: Napungen als Oſt-Natzungen im Gegenjat zu dem 
weitlih gelegenen Ober-Natzungen bezeichnet fein fol. !) 
Nakungen ift ein ſehr alter Ort. Schon in der merkwür— 
digen Urkunde über Sunrife vom J. 1036 fommt e3 vor. 
In der Urkunde, durch welche Biſchof Bruno von Würzburg 
fein väterlihes Erbgut Sunrife (curiam quandam in Pa- 
derburnensi episcopatu sitam, ex re nomen habentem 
Sunrike, id est regnum singulare, quam ex paterna pos- 
sedimus hereditate) der Würzburger Kirche jchenkt, verord: 
net der Biſchof u. a., dat einem jeiner dortigen Minifteria- 
len, Rihbold, und feiner Frau Richeze zwei Hufen in Na: 
tejingan gejchenkt fein jollten.?) Sm J. 1185 beftätigt 
Biſchof Siegfried von Paderborn einen Vertrag zwiſchen 
der Familie Harehufen (Horhujen) und der Abtiſſin Rege- 
lindis von Neuenheerje, durch welchen die eritere u. a. zwei 
Häufer in Nathejanten nad Lehnrecht empfängt.?) Abt 





) S. das Schenfungsregifier bei Wenck, Heſſiſche Landesgeſchichte 
Bd. II, U.B. ©. 69, 70 u. 71 (Nr. 99, 104, 115 u. 1193. Den 
Namen Aſter-Natzungen habe ich anderswo nicht gefunden. An 
mehreren andern Stellen haben dieſe Traditiones Helmarhusanae 
das einfahe Nattefungen. Nach Wend’s Meinung ijt das Regijter 
um 1120 geichrieben. 

2) Wilmans, Weſtf. U.:B. Additamenta Wr. 9. 

°) Dajelbit Nr. 69. Im dieſer Urkunde wird auch das benachbarte 
Frudenhuſen (Frohnhauſen) genannt. Der urfprünglide Namen 
lautete wohl Frodohaus, jowie der Silialort von Frohnhauſen, das 
jegige Auenhaufen, aus Odohaus corrumpirt it; beiden Ortsnamen 
liegen alſo zwei altdeutiche Namen, Yrodo und Odo, zu Grunde. 


7 


Thetmar von Eorvey Fauft für fein Stift im 3. 1207 
mehrere Hufen Land in Nattefungien zurüd, welche frü— 
ber an einen Ritter Conrad und an Udo von Rippoldeſſen 
zu Lehen gegeben waren.!) Die Stelle aus dem alten Archi- 
diakonats-Verzeichniſſe von 1231, in welchem auch die Pfarre 
Natejunten unter den Pfarrlichen des Archidiakonats 
Iburg aufgezählt wird, ift bereits mitgetheilt. In den 
Jahren 1224/5 und 1232 wird ein Johannes plebanus de 
Natesungen erwähnt.?) Im J. 1259 gibt Biidhof Si- 
mon jeine Cinwilligung zu einem Tauſche (permutatio) 
zwilchen dem Ritter Bertold Schuwen und dem Pfarrer 
Johannes von Natkungen.?) Zum J. 1319 findet fich zum 
eritten Male der Name Oberen-Natzungen und zum $. 1362 
zum eriten Male Niederen- Natungen.*) Es ijt demnach 
ihwer zu enjcheiden, welches der beiden Nabungen in den 
vorjtehend citirten älteſten Nachrichten gemeint fei; gleich: 
wohl ift nach unjerm Dafürhalten Ober-Nagungen, d.h. das 
jegige Natzungen überall da zu verftehen, wo von einer 
Pfarre oder Pfarrkirche Napungen geredet wird. Denn 
Kieder-Nagungen war wohl nur ein Filialort, wenngleich es 
in der weiter unten mitgetheilten Nachricht aus dem hieſigen 
Kirhenbude als Pfarrort bezeichnet wird. Freilich befand 
ih zu Nieder-Nabungen eine Kirche, was ſchon dadurd) be: 
wielen wird, daß noch heute ein Platz in der Feldflur, welche 
noch immer Nieder-Nabungen beißt, die Bezeichnung führt 
„auf der alten Kirche“, wo man auch kirchliche Utenfi- 
lien, große Steinplatten und angeblich ſelbſt menichliche Ge: 
beine gefunden hat; indeß werden größere Kapellen vom 
Volke zuweilen Kirchen genannt, und ausnahmsmweije haben 


) Wilmans, Weſtf. U.-B. IV, Nr. 21. 

2) Daſelbſt IV, Nr. 137 u. 214. Auch Bd. XXXVII. 2. ©. 108 
diejer Zeitjchrift. 

3) Fürſtenb. Repertorium. — *) Dajelbit. 


8 


auch anderswo in oder bei Kapellen Beerdigungen ftattge- 
funden. PVielleiht war Nieder-Natungen eine Filiale der 
Pfarre Eddeſſen und hatte, weil e8 von der Pfarrkirche eine 
Stunde entlegen war, ein eigenes Gotteshaus; vielleicht war 
es gar eine Filiale von Borgholz, was darum nicht unmög- 
lich ift, weil man den Namen Nieder-Natungen erft zu einer 
Zeit antrifft, wo die Pfarre Borgholz Schon längft zu erifti- 
ven angefangen hatte; jedenfalls aber ſteht feit, daß die Ein- 
wohner von Nieder:Nagungen nach der Zerftörung des Dorfes 
in die Stadt Borgholz überfiedelten, und daß daher die 
Feldmark des verlaffenen Ortes noch heute zu Borgholz ge= 
hört. Muß es nicht auch auffallen, wenn auch Nieder: 
Napungen eine Pfarrkirche gehabt hätte, daß in feinem der 
alten Ardhidiafonats: Verzeichniffe zwei Pfarren Napungen 
aufgeführt werden? Für das andere Natungen als Pfarre 
ſpricht aber nicht bloß der Umjtand, daß es noch heute als 
jelbitändige Pfarrgemeinde eriftirt; auch ein anderer und 
zwar ein architeftoniicher Zeuge ipricht für unſere Anficht, 
das iſt der Kirhthurm in dem jetzigen Natungen. Der: 
jelbe, ein majiiver Bau von bedeutendem Umfange, hat die 
charakteriſtiſchen romaniſchen Schalllöcher, wie fie nur an den 
älteften Kirchen Weitfalend vorfommen. Die rundbogigen 
Thurmlöcer find durch eine in der Mitte ftehende Säule 
mit dem eigenthümlichen Würfelfapitäl gedoppelt und an 
zwei Thurmjeiten durch je zwei ſolche Säulen in drei Deff- 
nungen getheilt. Wahrjcheinlicd Hatte der Thurm anftatt 
der jegigen jtumpf:pyramidalen Spige urſprünglich das eben 
jo charakteriſtiſche, Ipecifiich: weitfäliihe Satteldah, wie es 
3. B. an den eben jo alten Kirhthürmen in den benadhbar: 
ten Orten Eiffen und Jacobsberg noch zu jehen if. Da 
nun ſolche Bauformen auf das 12. und 13. Jahrhundert 
verweilen, in welcher Zeit man in Wejtfalen, zumal auf dem 
Lande, nod im romanijhen Stile bauete, jo folgt, daß nur 
an Ober-Natzungen gedacht werden kann, wenn die Nach: 


richten aus dem 13. Jahrhundert von einer Pfarre Nakun: 
gen jpredhen. !) 

Wir haben nun über die Kataſtrophe zu berichten, welche 
den beiden Dörfern Eddeſſen und Nieder-Napungen 
völligen Untergang bereitete. In einem hiefigen Kirchenbudhe 
findet fich folgender Bericht: Sacellum Eddessen et be- 
neficium stae Crucis extra ecclesiam parochialem, intra 
limites tamen parochiae Borcholtensis in sylva Eich- 
hagen dicta situm. In hoc loco, ubi sacellum est 
stae Orucis multorum hominum visitatione celebre, olim 
fuit pagus dictus Eddessen, ut constat e litteris feuda- 
libus praenobilium ab Amelunxen, qui eum cum aliis 
appertinentiis a duce Brunswicensi in feudum obtinebant 
et obtinent,?2) qui et beneficii praesentationem habent, 
cujus modernus possessor est R. D. Conradus Nus- 
baum, pastor in Beverungen, qui de reliquis punctis 
doceat. Pagus vero hie creditur et non improbabiliter 
ab Hussitis et eorum confaederatis deletus, sicuti et pa- 
zus Niederen-Natzungen dictus, eodem belli tumultu 
deletus est, qui pagus Niederen-Natzungen fuit parochia- 
lis religquorum circumjacentium locorum, dum adhuc 
existeret, ob belli vero devastationes migrarunt hi pagi 
Borcholtum ad diversos nobiles, quorum familiae ibi 
habitabant, oppidum aedificarunt et parochiam ex Nie- 
deren -Natzungen Borcholtum cum annexis reditibus et 
juribus transtulerunt, unde et evenit, quod hactenus 
familia coloni sacello Eddessen adhabitantis pertinuerit 
et pertineat ad parochiam Borcholtensem, uti et ultimus 
colonus cum uxore in caemitorio Borcholtensi paulo 


) Die alte Kirche zu Natzungen eriftirt leider nicht mehr; an den alten 
Thurn hat man im dritten Decennium dieſes Jahrhunderts eine 
moderne Kirche gebaut, die indeß allzu modern ausgefallen ift. 

2) Vergl. über dieſes Lehen $. 4. Nr. 6. 


10 


ante inceptum bellum Suecicum sub pastore D. 
Georgio Haltaufderheiden sepultus est, filii eorum 
in hac parochiali ecclesia baptizati, quorum adhuc unus 
jam sexagenarius Henricus Spellerberg hodiedum super- 
est et haec testatur. Quamvis autem praenobiles Dni 
Spiegelii et pastor in Bühna contendant, dietum sacel- 
lum Eddessen ad ipsorum Spiegeliorum jurisdietionem 
et parochiam Beunensem pertinere, tum tamen id 
frustra asseritur, cum contrarium constet ex designatis 
actibus. 


Diefer Bericht, den wir vorftehend darum vollitändig 
mitgetheilt haben, weil ung im Folgenden wiederholt Ber: 
anlaffung gegeben wird, darauf zurüdzulommen, hat feinen 
höheren Werth, als überhaupt eine im Bolfe lebende Ueber: 
lieferung gejichichtlicher Ihatfahen haben kann; denn als 
ſolche aibt sich der Bericht durch feinen Wortlaut ſelbſt deut: 
lih genug zu erfennen. Er firirt aleichlam die Weberliefe: 
rung, wie jie damals zur Zeit der Abfaffung des Berichtes 
im Volke lebte; er iſt aber abgefaßt oder niedergeichrieben 
zur Zeit, als Conrad Nusbaum, der von 1633 bi$ 1638 
Paſtor zu Borghol; war, bereit die Pfarre Beverungen 
übernommen hatte, alfo wahricheinlih von dem eriten oder 
zweiten Nachfolger Nusbaum's, von Raftor Johann Schmid 
oder Paſtor Meinolph Radering.!) Der Bericht ift in der 
Hauptſache, daß nämlich die Dörfer Eddeifen und 
Nieder-Natzungen zur Zeit der Soefter Fehde von 
den Huſſiten zerjtört feien, der geſchichtlichen Wahr: 
heit entiprechend, wie im weiteren Berlauf diejer Abhandlung 
nachgemwiejen wird. Dagegen it er in anderen Punkten von 
Irrthümern nicht frei zu sprechen. So muß es 3. B. durch: 
aus als Irrthum bezeichnet werden, daß erjt, wie der Bericht 


!) Vgl. den Catalogus pastorum, $. 2. 


11 


zu verjtehen gibt, Stadt und Pfarre Borgholz nah und in 
Folge der Zerftörung von Eddeſſen und Nieder-Nakungen, 
aljo erit in der Mitte des 15. Jahrhunderts entjtanden jeien, 
da bereits in den 88. 1, 2 und 6 diejer Abhandlung meh: 
rere urkundliche Nachweiſe angeführt find, nach welchen nicht 
bezweifelt werden kann, daß Borgholz ald Stadt und Pfarre, 
wenn nicht Schon am Ende des 13., doch ficherlich im An— 
fange des 14. Jahrhunderts eriftirte. Richtig aber wird in 
dem Berichte angegeben, daß damals zu Borghol; diversi 
nobiles wohnten: das jind ja die adeligen Burgmänner, 
über welche in $. 4 mweitläufig gehandelt wurde. NRichtia 
wird es auch ohne Zweifel fein, daß die Einwohner ber 
beiden verwülteten Orte nach Borgholz überjiedelten, unı 
dort hinter Wal und Mauern der bereits eriftirenden Stadt 
bei fünftigen kriegeriſchen Ueberfällen beſſer geichütt zu fein. 
Hinwieder laffen fich gegen eine andere Angabe des Berichts, 
daß nämlich Nieder-Nayungen ein Pfarrort gemweien jei, ge: 
gründete Zweifel geltend machen, wie bereit oben nachge: 
wiefen wurde. 

Wie aber famen die Hufliten in die Gegend von 
Borgholz ? 

Als im J. 1444 die damals mächtige und reiche Stadt 
Soeft ihrem Landesherrn, dem Kurfüriten: Erzbiichof von 
Köln und Herzoge von Weitfalen, Theodorih von Mörs, 
Sehorfam und Steuern verweigerten, indem fie ihm jenen 
berühmten trogigen Abfagebrief jhidten, der aljo lautete: 
„Wettet Bischof Dierich van Moers, dat wy den vesten 
Junker Johann van Cleve leber hebbet als Juwe. Und 
wert Juwe hiemet abgesagt. Datum Soest anno 1444.“ 
— da entbrannte die furdtbare Soeiter Fehde, welde 
mehr oder weniger ganz Weitfalen in Mitleidenschaft zog. 
Im 3. 1447 kam der Herzog Wilhelm von Sachſen dem 
Erzbifchofe mit einem Heere von 30000 Mann zu Hülfe, 
weldhes in Thüringen, Meißen und zum Theil auch in 


12 


Böhmen angeworben war.!) Die böhmiſchen Söldner 
wurden gewöhnlid Huffiten genannt, weil fie früher und 
im Herzen vielleicht noch immer Anhänger der huflitiichen 
Sekte waren. Die langjährigen huſſitiſchen Unruhen hatten 
eine traurige Verwilderung der Einwohner Böhmens zur 
Folge; und wenngleich ſich die Hufliten eben damals, we: 
nigitens äußerlich, mit der Kirche ausgejöhnt hatten, jo war 
doch bei ihnen die alte hufiitiiche Raubluſt und Zerſtörungs— 
wuth geblieben. Furcht und Schreden ging vor dieſen wil: 
den Banden her. Hören wir die Schilderung eines Zeit: 
genofjen: ... de hadden wapen, de men mid armborsten 
und geraden hantbussen nicht dorchscheiten enkonde, 
und hadden der fotlude, de men dravanthen nomide, 
de weren nackit und blot und deden groten schaden und 
enfragiden na neynem watere, graven eflte andern feste- 
nunge, und wu vele orer under oghen irschoten worden, 
des enachtiden se nicht, und de andern ghinghin gelike 
wol furdan, und draden holt und wellen, dar fulden se 
graven mede und weren unkristlike lude. Se schindeden 
und beroveden alle lude, geistlik und wortlik, junc- 
fruwen, papen und monnecke, und schonden nymandes 
u. ſ. w.?) Das Heer zog über Weimar, Erfurt, Mühl: 
haufen, Göttingen, Eimbed, eritürmte die Homburg bei 
Amelunrborn und jegte bei Holzminden über die Weiler.) 
Bon da ging der Zug nad Hörter, dann in die Grafichait 
Kippe; hier wurde Klojter Falfenhagen in Brand geitedt, 
Blomberg eritürmt und zerftört, daflelbe Schidjal hatte Det: 


1) Schaten (Il, 456) ſetzt die Zahl der Söldner fogar auf 60000, 
darunter 26000 aus Böhmen. 

2) Refchreibung des Heerzuges mit der Meberichrift „Drabanten togen 
vor Soſt“ aus dem Göttinger Rathsarchiv (Pd. 24, ©. 2 dieſer 
Zeitſchrift). 

9) Barthold: Soeſt, die Stadt der Engern, ©. 278. 


13 


mold und die Burg Brake. Dann zog die wilde Söldner: 
Ihaar über Lemgo, Herford und durch die Senne nad) Lipp- 
jtadt, belagerte dieje Stadt 14 Tage vergeblih und erſchien 
am 2. Juli vor den Mauern von Soeft. Das war alio 
die Marjchroute, welche das Huſſitenheer auf dem Hinzuge 
nah Soeſt einihlug, welde wir auch deshalb genau ange: 
geben haben, um dadurd zu conftatiren, daß die Huſſiten 
auf dieſem Zuge die hieſige Gegend nicht berührt haben. !) 
Folglich muß die Zerftörung der Dörfer Eddeſſen und Nieder: 
Natzungen auf dem Rüdzuge der Huffiten von Soeſt ge: 
heben jein. Nachdem verjchiedene Erftürmungsverjuche ge: 
maht waren, wurde nad drei Wochen die Belagerung der 
Stadt aufgegeben, zumal da die längere Ernährung und 
Bejoldung eines To großen Heeres (im ganzen wurde das— 
jelbe auf 80000 Mann geichägt) dem Erzbiichof viele Schwie- 
rigleiten bereitete, und die böhmiſchen Banden bejonders, 
deren Habjucht unerjättlih war, wegen ihrer Bejoldung un: 
zufrieden wurden. Die Göttinger Chronik jagt: Und up der 
wederfard do schededen se (de Behemen) mid unwillen 
von dem bischoppe von Coln, dat he und ok Jurgen 
Spegil, de se furde, von on wiken und flen mosten, und 
se togen to Beverungen over de Wesere und 
branden den Lewenfurde?) ut, dar se des nachtis 
legen, und togen des andern dagis over den Solingk 
vor Uszlar etc.?) Da haben wir einen deutlichen Hinweis, 
welhe Marichroute die zurücdkehrenden Hufliten eingeichlagen 
haben. Nehmen wir dazu, was andere geihichtliche Nach: 





) Der Zug der Hufftten it nach der citirten Göttinger Chronik und 
nad) Barthold angegeben. Auch Beſſen ftimmt damit im allgemeinen 
überein, mur läßt er das Heer bei Hörter über die Wejer gehen 
(l, ©. 283). Desgl. Schaten a. a. O. 

%) Lauenförde am rechten Ufer der Weſer, Beverungen gegenüber. 

*) Weſtf. Zeitihrift a. a. O. ©. 1. 


14 


richten über den Aufbruch der Kriegsbande von Soeſt an— 
geben, daß nämlih, als diefelbe den Rüdzug antrat, der 
eine Theil in das Ravensbergifche einbrach, der andere Theil 
aber die Haar hinanzog und dann in getrennten Haufen 
den Weg in die Heimath fuchte,!) jo können wir, wenn wir 
einen Blid auf die Landkarte werfen, nicht mehr in Zweifel 
jein, daß ein Seerhaufen der Hufliten die biefige Gegend 
paſſiren mußte. Dieſer Theil der Huffiten zog demnadh von 
Soeſt in jüdliher Richtung über die Haar und gelangte jo 
etwa bei Belefe oder Rüthen in das Möhnethal; dann konn— 
ten fie entweder in diefem Thale hinauf über Brilon nad) 
Marsberg und im Diemelthale herab big Scherfede ziehen, 
oder fie zogen von Rüthen über Büren und dann durch das 
Sintfeld?) in das Diemelthal bei Scherfede. Dann mußten 
fie aber nothwendig, um dur die Warburger Börde etwa 
über Borgentreih an die Wejer bei Beverungen zu gelangen, 
durch die Feldmarken von Nieder-Nagungen und Eddeſſen 
fommen. Die Landftraße, welche jegt in ziemlich geraber 
Richtung von Boraentreich nach Beverungen führt, durch— 


!) Barthold a. a. D. ©. 284. 

) Im Sintfelde follen nad; der Tradition zur Zeit der Soefter Fehde 
mehrere Dörfer zerftört fein. Ferdinand v. Fürftenberg fagt Mo- 
num. Paderb. (edit. Paderborn. 1669) pag. 116 über das Sintfelb: 
Quamvis hie ager longe lateque patens frumentis hodie abundet, 
feruliores tamen segetes illic olim provenisse credibile est, 
quando frequentibus pagis habitatus diligentius colebatur; qui 
plerique omnes una cum oppido Blankenroda Susatensi bello 
vastati. Wie Dr. Gieferd (Weſtf. Zeitichrift Bd. 38. 2. ©. 129 
u. 130) nachweiſt, ift diefe Nachricht doch nicht richtig, da die Ber- 
wüftung der Sintfelder Dörfer jchon früher geſchah. Läßt fich aber 
vielleicht nicht jene Tradition und die wahrjcheinlich auf diejelbe ge- 
gründete Nachricht Ferdinands v. Yürftenberg dadurd) erflären, daß 
die Hulfiten auf dem Rückzuge von Soeft, wenn fie auch micht die 
zahlreichen ausgegangenen Orte des Sintfelds zerjtört haben, ſengend 
und brennend durch diefe Gegend gezogen find? 


15 


ichneidet jogar die Stätte, auf mwelder da3 Dorf Nieder: 
Natzungen lag. So finden wir aljo die Tradition, nad) 
welher Huſſiten die Vermülter der beiden ausgegangenen 
Dörfer waren, durchaus gerechtfertigt, und e3 wird jchwerlich 
etwas mit Grund gegen dieje alte Ueberlieferung eingewendet 
werden fönnen. Hiernach ift die Behauptung des Profeſſor 
Dr. Giefers, daß die Huffiten die Gegend von Borgholz gar 
nicht berührt hätten (Bd. 39 2 ©. 171 dieſer Zeitichrift) 
zu berichtigen. 

Bon Niever-Napungen it nichts übrig geblieben, 
als der Name; jedod findet man hin und wieder bei Um— 
grabung de3 Bodens Spuren von Mauerwerk und verjchüt- 
tete Brunnen. Ein Kreuz erinnert die Bewohner von Borg: 
holz, daß einſt aud an diejer Stätte ihre chriſtlichen Vor: 
fahren gewohnt haben. Dagegen wird die Erinnerung an 
das alte Eddeſſen durch vier Dinge noch immer lebendig 
erhalten: durch die Kapelle, welche dort auf der Stelle 
der verwülteten Kirche errichtet iſt, durch das Beneficium 
ads. Crucem, welches mit dieſer Kapelle verbunden ift, 
durh eine Bartifel vom hl. Kreuze, welche früher in 
der Pfarrkirche zu Eddeſſen und jetzt in der Kirche zu Borg: 
holz aufbewahrt wird, und durch die Brocejfionen, melde 
aljährlid von Borgholz nah Eddeſſen geführt werben. 
Nachfolgend theilen wir mit, was wir Bemerfenswerthes in 
Betreff diefer vier Punkte gefunden haben. 

a) Die Kapelle fteht wohl an derjelben Stelle, wo 
einit die alte Kirche ftand; man findet im Umkreiſe ber Ka— 
pelle noch deutliche Spuren einer Grundmauer. Die alte 
Pfarrkirche von Eddeflen joll einen bedeutenden Umfang ge- 
habt haben, jo daß fich in ihr nach der Sage fünf oder gar 
heben Altäre befanden; die erwähnte Grundmauer jedoch 
eritredt fih nur auf 72 Fuß nad einer und auf 54 Fuß 
nah der andern Richtung. Wann die erite Kapelle dort 
nah Zeritörung der Pfarrkirche erbauet wurde, läßt ſich 


16 


nicht nachweiſen; es ſcheint aber, daß frühzeitig ein Ein- 
jiedler, der ja nach altem Herfommen ſtets eine Kapelle neben 
feiner Einfiedelei oder Klaufe hat, an dem verwüfteten Orte 
feine ftile Wohnftätte aufgeichlagen hatle, da der Name 
„Klus Eddeſſen“ zur Bezeichnung des alten Eddeſſen ſchon 
lange im Gebraude war, wie denn auch jet noch dieſe Be— 
nennung im Munde des Volkes üblich ift. Freilich jcheint 
Eddefjen noch längere Zeit von einer Bauernfamilie bewohnt 
gewejen zu fein, da der aus dem hieſigen Kirchenbuche mit- 
getheilte Bericht in der beftimmteften Weife von dem legten 
Colonus redet, der mit feiner Familie bei der Kapelle Eddeſſen 
wohnte und dort „kurz vor Beginn des ſchwediſchen Krieges 
unter dem Paſtor Georg Haltaufderheiden (um 1625) ge: 
ftorben war.” Er hieß Spellerberg und wurde nebit jei- 
ner Frau, als zur Pfarre Borgholz gehörig, auf dem hiefigen 
Kirhhofe begraben.) In dem Walde, welder ber Klus— 
fapelle zunächit liegt, bemerft man bier und da, bald mehr, 
bald weniger deutliche Aderfurden: rühren biefelben etwa 
von dem Colonus her, der bei der Klusfapelle wohnte? oder 
haben fie einen noch älteren Urſprung? (Bekanntlich erhal: 
ten ſich ſolche Pflügefurchen oft jehr lange Zeit.) In den 
noch erhaltenen Rechnungen über Einnahme und Ausgabe der 
DOpferipenden bei der Kapelle Eddeffen aus den Jahren 1655 
bis 1662 findet ſich jtet3 die Benennung „Kluß Eddeſſen“; 
aber in der Rechnung pro 1657 wird ein Ausgabepoften 
von 8 Schillingen verrechnet für Reinigung und Abräumung 
des Platzes „umb die Cluß, da das eremiten hüttgen ge- 
ſtanden“; alfo beitand zu jener Zeit die Einfjiedelei nicht 
mehr, nur die Benennung „Klus Eddeffen” war noch ge: 
blieben. Im J. 1683 ftand ficher die erite, nach Zerftörung 


1) Der dreifjigjährige Krieg wird von der Zeit an, wo die Schweden 
in denjelben eingriffen, aljo von 1630 an auch der ſchwediſche Krieg 
genannt. 


er 





der Pfarrkirche erbauete Kapelle nicht mehr; denn das ältefte 
hiefige Kirchenbuch enthält folgende Bemerfung: Anno 1683 
3tio Junii dedicatum novum sacellum stae Crucis in 
Eddessen a Rmo Vicario Grali Laurentio a Dript sum- 
tibus civitatis Borcholtensis. Coepit idipsum aedificare 
Rmus ac Gratiosus Dnus Joes Adolphus de Fürstenberg. 
Consummavit Rmus ac Perillustris Dnus Ferdinandus 
a Plettenberg, successive camerarii et archidiaconi. Auch 
dieje Kapelle vom J. 1683 hat jchon längſt einer andern 
weihen müflen; die jetzige Kluskapelle ift im J. 1856 er: 
bauet und am Feite Kreuzerfindung 1857 benedicirt. Die 
nördliche und ſüdliche Mauerfeite, aljo die beiden Schmal- 
jeiten (da die stapelle nicht geoitet ift) find von der alten 
Kapelle beibehalten. Zu den Erbauungsfoften haben bie 
umliegenden Ortichaften, welche jeit Jahrhunderten gern dieſe 
alte Stätte der Gottesverehrung bejuchen, durch milde Gaben 
beigeiteuert. In leßterer Zeit iſt wieder eine Einftedelei mit 
der Kapelle verbunden. 

b) Zu der Kluskapelle Eddeſſen gehört da8 Benefi- 
cium ad s. Crucem, wie dieſes jchon der mitgetheilte 
Bericht aus dem hieligen Kirchenbuche angibt. Derjelbe Be: 
riht erwähnt, daß die Freiherren v. Amelunren die Pa— 
trone dieſes Beneficiums jeien. Auch jetzt nod ilt die Fa— 
milie im Bejit des Patronats und hat das Präfentationg- 
recht zur Bejegung des Beneficiums bi3 zur neuejten Zeit 
ausgeübt; wann und wie diejelbe aber das Batronat erlangt 
hat, darüber jtehen uns feine Nachrichten zu Gebote. Die 
ältefte Präfentations- Urkunde, welche Sich in Betrerf des 
Klus-Beneficiums in den Paderborner Acten befindet, Datirt 
erit aus dem J. 1673 und iſt ausgeftellt von Friedrich 
Urih v. Amelunren.!) Das Beneficium war aber feines: 
wegs immer den Borgholzer Geiftlichen übertragen. In dem 


) Mittheilung des Herrn Generals v. Umelunren. 
XLVI. 2. 2 


18 


mehr erwähnten Berichte des hiejigen Kirchenbudjes, wie in 
den ſchon citirten Nechnungen über Einnahme und Ausgabe 
der Opfergaben wird al3 Beneficiat der Paftor Konrad 
Nusbaum zu Beverungen genannt, welder freili vorher 
Paitor zu Borgholz war. Einer feiner Nachfolger zu Beve— 
rungen war ebenfalls im Beſitze des Beneficiumg, mie der 
Paſtor Balthafar Hanebrinf im hiefigen Kirchenbuche folgen 
dermaßen bemerft: Anno 1687 26to Febr. R. D. Georgius 
Tilies pastor Beverung. in possessionem beneficii s. Cru- 
cis in Eddessen introductus est... ., praesentationem 
dedit senior familiae de Amelunxen, Schweder Luther, ') 
collationem et investituram Celsissimus Princeps et 
Epus Paderborn. Später hatte ein Baftor zu Följen das 
Klus-Beneficium, bis es in neuerer Zeit Regel wurde, daß 
man die hiejigen Kapläne für das Beneficium ad s. Crucem 
präjentirte. Das Einkommen des Beneficiums beſtand früher 
(außer einer aeringen Geldpräftation von einigen Groſchen) 
in Heuergefällen, welche jegt durch Ablöjung in zinsbare 
Kapitalien umgewandelt jind.?) 

c) Die Bartifel vom h. Kreuze, melde in der 
Borgholzer Kirche aufbewahrt wird, rührt nad) der Tradition 
aus der zeritörten Kirche zu Eddeſſen her. Dennoch haben 
die Einwohner des alten Eddeſſen bei der allgemeinen Ber- 
wüjtung wenigftens ihre Heiligthümer gerettet und jie in 
ihren neuen Wohnort übertragen. An den Kreuzfeiten wird 
die Partikel in Proceſſion nah Eddeſſen getragen und dort 
von den Wallfahrern andächtig verehrt. Die Partikel, welche 
jelbit die Korm eines Kreuzes hat, ift in einem Kreuze aus 
Kriftall eingeſchloſſen, und diejes wiederum befindet jich in 





) Schweder Luther, ein in der Yamilie v. Amelunxen gebräudjlicyer 
Vorname. 

*) Holicher (Bd. 40.2 ©. 78 diejer Zeitjchrift) nennt irrthümlich das 
Beneficium zu Eddejien ein beneficium ad s. Liborium. 


19 








einem jilbernen Gefäße, welches die Form einer kleinen 
Strahlenmonjtranz hat. Eine Inſchrift auf der Rüdjeite der 
Monftranz mit der Jahreszahl 1738 bezeichnet als Schenk— 
geber den Domherrn zu Münfter und Osnabrück Wilhelm 
Anton v. d. Aſſeburg (von 1763 bis 1782 Fürftbiichof von 
Paderborn). 

d) Wann die PBroceffionen, welche von Borgholz 
nah Klus Eddeſſen gehen, ihren Anfang genommen haben, 
darüber jind feine Nachrichten vorhanden; es läßt fich aber 
mit Grund annehmen, daß die eine diefer Brocefitionen, näm: 
lid diejenige, welhe am Feite Kreuzerfindung gehalten 
wird, uralt fei und mwahrjcheinlich von der Zerftörung des 
Dorfes ihren Anfang genommen habe. Die Kreuzpartifel, 
welche ınan aus der Kirche zu Eddeſſen erhalten hatte, gab 
wohl BVeranlajjung, daß man die ehrwürdige Neliquie all- 
jährlich in feierlichem Aufzuge zu ihrem eriten Aufbewahrungs: 
orte trug. An den alten Uriprung der Proceſſion erinnert 
au, daß zunächſt, bevor man am ‚seite Kreuzerfindung von 
der Klus in die Pfarrkirche zu Borgholz zurüdgefehrt, in 
einem gewillen Umkreiſe um Eddeſſen procejlionirt wird; das 
nennt man die Proceſſion um das alte Dorf. Der oben 
mitgetheilte Bericht des Kirchenbuches jagt von der Kapelle 
zu Eddeſſen, daß fie durch den Beſuch großer Volksſchaaren 
berühmt jei. Die erften beftimmten Nachrichten über die alte 
Klus-Proceſſion findet man in den bereits erwähnten Ned): 
nungen über die Opfergaben aus den Jahren 1655 bis 
1663.) Bei der vielbejuchten Proceſſion auf Kreuzerjindung 
wurden zu Ehren des h. Kreuzes von den frommen Wall: 
fahrern reichliche Gaben geopfert. Urſprünglich wurden dieje 
Opferfpenden von dem Dom-Kämmerer als Archidiaconus 
des Ortes jelbit in Empfang genommen, nit um jie für 
jih zu behalten, jondern um diejelben theild für die Klug: 





) Aus dem Pfarrardive. 
2* 


20 
fapelle zu verwenden, theils mit denfelben die Koften ber 
Procefiionsfeier zu beftreiten. Später erſchien der Archi- 
diaconus nicht mehr felbft; er fchidte entweder feinen Kaplan 
oder beauftragte mit der Empfangnahme der Opfergabe den 
Pfarrer von Borgholz. Im legtern Falle mußte diejer über 
Einnahme und Ausgabe Rechnung legen, und daher rühren 
die noch erhaltenen Rechnungen für die Jahre 1655 bis 
1663, geichrieben von dem Borgholzer Paſtor Meinolph 
Radering. Die Einnahme aus diefen Jahren, welche theils 
in Geld, theil3 in Naturalien als Wachs, Flachs, Lein- und 
Rübſamen beftand, ſchwankte zwiihen 30 bis 51 Thaler. 
Dabei wird bemerkt, da andere Naturalien als Brod, Eier, 
Butter, Käſe, Sped, und aud die Pfennige nicht mitgeredh- 
net, vielmehr jofort unter die Armen vertheilt feien. Die 
Ausgabe gewährt einiger Maßen Auskunft, in welder 
Weiſe die Procefjion gehalten wurde. Regelmäßig wieder: 
tehrende Ausgabepoften find 4 oder 5 Thlr., welche dem 
Beneficiaten ad s. Crucem (damals Baftor Nusbaum zu 
Beverungen) und dem Paftor von Borgholz, beiden, „pro 
praesentia“, gezahlt wurden. Der Küjter und Schulmeifter 
und die Scholaren von Borgholz erhalten einige Scillinge. 
Auch Küſter und Schulmeiiter von Beverungen erjcheinen 
wiederholt und erhalten ähnliche Beträge. Die Templirer 
von Borgholz erhalten ihre Schillinge ‚vor gehabte mühe, 
das offer auffzuheben”. Die Patres Capucini von Brakel 
empfangen für Aushülfe beim Gottesdienfte gewöhnlich einige 
Pfund Wahs. Auch den Muſikanten werden einige Schil- 
linge oder einige Groſchen verehrt, und zwar ſowohl den 
„Musieis instrumentalibus“ als aud) den „Musicis voca- 
libus“, Einmal beißt es: „den Muſikanten, welche mit ih- 
ren inftrumenten unter wegens in der procefjion undt zu 
zu Eddeßen die Meß figurirt”; ein anderesmal wird „den 
Spielleuthen von Brakel, welche mit ihren inftrumenten, 
Binden undt Poſaunen der procejjion beigewohnet, 1 Thlr. 


— — —rræ — — — 


verehret.“ Wiederholt wird der Organiſt von Borgentreich 
aufgeführt, „Die hohe Meß zu ſchlagen undt das Wall (?) zu 
lehnen 1 Thle.” Den Buljanten werden 4 Groſchen ge: 
zahlt. Desgleihen dem „Pastori pro sumptibus der Zeh: 
rung anderer Pastorum, Capucinorum, Custodum etc. 
1 Thlr. 18 Gr.” 

(In der Kirchen-Ordnung des Biſchofs Hermann Werner 
vom J. 1686 wird Cap. IV. $. 4 gerügt, daß Viele, welche 
zu Scherfede auf Dfterdienftag und zu Altenbefen und Ed: 
dejien am Seite Kreuzerfindung beichteten und com— 
municirten, die irrige Meinung hätten, hierdurd der kirch— 
lihen VBorjchrift der Oſter-Communion zu genügen; jolchen 
wird daher aufgegeben, zuvor bei ihrem eigenen Pfarrer 
Anzeige zu machen, und ſich bei der Rückkehr mit einem 
Zettel zu legitimiren.) 

Die zweite Proceſſion nach Eddeſſen, welche alljährlich 
am Feſte Kreuzerböhung jtattfindet, hat nachweislich 
eine beitimmte Veranlafjung. Im 9. 1676 brad in Borg: 
holz eine anftedende Krankheit aus, die rothe Nuhr (dy- 
senteria), und raffte viele Menjchen hinweg. Das Kirchen: 
buch berichtet, daß die Krankheit im Monat Auguft begann, 
und daß der erite, welcher an der Ruhr ftarb, ein jüdiicher 
Jüngling, der Bruder des Samuel Levi, war. Dabei jteht 
die Bemerkung, daß die Krankheit, weil fie von den Juden 
in unverantwortlier Weile verheimlicht wurde, viele Ein: 
mwohner anftedte, da man des Handels wegen mit den Juden 
viel verkehrte. ES folgt dann ein Verzeihniß derjenigen, 
welde vom 17. Augujt bis zum Ende diejes Monates der 
Krankheit erlagen. Die Zahl beträgt 24, darunter an 
einem Tage, am 21. Auguft, acht Todesfälle. Warum 
das Verzeihnig nicht weiter fortgeführt wurde, wird nicht 
angegeben; dagegen enthält das Kirchenbuch ein anderes 
Verzeichniß, in weldhem die Familien nambhaft gemacht 
werden, welde im J. 1676 von der Nuyr befallen waren; 


————— 


es werben 71 Familien aufgezählt.) Ob auch dieſes Ver— 
zeichniß unvollſtändig ſei, iſt wiederum nicht bemerkt; eben 
ſo wenig, wann die Seuche ihr Ende erreicht habe. Der— 
jenige aber, welcher dieſe Notizen im Kirchenbuche nieder— 
geſchrieben, der Paſtor Meinolph Radering, ſtarb am 
5. November 1676; zuvor jedoch hat er mit der ihm an— 
vertrauten Gemeinde ein Denkmal chriſtlicher Frömmigkeit 
geſtiftet: das iſt die Proceſſion am Feſte Kreuzerhö— 
hung, zu welcher die Pfarrgemeinde Borgholz im Jahre 
der Seuche durch ein Gelübde ſich verpflichtet hat. Das 
Kirchenbuch berichtet darüber, wie folgt: 

„Demnach der liebe Gott dieſe ſtadt und Bürgerey hart 
heimbgeſucht mit der ſchwären Krankheit der rothen ruhr, 
alſ verjpredhen und geloben wir mit guthem Vorbedacht und 
freyer bewilligung der gangen gemeinde jampt und jonderß, 
Gott dem Allmädtigen vor uns und unjern Kindern und 
nachfolgern, das wir zu Ehren des gefreutzigten Herrn Jeſu 
Ehrifti und deßen bitteren Leydenß, wie auch zu Ehren der 
jeeligiten Mutter Gottes Mariä, des heiligen Joſeph und 
des heiligen Antonii von Padua hochfeyrlich holten wollen 
das Felt der Erhöhung de3 heiligen Creußes, wel— 
ches filt auff den 14. Septemb. und an gemeldten Tag eine 
andächtige Procefiion und öffentliche bettfahrt halten wollen 
auf diefer unjer Pfarfirh zu Vorholg nah der Eluß des 
heiligen Creutzes zu Eddeßen, in welcher procejiion alle er: 
wachſenen Perjohnen foviel thunlih und möglich ericheinen 
wöllen und ſollen. Geloben auch alle Jahr Ein wachslicht, 


!) Darunter figuriren ſechs Familien mit dem vorgejekten Buchſtaben B, 
d. h. Bürgermeifter. Das Epridwort jagt: einmal Pürgermeifter, 
immer Bürgermeilter. Auch die dem Lejer bereits befannten Namen 
„Rittmeilter Suden, Bunter Soft Juden, Weſtphäliſche Vogdey, 
Forgen Parreuter und Franß von Gronaw“ werden genannt. 


23 


von Einem pfund ungefehr, durch Eigene Perſohn des fißen- 
den biejigen Bürgermeiſters bey felbiger jährlicher proceſſion 
in gemeldte Eluß zu bringen, daſelbſten zu opferen und in 
die Ehr Gottes brennen zu lagen, und ſoll diejes unfer 
gelübte dief Ein Taufend ſechs hundert ſechs und fiebenzig- 
ten Jahr nach der gnadenreihen gebuhrt unjers Erlöjers 
Jeſu Ehrifti den 14. Septemb. feinen anfang mit göttlicher 
bülff und gnaden nehmen, und von ung, unferen Kinderen 
und nadfolgeren bij zu Emigen Zeiten ftetes feit unver: 
brühlihd und andächtig gehalten werden, wie wir dan uns, 
unjere Kindere und nachfolgere kraft diejes offentlichen ge— 
lübt3 zu Gott, jo fräftig wir können, bif zu Ewigen Zeiten 
wollen verbunden haben, damit daſ Gott ung umb des 
leyden; Jeſu Chrijti gnädig ſeyn, die böfe feuche und plage 
von diejer Pfarr und allen der Pfarr angehörig barmhertzig 
aufheben und hinführo dergleichen ftraffe vätterlich abwenden, 
den Kranden ihre geiundtheit wiedergeben und die noch ge: 
junde darab gnädiglich behüten wölle. Das geloben wir dan 
alſo Im Nahmen Gottes des Batterd und des johns und 
des heiligen Geiftes. Amen. Wollen auch unjere hohe Bi- 
Ihofflihe Obrigkeit zu bequemer Zeit bittlich anjuchen, dieſ 
unjer gelübte zu ratificiren und unjere nachkömlinge zu 
haltung deßen fräftig zu verbinden. Wan andere zu dieſer 
Pfarr angehörige ihre bewilligung geben, gehören fie mit zu 
dieſem gelübte und deßen haltung. In dieſes votum haben 
auch bemilliget der alhir zu Bordolg wohnende Adell, wollen 
Es gleich der jtadt halten und begehren des eflectus theil: 
baftig zu werden. 

Wir Paſtor, Burgermeifter und Naht und die gemeinde 
zu Borholg im vornehmen diejed gelübte in gegenwärtigen 
nöthen zu tuhen wol bedänklich geitanden und die gante 
bürgerey vom Bürgermeilter dur öffentlichen Elodenjchlag 
zujammen berufen und alle gar gerne hierin bewilliget. Alß 
hat Paſtor den 27, Aug, den ſchul- und kirchenbedienten 


24 

Joan Grewen zu den angehörigen beyden dörferen Dranck— 
baujen und Natingen geichidet umb zu hören, ob jie mit 
in die gelübte verwilligen wollen; haben die Nichtere deren 
örter die Einmwöhnere zufammen gefordert, die fich alle frey— 
willig erbotten, diej gelübte gleich denen Borchöltiſchen veſt 
und ewig zu halten, und haben dem Paſtor dieje rejolution 
gebracht Herman Freytag, Spiegeliiher Richter zu Drand- 
haufen und Joſt Hageman, des Gloifters Gerden Nichter zu 
Natingen, welches aljo acceptirt worden. 

Den 28. Aug. 1676 haben Bgſtr. Frans von Gronen 
und Lips Soden gemeindtherr in der Pfarkirch zu Bordolg 
vor dem hohen Altar und öffentlich auſgeſetztem Hochwürdi— 
gem Sacrament des Altar, alſ von der gantzen gemeinheit 
hierzu Deputirte im Nahmen ihrer und alliger Intereſſenten 
diejes gelübte, wie oben gejeget, von worth zu worthen mit 
deutlicher heller ftimm abgeleat, dem Pastori handthätig 
worden, und darauff das Te Deum laudamus in organis 
solemniter gejungen worden, da die formalia voti von 
worth zu worthen Eritlih von dem Paſtor der Pfar waren 
vom Predigſtuhl abgelejen und vorgehalten worden.‘ 1) 


2. Natingen. 


Es ift bereits ($. 4. Nr. 5.) angedeutet, daß der aus— 
gegangene Drt Immeſſen oder Immehuſen wahridein- 


— 





1) Im J. 1876 wurde am Feſte Kreuzerhöhung die zweihundertjährige 
Zubelfeier der oben erwähnten Yobe-Rroceifion von der Pfarrgemeinde 
Borgholz feftlich begangen. Zum Gedächtniß diefer eier wurden 
zwei Monumente in der Pfarrkirche beftinmt, nämlich der im gothi- 
Ihen Etile reftaurirte, neu decorirte und mit einem neuen großen 
Grucifire ausgeftattete Kreuzaltar, in deſſen Tabernatelichreine jett 
die Partitel vom h. Kreuze aufbewahrt wird, und das Fenſter ober- 
halb der nördlichen Seitenthür, mit gemuſterten Glasjcheiben und 
neuem jteinernen Maßwerke auegejtattet, in deſſen oberen Theile das alte 
Mappen der Stadt Borgholz in gebranntem Glaje mit der Umſchriit 
„Ad jubilaeum seculare alterum s. Crueis 1676—1876* enthalten in. 


25 


— 





lich in der Nähe von Natingen gelegen hat. Vielleicht 
hatte der Ort Immeſſen durch ein unglückliches Ereigniß 
ſeine Kirche verloren und wurde, nachdem er als Filialort 
mit der Pfarre Borgholz vereinigt war, allmälig nach der 
nahe gelegenen villa Natingen benaunt. In unmittelbarer 
Nähe von Natingen nämlich und zwar an der nördlichen 
Seite des Dorfes liegt ein Ackergrundſtück, welches „auf 
der alten Kirche” genannt wird, und nach glaubhaften 
Mittheilungen hat man früher in diefem Grunditüde Kirchen: 
ihellen, Schlüffel und felbft menschliche Gebeine gefunden. 
Es find aber feine Nachrichten auf uns gefommen, daß in 
Natingen jemals eine Kirche oder Kapelle geweien fei; man 
muß aljo annehmen, daß eine Kirche, welche in der Nähe 
des jebigen Natingen geftanden hat, von dem alten Immeſſen 
berrührte. Die villa Natingen wird aber zuerit in ur 
fundlichen Nachrichten aus dem 14. Jahrhundert erwähnt 
In einer Urkunde vom 25. October 1304 erflären die Brü- 
der Werner, Bertold und Conrad de Lippia, daß jie den 
Bebnten der villa in Natche an die Kirche in Gehrden 
abtreten.!) Am 17.Nov. 1304 erklärt Graf Dtto von Wal: 
ded, daß er den Zehnten, welchen er in villa Nathege 
et extra villam hatte, der Kirche und dem Klofter in Gehrden 
gejchenkt habe.) Fernerhin wird ein Dorf Natinghe 
genannt 3. B. in der ($. 6.) citirten Urkunde vom 28. Nov. 
1372, wo es al3 ein dem Klofter Gehrden gehörige Dorf 
bezeichnet ift. Weiter geichieht auch eines Gutes Erwähnung, 
welches dafjelbe Klofter zu Natingen bejaß.?) Auch ift jchon 
erwähnt, daß in der Urkunde vom 17. Mai 1497 Cordt und 





I) Gehrdener Eopiar a. a.D. ©. 6 Nr.1. Der Name Natge fommt 
Ihon in einer Urkunde des Willebadefiener Copiars aus dem 3. 1226 
vor, in welcher die Grafen von Schwalenberg der Vogtei über die 
Klöfter Willebadefjen und Gehrden entjagen. Unter den Milites, 
welche ſich für die Grafen verbürgen, wird auch Tidericus de Natge 
genannt. — ?) Dajelbft Nr. 2. — ?) Dajelbit Nr. 31. 


26 


Thomes v. Juden ihre Gerehtfame an dem Bruce tho 
Natingen dem SKlofter Gehrden abtreten. Vorſtehende 
Urfunden-Citate geben zugleih Auskunft, in weldem Ber: 
hältniſſe Natingen zu dem Klofter Gehrden jtand: das Klofter 
hatte in Natingen die gutsherrlichen Gefälle, Grundbeiig und 
Gerehtiame; darum wird e8 auch geradezu das Dorf des 
Kloiterd genannt, und der Vorſteher des Dorfes war als 
„Des Klojter Gehrden Nichter zu Natingen“ angejtellt. 


3. Hainholz. 


Nur einige Minuten öftlih von Natingen liegt das 
Rittergut Hainholz. Daffelbe war bereit3 im Anfange 
des 16. Jahrhundert im Belige der adeligen Familie von 
Druchtleben. Zu diejer Zeit wohnte zu Hainholz ein 
Chriftoph v. Drucdhtleben; das ift die ältejte Nachricht, welche 
wir über Hainholz haben.!) Im %. 1463 wird unter den 
vasalli et canonici Paderbornensis ecclesiae, welde an 
der Peſt ftarben, ein Canemunt Druchtleff genannt.?) 
Eine Brafeler Urkunde vom 3.1475 erzählt, daß Heinrich 
Drudtleves vom Knapen Dieterich von der Aſſeborch ver: 
klagt wurde, weil er ihn „entweldigen wollte feines Leibes“ 
und mit gemwaffneter Hand auf den Kirchhof zu Brafel ge: 
laufen war; er gelobt diejerhalb dem Rathe der Stadt 
„Urphede”.3) Das Copialbuch des Stiftes Neuenheerje regi— 
ftrirt zum %. 1491 eine Urkunde, in welcher ‚einer von 
Druchtleben“ eine Kornrente zu Natzungen verkauft. 
(Die erfte Nahriht, daß das Geichleht in der Nähe von 


ı) Nach alten Stammbäumen. Herr v. Spiejjen überjandte mir eine 
ausführliche Stammtafel der v. Druchtleben. Zu diefer Genealogie 
fonnte ich demjelben für das 17. und 18. Sahrhundert Beiträge aus 
dem hiefigen Kirchenbuche liefern. 

2) Meitf. Zeitichrift, Bd. 40. 2 ©. 145. 

) Ardiv der Stadt Pratel, II. Abth. Nr. 198, 


27 


Borgholz begütert war.) Ob nun die vorgenannten Männer 
dieſes Namens zu der Familie der Drucdhtleben zu Hainholz 
gebörten, läßt fich freilich nicht nachweijen; es fehlen auch 
die Nachrichten, woher diefe Familie ftammt, und ob diejelbe 
ihon vor dem oben genannten Chriftoph v. Druchtleben das 
Rittergut Hainholz in Beſitz hatte; nur dag jteht feit, daß 
die Drucdtleben von jenem Chriltoph an, alfo jeit Anfang 
des 16. Jahrhunderts, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 
Hainholz beſaßen.) Bei den früher erwähnten Unruhen 
wegen Einführung der Kirhen-Agende Biichof Theodord war 
auh ein Elmerhaus Dructleben betheiligt. Nach der 
Ritter-Matrifel vom 9. 1662 mußten die v. Druchtleben 
von dem Gute Hainholz 4 Rthlr. Nitteriteuer zahlen. In 
derielben Matrifel heißt es: die v. Druchtleben zu Borgen— 
treih 5 Rthlr. Seit dem 17. Jahrhundert nämlich hatten 
diejelben auch einen Burgiik zu Borgentreih und nennen 
ih darum fortan in Urkunden „Erbherren zu Hainholz und 
Borgentreih”. In dem Berzeichniffe der Nitteriige und zer: 
törten Schlöſſer vom J. 1755 wird sub Nr. 10 gejagt: 
‚„Borgentrid. Diejes Schloß (d.i. die Burg) gehöret denen 
v. Druchtleben und lieget in der Stadt gleichen Namens.” 
In dem „Status deren Hochitift Paderborniſchen Lehen‘ 
werden 5 Thlr. Lehenwaare beigelegt dem „Hrn. v. Drucht— 
leben zum Hainholz wegen des Burglehens zu Borgentreich, 


Die Tochter des Chriftoph v. Druchtleben zu Hainholz und der Anna 
v. Boje zu Pömbien, Margaretha v. D., in erfter Che mit Heinrich) 
v. Rengershaufen zu Merlsheim, in zweiter mit Burchard v. Deyn- 
haufen (1545) verheirathet, war die Großmutter mütterlicher Seits 
jenes Anton Elmerhaus Bofe, deſſen Grabftein an der ſüdlichen 
Außenwand der Kirche zu Pömbjen befagt: „Ao. 1622, 11. Mar. 
ift der mwoledler und manhafter Anton Elmero Boſen mordlid er 
ſchoſſen.“ Darum figurirt in der genealogiſchen Wappentafel diejes 
Grabfteins auch dad Druchtleben’sche Wappen (Schwan oder Stord), 
Vergl. Geſch. v. Deynhaufen Nr. 360 u. ©. 251, 


beftehend in Jagdt, Fiſcherey, Huede, Gerechtigfeith, Hoffen, 
Gründen, Schaafdriefft.” Den Burglik zu Borgentreich hat- 
ten die Drucdtleben von dem Geſchlechte von Siddejjen 
geerbt, da Johann Elmerhaus v. Druchtleben (lebte um 
1650) die Erbtodhter Clara Elifabeth v. Siddeſſen geheira- 
thet hatte.) Die Junker auf Hainholz jcheinen bejondere 
Borliebe für die militäriihe Laufbahn gehabt zu haben, und 
drei von ihnen gelangten ſogar zum Generalgrange: Johann 
Gottfried v. Druchtleben wird in hiefigen Urkunden wie im 
Kirhenbude Generale Major und Eaijerlicher Commandant 
von Hamburg genannt (derjelbe lebte nach dem hieſigen 
Kirchenbuche noch 1705), Johann Auguft v. Druchtleben 
(geboren 1680) itarb als GeneralsLieutenant, und Wilhelm 
Ludwig v. Druchtleben (geboren 1705) war General-Wajor. 





2) Die v. Siddeſſen hatten jchon feit langer Zeit Antheil an der Burg 
zu Borgentreih. In dem St. Paderb. Lehnbuche Erzbifchof Diete- 
richt? (aljo aus der eriten Hälfte des 15. Jahrh.) verleihet diejer als 
Adminiftrator v. Paderborn „wegen geleifteter treuer Dienite dem 
Zohan von Zediffen, jeinem lieben getreuen, in der Hoffnung, 
fernerer getreuen Dienſte zu rechten Mannlehn den Lemenberg, gele- 
gen vur dem Lemendore by Burgentryfe und beneden dem Wege 
dat Broke, gehörend to dem alden roide, as verrm wir off unje 
Burfaren die vorjch. Yemenberg und Bröke vur Datum diejed Briefes 
nyt vergiftiget hetten.“ Im 5. 1622 findet man die v. Siddeſſen 
nod im Beige des Borgentreicher Burglehens; denn in dem bereits 
citirten intereffanten Sündenregiiter des Paderb. Adels („Ungefähre 
Defignation der Adlichen Paderb. Yandjajien, jo ſich in Herzog 
Chriftians Dienft wider ihr eigen Vaterland begeben“) vom $. 1622 
wird u. a. gefagt: „Siddeſſen zu Borgentreidh hat ſich in Be- 
ftallung eingelajien und foll die Stadt Borgentreich mit haben ver- 
rathen helfen; jollen auch wohl die Schulden Deiperation verurjacht 
haben.“ Der Mannesftamm diejes Geſchlechtes jcheint gegen Ende 
des 17. Jahrh. mit Lippold v. Siddejlen ausgeitorben zu jein. Nach— 
träglich fei noch bemerkt, das aud das Willebadefjener Gopialbuch 
zwei Urkunden aus den Sahren 1421 und 1474 enthält, weldje die 
v. Siddeſſen ald Burgmärnmer von Borgentreich ausftellen. 





Das Rittergut Hainholz wurde um 1798 von zwei Schwe— 
ftern v. Druchtleben verkauft; jetzt gehört dafjelbe dem Grafen 
v. Weftphalen. Zu Hainholz erinnert an das Geſchlecht 
der Druchtleben nichts mehr als ein faum noch erfennbares 
Mappen mit dem Schwan als Wappenthier, welches ſich in 
Holz geihnigt an einem alten Scheunenthore befindet. Die 
biejige Vfarrlirche aber bewahrt noch drei Andenken von den 
ehemaligen Beligern von Hainholz: einen jilbernen vergol- 
beten Meßkelch, eine jilberne Hoftiendoje und ein filbernes 
Gefäß für die h. Wegzehrung und bh. Dele. Die beiden 
eriten Gegenjtände find von Hans Georg v. Druchtleben und 
jeiner Gemahlin Chriftiana Sophia v. Kojerig laut der noch 
vorhandenen Schenkungsurfunde vom 10. Mai 1733 der hie: 
figen Kaplanei zum Gebraude für den Kreuzaltar gejchenkt 
(Namen und Wappen beider — Schwan und Ochſenkopf — 
ind eingravirt); das lettere Gefäß ift ein Geſchenk eines 
andern Herrn v. Druchtleben und jeiner Gemahlin und mit 
beider Wappen geziert (Schwan und ein auf dem Wafjer 
ihwimmender Kahn mit zwei Rudern).!) 


4. Meſſenhauſen. 


Nicht weit von Natingen und Hainholz und ungefähr 
1 Stunde in nördlider Richtung von Borgholz entfernt lag 
Meſſenhauſen. Ob es ein Dorf geweſen, läßt fih nicht 
entjcheiden; jicher aber war es ein alter Ritterſitz. Die Na: 
men der Ritter von Mejjenhaufen fommen in ſehr alten 
Urkunden vor, 3. B. in einer Gehrdenjhen Urkunde vom 
18. November 1229 wird unter den Zeugen neben dem uns 
bereit befannten Ritter Bertold Scauwe (Schumen) aud 


Y Herr v. Spiejien deutet das Wappenthier der Druchtleben als 
Storch; indeß die von mir gefehenen Wappen und Giegelabdrüde 
lafien deutlich die Geftalt eines Schwans mit dem charafteriftiichen 
gebogenen Halje erkennen. 


30 


Alexander de Messenhusen genannt.!) Derjelbe 
Name begegnet uns in einer Brafeler Urkunde von 1275, 
welche über den Zehnten in Kabdenhufen bei Brafel han 
delt; außer einem andern Nitter aus der Nachbarſchaft, 
Apollonius de Natessen (Natungen), wird auch Alexander 
de Metzenhosen als Zeuge aufgeführt.2) Der Abt von 
Helmershaufen belehnte 1253 den Berthold Schumen mit 
4 Hove Land zu Meffenhuffen und 1345 den Diedrid 
Schuwen mit einer SKottitelle dajelbit.?) Im 14. Jahrh. 
hatte Albert v. Mejjenhaujen 13 Hufen dajelbit und 
4 Hufen in Benfen bei Erfeln als Lehen vom Stifte Corvey 
empfangen. *) 


Das Nittergut Mefienhaufen fiel jpäter an die Herren 
v. Imbſen, wie bereits $. 4. Nr. 5. bemerkt wurde, und 
diefe haben das Gut, welches aus Wald und Feld beitand, 
an Einwohner von Natingen und Tieteljen verkauft. Die 
Stätte aber, welche jegt noch Meſſenhauſen heißt, ift nichts 
als ein ärmliches Förfterhaus, am Rande des Waldes zwi: 
ihen Borgholz; und Erfeln gelegen. 5) 


ı) Wilmans, Weitf. U.B. IV. Nr. 169. 

2) Archiv der Stadt Brakel, Abth. IT. Nr. 4. 

3) Fürftenberger Repertorium. 

9) Wigand, Arhiv VI, 392, 

5) Mehrere Urkunden des Willebadefjener Copialbuches aus dem 15. Jahr: 
hundert handeln über Zehnten und Güter zu Meffenhujen, wobei 
meiftens die Lage des Ortes bei Borgentreich angegeben wird. Im 
einer diefer Urkunden (1405) wird der Biſchof von Paderborn und 
in einer andern (1410) der Graf von Pyrmont als Lehnsherr von 
Mefienhufen genannt. Giefers (Bd. 39, 2, ©. 165 diejer Zeit: 
Schrift) führt unter den neun bei Borgentreich ausgegangenen Orten 
auch Meskenhuſen an, dejjen Lage er nicht näher beſtimmen könne. 
Sollte das vielleicht unfer Mefjenhaufen fein? In dem eben erwähn- 
ten Gopialbuch ijt jedesmal ganz deutlich Meſſenhuſen geichrieben. 


31 


5. Drankhauſen. 


Das Heine Dorf Drankhaufen, aus 11 Familien beite- 
hend, liegt in füdweitliher Richtung eine Stunde von Borg: 
holz entfernt. Nachrichten aus älterer Zeit über Drankhau— 
jen haben wir nicht gefunden, e3 jei denn, daß die Orts— 
namen Dranthujon und Drandhujun an zwei Stellen 
in dem Berzeichnilfe der Gefälle, melde dem Kloiter Hel— 
. mershaufen zuftanden, gleich bedeutend mit dem jeßigen 
Drankhaufen find, was wir nicht zu enticheiden vermögen. 
Die erjte Stelle lautet: De Dranthuson quinquaginta 
mold. siliginis et hordei (Roggen und Gerite), et in festo 
S. Michael Ill. mold. bonorum caseorum; die andere: 
De Dranchusun XX. allecia (Häringe). Freilich werden 
in dem Berzeichnifje und in dem voraufgehenden Schenkungs— 
regilter auch andere Orte in hiejiger Gegend genannt, in 
welden das Klojter Helmershaujen Gefälle und Beligungen 
hatte, 3. B. Dalhaufen, Tietelfen, Nagungen, Eiſſen; das 
Regijter wird aber von Wend, wie auch oben jchon bemerft 
ift, in die Zeit von 1120 gejegt.!) In dem Berichte über 
das Gelübde vom %. 1676 wird der „Spiegelifhe Richter 
zu Drankhauſen“ al3 Vertreter der Gemeinde aufgeführt; 
das Dorf Drankhauſen war aljo damals ein Spiegel'ſches 
Dorf, d. 5. es ftand in gewiſſer Abhängigkeit zu den Ba— 
ronen v. Spiegel, welche dafelbit nach Lehen: oder Meyer: 
recht die gutsherrlichen Berechtigungen hatten. 


1) Vergl. Wend, Heſſiſche Yandesgeihichte Pd. II. U-B. S. 74 u. 75. 


32 





Berichtigungen und Zuſätze. 


Bd. 43, 2 S. 98, 3.6. u. lied: Küchengärten ftatt: Kirchengärten. 

Pb. 43, 2 ©. 103. Bezüglich des Teſtaments ded Johann Vetten re 
giftrirt das Fürſtenberger Repertorium zum J. 1525: „Gevettern 
Meitphalen empfangen von Johan Betten, einem Prieiteren, und 
Gatharinen Langen, feiner Magt, 62 Rinſche goldg., wofür fie 
denenjelben 9, Wolter Korns au 8 hove Landte zu Oberen» 
und Niederen-Nabungen verichreiben.“ Zum 3. 1697 wird im 
Repertorium die Wiedereinlöfung diejer Verjchreibung berichtet. 

Pr. 44, 2 ©. 135 u. 136 wird berichtet, dak Lübbert Weftphalen 
und Heinrich Deynhaufen die Schwiegerfühne des Johann 
Schuwen geweien und aljo die Schuwen’schen Güter (im Jahre 
1405) geerbt. Das Fürftenberger Nepertorium bemerkt mit Bezug 
hierauf zum 3. 1408: „Weftphalen und Deynhaufen theilen 
unter fi) ihres Schwiegervatteren Schumwen jowohl activ- 
Schulden alß pächten zu Oberen- und Niederen-Napungen, Ey- 
lerſſen, Eyijen, Emmwardefien, Sundishagen, Willegaffen, Boofjen, 
Pudenhauß und Sinride,” 

Pr. 45, 2 ©. 113. Bezüglich der Familie Parreuter theilt Herr 
W. Schratz, gl. Reg.-Regiftrator zu Negensburg, dem Ber: 
fafjer gütigſt Nachftehendes mit: „Im Ihrer Gejchichte von Borg: 
holz finde ih Georg Parreuter. Diejer Name kommt bier 
häufig vor. Co ift 1497 Ulrich Barrewter, Phreyter (Koftenants- 
bereiter) im biefigen St. Natharina-Epital, als Siegelzeuge in einer 
Urfunde des Coll..-Stifts St. Iohann dahier fungirend; ein Par: 
reuter war im 16. Jahrh. Domcaplar. Ic glaube, daß der Mame 
mit Baireuth nichte zu thun hat, jondern mit Pereuter, Phreyter, 
Bereiter zufammenhängt, einer zum Yamiliennamen gewordenen 
Function, wie fie in hiefigen Stiftern und Klöftern oft vorkommt. 
Der alte Georg Parreuter hat jidy fein VBermögen”wohl im 30jäh- 
rigen Kriege erworben und dann als alter Haudegen in Borgholz 
zur Ruhe aejeßt. „Pfrüm“, der Geburtsort jeiner Mutter a.a. ©. 
(S. 114) heist „Pfreimd“ und ift ein Städtdyen im Amtsbezirk 
Nabburg (Ober-Pfalz).“ 


I. 
Weſtfalen und die franzöfiihe Emigration. 


Von 
Adolf Hedhelmann, 
Gymnafial- Direktor. 


Menichenalter hindurch lebte die Erinnerung an bie ſoge— 
nannte franzöliiche Zeit in dem Andenken der Stämme des 
deutihen DBaterlandes, die von den damaligen Ereignijjen 
jo ſchwer betroffen wurden. Die Kunde von all den Drang: 
jalen und Kriegesnöten, welche dem ehernen Walten des eriten 
Napoleon folgten, erbte wie ein Sagenihak von Bater auf 
Sohn, big die Länge der Jahre und die ruhmvolle deutiche 
Neuzeit das Alte aus der Rede des Volkes verdrängte und 
Neues für Herz und Mund bot. Doch hat des DVergangenen 
ih die Gejchichtichreibung angenommen, welde in zahlreichen 
Werfen aud) von dem meldet, was um die Wende der beiden 
legten Jahrhunderte in Wejtfalen jich zugetragen. Eine Er: 
iheinung jener Tage indes, die gerade unſer Geburtsland 
betrifft, hat feine genügende Beachtung gefunden und jteht 
daher in Gefahr, immer mehr zu verblajjen und dem geilligen 
Auge zu entihwinden. Es iſt die franzöliiche Emigration, 
joweit jie die mweitfälijche Heimat berührt hat, und im Zu: 
jammenbhange mit Ddiejer auch ſonſt geichichtlih wichtigen 
Flucht fränfiiher Nachbarn eine jo großartige Bethätigung 
von Edelmut und Nächitenliebe unferer Altvorderen, daß es 
allein jchon in diejer Hinfiht Unreht und Undanf wäre, 
joldher Ruhmesthaten des eigenen Stammes vergejien zu 
wollen. Dennoh fann es leider nicht meine Abiicht jein, er: 
ihöpfend jene Vorgänge hier darzulegen, da die Unvollitän- 
digkeit des Stoffes, der zum größten Teile nur den beiden 
XLVI. 2. 3 


34 

Hocftiftern Münfter und Paderborn angehört, all zu enge 
Grenzen jest. Anzuregen für einen Abichnitt der heimiſchen 
Geſchichte, weldher des Andenfens wert ift und der Nachfors 
ihung dringend bedarf, muß mir genügen. Wenn es aber 
auffällig erjcheinen follte, hier im großen und ganzen Das: 
jelbige veröffentlicht zu ſehen, was ich vor nicht langer Zeit 
auch als wifjenichaftlihe Abhandlung mit einem Jahresberichte 
des Paderborner Gymnaſiums erjcheinen ließ, jo darf der 
Wunſch derjenigen als Entihuldigung dienen, welche meinten, 
daß in diefer Zeitjchrift dem gejammelten Stoffe eine Berge- 
ftätte geboten würde, die jicherer jei als jie ein leicht ver: 
(orener Jahresbericht zu geben vermöge. Mein eigener und 
bejonderer Wunſch ilt, es möchten die nachſtehenden Darle- 
gungen auf diefem Wege vielleicht in weitere Kreije gelangen 
und jo Anlaß zu Nahforihungen und freundlichen Beiträgen 
bieten, welche in Zukunft eine wünjchenswerte Vervollſtän— 
digung des Begonnenen ermöglichen. 

Die vorliegende Abhandlung enthält zwei Hauptabichnitte, 
einen fürzeren über die Emigration der franzöfiichen Laien: 
welt, namentlich des Adels, und einen umfangreicheren über 
die Flucht der Angehörigen des geiltlihen Standes; in 
beiden Teilen jedoch wird die Auswanderung nur inſoweit 
behandelt werden, als ſie auf weitfäliihem Boden ſich vollzogen. 

I. Gleih die eriten Zugeſtändniſſe, melde König 
Ludwig XVI. von Frankreich zu Beginn der Revolution den 
rüdiihtslojen Neuerern machte, drängten die Prinzen des 
Hofes und einen großen Teil des franzöliichen Adels in eine 
abgefonderte Stellung. Nicht gemwillt, auf der abſchüſſigen 
Bahn der Nachgiebigfeit ihrem Herriher zu folgen, und doch 
zu ſchwach, um den drohenden Maffen der Empörer Halt zu 
gebieten, jchieden de3 Königs Brüder Yudmwig, Graf von 
Provence, und Karı, Graf von Artois, ſowie des legteren 
Söhne, die Herzöge von Angouleme und Berry, jchieden 
jo manche Träger jtolzer franzöjiicher Namen, der Prinz von 


35 
Condé, die Herzöge von Bourbon, von Enahien, von 
Montmorency, von Broglio und andere aus dem gäh— 
renden Frankreich, um in den Nachbarftaaten, bejonders in 
Deutichland, den Beiftand der Fürften und Völker zur 
MWiederheritellung der alten Ordnung der Dinge drüben und 
zum Schuge ihres unglüdlichen Königs zu gewinnen. Diefe 
Auswanderung, welche die Geihichte mit dem Namen der 
Emigration bezeichnet hat, nahm bald eine immer größere 
Ausdehnung an. Zu ungezählten Taufenden zogen die fran- 
zöſiſchen Adelsgeſchlechter, mandhe mit reicher Habe und 
ihwerfälligem Troß, aus den Grenzen ihres Vaterlandes. 
Insbeiondere in den rheiniihen Städten Worms, Mainz, 
Bonn, wimmelte e8 von Scharen flüchtiger Sranzojen; Koblenz 
aber wurde eine Sauptfammelftätte, dort bildete jich durch 
die Anmwejenheit der Brüder des Königs der fogenannte 
Prinzenhof. Wie mancher der dort oder in den Nachbarſtädten 
weilenden Auswanderer verfannte anfänglich den furchtbaren 
Ernft der Zeitverhältnifje! In Seitgelagen und ausgelaflenen 
Zeritreuungen brachte der junge Adel in Koblenz feine Tage 
zu, und auch in den übrigen rheiniihen Städten machte das 
üppige und müfte Treiben vieler Flüchtlinge einen gar 
ichlechten Eindrud.!) Da brach im Sommer 1792 der Krieg 
der eriten Koalition gegen Frankreich aus. Tauſende von 
Emigranten jchloffen fich dem Heere der Preußen und ber 
Öfterreicher an, mit denen fie in die Champagne einrüdten. 
ALS aber das Friegeriiche Unternehmen der Verbündeten tläg: 
lich geicheitert war, und die fiegreichen franzöftichen Nepubli- 
faner gar dem Rheine immer näher famen, da eilten Die 


!) Ehr. v. Stramberg, NRheinifcher Antiquarius, I. ©. 4—172, 
gibt wohl das anſchaulichſte Bild vom Leben und Treiben der Emi— 
granten am Rhein. Der Bericht, vielfach der eines Angenzeugen, 
hebt an mit dem glänzenden Koblenzer Auftreten der bourbonijchen 
Prinzen, Ludwig und Karl, und führt bis zum Fäglichen Aus: 
gange dei Feldzuges in der Champagne. 

3% 


36 
vom linken Ufer des Stromes verjheudhten Auswanderer in 
wirren Majlen ohne Hilfe und ohne Nat in die rechtörhei- 
nifchen Gebiete unſeres Vaterlandes. Goethe, der damals 
mit jeinem berzoglichen Freunde gleichfalls aus dem verun: 
glüdten Feldzuge heimkehrte und auf dieſer Nüdfahrt die 
Fürftin von Galligin in Münfter zu beſuchen gedachte, geriet 
in das Gedränge diejer franzötiichen Flüchtlinge, welche gegen 
Ende 1792 jcharenmweije in Wejtfalen eindrangen. Münſter 
jelbjt, wo der Dichter im Dezember des erwähnten Jahres 
eintraf, war nad) jeiner Darjtellung von ihnen angefüllt. 
„Erſt tief in der Nacht angelangt, hielt ih es nicht für 
ſchicklich, durch einen ſolchen Überfall gleich beim Eintritt 
die Gajtfreundichaft der Fürltin zu prüfen. Sch fuhr daher 
an einen Gajthof, wo mir aber Zimmer und Bette durchaus 
verjagt wurde; die Emigranten hatten jih in Maſſe auch 
hierher geworfen und jeden Winkel gefüllt. Unter diejen 
Umjtänden bedacdhte ih mich nicht lange und bradte die 
Stunden auf einem Stuhle in der Wirtsitube hin, immer 
noch bequemer als vor furzem, da beim dichteiten Negenwetter 
von Dah und Fach nichts zu jinden war.“!) — Auch auf 
der jpäteren Weiterreife nach Kaffel fand Goethe Weg und 
Steg von Flüchtlingen bededt und in jener heſſiſchen Stadt 
jelbit anfangs nicht geringe Schwierigkeit unterzufommen, 
ba man ihn für einen Franzoſen hielt. Das Benehmen der 
Beflohenen war nach feinen Andeutungen häufig anmaßend 
und ihrer Lage wenig entiprechend und erinnert lebhaft an 
das Auftreten eines franzöfiihen Grafen, der bei einem 
müniterländiichen Adligen gaſtliche Aufnahme gefunden. 
„Aber, Herr Baron, man kann hier zu Lande des Nachts 
vor lauter Froſchgequak ja nicht ſchlafen!“ — „„Quaken 
denn in Frankreich die Fröſche nicht?““ fragte der deutſche 
Edelmann. — „Das wohl,” meinte der Fremde, „aber wir 





’) Goethes jäntliche Werke. Bund XXV. Kampagne in Yranfreich. 


37 





jtellen zur Abendzeit bei den Schloßgräben Lafaien auf, welche 
das Wafler peitihen und jo die Tiere zur Ruhe bringen.” 
— ,,„ Nun,‘ entgegnete der Deutſche, „„wenn Sie es fo 
getrieben haben, mögen fie nicht mit Unrecht verjagt fein!’ 
— Den Mittelpunft der weltlichen franzöfiichen Flüchtlinge 
bildete, wie früher am Rheine der Prinzenhof zu Koblenz, 
jo jpäter in Weftfalen längere Zeit die Stadt Hamm. 

Mit den Trümmern des aufgelöften Emigrantenheeres 
waren auch die bourbonishen Prinzen zum Rhein geflohen. 
Die Verwirrung und das Elend waren namenlos, jo daß 
Monſieur und der Graf von Artois zu Düffeldorf, wo jie 
fich zu Anfang Dezember 1792 aufbielten, wegen nicht ge: 
leifteter Zahlung jelbit von einem Pferdehändler einft ver: 
baftet wurden. Der ruſſiſche Gelandte, Graf Romanzow, 
joll jedoch ind Mittel getreten fein und die Zahlung über: 
nommen haben. Mit folder Drangjal der heimatslojen Prinzen 
befundete König Friedrih Wilhelm II. von Preußen leb— 
baftes Mitleid und wies ihnen deshalb feine, von den da— 
maligen Kriegsvorgängen ziemlich entfernt liegende märkiſche 
Grenzitadt Hamm zur Zufluht an. Schon im Verlaufe des: 
jelben Monat3 Dezember trafen die Bourbonen mit ihrem 
Hofitaate dort ein. Wohl war e3 fein Bild der Koblenzer 
Pracht und glänzenden Fülle, auch nicht des dortigen ver: 
mejlenen Hoffens und Wagens, aber jelbit die zertrünmerte 
Herrlichkeit bot mit ihren blendenden Reiten für die ftille 
Weitfalenftadt, welche damals faum 4000 Einwohner zählte, 
etwas unjagbar Aufregendes, ja für viele Unfaßbares. Dieje 
Menge von hohen Herren, Prinzen, Herzögen, Miniftern, 
Ludwigs-Rittern, Kammerherren und Adjutanten; diejer Schwall 
von Dienern, Reitfnechten, Kutichern mit Wagen und Pferden! 
Der Graf von Provence hatte einen Garde-Kapitän, einen 
Stallmeiiter, 3 SKammerdiener, 11 Küchenbeamte und 20 
Berjonen zum SKurierdienit; — den Grafen von Artois be: 
gleiteten 2 Garde-Dffiziere, 4 Kanımerdiener und 28 Perſonen 


38 
für den Kurierdienft; feine jungen Söhne, die Herzöge von 
Angoul&öme und Berry, wielen in ihrem Gefolge 4 Edel- 
leute auf, welche die Erziehung zu bejorgen hatten, an ber 
Spike derfelben ftand der Herzog von Serent, dazu kamen 
noch 1 Lehrer und 1 Kammerdiener. Zudem gehörten zur 
Begleitung der Prinzen 3 Ärzte, 1 Apothefer und nod 17 
Perſonen Gefolge. Außer den königlichen Prinzen jelbit waren 
die bedeutjamften Erjcheinungen die Mitglieder des hohen 
Rates, des fogenannten Gonfeil. Diefen bildeten ebenjo wie 
einjt zu Koblenz der Prinz Xaver von Sadien, die Mar: 
ihälle von Broglio und von Caſtries, der Biſchof de 
Conzié von Arras, der Prinz von Naſſau-Siegen, der 
Marquis von Jaucourt, der Baron von Flahslanden 
und der Herr von Calonne. — Kaum war in dem kleinen 
Hamm Pla, al dieje hohen Herrſchaften mit ihren Zuge— 
hörigen unterzubringen; die Föniglichen Prinzen jelbit wohn: 
ten im Haufe des Kriegs: und Domänen-Rates v. Sudhaujen 
im fogenannten Naſſauer-Hof. Die Gefühle, womit Die 
Stadtbewohner die flüchtigen Fremdlinge in ihre Mauern 
einziehen jahen, waren jehr verichiedener Art. Manche fürch- 
teten eine Ahndung der franzöfiihen Volfsregierung wegen 
Aufnahme der Prinzen und drangen deshalb auf Ausweiſung 
derjelben. So fand man ſchon am 24. Dezember an einem 
Hanje in Hamm einen Zettel angeheftet, welcher die Auffor: 
derung enthielt: „daß alle bier ſich aufhaltende Franzojen 
binnen 24 Stunden die Stadt räumen Jollten, ſonſt Die 
Bürger ſolche mit Gewalt vertreiben und unter andern den 
Grafen von Artois lebendig oder tot dem National-Konvent 
in Paris überliefern wollten.” — Der Magijtrat forderte 
darauf die Bürger auf, „da des Königs Majeltät den fran: 
zöjiihen Prinzen den Aufenthalt veritattet, und da die hiejige 
gute Bürgerichaft bis dahin zu ihrem Ruhme den König: 
lihen Befehl befolgt, fo würde jie ermahnt, dabei zu be= 
harren.” Die Kriegs: und Domänen-Kammer erließ eine 


39 
ähnliche Ermahnung. — Wenige Wochen fpäter fam auch 
nad) Hamm die furchtbare Nachricht von der am 21. Januar 
1793 erfolgten Hinrichtung des Königs Ludwig XVI Wie 
allen königstreuen Franzofen jo galt an erfter Stelle den 
Brüdern des Ermordeten nunmehr als ihr rechtmäßiger König 
Ludwig XVIL, der unglüdlihe jugendliche Gefangene des 
Temple. Da aber unter den obwaltenden Verhältniſſen von 
feinerlei thatjächliher Regierung desjelben die Rede fein 
fonnte, jo nahm der Graf von Provence wenige Tage 
nad dem Tode feines Bruders unter dem Titel eines Re— 
genten von Frankreich vorläufig die Herrichaft in jeine Hand. 
Sowohl die in Hamm lebenden Franzojen als auch die preu: 
Biihen Behörden benannten ihn jeitdem als Regent de 
France. Als jolcher erließ der Graf von Brovence jchon 
am 28. Januar eine von feinen Staat$miniltern, den Mar: 
Ihällen von Broglio und von Caſtries, gegengezeichnete 
feierlihe Erklärung, worin er feinen feiten Entihluß befun- 
dete: Zudwig XVII, jomwie deſſen Mutter, Schweiter und 
Tante zu befreien; die Religion und die Ordnung wieder 
berzuftellen; die Franzojen aller Stände in alle Rechte und 
Beſitzungen, die man ihnen genommen, zurüdzuführen; die 
Verbrechen jtrenge zu beitrafen; das Anjehen der Gejege und 
des Friedens wieder aufzurihten: endlich auch die feierliche 
Verpflichtung zu erfüllen, welche in den am 10. September 
1791 an den verftorbenen König gerichteten Deflarationen 
enthalten wäre. — Gleichzeitig wurde der Graf von Artois 
zum General-kieutenant des Königreiches ernannt, in welcher 
Eigenihaft dieſer jeitdem feine Berehle „im Namen des 
Königs und des Negenten” erließ. Indes it es bei 
diefen und andern Verordnungen geblieben, da zu einer 
großen rettenden That die Mittel fehlten.!) Leider aber nicht 


1) In diefem Sinne jchrieb auch der Herzog von Serent im Febr. 
1793 von Hamm aus einem Freunde: „Je ne connais aucune 


40 
zur Vergeudung und zu einem gar üppigen MWohlleben, wie 
e3 damals Hamm in ähnlicher, nur nad den Verhältniſſen 
verminderter Weile erlebte, ala ehedem Koblenz und Die 
andern von Emigranten gefüllten rheiniichen Städte. Der 
wortgetreue Bericht eines Augenzeugen mag davon die klarſte 
Anihauung geben: „War es an einem Orte, wo man bis 
dahin feinen Luxus und nicht3 Ausländiiches kannte, nicht 
möglich, eine Lebensweiſe zu führen, wie man fie in Paris 
und Verfailles bis zum Übermaß gewohnt war, fo jegten 
doch das mitgebrachte viele Geld und die anjehnlihen von 
andern PBotentaten, namentlid auch von dem edelmütigen 
und freigebigen Könige Friedrih Wilhelm II. zufließenden 
reihen Subfidien in den Stand, alle® was zu haben war, 
überbietend vorweg nehmen zu fünnen. Frei und verſchwen— 
deriih wurde für Wohnung und Nahrungsmittel mehr ge: 
geben als gefordert wurde, und bald ergoß fich durch das 
Städtchen ein Geldftrom, namentlih an franzöfiichen Laub: 
thalern, wie man es bis dahin nie und jpäter nicht wieder 
gejehen hat. Es war, als ob das Geld allen Wert verloren 
hätte, jo reichlich floß es von allen Seiten ohne Mühe zu, 
und alles, noch in den Fugen altväteriicher Zuitände, ber: 
kömmlicher Ordnung und einfacher Sitte, fam in Aufregung 
und Unruhe. Man erichraf und erzählte fih mit Erjtaunen, 
dat Scinfen in Burgunderwein gekocht, und große Stüde 
Butter auf den Herd ins Feuer, wenn e3 nicht brennen 
wollte, geworfen; nur die zarteften Teile vom Geflügel auf 
die Tafel gebradt, und Bäder von Fleiichiuppen und Wein 
bereitet würden. Die erniten erfahrenen Väter der Stadt 


position dans l'bistoire, ou celui qui gouverne ait eu à la fois 
autant & faire et si peu de moyens d’ execution; point de 
territoire, point de finances, point de parti que celui d’une 
portion de noblesse ruinee, extenuee, dispersee. Bal. H. For- 
neron, Histoire generale des Emigres. (Paris, Plon, 1884). 
Band 1. ©. 375, 


41 


jchüttelten, wenn fie die wilde Treiben und Vergeuden 
ſahen, bebdenflih die Köpfe und Fündigten Unglüd an, mit 
den üblihen Worten: „Da werben die Hunde nach heulen!” 
In der That gereichte aud die Anmwejenheit und der lange 
Aufenthalt diefer ſybaritiſchen Fremdlinge der Stadt und 
ihren Bewohnern nicht zum Segen. Denn fo jehr man den 
Monjieur in feiner erniten Stimmung, ftillen Lebensweiſe, 
wiſſenſchaftlichen Beihäftigung und Pietät, in welder er 
täglih in die Kirche des Franzisfaner-Klofterd ging, ehrte, 
jo viel Mifbilligung und Ärgernis erregten die andern im 
Gefolge, die in voller Kraft der beiten Jahre üppig lebten; 
und jo hörte man denn bald reden von verführten Jung: 
frauen und unglüdlic” gewordenen Ehen. So entitand nun 
in der Stadt ſelbſt Zwieſpalt, und es bildeten ſich Parteien, 
von denen eine, die Fleinere, die franzöfiiche, die andere 
größere die deutihe genannt wurde. ' C3 trat eine völlige 
Trennung der geielligen Berhältnijje ein, und jtatt daß früher 
alle in friedlicher Eintraht in Einem Geſellſchafts-Lokal jich 
zur wechjeljeitigen Aufheiterung jonntäglich verjammelt hatten, 
ftanden jie jetzt gejchieden bitter gegen einander über, int 
Austaufhe von Pasquillen und Schmähreden. Der gerne 
gehörte Prediger Wülfingh brachte die betrübte, arge Sadıe 
von der Kanzel zur Sprade und bielt über die Bibelitelle: 
„Schicket eud in die Zeit, es ift böje Zeit,” eine fcharfe 
Strafpredigt. Da fie gedrudt wurde und große Senfation 
machte, jo ſahen die Fremdlinge die ftarfen Stellen in der: 
jelben al3 perjönliche Injurien an und verflagten den freis 
mütigen Spreder in Berlin bei des Königs Majeität. Das 
Dber:Konfiltorium, an welches die Klage abgegeben mar, 
belobte aber den Spreder. — Angeſichts der wachſenden 
Mipitimmung der Hammer Bürgerichaft forderte der Magiltrat 
in einer in franzöſiſcher Sprade abgefaßten PBroflamation 
am 18. Juni 1793 alle Sranzojen, die nicht zum Gefolge 
der Prinzen gehörten, auf, die Stadt in 3 Tagen zu räumen, 


42 


Die Beaufiihtigung der Emigranten machte dem Magiftrat 
überhaupt jehr viel zu fchaffen. Auch verhehlte man ſich 
nit, daß die franzöliihe Nationalveriammlung immer miß- 
trauifcher da8 Treiben des Hammer Prinzenhofes ind Auge 
faßte. Namentlih der Graf von Artois, die Seele der 
Kriegspartei, jei drüben jo jehr ein Stein des Anftoßes, 
daß von der Nationalverfammlung der Vorſchlag gemacht 
jei, den Grafen und feine Kinder in Hamm meuchleriich zu 
überfallen und aus der Welt zu Schaffen. Wahres mag an 
dem Gerede gewejen jein, denn durch eine Königliche Ka— 
binett8:Ordre vom 2. Dezember 1793 wurden die Kriegs: und 
Domänen-Kammer jowie der Magiftrat in Hamm angewiejen, 
den Grafen Artois unter bejondern Schuß zu nehmen. Die 
in der Stadt eintreffenden ausgewanderten Franzoſen und 
fonftige Fremde wurden darauf einer genauen Kontrolle unter- 
worfen. — Wegen der unerquidlidhen, freilich am mwenigiten 
durch jeine perjönliche Schuld herbeigeführten gejellichaftlichen 
Berhältniffe entichloß jih der Graf von Provence um die 
Mitte des Monat? Dezember 1793 Hamm zu verlajfen. Er 
reifte nah Ober-Italien und begab fih über Turin nad 
Verona, wo er jpäter, nach dem am 8. Juni 1795 erfolgten 
Tode des unglüdlihden Dauphin, von feinen Anhängern 
zum König von Frankreich; ausgerufen wurde. Sein Bruder, 
der leichtlebige Graf von Artois, blieb in Hamm no bis 
zum Spätjommer des Jahres 1794. Bei feiner Abreife er: 
ließ er unter dem 12. Auguft ein Danfichreiben an die Stadt, 
worin es heißt: „Ich verlafje diefe Stadt ſehr ungern, worin 
ih jo viele Bemweije der Zuneigung und zuvorfommenden 
Gefälligfeit erhalten habe.” — Die Erinnerung an den 
Prinzenhof zog inde® auch noch fpäter ganze Schwärme 
flüchtiger Franzoſen nah Hamm, und als die republifanijche 
Armee jich des linken Rheinufer bemächtigte, langten einmal 
an einem Tage gegen 1400 franzöfiiche und belgiiche Flücht— 


43 


linge dort an, welche faum unter Dach kommen Eonnten. 
Biele derjelben blieben in der Stadt und Umgegenbd. !) 
Seit die Schredensherrichaft der Jakobiner in Frankreich 
mwütete, und gleichzeitig die wildbegeifterten Heere des rei: 
ftaate8 immer größere Fortichritte nah Dften machten, er: 
goſſen fih ganze Ströme franzöliicher Auswanderer, denen 


1) Die Mitteilungen über den Prinzenhof zu Hamm find folgenden 
Merken entnommen: 1. Ejfellen, Beichreibung und kurze Geichichte 
des Kreiles Hamm. ©. 60. f. — Troß aller Bemühungen ift es 
mir bislang leider nicht gelungen, die wichtigen Dokumente, welche 
dem Verfaſſer augenscheinlich vorgelegen haben, zu ermitteln. Sie 
finden fich weder im dortigen landrätlichen Archiv, noch im Kal. Staats: 
Archiv zu Münfter. Es verlohnt der Mühe, den Schriftſtücken 
weiter nachzuforſchen. — 2. Bericht eines Hammer Augenzeugen bei 
Eylert, Charafter-Züge und hiſtoriſche Fragmente aus dem Leben 
des Königs von Preußen Friedr. Wilhelm III. Band II Note auf 
©. 224 ff. — 3. De Guilhermy, Papiers d’un Emigre. (Paris, 
Plon. 1886). Dort heiht ed auf ©. 40: Quand les princes etaient 
reunis a Coblentz, leur conseil etait forme du prince Xavier 
de Saxe, des mar&chaux de Broglie et de Castries, de l’eveque 
d’Arras (Mgr. de Conzie), du prince de Nassan-Siegen, du mar- 
quis de Jaucourt, du baron de Flachslanden et de M. de Ca- 
lonne. Il en fut de meme a Hamm, en Westphalie. 

©. 44. Peu de jours apr&s la mort de Louis XVI., une de- 
elaration de regence avait paru, signee du comte de Provence, 
eontresignee des mar&chaux duc de Broglie et Je Uastries, mi- 
nistres d’Etat. Datde de Hamm en Westphalie, le 28 jan- 
vier 1793, elle protestait de la volonte, „de delivrer Louis XVII, 
sa mere, sa soeur et sa tante; de retablir la religion et sa dis- 
eipline; de rappeler la magistrature; de reintegrer les Frangais 
de tous les ordres dans tous leur droits et proprietes envahies 
et usurpees; de punir d'une maniere sevöre et exemplaire les 
erimes; de retablir l’autorit& des lois et de la paix; d’accomplir 
l’engagement solennel‚contenu dans les deelarations adressees 
au feu Roi le 10 septembre 1791, et autres actes.* — Le comte 
d’Artois y etait nomme lieutenant general du royaume, et com- 
mandait toujours, en consequence „au nom du Roi et du 
Regent.“ Le Regent commendait „aunom du Roi.“ 


44 


fih bald zahlreihe aus den von den Republifanern über: 
ihmwemmten Niederlanden zugejellten, auch in die übrigen 
Teile Weftfalend. Die meilten famen und verjchwanden wie 
flüchtige Wellen, und jede eingehendere Kunde über fie ift 
verloren; aber wenn man allein von denjenigen, über welche 
die Kirchenbücher, vielfach auch die Natsprotofolle der Städte 
in kurzen Nachrichten melden, eine Zufammenftellung bilden 
wollte, e8 würde ein gar ſeltſam bemwegtes, buntfarbiges Bild 
zu Tage treten. Menfchen jeglicher Lebensftellung, jung und 
alt, hoch und niedrig, reich und arm bis zur Verzweiflung. !) 


u. 


1) Einen ungefähren Einblid in derartige Verhältniſſe gibt 3. B. dad 
Paderborner Magiitrats-Protofoll vom 29. Oktober 1794. 
„Wegen der Vielheit der franzöftichen Emigranten und der des— 
halb eingetretenen Beſorgnis war beichloffen, da am Nadhmittage 
gemeldeten Tages durch die Rats- und Gemeinheits-Deputierten mit 
Zuziehung eines Sprachverftändigen jeder in feiner Bauerſchaft (Stadt— 
bezirt) die Päjje der Emigranten zur behördlichen Einficht einfordern 
follte. Diefem Pegehr find die übrigen Andwanderer nachgefommen, 
ein Zeil derfelben aber war entweder vom Haufe abmwejend oder 
weigerte die Herausgabe. Hierüber meldet das Protofoll weiter: ad 
eandem causam circa vesperum übergaben die Deputierten der 
Meftern-Bauerjchaft die von ihnen eingeforderten Päſſe und ſon— 
jtigen Zeugnifje, bemerkten aber, daf in Nr. 186 bei Hofrat Weber 
eine Yürftin mit ihrem Gefolge wohne, welcher der Hofrat den Paß 
nicht hätte abfordern wollen; in Nro. 189 wäre ein Kanonikus nicht 
zu Haufe geweien; in Nro. 246 wohnten 3 Geiftlidye, wären aber 
nicht zu Haufe; in Nro. 250 wäre der Geiftliche nicht zu Haufe ge 
weſen; in Nro. 313 wäre ein Marquis angeblidy nicht zu Haufe ge 
weien; in Nro. 319 wären nicht zu Hauſe geweien 2 Pürgermeiiter 
aus Lüttich; bei Chirurgus Eidhoff 2 Geiftliche, jo nicht zu Haufe 
gewejen. — Königftr.-Deputierte. In Nro. 538 ein Kanonikns, der 
den Paß durchaus nicht abgeben wollen; in Nro. 358 ein Paiter 
nebſt Nichte wäre nicht zu Hauſe gewejen. — Maspern» Teputierte. 
In Nro. 584 wären 12 Perſonen, meldye aber ihre Päſſe nicht ab» 
geben wollen; in Nro. 732 angeblidy ein Prediger, jo aber nicht zu 
Haufe gewejen; in Nro. 686 wäre der Dann verreift gewejen; in 
Neo, 595 ein Geiftlicher und eine Frau jo nicht zu Haufe, bemerften 


45 


Doch der Neichtum einzelner hielt nicht lange vor, und ba 
in den hieligen Gegenden zu all den andern Drangjalen ſich 
auch noch die heſſiſchen, hannöverſchen und preußifchen Truppen 
durchzüge mit der Laſt der Einquartierung und fonitigen 
Abgaben gejellten, jo wurden der Gaftlichfeit und Freigebig: 
keit der Landesbewohner gegen die Fremdlinge immer engere 
Grenzen gezogen. Bald trat die Not in drohender Geitalt 
auf. Unter den Wintern des legten Jahrzehnts im vorigen 
Jahrhundert waren einige von furdtbarer Strenge, der vom 
Jahre 1793 zum folgenden lebte lange im Munde des Volkes 
als der Franzojenwinter. Die Klagen über Kornmangel 
und Teuerung mehrten fih. In Münfter mußte man zur 
Errichtung eines Kornmagazins für die Armen jchreiten, und 
jür den Landmann, der das meifte Getreide auf dem Markte 
feil böte, jegte man eine Belohnung von je einem Stronthaler 
aus. Ähnliche Notitände zeigten fih im Paderborner Lande. 
Die fürjtbiichöflihe Regierung, welche jchon im Jahre 1794 
mit Sorge hierauf ihr Augenmerk gerichtet hatte, erließ dem: 
gemäß am 3. März des folgenden Jahres unter Hinweis 
auf die täglich zunehmende Teuerung der nötigen Lebens: 
mittel, da die Gemüſe durch Froft und Waffer viel gelitten, 
Korn nicht mehr ausreichend vorhanden wäre, eine ftrenge 
Mahnung, auch nicht für einen großen Preis jene Früchte 
jegt fortzujchlagen, die zu eines jeden Unterhalt und zur 


aber, daß des Geiitlichen Bruder ald ein Deferteur ſich da aufhalte, 
— Kämpern. In Nro. 57 ein Geiftlicher, fo nicht zu Haufe ge 
weien; in Nro. 101 wären 9 Mann und 4 Bediente, welche feinen 
Paß abgegeben und den Namen nicht angegeben. — Üüber die ent- 
Ipredyenden damaligen Verhältniſſe in Münfter fchreibt ein Augen: 
zeuge (Mitteilungen aus einer kurz gefahten Chronif der Fahre 
1794— 1832 [Münfter, Regensberg, 1883]) auf Seite 4: Es kamen 
Perionen aus allen Ständen hier an, jo daß am 1. Oktober 1794, 
wo die Fremden bier aufgeichrieben wurden, ihre Anzahl ſich auf 
1054 belief, worunter 283 Priefter, Möndye, Nonnen, 


46 


Einjaat unentbehrlich feien. Die Zahl der Emigranten habe 
jih von Tag zu Tag jo vermehrt, daß der Fruchtvorrat des 
Landes nicht mehr ausreiche. — Eine ähnliche Verordnung 
erging namentlich rücichtlid des Holzverfaufes angeſichts 
„des ungebeueren drüdenden Holzpreijes” am 20. November 
1795. Auch diefer Erlaß hebt mit dem Hinweis an, dab in 
Paderborn die Preife der notwendigften Lebensmittel jo hoch 
geftiegen jeien, „daß bei fernerer Fortdauer viele Einwohner 
in Verfall und Armut geraten dürften.” — Wie wollte unter 
ſolchen Perhältniffen die Mehrzahl der Fremdlinge, deren 
Menge immer mehr anjhwoll, deren Nachzügler oft nichts 
gerettet hatten al3 das nadte Leben, ihren Unterhalt finden? 
Viele der letteren, meift bürgerlihen Standes, ergriffen daher 
irgend ein Handwerk: als Schuiter, Schneider, Uhrmacher, 
oder verjuchten ſich als Tanzlehrer, Perückenmacher, Puder— 
fabrikanten, Speiſewirte und Weinhändler. Andere bemüheten 
ſich, als Sprachlehrer ihr Brot zu verdienen. Wohl den trau— 
rigſten Ausgang hatten die Handwerksverſuche, denn die 
Satzungen des vielfach zur rückſichtsloſen Beſchränkung und 
Härte verirrten Zunftweſens machten auch die fleißigſten 
Anſtrengungen jcheitern. Wenn es dem Altläpper nicht ge— 
ſtattet war, einen neuen Schuh zu verfertigen, denn dazu 
hatten nur die Genoſſen der Schuſtergilde Recht, wenn der 
Pfeifendrechsler an der Pfeife keinen Quaſt verkaufen durfte, 
denn damit beging er einen Eingriff in die Rechtſame der 
Poſamentiere, wenn, wie derzeit in Münſter, faſt der größere 
Teil der Klagen bei Bürgermeiſter und Rat ſich auf wirkliche 
oder vermeintliche Übergriffe einer Gilde in die Befugniſſe 
einer andern bezog, jo ergibt jich leicht, daß man dem Fremden 
aus Keindesland das nicht geftatten wollte, was man jelbft 
dem Einheimiiden nach dem Wortlaut der Amtsrolle zu 
weigern berechtigt war.!) Niht aus Hartherzigkeit daher, 
2) Val. hierüber die im Archive der Stadt Münfter befindlichen Se— 

natd:Protofolle aus dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahr: 


47 








anerkannte doch 3. B. der münſteriſche Landesherr, daß man 
ihnen über Gebühr Vorſchub leijtete, jondern weil die da— 
malige bürgerliche Ordnung jolches forderte, legte man den 
Fremden in vielen Fällen das Handwerk. — Die verſchiedenen 
meiträliihen und nachbarlichen Landesregierungen erachteten 
es angejichtö der jo jich mehrenden Notitände daher als ihre 
Pflicht, auf den Abzug der weltlihen Emigranten hinzudrängen, 
falls dieje nicht aus eignen Mitteln ihren Unterhalt bejorgen 
könnten. So verfügte die fürftbijchöfliche Behörde zu Paderborn 
unter dem 29. April 1795 „daß, obwohl die dahier ſich 
aufbhaltenden Fremden, melde aus Lüttich und andern mit 
Deutichland verbundenen Provinzen zu Haufe jeien, und aus 
ihrem eignen Vermögen ihren Unterhalt hätten, dahier ver- 
bleiben fönnten, dennoch den eigentlichen franzöfiichen welt: 
lihen Emigranten fein weiterer Aufenthalt weder in der 
biefigen Stadt, noch in dem ganzen Lande verftattet werden 
ſolle. Beamte und Gerichtsbaber hätten aljo dieje ernithaft 
anzuhalten, daß jie aus dem Hiejigen Lande abreiſen müßten, 
und wie foldhes geihehen, binnen 14 Tagen pflihtmäßig zu 
berichten, widrigenfalld die Beamten und Gerichtshaber dafür 
augejehen und zur Verantwortung gezogen werden jollten. 
— Allein die Rot fannte auch in diefem Falle oft fein Gebot. 
Mochten gleich mande der Fremdlinge auf Grund der vor- 
jtehenden und ähnlicher Verordnungen ihren Wanderjtab 
weiterjeßen, mande nad Robespierres Sturz jelbit in Die 
Heimat zurüdzufehren wagen, dennoch blieben viele. Bejonders 
ſcheint der königstreue Adel, der von der freiftaatlichen Neu: 
ordnung im Vaterlande nichts hören mochte, in den ver: 
Ihiedenen Gegenden Weſtfalens nocd jahrelang ausgeharrt 
zu haben. Aber auch deſſen Mittel gingen endlich zur Neige, 
um jo mehr, als Geldjendungen aus der Heimat zu be- 


hunderte. Diejelben enthalten aud) anderweitige auf die Emigranten 
bezugliche Nachrichten. 


048 

fommen faft unmöglich war, und felbft der briefliche Verkehr 
franzöjischerjeit8 zeitweile mit dem Tode bedroht wurde. „Ich 
weiß nicht mehr,’ jchreibt im Januar 1796 eine Madame 
d'Eſspinay aus Münjter an ihren Bruder, den Grafen 
Montvallat, „ich weiß nicht mehr, was thun, was aus 
mir werden joll, wohin mein Haupt legen. Aber man muß 
alles von dem erhoffen, welcher die Revolution gemadt hat, 
denn fie ift nicht Menſchenwerk; er wird jie beenden, wenn 
er glaubt, daß wir genug gezüchtigt find.” — Die Bedrängs 
nig wurde indes nicht jobald gehoben, und die Armut zwang 
nun aud die Edlen zu allerlei ungemwohnter Arbeit. !) Gewiß 
in nur feltenen Fällen ijt auf den Lebensweg diejer Unglüd- 
lihen ein jo warmer Sonnenftrahl gefallen, wie fi) diejes 
bei einer Edelfrau zutrug, die im Paderborner Lande noch 
jegt in gejegnetem Andenken fteht. Es war eine Marquije 
de Ghistelles, welche einjt am Hofe Ludwigs XVI. gelebt 
hatte. Mit Hinterlaſſung ihrer bedeutenden Beiigtümer flohen 
Mutter und Tochter nah Paderborn und wohnten bier zur 
Miete in einem feinen Haufe am Wefternthor. Sie verfer: 
tigten mit Gold geitidte Bauernmügchen, ſ. g. Nebelfäppchen, 
von deren Erlös jie ihren Unterhalt kümmerlich friſteten. 
Da traf ein Kammerherr des Fürftbiichofes einjt die ſchöne 
Tochter draußen beim Reijerleien, erfundigte jih dann nad 
ihrem Herfommen und heiratete fie. 2) 


1) De Guilbermy: Papiers d’un Emigre. ©. 47 f. Disperses dans 
toutes les eontrees de l’Europe, les emigres frangais s’ingeniaient 
partout à se creer des moyens d’existence; l’'un y appliquait 
son esprit cultive ou son talent pedagogique; l’autre, son habi- 
lete professionelle ou des aptitudes particulieres; il n’y avait 
plus de sot ınetier. Malgre quelques fächeuses et inevitables 
exceptions, on pouvait dire que, la ou elles ne tenaient pas la 
plume ou l’epee, les mains aristocratiques savaient s’honorer, 
au besoin, par le travail de l’artisan. 

?) Nad einer freundlichen brieflichen Mitteilung. 


49 

Bei dem unftäten Umberziehen jo mancher Emigranten 
in Weitfalen it es nicht zu verwundern, daß fi troß aller 
Verbote jelbit in den jpäteren Jahren immer nod wieder 
neue Antömmlinge bier und da einfanden. Die Negierungen, 
welche bei den traurigen Kriegszeiten ihre eigenen Unterthanen 
in heller Rot jahen, trafen bei den, allen Verboten zuwider 
ih Fortiegenden Einwanderungen endlich ernite Maßregeln. 
Die hochfüritliche Geheime Kanzlei zu Paderborn veröffentlichte 
in gleihem Sinne am 10. Auguſt 1799 die Beltimmung, 
daß fortab feine Franzoſen weltlichen Standes mehr in das 
Hochſtift aufgenommen werden dürften, als nur jolche, welche 
eine beiondere Erlaubnis des Fürſten oder des Geheimen 
Rates vorzeigen fönnten. Emigranten, die einer folchen ent— 
behrten, hätten unnadlichtlich binnen 3 Tagen das Yand zu 
verlajien. — Außer ſolchen durd den Zwang der Selbit- 
erhaltung gebotenen behördlichen Verfügungen mirkten auch 
die in Frankreich allmählich zurückgekehrten ruhigeren Ver: 
bältnifje auf den vermehrten Abzug der Fremden, und jeit 
anı 9. November 1799 Napoleon Bonaparte die Gemalt 
in jeine Hand befam, fonnten alle weitliden Noyaliiten, 
welche sich deſſen Herrichaft fügen wollten, die Erlaubnis 
zur Heimkehr erlangen. Troßdem war nod im legterwähnten 
Jahre beiipielsmweile in Müniter die Zahl der weltlichen 
Emigranten eine jo große, daß dort noch damals an allen 
Sonn- und Feiertagen eine franzöltiche Predigt gehalten 
wurde. Auch in Paderborn und vielen andern weſtfäliſchen 
Orten weilte felbjt lange nachher eine Anzahl der Fremd— 
Iinge, welche ihr Leben auch in der neuen Heimat be— 
ſchloſſen. 

Nameuntlich haben manche aus dem franzöſiſchen Hochadel 
von der Erlaubnis heimzukehren feinen Gebrauch gemacht. 
Zu den hervorragendſten gehörte der Herzog von Mont— 
morency, der am 1. September 1799 zu Münſter ftarb 
und in der Kirche von Wolbeck begraben wurde. eine 

XLVI. 2. 4 


Grabſchrift trägt als Eingang in die Reihe ftolzer Titel bie 
anſpruchsvollen Worte: „premier baron de France et 
premier baron chrötien.“ — Auch die Kirche von Roxel 
birgt da3 Grab eines edlen Flüchtlings, des Grafen von 
Buifjeret, welder am 2. März 1800 zu Münſter ftarb 
und feinem Wunjche entiprechend in dem ihm lieb gewordenen 
nahbarliden Dorfe beerdigt wurde. Wittover!) erzählt in 
feinen Denkwürdigfeiten der Pfarre Rorel dazu folgenden 
anziehenden Vorfall. „Im „jahre 1820 fam eines Tages eine 
ihöne Equipage hierher, zwei junge Herren jtiegen aus, gingen 
in die Paſtorat und mit dem Bajtor Jürgens in die Kirche, 
und niemand wußte, was dies zu bedeuten habe. Aber bald 
nachher wurde der Grabjtein über der Safrijteithür errichtet. 
Es war der junge Graf von Buijjeret mit einem Begleiter 
gewejen, welcher die weite Reife gemacht, um, das Grab jeines 
Baters aufzujuchen und dem Andenken desjelben einen Grab: 
jtein zu errichten. Ein jchöner Zug von kindlicher Liebe und 
pflihtmäßiger Gelinnung eines Sohnes gegen den Vater.’ 
— Am befanntejten unter den verftorbenen Zaienflüchtlingen 
war in der münjteriichen Bevölferung noch bis in die legte 
Zeit der Herzog Franz von Broglio. Als Feind hatte er 
ehedem mit jeinen franzöjiihen Truppen während des jieben- 
jährigen Krieges auf deutihem Boden gegen die Verbündeten 
Friedrichs d. Gr. gefämpft und durch den Sieg bei Bergen 
i. J. 1759 vom Kaiſer die traurige Ehre eines deutjchen 
Reichsfürſten erlangt. Der Fortgang des Krieges führte den 
gefeierten Marſchall in weitfäliiche Gegenden, wo er mit feinem 
Heere die Paderborner Lande durchzog, auf dem Schloß zu 
Neuhaus zeitweilig Wohnung nahm und dann am 16. Juli 
1761 unweit Soeit das Treffen von Vellinghaujen lieferte. ?) 


1) A. Wittover, Denfwürdigkeiten der Pfarre Norel. ©. 15 ff. 
2) 5. Deneke, Begebenheiten während des jiebenjährigen Krieges in 
Weltfalen und den angrenzenden Yandesteilen. 


Diejer in Weftfalen einft gefürchtete feindlihe Krieger und 
Sieger betrat dreißig Jahre fpäter dasjelbe Land in Gemein: 
ihaft mit den bourboniihen Brinzen als flüchtiger Wanderer. 
In Münjter brachte er jeine legten Jahre zu und jtarb dort 
am 31. März 1804. Bor dem Hochaltar der jchönen Lam— 
berti-firche fand der von feiner einitigen Höhe jo tief hinab: 
geftürzte Fremdling die legte Ruheſtätte, die bis vor kurzem 
mit einer funitreichen Bronzeplatte gededt war, darauf unter 
Wappenihild und Ordenskette eine lateinische Inſchrift. Dieje 
feiert „den der Vorzeit Helden nicht ungleichen Viktor Franz 
Herzog von Broglio, des Heiligen Römischen Reiches Füriten, 
Frankreichs höchſten Kriegsführer, der, in den Tagen bes 
Glückes nicht ftolz, im Unglüd nicht gebrochen, durch Bieder: 
feit, Gerechtigkeit, Frömmigkeit und andre Tugenden geleuchtet 
habe, dejjen Ruhm nicht ſchwinden werde, deſſen Name bleiben 
auf den Lippen der Menichen, deffen Andenken in ihrem 
Herzen.‘!) 
II. Keine Maßnahme der franzöjiichen Nationalverfamme 
lung bat eine jo tiefe Erjchütterung des ganzen Landes her: 
) Die Inſchrift der aus der Lamberti- Kirche entfernten Grabplatte, 
welche ſich jeßt im Beſitz des Altertums-Vereins zu Münſter befindet, 
lautet (bier fortlaufend gedrudt) aljo: In hoc tumulo conditur 
Proavis non impar heroibus Victor Franeiscus Dux de Broglie 
Saeri Romani Imperii Princeps, Supremus Galliae Polemarchus, 
nee non copiarum Russieae Maiestatis Marechallus, Regiorum 
Ordinum Eques Torquatus ete, etc. In castris strenuus et vi- 
gens, militum forma, dux et pater gestis magnus, fide incor- 
rupta, bello domique. In prosperis non elatus, in rebus fractis 
infractus. In aevo, admodum procelloso, probitate, iustitia, pietate 
ceterisque virtutibus mire constans. Ubieunque vixit, praefuit, 
omnibus carus totius vitae, nee brevis, facta simul et fata 
lugentibus et plangentibus palam clamant non mori virtutem 
non sepeliri gloriam viri defuneti, haud exstineti, altius inscrip- 
tum manebit in monumentis nomen, in oribus fama, in cordibus 
ınemoria. Natus Parisiis die XIX Oetobris MDCCXIII obiit 
Monasterii Westphalorum die XXXI Martii MDCCCIV. R. LP, 
4* 


52 
vorgerufen als die Civilverfaſſung des Klerus. In rüdjichts- 
Iojer Weile wurde das ganze fatholiiche Kirchentum, wie es 
ih im Laufe der Jahrhunderte in Frankreich entwidelt hatte, 
zertrümmert. Die Verbindung mit. Nom und dem h. Stuhle 
ward zerrillen; alle Domkapitel, Abteien, Priorate und Bene: 
fizien wurden eingezogen; die geitlichen Orden mit wenigen 
Ausnahmen aufgehoben. An Stelle des Zeritörten jegten die 
Umftürzler eine neue Kirchenverfaſſung, deren unkirchlicher 
Charakter jo jehr in die Augen iprang, daß die Behörden 
jelbjt ihr Werk als die Eivilverjafjung des Klerus benannten. ?) 
Für die Stellung der Geiltlichfeit zu Ddiejen Umwälzungen 
wurde der Bejchlug der Nationalverfammlung vom 27. No: 
vember 1790 entjicheidend, denn dieſer erklärte alle Bijchöfe 
und Pfarrer, welche die Kivilverfafiung nit beſchwören 
würden, für abgefegt. Die Überzeugungstreue und der Helden: 
mut des franzöfiichen Stlerus find befannt; verjchwindend 
war die Zahl derjenigen, welche gegen Brliht und Gewiſſen 
den Eid leilteten. Die Wut des verleiteten Volkes ftieg da= 
durch zum Maßloſen. Überfall, Raub und Mord kamen an 
die Tagesordnung, bis endlich die Prieiterichlächtereien zu 
Baris im September 1792, denen ähnliche Greuelthaten zu 
Verjailles, Caen, Neims und an andern Plätzen folgten, eine 
Steigerung des Elendes als unmöglich ericheinen ließen. 
Der ungeheuren Mehrheit des franzöfiichen Klerus trat aber 
die Drangjal jchon bald in andrer Gejtalt entgegen, als 
Verbannung nämlich, wovon jäntliche treu gebliebenen Geiſt— 





) H. v. Sybel, Geſchichte der Nevolutionzzeit, 1. urteilt &. 195 
über dieje Kirchenverfaflung alfo: „Wenn hierin dogmatifche Kragen 
nicht unmittelbar angeregt waren, jo bedarf es dod) feiner Erörterung, 
dat mit der Verwirklichung diefer Dinge in Kranfreich für den gläu— 
bigen Katholifen kein unentweihter Gottesdienit und kein unbeflecktes 
Saframent mehr beitehen blieb.“ S. 206. „Ohne einen Schatten 
torınellen oder materiellen Nechtes erflärte die neue Kirchenverfaſſung 
die Stautsallmacht über den beitehenden religiojen Glauben.“ 


lichen betroffen wurben.!) „Der September jenes Jahres,” 
erzählt ein zeitgenöſſiſcher franzöſiſcher Priefter, „ſah alle 
Straßen Frankreichs von mehr ala 60000 verbannten Seel: 
jorgern aus allen Ständen und Orden bededt.” Nah allen 
Weltgegenden flohen ſie, um die Grenzen zu erreichen, aber 
für viele wurden die mitgegebenen behördlichen Geleitsbriefe 
zu Todegzetteln, wie jhon Manuel, der PBrofurator von 
Paris, gehöhnt hatte. Ein großer Teil der Verbannten war 
ohne einen ſolchen Geleitsbrief gegangen. Dieje waren ge: 
zwungen des Nachts zu reifen und irrten oft lange Zeit an 
den Grenzen umber, ehe fie den Wächtern entgingen; tags- 
über verbargen fie fich in Wäldern und Höhlen. hnliche 
Drangjale erlebien die übrigen Ausgemwiejenen. Endlich famen 
tie, viele in voller Entblößung, in fremde Länder, bilf- und 
ratlos, ohne zu wiſſen, wohin jich wenden. „Aber Gott wachte 
über ihnen; die Berbannıng diefer Männer jchien ein Mittel 
zu fein, um die Barmherzigkeit des chriftlichen Europas in 
glänzenditem Lichte erjcheinen zu laſſen.“ Da machte nicht 





ı) Jager, Histoire de l’Eglise de France pendant la revolution. 
Rand III. ©. 408 ff. Deeret sur la deportation des pretres, du 
mois d’aout 1792. 

Art. 1. Tous les ecelesiastiques qui, étant assujettis au ser 
ment preserit par la loi du 26 Jd@cembre 1790 et celle du 17 avril 
1791, ne l’ont pas prete, ou qui, apres l’avoir prete, l'ont re- 
tracte, et ont persiste dans leur retraction, seront tenu de 
sortir, sous huit jours, des limites du distriet et du departement 
de leur residence, et dans quinzaine, hors du royaume. 

2. En consequence , chacun d’eux se presentera devant le di- 
rectoire du distriet ou la munieipalite de sa residenee, pour y 
deelarer le pays etranger dans lequel il entend se retirer; et il 
ui sera expedie sur-le-champ un passe-port qui contiendra sa 
declaration, son signalement, la route qu'il doit tenir, et le 
delai dans lequel il doit etre hors du royaume., 

3. Passe le délai de quinze jours, les eeclösiastiques non 
assermentes qui n’auraient pas obei aux dispositions precedentes 
seront deportes a la (ruyane francaise ete. 


54 

Nationalität, nicht Glauben einen Unterfhied. Mit dem ka— 
tholiihen Italien, Spanien und Portugal traten die nichts 
fatholiichen Niederlande, trat namentlih England in einen 
rühmlichen Wettfanıpf, um fi in Werfen der Nädhitenliebe 
zu -erihöpfen. „Das wahre Land der Vorſehung für den 
franzöfiihen Klerus ift England geweſen.“ — „So viele 
Züge von Barmherzigkeit, jo viele Beweife von Achtung und 
Berehrung, verschwenderijch reich den unglüdlichen Berbannten 
erwiejen, würden verdienen, daß man im Angefichte Englands 
eine Säule von Marmor oder Bronze am Strande des Meeres 
errichtete, mit dieſer Inſchrift: Dem engliihen Volke der 
danfbare franzöftiche Klerus.” — In ſolch und ähnlicher 
beitverdienten Weife fpricht ſich die franzöfifche Gejchichtichrei= 
bung!) über da8 barmherzige Entgegentommen der Nachbar: 
ftaaten aus; nur des von drüben jo oft verfannten deutichen 
Volkes ift in jenen Werfen kaum mit einem Worte gedacht 
worden.?) Und doch haben damals außer andern Stämmen 
des weiten deutichen Waterlandes allein die Weitfalen, und 
unter diefen bejonders die Inſaſſen der beiden Hochſtifter 
Münster und Baderborn, mehr in der Ausübung werkthätiger 
Näcdhitenliebe gegen die fränkischen Flüchtlinge geleitet, als 
große fremde Nationen, England vielleicht allein ausgeſchloſſen. 

Ein erheblicher Teil der Verbannten aus dem nördlichen 
Franfreih und aus jeinen öjtlihen Grenzländern batte zu 
Waſſer oder zu Lande nad den Niederlanden zu entkommen 
gefucht. Aber auch dort war ihnen feine lange Raſt geitattet; 
denn al3 das franzöfiihe Volk unter die Waffen getreten 
war und jiegreich nah dem Rheine zu vordrang, wurden 


ı) Jager, a.a. O. Pand III. ©. 568—630. 

) In der neueſten franzöfiichen Geſchichtſchreibung über die Zeit der 
Emigration find ung Deutichen fogar die undanfbariten und ſchmach— 
volle Ausfälle nicht eripart worden. Einen traurigen Beweis dafür 
liefert an verschiedenen Stellen: H. Forneron, Histoire generale 
des Emigres, 


55 
die verſcheuchten Prieiter genötigt, ihren Wanderftab weiter 
nah Dften zu jegen. Ein wahrer Strom wälzte ſich in bie 
beiden weitfäliihen Hochitifter Paderborn und Münſter. „Wie 
ein Wildwafler überihiwemmen jie innerhalb kurzer Zeit Die 
Didzeje, täglich mehrt fich ihre Anzahl und gegenwärtig ift 
fie dermaßen angewachſen, daß es unmöglich ift alle zu unter: 
halten, und daß man eine Hungersnot befürdten kann.“ 
Mit diefen wenigen, aber marligen Strichen fennzeichnet ein 
Erlaß des Paderborner Fürjtbiichofes Franz Egon unter 
dem 28. Dftober 1794 den majjenhaften Einzug der Ber: 
bannten in das Bistum. Und doch war die Flut, welde in 
das Hodjitift Münſter zur jelben Zeit eindrang, noch mächtiger. 
Eine höchſt wertvolle und merkwürdige Handichrift, welche 
damals unzweifelhaft unter Benugung aller einjchlägigen 
Alten in Müniter von einem Franzoſen angefertigt wurde 
und dort verblieb, gibt in die geiftlihen Emigrantenicharen 
des Münfterlandes einen Einblid, wie er jchwerlich für irgend 
ein andres Land möglich ijt, in welchem die Fremdlinge zeit: 
weilig eine neue Heimat gefunden haben. In diefen Auf: 
zeichnungen werden mit Bor: und Zunamen, Stand und 
Benennung wie der heimijchen franzöfifchen Diözeje, jo auch 
des zeitweiligen Aufenthaltsortes innerhalb des Bistums 
Münfter ſämtliche geijtlihe Flüchtlinge aufgeführt, welche 
während der Jahre 1794 nnd 1795 dort eine dauernde 
Aufnahme fanden.!) Es waren ihrer 2076 Prieſter und 





) Die Handſchrift, ein Sammelband, jetzt im Beſitze der Bibliothek 
des münfterifchen Altertums-Vereins, M. 195., trägt auf der eriten 
Foliojeite ein Aquarell-Bildchen, welches Münfter darjtellt. Aus der 
Landichaft kommend, nähern ji” 7 Emigranten der Stadt, zum 
Teile in geiftlicher Tracht, einige von ihnen den Stod mit einem 
Bündelchen auf der Schulter. Drei Bürger heißen fie unter Hand— 
reihung willtommen. In den Wolten jchwebt auf einem Anfer eine 
weibliche Geftalt, ein Kreuz im rechten Arme, die Linke zu den An— 
fünımlingen ausgeitredt, 


98 Nonnen, welche vornehmlich über die Niederlande und 
durch die rheinischen Gebiete aus den öjtlihen und nördlichen 
Gegenden Frankreichs famen. Eo aus den Bistiimern St. 
Dmer, Arrad, Cambray, Neims, Chalong, Verdun, Meg, 





Die Sammlung enthält folgende Stücke: 

l. Liste des ecelesiastiques francais qui ont rem l'hospitalé dans 
les ville et pays de Münster pendant les annees 1794—1795. 
Den Anfang bilden 16 prelats de l’Eglise de France; dann folgen, 
alphabetiich geordnet, die Angaben über 2060 ſonſtige Getitliche unter 
den Nubrifen: noms de famille, noms de bateme, qualites, dio- 
cese, residence; 3. B. Nro. 33. Archambaux, Pierre Joseph, 
eure d’Aigny, Rheims, Eversviukel. 

2. Pieces relatives à l’etablissement et an s4jour des ecclesiastiques 
francais dans les ville et pays de Münster. 

a) Original de la lettre signee Le Baron de Fürstenberg et 
adressee aux religieux habitans du pays de Münster, qui 
accueillaient les eccelesiastiques franvais chez eux. 

Epistola subscripta a Reverendissimo Domino de Fürsten- 


berg ad praeparandas hospitalitatis vias Gallis sacerdotibus 
apud venerabiles Dioecesis Monasteriensis pastores. 

e) Erlaß des Kardinal-Erzbiichofs de la Rochefoucault unter dem 
Titel: Dominicus de la Rochefoucault Dei misericordia et 
Sanctae Sedis Apostolicae gratia sacrosancfae Ecelesiae Ro- 
manae Presbyter Cardinalis, Archiepiscopus Rotomagensis 
etc. Salutem omnibus etc. 

d) Litterae testimoniales, (ausgefertiat leitens des General-Vikariats). 

e) Ofticium a clero gallicano exule recitandum pro hospitibus 
suis. Das Stück enthält verschiedene auf die Zeitverhältniffe 
bezügliche lateiniihe Hymnen. 

f} Ordre de la c@lebration des messes. 

g) Reglement pour Mrs les ecelesiastiques francais demeurans 
a la communaute des dames dominieaines de la ville de 
Münster, 

b) Les ecclesiastiques frangais aux charitables habitans des 
ville et pays de Münster, ein jehr umfangreiches Dantichreiben. 

3. Liste des religieuses frangaises qui ont regu l'hospitalite dans 
les ville et pays de Münster en 1794 ei! 1795. Das Etüd enthalt 
unter den Rubriten: noms und ordres im ganzen 98 Nummern. 
Zunädjft; ftcht Communaute des Carmelites de Reims, 3. B: Nro. 1. 


Nancy, Tou, Lluneville, Beſançon, dann aus den nördlichen 
als Amiens, Beauvais, Rouen, Evreur, Baneur, Contances, 
St. Malo, Quimper, auch aus der Mitte Frankreichs von 
Orleans, Blois, Tours und endlich jelbit vom äußerſten 
Weſtmeere von Nantes, la Nochelle und Bordeaur. E3 waren 
Belt: und Kloftergeiftlide, Männer vom höchiten bis zum 
niedrigiten kirchlichen Nange. Unter ihnen befanden ſich in 
Münſter jechzehn Biſchöfe; als höchſter derjelben der Kar— 
dinal de la Rochefoucauld, Erzbiſchof von Rouen, dann 
der Kardinal de la Val Montmorency, Bilhof von Metz, 
die Erzbiihöfe de Puyſegur von Bourges und de Cicé 
von Bordeaur, die beiden biichöflichen Brüder Johannes und 
Ludwig du Pleſſis d'Argentré von Limoges und Tee, 
weiterhin die Biſchöfe von Aurerre, Liſieux, Beziers, le Mans, 
Ghartres, Coujerans, Yaon, Amiens, Boulogne sur mer 
und der Weihbiichof von Meß; dazu findet ſich aus jpäterer 
Zeit noh Franz von Mouchet, Biüchof von Digne, und 
Soeur Euphrasie, Prieure des Carmelites, dann Communaute des 
Clarisaes de la ville d’Auxonne, eg folgen dann die verichiedenen 
Drden Argehörigen, bei welchen audy im der 2. Rubrik der Ort 
angegeben it. 
4. Memoire presente au grand chapitre de Münster le 12. 9bre 1794. 
. Röglement a suivre par les reverendes möres Carmelites «de la 
maison de Rheims refugiees a Münster. 
6. Reglement pour les soeurs de la Providence. 
. Segenswünidye der Emigranten unter der Aufſchrift: 

a) Venerabilibus dioecesis Monasteriensis pastoribus, 

b) Venerabilibus admodum et zelotissimis ecelesiae Dei pasto- 
ribus, capellanis, vicariis omnibusque viris ecclesiastieis et 
ehristianis, qui patres nostros elarissimos, seilicet Caeno- 
manenses canonicos, pastores, vicarios, sacerdotes et cleri- 
cos miserieorditer hospitio susceperunt, Salutem in eo qui 
est fons et origo salutis. 

8. Novae testimoniales litterae (ausgefertigt jeitens des General-Vi— 
fariat?). — Die ganze Sammlung umfaht 132 ena, aber jauber und 
deutlich geichriebene Folioſeiten. 


en 


-) 


58 
aus den Niederlanden der Fürft Ferdinand von Lobkowitz, 
Biſchof von Gent. Manche von diefen und den übrigen tau- 
jenden geittlihen Emigranten waren ſchon an zwei Jahre 
auf einer fluchtartigen Wanderung, ehe jie, vielfah über 
England und die Niederlande, bei den Weitfalen vorläufig 
dauernd Naft und Ruhe fanden, aber aud eine Gaitlichkeit 
fonder gleichen! Denn fie jelbft hatten meiſtens ihre Habe 
eingebüßt, ein ärmliches Bündel war alles, was fie hatten 
retten können. !) Welch ein Unterfchied der Lage für jo manden 
daher zwifchen hüben und drüben! Der Erzbiichof von Rouen 
beijpielsweife, in feiner Heimat Brimas der Normandie, Abt 
der Abtei und de3 Ordens von Cluny, Dechant der Bilchöfe 
von Franfreih, Beliger des höchſten Ordens des Reiches, 
Freund und Ratgeber des Königs Ludwigs XVI., im Ge— 
nuſſe jährlider Einkünfte von 400000 Livres, lebte in Münjter 
unter den bejcheideniten WVerhältniffen in einem einfachen 
Hauje auf dem Alten-Steinwege. — Von den genannten 
biſchöflichen Herren fiedelten jpäter einzelne nach dem nad: 
barlihen Paderborn über. Außer dem Bilchofe von Xire, 
Philibert de Roger, welder ſchon früher von anderswo 
dorthin gefommen und im Kollegienhaufe Unterkunft gefunden 
hatte, wohnten nämlich in den folgenden Jahren dafelbft der 
Kardinal von Montmorency, Bilhof von Metz, dann der 
Biſchof von Amiens und endlid Gaspard de Souffroy 
Gonſſans, Biſchof von le Mans. Letzterer wählte feinen 
Aufenthalt in Paderborn aus Anlaß der uralten Verbrüderung, 
welche jeit dem Jahre 836 zwiſchen dieſer weftfälifchen Biſchofs— 
ſtadt und feinem heimijchen le Mans beitand, woher ja die 
Gebeine des hl. Liborius nach dort übertragen waren. Weil 
Biihof de Jouffroy Gonſſans gleichfalld den Eid auf 


1) Am anjchaulichiten jchildert wohl diefe traurige Verfaſſung der mün- 
fteriiche Augenzeuge in der oben erwähnten Chronik der Jahre 
1794— 1832. ©. 3 u. ff., wo er dem Leſer ein buntes Gedränge 
pon flüchtigen geiftlichen Perſonen vorführt und in welcher Armut! 


59 





die Givilverfaffung verweigert hatte, jo war feines Bleiben 
in Frankreich niht mehr gemweien. Er ging nach England 
und von dort nah Holland, irrte dann lange Zeit in ver: 
Ihiedenen Gegenden Deutſchlands umher, bis er am 23. März 
1795 von Münfter mit feinem Diener in Paderborn eintraf. 
Hier nahm ihn der Domdechant Freiherr von Forſtmeiſter 
auf das entgegentommendfte auf, zahlte ihm eine Penſion 
von 1200 Florin und bot ihm fein Landhaus in der Nähe 
der Stadt an. Der Bilchof zog es indes vor, im eigenen 
Haufe des Domdehanten, dem jekigen Königl. Amtsgericht, 
Wohnung zu nehmen und dort deilen Gajtfreundichaft bis 
zu feinem Tode zu genießen. Er lebte hier zurüctgezogen, 
beihäftigt mit Gebet und Studien, aber niemals feine ent: 
fernte Diözeſe vergefiend. Außer ihrem Biſchofe hatten noch 
I Briejter der Diözeje le Mans mit vielen Geiltlihen andrer 
Gegenden in Paderborn eine Zufluchtsitätte gefunden. !) 
Die Zahl der im Hochftift Paderborn dauernd unter: 
gebrachten geiftlihen Flüchtlinge annähernd anzugeben, wie 
dieje3 für das Bistum Münfter geichehen fann, ift wohl nicht 
angänglich. Aber allein nach den damaligen Verordnungen 
der fürftbifhöflichen Negierung und nad den Angaben ein- 
gejehener Kirhenbücher, bejonders der Totenbücher, zu jchlie- 
Ben, jcheint fie hinter der des Miünfterlandes nicht zurüdzu: 
ftehen und mag dann mit diefer zufammen ſich leicht auf 
vier bis fünftaujend belaufen. Der Fürftbiihof Franz 
Egon nahm daher ſchon im Dftober des Jahres 1794, als 
auh Truppendurchzüge und fonftige Kriegslaften das Land 
immer jchwerer drüdten, notgedrungen Veranlafjung, der 


!) Dr. Mertens: der hl. Liborius. ©. 48 u. ff. — Die über den 
Biſchof de Gonſſans mitgeteilten Nachrichten itammen zum Zeile 
aus dem Prarrardhive der Gau-Kirche zu Paderborn; aus der dort 
im Catalogus defunctorum aufgeführten großen Anzahl von ver- 
ftorbenen Emigranten mag man jchließen, wie erheblich die Menge 
der zeitweilig hier lebenden Flüchtlinge gewejen ift, 


60 
fteigenden Überfüllung und damit dem wachſenden Mangel 
abzuhelfen. Nur in diefem Sinne erjudte er alle jüngeren 
und fräftigeren fremden Prieſter dringend, ihren Stab weiter 
zu ſetzen, damit man zunächſt allen Greifen und Gebredlicdhen 
die notwendige Hilfe zuwenden fönne.!) Eolche Werordnungen 
und der von außen immer noch ernenerte Andrang von Ver: 
bannten jteigerten in den münfterländiichen und paderbor: 
nischen Gegenden das Hinz und Herziehen der geiftlichen 
Emigranten, welche noch feine dauernde Bleibeftätte hatten 
finden fünnen, während der Jahre 1794 bis gegen Ende 
1796 in einer faum glaublichen Weife. So erzählt ein fran— 
zöſiſcher Inſaſſe des unweit Warendorf belegenen Kloiters 
Klarholz, daß im Jahre 1795 die flüchtigen Prieſter und 
Kloſterfrauen haufenweiſe durch jenen Ort gezogen ſeien, in 
jo großer Menge, daß faſt ein jeder darüber beſtürzt wurde. 
Ganze Monate hindurch feien ohne Unterlaß die Geiftlichen 
auf einander gefolgt, und fie alle wären auf das reichlichite 
gepflegt worden. Der Augenzeuge, dem wir dieje Mitteilungen 
verdanfen, bie Pater Henry und war bis vor drei Jahren 
Prior der Prämonitratenjer: Abtei zu Reſſons im Erzbistum 
Rouen gemeien. Wie jo viele tauſende jeiner priejterlichen 
Zandsleute gezwungen, das Vaterland zu verlaffen, hatıe 
auch er fait 2 Jahre Hindurd ein unitätes Fluchtleben geführt, 
bis er endlich in dem genannten weitfäliichen Kloiter für 
Sabre eine neue Heimat fand. Der deutichen Sprade nach: 
gerade mächtig geworden jchrieb er dann unter teten Be: 
ziehungen zu den allgemeinen Weltläuften feine Erlebnitie 
in einer jo naturwüchiigen Auffaſſung und Sprache und in 
einer jo anjchaulichen Weije, daß dieſes Werk für die der: 
zeitige weſtfäliſche Geichichte gewiß zu den merfwürdigiten 


!) Ziehe Unlage 2. Paderborniiche Yandes- Verordnung vom 28 Oft. 
1794. 


61 





und wertvolliten Handichriften gehört.) Einige Mitteilungen 
Daraus mögen bier am Plage jein, da jte deutlicher als jede 
andre Darjtelluug von den leidvollen Wanderfahrten der 
Berbannten melden. 


!) Die franzöfiiche Revolution und Erlebniffe des P. Joh. 
Rapt. Henry, Priors der Prämonſtratenſer-Abtey zu Nejjons bei 
Peauvais, Prarrers zu Reſſons, während jeiner Verbannung ge: 
ichrieben von ihm jelbit zu Klarholz. — Die Handichrift, weldye von 
ſpätern Prieiter: Seminar: Mendanten Horitmann aufgefunden und 
erworben wurde, umfaht 573 Quartſeiten; vier beichädigte Blätter 
des Bandes find vom Beliger durch Abjchrift erjeßt worden. Domvikar 
U. Bahlmann zu Münfter beförderte einen Teil des Juhaltes 1865 
zum Drud unter dem Titel: Pater Henry's Erlebuijje. Das 
fleine Druckwerk gibt indes, abgeiehen von der Umvollitändigteit, auch 
den originellen Stil der Handichrift nicht wieder. Bon lekterem mag 
die genane Mitteilung einiger Abjchnitte eine Probe liefern. ©. 35. 
Unglückliche Reije des Königs nad Varennes. Den 20ften 
Sunius 1791 verfuchte der König Ludwig XVI. jeine Ketten aufzu— 
heben, umd im diefer Abjicht entjchlo er ſich mit jeiner Samilie, aus 
jeinem Kerker der Iuillerien zu Paris herauszugeben, und fich nad) 
Montmedy einer jeiner Gränzſtädten wegzugehen. Zuerſt jchien der 
Himmel feinen Entwurf zu begünftigen. Aber während der Reiſe 
griff man ihm umnglüdlicher Weiſe an, und hielt ihn in Varennes 
feſt. Da bemächtigte man jeiner und führte ihn mit feiner Familie 
unter der Bewachung vieler taufend Wittherijchen, die man Patrioten 
nannte, und mit allerfey Waffen verjehen, nad) jeinen Gefängniße 
der QTuillerien zurüd. Yeicht hätte der Monardy alle Hinderniße 
überwinden fönnen; Prave und treue Offiziere und Soldaten war: 
teten nur auf jein Ordre und auf den Anblid, um die Mitichworern 
zu zernichten: Cs mußte aber Blut vergofen werden, und es Eojtete 
weniger dem Könine ſich allerley Iodesgefahren zu ſetzen, als den 
Kopf eines einzigen feiner Unterthanen zu wagen. — Die Schlußjäge 
der Handichrift lauten: ©. 561 f. „Endlid möge aud) der Allwal- 
tende, der bis hierher deine Probftey und die große Weftphäliiche 
Provinz unter dem Schatten jeiner Flügel bey jo auffallenden Be— 
weilen der göttlidyen Güte bededte, da der Aufruhrse: Dämon ein 
Kriegs: und Mordfener anzündete, wie das Menſchengeſchlecht noch 
nicht geſehen hatte, welches beynahe alle Staaten Europas durchdrang, 
verwüjtete, anjochte, und demnächſt republitanifirte, möge, ſage ich, 


6 





Am 1. Dftober 1792 verließ der Prämonftratenjer- Prior 
P. Henry feine normannifche Abtei Nefjons, da auch er fich 
geweigert hatte, den verlangten Eid auf die Givilverfaflung 
zu leiften. Er entſchloß fih nad) England zu reifen und begab 
fih daher mit dem erforderlichen Geleitäbriefe ausgerüftet 
über Amiend nad Boulogne. Mit mehreren Leidensge— 
fährten wurde er dort von Nationalgarden mit aufgeitedtem 
Bajonett zur Hauptwahe geführt, wo der Kapitän jeine 
Unterjehrift auf die Geleitsbriefe jegte und dann durch Bes 
mwaffnete die Verbannten an Bord eiues Schiffes bringen 
ließ. Ohne Unfall legten fie die Seefahrt zurüd und landeten 
bereit3 um Mittag desjelben Tages, am 12. Oftober, im 
Hafen von Dover. „Wir jahen ung dort aus den Gegenden 
der Angit und des Schreckens plöglid an einen Ort der 
Ruhe und des Friedens verjegt, jo daß es uns vorfam, als 
jeien wir neu geboren.” Schon am folgenden Tage trafen 
fie in Yondon ein. Dort wohnten 1500 franzöfiiche Geiftliche, 
viele Erzbiihöfe, Bilchöfe und andere Prälaten. Auf der 
ganzen Inſel zählte man ‚3000 emigrierte Priefter, welche 
von den Engländern, joweit jene deijen bedurften, beherbergt, 
ernährt und befleidet wurden; der König ließ ſogar jein 
Schloß zu Windeiter als Zufluchtsort für ſechs bis jieben- 
hundert Priefter einrichten. Troß aller Gaftlichkeit, die auch 
dem P. Henry auf dem Eilande zu teil wurde, trieb ihn 
indes die Sehnſucht nah einem Klofter feines Ordens nicht 
lange darauf zur Reife nach den öfterreihiichen Niederlanden. 
Eine ſtürmiſche Seefahrt bradte ihn nad Ditende, von da 
führte ihn fein Weg weiter nah Brügge und Mecheln. 
Anderthalb Jahre fand er hier die jorglichite Aufnahme, bis 


der Allwaltende Klarholz zu befhügen, und immer weiter und weiter 
in Weitphalen das friedliche Völker-Glück zu befeitigen, fortfahren. 
Das iſt mein allerlegter herrſchender Wunſch. 
Klarholz, den 22iten Man 1802, 
B. Henry. 


RS. 





ber Fortſchritt der franzöjiichen Heere ihn zwang, im Juli 
1794 nah Holland zu entweichen. Dort verweilte er nur 
furze Zeit und bald darauf betrat er den deutichen Boden. 
Über Kleve, Kalkar, Kanten, Neuß ging die Wanderung 
weiter nah Düſſeldorf. „In diefer Stadt wohnten damals 
mehr als 300 franzöfiiche Geiltliche, 18 Erzbiichöfe und Biichöfe, 
unter denen auch der Kardinal von Montmorency.” Schon 
wenige Tage jpäter, am 23. Juli 1794, fam der Prior mit 
einem Reifegefährten abends 9 Uhr in Münjter in Weſtfalen 
an. „Da wir nun in einem Gafthofe feinen Plag finden 
fonnten und nicht wußten, was wir machen jollten, jo jtanden 
wir unter dem Bogen des Marktplages und um 11 Uhr 
lagen wir dort noch ohne Eſſen und ſchlaflos. Aber bald 
darauf ging ein Bürger vorbei, der jah uns bei ſchwachem 
Mondichein neben einem Pfeiler auf unſerem Gepäd ſitzen. 
Er trat zu uns heran und fragte in franzöfiicher Sprade, 
wer wir wären, und was wir hier machten. Wir antworteten: 
„Bir find franzöſiſche Prieſter, jekt ohne Dad und Fach; 
wollten Sie, mein Herr, jih fo gefällig erzeigen und und 
einen Raum anmweijen, wo wir berbergen können?” — „„Ach, 
folgt mir nad, ihr Freunde, jagte er, ih will Euch augen: 
blidlih einen Wohnplag verichaffen.’’ In der That führte 
er uns beide zu dem Herrn NRatsdiener Shwerbrod und 
ging dann wieder fort. Ruhm aber und Ehre jei dem An- 
denken dieſes herzallerliebiten Mannes, deſſen Namen und 
Wohnung wir nicht einmal erfahren konnten.” Nah warmen 
Dankesworten auch für die ebengenannte Familie, bei der 
te einige Tage Unterkunft gefunden, fährt der Pater dann 
aljo in feiner Erzählung fort: „Am andern Tage erfuhren 
wir die Ankunft des Kardinals Herren von la Rochefoucauld, 
Erzbiihofes von Rouen, was wir mit großem Vergnügen 
vernahmen, denn feit langer Zeit hatten wir das Verlangen, 
ihn wieder zu ſehen. Wir eilten alſo vor allen Dingen ©e. 
Eminenz zu beſuchen und ihm unjere Aufwartung zu machen. 


54 
Wir trafen den Kardinal bei guter ‚Gefundheit ungeadtet 
jeines ruhmvolen Alters von 82 Jahren, ungeadtet der 
mannigfahen Widerwärtigfeiten und Gefahren, denen er zu 
Lande und zu Waſſer ausgejebt geweien war. Am 2. Sep— 
tember 1792, an welchem Tage man in Paris mehrere 
hundert Priefter ermordete, entkam er nur durch den bejon- 
deren Schuß der göttlichen Borjehung. Während der Be: 
lagerung von Maftricht durch den General von Miranda 
im jelben Jahre 1792 hielt jich der geflohene Kardinal in 
diejer Stadt auf. Die Bomben flogen haufenweije rings um 
das Haus, welches er bewohnte; er entfernte ſich in ber 
Nacht aus demjelben, um in einem andern zu jchlafen, und 
bald darauf fiel eine Bombe auf das Haus, welches er eben 
verlafjen hatte, und traf gerade fein Bett. — Der berühmte 
Kardinal emfing uns mit der janften und heitern Weile, die 
ihm eigen war. Er wünjchte und von Herzen Glüd, daß 
wir aus den Händen der Ruchloſen entkommen waren, und 
ermahnte uns, alle unjere Zuverliht auf Gott zu ſetzen.“ 
— Nach diejem Bejuche machte der Brior auch dem Minifter 
und General:Bifar von Fürjtenberg feine Aufwartung. 
Die glänzende Charafteriftif, die der Fremdling von diejem 
jo hochbedeutenden Manne entwirft, wird an einer jpäteren 
Stelle diefer Abhandlung ihre Verwendung finden. — Auch 
in dem überfüllten Münſter und im Münſterlande fand der 
P. Henry feine bleibende Stätte, weshalb er ſich nad dem 
Bistum Paderborn wandte. Mit mehreren Gefährten nahm 
er feinen Weg über Telgte, Warendorf, Nheda, Wiedenbrüd, 
und am 27. Juli 1794 famen ſie in Paderborn an; es 
waren ihrer 15 franzöjtiche Geiftlihe. „Unſer erites Haupt: 
geichäft war, dag wir den Herrn General:Bifar Dierna 
bejuchten. Er empfing ung überaus wohl, nahm an unjerem 
Schidjal den thätigiten Anteil und verſprach ung, Daß er 
im Namen des Fürſtbiſchofes, der damals zu Hildesheim 
wohnte, uns innerhald S Tagen mit Wohnungen und jonftigen 


65 


Notwendigkeiten verjehen würde. Da es jedoch immer mein 
jehnlihiter Wunſch war, mich in ein Kapitel meines Ordens 
zu verfügen, fo entichloß ich mich noch weiter zu gehen und 
die oberweitfälifchen Lande zu durchlaufen.” Und fo wanderte 
er weiter und fam nach Meichede, wo man ihm bedeutete, 
daß er befjer thäte, nach Galiläa zu gehen. „Am 31. Juli 
fieben Uhr abends verließ ich dann Meſchede, um nad 
Saliläa zu gehen, ohne daß ich wußte, ob diejes Galiläa im 
jüdiichen oder im wejtfäliichen Lande läge. Troß des heftigen 
Regens und der jchlechten Wege Fam ich am nämlichen Tage 
um 8 Uhr in der Dunkelheit in Galiläa an.” — In dem 
armen Klojter wurde der Pater „wie ein Engel” aufgenom— 
men, allein jeines Bleibens war auch dort nicht, und jo 309 
er nochmals feines Weges, um endlich über Lippſtadt, Wieden- 
brüd und Rheda nad; Klarholz zu gelangen. In der dortigen 
freisadeligen Propſtei regulierter Chorherren des Prämon- 
ftratenjer-Ordens fand der wandermüde Mann feit dem 
5. Auguſt 1794 mit manden Yandsleuten endlich eine blei- 
bende Zufluchtsftätte. Während des faſt achtjährigen Aufent- 
baltes dafelbit hatte P. Henry Muße vollauf, feine Erleb: 
niffe aufzuzeichnen, unter denen auch heitere Vorkommniſſe 
ihren Platz finden, wie der Bejuch einer weitfäliichen Bauern: 
hochzeit, bei welcher der arme Ordensmann zu feinem hellen 
Ergögen al3 ein vermeintlicher franzöliicher Baron mit hohen 
Ehren begrüßt wurde. — Dieſes weſtfäliſche Stillleben hielt 
den Bater jedoch nicht ab, auch die großen Zeitereignifje ins 
Auge zu fallen, und als gegen Ende 1799 die Kunde in 
jein Waldflofter drang, Napoleon Bonaparte fei eriter 
Konjul und damit thatlählih Herr von Frankreich geworden, 
da jchrieb er in fein immer mehr anwachſendes Buch bie 
Klage hinein, jo habe denn fein Vaterland nicht einmal den 
Troft, daß es ein Franzoje wäre, der fih zum Herricher er—⸗ 
hoben. „Ein Korjifaner kommt und jigt auf dem Throne 
Heinrih& IV., Ludwig des Heiligen, auf dem Throne der 
XLVL 2. 5 


66 


Bourbond. Er hat fi mit einer Gewalt befleidet, wie fie 
no nie ein Monard) der Erde hatte!“ 

Soviel in gedrängter Kürze aus den Aufzeihnungen 
des P. Henry, der endlih im Mai 1802 in bie Heimat 
zurüdfehrte, nachdem er auf der legten Seite jeines merf® 
würdigen Buches mit bewegten Worten den innigiten Dank 
niedergeichrieben gegen die gütigen Chorherren von Klarholz 
und gegen all die Wohlthäter, die auf feiner Flucht durch 
Weitfalen ihm Hilfe und Beiltand gewährt hatten. Und jolche 
Hilfe wie ihm wurde während der Jahre 1794 und 1795 
noch etwa vier bis fünftaufend andern heimatlojen Geiftlichen 
in den beiden weſtfäliſchen Diözejen dauernd zu teil, und 
dazu kamen bis zur Mitte des Jahres 1796 nad zuverläj- 
figer Angabe vielleicht ebenjoviele Durchzügler, die gleichfalls 
eine entiprechende Unteritügung fanden. 

In dem Maße der VBerwunderung über dieje gewaltige 
Zahl der Fremdlinge, welche meiltens der bitteriten Armut 
verfallen waren, finden wir zugleich den Grad der Aners 
fennung und des Ruhmes, der unſern Boreltern für ihre 
werfthätige Nächftenliebe gebührt. Der Füritbiihof von 
Münſter, Kurfürſt Marimilian Franz, Schwager des ge: 
mordeten Königs von Frankreich, ließ jofort die Aufforderung 
ergehen, die würdigen Priejter nach Kräften im Bistum auf: 
zunehmen; feine Behörden hatten das Weitere zu veranlafjen. 
Nun gab es einen erhebenden Wetteifer. Das Kapitel und 
die übrige Geijtlichkeit biß hinunter zu den ärmiten Bettel- 
Höjtern, die weltliche Bevölkerung in Stadt und Land, alles 
drängte fich zu Gabe und Beiftand. Die Kapitularen richteten 
auf ihre Koſten zu Münjter im Berjpoel ein Hofpiz für arme 
und kranke Prieſter ein, Welt: und Kloftergeiftliche der Stadt 
nahmen nah Kräften die Flüchtlinge bei ſich auf, Adlige 
und Bürger jtanden nicht zurüd. Dieje bejorgten ein völliges 
Unterfommen, andere Freitiihe, man fammelte Geld, Leinen 
und Kleidungsftüde. Ähnlich rührig wie die Hauptjtadt waren 


67 


die Kanditädte, die Ortichaften und der Bauernftand. Waren: 
dorf beherbergte im Jahre 1794 innerhalb drei bis vier 
Monaten an 120 geijtlihe Emigranten, felbit von Kleinen 
Dörfern wies Nienberge deren 16, Norel 11 auf. Die Land: 
leute erichienen in den Städten oder auf den Heerftraßen, 
um „ihre Priefter‘ wie fie jagten, in Empfang zu nehmen; 
auch die Ärmiten traten zu mehreren zujammen, um, was 
der eine nicht vermochte, gemeinjam zur Steuer der fremden 
Not zu thun. — Ähnlich dürften die Verhältniffe in der 
Paderborner Diözefe geweien fein; geiteht doch der Fürfts 
bihof Franz Egon in einer Verordnung vom 20. Sep: 
tember 1794, daß die chriftliche Barmherzigkeit, womit Laien 
und Geiltliche jeine® Landes die fremden Belenner aufge: 
nommen hätten, noch aufnähmen und unterhielten, ihn 
wunderbar getröjtet habe. Da aber unter den zahllojen ein: 
gewanderten Perſonen geiftlihen Standes auch ſolche fein 
tonnten, die ungültig ordiniert worden, ſolche auch, die den 
widerrehtlichen Eid geſchworen hatten oder die es jonft an 
ih fehlen ließen, fo verabjäumte man es in den beiden 
benahbarten Bistümern nicht, alle gebührenden Vorfichts- 
maßregeln anzumenden. Dem Paderborner General:Vifariate 
war vom Fürften ftrengitens befohlen, nur ſolche Prieſter 
aufzunehmen, die ſich durch unzmweifelhafte Zeugniffe des 
Erzbiihofes von Tours, Franz de Conzie, oder folche 
deö derzeit noh in Münfter mwohnenden General-Vikars 
de Sagey von le Mans ausweiſen fünnten. Den Fremd: 
lingen follte ein beftimmter Aufenthaltsort angewiejen wer: 
den, den fie nicht willkürlich verändern oder verlaffen dürften. 
Die Landesgeiftlichkeit jolle ein wachſames Auge auf die aus: 
ländijchen Mitbrüder haben, unter dieſen ſelbſt follte älteren 
und gereifteren Priejtern ein Gebiet zugemwieien werden, in 
dem fie für einen ordnungsmäßigen Wandel ihrer Gefährten 
nah Kräften Sorge trügen. Alle aber hätten ſich zu be: 
fleißigen, nach den weilen Mahnungen des Kardinals de 


5% 


68 


la Rochefoucauld ihr Leben einzurichten.!) Diefer berühmte 
Kirchenfürft hatte von Münfter aus ein wahrhaft apoftoliiches 
Sendſchreiben an feine geiftlihen Leidensgefährten gerichtet, 
worin er fie zur Übung jeglicher Tugend dringend mahnte, 
ihnen namentlih aber die heilige Prliht der Dankbarkeit 
ans Herz legte wie gegen den gütigen Landesfürjten, gegen 
deſſen Behörden, jo auch gegen alle Wohlthäter, die ihnen 
in unjerer Heimat erjtanden.?) In dem unermüdlichen Be: 
mühen um das Wohl jeiner verbannten Landsleute leiſtete 
dem Kardinal der General-Vikar von le Mans, ber mehr: 
genannte de Sagey, treue Dienite, anfänglich gleichfalls in 
Münfter, jpäter von Paderborn aus, wohin er vermutlich 
mit jeinem bijchöflihen Herrn de Gonſſans für einige Zeit 
überjiedelte. Im Auftrage des Kurfürften ftand de Sagey 
während jeines münſteriſchen Aufenthaltes als Vize-Präfident 
dem j. g. partifularzgeiftliden Rate vor, welcher dort zur 
Berjorgung der Angelegenheiten des franzöfiichen Klerus ge- 
bildet war. PBräfident diejer Behörde war der Minifter Franz 
Freiherr von Fürftenberg, älterer Bruder des pader— 
bornishen Fürftbiihofes Franz Egon. Die jegensreiche 
Thätigfeit jenes außerordentlihen Mannes auf den verjchie- 
deniten Gebieten von Staat und Kirche ift mit gebührender 
Bewunderung durch die Gejchichtichreibung und durch das 
dankbare Andenfen des Münjterlandes gewürdigt, was aber 
diejer edle Staatsmann in den Jahren der Emigration an 
ungezäblten Taujenden jener Unglüdlihen in aufopfernditer 
Nächſtenliebe gethan, dürfte heute weniger mehr befannt fein. 
Neden, Briefe, Bitten, Reiten, Koften, nicht? verjäumte er, 
um in und außer dem miünjteriichen Bistume den Fremden 
die möglichite Hilfe zu ſchaffen. Er half ununterbrodhen, voll 
Liebe, aber aud voll Bejonnenheit, er fümmerte fih wo 
2) Siehe Anlage 1. Paderborniſche Yandes-Verordnung vom 20. Sep- 
tember 1794. 
2) Siche Anlage 3. Sammel-Band M. 195, unter Pieces relatives etc. 


69 


möglich um jeden einzelnen. Schon im Mai 1793 erließ er 
an die Klöfter außerhalb Münſter ein dringendes Geſuch, ſich 
der Armen nad Möglichkeit anzunehmen, zum Danke, daß 
der Herr und vor jo jchweren Leiden verfchont und als Für: 
bitte, e3 auch fernerhin zu thun. Ein Aufruf an Stadt und 
Zand in den wärmiten Worten ſchloß ſich an, überall forgte 
er für Uinterfommen und Hilfe, befonders auch für die armen 
Ronnen, die er, als alles bejegt war, al3 Wärterinnen oder 
für ähnliche Dienfte unterzubringen ſich bemühete. Auch an 
der nötigen Aufficht ließ er e8 nicht fehlen. Am 10. Auguft 
1794 verorbnete er, daß alle Pfarrer des Hochitifts, wo ſich 
franzöfiiche Geiftlicde aufhielten, derjelben Namen und Wohn: 
ort, aud wenn einer derjelben fortzöge und mit oder ohne 
Erlaubnis feine Wohnung ändere, oder wenn ſonſt etwas 
dabei anzumerken jei, dem General:Bifariate fofort anzeigen 
jollten. Als aber die Zahl der Einwanderer zu groß wurde, 
als dat da3 Bistum Münfter jie hätte alle aufnehmen können, 
da entließ er die Weiterziehenden, wie er jelbit fchreibt, wider: 
willigen Herzens, unter dem Schmerz der Barmherzigkeit und 
den Thränen der Religion. Seine wärmften Empfehlung3: 
ichreiben follten den armen Flüchtlingen anderswo Thür und 
Herzen öffnen.!) Zu all diefen Bemühungen Fürftenbergs 
kamen zahlloje geichäftliche Verhandlungen mit geiltlichen und 
weltlichen Beamten und Behörden über die Weile zu helfen, 
famen fat täglich vielfach perjönlihe Gejuhe und Bejuche 
um Rat, Hilfe, Beiftand. Und diefe hingebende Thätigfeit 
jegte der edle Mann die ganzen langen jahre des Notjtandes 
ungeſchwächt fort und rajtete auch dann noch nicht, als die 
meiften Fremdlinge in das beruhigte Vaterland zurüdgekehrt 
waren. Noh vom 4. Dftober 1798 bis zum 3. November 
1800 verteilte er aus verjchiedenen Stiftungen 8416 Meß— 


7) Siehe Anlage 4. Sammel-Band M. 195, unter Novae testi- 
moniales litterae., 








70 


ftipendien nach Verabredung mit dem Herrn de Sagey an 
franzöfiiche Geiftliche.!) 

Allen Nachrichten gemäß, melde über die geiftlichen 
Emigranten vorliegen, waren jie der ihnen zu teil gewordenen 
mildthätigen Fürſorge wie zweifellos bedürftig, jo auch fait 
ausnahmslos in hohem Grade würdig. NRuhmvoll ift das 
Zeugnis, welches der große Fürftenberg ihnen ausftellte. 
Er fünne, jagt er, fein Urteil über jie dem des berühmten 
engliihen StaatSmannes Burfe nur völlig anſchließen, daß 
e3 nämlich bewunderungsmwürdig jei, mie jo viel taujend 
Menſchen, jo verjchieden auch nach Geburt, Anlage, Stand 
und Sitten, doch in einem alle übereinjtimmten: in ihrer 
ftrengen Religiöfität nämlih und in ihrer unerjhütterlichen 
Treue gegen den angeltammten König. Sie hätten denen, 
welche jie gaftlich aufgenommen, zum guten Beilpiele gedient 
und nie einen Anlaß zur Klage gegeben. — In der That 
führten die geiftlichen Fremdlinge auch hier zu Lande ein 
ftilles, eingezogenes Leben. Sie beteiligten jih mit Erlaubnis 
am Gottesdienft und verjahen namentlich die Seeljorge ihrer 
weltlichen Landsleute. In Baderborn wurde für diefe in der 


*) Nach den auf die franz. Emigration bezüglichen Akten des General» 
Vikariates zu Münſter. — Gleichzeitig mit dem mildthätigen Wirken 
Fürftenbergs im Münfterlande vollzog ſich vom holſteiniſchen 
Plön aus eine wohl nod) großartigere Bemühung um die notleidenden 
Emigranten. Dort bildete den Mittelpunkt die Marquife de Mon: 
tagu, eine Schwiegerin des berühmten Marquis von Yafajette, 
welche durch die Revolution in jene Elblande vericheucht war. Mit 
raftlojem Eifer wußte diefe bewunderungewürdige Frau aus den ver» 
ichiedenften Ländern, aus Schweden, England, Rußland, Oſterreich 
und Deutſchland die reichiten Hilfemittel zur Linderung der Not ihrer 
flüchtigen Landsleute zu beſchaffen. Die Marguife de Montagu ftand 
zu Fr. Leopold v. Stolberg in engen Peziehungen, durch dieſen 
wieder mit der Fürſtin Gallikin in Münfter, und jo begegnete ſich 
ihr und Fürſtenbergs großes Liebeswerk auf demjelben Pfaden. gl. 
Anne-Paule-Dominique de Noailles Marquise de Montagu. 
Paris, Dentu 1869. 


71 


Univerſitäts-Kirche zeitweilig der Gottesdienft durch einen 
franzöſiſchen Profeſſor der Theologie abgehalten, namens 
Poincare, einen gar feuerigen Mann, der in feinen Predigten 
mit unjerem Abraham a Sancta Clara in derber Dffen- 
beit gemetteifert zu haben jcheint.!) — Auch mit Unterricht 
und Erziehung haben ſich einzelne der Emigranten befaßt. 
In den Überlieferungen des Paulinifhen Gymnafiums zu 
Miünfter lebte geraume Zeit der gutbherzige Abbe Meurillon, 
in deſſen Unterrichtsftunden indes die Schüler mehr der 
Kurzweil ald dem Studium der franzöfiichen Sprache obge— 
legen haben jollen. Größere Erziehungs: Anftalten, welche von 
geflüchteten Geiftlichen geleitet wurden, bejtanden eine Zeit: 
lang unfern Münjter auf der Wilfinghege und im Paderborner 
Lande zunädft im Kollegienhauje zu Büren, jpäter auf dem 
Schloſſe zu Welda bei Warburg. Es waren Trappiften, melde 
nah langen Wanderungen noch im Frühlinge des Yahres 
1801 jich an den legtgenannten Orten mit ihren Zöglingen 
niederließen; jedoch iit ihres Bleibens nicht lange geweſen, 
und auch das Beliktum, das jie um 1800 bei Driburg er: 
warben, haben fie ſchon im vierten Jahre darauf wieder 
veräußert.?) Außer erziehlicher oder gottesdienftlicher Thätig- 


’) In dem Pfarrarchive der MarkKirche findet fi) über jenen Emi— 
granten folgende Charakteriftit: 14. Aug. 1798. P. Rev.d. Poincare& 
Nicolaus Antonius, presbyter congregationis Missionis, professor 
S. S. Theologiae in Seminario Ambionensi, vir pro gloria Dei 
zelosissimus, hic in templo nostro agens ecclesiasten ad exules 
Galliae, non nisi flammas et ignem spirans, nulli parcens ho- 
minum, non ipsis praesentibus episcopis et eminentissimo Car- 
dinali de Monmoranei. 76 Sahre alt. — gratis. (foll heißen: un: 
entgeltlich beerdigt.) 

Gegen die Trappiiten von Büren und Welda erhob ein Emigrant 
namens eclerc heftige Feindichaft und jchrieb ein jeltiam Buch 
„die enthüllten Trappijten“, das 1803 zu Frankfurt a. M. im Drud 
erihien. Für die damaligen Paderborner Berhältniffe bietet das 
Werk troß aller aufgenommenen Dokumente nur hie und da etwas 


— 


72 


feit oblagen einzelne von den Fremden auch der Schriftitellerei, 
jei es, daß fie wie jener P. Henry ihre eigenen Erlebnifie 
niederichrieben, oder einem Vergil nacheifernd die Revolution 
mit ihren Schredniffen darftellten oder jonftige Stoffe zur 
Kürzung ihrer langen Mußeftunden wählten. Bei fleißiger 
Rundihau nach derartigen Werfen dürfte leicht auch heute 
noch manches nicht wertloje Schriftftüd, das damals in Welt: 
falen von franzöfifher Hand angefertigt wurde, ausfindig zu 
machen jein.!) Auf andern Gebieten zeigten die Fremdlinge 
nicht weniger Fleiß und Fertigkeit; e3 waren, wie man von 
alten Leuten oft hören fonnte, wahre Taujendkünftler. 
Schnigereien in Holz oder Elfenbein, Bapparbeiten, Anfertigung 


von Belang; der Inhalt desjelben ift ein häflicher Fleden in dem 
würdig ernjten Bilde der weitfälifchen Emigranten. 

1) Das Werk, welches ein gewiffer Baſton mit Benutzung wohl einer 
der Kerjfenbrodichen Handichriften unter dem Titel: Jean Bockelson, 
ou le roi de Münster verfaßte, das aber erſt 1824 durch Drud 
veröffentlicht fein joll, habe ich nicht zu Geſicht bekommen können. 
Auch mehrere theologische und ascetiihe Schriften follen damals von 
franzöfiihen Emigranten in Münſter herausgegeben fein. Nur als 
Manufkript vorhanden ift ein in meinem Beſitz befindliches langes 
lateiniſches Gedicht über die franzöfiiche Revolution von einem un» 
befannten Emigranten. Dasjelbe umfaßt außer einer Widmung vor 
18 Berjen ſechs Bücher Herameter, im ganzen 2216 Bere. Der 
Inhalt erftredt fi) von den Uranfängen der Revolution bis zu den 
Ereigniljen des- Jahres 1798. Der Dichter, welcher fichtlih Vergil 
fi zum Vorbilde genommen, richtet jein Wert ad cives Westpha- 
licos munificentissimos und beginnt jeine Widmung folgendermaßen: 

Aceipiesne bono, civis, mea carmina vultu 
de tristi nostram patriam vastante procella? 
aceipies: munus non dedignabere parvum, 
quod tibi pro tantis aliis mea musa rependit 
officiis; ete. 

Dad Epos jelbit, Revolutio Gallica genannt, hebt dann aljo an: 
Execranda cano truculenti bella draconis, 
qui iuga detrectans superum livore furenti 
contendit regesque deumque explodere terris, 


73 


von allerlei Maſchinen und Uhrwerk betrieben fie gern und 
mit großem Geſchick, doch gerieten auch fie ähnlich wie ihre 
weltlichen Landsleute darüber wiederholt in unangenehme 
Händel mit den Gilden. Das hatten fie bei einer legten 
Lieblingsbeſchäftigung nicht zu befürchten, bei der ‘Pflege des 
Gartenbaues nämlid und der Obſtzucht, wodurd fie für 
mande große Güter Weſtfalens fich dauernde hohe Verdienfte 
erwarben. 

Bei allem ehrjamen Fleiß war und blieb es gleihwohl 
nur eine kümmerliche Zubuße, welche die Emigranten ſich zu 
verdienen vermochten; ihren Hauptunterhalt danften fie den 
ununterbrodhen und reichlich geſpendeten Gaben derjenigen, 
die ihnen jahrelang um Gottes Lohn auch freies Obdach 
geboten. Der Größe der Wohlthaten, welche die Fremden 
bier zu Lande genofjen, entipradh das Maß der Dankbarkeit 
und des Lobes, das fie den Gebern zollten. Wie rühmten 
die im Münfterifchen Weilenden den Kurfürften, wie nament: 
lih ſeinen Minifter und General-Bifar, den edlen Fürſten— 
berg. „Daß er rei war, jchreibt P. Henry in feinen Er- 
lebniffen, machte ihn darum glüdlih, weil er viel mitteilen 
fonnte, ſetzte er doch feiner Mildthätigfeit feine andern Grenzen, 
als die jeines Vermögens; ja man kann verlihern, daß er 
durch jo viele Freigebigfeit und Wohlthaten gegen die not- 
bürftigen Briefter arm wurde. Sein Andenfen wird beim 
franzöfiihen Klerus jeder Zeit im Segen fein.” — Den 
Gejamtausdrud der dankbaren Gejinnung, welche die fremden 
Geiftlihen gegen ihre Wohlthäter empfanden, gibt wohl am 
beiten ein Schriftſtück wieder, welches von franzöſiſcher Hand 
damals andern einichlägigen Dokumenten zugefügt wurde 
und mit diejen fowie den bereit® oben beiprochenen Liſten 
der münfterländifhen Emigranten jenen für die Zeitgejchichte 
jo wertvollen Manujkripten:Band bildet.!) In diefer Kund— 


1) Vgl. die Inhaltsangabe diefed Sammel-Bandes M. 195 auf Seite 56 
diefer Abhandlung und das dort unter h. aufgeführte Dokument: 


74 


gebung heißt es: „Wir fehen e8 mit Genugthuung, der Herr 
gefällt ih, in eure Mitte Männer nach feinem Herzen zu 
jegen. Was jollen wir jagen von diefem edlen Manne, welcher 
das Vertrauen des Fürften und das eurige in jich vereinigt, 
defjen ſämtliche Gedanken, ſämtliche Thaten euren Ruhm, 
eure Erziehung, euren Fortjchritt und euer Glüd zum Ziele 
haben. Was jollen wir jagen von diefem weiſen, mädtigen, 
gewaltigen Manne, den ein jeder zum Obmann will, den 
feine Arbeit erfchredt, dent fein Wiſſen fremd ift, deſſen kühnes 
und bervorleuchtendes Talent erfaßt und ausführt mit der 
Schnelligkeit des Blitzes. Dankt das Vaterland nicht ihm Die 
Aufklärung und die Tugenden feiner Bewohner? Wenn die 
Innigkeit der Gläubigen dahier in uns die Erinnerung an 
die eriten Zeitalter der Kirche zurüdruft, jo dankſt du, gott- 
geliebtes Volk, ihm diefe Auszeihnung!” — Dieſem glän- 


Les ecelesiastiques francais aux charitables habitans des ville et 
pays de Münster. Die im Tert etwas freier wiedergegebene Cha— 
rakteriſtik Bürftenbergs lautet in der Handichrift wörtlich aljo: 
Nous le voyons avec satisfaction, le seigneur se plait & placer 
au milieu de vous des hommes selon son coeur. Que dirons nous 
de ce personnage illustre qui reunit la confiance du prince et 
la vötre, dont toutes les pensces, toutes les actions ont pour 
but votre gloire, votre &dification, votre instruction, votre bon- 
heur; de cet homme sage, fort, robuste et valide que chacun 
veut avoir pour arbitre, qu'aucun travail n’effraie, a qui aucune 
science n'est etrangere, dont le genie hardi, vaste et brillant 
congoit et execute avec la rapidite de l’eclair. N’est-ce pas & lui 
que l'humanité souffrante doit les soulagemens que lui procure 
letablissement d'un celebre college? N’est-ce pas a lui que la 
patrie est redevable des vertus et des lumieres de ses enfants? 
Si l’air que nous respirons est sain, si les moeurs sont encore 
iei dans leur premiere simplieite, si la ferveur des fideles rap- 
pelle celle des premiers äges de l’eglise, si la science est reduite 
ici a la connaissance de dieu et a la pratique des .devoirs de la 
religion, si de jeunes \evites se forınent, à l’ombre du sanctuaire, 
à l’exercice des vertus sacerdotales, c’est a lui, peuple cheri de 
dieu, que vous devez tous ces avantages, 


75 


zenden Lobe Fürftenbergs jchließt fich ein überaus warmer 
Erguß der Dankbarkeit an und eine bewundernde Aufzählung 
von all dem Guten, das er ihnen zugefügt. Doch nicht weniger 
Ihön als der Kranz, den die Fremden dem Fürften und den 
hervorragenden Männern und Behörden jeines Staates zu 
Füßen legten, ift jener, womit fie die Hochherzigfeit der ge: 
jamten Bevölkerung und namentlich der von Münfter ge— 
Ihmüdt haben. In diefem Sinne heißt es in der eben ge- 
nannten Handſchrift an einer anderen Stelle: „Wir jahen 
eure Augen vol Thränen, euer Herz befümmert, eure Arme 
ich öffnen, um bie von und zu umarmen, deren ein jeder 
von euch fih annehmen wollte. Ja, teure Münjteraner, wir 
jagen es ohne Schmeichelei, und unjere Lippen reden die 
Wahrheit: fein Land, feine Gejchichte bietet in den Zeiten 
der Berfolgungen, welche die Kirche Jeſu Chriſti verherrlicht 
haben, jo vielfältige, jo rührende Züge aufopfernder Liebe 
ald das eure.” — Diefelbe Glut danfbarer Empfindung 
Ipriht aus den Worten jenes dem Namen nad gleichfalls 
unbefannten lateinijchen Dichters, der unter den münſteriſchen 
Emigranten erjtand. „Hier, fingt er, lebte der von langen 
Schreden geängftigte Geift froh wieder auf. Jubelnd fingt 
unjer Chor dem Herrn feine Lobgefänge, wie die Hebräer 
voreinit, als jie Vharaos Lande entronnen!” — Auch der 
franzöjische General-Bilfar de Sagey, der ala Füritenbergs 
Beiſtand Schon mehrmal3 genannt wurde, jchreibt noch im 
Juni 1796 von Münfter aus an einen Freund, nachdem er 
die empfangenen Wohlthaten aufgezählt: „In Wahrheit kann 
gejagt werden, daß das Münfterland in ganz Deutjchland, 
iher in Norddeutichland, in eben demjelben Grade vor den 
andern Gegenden fich ausgezeichnet hat, al3 ver Liebe der 
Vorrang gebührt vor allen übrigen Tugenden!” — Bei der 
ähnlich großen Mildthätigkeit, die auch im Paderborner Lande 
den geiftlihen Emigranten erwiefen wurde, mag es an ähn- 
lien Befundungen des Danfes auch dort nicht gefehlt haben, 


76 


doch habe ich in dem für diefe Landesteile leider jo ſpärlichen 
Schrifttum nur ein zeitgenöffiiches Zeugnis ermitteln fönnen. 
In einem vom 21. März 1802 gezeichneten Schreiben des 
früher genannten Xeclerc!) an den Fürftbiihof von Pader: 
born heißt es: „Ew. hochfürjtlichen Gnaden jind immer eine 
zweite Vorjehung für die armen franzöfifhen Emigranten 
und bejonders für die Priefter gewejen. Kein Fürft in der 
Melt hat eine jo ausgedehnte, fo ausdauernde, jo edelmütige 
Mildthätigkeit bewiefen. Alle Emigranten werden dieje gewiß 
in unauslöſchlichem Andenken behalten!” — Zu ſolch und 
ähnlichen Worten innigiter Erfenntlichfeit gejellten die mittel- 
lofen Flüchtlinge die ihnen fait allein möglide That des 
Dankes durch Gebet und Darbringung des heiligen Opfers. 
Nah einer Anordnung des Kardinal de la Rochefoucauld 
brachte am Donnerstage einer jeden Woche einer der fran— 
zöfiichen Prälaten morgens 10 Uhr in der Lamberti-Kirche 
zu Münster das hl. Meßopfer dar, um für alle empfangenen 
MWohlthaten den Segen des Himmel! auf Stadt und Land 
herabzuflehen. Dasjelbe geihah am ſelben Wochentage und 
in derjelben Abjicht von allen andern außerhalb der Haupt: 
ftadt im Fürſtbistum weilenden geflüchteten Priejtern.?) 


2) In deffen oben erwähnten Ruhe „Die enthüllten Trappiiten.” ©. 86 f. 
2) Sammel-Band M. 195 unter Ordre de la celebration des messes. 
— Nach der Chronik der Jahre 1794—1832, ©. 5 celebrierte in 
ber Lamberti-Kirche zu Münſter das erfte Mal der Kardinal v. l. R. 
dann nach der Ordnung die andern Biſchöfe, bis die Neihe wieder 
an den Kardinal fam. Derjelben wohnten die Emigranten, ſowohl 
geiftliche als weltliche, bei, und nach der hl. Meſſe wurde die Litanei 
de St. nomine Jesu gebetet. — Bon den im DOfficium vorgejchrie 
benen Hymnen mag bier folgender angeführt fein. 
1. Gliscens per umbras impietas, diu 
Non ausa tetrum tollere verticem, 
Cervice procedit superba 
Nunc faciles agitans triumphos, 


77 


Aus der jo ausgedehnt und jo herzlich den Fremdlingen 
zu teil gewordenen Gaftlichkeit erklärt es fih, daß auch da 
noch, ald in den franzöfiihen Landen die Verhältniſſe für 
bie Flüchtlinge ſich gebejlert hatten, und viele zurücgefehrt 
waren, mande, welche bei ſchwachem Körper die Weite des 
Weges jcheuten, oder auch jetzt noch nicht mit den in ber 
Heimat obmwaltenden AZuftänden fih in Einklang zu jeßen 
vermodten, in Weitfalen verblieben; e8 waren in den fol: 
genden Jahren ihrer noch viele hunderte. Endlich ſchien für 
alle die frohe Stunde der Rückkehr zu ſchlagen. Die geſetz— 
gebende Berjamlung zu Paris widerrief am 25. Auguft 1797 
das Verbannungs-Gejet, welches ehedem gegen alle Geiftlichen 
erlajjen war, die den bürgerlichen Eid nicht hatten ſchwören 


2. Ruunt Tonantis templa; sub impia 
Cadit securi vietima Pontifex: 

Aris sacerdotum ceruorem 
Aemula mors, tibi Christe, libat. 

3. Inebriatur sanguine martyrum 
Tellus, et exul mille periculis 
Elapsa terras pars superstes 
Sole alio petiit calentes. 

4. Credent nepotes? maius adhuc nefas 
Novumque mundo: proh dolor! en dea... 
Horremus effari: quod audent 
Sacrilegi melius silendum. 

5. Datum sat irae: millia quot genu 
Baal recusant! Reliquias, Deus, 

Ne sperne sanctas; aut labantis 
Terra trabet fidei ruinam. 

6. Si nos relinques, corruet et fides. 

Dies nefandos abbrevia, Pater, 

Memor piorum. Jam minaei 

Clade ruit periturus orbis. 

Sit summa Patri summaque Filio, 

Sit, alme, compar laus tibi, Spiritus 

Cum gente digneris benigna 

Nos superis sociare regnis. Amen, 


7 


78 


wollen. Ein großer Teil der Priefter kehrte zurüd, andere 
ihidten fih an, ihnen zu folgen, als plöglih am 4. Sep— 
tember nah einem Wechjel der in der franzöliihen Haupt— 
ftadt herrichenden Parteien der eben gefaßte Beſchluß aufge- 
hoben wurde. Die bereit3 abgereijten Priefter famen dadurd 
in die ärgfte Bedrängnis. Bon der Stimmung der Gebliebenen 
zeugt der Klageruf des Priors von Reſſons, der jich damals 
noch zu Klarholz aufhielt: „Nun wifjen wir gar nicht mehr, 
wann unjere Gefangenichaft ein Ende nehmen wird; Gott 
allein hat es sjich vorbehalten, uns aber liegt e8 ob, von 
feiner Güte und Geduld dieje Zeitbeftimmung zu erwarten!” 
Nah langem neuen Harren wurde endlich durch Senat3:Be- 
ihluß vom 26. April des Jahres 1802 die Mafje der Laien 
und Prieſter, wenige ausgeſchloſſen, in ihr Vaterland zurüd- 
berufen. Diele machten Gebrauh davon, für eine große 
Anzahl aber fam die Freudenbotichaft zu ſpät, fie ruhten 
bereit3 in der gaftlichen Erde, die ihnen zur zweiten Heimat 
geworden. Wie viel Drangjal, Kummer und Elend, aber auch 
wie viel Dulderfinn und Treue in diejen fremden Gräbern 
fein Ende gefunden, davon zeugt hie und da ein alter Zeichen 
ftein mit feiner Inſchrift, hie und da eine kurze Bemerkung, 
die in den kirchlichen Totenbüchern der weitfäliihen Pfarren 
zu dem Namen eines Berjtorbenen hinzugefügt wurde.!) Zu 


) Inter den Archiven der Stadt Paderborn bieten die der Gau-Kirche 
und der Mark-Kirche in diefer Beziehung ziemlich zahlreiche Nach— 
richten. Der Zufaß „gratis“ bei den meilten der hier aufgeführten 
Beritorbenen bezieht ſich auf die Unentgeltlichfeit des Begräbniſſes 
und redet dadurch deutlich genug von der Dürftigfeit der Beerdigten. 
Fine Ausnahme bildet folgender Bermerf: 5. Mai 1799 F Abbatissima 
Princeps de Münster Bilsen, nata ex |. de Bentinck Lempricht; 
cum Galli oceuparent ipsius ditionem hie exul, praefulgens 
urbi sanctissimis exemplis, liberalis in pauperes eflusissime vix 
non tota die occupata unice rebus spiritnalibus. Sepulta est in 
templo P. P. strietioris observantiae S. P. F. duplieiter solutis 
sepulturae iuribus. (Das ift vermutlich diejelbe Perjon, welche in 


79 


Münfter ftarb bereit3 im Jahre 1795 der Fürſt von Lob: 
kowitz, Biichof von Gent, welcher auf dem Johannis-Chore 
des Domes beigejegt wurde. Zu Paderborn verſchied am 
23. Januar 1799 nad) einer mehr als zweijährigen Krank: 
beit der Bilchof von le Mans, Gaspard de Jouffroy 
Gonjjans, umgeben von mehreren Prieftern feiner Diözeje. 
Seine Leiche wurde zwei Tage darauf im nördlichen Quer: 
ſchiff des Domes vor dem Yiboriusaltare feierlid” zur Erde 
beitattet und mit einem Grabjteine gededt, deſſen Inſchrift 
des heiligen Patronen berühmten Nachfolger feiert, „der als 
ein Belenner jeines Glaubens von feinem Stuhle und aus 
dem Vaterland vertrieben für den Namen Jeſu Elend, Ge: 
fahren und Schmach jonder Zahl getragen, durch des Fürſt— 
biichofes Franz Egon Güte dann in Paderborn eine neue 
Heimat gefunden.” — Auch das Oberhaupt der nach Weit: 
falen geflüchteten Geiftlichen, der Kardinal de la Rochefou— 
cauld, jah Frankreich nicht wieder. Im Alter von 89 Jahren 
itarb diejer ehrwürdige Kirchenfürft am 23. September 1800 
zu Müniter, wo er jeit 6 Jahren in ftiller Zurücgezogenbeit, 
aber als Gegenitand allgemeiner Berehrung, gelebt hatte. 
Seine legte Nuheitätte fand er auf dem alten Chore des 
Domes, zu Füßen des Altares, an dem er das hl. Opfer 
darzubringen gepflegt. Am 27. September, 91/2 Uhr, beitattete 
man ihn mit den Ehren, die jeinem glänzenden Charakter 
und jeiner hohen Stellung entipradhen. Unter Bortritt des 
gejamten Ordens: und Welt-Klerus trugen ihn die Domberren 
jelbft zu Grabe. Nach dem Leichnam folgten drei emigrierte 
Biſchöfe, die geiftlihen Teftaments-Bolljtreder, der ganze 
Adel, die Behörden, der Stadt-Magiftrat, viele Bürger und 
über 300 Emigranten, meiltenteil3 Geiftlide. Den Schluß 
des feierlihen Zuges bildeten der Stab und die Offiziere 


dem oben erwähnten Magiitrats-Prototoll vom 29. Oft. 1794 als 
eine Fürſtin von Münſterbilſen aufgeführt wird.) 


80 


des preußifchen NRegimentes Schlade, welches damals in 
Münfter lag, und endlich die Truppen des Fürftentums, 
Infanterie, Kavallerie und Xrtillerie.!) — Wenige Jahre 
ipäter folgten dem Kardinale zwei Männer im Tode nad), 
die ihm als Neffen durch die Bande des Blutes, ala Biſchöfe 
durch ihre Würde, als Leidensgefährten durch Nahahmung 
und treue Anhänglichkeit eng verbunden gemwejen; es waren 
die beiden Brüder Ludwig Karl und Johann Baptift 
du Pleſſis d'Argentré, jener Biſchof von Limoges, diejer 
von Séez. Der legtere ftarb gleichfalls zu Münjter im Februar 
1805, fein Bruder ebendort 3 Jahre fpäter. Auch im Grabe 
wahrten fie die brüderliche Gemeinjchaft, dicht neben einander 
gebettet auf dem früheren Bilarien-flicchhof des hohen Domes. 
— Einzelne wenige verbannte Geiftlihe überlebten die Ge— 
nannten geraume Zeit und weilten noch Jahrzehnte in unjerer 
heimiſchen Gegend, bis auch fie der Tod dahinraffte. Im 
Münfter war der legte der Abbe Meurillon, ein Priejter- 
jubilar von 77 Jahren und faft 50 Jahre in der weftfäliichen 
Hauptitadt anfällig, geitorben am 19. Januar 1842. Die 
nachbarliche Biſchofsſtadt Paderborn ſah noch einige Jahre 
länger einen legten Zeugen innerhalb ihrer Mauern. Es 
war ein früherer Kartäujer, Jerome Bautier mit Namen, 
der als Pater Hieronymus männiglich befannt war. Zwiſchen 
dem SKafjeler und Giersthore hatte fi der wandermüde 
Fremdling, der dur Orgelbau fein Leben zu friften juchte, 
ein einfames Häuschen am Stadtgraben gebaut, wohl nicht 
ahnend, daß er dadurch für jenen bald mehr bebauten Stadt: 
bezirt Anlaß gab zu der jegt üblichen Benennung „der fran- 
zöſiſchen Neuſtadt.“ An der Außenfeite des Haufes, nach der 
Promenade hin, hatte der glauben: und königstreue Priejter 
als einzigen Schmud eine metallene Lilie angebradt. Wie 


4) Zeitjchrift für Geh. und Altertumsk. Weſtfalens. Sahrgang 1857. 
©. 341 f. 


81 = 

mancher mag an diejem jinnigen Zeichen vaterländijichen 
Denkens und Fühlens abnungslos vorübergegangen jein. 
Jetzt ift die Fönigliche Lilie der Burbonen wie vom Banner 
Frankreichs, jo aud vom Häuschen des fremden Giedlers 
längjt verihwunden, und aud den einjamen Hausbewohner 
hat man jeit langem hinausgetragen zur legten Rubejtätte. 
In Jerome Bautier ftarb am 9. Januar 1847 auf weit 
fäliihem Boden meines Wiſſens der legte geiltlihe Emigrant, 
ein legter Vollzeuge einer fturmbemwegten Zeit, doch auch einer 
Zeit, welche unjern Bätern Gelegenheit gab, ſich den ſchönſten 
Ehrenpreis zu erringen, den der Barmherzigkeit und opfer: 
freudigen Nädhitenliebe. 

Die Emigration, auch joweit fie nur Weitfalen berührte, 
war ein zu bedeutjamer gejchichtlicher Vorgang, als da er 
ihon bald aus dem Andenken der Bewohner diejes Landes 
hätte Ihwinden können, jelbjt da, al3 von den Fremdlingen 
auch der lehte ins Grab gejunfen. Noch lebte im Lande jo 
mancher Eingeborne, in dejjen „jugend der Aufenthalt jener 
Flüchtlinge gefallen, jo mander, der mit ihnen verkehrt, mit 
ihnen Hausgenofje gewejen war. Aber mit dem VBorrüden 
der Zeit nahmen allmählich Erinnerung und Überlieferung 
ab, und immer mehr verblaßten die Töne des einit jo lebens: 
vollen Bildes. Frankreich ſelbſt Schien die Wohlthaten unjerer 
Bäter vergefjen zu haben, in jeinen Geſchichtswerken fanden 
fie feine Erwähnung. Da kamen im Sommer des Jahres 
1868 zwei gelehrte Angehörige der Diözefe Rouen nad 
Müniter, von dem Wunjche geleitet, die Gejchichte des auch 
heute noch in Frankreich hochberühmten Kardinals de la 
Rochefoucauld an jeinem legten Aufenthaltsorte big zum 
Ausgange zu erforichen. Mit fichtlicher Gemütsbewegung be— 
juchten jie auf dem alten Steinweg das Haus des Profefjor 
Chriſtoph Schlüter, in welchem einft der Kirchenfürjt gewohnt, 
dann begaben ſie jich in den Dom, um am Grabe des Kar: 


dinals zu beten. Während ihres mehrtägigen Aufenthaltes 
XLVI. 2. 6 


82 
in Münfter verwendeten die Fremden ihre Zeit vornehmlich 
dazu, um aus den ihnen zur Verfügung gejtellten Schriften, 
welche von der Emigration in Wejtfalen melden, mit großem 
Eifer Auszüge anzufertigen. Die nicht unerhebliche wiſſen— 
Ichaftliche Ausbeute wurde kurz darauf von einem der Heim: 
gefehrten in einer Neihe von Aufſätzen verwertet, welche im 
September 1868 in der religiöjen Zeitichrift: La Semaine 
Religieuse du dioc&se de Rouen erſchienen. Dieje Ber: 
öffentlihungen haben in Franfreih Aufmerkjamfeit erregt 
und zwar außer in dem Erzbistume Rouen vielleicht bejonders 
in den Diözejen von Séez und Yimoges, deren Biſchöfe zur 
Zeit der Revolution die gleichfalls nad) Weſtfalen geflüchteten 
und dort gejtorbenen Brüder du Pleſſis d'Argentré ge: 
wejen waren. Frankreih empfand den Wunſch, die Gebeine 
feiner in der Fremde vejchiedenen Oberhirten wieder in das 
Vaterland zurüdführen zu können. Allein der bald darauf 
ausgebrochene große Nationalkrieg ließ alle® andere vorab 
in den Hintergrund treten und zerriß für die nädjiten Jahre 
auch die gejellichaftlichen Bande zwiichen den beiden Nachbar: 
völfern. Nachdem die Gemüter sich in etwa beruhigt, wurde 
drüben der Wunſch von ehedem wieder aufgenommen. Zur 
Ausführung des Gedanfens trat der franzöjiiche Minifter des 
Äußeren mit unjerm Neichsfanzler in Beziehung, um die 
Nücgabe der Gebeine zu ermöglichen. Seitens der jtaatlichen 
und bifchöflichen deutichen Behörden wurde das größte Ent— 
gegenfommen gezeigt. Infolge dejjen fam zu Anfang des 
Jahres 1875 eine Abordnung aus der Diözeſe Séez nach 
Münſter, welche bei der Ausgrabung der Gebeine des Bilchofes 
Ludwig Karl du Pleſſis d'Argentré am 3. Yebruar 
zugegen war und dann Ddiejelben nach Frankreich überführte. 
Die Feier, welche bald darauf am 13. April in der alten 
normannijchen Bilchofsftadt bei der Beitattung der Gebeine 
fih vollzog, glich mehr einem Triumphzuge als einem Toten: 
fefte. Im Beilein der nachbarlichen Biihöfe, der angehörigen 


83 





Adelsfamilien, aller weltlichen und geiſtlichen Behörden und 
einer zahlloſen Volksmenge wurden die Überreſte in dem 
Dom von Söéäez beigeſetzt. Die Leichenrede hielt der Biſchof 
von Nantes, von deſſen beredten Lippen vielleicht zum erſten 
Male in einer öffentlichen Verſammlung Frankreichs, das 
wärmſte Lob ſtrömte für all die Wohlthaten, welche die 
Weſtfalen, und Münſter vorauf, einſt dem Toten da und ſo 
vielen ſeiner Landsleute erwieſen.) — Wenige Monate nad) 
der Ausgrabung des Biſchofes von Séez erfolgte zu Münſter 
eine zweite Leichenerhebung, die nämlich des Kardinals de 
la Rochefoucauld. Zu dieſem Endzwecke war eine Ab— 
ordnung des Kardinals de Bonnechoſe, Erzbiſchofes von 
Rouen, eingetroffen, um die ſterblichen Überrefte ſeines ge— 
feierten Vorgängers zu erheben und in die Heimat zu über: 
tragen. Da die Erlaubnis dazu bereitwilligft erteilt worden 
war, jo fand die Erhebung am 14. Oktober um die Mittag: 
ftunde ftatt. Sn der unter dem Flur des alten Chores, hart 
vor dem Altar der Pieta, gelegenen fehr geräumigen Gruft 
fand fih nad Öffnung des Mauerwerkes die Leiche in vollem 
Pontifikal-Ornate vor, jedody waren nur die Gebeine wohl 
erhalten. Die franzöſiſchen Abgeordneten ftiegen in die Grab: 
ftätte hinab, trugen, wie das darüber aufgenommene Protokoll 
jagt, mit jener Ehrfurdt, welde dem Fürſten der Kirche 
und ftandhaften Belenner der Glaubens gebührt, die Gebeine 
und fonftigen Überrejte hervor und legten alles in eine Tumba 
nieder, welde unter den üblihen Gebräuchen verjchlofjen 
wurde. Im Don von Rouen jollen die fterblichen Überreite 
des Kardinal nad einem feierliden Empfange bald darauf 
unter einem großartigen Denkmal ihre Teßte Nuheftätte in 
heimifcher Erde gefunden haben. Auch die Gebeine des zweiten 
biſchöflichen Neffen des Kardinal? de la Rochefoucauld, 


1) La Semaine Catholique du diocese de Seez. Jahrgang 1875. 
Nro. 16. ©. 243 fi. 
6* 


84 

des Bilchofes Ludwig Karl du Pleſſis d’Argentre, 
wurden wenige Monate jpäter zurüdgeführt. Am 18. April 
1876 erfolgte diefe Ausgrabung in Gegenwart eines nad) 
Münfter entjendeten Domherrn von Limoges, der die Über: 
führung nad Frankreich bejorgte, das damals einen rühme 
lihen Eifer zeigte, mit glänzenden Ehren jene jeiner Toten 
wieder aufzunehmen, welche die wilden Stürme der Revolution 
einit im Leben vom heimijchen Boden weggeriſſen hatten, um 
die Leidverfolgten endlich in fremden Ländern und bejonders 
in Weftfalen eine gaftlihe Zuflugtsftätte finden zu laſſen. 


Anlagen. 


Ordinatio episcopalis circa recipiendos et fovendos 
gallos sacerdotes in dioecesi 20. Sept. 94. 
(Aus den Hochfürſtl. Paderborner Yandes » Verordnungen.) 


Nos Franciscus Egon, 


Dei Et Apostolicae Sedis Gratia Episcopus Paderbor- 
nensis Et Hildesiensis, Sacri Romani Imperii Princeps, 
Et Comes Pyrmontanus etc. 


Neminem profeeto latet, quanta Sacerdotes galli ob constantem 
Christianae Religionis Confessionem, et recusatum Juramentum, quod 
eivicum vocant, exulare ceoacti, incommoda pertulerint: patria eiecti, 
beneficiis et bonis omnibus spoliati, in exteris regionibus dispersi 
fidelium charitatem et vitae subsidia implorantes. Hinc christiana 
charitas tum ecclesiasticorum, tum saecularium huius Nostrae Dioe- 
ceseos, qua hos Confessores Christi promptissime susceperunt, adhue 
suscipiunt, ac alunt, Nos mirifice consolata est, Persuasum enim 
Nobis est, nusquam iustius, nunquam sanctius posse erogari subsidia, 
quam in eos, qui propter causam Christi rerum suarum dispendia 
sustinuerunt, quique, quod Deo magis obedire vellent, quam Howi- 


85 


nibus, e Patria sua contumeliose et violenter eiecti sunt, aut eam 
deserere coacti, modo egentes, uti ait Apostolus, angustiati, afflieti, 
peregrinas peragrant regiones, atque inter ignotos vitam quasi soli- 
tariam degere compelluntur. 

Verum, eum non raro contingat, ut mali se probis admisceant, 
ac lupi pelle tegantur ovina, ut securos se reddant, aut eo facilius 
fallant incautos, opus erit vigilantia, ac Jiligentissime curandum, ne 
inter viros istos ex clero inclytos, qui propter Christum omnia de- 
trimentum fecerunt, omni laude ac commiseratione dignissimos, ho- 
mines perversi irrepant et seductores, qui non solum sanctissimis 
Ecelesiae Sacramentis abutantur sacrilegi, sed et concreditum Nobis 
catholicum gregem pravis princeipiis eirca Religionem, vel mores, aut 
Gubernationem Reipublicae tam sacram quam politicam inficere mi- 
nime vereantur. Fieri quippe facile posset Imo ut Sacerdotes aut 
iurati, aut ab intrusis Episcopis, forte etiam invalide ordinati se 
immisceant; aut IIdo etiam Emissarii adversae factionis simulate ex- 
pellantur, et sub falsa hac specie exploratores in exteris regionibus 
agant et seductores; aut denique IIItio Sacerdotes vere expulsi, vel 
ob naturae humanae fragilitatem ad deteriora inclinent, vel forte 
minus rectis circa Gubernationem prineipiis imbuti, turbarum semina 
iaciant. 


Quum vero ex horum, siqui existerent, culpa, quamvis etiam 
paucorum, non solum egregiorum Sacerdotum Existimatio valde ex- 
tenuanda, ac Patriae Nostrae non leve periculum pertimescendum 
foret; sed exinde etiam cautiores Nos imposterum, ac circa recipien- 
dos et fovendos gallos Sacerdotes difficiliores esse oporteret: hine 
ut debite satis et mature hisce occuratur malis, tenore praesentiam 
statuimus ac 

A.) Vicariatui Nostro in Spiritualibus Generali distriete prae- 
cipimus, ne quos Sacerdotes gallos recipiat, nisi certissimis et indu- 
bitatis testimoniis Rmi D. Joachimi Mamerti Franeisci de Conzie 
ArchiEpiscopi Turonensis aut D. de Sagey Vicar, gen. Cenomanensis 
munitos; cum Literae testes «le patria et moribus eorum ab extraneis 
exaratae, num genuinae sint ac syngraphae, vix aut nevix possint 
dignoski. 

B.) Ut omnibus Sacerdotibus receptis certus commorandi ad- 
signetur locus, quem mutare sine praevia Vicariatus gen. licentia 
nequaquam audeant, atque ut quivis certo loco adseriptus Sacerdos, 
vel domus religiosae superiorem, vel Parochum loei ut suum Inspec- 
torem revereatur. 


C.) Monemus omnes Sacerdotes in hac Nostra Divecesi com- 
morantes, ac hortamur in Domino, ut iuxta pientissima ac sapien- 
tissima monita Eminentissimi D. Cardinalis de la Rochefoucault vitam 
suam instituant. 

D.) Vicariatui Nostro gen. iniungimus ac mandamus, ut vitae 
ac Doctrinae Sacerdotum Gallorum per se, per superiores ordinum, 
Parochos, aliosque attente invigilet. 

E.) Cum vero horum exterorum Sacerdotum vita et mores 
Vicariatum Nostrum gen. fallere possint, hine idem Vicariatus Sacer- 
dotibus quibusdam gallis, quos aetate et moribus prae aliis matu- 
riores, ac spiritu et sapientia praestantiores invenerit, demandabit 
provineiam, ut fratribus suis sedulo invigilent, et siquos in via Do- 
mini non recte ambulantes compererint, id Vicariatui mature denuntient. 

F.) Vicariatus vero Noster gen. eos Sacerdotes, quorum vita 
vel doctrina minus probata fuerit, Patriam Nostram sine mora deserere 
iubebit; quodsi autem graviora etiam delicta (quod Deus avertat) 
intervenerint, iusta quoque poena secundum ecclesiasticas et syno- 
dales leges in Transgessores animadvertat. 


Dabantur Neuhusii 20ma Septembris 179. 


Franeiscus Egon. 


Paterne Consilium abeundi datum sacerdotibus 
(Giallicanis iunioribus. 28. Octob. 1794. 


NOS Franciscus Egon, 


Dei Et Apostolicae Sedis Gratia Episcopus Paderbor- 
nensis Et Hildesiensis, Sacri Romani Imperii Princeps 
Et Comes Pyrmontanus ete. 


Attendentes Christianae charitatis legem, ac dolendam sortem 
eorum, qui propter Christum omnia detrimentum fecerunt, continuo 
prae oculis habentes, nihil non egimus, agemusque imposterum, ut 
venerabilibus istis viris, Sacerdotibus ex gallia vel expulsis vel emi- 
grare coactis opportuna solatia ac Vitae subsidia procurarentur. 

Quum vero ex una parte illorum, nec non eorum, qui ex bel- 
gieis aliisque Provineiis intra breve tempus torrentis instar 
hane dioecesin quasi inundant, numerus adhuc in dies 


augeatur, ac in praesentiarum adeo incereverit, ut omnes 
sustentari, alique non possint, ac periculum nimiae cari- 
tatis pro annona et vitae necessariis, ac famis inde ori- 
undae non immerito pertimescendum, sicut iustae desuper 
querelae, a fidelibus dileetisque Patriae Nostrae suhditis ad Nos 
modo frequentes delatae sunt: ex altera vero parte spectato Christianae 
charitatis ordine infirmorum ac deerepitorum praeprimis Sacerdotum, 
eorumque qui prae aliis magis indigent, praeecipua Nobis cura ge- 
renda sit: hinc degentibus in hac Divecesi Nostra Sacerdotibus Galli- 
eanis jumioribus, ac etiam senioribus adhuc vegetis etc. ad iter 
proseqnendum satis robustis, ut ulterius, atque in alias progrediantur 
Diveeeses, locumque infirmis, senibus maximeque indigentibus cedant 
consilium hisce paterne suggerimus. 

Ipsos insuper rogamus ac hortamur in Domino, ut amicabili 
huie nostro consilio satis mature gerant morem, dum aura suo modo 
adhuc favet, et fidelium charitas in reeipiendis ipsis fovendisque 
etiamnum fervet, ne quod absit, Nobisque acerbum foret, id quod 
omnino paterne suademus modo, imperare suo tempore pro officio 
nostro, justitiaque exigente, eogamur; ipsique sibi debeant imputare, 
si iter iisdem in hyeme faciendum, ac mutatis forsan rerum tem- 
porumque eircumstantiis, et refrigescente paulatim erga ipsos Christia- 
norum charitate non invenirent locum in diversorio. 

Quod si eveniret, dolendum sane foret, eveniet autem certissime, 
si paternis Nostris consiliis ac suasionibus opportunis modo non 
acquiescant, ac tum pro pace Nostra Nobis hoe erit solatium: Dixi, 
satis mature praedixi, et salvavi animam meam. 


Datum Neohusii A. 1794 die 28va ÖOctobris. 


Dominieus de la Rochefoucault, Dei Misericordia et 
Sanctae Sedis Apostolicae gratia sacrosanctae Ecclesiae 
Romanae Presbyter Cardinalis, Archiepiscopus 
Rotomagensis, etc. 


Salutem omnibus, etc. 


Cum de iis viris, qui, ne suis erga Ecelesiam offieiis deessent, pa- 
triam omniaque mundana reliquerunt, quemvis optima quaeque sibi 
polliceri aequm est, tum haud abs re fuerit, eosdem in Domino 


88 





monere ac rogare, ut magnum istud gratiae divinae beneficium, quae 
promptos reddidit eos ad offerendos semel in sacrificium pro fide et 
relirione, grata mente recolentes, eo maiore semper studio annitan- 
tur, ut fidem suam operibus bonis, patientia, ferventi devotione, 
earitate, modestia ac diseretione, ubicumque ad haee occasio se offerat, 
testatum omnibus faciant, 

Indesinenter ex toto corde orandum sibi esse sciant, ut Deus, 
pater misericordiarum et auctor pacis, hanc virgam iustitiae suae a 
populo suo Galliecano atque ab omnibus Europae nationibus retrahere 
dignetur; atque uti opus est: pro loco et tempore, naturam genusque 
huius perseeutionis luculenter ac graviter describere, ita et oportet, 
ut prae oculis habentes exemplum Jesu Christi et martyrum, qui 
eius vestigia secuti sunt, nihil unquam, odio aut acerbitate mentis 
ducti, de persecutoribus loquantur, sed pro iisdem Deum orent atque 
ad id faciendum etiam alios adhortentur. 

Sic, ubi opportunum fuerit, illis, quibuscum sunt, demonstrent, 
quid mali demum in Galliam intulerint iniustitiae, morum depravatio, 
irreligio atque factiosorum hominum artes et corruptio, 

Erga eos, quorum hospitalitate fruuntur imprimis, si inferioris 
conditionis sint, comes ac benignos se prebeant. Pro diversa popu- 
lorum indole aliaque agendi ac vivendi ratione, cuicumque se in 
omni re accommodabunt facilius, si meminerint, Apostolum studuisse 
omnibus omnia fieri. 

Praeprimis in id incumbant, ut parochorum aliorumque celericorum 
congressu ac consuetudine fruantnr eosque sibi benevolos reddant. 
Summopere caveant, ne habitu cultuque nimis composito et quaesito 
ve] inusitato celericis harum regionum oculos hominum vulgique ru- 
mores sinistros in se concitent, sed potius animum sub manu Dei 
humilitatum lugentemque peccata populi, cultu parco ac lugubri 
testentur. 

Semper meminerint, uti quilibet homo caritate aliis exhibenda, 
vel eadem deneganda id agit, ut aliis omne genus humanum amori 
sit aut odio: ita multo magis euiusvis sacerdotis Gallici vitam mores- 
que permagni esse ad hoc momenti, utquid omnino de omnibus, qui 
emigrarunt, existimaturi sint, ab alienigenis constituatur. 

Nee istis adhortationibus finem imponendum esse duximus, quin 
vobis in mentem revocaverimus, quod siiuxta praeceptum apostolicum 
fieri debeant postulationes et orationes primum pro iis omnibus, qui 
in sublimitate sunt, ita effusas semper ad Deum habere debetis preces 
ut multos et prosperos annos et fausta quaeque largiri dignetur op- 
timo illi Prineipi qui nos omnes peregrinos et advenas liberaliter 


89 


hospitio excepit, episcopalemque charitatem saeculari potestati con- 
sociam, benignos quibus ipse movebatur, in corda subditorum sensus 
infudit. Nec minus in partem debitae gratitudinis, debitarum et precum 
vocare debetis venerabile admodum Monasteriense capitulum, a quo, 
cum simus omnes ut infirma Christi membra caritate complexi; quam 
plures nobis quotidianam experiuntur opem et liberalitatem, ab ho- 
minibus regiones istas incolentibus benigne intra domorum hospitia 
recepti, quotidiano beneficiorum usu sustentati, curas omnes adhibete, 
ut quos morum et sermonis differentia separat, gratitudinis, quam 
fieri poterit, demonstratio conciliet.. Quam quidem gratitudinem multum 
gerere debetis erga praestantem virum, qui, serenissimi Prineipis in 
spiritualibus vicarius generalis, praecellentiam, qua per totam regionem 
pollet, in vestri commodum et utilitatem, in conciliandam vobis late 
benevolentiam indefesso religionis studio convertere non destitit. 

Haec ad vos monita dirigentes, sane facienda minus, quam iam 
facta desceribimus, cum diuturna experientia comperimus non minus 
inter nos mentibus quam exilio et aerumnis communicari. 


Cum a nostra Monasteriensi Regione, ob gravia nimirum, hai! 
publicarum rationum momenta, profecturi sint complures Venerandi 
Religionis confessores e (rallia iamdudum profugi multaeque Deo 
sponsae sacrae Virgines, aequitati et conscientiae, non minus quam 
impensae charitati qua eos in Christo diligimus, debere nos duximus 
authentico eosdem prosequi, quocumque perrexerint, testimonio prae- 
sentium litterarum, quibus lubentissime palam facimus ipsos, quam- 
diu apud nos hospitati sunt, Clericalis modestiae, vividae pietatis, 
decentiae morum, Religiosae aequanimitatis in longa malorum acer- 
bitate, continua dedisse specimina, nihilque usquam nisi grave, mo- 
deratum ac religione plenum prae se tulisse. 

Illas autem virtutes in ipsis eo magis pensare didicimus atque 
sumus demirati, quo diuturniori apud nos commoratione sub oculis 
ipsos habere licuit. Neque enim vero suspecta sunt aut levis ponderis 
Religiosorum animorum argumenta, quae constanter et ubique eadem 
recurrunt; neque mutationi obnoxia quae signata sunt velut indefec- 
tibili nominis Christi eonfessione. Ingens quippe calamitatum super 
eos descendit pluvia, venerunt iniuriarum flumina, flaverunt tentatio- 
num venti, et irruerunt super animam ipsorum, et non cecidit: „Fun- 
data enim erat super petram.* 


90 


Ita porro honestarum in quibus vixerunt familiarum, sive rure, 
sive in urbibus, animos movit assiduum talis vitae spectaculum, ut 
venerandis hisce hospitibus, non obstantibus extraneis moribus, pere- 
grino sermone, dissimili, ut mos est in quibusdam opinione, sin- 
cerrima cordis affeetione adhaeserint, nec sine lacrymis ipsos viderint 
alire, 

Possumus igitur testimonium nostrum adiungere praeclaro quod 
de exulibus (ralliae Sacerdotibus eneomio iam «dudum ediderunt, in 
regionibus a se invicem non parum dissitis, Excellentissimi Pagorum 
Helveticorum Adminstratores, et facundus orator in una e Sessionibns 
Supremi Magnae Brittaniae Conventus elarissimus Burke: „Mirandum 
seilicet quod in tanta tot millium hominum generis, indolis, institu- 
tionis, eivilium denique morum diserepantia, in eo consenserint omnes, 
ut religiosis moribus et inconcussa in regem fidelitate, hospitalibus 
et meritissimis, apud quos degerunt, populis exemplo fuerint: neque 
eorum quisquam, non solum levissimae ullius querelae ansam dederit, 
verum cum solerti cautela singuli declinaverint scopulos quos ipsis 
de industria fuisse paratos certa sceientia se nosse asserit laudatus 
orator. * 

Quod ad Venerandas moniales profugas attinet, quis ignorat ipsas 
foemineae cogitationi masculinum animum 'inseruisse, atque ipsasmet 
viris, dum de religione ageretur, in tota Galliarum, qua patet, latitu- 
dine, aeterno fuisse exemplo? In nullo unguam tempore silebitur ipsas 
nec minis ullis cessisse; illarum plerasque divina quasi sapientia 
afflatas, responsionum animosa soliditate ad silentium, pudorem, ad- 
mirationem saepius adegisse civilis et religiosae autoritatis usurpatores, 
qui simulatae charitatis specie, aut sophismatibus ovile Christi dis- 
pergere tentabant. Ut autem viderunt Agnum Sponsum, cui se vo- 
verant, ab infelieissima patria veluti pulsum et ablegatum, Agnum 
per ardua sequuntur quocumque ierit. Nec dubium, quin simul refri- 
gerium et pacem inveniant aqud populos avitae Religionis cultores 
amantissimos. In ipsorum quippe cordibus insonabit potens illa vox 
Christi: „Qui vos reeipit, me recipit“; et alibi: „Quod feeistis uni 
ex his minimis, mihi feeistis.* Claras infortuniis, aeque ac virtutibus, 
sacras Virgines excipient, quarum unicuique gratulabunda communis 
nostra mater Ecclesia iam nune canit: „Tu gloria Jerusalem, tu lae- 
titia Israel, tu honorificentia populi nostri. Confortatum est cor tuum; 
feeisti viriliter; ideo eris benedieta in aeternum, * 


Hae freti fiducia, Venerandos hosce Sarerdotes, sacrasque Virgines 
Serenissimis Statuum prineipibus, Illustribus ae Consultissimis civi- 


tatum Magistratibus, Reverendissimis Archi-Episcopis et Episcopis, 
spectatissimis Capitulis et Ecclesiarum Praepositis aut Pastoribus, 
Venerabilibus Monasteriorum Praelatis et Superioribus, omnibus demum 
euiuscumque condicionis fidelibus, pro ea qua gaudemus apud eos 
gratia, enixe commendamus per praesentes, 

Neque vero ab iis in domos suas exeipiendis alsterreat generosi 
animi, ac tenuioris fortunae homines, pristinae eorum abundantiae 
mernoria. Sciunt enim, ut Apostolus, „et abundare* et „penuriam 
pati“, quorum pectora nec praeteritae solverunt divitiae, nec praesens 
paupertas frangit. Neque ex adverso nimium delicatos forsitan divitun 
oculos offendat incultus quorumdam habitus. „Squallent sine balneis 
membra situ et sorde deformia“* (verba sunt Uypriani confessorum 
laudes prosequentis) sed spiritualiter intus abluitur, quod foris car- 
naliter sordidatur. Vestis algentibus deest. Sed qui Christum induit, 
et vestitus abundanter et eultus est. Semitonsi capitis capillus horres- 
eit; sed cum sit caput viri Christus, qualecumque caput illul deceat 
necesse est, quod ob Domini nomen insigne est. Omnis illa deformitas, 
detestabilis et taetra gentilibus, quali splenıdore pensabitur! Saecularis 
haec et brevis poena, quam clara et aeterni honoris mercede mutabitur, 
eum secundum beati Apostoli vocem transformaverit Dominus corpus 
humilitatis nostrae configuratum corpori claritatis suae!* 

Quod autem de universis diximus, hoc speciatim et lubenter 
asserimus de Dilect . . . Nobis in Christo . . . .» 


In fidem praesentes Sigille Vicariatus (Generalis munitas, et 
manu propria subscriptas dedimus. Monasterii Westphalorum 179 . : 
Die. . . Mensis . . . 


IL. 


Die Paderborner Biichofswahl 
vom Jahre 1223. 


Von 
Hermann Hoogeweg. 





Mac fait zwanzigjähriger Regierung war am 28. März 1223 
Biſchof Bernhard III. von Baderborn geftorben. Sein Tod 
erheilchte eine Neuwahl innerhalb der drei eriten Monate 
nach dem Gintritt der Vakanz. Die Wähler aber waren von 
vornherein in zwei ‘Barteien geteilt, inden die eine dem cölner 
Domſcholaſter, Magifter Dliver, igre Stimme gab, die andere 
ich für den Probſt von Busdorf, Hermann von Brakel!) 
erklärte. Der weitere Verlauf diefer zweiſpältigen Wahl, wel- 
che erit nad zwei Jahren ihre definitive Erledigung fand, 
joll hier näher unterjucht werden. Bevor wir indeß auf diejen 
jelbjt genauer eingehen, wollen wir einen Blid auf die Ur: 
ſachen werfen, die diefe Doppelwahl veranlaßten. 

Da fann denn nun von vornherein der Sat auäge- 
ſprochen werden, daß große politiiche Ereigniffe oder Intereſſen, 
weldhe gerade un diefe Zeit bei der Beſetzung erledigter 
Biſchofsſtühle eine große Rolle fpielten, bei diefer paderborner 
Biſchofswahl nicht in Frage gefommen find. Das Haupt: 
hindernif für den ruhigen Verlauf der Wahl ijt vielmehr 
darin zu jehen, daß die Glerifer und das Xaienelement der 
Diözeje einen legten Verſuch machten, ihre Mitwirkung bei 


1) Daß dieſer mit dem paderborner Domherrn Heinrich von Brakel 
eine Perſon iſt, hat Giefers nachgewieſen in ſeinen Beiträgen zur 
Geſch. d. Herrn dv. Brakel, Zeitſchrift für vat. Geſch. ꝛc. Bd. 37% 
S. 105 ff. 


93 

der Biihofswahl durchzuſetzen und damit in einen jcharfen 
Gegenjat gerieten zu dem jein ausichlieglihes Wahlrecht 
verteidigenden Domkapitel. 

Die Beitrebungen, das Recht der Biihofswahlen allein 
auf das Domkapitel zu beichränten, hatten bereits im 12. 
Jahrhundert die Gurie vielfah in Anſpruch genommen, bis 
endlich die Beitimmungen de3 Lateranconzild vom Jahre 1215, 
den Stiftsflerus und die Laien ausjchliefend, das Wahlrecht 
auf das Domkapitel gejeglich bejchränkt hatten!). Doch war 
mit ber Fixierung dieſes Gejeßes durch die Eurie diejes jelbjt 
noch nicht zur allgemeinen Anerkennung gebradt; vielmehr 
wußte der Glerus auch fernerhin ſich auf die hergebrachte 
Gewohnheit ftügend jein Wahlrecht durchzuſetzen, und der 
Einfluß des Laienelementes war jelbit durch die gejeßliche 
Ausichliegung von der Bilhofswahl keineswegs gebrochen. 
Denn wenn legterem auch die directe Einmiſchung in die 
Wahlangelegenheiten wirklich entzogen war, jo war ihm doch 
noch ein bedeutender Spielraum gelafjen, indirect feinen 
Einfluß bei jeder Neuwahl geltend machen zu fünnen. Die 
adligen Geſchlechter, die Vaſallen, Minifterialen verloren 
zwar das Vorjchlagsrecht und die Befugniß, dem vom Wahl: 
collegium ernannten Gandidaten ihre Zuitimmung zu geben, 
indeß gerade politiihde Rückſichten und Yamilieninterefjen 
derjelben traten doch immer wieder jtark in den Vordergrund 
und fonnten um jo leichter der Berüdiichtigung jicher fein, 
je mehr Anhänger und bejonders Verwandte jene unter den 
Stimmberedtigten hatten, welche ihrerjeit3 wieder die Ent: 
jchliegungen des Wahlcollegiums beeinflußten. 

Derartige Verhältniſſe Hatten jich aud) in Paderborn heraus: 
gebildet. Wie der Stiftsclerus ſich auf das alte Gewohnheits- 
recht jtügte, fo waren es unter den Laien befonders die 
Mitglieder der Familie von Brakel, weldhe als Minifterialen 








) Lib. I. tit. 3. c. 9 u. 10. 


von Paderborn den Einfluß, den fie bis dahin bei der 
Biihofswahl ausgeübt hatten, jchlehterdings nicht aufgeben 
wollten. Dieje Familie, einft jih zu den Edelherrn zählend, 
hatte bereit3 um die Mitte des 12. Jahrhunderts des äußeren 
Borteild wegen diejen Stand aufgegeben und erjcheint fortan 
unter den Minifterialen oder Dienjtmannen der paderborner 
und corveyer Kirche. Die Familie, damals bejonders re— 
präjentiert durch die Brüder Hermann, Werner und Berthold 
von Brakel, denen fi) aus dem geiftlihen Stande der Probit 
Heinrih von Busdorf anſchließt, waren reich und mächtig, 
bejaßen die Stadt!) Brakel, welche damals jchon eine ziem- 
lihe Ausdehnung hatte, richteten hier unter Königsbann 
und jchienen nicht abgeneigt, ihre Macht thunlihit zu er: 
weitern und bejonders einen Einfluß auf das Bistum Pader- 
born jelbit zu erlangen, der über die bloße Mitwirkung bei 
der Bilhofswahl binausging. Bereits 1201 erjcheint ein 
Merner von Brakel als Domdehant, und Probſt Heinrich 
von Busdorf war ebenfall® Domberr.?) Wie weit fich ſonſt 
ihr Einfluß unter der Geiftlichfeit und den Laien der Diözefe 
ausgedehnt hatte, kann nicht genau feitgeftellt werden; daß 
er aber nicht zu unterſchätzen war, beweilt die Zahl der 
firhlihen Würdenträger und Ritter, welche jpäter mit der 
Ercommunication Heinrich ebenfall3 dem kirchlichen Banne 
verfielen.?2) Es mochte jih alſo wol eines Verſuches ver- 
lohnen, mit der Wahl eines Mitgliedes der Familie Brakel 
zum Bifchof von Paderborn auf das Bistum einen Einfluß 
zu erlangen ähnlid dem, welchen gerade um dieſe Zeit die 
Grafen von Berg auf das Erzitift Cöln ausübten. Herrich: 
füchtig und gewalttätig, wie die von Brafel auch ſonſt er: 


1) Als Stadt iſt Brakel allerdings erſt 1229 urkundlich nadyweisbar, 
vgl. Giefers, Geſch. der Stadt Bratel in der Zeitichr. für vat. Geich. 
u. ſ. w. Bd. 28, ©. 228. 

2) Giefers a. DO. Bd. 37? ©. 96 Nro. 19 und 105 ff. 

») Wilmans, Weit. U⸗B. Bd. 4, Nro. 137, 


95 





Icheinen,!) werden fie, wo die Macht nicht ausreichte, auch 
in der Wahl der Mittel zur Erreihung des Zwedes nicht 
gerade wähleriſch gemejen jein. 

Aber gerade diejer Familienzug, von dem der Probjt 
Heinrid ebenfalls nicht freigeſprochen werden kann, wird ein 
weiteres Argument für die Gegenpartei gewejen fein, feine 
Wahl nah Kräften zu hintertreiben. Lag ſchon darin eine 
Gefahr für das Bistum und jeine weitere Entwidelung, daß 
es jeine bisher behauptete Freiheit von jedem weltlichen 
Einfluß preisgab, jo mußte diejelbe um fo größer werden 
durch das Regiment eines Mannes, der jich vielleicht ſchon 
damals nicht des beiten Rufes erfreute und im weiteren 
Berlaufe der Wahlangelegenheit als ein Menſch von höchiter 
Anmafung und Unbeugjamfeit erfcheint. Der Hochmut, mit 
dem er jpäter den päpſtlichen Legaten entgegentrat, das 
Verichleudern des Kirchengutes, mit dem er jeine Regierung 
einleitete?) nach einer Wahl, die ihn keineswegs ſofort als 
das rechtmäßige Haupt der Diözeje erjcheinen ließ — alles 
das ſind Charakterzüge, welche feinen günftigen Schluß auf 
Heinrihs Borleben geitatten, ein Vorleben, das die Wähler 
— menn jie auch nicht weitere Zwecke erfolgten — fchon 
zu der Ueberzeugung bringen mußte, da& Heinrich ungeeignet 
war für den Poſten eines Biſchofs. 

Ganz anders Dliver. Dieſer war in Paderborn ebenfalls 
befannt. Es iſt Grund vorhanden zu der Annahme, dab 
er auf der Domjchule in Paderborn jeine Erziehung genojien. 
Er hatte jodann dem Domkapitel dajelbit angehört und war 
von bier als Scholafticus an den Dom in Göln berufen 
worden. Als Kreuzprediger und fahrer hinlänglich befannt, 
geachtet von allen, die mit ihm zufammen famen, von ber- 


1) Giefers a. O. Bd. 28, ©. 220. 

*) ol nicht mit Unrecht bringt Schaten Ann. Paderb. I. S. 700 
hiermit die bei Wilm. a. DO. Nro. 116, verzeichnete Url. in Ber: 
bindung, durch welche Honorius Schafen in jeinen Schuß nimmt, 


96 
vorragendem Wiffen und treffliher Beredtfamfeit, dabei be- 
ſcheiden und wahrhaft fromm, berechtigte er zu der Erwar— 
tung, daß er feines bifchöflihen Amtes zum Gedeihen der 
Diözefe walten und die Familie Brakel mit ihren unberech— 
tigten Anſprüchen in die richtigen Schranken zurüdweiien 
werde. — 

So ſtand die Sache in Paderborn, als die Neuwahl 
1223 vorgenommen werden ſollte. Es jchien faum zweifel: 
haft, daß unter ſolchen Verhältniſſen die Wahl ſelbſt nicht 
ohne Störung verlaufen werde. Nun ergab fich aber bei 
der Wahl jofort, daß auch unter den Domkanonikern feine 
Einigkeit herrſchte, ſondern auch von ihnen jich einige der 
Partei Heinrichs angeichlofien hatten. War nun ſchon hier: 
durch Olivers Wahl in Frage geitellt, und an eine Ein: 
mütigfeit nicht zu denken, jo jchwand jede Hoffnung hierfür, 
al3 an dem Wahltage die Herrn von Brafel mit andern 
Nitterbürtigen der Stadt und Diözefe Paderborn in die 
Kirche drangen und mit Gewalt die Beobachtung eines alten 
Gewohnheitsrechtes durchfegten, nach welchem nicht nur der 
Abt von Abdinghof, ſondern fogar der ganze Convent von 
Busdorf das active Wahlrecht haben ſollte. In dieſer 
Zwangslage nun wurde der Wahlact unter den üblichen 
Formalitäten vorgenommen. Die Eröffnung des Sfrutinium 
ergab, daß die Majorität der Domherrn Dliver gewählt 
hatte, während ſechs Gapitulare, der Abt Albert von Ab: 
dinghof und die Mönde von Busdorf jih für Heinrich er: 
Härt hatten. Beide Parteien hielten an der Nechtmäßigfeit 
der Wahl ihres Candidaten feit. Heinrich wandte ſich zur 
Entiheidung des Streites an den zuftändigen Metropolitan, 
ven Erzbiſchof von Mainz, Siegfried von Eppftein. Er 
wurde von dieſem confirmiert und erhielt jpäter auch von 
Kailer Heinrich die Negalien.!) Dliver aber appellierte nad 
Nom an den Papſt Honorius III. 


1) Es geht das hervor aus der bei Wilmans a, a. O zu Nro. 114 








97 


Es läßt fih auf den erjten Blid kaum begreifen, wie 
der Erzbifhof von Mainz einen folden Entſcheid treffen 
fonnte. Die Beitimmungen des Lateranconzils, wie über: 
haupt die Beitrebungen der Curie, das früher ja allgemein 
anerkannte Recht der Mitwirkung des Stiftsflerus bei der 
Wahl zu bejeitigen, mußten ihm befannt fein, und bie 
Mönche ericheinen überhaupt jo äußerſt felten als mwahlbe- 
rechtigt !), daß er an der Beteiligung der Busdorfer hätte 
Anftoß nehmen müſſen. Erflären läßt fih Siegfrieds Ber: 
halten auch nicht aus dem Umſtande, daß er bei der ganzen 
Angelegenheit höchit oberflächlich zu Werke ging und es nicht 
einmal für nötig erachtete, wie Heinrich jo auch Dliver zu 
hören, jondern jich lediglih damit begnügte, einige Zeugen 
gegen den Magifter zu vernehmen — eine Handlungsmweife, 
worüber die Bartei Dliver mit Recht fich beim Papſte be— 

Ichwerte.?) Die Sache liegt hier eben anders. 
Die Begründung, welde die Partei Heinrichs für die 
Rechtmäßigkeit der Wahl ihres Candidaten vorbradte, war 
jedenfall3 diejelbe, welche fie jpäter in Rom vor dem päpjt- 
lihen Legaten äußerte.?) Hiernach glaubten Heinrichs Wähler 
nad einem „consuetudinarium jus“ die Berechtigung zu 
haben, den Abt von Abdinghof als wahlberechtigt anjehen 
und jeine Stimme deshalb mitzählen zu dürfen. Es konnte 
dies von dem Erzbiichof als zu Recht beitehend anerkannt 
werden, obwol e3 nicht ganz in der Ordnung war. Ferner 
wurde von der Partei Heinrich geltend gemadht, daß zwei 
der Wähler Dlivers fih im Kirchenbanne befänden. Ohne 
bier jegt näher auf diefen Punkt einzugehen joll nur ber: 
vorgehoben werden, daß nad Lage der Dinge Ddieje Bes 


gegebenen Bemerkungen der Rückſeite der Urkunde; es steht jonft 
hierüber nichts feit. 

) Hinſchius, Kirchenrecht Bd. 2, ©. 605. Daß deren Wahlrecht an- 
erfannt wurde, beweijen ebenfalls die Bemerkungen der Rückſeite. 

2) Wilm a. O. Nro. 114. — °) Wilm. a. O. Nro. 127. 

XLVI. 2. 1 


98 
bauptung nicht jedes Grundes entbehrte und deshalb von 
Siegfried ebenfalls aufrecht erhalten werden fonnte und aud) 
wurde. 

Sieht man nun von den Stimmen der Busdorfer Mönche 
aud ganz ab, fo war es doch wol jehr möglich, daß, da die 
beiden Gebannten ihr Wahlrecht in diefem Falle unrechtmäßig 
ausgeübt hatten, ihre Stimmen alfo in Abzug kamen, da 
ferner, wie urkundlich feititeht, jech8 andere Gapitulare und 
der Abt von Abdinghof gegen Dliver jtimmten, in der Tat 
bereit8 auch jo die Majorität auf Seiten Heinrichs war. 
Es ſcheint dies wirklich der Fall geweſen zu fein und deshalb 
der Erzbifchof jein Votum dahin abgegeben zu haben, daß 
Heinrich der rechtmäßig gewählte jei. Die Zulafjung zweier 
Gebannter zur Wahl aber fonnte für Siegfried Grund genug 
zu der Annahme fein, daß die pars sanior nicht die Partei 
Dliverd war, jondern die von deſſen Gegner und deshalb 
mit der pars major identifh. Die Wahl Heinrichs entiprady 
aljo allen Rechtsanforderungen und war bindend — in den 
Augen des Erzbiichofs. Dennoch durfte diejer nicht zur Con— 
firmation der Wahl jchreiten, jolange die Appellation der 
Gegenpartei nad) Rom jchwebte. Daß er es dennod) that war 
ein ehler, der ihm ſpäter aud) von den päpftliden Legaten 
zum Vorwurf gemacht wurde. !) 

Es frägt jih nun noch: Wie verhielt ſich Siegfried zu 
der Frage der Wahlberehtigung der Mönche? Wir haben 
oben gejehen, daß Heinrih die Majorität jeinerjeit3 wahr: 
ſcheinlich nachweiſen konnte auch ohne die Zählung der 
Stimmen der Mönde; wir können nun wol behaupten: 
Dieje Frage it an den Erzbiichof überhaupt nicht herange— 
treten, weil man in Mainz über diejen Punkt fih ausſchwieg 
und — um bdiejes hier gleich vorauszunehmen, — die Bulle 
des Wapites Gölejtin III. vom 30. Mai 1192, welde 


1) Wilmand a. O. Nro. 127. 


99 


Wilmans!) als eine Fälſchung nachgewieſen hat, eriftirte bei 
der Erledigung der Sade in Mainz noch nicht und ift des- 
halb auch dem Erzbiichof nicht vorgelegt worden. Es geht 
die3 daraus hervor, daß die Gejandtichaft der Partei Dlivers, 
welche die Appellation überbradte, diefer mit feinem Worte 
erwähnt (weil Honorius doch das jonjt ebenfalls gethan hätte), 
obmwol es doch nahe gelegen hätte, hier jofort den Hebel anzu: 
jegen und einen Hauptanhaltspunft für die Begründung des 
unrechtmäßigen Verhaltens der Partei Heinrich zu gewinnen. 
Vielmehr iſt es die päpſtliche Commiſſion jelbit, welche jener 
angeblichen Bulle zuerſt erwähnt. Wir kommen hierauf des 
genaueren unten zurück. 

Während dieſer Vorgänge in Mainz waren nun auch 
die Abgejandten der Partei Dliver3 mit einem Schreiben 
an den PBapit nad) Rom unterwegd. Die Nachricht von dem 
für fie ungünjtigen Nejultate der Verhandlungen vor dem 
Erzbiichofe veranlaßte jie, die Appellation zu ernenern?). In 
Rom nun neigte fih die Stimmung fogleih zu Guniten 
Dliverd. Diejer war eben längit bier befannt, und Honoriug 
jelbft zweifelte feinen Augenblid, wie er das in jeinem 
Schreiben vom 27. Juli ausdrüdlich hervorhebt, daß Dliver 
nad jeder Richtung hin eine für den Poſten eines Biſchofs 
von Paderborn geeignete PBerjönlichkeit jei. 

Nachdem er das Schreiben aus Paderborn gelejen Hatte, 
ernannte er eine Commiſſion von drei Mitgliedern, beftehend 
aus dem Bilchof von Hildesheim, Conrad II. von Riefemberg, 
dem ehemaligen Biſchof von Halberftadt und jegigem Probſte 
des Kloſters Sihem bei Eisleben, Conrad von Krojigf, und 
Heinrich, dem Abt von Heiſterbach, und gab diejen den Auf: 
trag, die Angelegenheit der Bilchofswahl zu unterjuden und, 


1J Milmand U.B. Addit. Nro. 79 und Excurs. 
) appellationem iterum innovatam heißt es im Schreiben des Honorius 
bei Wilmans U-B. IV, Nro. 114. 
7* 


wenn ſich herausftellen follte, daß die Wahl Olivers von det 
major et sanior pars rechtmäßig vorgenommen worden jei, 
diejen nach Aufhebung des Hindernifjes der Appellation zu 
confirmieren und was nach der erfolgten Appellation ge= 
ihehen jei für nichtig zu erflären. Zugleich) wurde ihnen 
aufgegeben, die Art der Wahl, die Stimmen der Wähler 
und die Verdienſte der Gewählten feitzuitellen, hierüber dem 
Papſte Bericht zu eritatten und den beiden ftreitenden Par: 
teien einen Termin zu bejtimmen, an welchem fie jih in 
Rom einfinden jollten, um vom Papite felbit den Scieds- 
Ipruch zu vernehmen. Den Glerifern und Laien der Diözele 
aber jollten fie bei Strafe der Ercommunication unterjagen, 
für die eine oder andere Partei ſich zu erklären, bis Die 
Sade entichieden jei. 

Der Ernennung diefer Commiffion folgte am 29. Juli 
die einer zweiten, bejtehend aus dem Abt Heinrih von 
Heilterbah, dem Dechanten Goswin und Probſt Conrad des 
Domlkapitels in Cöln. Die genaueren Pflichten diefer Com— 
miſſion werden nicht angegeben, doch Scheint jie im Wejentlichen 
die Aufgabe gehabt zu haben, über den Gewaltact der 
Brüder v. Brakel und ihres Anhanges genauere Unterfuhungen 
anzuftellen, über deſſen Veranlajjung die die Appellation der 
Bartei Dliver8 nah Rom bringenden Perſonen vielleicht Feine 
dem Papſte genügende Auskunft erteilen konnten!). 

Der Winter 1223 zu 1224 iſt hingegangen, ehe diefe 
beiden Commiſſionen fich ihres Auftrages erledigt hatten. 
Die zuerft ernannte wurde früher fertig und gelangte zu 
dem NRejultate, daß Oliver der rechtmäßig Gemählte jei. 


1) Wilm. a. O. Rro. 115. Gedrudt bei Finke, P.⸗U. Weftf., Nro. 
309 und Schaten Annal. Paderb. I ©. 699 ff. Honorius jagt darin 
nur: quia vero nobis non constitit de praemissis, disceretioni 
vestrae ınandamus ete, Da in dem Schreiben im Weſentlichen nur 
von dem gewaltthätigen Eingreifen der Brüder v. Vrafel die Rede iit, 
wird unter den praemissis wol bejonders dieſes gemeint jei. 








101 





.——— 


Dem zufolge erteilte jie ihm die Gonfirmation und fertigte 
darauf zwei Gefandte nah Rom ab, A. von Seiten Dliverd 
und L. für die Partei Heinrihs, um den Urteilsipruch des 
Bapftes einzuholen. 

Wie haben wir uns nun die Thätigfeit diefer Commiſſion 
zu denfen? Xeider ift das Schreiben derjelben an den Papſt 
uns nicht erhalten; es würde manden fragliden Punkt feſt— 
ftellen. Doch aus einem jpäteren Schreiben des Honorius!) 
fönnen wir einige Anhaltspunkte gewinnen. 

Die Gründe, welche die Partei Heinrichs für die Recht— 
mäßigfeit der Wahl ihres Kandidaten vorbrachte, waren natur: 
gemäß diejelben, welche fie bereits in Mainz mit Erfolg geltend 
gemacht hatte, und die wir nur entnehmen fünnen den Aus: 
jagen jenes L. in Rom, nämlid einmal, daß das Necht der 
Biihofswahl in Paderborn jih nicht allein auf das Dom: 
capitel, jondern auch auf das Gapitel von Busdorf und den 
Abt von Abdinghof de consuetudinario jure eritrede und 
die Stimmen diejer zufammen die Majorität darjtellten, um: 
jomehr, als zweitens der Probjt und Dechant de3 Dom: 
capiteld, welche ihre Stimme Dliver gegeben hätten, noch 
im Kirchenbanne jeien und deshalb nicht zu den rechtmäßigen 
Wählern gezählt werden dürften. 

Daß beide Gründe von den Commifjaren nicht als ftich: 
baltig angejehen worden jind, bemweift der Umftand, daß fie 
Dliver confirmierten. Aus welchen Gründen nun gejchah dies? 

Einmal war es jelbitverftändlih, daß die erfte Commiſ— 
ion (auf dieſe kommt es vorerſt allein an), welche im Auf: 
trage des Papſtes handelte, auch die Intereſſen und Politik 
ihre3 Auftraggebers verfolgte und demgemäß die Durd: 
führung des alleinigen und ausſchließlichen Wahlrechtes des 
Domkapitels anftrebte?),, Gegenüber nun der Behauptung 


1) Vom 7. Mai 1224, Wilm. a. DO. Nro. 127. 
) Es jcheint mir dies hervorzugehen aus der bejonderen Betonung des 


102 


des Abtes von Abdinghof und der Mönche von Busdorf, 
daß fie ebenfalls mahlberechtigt seien, leitete die Com— 
million das Verfahren ein, welches in ähnlichen Fällen jchon 
am Ende des 12. Jahrhunderts beobachtet werden kann,!) 
indem fie nämlich mit dem Berlangen hervortrat, den Nachweis 
eines bejonderen Titel3 für ihre Stimmberechtigung bei der 
Wahl zu liefern. Nun konnte ein folder aber weder von 
dem Abte noch den Mönchen erbracht werben; vielmehr ver: 
mochte der erjtere wahrfcheinlich fein Wahlreht überhaupt 
nur darauf zurüczuführen, daß nach früheren Gepflogenheiten 
die Abte von Abdinghof die Stimmberehtigung befeflen 
hatten, mie ja vielfach auch den Prälaten der angefeheniten 
Gollegiatitifter und anderen Geiftlichen von hervorragender 
Stellung eine ſolche lange Zeit hindurch zugeitanden bat. 
Abjolut jeder Stüße entbehrten die Anfprüche der Busdorfer 
Mönde. Allerdings erjcheinen im 12 Jahrhundert in ein- 
zelnen Fällen auch Mönde als wahlberechtigt?), doch iſt dies 
im Allgemeinen jo felten, daß ſich die Stimmberedhtigung 
jener faum auch nur auf ein Gewohnheitsrecht wird zurüd: 
führen laffen. Und daß dies in der Tat nicht der Fall war 
beweilt das Mittel, zu welchem die Mönche — und Heinrich 
ſelbſt war gewiß nicht zum wenigften dabei beteiligt — griffen, 
um einen beionderen Titel für ihre Stimmberedhtigung auf: 
weilen zu fönnen und damit die Wahl ihres Probites durch: 
zulegen: jie fabrizierten eine Bulle des Papſtes Eöleftin III., 
in welcher diefer ihnen mit Klaren Worten ihre Teilnahme 
an der Biſchofswahl beftätigte?). Obwol man in PBaderborn 


ausſchließlichen Wahlrechtes des Domcapiteld durch die zweite Com— 
mijfion in der Wilm. a. D. Nro. 128 mitgeteilten Entſcheidung. 

1) Bol. Hinſchius, Kirchenrecht der Kath. u. Prot. II. ©. 604 und 
ec. 3. X de caus. poss. eit. 

2, Hinſchius a. D. ©. 609. 

9) Man kann demnach die Entitehung dieſer Fälſchung zwiichen der 
Ernennung der erften Commiſſion (27. Juli 1223) und dem gleich 


103 
an der Echtheit diefer Bulle nicht gezweifelt zu haben jcheint !), 
jo fand diejelbe vor der Commiſſion doch feine Gnade; wol 
möglih, daß die päpitlihen Richter bereits die Fälſchung 
erfannten. Das Wahlrecht des Abtes von Abdinghof wie 
das der Mönche wurde von ihnen verworfen. 

Der zweite Grund, auf melden die Partei Heinrichs 
die Rechtmäßigkeit ihrer Wahl jtüßte, war der, daß ſich der 
Probſt und Dechant des Paderborner Domcapitels im Kirchen: 
banne befinden jollten und deshalb nicht jtimmberechtigt jeien. 
Es muß fich diefe Ercommunifation von dem Prozeſſe her 
datieren, den der Cleriker Ludolf wegen der vermeigerten 
Zulaffung zu einer Präbende mit dem Domcapitel geführt 
hat. Nun war zwar bereit3 am 26. Januar 1222 ein Ber: 
gleih zu Stande gefommen, wonach es Ludolf übernehmen 
jollte die über das Domkapitel von den päpftliden Richtern 
verhängte Ercommunication rüdgängig zu machen und die 
darüber erlafjene Urkunde auszuliefern?). In wie weit Yudolf 
diefen feinen Verpflichtungen nachgekommen iſt, Täßt ich nicht 
mehr angeben, jedenfalls aber behauptete die Partei Heinrichs, 
daß die Ercommunication bis zu diefem Zeitpunkte tatfächlich 
noch nicht zurüdgenommen worden jei, wenn wir nicht an— 
nehmen wollen, daß jie, einmal vom Wege der Wahrheit 
abgeirrt, einen Verſuch machte, dieje längit erledigte Ange: 
legenheit mit einer neuerdings nad) Biichof Bernhards Tode 
erfolgten Ercommunication de8 Domkapitels?) zu verquiden 


zu erwähnenden Geſtändniſſe der Busdorfer (15. März 1224) anſetzen, 
oder mit Berückſichtigung der Zeit, welche die erite Commiſſion brauchte, 
bis fie zu diefem Rejultate fam, und der Zeit, welche durch die Be— 
mühungen der zweiten Gommilfion in Anipruch genommen wurde’ 
genauer um die Wende der Jahre 1223 und 1224. 

Bol. die Bemerkungen auf der Rückſeite der bei Wilm. a. O. Nro. 
115 erwähnten Urkunde: et hoc est tacitum in littera, quod orien- 
tales interesse debuerunt. 

2) Wilm. a. O. Nr. 98. — °) Bol. Wilm. a. O. Nr. 138. 


-— 
— 


104 


und ihren Nuten aus einem Factum zu ziehen, das mit der 
ganzen Wahlangelegenheit nicht gemein Hatte, da die Er: 
communication erit nad der Doppelwahl erfolgt war und 
nur in ihrem weiteren Berfolg mit jener zeitlich parallel Lief. 
Wie dem aber auch jein mag, die päpftlihe Commiſſion 
erklärte auch diefen Grund für nicht ftihhaltig und ſprach 
die Confirmation Dlivers aus. Nachdem fie auf diefe Weiſe 
im Weſentlichſten ihren Auftrag ausgeführt hatte, beorderte 
fie jene beiden Gejandte nad) Rom, um das päpftlidhe Urteil 
zu vernehmen. Es wurde diejen ein Schreiben mitgegeben, 
in welchem jie Honorius mit der verjudten Fälihung der 
Busdorfer vertraut machte und die Gonfirmation Dlivers 
zu bejtätigen bat). 
Als die beiden Gejandten A. von Seiten Dliverd und 
L. von Seiten Heinrichs in Rom anlangten, wurden diejelben 
von Honorius dem Biſchof von Alba zum weiteren Berhör 
übergeben. Nach dem Berichte, welcher aus Paderborn nun 
vorlag und ein jo ungünftiges Licht auf Heinrichs Partei 
werfen mußte, hatte L. einen jchweren Stand. Die Fälſchung 
der Bulle Cöleſtins, um die er willen mußte, überging er 
bier ganz und juchte die NRechtmäßigfeit des Wahlactes auf 
Grund des „Gewohnheitsrechtes“ zu erweilen. Wie in Bader: 
born — was die Partei Heinrih8 anlangt — an dem 
Zurechtbeitehen diejes consuetudinarium jus geglaubt wurde, 
jo wird auch %. hieran nicht gezweifelt haben nnd mit voller 
Ueberzeugung dafür eingetreten jein. Trotz der jchwierigen 
Lage, in welcher er durch die Handlungsweije feiner eigenen 
Partei jich befand, operierte er doch jo geihidt, daß aud 
Durch Ddiejes neue Verhör in Rom der Papſt plena fides 


1) Es geht dies hervor aus Wilm. a. O. Nro. 127. Gier wird zum 
eriten Male in dem Scjreiben des Honorius der Fälſchung gedacht 
mit den Worten: quibusdam frivolis exceptionibus. Das Schreiben 
diefer Commiſſion an den Papit ift leider nicht erhalten. 


105 


nicht gewinnen fonnte. Er ernannte daher am 7. Mai 12241) 
eine neue, dritte Commiſſion, beitehend aus dem Gardinal- 
legaten Conrad, Biſchof von Porto, dem Abt des Gifterzienfer: 
kloſters Altenberg, Hermann, und dem Ganonitus Ebelin 
von Worm3?), und forderte fie auf, die Sache nochmals zu 
unterfuhen und den Parteien einen neuen Termin zu be- 
jtimmen, um in Rom das päpftliche Urteil entgegenzunehmen. 

Hätte Honorius nur noch wenige Tage mit dieſem 
Schreiben gewartet, jo wäre er der Ernennung diefer Com: 
miſſion überhaupt enthoben worden — und der unglüdliche 
2. hätte es erleben müffen, von feiner eigenen Partei ver: 
läugnet zu werden. 

Während nämlich die erite Commiſſion ſich ihres Auftrages 
entledigte und die eben befchriebenen Vorgänge in Nom ſich 
abipielten, hatte die zweite Commiſſion ihre Arbeit fortgefegt. 
Sie war noch zu feinem Endrejultate gefommen, als ihr die 
Partei Heinrichs felbit zu Hülfe fam. Am 15. März 12249) 
nämlich gab Abt Albert von Abdinghof in Gegenwart Dlivers 
im Baderborner Domkapitel frei und ungezwungen die Er: 
Härung ab, daß er fein Recht oder auch nur Scheinrecht an 
der Biſchofswahl habe oder je gehabt habe, und zeigte dies 
der Commiſſion an. Nicht genug damit wiederholte er an 
demjelben Tage noch einmal diejes Geſtändniß, dem jih nun 
auch der Prior von Abdinghof, Wezelin, anſchloß, und erklärte 
unter dem Ausdrud der Reue, dab er auch in dem vor- 
liegenden Falle ji an der Wahl widerrechtlih und nur in 


ı) Wilmand a. D. Nr. 127. 

2) Er wird a. O. canonicus Warmacensis genannt, dagegen a. D. 
Pro. 130 und 131. Spirensis; erfteres wol das ridytige. Ein Can. E. 
it in Worms 1213—24 nachweisbar, j. Boos, U.B. der Stadt 
Worms, 1, Nro. 116, 121 u. 133. — Abt Hermann von Altenberg 
finde ih 1216—1225., vgl. auch von Zuccalmaalio, Altenberg 
im Dhunthale ©. 15. 

2) a. D. Nro. 122. 


106 


Folge der Ueberredung und des Gefchreied einiger Laien 
beteiligt habe.) 

Welcher Anteil an dieſem Erfolge der zweiten Commij: 
fion zuzujchreiben iſt, kann nicht angegeben werden; wahr: 
jcheinlich aber ift der Beichluß der eriten nicht ohne Einfluß 
auf die Entichliegungen des Abtes von Abdinghof geblieben. 

Nachdem Albert durch diefes Geſtändniß fich offiziell von 
der Partei Heinrichs losgeſagt hatte, war aud die Wider: 
ftandsfähigfeit der Busdorfer gebroden, und ſchon am 
25. April?) bequemten fie ſich ebenfall® dazu, in Gegenwart 
Dlivers diejelbe Erklärung abzugeben. Damit war denn auch 
ſtillſchweigend die Fälſchung der Bulle Cöleſtins eingeitanden. 

Nach diejen Erklärungen ſprach dann die zweite Com: 
mifiion dem Kapitel von Busdorf endgültig das Recht ab, 
an der Wahl des Biſchofs von Paderborn Teil zu nehmen, 
indem daſſelbe ausichlieglich den Ganonifern der Kathedral: 
kirche zuitehe, und legte jener hierüber ewiges Stillſchweigen 
auf.) Am 13. Mai 1224 wurde von derjelben Commiſſion 
unter Zuziehung zweier Ajlefforen, der Cölner Domherrn 
Conrad von Renninberg und Hermann von Engern auf Grund 
der vorigen Geftändniffe offiziell entichieden, daß nur das 
Domcapitel zur Wahl des Paderborner Bilchof3 berechtigt 
jei, und dem Klojter Abdinghof wie dem Stift Busdorf noch 
einmal ewiges Stillihweigen auferlegt*®). 

Die Erfolge, welche dieje päpftlichen Richter erzielt Hatten, 
wurden wahrſcheinlich um diejelbe Zeit dem Papſt mitgeteilt. 
Leider ift dieſes Schreiben, das uns in doppelter Ausfertigung 
erhalten it, ohne Datum’). War daffelbe auch bald nad 
dem 25. April abgegangen, jo ilt e8 doch unzweifelhaft, daf 
der Bapit, ald er am 7. Mai die dritte Commiffion ernannte, 
von demjelben noch Feine Kenntniß hatte. — 


1) a. D. Nro. 123. — ) a. D. Nro. 124. 
2) a. ©. 1265, ohne Datum. — ) a. O. 128. — 9 a. D. Nro. 126, 





107 


Die Maßregeln, welche .die dritte Commiſſion zunächſt 
ergriff, laffen uns einen Blid in die Verhältniffe zu Pader— 
born thun. Hier war die Ruhe durchaus noch nicht hergeitellt; 
vielmehr jcheint Heinrich noch immer auf fein vermeintliches 
Recht als Ermählter von Paderborn auch nad jenen Ge: 
ftändniffen des Abtes Albert und der Busdorfer gebaut und 
vor allem es durchgejegt zu haben, daß die Abgaben und 
Einkünfte, welche dem Biſchof zufommen, an ihn abgeliefert 
wurden. Er entzog dadurch der Majorität des zu Dliver hal: 
tenden Domcapitel3 einen großen Teil der Subfiftenzmittel: 
da er den größeren Teil des Clerus und beſonders der Ritter 
auf feiner Seite hatte und dadurch in der Lage war feinen 
Forderungen und Anjprüchen den Gegnern gegenüber Geltung 
zu verichaffen, jo fonnte es nicht ausbleiben, daß Dlivers 
Partei, obwol jie das beſſere Recht und die päpftlichen Richter 
auf ihrer Seite hatten, doch den Kürzeren zogen — um jo 
eher, als Heinrih und fein Anhang, wie wir bereits jahen, 
nicht davor zurüdichredten Gewalt anzuwenden, um das Ziel 
zu erreihen!). 

Um nun zunädit diefem Streite wegen der Einkünfte 
ein Ende zu machen, verbot die Commiſſion den Amtleuten 
von Vaderborn einem der beiden Geiltlichen, welche als Bifchof 
gewählt zu jein beanjpruchten, die Einkünfte zu überliefern, 
vielmehr jollten diefe dur den Erzbilchof von Cöln zu 
Gunjten des zukünftigen Biſchofs aufbewahrt werben. ?) 
Zugleich beauftragten diejelben Commijjare den Probſt Bolquin 
und Dechanten Johann vom paderborner Dome, diejenigen 
zu ercommunicieren, melde dem Befehle nicht Folge leiſten 
jollten ?). 





!) Daß in der Tat die meiiten Einkünfte an Heinrich entrichtet wurden, 
fann man wol daraus jchließen, daß die drei in Rro. 130 ſpeziell 
SGenannten Anhänger Heinrichg waren, wenigſtens gehört der erit- 
genannte auch zu den jpäter Gebannten. 

2) Wilm. a. D. Nro. 130, vom 19. Auguft 1224, 

2) a. D. Rro. 131, von demſelben Datum. 


108 





Damit war die Angelegenheit aber keineswegs erledigt; 
vielmehr fuhr Heinrich fort jih als erwählter Bilchof zu ge— 
rieren und die Verordnungen der päpftlichen Richter in den 
Wind zu jchlagen; feine Anhänger behandelten, wie er jelbit, 
die Berordnungen jener mit Mißachtung und unteritügten 
ihn auch fernerhin. Da griff die Commiſſion denn zu dem 
legten Mittel, das ihr zu Gebote jtand und that Heinrih in 
den Bann. Bei der offiziellen Verkündigung der Ercome 
munication Heinrichs duch den Abt und Prior von Ab- 
dinghof ereilte daſſelbe Schidjal zugleihd eine ganze Reihe 
feiner Anhänger aus dem geijtliden und dem Laienjtande!). 

Damit war Heinrich als Candidat für den Biſchofsſitz 
endgültig abgethan. Was ſich weiter in Paderborn noch zus 
getragen, darüber erfahren wir nichts; Heinrich wird fortan 
nicht wieder erwähnt. Die Commiſſion aber hat hierüber 
noch an den Papſt Bericht eritattet und einige Canoniker 
nah Rom gejhidt. Nachdem der Papſt durd dieje Kenntniß 
von den Borgängen in Paderborn genommen hatte, beitätigte 
er in dem Schreiben vom 7. April 1225 die Wahl Dlivers 
und cajlierte die Heinrichs, in Betreff deſſen er lich wegen der 
gerälihten Urkunde weitere Schritte vorbehielt?). Yon welcher 
Art dieje gewejen jind, erfahren wir ebenfalls nicht, da 
Heinrich für uns fortan aus der Geſchichte verjchwindet. 


1) Wilm. a. DO. Nro. 137, ohne Datum, wol Ende 1224. 

2) a. D. Nro. 141. Die Anmerkung Wilmand zu dem usus falsarum 
litterarum erledigt ſich dur die Urkunde Cöleſtins, die Addit. 
Neo. 79 gedrudt ift. Schaten Ann. Pad. I. ©. 700 iſt mit feinen 
Ausdrud falsis ad Pontificem litteris perseriptis wenigſtens ungenau, 
da nicht zu erweiſen iſt, dab Heinrich überhaupt an den Papit ge 
ichrieben hat. 


109 


Beilage. 
Negeiten Olivers. 


Die nachſtehenden Regeiten werden manchem nicht un— 
willftommen fein, der ſich mit der paderborner Gejchichte be— 
ihäftigt. Sie geben ein Bild von den mannigfaltigen Schid- 
ſalen diejes einzigen Wejtfalen, der je die Stelle eines 
Gardinals erlangt hat. Ihm war es vergönnt, auf den drei 
damals befannten Erdteilen jeine rege Thätigfeit zu entfalten. 
— Für die Vollitändigkeit des Materiales glaube ich im 
Wejentlihen einftehen zu können. Die Zeitfolge der einzelnen 
Daten jteht Dank der Quellen ebenfalls in der Hauptſache 
feit. Dennoch gilt auch hier das Errare humanum est, 
und ich werde jede Berbefjerung und Ergänzung mit Dank 
entgegennehmen. — Was die Angabe der Quellen und 
Litteratur anlangt, jo habe ich mich darauf bejchränft, bei 
eriteren die hauptſächlichſten, bei leßterer nur die neuere 
heranzuziehen. 

1196. 

Mai 3. Hameln (UQuernhamelen). Eine päpftlide Commij- 
jion entjcheidet einen Streit zwiichen dem Erzbiſchof 
Adolf I. von Eöln und dem Capitel zu Soejt über die 
Wahl des Probſtes dajelbit zu Gunſten des Gapitelg, 
dem zugleich die Kirche zu Brilon übergeben wird. Unter 


den Zeugen de Patherburn Oliverus. — Seiberg, 
Weitf. Urf.:B. 1, 144, Nro. 105. 
1200. 


(Paderborn). Biſchof Bernhard II. von Paderborn beitätigt 
einen Vergleich zwijchen der Abtifiin Sophia von Neuen: 
heerſe und den Gebrüdern von Erflen. Unter den 
Zeugen Oliverus scolasticus. — Wilmans Urk.-B. 
Additam. ©. 70, Nro. 84, 


110 


1201. 


September 26. Cöln. Kaifer Otto IV. rejtituirt dem Er: 
wählten Johann von Kamerif die Freiheit feiner Kirche. 
Unter den Seugen Oliverius majoris ecelesie scho- 
lasticus. — Böhmer, Acta imp. select. Nro. 230. 
Böhmer: Fider Reg. imp. Nro. 219. 


1203. 

Februar 13. (Cölu). Erzbiichof Adolf bekundet, welche Zoll: 
jäge die Bürger von Dinand in Cöln zu zahlen haben. 
Unter den Zeugen Olyverus majoris ecclesie scho- 
lasticus. — Ennen und Ederg, Quellen 2, 6, Nro. 5. 


(Cöln). Erzbiihof Adolf I. erneuert ein Schutz- und Trutz— 
bündniß mit Herzog Heinrich von Lothringen. Unter 
den Zeugen magister Oliverus. — Xacomblet U.:8. 2, 
6, Niro. 9; E. de Dynter Chron. de ducs de Brabant 
berausg. v. de Ram 2, ©. 133 (lib. IV. cap. 64); 
Sloet Oor.-boek 1, ©. 412, Nro. 403, 


1207. 


März 26. Paris. Papſt Innocenz III. beauftragt den Dekan 
und Ardidiafon von Paris ſowie O. scholasticus 
majoris ecclesiae Coloniensis Parisiis commorans 
einen Streit zwiihen D., dem GCanonifus von Reims, 
und dem Remigiusflofter wegen der Altäre von Lovois 
u. ſ. w. zu entjcheiden. — Potthast, Reg. Pont. 3036. 


1208. 


Jauuar 30. Epernay (in der Dauphine). Papſt Innocenz II. 
beauftragt den Bilchof von Genf und den Abt von 
Bonnevaur (in der Diöcefe Vienne) dafür zu forgen, 
daß der Biſchof von Grenoble dem magister Oliverius 
die Kirche zu Epernay (Aspernadum) mit ihren Ein: 
fünften zum rubigen Bejiß übergebe. — Potthast Reg. 
Pont. 3256. 

(Cöln). Erzbiichof Dietrih von Cöln macht mit Herzog 
Heinrih von Lothringen einen Bund. U. d. 3. Oli- 
verus scholasticus major. — E. de Dynter a. a. O. 
2, ©. 143 (lib. IV cap. 70). 


111 





1209. 


(Baderborn). Der Edle Heinrih von Schwalenberg verzichtet 
mit jeinem Bruder Hermann auf die Vogtei des Kloſters 
erden. U. d. 3. Oliverus Coloniensis scholastieus. 
— Migand, Ardhiv II, 369; Wilm. U.-B. 4, 26. 
Nro. 35. 


1210 


Auguſt 23. Dolenlo (bei Enenhus im Paderb.). Bilchof 
Bernhard III. von PBaderborn ſchwört, dat das Amt 
Enenhus als erledigtes Lehn an den Biſchof zurüdge- 
fallen jei, und bejtimmt, daß dafjelbe dem Pistum nicht 
wieder entfremdet werden dürfe. U. d. 3. Oliverus 
scolasticus in Colonia. — Wilmans a. a. O. ©. 29 
Nro. 39. 


1211. 


(Baderborn). Biſchof Bernhard III. beitätigt das in der 
Stadt Paderborn gegründete yapıı für Pilger und 
jegt le Berfaflung feit. U. d. 3. Oliver. — Wilm. 
a. a. O. ©. 34, Nro. 47. 


1212. 

(Cöln?) Päpitlihe Richter, darunter Oliverus majoris ec- 
clesie scolasticus entjcheiden einen Streit zwifchen der 
Stiftöfirhe in Aachen und dem Klofter Corvey wegen 
Zehnten des Hofes Litzig. — Wilmann a. a. O. 

38, Nro. 51. 


1213. 


Februar 6. Cöln apud St. Petrum. Ardidiafon Conrad 
ihlichtet einen Streit zwiihen der Abtei St. Martin 
in Eöln und dem Marienſtift in Aachen megen des 
Zehnten in Winningen. U. d. 3. magister Oliverus. 
— Ennen u. Ederg, Quellen 2, 44, Nro. 39. 

April 22. Lateran. Papſt Innocenz III. fordert die Gläu- 
bigen der Gölner Provinz zum Kreuzzug auf und er: 
nennt ÖOliverius Coloniensis scolasticus und den 
Bonner Dehanten Hermann zu feinen Bevollmädtigten. 
— Ennen u. Eder, Quellen 2, 47, Nro.42. Potthast 
Reg. Pont. 4718 und 4725 (ohne Datum). 


112 


April 19.—29. Lateran. Derſelbe ermahnt Dliver und 
Hermann mit Eifer für den chriſtlichen Glauben das 
Wort des Kreuzes zur Vergeltung des den Gläubigen 
angethanen Unrechtes in der Cölner Diözeſe zu pre— 
digen, wie er es in ſeinem früheren Schreiben ange— 
geben hätte. — Potthast 4727. 


1214. 
Febrnar 26. Lüttich. Oliver predigt das Kreuz mit Hermann 
von Bonn in capito jejunii. — Reineri Ann. in 


Mon. Germ. SS. 16 ©. 671. Er geht von bier durd 
Namur, Brabant, Flandern, Geldern, die Diözefe 
Utreht nad Yriesland. !) 

Mai 16. Bedum in Friesland, feria sexta ante Pentecosten. 
Während DO. predigt, ericheint das Kreuz am Himmel. 
— D.’3 Brief an den Grafen von Namur, gedr. u. a. 
Mon. Germ. SS. 23, 473 in einer Anm. zur Chronif 


Emos. 
Mai— Juni in alia statione eiusdem terrae, eine zweite 
streuzesericheinung während O.'s Predigt. — Ebenda. 


Juni 5. Doffum in Friesland, in die sancti Bonifacii. 
Die dritte Kreuzeserſcheinung am Himmel. — Ebenda. 
Bald darauf jchrieb O. feinen Brief an den Grafen 
von Namur, Er blieb den Winter über in Friesland ?). 


1215. 

Mai 31. bis Juni 2. Lüttich, im St. Jakobskloſter beim 
Annaliften Reiner. D. verhindert ein QTurnier, predigt, 
indem er den riejigen Gonflur von Menſchen benußt, 
das Kreuz und ftellt die eingerijjenen Mipbräude der 
von ihm bier zurüdgelajienen Agenten ab. — Rein. 
Ann. a. a. O. ©. 673. 


— — — — 





) Sch verweiſe wegen dieſer Route ſowie der ganzen Zeit bis 1217 
5 Hoogeweg, der Domfcholafter O. ale Kreuzprediger 1214—17 in 
der Weſtdeutſchen Zeitichrift 1888 ©. 235 ff. 

2) Daß DO. nicht, wie ed nach Rein. Ann. a. a. D. ©. 673 jcheinen 
fönnte, nad) England gegangen it, darüber val. Hoogeweg, a. a. O. 
S. 261 Anmertung 71. Es wurden über dieje Ereignifje in Fries: 
land von anderen Beiftlichen auch Briefe an die Univerfität in Paris 
geichrieben, vgl. Matth. Paris. Chron. in Mon. Germ. SS. 29 ©. 402, 


113 


September. Aufbruh O.'s nah Nom zum Lateranconzil!). 


November 11 bis 30, Nom. Dauer des großen Xaterans 
conzil3, bei welchem D. zugegen ift als a des 
Erzitiftes Cöln. Rein. Ann. a. a. D. ©. 674. 


1216. 


Jaunar 8. Innocenz III. ermuntert die cölner Provinz zum 
Kreuzzug und ernennt neuerdings Oliverium Colonien- 
sem et Johannem Xanctensem scolasticos und andere 
zu ſeinen Bevollmächtigten. — Ennen u. Eckertz Quellen 
2, 58 Nro. 50 (falſch zu 1215). Potthast 5048, Vgl. 
Finke, P.U. 114 Nro. 241. 


Nach Oſtern. Lüttich. Wiederaufnahme der Kreuzpredigten. 
Er war vorher vermutlich in Cöln und bei der Wahl 
des heiligen Engelbert zum Erzbiſchof zugegen?) — 
Rein. Ann. a. a. Ö 





1217. 

(März April). Aufbruch zum Kreuzzug (Rein. Ann. a. a. 
D) DD. geht vermutlich den Yihein hinauf und dem 
Yaufe der Rhone folgend nad) Marjeille, wo er jich ein- 
ſchifft. — Albert. Stad. in Mon. Germ. SS. 16. 
S. 356. — demnach fand 


er. Juni die Yandung in Affa ftatt, wohin im October der 
König Andreas von Ungarn fam?). 
November 3. Nicardane bei Alta im Lager der Pilger. 


November 10. Uebergang über den Jordan; das Heer um: 
zog den ganzen See von Tiberias, überjchritt im Norden 
wieder den Jordan über die „Brücke der Töchter Jakobs 





1, Die Zeit fteht nicht aemau feit, läßt ſich aber wol beftimmen durch 
die Route Reiners, der von ſich a. u. O. jagt: Feria sexta post 
festum sti Lamberti (Sept. 18) exivit ... Renerus . . ., intravit 
Romam Simonis et Jude (Dt. 28), mansitqne ibi usque Prisce 
(1216 Jan. 18) rediitque in festo Mathie (Febr. 24). 

2) Wegen des Datums und jeines Aufenthaltes in Cöln val. Hoogeweg 
a. a. D. ©. 266, Anm. 86, 

5) Sch verweile für die Zeit bis zum Uebergang nad) ‚Aegypten auf 
Köhricht, Die Kreuzzugsbeweguugen im Jahre 1217 in den Forſch. 
3. d. ©. 16, ©. 139 ff., wofelbſt auch die Belegſtellen angegeben find, 


XLVL 2. 8 


114 





und berührte eine Reihe von Orten, in denen Chrijtus 
gewirkt und gelehrt hatte. — O. hist. Dam. 1.1) 
November 30. Im Lager anı Berge Tabor, von wo aus 
am 3. und 5. December ein Angriff auf die Sarazenen 
erfolgte — Hist. Dam. 2. 
December 7. Affa, von wo aus der dritte Angriff der 
Chriften am 25. Decb. erfolgte. 


1218. 


Mai 24 Die Kreuzfahrer breden von Akla auf zu dem 
verabredeten Sammelplatz, dem „Pilgerſchloß“ unmeit 
Akka, nachdem der Plan nach Aegypten zu gehen und 
Damiette zu belagern beſonders durch die Beredſamkeit 
O.'s einſtimmig angenommen war?). 

Juni 2. Landung in Aegypten. Lager vor Damiette auf 
dem linken Nilufer. Einige waren bereits am 30. Mai 
gelandet, andere folgten; doch der Hauptteil des Heeres 
mit dem König Johann von Jeruſalem, dem Patriarchen 
und anderen hohen geiſtlichen Würdenträgern landeten 
an obigem Tage, unter ihnen wol auch O., der nicht 
ipeziell genannt wird. 

Auguſt 24 Fall des Kettenturmes mit Benugung einer 
wunderbaren nah O.'s Plan gebauten Machine. 
September 14, vor Damiette. D. jchreibt an die Aebte, 

Prioren, Pröbjte u. ſ. w. von Friesland einen Brief, 
in welchem er die friefiichen ‘Pilger, welche heimfehren, 
wegen ihrer Frömmigkeit, Ausdauer und Tapferfeit lobt 
und gegen den Vorwurf der zu jchnellen Rückkehr in 
Schuß nimmt. — Mieris, Groot Charterboek der 
Graaven van Holland ete. ©. 176. Sceriptum apud 
Damiatam in exultatione sancte erucis. — Um die: 
jelbe Zeit ſchrieb D. auch den eriten Briefan Engel: 

bert nach Göln®). 


Sc; eitiere nad) dem Trud bei Eccard, Corp. hist. med. aev. 11, 
1307 fr. 

Kür den ganzen Krenzeug nad) Aegypten vergl. Hoogeweg, Der 
Kreuzz. v. Tanıiette in den Mittheil. des Inſtit. 3, 188—218 und 9, 
249 fi., daſelbſt auch ausführlich die Belegſtellen. 

Val. über die hist. dam. und O.'s Briefe Zarncke, in den Berichten 
der Kon. Sächſ. Geſ. der Wiſſenſch. Phil.-hiſt. Klaſſe 1875, ©. 
138—154. 


“ 
— 


De 
— 


115 








December 4. Lateran. Honorius III. abjolviert den von Erz 
biſchof Dietrich von Trier ercommunicierten Abt Heribert 
von Werden, der, weil er auf feiner Kreuzfahrt den 
Grafen Wilhelm von Holland im Nuftrage des Kreuz- 
predigers D., Scholaiters in Cöln, losgeiprochen hatte, 
felber in den Bann gekommen war. — Finke, a. a. O. 
127 Rro. 271. 


1219. 


Februar 5. Übergang über den Nil. Lager auf dem rechten 
Kilufer. 

Augnft 29. verläßt das Heer das Lager, um den Sultan 
Al-Kamil in feinem eigenen anzugreifen, und fehrt voll- 
jtändig geichlagen zurüd. 

November 5. Eroberung von Damiette, gleich; darauf O.'s 
zweiter Brief an Engelbert nad Göln. 


1220. 


Februar 2. Einzug der Vilger in feierlicher Prozejiion in 
die Stadt Damiette, 

Juli 6. Feierlicher Auszug der Geiſtlichkeit aus Damiette, 
nachdem bereit3 acht Tage vorher das Heer ausgerüdt 
war zur Bekämpfung der Sarazenen. 

Juli 17. Aufbruch des Heeres von Bharisfur (jüdl. v. 
Damiette). Weiterer Zug nah Süden. 

Juli 21. Einzug in Saremjah, von da durh Baramun 
nah der Halbinjel, welche der Nil und jein Nebenfluß 
Thanis bildet, wo 

Juli 24. das Lager aufgejchlagen wird. 

Anguft 20. Rüdzug des Heeres. Untergang des größten 
Teiles. : 

Auguſt. 30. Waffenftillitand. „Aegypto dedimus manus et 
Assyriis, ut saturaremur pane* jagt O. Hist. Dam. 
38. 

September 8. Uebergabe von Damiette an die Sarazenen. 
Abzug der Chriften aus Aegypten. D. aing wol wie 
die meijten nach Akka, wo er jich noch längere Zeit 
aufgehalten zu haben ſcheint. Won hier aus jchrieb er 
einen Brief an den Sultan von Hegypten und einen 

8* 


anderen an die Schriftgelehrten dajelbit, um fie 
zur Annahme des Chriftentumes zu bewegen!). D. Icheint 
in der Tat noch das ganze Jahr 1221 in Baläjtina 
geblieben zu jein, und erft, wie mehrere hohe weltliche 
und geiftlie Würdenträger, 

1222, 

September ih nah Italien eingeichifit zu haben, um an 
dem vom Kaiſer Friedrich auf den 

November 11. nah Verona berufenen Hoftage Teil zu 
nehmen, derjelbe fiel aber aus. — Ol. Hist. Dam. 45, 
Böhmer-Nider Reg. imp. 1409 b.?) — D. ſcheint ſich 
von bier direct nach Deutjchland, jpeziell nad) Friesland 
begeben zu haben. Bgl. unten die Anm. zum 2. März 
1224. 

1223. 

April Juni (Paderborn). Nach dem am 28. März erfolgten 
Tode des Biſchofs Bernhard III. wird D. in einer 
zwiejpältigen Wahl mit dem Busdorfer Probjt Heinrich 
von Brakel zum Bilhof von Paderborn gewählt. 

Juli 27. Segni. Papit Honorius III. ernennt drei Geiftliche 
zu jeinen Bevollmächtigten, die ftreitige Biſchofswahl zu 
unterfuhen. — Wilmans U.B. IV, 78 Nro.114. Finke 
a. D. 147 Nro. 308, 

Juli 29. Segni. Derjelbe ernennt drei weitere Geiftliche zu 
feinen Bevollmächtigten in derjelben Angelegenheit. — 
Wilmans a. a. O. 79 Nro. 115. Finke a. a. O. 147 
Nro. 309. 





1) Gedr. Eecard, Corp. hist. 2, 1439—49. 

2) Caesarius Heisterb. in j. Dial. Mirac. X, cap. 49 jagt, nadıdem 
er im vorhergehenden Gapitel 1222 als das Jahr angegeben, in 
welchem er ſchreibt: sieut in capite jejunii magister Oliverus prae- 
dieavit Coloniae, das wäre am 16. Februar. Indeß iſt dies nicht 
möglid), denn abgejeben davon, daß Ol. Hist. Dam. 45 noch foldhe 
Details berichtet, dag man daraus entnehmen Bi er jei, als er das 
ichrieb (1222), nod) im Trient geweien, fand das Erdbeben in Baphos, 
um das es fid) bei Caes, handelt, erit im Mai 1222 Statt, wie O. 
a. a. ©. ausdrüdlidh berichtet. Vielmehr muß Caes. hier von einer 
früheren Zeit jpredjen. Der Zeit nad am beiten würde das Jahr 
1216 pajien; dod) weiß id) nicht, welches Erdbeben in Paphos dann 
gemeint it. 


117 


1224. 

Nach März 2. D. bittet den Abt Conrad von Premontre, 
gegen den Brobit Herderih von Schildwolde, der durch 
Benehmen und Lebenswandel ein Verderben für das 
Land jei, mit aller Schärfe vorzugehen. !) 


März 15. Paderborn. Abt Albert von Abdinghof erklärt in 
Gegenwart O.'s, niemals! das Recht gehabt zu haben, 
bei der Wahl des Biſchofs von Paderborn mitzuwirken. 
— Wilmans a. a. D. 83 Nro. 122 und 123. 


April 15. Paderborn. Das Kapitel von Busdorf gibt in 
Gegenwart des Erwählten D. eine mit jener überein: 
jtimmende Erklärung ab. Wilm. a. a. D. 83 Nro. 124. 

Nach April 15. Die drei päpftlichen Richter benachrichtigen 
Papſt Honorius von den Geſtändniſſen. — Wilmans 
a. a. D. 85, Nro 126. Finke a. a. D. 151 Nro. 318, 


Mai 7. Lateran. Papſt Honorius ernennt eine dritte Com: 
miſſion für die Angelegenheit der ftreitigen Bilchofsmwahl. 
— Rilm. a. a. O. 85. Nro. 127. Finke a. a. D. 151 
ro. 319. 


Mai 13. Cöln. Die zweite Commiſſion jpriht dem Abt von 
Abdinghof und dem Gapitel des Stift3 Busdorf das 
Recht ab, an der Bilhofswahl in Paderborn jich zu 
beteiligen und gejteht diejes ausſchließlich dem dortigen 
Domcapitel zu. — Wilm. a. a. DO. 86, Wro. 128. 


Mai 15. Groningen. D., der in Folge des Kreuzzuges Kaijer 
Friedrichs IT. die Kreuzpredigt wieder aufgenommen bat, 


) Das Datum ergiebt fih aus Emo a. a. O. ©. 501. In dem Briefe 
O.'s (a. a. D. 502—3) heißt es: Cum ex mandato sedis apostoli- 
cae Frisiam peragrarem, duos in ea viros . .. inveni. Alteri 
illorum videlicet Emoni abbati Floridi Orti a clero et populo 
plenum testimonium modestie ac laudabilis vite perhibetur, re- 
liquns Herdericus de Skeldwalle ete. Nun hat aber Wybrands 
in jeiner Abhandlung über den Dial. mirae. des Caes. Heist. in 
Moll en de Hoop-Scheffer, Studien en Bijdragen II (1871) ©. 48 
nachgewiejen, dag D. bei jeiner eriten Anweſenheit in Friesland 1214 
Emo nicht kennen aelernt bat, weil dieler in Premontre war. Da 
nun das peragrarem beweiit, daß der Brief nicht in Friesland ge- 
Ichrieben it, alio vermutlich im _Raderborn, io folgt daraus, dal 
1223, wo ung über O. jede Spur fehlt, diejer in Friesland 
geweſen und mit Emo zuſammen gekommen iſt. 


115 


wird mit großer Freude vom Volke empfangen — 
Emonis Chron. in Mon. Germ. SS. 23, ©. 499. 

Mai 17. Bedum bei Groningen. — A. a. O. 

Mai 19. Winſum. DO. bewegt mehrere Bornehme zur Annahme 
des Kreuzes. Er durchzieht von bier Fivelgoo, madt 
Stationen in Eopperfum, Appingadam?), Far— 
mejum, Menterne und zwei im Neyderland. — 
Emo a. a. O. 

Juni 1. bis 2, (Pfingſten) Blumbof (Floridus hortus?), 
bei dem Abt und Chroniften Emo. — 4. a. O. 

Juni 3. nad dem Embdergau, wo er in Uttum Station 
macht. 

Juni... Groothujen (Husum bei Emo), wo er ver: 
gebens einen Streit unter den Einwohnern beizulegen 
ji) bemüht. Bon hier zurüd nad) 

Juni ... Husdengum. D. jegt vier judices ein zur 
Leitung der Sreuzzugsangelegenheiten. — A. a. O. 
Juni bis Juli. Cöln. O. zu dem am 7. Juni nach Cöln 
gefommenen päpitliden Yegaten Konrad, Biihof von 
Porto und Nufina, der hier ein Conzil abhalten wollte. 
Ann. Colon. max. Mon. Germ. SS. 17, ©. 837. 
Roth v. Echredenitein in Forſch. 3. d. Geſch. 7, ©. 379. 
D. Ichrieb von hier aus an die judices im Gronins 
giichen, legt ihnen ihr Amt an's Herz und gibt ihnen 
Berhaltungsmaßregeln. Einen zweiten Brief richtete 
er an das gefammte Friesland und teilt ihm mit, daß 
der Yandgraf von Thüringen, die Dänen und die Bremer 
Diözeſe das Kreuz genommen und der Kaijer die Sara= 

zenen in Sizilien bejiegt habe. — Emo a. a. O. 

Juli 12. Groningen. Bon bier nad) 

Inli 14. Vredewold weitl. von Groningen. Dann nad) 

Juli . . Suirhuſum und 

Inli ... Dokkum. Feierlicher Empfang. D. wird die Ent: 
iheidung eines Streites zwiichen den Nittern Thitard 
und Wigger übertragen. Nachdem er den Boerdiep oder 


’) Bei Emo: in Foro, was Alting für Weſteremden hält. Val. Ostar 
Strafinah in Bijdr. tot de Grosch. van Groningen 6, 50 ff. 
Sept Witiewierum, 


19 
— 


119 








Boorn-Fluß überichritten, kehrte er nad Dokkum zurüd 
und entjchied den Streit zu Gunften Wiggerd. — Emo 
a. a. O 


Juli 17. Auf dem Wege nach Groningen Ueberfall durch 
Thitard. Ermordung des Eltetus von Midleſtum. — 
Emo a. a. O 

Auguft 19. Cöln. Die päpſtlichen Richter gebieten den Amts— 
leuten des Fürftentums Paderborn, die Einfünfte ihrer 
Amter weder dem Probjt Heinrich noch dem Magiſter D. 
zu übergeben, jondern fie aufzubewahren. — Wilmans 
a. a. D. 87 Nro. 130. 

Auguſt 19. Cöln. Diejelben Richter beauftragen den Probſt 
und Dehanten des Domes in Paderborn die Amtsleute, 
welche vorstehenden Befehl mißachten jollten, zu ercoms 
municieren. — Wilm. a. a. D. 88 Nro. 131. 

December 30. (Cöln). Der cölner Domdehant G. erklärt, 
daß Gerlacus Hogier auf den Zehnten zu Mehlem ver: 
zihtet habe. Unter den Zeugen magister Öliverius 
decanus. — Nnnal. für die Geich. des Niederrhein 
34, ©. 79. 

Ende des Jahres. Probſt Heinrich von Brafel wird mit einer 
Heihe feiner Anhänger ercommuniciert. — Wilm. a. a. 
O. 93 Nro. 137. 


1225. 


April 7. Laterau. Papſt Honorius III. beftätigt D. als Biſchof 
von Paderborn und fordert ihn zur Uebernahme des 
Amtes auf. — Finke a. a. D. 155 Niro. 325. Potthast 
7390. 

Apil 7. Lateran. Derfelbe teilt dem Kardinallegaten Conrad 
von Porto und dem Erzbiichof Engelbert von Cöln die 
Wahl O.'s zum Biſchof von Paderborn mit und fordert 
jie auf Propſt Heinrich zur Reftitution zu veranlajjen. 
— Finke a. a. DO. 154 Nro. 326. 

April 7. Lateran. Derjelbe bejtätigt die Wahl O.'s zum 
Biſchof von Baderborn, kaſſiert die jeines Gegners Heinrich 
und fordert die Edeln und Mliniiterialen auf, dem O. 
den Treueid zu leilten. — Wilmans a. a. ©. 96 Wro. 
141, Finfe a. a. DO, 154 Nro. 327. Potthast. 7391. 


120 


— — — — — — 


Juli 28. San Germano. Kaiſer Friedrich II. beſtätigt dem 
Kloſter in monte Amiato ein Privileg ſeines Vaters 
Heinrichs VI. Unter den Zeugen O. v. Paderborn. — 
Böhmer-Ficker Reg. imp. 1571. 

Juli... San Germano. Derjelbe belehnt D., der zur Er: 
langung der Negalien von dem deutichen Orden 65 Mark 
Silber geliegen erhielt, mit den Regalien. Böhmer-Ficker 
a. a. D. 1571%. Wilm. a. a. O. 116 No. 175. 

Juli... San Germano. Derjelbe belehnt den Erzbifchof 
Engelbert von Cöln mit dem Gute Richterich. Unter 
den Zeugen Oliver. B.F. 1572. 

Anguft!) Rieti. Honorius III. gewährt allen Bejuchern der 
paderborner Domkirche am Jahrestage ihrer Einweihang 
einen Ablaß von vierzig Tagen. — Gobelin. Cosmodr. 
cap. 64 (bei Meibom SS. rer. Germ. 1. 282) jagt: 
ad instantiam Bernardi quarti episcopi Pad. in prae- 
sentia ejus, wobei eine Verwechjelung Bernhards IV. 
mit D. ftattfindet. Bol. Finke a. a. D. 156 Nro. 332. 
— D. wird alfo von S. Germano ji nach Nieti zum 
Papſte begeben haben. 

er. Auguft muß die Ernennung O.'s zum Gardinal:Bichof 
von Sabina erfolgt fein, denn 

September 18. Rieti unterzeichnet D. als episcopus Sa- 
binensis die Bulle des Papſtes Honorius für die Kirche 
in Padua. — Potthast Reg. Pont. 7478.?) 

September 26. Rieti. D. unterzeichnet ebenjo die Bule 
defielben Bapites für Podeſta und Volk von Nieti. — 
Potthast 7483. 

September 27. Nieti. Honorius III. zeigt dem Paderborer 
Domkapitel an, daß er O. aliquamdiu apud seden 
Apostolicam eommorantem zum Bilhof von Sabita 
ernannt habe und fordert zur Neuwahl auf. — Fire 
a. a. D. 156 Nro. 335. Bergl. Wilm. a. a. D. 96 
Nro. 141 Anm. 2. 





1) Das Datum, welches Finke „nach Juli 24 bis September” annicht, 
kann wol in diejer Weiſe beichränt werden. al. die folg. Nena. 

2) Es jei bier bemerft, daß O. ſich jelbit immer Ohiverus nemit, 
während ſonſt ſein Name bald Oliverius bald Oliverus geichrieben 
wird. 


1226. 


Jannar. Honorius papa Oliverium natione . . . . ad 
ecelesiam Sti Vincentii assumptum eleetum ad im- 
peratorem in Apulia mittit. — Ryecardi de Ss. 
Germano Ännal. in Mon. Germ. SS. 19, 3451). 


Febrnar 27. Lateran. D. unterzeichnet die Bulle des Honorius 
für das Klofter Ettenheim. — Potthast 7541. 


Mai 9. Lateran. Ebento für da3 Klofter Selau in der Diözeje 
Prag. — Potthast 7568.2). 


1227. 


Mai 7. Laterau. D. unterzeichnet die Bulle Grenors IX. 
für das Kloſter S. Mariae de Ferraria. — Pottlast 
1895. 


Juni 28. Anagni. Ebenjo für den Prior der Camaldolenſer. 
— Potthast 7950. 


‚uni 30. Anagni. Ebenjo für das Nlofter St. Juvenal in 
Rarni. — Potthast 751. 


Auguft 4 Anagni. Ebenfo für St. Nicolaus in Dignies’). 
— Potthast 7994. 


Auguſt 9. Anagni. Ebenſo für das Klojter St. Mariae de 
Garcere, — Potthast 8003. 


Dieſe ganze Stelle iſt in der Handſchrift jo lüdenhaft, daß der 
Herausgeber den Drud des Ughelli Ital. sacr. (1647) Ill, 986 mit 
zu Rate zieht. Er ſchiebt vor Oliverum „quendam* ein, das aber 
bei Ughelli wie auch bei Muratori SS. rer. Ital. VII, 999 fehlt. 
It hier unfer D. gemeint, jo it quendam wol nicht richtia, da 
Ryee. den Bilchof wol jo nicht bezeichnet hat. Doch iſt es unmahr: 
icheinlich, dai dieſer D. der Biſchof von Sabina iſt. Kalle es aber 
wirklich unſer DO. ift, dann it die Lücke hinter natione, die ſchon 
Uahelli und Muratori als ſolche bezeichnen, um jo mehr zu bedauern, 
Wir hätten bier den einzigen Anhaltspunkt für eine wenn auch nur 
relative Sicheritellung jeiner Heimat. 

Sämmtlihe von ©. episcopus Sabinensis unterzeidineten Bullen des 
Honorius find zuſammengeſtellt bei Potthast rer. pont. 1, ©. 678. 
Bei Ramur, befannt durch Jakob von Vitry, vgl. Matzner, De Jac. 
Vitriac, vita et reb. gest. Müniter 1865, 


— 


3 


— 


122 


Anguft 9. Anagni. Ebenjo für das Schottenflofter in Wien. 
— Potthast 8004). 


1) Die von O. episcopus Sabinensis unterjchriebenen Bullen Gregors IX. 
find zujammengejtellt bei Potthast a. a. D. ©. 938. — Es ift dies 
die lette jichere Nachricht über D. Woher Rofenmeper in Troß, Welt. 
falia (1825) II*, ©. 50 die Angabe hat, daß D. am 3. September 
1227 in Paderborn geftorben, iſt mir nicht erſichtlich, da Schaten 
(Ann. Paderb. 1, 708), den Roſenmeyer citirt, nichts davon jagt. — 
Aus den Regeſten ergiebt ſich auch, daß der Schiuß, aus dem Fehlen 
des Ep. Sahb. bei der Wahl Gregors IX. den Tod D.s bereits vor 
diefe Wahl zu ſetzen, unzuläffig ift. Sicher ift nur, dag er Mai 
1230 todt ift; vgl. Wilm. a. a, D. 116, Nro. 175, Finte a. a. O. 
166 Nro. 361. 


Nachtrag. 


1196 Jan. 1. Der päpſtliche Legat Kardinalprieſter Johaun 
v. St. Stephano ſchlichtet einen Streit zwiſchen 
dem Bistum Paderborn und dem Kloſter Helmershauſen. 
U. d. 3. magister Oliverus. Finke a. a. O. S. 66, 
Nro. 160. 


IV. 


Die Gnitaheide. 


Wo liegt fie? und melches find die Dörfer 
Horus und Kiliandr? 





Bon 
6. A. 8. Schierenberg. 


Der Abt Nicolas, der um 1150 von Island aus eine 
Pilgerreife nad Rom machte, hat uns ein Stinerarium hinter: 
lafien, in welchem er die verfchiedenen Wege angibt, welche 
die Nordländer zu diefem Zmwede zu benugen pflegten, und 
bei dieſer Gelegenheit erwähnt er auch die berühmte Gnita: 
beide, welche in den Liedern und Sagen der Edda eine jo 
große Rolle jpielt, indem dort Siegfried (in der Edda heißt 
er Sigurd) den Draden Fafnir tödtete, wodurd er in Bejik 
des Nibelungenhort3 oder Nibelungenihates fam. Aus dem 
isländijchen Terte dieſes Itinerars, wie er dur Werlauff, 
in feiner 1821 in Kopenhagen erjchienenen Schrift: Symbolae 
ad Geographiam medii aevi ex monumentis Islandicis, 
begleitet von einer lateinijchen Ueberſetzung, veröffentlicht ift, 
hat man bisher ſtets gejchloffen, der Isländer verlege die 
Gnitaheide auf die Strede zwiihen Paderborn und 
Mainz. Dies jcheint mir aber auf einem Mißverftändniffe 
zu beruhen, indem Werlauff den isländiſchen Tert falſch auf: 
faßte, und in Folge deſſen auch faljch überjegte, wie ich hier 
zu zeigen beabiichtige, da man bisher allgemein Werlauff 
bierin gefolgt ift. Denn nach meiner Auffaffung bezieht ſich 
das Wort imilli (inmitten), das in dem isländiſchen Terte 
fteht, nicht auf Mainz und Paderborn, fondern auf die beiden 
Dörfer Horus und Kiliandr; zwiſchen ihnen liegt die 
Gnitaheide, und dieſe beiden Dörfer liegen bei Paderborn. 


Für unjre Zmede fommt nur der Theil des Jtinerars in 
Betracht, der die Strede von Stade bis Mainz in fich faßt, 
und für dieje Strede werden zwei Reijerouten angegeben, 
die jich aber bei oder doch bald hinter Paderborn wieder 
vereinigen, worauf dann die Neilenden gemeinſchaftlich, oder 
auf derjelben Straße, nämlich beide über Fritzlar nach Mainz 
gelangen, während Werlauff die Sade jo auffaßt, als ob 
die Straßen erit in Mainz wieder jich vereinigten. Da nun 
der Abt ausdrüdlich erklärt, daß er die Straße über Paper: 
born nit gefommen jei, alſo nicht von Baderborn nad 
Mainz gereijt jei, jo ergibt sich ichon hieraus, daß er Die 
Snitaheide nicht wohl auf dieje Strede verlegen Eonnte. Der 
Wortlaut des Textes zeigt aber, daß die von Werlauff bei- 
gefügte Ueberjegung nicht richtig it. Die beiden Straßen 
von Stade nah Mainz find folgende: I. Stade, Berden, 
Nienburg, Minden, Baderborn .„.. Mainz, und 
11. Stade, Harjefeld, Walsrode, Hannover, Hildes— 
heim, Gandersheim, Friglar, Nrinsborg (Mar: 
burg?), Mainz. Dann wird noch eine dritte Straße an— 
gegeben, die von Norwegen über Deventer oder Utreht nad) 
Köln, und von dort in zwei Tagen am Rhein aufwärts nad 
Mainz führt, bier aljo nicht in Betracht kommt. In dem 
Theil des BerichtS aber, der für uns maßgebend ift, glaube 
ih an drei Stellen unrichtige Weberjegung nachweiſen zu 
fönnen. Ich überjege nämlich folgendermaßen: 
„sn Stade!) iſt ein Biſchofsſitz an der Marienkirche, 
von dort jind zwei QTagereijen bis Werden, von dort ilts 
) 4 Stöduborg er biskopsstoll at Mariokirkiu, tha er 2 daga for 
til Ferdnborgar, tha er skaint til Nyioborgar; tha er Mundiohorg, 
(har er biskopsstoll at Petrskirkio. Nu skiptaz tungur. Tha er 
2 daga für til Pödldubrunna, thar er biskopsstoll at Liboriuskirkiu, 
thar hvilir hann. Tha er 4 daga för til Merinzohorgar. Thar 
imillier thorp er Horus heitir, annat heitir Kiliandr, 
ok thar er Gnitaheidr er Sigurdr va at Fabni. Su er 


nicht weit bis Nienburg, dann kommt Minden; dort it ein 
Biihofsfig an der Peterstirhe. Nun ändern tich die Dialecte 
(tungur). Dann iſt es zwei Tagereifen bis Paderborn, dort 
it ein Biſchofsſitz an der Liboriusfirdhe, wo er begraben ift; 
dann ijt es vier Tagereijen bis Mainz. Dort inmitten, 
woein Dorf, welches Horus heißt, ein anderes heißt 
Kiliandr, eben dortiitdie Gnitaheide, wo Sigurd 
den Yafnirtödtete. Dies nun ijt die andere Straße oft: 
wärts Durchs Sachſenland zu reifen über Harjefeld, dann 
nad Walsrode, von dort nad Hannover, dann nad) Hildes- 
heim, wo ein Biſchofsſitz iſt, dort ift der heilige Gudhardus 
begraben, dann nach Gandersheim, dann nad Fritzlar, dann 
nah Arinsburg, dann ift es nicht weit mehr bis Mainz. 
Wie eben gejagt, fuhren wir. Dieje beiden Heerftraßen 
fahren die Nordmänner und führt die Straße gemein: 
ihaftlih nah Mainz, wenn dieje (beiden) gefahren werden, 
„und zwar ilt das der meilten Männer Fahrt. Was nun 
die drei beanitandeten Stellen betrifft, jo überiegt Werlauff 
die legte derjelben (ok kemr saman leidin), als ob da 
jtände „Roma leidir saman“, deun er jagt: binas istas 
vias, quae Moguntiae junguntur, peregrinatores boreales, 
et cum his plerique alii persequi solent. Da aber leidin, 
der Nominativ mit angehängten Artikel, und kemr, die dritte 
PBerjon, beide im Singular jtehen, jo ift die Ueberſetzung 
niht richtig, jondern e3 iſt gejagt, dab wenn auch beide 
Wege gewählt werden, oder welcher von beiden gewählt 
werde, Ichlieglih ein gemeinjamer Weg die Reiſenden 
"önnar leid or Stöduborg at fara it eystra of Saxland, til Horsa- 
fellz, thathan til Valsoborgar, thathan til Hanabruinborgar, tha 
til Hildisheims, thar er biscopsstoll, thar hvilir binn helgi Gudhar- 
dus, tha til Gandurheims, tha til Fridla, tha til Arinsborgar; 
tha er eigi langt til Meginzoborgar: sem athr (var sagt) 
foro ver, Thessar 2 thiotleidir fara Noredmenn, ok kemr saman 
leidiu i Meginzoborg ef thessar ero farnar, ok er that 
flestra manna för. 





126 
nah Mainz bringe. Die andere Stelle: sem athr (var sagt) 
foro ver, überjegt Werlauff: de qua supra, breve iter, 
während doch von einem kurzen Wege nidts da iteht, 
jondern: „wie vorher (gejagt wurde) reijten wir”, 
denn ob die eingeflammerten Worte (var sagt), die in einer 
Handſchrift fehlen, da jtehn oder nicht, ijt ziemlich gleichgültig, 
immer geht Daraus deutlich hervor, daß der Abt über Ganders- 
heim und Friglar, nicht aber über Minden und Paderborn 
nah Mainz gereijt it, daß er aljo nur vom Hörenſagen 
darüber berichten kann. Daraus folgt dann weiter, daß dieſe 
vier Tagereijen lange Strede den gemeinjchaftlihen Theil 
des Weges enthält, wie denn ja in der That Friglar fchon 
auf der Straße Baderborn— Mainz liegt. Denn wirft man 
einen Blid auf die Landkarte, jo jcheint der Weg von Ganders- 
heim nad) Hörter, und von dort im Thale der Diemel nad 
Warburg, oder im Thale der Fulda nah Caſſel, und 
von dort nah Friglar zu führen. Läge aljo die Gnitaheide 
zwiſchen Paderborn und Mainz, jo iſt anzunehmen, daß der 
Abt ihre Lage näher bezeichnet hätte, vielmehr: jcheint er Die 
Angabe der Stationen zwilchen Paderborn und Mainz nur 
ausgelajjen zu haben, weil er jie auf der von ihm einge- 
ichlagenen Route über Gandersheim zu nennen hatte. Hieraus 
jcheint nun weiter fich zu ergeben, daß das Wort imilli 
(inmitten) der erſten Stelle fih nicht auf Paderborn und 
Mainz, jondern auf Horus und Kiliandr beziehen ſoll. Indeß 
läßt jich nicht verfennen, daß das Wörtchen er, welches in 
der fraglichen Stelle viermal, und zwar in drei verjchiedenen 
Vedeutungen vorfommt, dem lleberjeger einige Freiheit ge: 
währt. Denn es heißt ſowohl „iſt“ (est) ald „wo“ (ubi), 
und dann it e$ pronom. relat. und zwar durch alle Cajus 
und Gejchlechter (qui, quae, quod, cujus etc). Welche diejer 
Bedeutungen hier dem Wörtchen inne wohnt, muß daber 
aus dem Zujammenhange beurtheilt werden, und da made 
ich denn für meine Anſicht noch geltend, daß der Abt nicht 


127 


jagt tha imilli, jondern thar imilli, und daß das Wörtchen 
thar auf das Nachjolgende hinweiſet, aljo auf die beiden 
Dörfer, während Werlauff es auf das Vorhergehende bezieht 
und überjegt: inter has extant pagi Horus et Kiliandr 
dieti; sunt quoque ibi tesqua Gnitaheidr, in quibus Si- 
gurdus Fafnerem interfecit. Für meine Anficht jpricht ferner 
der Umstand, dab das hinmweijende thar nochmals wiederholt 
wird, und zwar mit dem beigefügten Wörtchen ok, wodurd 
die Worte „ok thar er Gnitaheidr‘ die Bedeutung erhalten 
„und eben dort ift die Gnitaheide“. it dem aber jo, dann 
kann das Wort er in: „thar imilli er thorp“ ete. nur 
durch „wo“ überjegt werden, während Werlauff es durch „iſt“ 
in extant wiedergibt. Hiernach beziehe ich das Wort imilli 
auf die nachfolgenden Horus und Kiliandr, während, io 
viel ich jehen kann, alle Forſcher bisher mit Werlauff es 
auf Paderborn und Mainz bezogen haben. Denn in dem 
auf der Univerjitätsbibliothef in Berlin befindlichen Ereniplare 
der Symbolae jtehen von Jac. Grimms eigner Hand nur 
Bemerkungen über die Orte, namentlih über Arinsborg, 
Horus und Kiliandr, am Nande beigefügt. 

Dies führt nun aber weiter auf die Fragen: Wer ift 
Sigurd? Ver iſt Fafnir? Welches jind die Dörfer Horus 
und Kiliandr? 

Die Aniicht dag unter dem Namen Siegfried oder Sigurd 
der Bejieger des Quint. Varus, aljo Arminius zu verftehen 
jei, ift jchon mehrfach ausgejprochen und neuerdings noch 
durh den Skandinavier Gudbrand Sigfuſſon in jeiner 
Schrift zur Grinmfeier: Grimm Centenary, Sigfred Arminius 
and other papers. London and Oxford 1886, aufgeitellt 
worden, indeß bejchränkt ſich Sigfuſſon darauf, Siegfried mit 
Arminius zu identificiren, und über den Hergang der Schlacht 
im Teutoburger Walde ſich auszusprechen. Aber fobald wir ans 
nehmen, dag Arminius unter dem Namen Eiegiried verborgen ift, 


128 








fann unter der Bejiegung des Draden doch nur die Bejiegung 
Roms verjtanden werden, und demnach ift unter den Drachen 
Safnir oder der Weltichlange die Macht Roms zu verjtehen, 
und die Gnitaheide, wo jie vernichtet wird, kann nur das 
varianiiche Schlachtfeld jein. Hiernach liegt es denn nahe, 
in den Dörfern Horus und Kiliandr den Anfangs- und End: 
punft jener Schlacht zu juchen, aljo etwa Varus Sommer: 
lager und Alijo, wohin jih ja nad Bellejus II. 120 die 
Ueberbleibjel von Varus Heer gerettet hatten, und von wo 
fie ſich glücklich durchſchlugen. 

Da nun meiner Anſicht nach, der ſich auch Hölzermann 
angeſchloſſen hat, Aliſo zu Boke lag, ſo ſuche ich natürlich 
das Dorf Kiliandr zu Boke, wo ſich ja der Name auch noch 
findet, denn auf der Liebenowſchen Karte, Sektion Soeſt, 
ſteht ein Ort Kilian nördlich von Boke verzeichnet, neben 
dem Gute Espenlake. Als ich vor Jahren an Ort und Stelle 
war, erfuhr ich auch, daß die Anwohner mit dem Namen 
Kilians-Damm den Weg bezeichnen, der von der Lippe— 
brücke nordweſtwärts führt, und wenn ich damit zuſammenhalte, 
was in der Weſtfäl. Zeitſchrift, 20. Band, der Oberſtlieut. 
F. W. Schmidt (S. 293 über „den vollkommen erhal— 
tenen römiſchen Straßendamm von 16 F. oberer 
Breite“ ſagt, der von Liesborn „an der Südfront der 
Hünenburg vorüber, nördlich von Colon Walkenhaus und 
Wortmeier durchs Lipperbruch ſich fortſetzt, und oberhalb der 
Weſtenholter Mühle über den Hauſtenbach ſcheint geführt 
zu haben”, jo ſcheint Kilians-Damm eben eine Fort— 
ſetzung jenes Weges zu jein. 

Was das Dorf Horus betrifft, jo lag nad meiner 
Anficht Varus Sommerlager in der Gegend von Horn. 
Dafür fprit der Umſtand, daß nah Tacitus Angabe der 
Weg auf das Schlachtfeld zwiichen den Quellen der Ems 
und Lippe bindurdhführte, daß bier die alte Straße ſich be— 
findet, welde von der Lippe zur Weſer und Elbe führte, 


129 





dab fich auf diefer Straße auch der Engpaß (saltus) findet, 
den die Bejchreibung fordert, am Erternfteine nämlich, daß 
die Grotte im Erxternfteine fih al3 ein Mithräum erweifet, 
dad doch nur Varus angelegt haben Tann, und daß in und 
bei Horn eine große Menge Hufeifen gefunden werden, welche 
durch Vergleihung mit den auf der Saalburg gefundenen 
ich als römischen Uriprungs erweifen. Indeß jcheint es, als 
ob der Barusberg, der nur 9 Kilometer ſüdlich von Horn 
liegt, dem Klange feines Namens nad, größere Wahrjcheinlichkeit 
dafür biete, daß in ihm der Name Horus verborgen liegt, 
da die Nordländer das B oder W im Anlaut wegzuwerfen 
pilegen, jo daf die Wörter: Wort, Wurm, Wunſch, Wolf, 
Wunder, Wunde bei ihnen ord, orm, osk, ulf, undr, und 
geihrieben werden; doch wird es Aufgabe der Linguiftik fein, 
dies näher zu unterfuchen. Hier will ich nur darauf hinweiſen, 
dag die Wohnung Segeits in der Gegend des Varusbergs 
zu juchen jein wird, und daß daher anzunehmen ift, daß 
Varus ſich häufig dort bei diefem Nömerfreunde aufgehalten, 
und der Berg daher von ihm feinen Namen erhalten hat. 
Denn die Anficht, daß es jih mit dem Varusberge wie mit 
dem Taunus verhalte, daß ihm nämlich exit im jpäteren 
Mittelalter diefer Name beigelegt jei, iſt zurüdzumeiien, da 
es noch nie Jemand eingefallen war, ihn zur VBarusschlacht 
in Beziehung zu bringen, deren Schauplag man ſtets weiter 
nördlich Hin verlegte, bis fich im Jahre 1871 an jeinem 
Fuße jene Goldmünzen des Auguitus fanden, die nur wenige 
Jahre vor jener Kataftrophe geprägt Tind. 

Doch ich will mich hier auf weitere Erörterungen nicht 
einlaſſen, da e3 mir nur daran gelegen ift, die Aufmerkjanikeit 
auf diefe Fragen binzulenfen, um bevufenere Forſcher zu ver: 
anlaſſen fih darüber auszufprehen. Die Sade ift aber von 
großer Tragweite, denn wenn man mir hierin beipflihten 
muß, jo wird dadurch die von mir aufgejtellte und vertheidigte 
Anſicht an Wahrjcheinlichkeit gewinnen, wonad der Schauplatz 
XLVL 2. y 


130 


der Eddalieder am Teutoburger Walde zu fuchen ift und Die 
Kriege gegen die Nömer ihren Inhalt bilden. 

Schließlich will ih no auf die auffallende Bemerkung 
des Isländers hinweiſen, wonach jich bei Minden die Dialecte 
ändern follen (na skiptiz tungur). Dies fann nur auf einem 
Mißverſtändniß beruhen, indem er Minden mit Münden 
verwechjelte, wo ja auch jetzt der niederdeutiche Dialect in 
den hochdeutſchen übergeht, denn ich jege voraus, dab lid) 
hierauf nur jeine Bemerkung beziehen kann. 


Nachſchrift. 


Als das Manuſkript ſchon in der Druderei war, er: 
innerte ich mich erjt wieder, daß ich jchon in meiner 1875 
erfchienenen Schrift: „Deutſchlands Olympia“ denſelben 
Gegenſtand beſprochen habe. Indeß war mir damals der 
Wortlaut in der Urſprache noch nicht bekannt. Dort beziehe 
ich mich S. 102 auf Wilh. Grimm, der in ſeiner Deutſchen 
Heldenſage, im 27. Zeugniß, auf das Itinerar des Abts 
Nicholaus ſich bezieht, wonach die Gnitaheide auf dem Wege 
von Paderborn nach Mainz liegt. Nach Wilh. Grimms Ueber— 
ſetzung lauten die Worte. „dort iſt ein Dorf, das Horus 
beißt, und ein anderes heißt Kiliandur, und dort ift 
die Snitaheide, wo Sigurd den Fafnir erihlug”. 
Grimm bemerkt dazu: „Was für Dörfer unter Horus und 
Kiliandur gemeint jind, ift Schwer zu jagen, wahrjcheinlich 
jedoch wird Horohus am Fuße der Eresburg (Stadtberge), 
unter dem eriteren gemeint‘. Hieran ſchließt fih dann ferner 
das Zeugniß Nro. 169 Seite 322, wo Wilh. Grimm fagt: 
„Roc jest geht in Nerike die Sage, der Niflungenſchatz jei 
irgendwo im Kilsberge aufbewahrt, und der Schlüffel zu 
dem Bergjaal unter einem Roſenbuſch verborgen. Nach Geyjer 


131 


(Svea Rikes Hafder I. 118) heißt der Felſen, wo ber 
Schaß liegen joll, Garphytteklint”. Zu diefem letzten 
Namen habe ich damals die Bemerkung gemacht, daß Geyjer 
in jeiner Geſchichte Schwedens jagt: „Garp hieß vormals 
in Schweden ein Deutjcher, obgleich das Wort eigentlich 
einen übermüthigen, prahleriihen Menjchen bedeutet”. Da 
nun hytte eine Schmelzhütte, ein Hüttenwerk bedeutet, und 
klint einen Berg, jo werden wir aljo auf ein „deutſches 
Hüttenwerf am Kilsberge“ bingewiefen, und da bietet ſich 
gleich auf der erſten Eijenbahnftation zwiſchen Paderborn 
und Mainz das Hüttenwerk Altenbefen dar mit dem Stil: 
berge im feiner Nähe. Da diefer Berg auch den Namen 
Barusberg führt, da auf ihm die Karlsburg liegt, da 
er einen unterirdiſchen Bergjaal hat, und da nad der 
Bollsjage Karl d. Gr. hier eine Burg gehabt haben joll, 
jo ift die Vermuthung wohl beredtigt, daß der Kilberg 
oder Barusberg identiih iſt mit Kilsberg, und alle 
drei wieder identisch mit dem Dorfe Kiliandur im Itinerar, 
und daß unter Hor us das Städtchen Horn zu verjtehen jei. 
Die Angabe, daß Sigurd über die heiligen Berge reiten 
muß, um den Draden Fafnir zu töbten (Fafnismal 26), 
iheint diefe Annahme noch zu beitätigen. — Somit bleibt 
noch zu unterfuchen, ob der Hof Kilian bei Boke, oder der 
Kilberg größere Wahrjcheinlichkeit für fich Hat. 


9* 


V. 


Regeſten und Urkunden 
zur Geſchichte der 
ehemaligen Benediktiner-Abtei Marienmünſter 


unter Berückſichtigung der früher incorporierten 
Pfarreien. 





Erſter Zeil. 
Bon der Gründung bis zum Tode des Abts Georg I. (1128—1518.) 


Sejammelt von 


Fr. X. Schrader, 
Pfarrer zu Nakungen, Kreide Warburg. 


Fortfegung. 
Nr. 1. 


1128. Auguft 15. 

Bernhard (I. von Ofede), Biſchof von Baderborn, bekundet, 
daß Graf Widelind (von Schwalenberg) — vir nobilis et 
catholicus nobis propinqua consanguinitate coniunctus 
— u. jeine Gemahlin Yuttrudis auf fein Zureden auf ihrem 
Eigentum und Erbe eine Kirche in honorem Dei ac sancte 
genitrieis ipsius Marie virginis nebjt Klofter und zwed- 
mäßigen Wirtichaftsgebäuden gegründet und ihm den Namen 
„Sancte Marie Monasterium (Marien: Münfter)” gegeben 
haben. — Den Mönchen wird freie Abtswahl zugeftanden, 
und nach der Ordensregel Gerhard zum eriten Abt gewählt 
und geweiht. Um Nacheiferung zur fernern Unterftügung des 
jungen Klojter® (huius novelle plantationis) zu weden, 
ihenft der Bilchof jelbjt feine beneficia, in pago Bredin- 
burne sita, cum decima et omnibus pertinentiis und 
jährlich ein Juder Meßwein (carratam vini ad sacrificium 
Domini). 

Die Abtei ſoll frei fein und unabhängig von allem 
weltlichen Einfluffe, der Abt dem Biſchofe von Paderborn 
Gehorjam leiften, von ihm jeine Konjefration und die Weihe 


133 


der Mönche erbitten. Über die Wahl des Vogts, welcher die 
Verteidigung der weltlichen Gerechtſame der neuen Mbtei 
übernehme, wird beftimmt: daß, wenn in der Familie (in con- 
gregatione) de3 Grafen Widekind eine geeignete Perjon zu 
finden jei, diejer ftet3 zum SKloftervogt gewählt werde und 
rür jeine Mühe die Ehre genießen jolle, an den Gebeten der 
Brüder bejtändigen Anteil zu haben: fonjt aber jeder andere 
erwählte Vogt dur Empfehlung (patrocinio) des Bilchofs 
von Baderborn die Belehnung unter Königsbann zu erwerben 
gehalten ſein jolle. 

Zeugen: Siward, Biihof von Minden (1121— 1140), 
Tithard, Biihof von Dsnabrüd (1119—1137), Erdenbert, 
Abt von Corvey (1106—1128 7 7. Dftober), Hamuco, Abt 
von Paderborn (Abdinghof, 1118—1142), Gerhard, eriter 
Abt von Marienmünfter, Wino, Dompropft, Eſik, Propſt (im 
Busdorf), Widelind, Graf (von Schwalenberg), Bernhard 
(und) Hermann (Brüder und Edle zur Lippe). 

Act. a. incarn. dom. 1128. XVIII Kal. Sept. 

Kopialbuch zu Grevenburg Nr. 1. 
desgl. zu Detmold fol. 2. 

®edr. Schaten, Ann. Pad. I ad. ann. 

Erhard, Reg. hist. Westf. II. God. dipl. Nr. 205. Vergl. 
Lipp. Reg. I Nr. 44. 

Alle Urkunden bis zum J. 1343 find in lat. Sprade 

abgefaßt. 


Nr. 2. 
1130. Juni 20. 
Erzbiichof Adelbert von Mainz betätigt als Metropolitan 
die Stiftung des Kloſters Marienmünfter. 
Zeugen: Die Pröbfte Godebold von Friglar, Heinrich 
von „secheburg und Gottſchalk von Heiligenftadt ... . . 
Act. 1130. Indict. VIII. Lothar. II. a. regn. VII. 
Dat. Frideslarie XI. Kal. Jul. 
Kopialb. zu Grevenburg. Nr. 2. 
deal. zu Detmold fol. 4. 
Gedr. Schaten, Ann. Pad. I ad ann. 
Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. Wr. 210. 


134 


1136. Auguft 4. 
Kaijer Lothar (III.) nimmt Klofter Marienmünfter (mo- 
nasterium ste Marie) in feinen Schuß. 
Dat. 1136. Indiet. XIIII. pridie Non. Aug. a. regni 
Lothar. XI, imp. IV. 
Act. Corbeie. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 3. 
desgl. zu Detmold fol. 4. 
®edr. Schaten, Ann. Pad. I. ad. ann. 
Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. Nr. 220. 


Nr. 4. 
1137. Dftober 2. 


Papit Innocenz (II.) nimmt das vom Grafen Widefind 
gegründete Klofter zu Schwalenberg (Marienmünfter) jamt 
den Beſitzungen desjelben in jeinen Schuß. 

Dat. in territorio Romano VI. Non. October 1137. 
Indiet. I. pont. a. VIII. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 4. 
desgl. zu Detmold fol. 3. 
Gedr.: Schaten, Ann. Pad. I ad ann. 


Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. Nr. 222. 
Bergl. Finke, Weſtf. U.B. V. Nr. 46. 
Nr. 5. 


1138. Oktober 11. 


Bernhard (1.), Biſchof von Paderborn, fchenkt dem vom 
Grafen Widefind (von Schmwalenberg) gegründeten Klojter 
Marienmüniter (ste Marie monasterium) die Zehnten in 
Seybile, in Mechtestorpe, in der Nähe des Klofters zu Rothe, 
in Zidelinctorpe; ferner Bredenborn, ein Gut in Urdorp, 
zwei Manfus in Diwergen, weiter 7 Manjus und 12 der, 
3 Sundern, 3 Filchteiche und mehrere Eigenbehörige (man- 
cipia), jährli ad sacrificium Domini unam carratam 
VIIII. 

Zeugen aus dem Klerus: Abt Hamuco, Wino, Dom— 
propſt, Eſick, Propſt am Busdorf, und die übrigen Dom— 
kanoniker; 


135 


Freie: Volquin, Bogt (von Schwalenberg), Hermann 
(und jein Bruder) Bernhard (Edle zur Lippe), Xudolf 
(2 von Dfede), Thietmar (? von Büren), Everhard .... 

Dat. Paderborne, V Idus Octobris, indict. I, a. in- 
carn. dominic. 1138 a. Conrad. reg. I. 

Kopialb. zu Grevenburg. Nr. 5. 
desgl. zu Detmold fol. 5. 

Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II Cod. dipl. 

Nr. 227; 


Wigands Arhiv I., 94 abweichend bezüglich der Drts- 
namen. 


Bergl. Lipp. Reg. I. Nr. 52. 


Seybefe (wüſt) in der nördlichen Feldmark der Stabt 
Brakel, wo Sebefer Berg an das frühere Dorf erinnert, 
welches wohl an deſſen Fuß im „Sebefer Kamp“ gelegen hat. 
Nah dem Dorfe Sebefe nannte jih aucd ein Rittergeichlecht, 
wovon ſchon 1173 Thidericus de Sebeke vorfümmt. (Erhard, 
Reg. hist. Westf. II Cod. dipl. Nr. 362.). — Wie lange 
ch die Ortſchaft erhalten hat, läßt ich nicht genau nachmweijen, 
do ijt die Cheitiftung zwiſchen Dietrich Kanne und Agnes 
von der Bord, Dietrih3 v. der Bord und der Katharina 
von Birmund Tochter, datiert: „„Sebefe 1588 Januar 25.” 
(v. Kanne’jches Archiv zu Bruchhauſen). Ein Jahrhundert 
ipäter hat die Anlage des Schäferhofes beiläufig an der 
Stelle des untergegangenen Dorfes jtattgefunden. „Seybeker— 
broc” kommt Aſſeburg. U.B. II. S. 123 Nr. 847 in Urk. 


a” 


v. J. 1321 vor. 


Ein mansus oder eine Hove Landes umfaßte gewöhnlich 
30 jugera oder Morgen. 


Mr. 6. 
1140. 


Bernhard (1.), Biihof von Paderborn, überweilt dem 
Klojter Marienmüniter (beate semperque virginis Marie 
monasterio) die Zehnten der curtes Gatshem und Aſſerine— 
bufen, von welchen die eritere von Bernhards Oheim (avun- 
culus), Graf Widefind von Schwalenberg, dem Klojter über: 
geben, die andere jeitens der Mönche (proprio censu) unter 


136 





Beihülfe des Bilchofs und feines Neffen (mepotis) Volquin 
(von Schwalenberg, Widekinds Sohn) gekauft ift. 

Zeugen: Hamuco, Abt (von Abdinghoj), Wino, Dom: 
propft, Eſiko, Bropit (am Busdorf), Ulrich, Dechant, Bernhard, 
Franco, magister scolar um (Domſcholaſter); Freie: Vol— 
quin (von Schwalenbera), u Kermann, (Edler zur 
Lippe), Ludolf (? von Dfede) . 

Act. a. dominie. incarn. 1140 Ind. III. Conrad. 
anno regn. III. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 6. 
besgl. zu Detmold fol. 5. 

GSedruft: Erhard, Reg. hist. Westf. II Cod. dipl. 
Nr. 234. 

Vergl. Lipp. Reg. I Nr. 54. 

Über die Lage von Gatshem und Afferinchufen giebt 
der Inder zum Grevenburger Kopialb.: „Münſterbrok,“ 
(10 Minuten norbweitlid vom Klofter), olim das alte und 
neue Ketſen vel Gatschen dietum, das alte Ketſen etiam 


dietum est Asserinckhusen sive Heskerinckhusen.* — 
Münſterbrock findet fih u. a. 1541. 


Nr. 7. 
1149. 


Bernhard (1.), Biſchof von Paderborn, beurkundet Die 
Stiftung des Benediktiner-Nonnenklofters Wilbodeſſen (Wille: 
badejjen) und deſſen Ausftattung mit den von verſchiedenen 
Perjonen dazu geichenkten Gütern. — Zu den Wohlthatern 
gehörten unter andern des Biſchofs Bruder, Ludolf von jede, 
(deffen Tochter ?) Luttrudis und ihre Söhne Volquin und 
Widefind (von Schwalenberg). Der Bilhof erklärt, „dem 
von ihm gegründeten Srauenklofter habe ein Minijterial der 
Schwalenberger ein Vorwerk zu Willebadefjen geichentt, das 
aus Gütern zufammengejegt gemwejen, welche teild von Yudolf 
von Oſede, des Biſchofs Bruder, herrührten, teils vom Grafen 
Volquin (advocatus), weshalb auch deſſen Mutter Luttrudis 
und jein Bruder Widelind zugeſtimmt hätten. Volquin erhielt 
als Entihädigung 20 Mark und den Zehnten zu Ahuſin.“ 

Act. est apud Swalenberg in Monasterio sancte 
Marie (Marienmünjter). 


137 


Nah Aufzählung von weitern Wohlthätern heißt es zum 
Schluß: Summa huius privilegii recitata est a supradicto 
Bernhardo venerabili episcopo quinta feria, que dieta 
erat cena Domini, . . . . firmatumque est ab eo banno 
episcopali, datumque ecelesie Wilbodessensi ad perpe- 
tuum stabilimentum per manum videlicet Conradi abba- 
tis, qui tunc eidem prefuit ecclesie et presens condidit 
instrumentum. 

Act. a. ab incarn. D. 1149, indiet. XII, CGonradi II 
r. a. XII; episc. Bernhardi a XXII. 

Driginal mit beihädigtem Siegel im Pfarrarchiv zu 
Willebadejien. 

Gedr. mit einigen Auslajjungen Schaten, Ann. Paderb. 
II ad ann. vergl. Giefers, Bemerf. in Zeitichrift 37b ©. 180; 
desgl. Lipp. Reg. I Wr. 62. 

Der erite Teil diejer Urkunde iſt zu Marienmüniter ver: 
handelt, der andere wohl in Paderborn, wo dieſelbe auch 
ausgefertigt zu fein fcheint. Der hier genannte Abt Konrad 
ift nicht der von Marienmünfter, jondern von Abdinghof 
(abbas Paterbrunnensis 1142—1173), weldem nad Urk. 
von 1158 (Erhard, Reg. hist. Westf. II God. dipl. Wr. 
312) vom Biſchof die Aufficht über das Klofter Willebadefjen 
übertragen war. — Obige Urkunde zeigt, „Daß der Grund: 
beiig im Dorfe Willebadeffen urjprünglich den Edelherrn von 
Oſede gehört habe, und daß, wenn Volquin und Widekind 
von Schwalenberg dort begütert waren, diejer Beſitz durch 
ihre ebenfall3 conjentierende Mutter Luttrudis auf fie über: 
gegangen, daß aljo dieje legtere dem Geſchlechte der Edlen 
von Dfede angehören mußte.“ 

Vergl. von Alten, Zeitichrift für Niederjachlen, Jahrg. 
1859, ©. 29. 


Nr. 8. 
1152. 
Biſchof Bernhard (1.) von Paderborn fchreibt dem Abte 
MWibald von Corvey: „Fratres de monasterio sanctae 
Mariae (Sualenbergensis-Marienmünster), orbati suo 
abbate (Conrado, vergl. nächte Nr.) — post multas am- 
monitiones et preces nostras, scilicet ne gregem sibi 
commissum desereret, heremiticae tamen vitae labores 


138 


aggresso, ut ipse tunc asserebat se habere in animo — 
venerabilem fratrem domnum H(einricum), monasterii 
vestri priorem, abbatem sibi unanimiter elegerunt“ und 
bittet den Abt Wibald, dem Kloſter Marienmünfter den Cor: 
veyer Prior Heinrich als Abt zu überlafjen. 

Jaffe, Bibliotheca I (Monumenta Corbeiensia), Wi- 
baldi Epistolae Wr. 398, ©. 530. 


Nr. 9. 
1152. 

Abt Wibald von Corvey erwidert dem Biſchof Bernhard (T.) 
von Baderborn: „Fratres quidam de monasterio sanctae 
Mariae ad nos cum litteris vestrae sanctitatis (j. vorher: 
gehende Urkunde) venerunt, quae hoc obnixe postulabant, 
ut karissimum fratrem nostrum Heinricum, aeclesiae 
nostrae priorem, quem idem fratres elegerunt, eis in 
abbatem concederemus. Nah Rückſprache mit dem Kapitel 
respondemus primum, quia idoneas causas non videmus, 
cur dilectus frater noster Counradus, qui eidem mona- 
sterio prefuit, commissi sibi gregis curam deseruerit; 
qui propter heremiticam vitam fratres suos, quos custo- 
diendos susceperat, deserere non debuit .... Alia 
causa est, quare predictorum fratrum electioni assensum 
prebere non possumus. Ordo monasterii nostri habet, 
immo omnia monasteria nostri ordinis hanc observantiaın 
tenent, ut si quando aliquis fratrum nostrorum abbas 
ad aliud monasterium eligendus est, prius a nobis eta 
fratribus nostris quam ab extraneis eligatur; nec aliqua 
nobis persona inter fratres nostros in abbatem ab alio 
monasterio vel a quolibet hominum ex nomine desig- 
netur, set assumptio fratris nostri cuiuslibet in nostro 
arbitrio et fratrum suorum electione relinquatur. Diefer 
Gebrauh in Corvey könne zu feiner Zeit nicht geändert 
werden. 

Jaffe, Bibliotheca I. (Monum. Corbej.), Wibaldi 
Epist. Nr. 399, ©. 531. 


Nr. 10. 
1158. April 13. 
Bernhard (1.), Biihof von Paderborn, erneuert Die 
Etiftungs» und Dotationsurkunde des Klojters Wilbodefjen, 


139 





faft gleihlautend mit der Urkunde von 1149. Abweichend 
davon wird ein Gütertaufch zwijchen den Klöſtern MWillebadefjen 
und Marienmünfter bemerkt: „Duos mansos et dimidium 
in Escherinchusin et XII talenta dedit congregatio in 
Wilbodessin ecclesie monachorum in Swalenberch pro 
duobus mansis, quorum unus est in Westnorthe, alter 
in Ostnorthe. “ 


Act. a. dominic. incarn. 1158 Indict. VI. Regn. 
Friderico imperatore a. regni VI. imperi III. episcopatus 
Bernhardi XXVIII. Data Idus Aprilis. 

Nah den Driginal, gedrudt bei Erhard, Reg. hist. 
Westf. II. Cod. dipl. Nr. 313, wo das Regierungsjahr des 
Biſchofs Bernhard (J.) mit 28 falſch angegeben ift, e3 dürfte 
29 oder 30 da3 richtige fein. 

Eicherinchufin oder Eichereshulin (1149) Tann das 
braunſchweig'ſche Ejchershaufen bei Stadt-Dldendorf fein. 

In Willebadefjer Urk. von 1340 findet jih: „in maiori 
Norde* und in Neuenheerjer von 1421: „groten Nörde;‘ 
darnach jcheinen die Dörfer: „Weit: und Oſtnörde“ in 
„Großen- und Kleinennörde“ unterjchieden zu fein; nunmehr 
fommt nur das Dorf Nörde bei Scherfede, Kreis Warburg, 
vor. 


Nr. 11. 
1166. 


Abt Konrad von Marienmünfter (ste Dei genitricis 
Marie, quod est situm iuxta Sualenberg) verfauft dem Abte 
Uffo zu Flechdorf (Flietorp) mit Zuftimmung des Biſchofs und 
Bogts den Hof (curtis) in Urthorp für 18 Mark Silber, 
womit er ein Stüd Rodeland (terram novalem) bei der 
Stadt Bremen erworben. 


Zeugen: Evergis, Biihof von Paderborn, Abt Konrad 
(von Abdinghof), die Pröpfte Syfried, (Dompr.), NRembert, 
(Busdorf), Gottſchalk (? von Hörter 1166—1188), Dom: 
dechant Alemar, Magister (Scholafter) Reinher; der Marien: 
münſter'ſche und Flechdorf'ſche Vogt Volquin, Graf von 
Schwalenberg und jein Bruder Wydekind, Ludolf, Edler von 
Ajedhe (Dfede), und defien Sohn Wydekind (1166—1197); 
Prior Wilhelm (von Marienmünfter). Act. a. dominic. In- 
carn. 1166 Indict. XIIII. Regnante imperatore Friderico. 


140 


Gedr. Zeitichrift Bd. VII. ©. 53 nad Flechdorfer 
Kopialb. 

Das Benediktinerkloſter Flechdorf liegt im Waldeck'ſchen, 
vergl. zur Geſchichte desſelben Zeitſchrift Bd. VIII. ©. 1—86 


Nr. 12. 
1173. 

Biſchof Evergis von Paderborn eignet dem Kloſter 
Marienmünſter den Hof (curiam) Botvelt zu ſamt Zehnten, 
den die Mönche vom biſchöflichen Miniſterialen Wadeko, 
welcher damit beliehen war, und ſeinem Sohne Heinrich um 
20 Talente eingelöſt hatten, unter Zuſtimmung des Klofter: 
vogtes Volquin. 

Zeugen: Konrad, Abt von St. Baul (Abdinghof), Almar, 
Domdechant, Siffried, Dompropit, Nembert, Bropft (im Bus: 
dorf), Ufo, Manegold und Oltmann, Kanonifer; Freie: Bol: 
quin, Vogt, und fein Bruder Widelind (von Schwalenberg), 
TIhetmar von Büren, Gerlag und Hermann von Stter; 
Minifterialen: Albert von Rikerswich, Konrad Stapel. 

Act. in synodo Patherburnensi a. incarn dom. 1173 
sub episcopo Evergiso, regnante Friderico Romanorum 
imperatore. 

Kopialb. zu Grevenburg. Nr. 7. 

Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. 
Nr. 368. 

Botvelt (wüft) in der Nähe von Nolfzen, wo rechts von 
der Straße nad) Sommerjell „Butfeld oder Puttfeld“ als 
Flurname vorkommt. 


Ar. 13. 
1173. 

Abt Konrad zu (Marienmünfter bei der Burg) Swalen— 
berg jept den Freien Hameko aus Merctorph mit feiner freien 
Frau Frideburh und drei Söhnen Rother, Reinhard und 
Bruning, welche fi jämtlih nad Paderborner Dienitmans: 
rechte in den Dienſt jeiner Kirche begeben, que monasterium 
ste Marie dieitur iuxta castrum Swalenberg, und zwei 
Hufen Erbländerei zu Merctorph demjelben geichenft haben, 
auf die curia Goldenevelde, wovon fie jährlich drei Talente 
monete ipsius provineie zahlen jollen, 


141 

Fact. a, dominice incarn. 1173, regnante Friderico 
Romanorum imperatore, presidente Padelburnensis ec- 
clesie Evergiso feliciter, Mindensis ecclesie presule 
Annone, episcopatus eius anno secundo. 

Gedr.: von Hodenberg, Galenberger U.B. Abteil. III 
(Klojter Loccum) Nr. 3. nad) einem Loccum’er Kopialb., wo 
die Zeugen oft fehlen; besgl. nach demjelben Kopialbuche: 

Grupen, Orig. Pyrm. et Swälenb. ©. 34. Scheidt, 
Bom Adel ©. 108. 

Merctorph iſt Mardorf im Kirchſpiel Schneeren, Amt 
Rehburg (Pr. Hannover). 

Bergl. Nr. 30. 


Nr. 14. 


1188 oder 1189. März 27. i 

Bilhof Bernhard (II. von Oſede) von Paderborn be: 
jtätigt die von feinem Borgänger Bernhard (1.) an Klofter 
(Marien-)Münfter gemachten Schenkungen, nämlid die Zehnten 
in Seibife, Hesferindhujen, Botvelde, Bolcoldefjen, Ktethien, 
Rothe, Tidelinctorpe, Bredenborn, Woldeſſen, Bettinchufen, 
Mendhe und Medesdorp. 

Zeugen: Abt Heinrich de curia (von Abdinghof 1173 — 
1197), Dompropft Altmann, Dechant Wolbert, Scholaiter 
Heinrihd von Burbenne; Konrad und Werner, Gebrüder 
Stapell, Wolbert und Heinrich Brüder von Hilfe. 

Dat. Paderborne a. gracie 118 .... VI. Kal. 
Aprilis. 

Kopialb. zu Grevenburg Wr. 8. 
desgl. zu Detmold fol. 29 und 30. 

Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. TI. Cod. dipl. 
Nr. 461. mit dem Datum: 1186, April 1. und teilmeile 
Schaten, Ann. Pad. I. ad ann. 1186. Die Kopialbüder 
haben im Datum den Fehler: millesimo centesimo octo- 
gesimo sexto Kalendas Aprilis. 

Nah Giefers Ausführungen (Zeitichr. 375 ©. 198) iſt 
sexto zu Kalendas zu ziehen und anzunehmen, daß ber 
Abjchreiber hinter octogesimo entweder octavo oder nono 
ausgelafjen habe. Dieje Anderung im Datum muß wegen 
Regierungsantritts Biſchof Bernhards II., deſſen Vorgänger 
Sifrid erſt Februar 1188 ftarb, gemacht werden. 


142 


Bettinchufen (müft), 1534 Bilfindhufen, jetzt Belting- 
hauſen in der Vörden’er Feldmarf. 

Mendhe, richtiger Wenedhen, 1240 Winethen, 1241 
Wenethem, bis in die erfte Hälfte des 16. Jahrh. Wenden, 
muß als größere Ortichaft aufgefaßt werden, welche zwiſchen 
der Oldenburg und Vörden, dem Münfterholz, dem Hunger: 
berge und Xöwendorf lag. Eine Randbemerfung im Kopialb. 
D. bejagt: „Wenden situm inter Vörde et Oldenborch 
prope Walezerdyk (Woldeſſer Teich).“ Später find daraus 
die 3 Gemeinden Großenbreden (Wendenbreden 1541, Wendel: 
brede 1650, Großenmwenbelbreden nah dem Paderbornjchen 
Lagerbuche von 1793), Kleinenbreden (Lütlenwendenbreden 
1541, Xütfenbreden 1650, Lütfewendelbreden 1793) und 
Bapenhöfen, (früher die Höfe zu Wenden, Bapenhöven 1545) 
entitanden. Der Weg von genannten Dörfern nad) Vörden 
beißt heute noch der Wenner:(Wenden’er) Weg. 


Nr. 15. 
1189. 


Biihof Adelhog (1169 F 20. Septemb. 1190) von 
Hildesheim befundet, daß Henricus, frater advocati Hugonis, 
qui de Insula dieitur (Bodenwerder), Güter in Brodhufne 
bei Smwalenberg, welche er vom Bilchofe zu Lehn getragen, 
dem neu gegründeten Klofter zu Münjter (congregationi, que 
est monasterii iuxta predietum locum, noviter institute) 
für 23 Mark Silber verkauft habe. 


Act. a. ab. incarn. Dom. 1189. 
Kopialb. zu Grevenburg, Nr. 9. 


Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II. Cod. dipl. 
Nr. 499. 


Vergl. Lipp. Reg. I. Nr. 113. 


Brockhuſen bei der Oldenburg (Alt: Schwalenberg) ift 
nicht mehr befannt; es Fönnte darunter vielleicht Brockhuſen 
oder Brochhuſen (wüſt) verftanden werden, das unter dem 
ſ. 9. Brojter-Berge (Brochhufer Berge) in der Feldmarf von 
Bredenborn lag. 


143 


Nr. 16. 
1214. September 21. 


Bolguin, v. ©. ©. Graf zu Schwalenberg, jchenkt für 
jein Seelenheil und zur Sühne der Sünden jeines Vaters, 
des Grafen Heinrich (f um 1209), eine curia zu Rotlovefjen 
cum pascuis, aquis, silvis et tribus mansis der Kirche 
der hl. Maria im Münſter bei Schwalenberg mit Zuftimmung 
jeiner Mutter, welche den Hof mit ihrem Gelde gekauft hatte, 
jeiner Gemahlin und jeiner Brüder. 

Zeugen: Bernhard von Holthujen, Widelind von Gre- 
viden (vergl. Nr. 28 und Nr. 38), Dietrich von Eblinchufen, 
Holtgravius. 

Dat. Swalenberg 1214 in festo Mathei. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 10. 
desgl. zu Detmold fol. 6 und 39. 


Gedr.: Wilmans, Weitf. U.B. IV. Nr. 58, woſelbſt 
al3 legter Zeuge „Halt“; vergl. Lipp. Reg. III. Nr. 1494. 
Holthujen ift jedenfalls Holzhauſen bei Nieheim. 

Widekind v. Greviden dürfte vielleicht identijch fein mit 
W. v. Grevincege (1251), wofür W. de Gerjunge (1260) 
verichrieben ift, und iſt vielleicht mit dem Paderborner 
Stadtgrafen Widekindus comes diejelbe Perſon. Dafür 
Ipriht, daß er in der Reihe der Zeugen nad den Nobiles 
vor den Minifterialen der Paderborner Kirche gewöhnlich 
jeine Stellung findet. Vgl. U.B. TIL, 217. 

Eblinchujen oder Hebelinghufen Tag mit Bezugnahnte 
auf Urkunde 1375, Febr. 14, zwijchen der Oldenburg und 
(dem Lippiihen Fleden) Schwalenberg. 


Nr. 17. 

1220. Juli 25. 

Graf Volquin von Schwalenberg überträgt den untern 
Hof (inferiorem euriam) in Volcoldeſſen, welchen Wernher 
und Witwe Bertradis gen. von Bolcoldejien ihm rejigniert 
haben, auf deren Bitte zugleich mit noch andern dortigen 
Gütern der hl. Jungfrau Maria zu Münſter. 

Zeugen: Borchard von Holthojen, Dietrich von Hebeling: 
bujen, Hermann von Abbenhofen. 


144 


Act. in castro Swalenberg in festo Jacobi 1220. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 11. 
desgl. zu Detmold fol. 6. 
Gedr.: Wilmans, Weftf. U.B. IV Nr. 83. 
Abbenhofen iſt aleichbedeutend mit dem Nittergute 
Abbenburg im Kr. Hörter. 


Nr. 18. 
1222. 

Gottſchalk, Graf von Pyrremunt, und deſſen Gemahlin, 
Gräfin Kunegundis, befunden, daß jie ihren Sohn Widelind 
dem Schwalenberger Klojter super altare b. Marie virg. et 
b. Jacobi apostoli et Christophori mart. ibidem in ser- 
vitutem (als Mönch) übergeben und um ihres Sohnes, des 
künftigen himmliſchen Lohnes, fowie ihres dort zu feiernden 
Jahresgedächtniſſes willen, dem Kloſter ihren Zehnten zu 
Eilbrachtefien, ab omni iure hereditario exemptam, in 
Gegenwart ihrer Söhne Gottſchalk und Hermann gejchenkt 
haben, mit dem Bemerken, daß der Genuß des Flachszehnten 
nur mit Vorbehalt nostre domine (der Gräfin Kunegundis) 
übergeben worden und darum vom Klofter nicht veräußert 
werden könne. 

Zeugen: Albert von Hacemolen, Wezelin von Eyden— 
hujen, Arnold von Emmere, Arnold von Heilen, Wernher 
von Brac, Bernhard von Dodenbrof, Heinrid von Sunderfen. 

A. 1222. Eodem tempore capitulum eiusdem ecclesie 
iurisdietionem in Brac, que vulgari Echtwort dieitur, 
nobis et nostris contulit filiis. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 12. 

deögl. zu Detmold fol. 9, 
darnach in den Lipp, Reg. I. Nr. 168, wo unter den Zeugen 
„A. v. Heyften und 9. v. Sunderde” vorkommt. 

Gedr.: Wilmans, Wejtf. U.:B. IV. Wr. 105. 

Eilbrachteffen ift Born bei Marienmünfter. 

Dodenbrof (wüft) bei Lügde. 

Die Yage von Sundersen oder Sunthersen (vergl. 
Kr. 23) ergiebt ſich wahrjcheinlid) aus einer Urkunde Con: 
rad’ 3 II. v. J. 1031 (Schaten, ad ann.) wo Sunderessen 
neben Nisa (Niefe) und Hammeressen (Hummerfen), 


145 


zwei Dörfern im lippiich. Kirchipiel Falkenhagen, genannt 
wird, daher wird die ausgegangene Ortſchaft in deren Nähe 
am Köterberge zu juchen jein. 


Nr. 19. 
1234. 


Abt Hermann von Corvey verwandelt das von den 
Kalandsbrüdern zu Dihbergen gegründete Männerflofter mit 
deren Zuftimmung in ein Giftercienfersssrauenklofter (Brent: 
haufen) und beruft Nonnen dahin (aus Eijenad)). 

Unter den Zeugen: Nichodo, Abt de Monasterio 
(Marienmüniter). 

Dat. 1234 indict. VII prelationis nostre a XI. 

Gedr.: Wilmans, Weit. 4.8. IV Nr. 234; vergl. 
Nr. 235. 


Nr. 20. 
1235. 


Ritter, Ratleute und Bürger zu Eresberg (Ober-Mars— 
berg) befennen, dab die Kirche st. apostolorum Petri et 
Pauli in Ger dene (Benebiktiner: Nonnenklofter Gehrden) Die 
Hälfte einer curtis in Wernefjen für 36 Mark vom Nitter 
Andreas von Dorslo gekauft habe, domino Ricbodone abbate 
(von Marienmünfter) et Gerhardo priore et Heinrico 
preposito et fratribus (Klojterbrüder), Heinrico camerario, 
Sifrido et Heinrico dicto de Scereve ipsius ecelesie 
curam administrantibus. Ferner verzichtet genannter 
Nitter auf feine Aniprüde an den vierten Teil derjelben 
curtis, welden Bolpert mit jeiner Schweiter dem Klofter 
geichentt hatte, nach Zahlung von 4 Mark feitens der obigen 
dispensatores ecclesie und will in Zukunft auf den nod) 
übrigen Teil, jofern ihn die rectores des Kloſters kaufen 
würden, feinen Anjpruch erheben. — Für die Beurkundung 
(pro quodam memoriali) zahlen die Rectores den Nat: 
leuten (consulibus) 12 und dem Nichter 3 denarios. 

Zeugen: Konrad von Dalhem, Rodolf von Esnete 
(Eſſentho), Arnold und Hartmann, Brüder von Dorslo, Her: 
bold und Helmic dieti Stotere, Heinrich von Suiderinchufen, 
Goswin von Weten, Dietrihd Richter dietus de Geißmaria, 
Bertold Mulo, Arad magnus und dejien Sohn Bertold, 

XLVI. 2. 10 


146 


Ludolf de Capella, Fredehard, Konrad monetarius (Münzer) 
und jein Bruder Hermann, Dietrich von Hoddenhujen, Alrad 
von Corbike, Winand von Scerve, Gottſchalk von Hoſterhuſen, 
Regenhard von Hoburgerhuien, Detmar alutarius (Gerber), 
Hermann magnus, Bolland, Johannes de fabrica, Heinrich 
von Corbike, Konrad Mulo, Hermann von Alderinchujen 
(Einwohner von Dber-Marsberg). 

Act. a. dom. incarn. 1235 domino Bernhardo quarto 
Paderbornensis ecclesie regimen dispensante. 

Kopialb. von Gehrden fol. 19. C. 8. Über diejes Kopial— 
buch, das jih im Bejite des Grafen von Bocholg zu Alme 
und Niejen befindet, vergl. Zeitichrift Bd. 39b ©. 1. ff. 

Mangelhaftes Regeſt: Wilmans, Weſtf. U.“B. IV 
Nr. 242. 

Scereve oder Scerve ilt dag Kirchdorf Scherfede, Kr. 
Warburg. Werneſſen (wüjt) lag gegen 20 Minuten weſtl. 
von Gehrden nad Altenheerje Hin; vergl. Zeitjchrft. Bd. 376 
©. 186. 

Andreas von Dorslo heißt auch „„Durslo und Durslon“. 
(Wilmans, Weſtf. U.B. IV Nr. 223.) 

Dorslon, ausgegangener Pfarrort, lag auf dem Sind: 
felde, im Kr. Büren, zwiſchen Fürftenberg und Eſſentho. Das 
gräfl. Weltphalen’ihe Gut Wohlbedaht nimmt die Stelle 
desjelben ein. 

Frauenklöſter wurden gewöhnlid in Rechts- und Ber: 
mögensgejchäften von dem Abte eines benachbarten Manns: 
flojters Ddesjelben Ordens vertreten. Bei Gehrden waren 
e3 meiltens die Abte von Abdinghof, weshalb ſich 1224 
und 1229. (U.B. IV Nr. 133 und 169) Abt Albert 
von Abd. „Patherburnensis et Gerdinensis“ nennt. Nach 
diejer Urk. nahm Abt Ricbodo von Marienmünfter die Rechte 
des Kloſters Gehrden wahr. 


Nr. 21. 
1239. 

Frater Rodolfus, Abt und der Convent de3 Klofters 
Marienfeld, Giftercienier Ordens, befunden, daß fie dem Abt 
zu (Marien) Münfter für ‘die Benugung des Hauſes in Oder: 
defien eine Rente von 10 Scdillingen von ihrem Hofe 
Stapelage jährlid auf Mariä Geburt zahlen wollen. 

Dat. a. incarn. dominice 1239. 


147 


Original mit bejchädigtem Siegel des Abts von Marien: 
feld im Staatsardive zu Münfter, Kl. Marienfeld. ) 
Regeit: Wilmans, Weſtf. U.:B. III Nr. 363. 
Lipp. Reg. I Nr. 218. 
Stapellage Kirchdorf im Fürftentum Lippe. 


Nr. 22. 
1240. Juni 24. 

Biſchof Bernhard (IV. E. 9. zur Lippe) von Paderborn 
überträgt den durch Reſignation Gottſchalks von Perremunt 
ledigen Zehnten zu Eilbradhtejjen Deo et ste Marie sanc- 
tisque eius et conventui in monasterio prope Sualen- 
berg mit der Verpflichtung, daß die Brüder des Klojters 
die Namen jeiner Eltern, Gejchwilter und den feinigen in 
ihr Kalendarium eintragen und jein Jahresgedächtnis ab: 
halten jollten. 

Zeugen: Heinrid, Dompropit, Hermann, camerarius 
(Kämmerer), Konrad, eustos (Küfter), Albert und Gottichalt, 
presbiteri, (Priefter); Yaien: Georg, Heinrich), camerarius, 
Ritter; Hildebrand, camerarius, Gottfried, Putheclerus, 
Gottfried, Bogt. 

Act. 1240 pont. nostri a. XIII in die beati Jo- 
hannis bapt. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 14. 
desgl. zu Detmold fol. 9. 

Gedr.: Wilmans, Weit. 1.8. IV Nr. 298. 

Dompropft Heinrich gehörte zum Grafengeichledhte von 
Schwalenberg und war Bruder von Adolf, Graf von Walded‘; 
vergl. daſelbſt IV Nr. 297; Lipp. Neg. I Nr. 221. 

Kalendarium ift hier gleichbedeutend mit Necrologium, 
in welchem der Name dejjen, der eine Memorie geftiftet hatte, 
feinem Todestage beigefügt wurde. 


Nr. 23. 
1240. Juli 9. 

Gottſchalk, Edler von Berremunt, bekundet, daß fein 
Dienftmann, Ritter Rother, Güter in Winethen, welche leg: 
terer von ihm zu Lehn getragen, ihm frei rejigniert und 

10* 


148 


nunmehr diejelben mit Wald, Zehnten und Vogtei dem Abte 
Rihbodo und dem Eonvente zu Marienmünfter (monasterio 
S. Marie) für 30 Mark mit jeiner und feiner Erben, Gott⸗ 
ſchalk und Hermann, Zuſtimmung verkauft habe. 

Zeugen: Sichehard, Prieſter in Lüdhe (Lügde), Konrad, 
Pleban in Schidern, Johannes, Prieſter von Collerbike; Ernſt 
und Eckart, Brüder von Barichhove, Ernſt Strubergh, Bruno 
von Vrenken, Euſtachius, Marſchall, Heinrich Ruflus (der 
Rote), Heinrich von Suntherſen, Ernſt Lorich. 

Dat. 1240 VII Idus Jul. ep. Paderborn. Bernhard. IV. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 43; 
desgl. zu Detmold fol. 28, beide mit der Jahreszahl 
1230, 

Gedr.: Erhard, Reg. hist. Westf. II Cod. dipl. Wr. 
471 mit dem Datum 1187, Id. Julii (15. Juli); Wilmans, 
MWeftf. U.B. IV Nr. 179 mit der Jahreszahl 1230, ähnlich 
Lipp. Neg. III Nr. 1497. 

Nah Giefer® Ausführungen in Ztſchr. Bd. 376 ©. 
198—200, 210— 211 und Bd. 386 ©. 152 ift die Urf. ins 
Jahr 1240 zu ſetzen. 

Scidere, Dorf Schieder im Fürftentum Lippe, früher 
Pfarrort, nunmehr nad Wöbbel eingepfarrt; vergl. Ztiſchr. 
Bd. 37b ©. 63 ff 

Collerbed, gegen Ende des 15. Jahrh. noch felbjtändige 
Pfarrei, bildet jest einen Beitandteil der Pfarrei Marien: 
münjter; vergl. Ztihr. Bd. 32» ©. 144. — Das Kirchdorf 
rende, wonach das adel. Gejchleht de Vrencke oder 
Frenken jid) nennt, liegt unweit der Wejer im Amte Grohnde. 
Bergl. von Aspern, Cod. dipl. hist. com. Schaumb. II 
Nr. 46. Not. 7. 


Nr. 24. 
1241. 

Abt Ricbodo von Marienmünfter (monasterii S. Marie 
prope Swalenberg) und der dortige Gonvent befunden, daß 
ihn der Abt Hermann von Corvey, da er (Ricbodo) Anfprüche 
auf den Zehnten des Hofes in Wenethem erhoben, durch eine 
jährlich auf Martini zu leitende Kornlieferung von 8 Viertel 
Roggen, 4 Biert. Gerfte und 12 Biert. Hafer aus dem 
Zehnten in Vorſtenowe abgefunden habe. 


149 


Zeugen: Albert, Prior, Konrad, Propft, Striger, Por- 
tenarius (Pförtner) und der ganze Gorveyer Konvent: — 
Konrad Drofte (dapifer), Bertold Marjchall, Hermann von 
Nighenkerken, Gottfried von Godelem!), Albert von Marpe, 
Bertram und Widelo, Brüder von Stamhem?), Hildebrand 
und Friedrih, Brüder von Dldenberghe, Ludeko von Eil: 
wordeſſen, Johannes von Holthujen. 

Dat. 1241 prelacionis nostre anno XIX. 

Gedr.: Wilmans, Weftf. U.:B. IV Nr. 309. 

Borftenowe, Kirchdorf Fürſtenau, Godelem, Kirchdorf 
Godelheim, find beide in der Nähe von Hörter gelegen. 


Nr. 25. 
1241. Auguft 9. 

Erzbiſchof Siegfried von Mainz geitattet als Metropolitan 
mit Zuftimmung Biſchofs Bernhard IV. von VBaderborn, daß 
der Abt von Marienmünjter (de monasterio) auf dem 
Mainzer (Brovinzials)Konzil und der Paderborner Synode 
die Inful trage. 

Dat. Patherburne 1241 V Id. Aug. 

Driginal im Staatsardhiv zu Münfter, Kl. Hardehauſen. 

Da3 Datum unlejerlih, wird durch die Kopialbücher 
ergänzt; Siegel fehlt. 

Gedr.: Schaten, Ann. Pad. II ad ann., 

Negeit: Wilmans, Weitf. U-B. IV Wr. 307. 


Nr. 26. 
(1250.) 

Wydekind, Graf zu Smwalenberge, jchenft mit Zuftimmung 
feiner Mutter, Gemahlin und Brüder dem Klofter Marien- 
münfter (ecclesie bte Marie virg. in Monasterio) zur 
Stiftung einer Memorie für jih und jeine Eltern einen 


) Wahricheinlich jo zu emendieren, keinesfalls wie Wilmans hat: „Gosme“. 

2) Statt „Stenhem“* muß „Stamhem“ gelejen werden, wie das Weitf. 
U.B. IV aud Nr. 150, 165, 208, 277 und 328 hat, wo die beiden 
Brüder Bertram und Widelo von Stamhem in den 3. 1226— 1243 
in Originalurfunden vorfommen. Stamhem bezeichnet unzweifelhaft 
das heutige Dorf Stammen in der Nähe von Trendelburg an der 
Diemel, Bergl. Gieferd in der Zeitichrift 38b ©, 143, 


150 


Manſus am Wege von Lemgo nah Horm, „de Muniter 
Hove’ genannt, mit anliegenden Adern, „in der Cappen“ 
geheigen. Diefe Hufe hat Graf Widekind gekauft und gehört 
nicht zu deſſen Grafihaft Smalenberg. 

ef Umnbatiertes Brudftüd einer Urkunde im Kopialb. D. 
ol. 48b, 


Nr. 27. 
1250. Auguft 9. 


Graf Widelind von Swalenberg verkauft mit Einmwillis 
gung feiner Mutter Ermengard, jeiner Brüder Günther, 
Adolf und Albert auf Bitte Abts Hermann monasterii 
sancte Marie prope Swalenberg dem dortigen Klofter die 
Bogtei, welche er an deſſen Höfen in Hechujen und Swidereſſen 
hatte, für 9 Mark. 

Zeugen: Die Briejter Lambert, Pleban von Swalenberg, 
Everhard, Pleban von Golrebefe; die Ritter Dietrih und 
Heinrih, Brüder von Glmerinchujen, Johannes von Wiging— 
hufen; die Knappen Hermann von Donepe und Amelungh 
von Scidere. 

Act. in castro Swalenberg 1250 V Idus Aug. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 15. 

desgl. zu Detmold fol. 5b und 6, wo die Ortänamen 
„Hechusen et Swederessen‘ heißen und das Datum fälſch— 
lid: 1255 Jd. Aug. (Ztſchr. Bd. 37b ©, 201). 

Kopialb. des Klofters Gehrden fol. 696 ©. 5. 
Gedr.: Wilmans, Weftf. U.:B. IV Nr. 422. 
Elmerinchujen (Elmeringhaufen) ift das lippiſche Kirch: 

dorf Elbrinren, wovon das Geſchlecht v. E. den Namen hat 
und mit dem Baderborner Domdechanten Konrad v. E. 1473 
ausftarb. Die Güter gingen durch Erbichaft an die Familie 
v. Harthaufen über. Lipp. Reg. II ©. 6 oben. 

MWiginghufen iſt Winkhuſen (wüſt) bei Sabbenhaufen 
im Fürftentum Lippe, wo eine Feldflur den Namen ‚Wink: 
huſen“ trägt. 

v. Donepe (Donop), altes lippiſch. Adelsgeichleht, das 
jeinen Namen vom gleichnamigen Pfarrdorfe Kirchdonop bei 
Blomberg hat. 

Vergl. Nr. 53, 55, 56 und 59, 


151 


Graf Günther von Schwalenberg widmete fich dem geift- 
lichen Stande; wahrſcheinlich ift diejes ſchon 1250 geichehen, 
weil er in obiger Urkunde vor feinen Brüdern genannt wird, 
obgleich er jünger war als fie, wie das eine Urkunde aus 
d. J. 1238, worin al3 damals geborene Söhne Volkwins 
von Schwalenberg Heinrih, Volkwin, Widelind, Adolf und 
Burchard aufgezählt werden, bemweijen fann.!) Wann er dann 
in's Domkapitel zu Magdeburg eingetreten ift, läßt fich mit 
Sicherheit nicht feſtſtellen. Im Jahre 1268?) war er ſchon 
Dombherr und damals auch Inhaber der Propſtei des St. 
Dionyſius-Stiftes zu Enger (prepositus Angariensis), welches 
Dtto der Große dem Erzftift Magdeburg geichenkt hatte. 

Vier Jahre jpäter 12723) iſt er Custos des Erzitifts, 
1273 #) wird er unter den Domherrn der Magdeburger Kirche 
genannt, 1274 wiederum als Custos®) und kommt endlic) 
12766) alö Vice dominus (Vigtum) vor. Es it nit uns 
wahricheinlid, daß Günther mit Nüdfiht auf Urkunden aus 
dem Jahre 12837) jchon bald darauf die Würde eines 
Thesaurarius bekleidet habe. 

Nah dem Tode des Erzbiihofs Konrad (v. Sternberg) 
am 15. Januar 1277) fand eine zmweilpältige Wahl jtatt; 
die eine Partei wählte den Markgrafen Erih, Sohn des 
Markgrafen Johann von Brandenburg, die andere den Dom: 
berrn Bujjo von Querfurt. Daraus entitanden Zwiftigfeiten, 
die aber vorläufig friedlich beigelegt wurden, indem man feſt— 
jegte, daß Graf Günther von Schwalenberg gewählt werden 
jollte.I) Die Wahl muß bald nad) Konrads Tode vorgenommen 
jein, weil Günther al3 Electus ſchon am 24. Januar (IX. 
Kal. Febr.) 127710) urfundet und unter anderm feitjegt, 
daß die Memorie ſeines Vorgängers am Tage vor Marcelli 


1) Wilmans, Weſtf. U.B. IV Nr. 274. 
) Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis Il. Nr. 1764. S. 760 
u. 761. 

3) desgl. III. Nr. 73. ©. 30. 
) desgl. III. Nachtrag Nr. 557. ©. 664. 

°) desgl. III. Nr. 136. ©. 54 u. 55; Nr. 163, ©. 64. 
6) desgl. II. Nr. 217 ©. 85. 
) desgl. II. Nachtrag Nr. 562 ©. 666 und Nr. 573 ©. 669, 
®) desgl. III. Nr. 248. ©. 97. 
) desgl. III. Nr. 261—263. ©. 102— 100, 
20) pesgl, III. Nr. 250. ©.,98, 





Papae (15. Januar) gefeiert werben folle. Das an der Ur: 
kunde hängende parabolifche Siegel ftellt ihn in langer Dal- 
matica barhäuptig dar, das Evangelienbuch mit beiden Händen 
vor ich gegen die Bruft haltend. Won der Umſchrift it nur 
noch zu lejen: „. . untheri Dei Gra....ecclie Ele...“ 
Als Günther in Folge der Machinationen der Brandenburger 
PBartei, der er in der glüdlichiten Weiſe in dem Treffen bei 
Frohſe an der Elbe am 10. Yan. (am Tage S. Pauli, des 
eriten Einfiedlerg, an einem Montage) 1278 mit den Waffen 
in der Hand entgegengetreten war, feine Ausjiht auf die 
päpftliche Bejtätigung hatte, gab er ſchließlich im Jahre 1279 
feine Würde auf.)). 

Dem Markgrafen Erich gelang es endlich, im Jahre 1283 
bei Papit Martin IV. die Beitätigung als Erzbiſchof von 
Magdeburg zu erlangen, nahdem Bernhard, Graf von Wölpe, 
Dom:Cellerarius in Magdeburg, welcher von 1279 bis 1282 
al3 Electus erſcheint, ebenfalls Verzicht geleijtet hatte.) 

Nach feiner Abdankung hielt jih Günther mehrere Jahre 
in feiner Heimat auf; jedenfall blieb er Domberr von 
Magdeburg. Es ift als jiher anzunehmen, daß ihm auch der 
Vicedominat, die Würde eines Vitztums des erzbilchöflichen 
Hofes, die er vor feiner Wahl als Erzbiichof verjah, wieder 
zufiel. Später ſcheint er fi mit dem Erzbiichofe Erich aus: 
gejöhnt zu haben und nah Magdeburg zurüdgelehrt zu fein. 
Nachftehende Urfundenauszüge befunden feinen Aufenthalt in 
MWeftfalen. 

Im Sahre 1285 genehmigt Propſt Günther von Magde— 
burg (Prepositus Guntherus de Magdeburg) nebjt Boltwin, 
Biſchof von Minden, die Ceſſion der Güter und des Pfarr: 





1) desgl. IM. Nr. 267—269. ©. 106 u. 107. 
2) desgl. III. Nachtrag Nr. 573. ©. 669; zweit. Nachtrag Nr. 202 
(Nr. 806). ©. 736. 

Pernhard, Graf von Wölpe, trat nach feiner Abdankung als Erz. 
bijchof wieder in's Kapitel zurüd als Cellerarius, als welcher er im 
Mai 1287 und im Juni 1291 erfcheint, worauf er in demielben 
Jahre zum Domdechanten ſtieg. Dieſe Würde, die er noch 1294 beſaß, 
vertaufchte er im folgenden Jahre mit der höchiten, des Dompropftes 
des Erzſtiftes Magdeburg, als welchen ihn die Urkunden der Jahre 
1295 bis 1310 nennen. Der II. Teil der Reg. Archiep. Magd. 
liefert die näheren Nachweiie, 


153 


lehn's zu Geftorf (Prov. Hannover, Amt Calenberg) an Otto, 
Grafen von Everftein feitens ihrer Brüder Adolf und Albert, 
Grafen von Schwalenberg.!) Bropft Günther, Domherr zu 
Magdeburg (Prepositus Guntherus, Canonicus de Magde- 
burg) ift al3 confentierend mit feinen Brüdern Adolf, Albert 
und Bollwin, Biihof von Minden, jämtlih Grafen von 
Schmwalenberg, aufgeführt in der Urkunde Dtto’3, Grafen von 
Everftein, über den Erwerb von Gütern zu Gejtorf feitens 
de3 Giftercienjer-Klofter3 Loccum, Mindener Diöcefe. Datum 
in castro nostro Polle a. d. 1285 in fer. II. post Do- 
minic. Reminiscere (19. Febr).?) Als Propſt von Magdeburg 
(prepositus in Magdeburch) fommt Günther als Zeuge in 
einer Marienmünfter'ihen Urkunde (vergl. unten Nr. 66.) 
aus dem Jahre 1287 vor. Es iſt als fiher anzunehmen, 
daß diefe Propitei fi auf das Stift Enger, welches zum 
Erzitift Magdeburg gehörte, bezog; denn anders dürften fich 
die Worte „„prepositus in Meydeburg“ nicht deuten lafjen. 
Im folgenden Jahre 1288 wird Günther, Canonicus et 
Thesaurarius zu Magdeburg, ebenfalls als Zeuge in einer 
Marienmünster’ichen Urkunde (vergl. unt. Nr. 68.) genannt, 
durch welche Adolf von Schwalenberg, fein Bruder, dem 
Klojter Güter zu Gundenjem jchenft. 

Auch im Fahre 1290 (vergl. Marienmünft. Urk. Nr. 71). 
ericheint Günther wieder in jeiner Heimat anweſend, nicht 
al3 Thesaurarius, fondern als Bistum des erzbiichöflichen 
Hofes zu Magdeburg (Vicedominus episcopalis curie 
Magdeburgensis). 

Die erite fihere Kunde von Günther's Ausfühnung mit 
dem Erzbiihof Erich und feiner Rüdfehr nah) Magdeburg 
datiert aus dem Jahre 1291, wo in einer von Erich aus: 
geitellten Urkunde Guntherus de Schwalenberg, Thesau- 
rarius, unter den Zeugen genannt wird. Dat. et act. Mag- 
deburg a. d. 1291 prid. nonas Junii.?) Wit dem biefelbe 
Würde bezeihnenden zweiten Titel „Custos“ ijt Günther 
zu Magdeburg am 29. April 1293 benannt.*) 


2) von Hodenberg, Galenb. Urkb. Abt. II. (RI. Loccum) Nr. 444. 

2) daſelbſt Nr. 445. 

s) Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis III. Nr. 710. ©. 269, 
) desgl. III. Nr. 784. ©. 296 und 297. 


154 


Von da bis 1305 wird Günther in Magdeburg nicht 
angetroffen, dagegen erwähnen ihn mande Urkunden in der 
Heimat in Verbindung mit jeinen Brüdern. 

Sm Dezember 1295 überträgt er zu Schwalenberg als 
sancte Magdeburgensis ecclesie Thesaurarius und pre- 
positus Angariensis in Verbindung mit jeinen Brüdern 
Adolf und Albert, Grafen yon Schwalenberg und deren Kin— 
dern Volcquin, Widelind, Heinrih, Günther, Konrad und 
Albert, Güter zu Derbornen (wüft bei Bofjeborn), an das 
Klojter Brenkhauſen.!) 

Propſt Günther, Domherr zu Magdeburg, conjentiert 1298 
mit feinen Brüdern Adolf und Albert, Grafen von Schwalen- 
berg, jeinen Schweitern und den Kindern der beiden Erjteren 
in die Schenkung von Gütern zu Snesle oder Schneſſel, 
(wüjt zwiichen Ohſen und Grohnde am linken Weferufer) an 
das Klofter zu Amelungsborn jeitens Arnold's von Embere. 
Dat. in castro Schwalenberge a. d. 1298 in die beati 
Andree apostoli.?) 

Aus dem Jahre 1305 find noch zwei Urkunden vorhan- 
den, worin Günther's Erwähnung geſchieht. Günther, Dom- 
herr zu Magdeburg, conjentiert am 26. Ian. mit jeinem 
Bruder Albert und deſſen Söhnen in die Übertragung des 
Zehnten zu Hollenjtedt ſeitens Bodo's, Edeln Herrn von Hom— 
burg, an das Kloiter Amelungsborn. Dat. 1305 postridie 
Convers. sti Pauli.°) 

Am 13. März (in crast. beati Gregorii Pap.) des: 
jelben Jahres conjentiert er ebenfall3 in die für das Klojter 
Amelungsborn dem Erzbiihofe (von Mainz?) von feinem 
Bruder Albert geichehene Auflaſſung des Zehnten zu Hollen- 
jtedt und Stodheim und jiegelt mit.*) 

Die Nachrichten aus dem folgenden Jahre befunden die 
Anweſenheit Günthers zu Magdeburg. In einer Urkunde vom 
8. Januar (VI Id. Jan.) 1306 findet jich unter den Magde- 


1) Migand, der Corveyſche Güterbefit ©. 219; Afjeburg. U.B. I, 308, 
Nr. 485. 

2) Ausführl. NRegeft in Grupen, Orig. Pyrmont. et Schwalenb, ©, 
110 u. 111. 


®) dajelbit. S. 109 u. 110, 
) daſelbſt S. 108 u. 109, 


155 


burger Domberrn Guntherus de Schwalenberg als Custos 
genannt. In einer zu Magdeburg am Tage der hl. Agnes 
(21. an.) 13071) ausgefertigten Urkunde gejtattet Guntherus 
de Schwalenberg, Thesaurarius Magdeburgensis ecclesie 
et plebanus ecclesie in Borch (Burg) dem hl. Geift:Hofpital 
in Burg, fi einen eignen Geiftlihden zu halten. Das Dom- 
tapitel von Magdeburg bejaß damals das Patronat über 
die Hauptpfarrlirche in Burg, deffen Inhaber gewöhnlich ein 
Domherr war. 

Gegen Ende feines Lebens wurde Günther, zum Bilchof 
feiner heimatlichen Didcefe Paderborn gewählt. ?) 

Die Wahl wird Ende Dftober oder anfangs November 
1307 jtattgefunden haben, da jein Vorgänger Bilchof Dtto 
von Rietberg, der noch am 3. Auguft urfundet, am 21. oder 
23. Dftober jelbigen Jahres verstarb. Nach obiger Urkunde 
vom 21. Januar 1307 iſt e8 wahricheinlid, daß Günther 
jeine Berufung nach Paderborn erhielt, als er noch in Mag: 
deburg als Thesaurarius fungierte. 


Allerdings hatte er bei jeiner Paderborner Wahl in 
Dietrih von Itter einen mächtigen Gegner, dem es auch 
gelang, jein Nachfolger zu werden. Als Electus et Confir- 
matus Paderbornensis bejiegelt Günther am 2. Mai 
(postridie Philippi et Jacobi ap.) 1309 eine Urkunde feines 
Neffen, des Grafen Albert des Jüngern von Schwalenberg, 
zugunjten des Kloſters Amelungsborn.?) Weiter bejtätigt 
er am 1. Juli (Kal. Julii) deſſelb. 3. die Rechte der Stadt 
Marburg und fommt am 1. Auguft des folgenden Jahres 
1310 zulegt urkundlich vor. 

Aus dem Ilmftande, daß man jchon 1309 den Dompropit 
von Paderborn und Minden, Bernhard, Edlen Herrn zur 
Lippe, mit Günther's Zuſtimmung zum „vBeſchützer des Hoc): 
ſtifts“ wählte, geht hervor, dat es Günther fchwer gemacht 
wurde, ji in feiner Würde zu Behaupten, oder daß das 
Alter ihm Hinderniſſe bei der Verwaltung jeine® Amtes in 
den Weg legte. Urkundet nun fein Nachfolger Dietrich ſchon 


— — — 





1) Staatsarchiv zu Magdeburg. 
2) Für das Folgende vergl. Schaten, Ann. Paderborn. II. ad annos, 
3) Grupen, Or. Pyrm. et Schw. ©. 115 und 116. 


156 


am 3. Dezember (in vigilia beat. Barbare virg.) 1310, jo 
wird anzunehmen fein, daß er furz vorher aus den oben 
angedeuteten Urſachen freiwillig feine Würde refigniert habe. 
Schwerli wird er die bifhöflihe Weihe empfangen haben. 

Über fein ferneres Leben und Todesjahr ift urkundlich 
nicht3 weiter befannt. Das Necrologium de3 Slofters 
- Marienmünfter giebt den 23. Mai als feinen Todestag an: 
„VIII Kalend. Junii obiit Guntherus episcopus Pader- 
bornensis. Hic dedit decimam in Eyntorp (Entrup) nobis, 
hujus anniversarii mencio apud nos non recedet.“ 

Schaten bejchließt die Darftellung über Günther mit 
folgenden bezeichnenden Worten: 

„Tam obscura sunt omnia in tam illustri praesule, 
qui magnus rerum humanarum contemptor primo archi- 
episcopatum Magdenburgensem, deinde Paderbornensem 
molesto aemulo ultro cessit, maluitque ex privata vita 
quam ex episcopali dignitate atque onere multo securius 
in mortem ire.“ 


Nr. 28. 
1251. Auguft 1. 


Gottjhalf der Jüngere (II.), — dietus juvenis — 
Graf von Berrimont, bekundet, daß jeine Eltern mit jeiner 
und feines Bruders Hermanns Zuftimmung dem Klofter der 
hl. Jungfrau Maria bei Schwalenberg zum Heile ihrer Seele 
und ad ampliandam praebendam fratris nostri Widekindi, 
qui in eodem loco in numerum serviencium Dei fuit 
receptus, den Zehnten zu Eilbrachteſſen geſchenkt haben. 

Da er nach feines Bruders Widekinds Tode dieſes 
Zehnten wegen dem Klofter Schwierigkeiten gemacht, jedod) 
Hermann, Abt jener Kirche, durch des Biſchofs von Bader: 
born Siegel und anderer Männer Zeugnis, jowie durch fein 
eigenes Siegel von feinem’ Unrecht ihn überzeugt habe, ber 
jtätigt er jene Schenfung mit Zuftimmung jeiner Gemahlin 
Beatrir und feines Sohnes Gottſchalk in Gegenwart Abts 
Hermann von Corvey, nostri amici specialis. 

Zeugen: Hermann, Abt zu Corvey, Albert, Prior, Striger, 
Propſt dafelbft, Widelind, Graf von Schwalenberg; Widelind 
von Grevincge, Dietrih von Ebelinchufen, Ludolf von 
Elwordeffen (Eilwordeſſen), Haltbate, Hermann von Grisme, 


157 


Ritter; Hermann, Richter von Luthe (Lügde), Siegfried 
Tudemuſche, Bernhard Jules. . 


Dat. in Corbeia a. D. 1251 in festo ad vincula 
St. Petri. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 16. 
desgl. zu Detmold fol. Ib. 

Gedr.: nah Marienmünfterfhem Kopialb. in Mitteil. 
des hiftor. Ber. zu Osnabrüd V, ©. 114. Finke, Weftf. 
U.B. IV Nr. 449. Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 267. 

Grisme — Griegen, N. W. von Pyrmont in der Nähe 
von Ärzen. 


Nr. 29. 
1252. 


Hermann, Abt von Corvey, bekennt, daß Graf Gott: 
ſchalk von Pirmunt feinen Sohn Widelind auf dem Altare 
der Hl. Jungfrau Maria in der Kirche, welche monasterium 
prope Sualenberg heißt, dargebradht und mit dem Mönchs— 
gewande befleidet habe, und daß derjelbe aus Liebe zu feinem 
Sohne und um feines Seelenheiles willen, unter Zuftimmung 
feiner Söhne Hermann und Gottſchalk, nostro socero, den 
Zehnten in Eilbrachteſſen dem Klofter gejchentt habe, und 
daß nunmehr auch von Seiten nostre cognate, der Gattin 
Gottihalf3 und ihres Sohnes Gottſchalk nostri cognati, 
die Beitätigung erfolgt jei. 

Zeugen: Albert, Prior, Stricher, Bropft, Thetmar, Propft 
de Novali, Otto, Bropft von Kemnade, Heinrih decanus 
nove ecclesie, Hermann scholasticus nove ecclesie, Bertold, 
Pleban zu Hörter; die Ritter Albert, Herbold und Lippold, 
Brüder von Amelungeijen, Günther von Hedewigejen, Arnold 
de Porta, Albert von Marepe, Everhard von Brochufen. 

Act. a. gr. 1252. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 17. 
desgl. zu Detmold fol. 10. 

Gedr.: nah Marienmünfterfhem Kopialb. Mitteil. des 
bijtor. Ver. zu Dsnabrüd V S. 118; vergl. Lipp. Reg. I 
Nr. 277. Vergl. Finke, Weit. U.:8. IV Nr. 509. 

Abt Hermann von Corvey (1223—1254) war aus dem 
Hauje der Osnabrüder Edelherrn von Holte, und die Gattin 


158 


Gottihalfs II. von Pyrmont, Beatrir, wahrſcheinlich eine 
Tochter von Hermanns Bruder, nämlich des Edlen Adolf 
von Holte. S. Wippermann in den obigen Mitteilungen V, 
©. 185. fi. 

Die Propftei Node (novale), gewöhnlich „tom Rode“ 
genannt, lag am Fuße des Neufcheberges, zwiſchen Hörter 
und der Tonenburg, die Bropftei Nyenkerfen (nova ecclesia) 
Dagegen zwiſchen Hörter und Corvey an der Wejer. Die 
Kanoniker von Nyenkerken zogen im 13. Jahrh. nad) Hörter 
und gründeten bier das Betriftift. 

Das Nittergefchleht von Amelungefien hat jeinen Namen 
vom Dorfe Amelungeſſen, jetzt Amelunxen; die Güter daſelbſt 
und in Wehrden bildeten jeinen uriprünglichen Beſitz. — 
Das Geichlecht von Hedewigeſſen war begütert in Brenfhaufen, 
deſſen Beſitz 1301 durch Tauſch dem dortigen Kloſter zufiel, 
wogegen die von Hedewigeſſen die villa St. Egidii, im 
Brückfelde, vor Hörter gelegen, erhielten. 

Arnold de Porta gehörte einem Geſchlechte an, welches 
jeit dem Ende des 12. Jahrh. das Pförtneramt (Portarius) 
des Stift Corvey erblih beſaß. Von den Beligungen des 
Pförtners erhielt die Billa Porterhus, (wüft) im Klausfelde 
bei Hörter, den Namen. 

Brochufen ift Bruchhauſen bei Ditbergen. Nach dem 
Aussterben derer von Brochujen gegen Ende des 15. Jahrh. 
ging das Nittergut durch die Verträge von 1524, 1533 und 
1537 auf oft von Kanne über, deſſen Nachkommen bis in 
neueſte Zeit in Bejit geblieben; vergl. Wigand, der Corveyſche 
Güterbeſitz. 


Nr. 30. 
1252. 

Heinrich, Graf von Sternberge, und (deſſen Bruder, 
ſiehe Nr. 39) Wydekind, Graf von Sualenberge, erſterer mit 
Einwilligung feiner Gemahlin und Erben, lepterer unter 
Buftimmung feiner Mutter und Erben, schenken auf Bitte 
des Abts Hermann) und Convents Ecclesie de monte ste 
Marie dem dortigen Klofter die Vogtei über 10 Hufen zu 
Goldenvelde, 2 Hufen in Ewippe, 4 Hufen in Meringe und 
2 Hufen in Marslo. 

Dat. a. D. 1252 Indict. XI. 


159 


Gedr.: nach Loccumer Kopialb. in v. Hodenberg, Calen— 
berger U.B. III Xbteil.Loccum)Nr. 161 und Grupen, Origines 
Pyrmont. et Swalenb. ©. 133; vergl. Lipp. Weg. I 
Nr. 276. Bergl. Finke, Weitf. U.B. IV Nr. 487. 488. 


Die Ablöfe der Vogteirechte geihah, um die Ländereien 
dem Moritklofter zu Minden verkaufen zu können. 


Bergl. Nr. 31. 32. 38 und 39. 


Nr. 31. 
1252, 

Abt Hermann und der Convent zu (Marien-)Münfter 
prope Swalenberge verfaufen dem Abte Gerlag und dem 
Gonvente von St. Morik in insula (Werder) zu Minden 
10 Hufen in Galdenvelde, 2 Hufen zu Emwippe, 4 Hufen zu 
Meringe, 2 Hufen zu Marslo und 2 Hufen zu Merethorpe, 
frei von aller Belaftung oder Vogtei für 50 Markt. Abt 
Hermann, Hleinrih) Kellner und der Klofterbruder Prieiter 
Dietrich) als Vertreter de3 Convents zu Marienmünfter über: 
geben dem Abte Gerlag, Prior Gerold und den Klofterbrüdern, 
PBrieftern Günther und Johannes des St. Morigkloiters dieſe 
Güter zu Wunftorf (Wunestorpe) in Gegenwart des Grafen 
Ludolf von Nothen (NRoden). 

Dat. in Swalenberge a. d. 1252. 


Gedr.: nah einem Loccumer Kopialb. im Calenberger 
0.8. III (Abteil. Loccum) Nr. 163. Vgl. Finke, Weftf. 
0.8. IV Nr. 487. 


Nr. 32. 
1252. Juni 10. 


Graf Ludolf von Roden thut fund, daß Abt Hermann 
zu Marien-)Münfter bei Swalenberg, Kellner Heinrih und 
andere des dortigen Convents in jeiner Gegenwart zu Wunſtorpe 
ihre Güter, nämlih 10 Hufen zu Galdenvelde, 2 Hufen zu 
Ewippe, 4 Hufen zu Meringe, 2 Hufen zu Marslo und 2 
Hufen zu Merethorpe dem Abte Gerlag von St. Morig auf 
dem Werder bei Minden und feinem Convente frei von aller 
Vogtei mit zubehörigen Leuten und allen Einkünften für 50 
Mark Silber verlauft haben. 

(Zeugen fehlen im Kopialb.) 

Act. 1252. IV Idus Junii. 


160 


Gedr.: nah dem Loccumer Kopialb. im Calenberger 
U.B. III (Abteil. Loccum), Nr. 164 und Grupen, Orig. 
Pyrm. et Swalenb. ©. 35. Vergl. Finke, Welt. U.B. IV 
Ar. 488. 

Diefe Güter gingen fpäter dur Verkauf in den Beſitz 
des Kloſters Loccum über. 

1268. März 12. Abt Gerlag, Prior Juſtacius und der 
Convent des Kloſters St. Morig in insula zu Minden ver: 
faufen um 40 Mark dem Abte Dietrih und dem Convente 
S. Marie V. in Lucca Cystere. ord. Myndensis dioeces. 
4 mansos in Coldenevelde. Hoc adjecto quod VI mansos, 
quos ad huc in predicta villa habemus, nulli vendamus, 
si forte vendere nos contingat nisi Ecclesie supradicte. 
Datum in insula (Werder vor Minden) 1268 in die beati 
Gregorii (dajelbft Nr. 289). 

1269. April 30. Abt Gerlag und da3 Kapitel von St. 
Morig in insula prope Minden verlaufen dem Abt Diederich 
und Gonvente zu Loccum für 60 Mark VI mansos in Colden- 
velde, quos monasterio prope Sualenberg comparavimus. 


Act. a. d. 1269 prid. Kal. Maii (dafelbit Nr. 303). 


Ar. 33. 
1259. Januar 21. 

Gottichalf, Graf von Perremont, verlauft mit Conjens 
jeiner Gemahlin und Söhne Gottſchalk, Hermann und Hilde: 
bold dem Münjter der hl. Maria bei Swalenberg das Eigen: 
tum zweier Häufer in Elbrachteſſen und vier dazu gehörenden 
Hufen zugleich mit der Vogtei. 

Zeugen: Wilhelm, Pleban in Lugethe, Johannes, Bropit 
in Baldenhagen; aus dem Nitteritande: Heinrich von Abben- 
hujen, Ernft von Barchove, Johannes und Ernit, deilen 
Söhne, welche ihren Anteil an der Kaufſumme erhalten haben, 
Bernhard von Dtterfien, Arnold von Otterſſen, Bertold von 
Elmerinchufien, Johannes von Valebroke, Arnold von Al: 
meneworde, Edehard von Barchove, Arnold Krane, Bertram 
von Brumen, Johannes von Jerckeſſen, Johannes von Huden- 
hofien, Johannes von Dale, Jordanus von Dldendorpe. 


Act. 1259 in die bte Agnetis V. et M. 


161 


Kopialb. zu Grevenburg, Nr. 18, wo in der Zeugenreihe 
„Bertold von Amerynghoſen“ fteht, wofür das Detmolder Buch 
fol. 40 mit Rüdjicht auf jpätere Urkunden richtiger: „Bertold 
von Elmerinchujjen” hat. Vergl. Lipp. Neg. I Nr. 302. 

Valebroke ift das hannov. Kirchdorf Vahlbruch, in der 
Nähe vom Klofter Fallenhagen. 


Nr. 34. 
1259. April 15. 

Hermann, Graf von Pirremont, verkauft zwei Häufer 
in Elbrachteſſen an Abt Heinrich zu Münfter und die dortige 
Kirche. 

Zeugen: Heinrich Rufus, Heinrich von Humvelbde, Hermann 
von Betem, Amelung Kanne, castellani nostri; Bernhard 
von Otterjfen, Bertold von Helmerinkhojen, Johannes von 
Valebrofe, Arnold von Almeneworde, Ernft von Barchove, 
Arnold Krane, Bertram von Brumen, Sohannes von Jerckeſſen. 

Dat. in Pyrremunt in crastino Tiburcii et Valeriani 
1259. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 19. 

desgl. zu Detmold fol. 10, wo die Zeugen Meinricus 
de Humvelde und Bernhardus de Terssen (Gerfjen) heißen 
ftatt Heinrich von H. und Bernd. von Dtterfjen. Vergl. Lipp. 
Reg. I Nr. 304. 

Das alte Gejchleht der von Kannen hatte jeinen älteſten 
Sitz in und bei Lügde und verzmweigte fih von da nad 
Breitenhaupt (Rittergut bei Steinheim). Mit Beginn des 
16. Jahrh. wurde auch durd die Heirat der Erbtochter 
Katharina von Bruchhauſen mit oft Kanne das Rittergut 
Bruchhaufen erworben. Der legte Corveyer Lehnbrief aus 
den 90er Jahren des 15. Jahrh. für die von Bruchhaufen 
nimmt jchon die eventuelle Belehnung der Kannen in Aus: 
fiht, welche dann auch 1537 erfolgte. 


Kr. 35. 
1259. April 15. 

Gottihalt und Hermann, Brüder, Grafen in Berremont, 
verkaufen uno ore collectaque manu mit Confens ihrer 
Gemahlinnen dem venerabili domino Heinrich Abt in Mo- 
nasterio apud Sualenberg und den übrigen Herren diejer 

XLVI. 2. 11 


162 


Kirche das Eigentum von vier Häufern zu Elbrachteſſen mit 
der Bogtei. 

Zeugen: Wilhelm Pleban in Lugethe; Heinrid Rufus, 
Heinrich von Humvelde, Hermann von Betem, Amelung Kanne, 
Burgmänner (castellani) in Pyrremont; Heinrich von Abben- 
bojen, Ernft von Barchove, Johannes von Balebrode, Arnold 
von Almeneworde, Edehard von Barchove, Arnold Krane, 
Bertram von Brumwen, Johannes von Geridejjen, Johannes 
von Bodenhofen, Johannes von Aldenthorpe. 

Act. 1259 in crastino Tibureii et Valeriani in 
Lugethe (Lügde). 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 20. 

desgl. zu Detmold fol. 10, wo unter den Zeugen 
„Meinricus de Humvelde“ ftatt „Heinricus de H“ jtebt. 
Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 303. 

In der Zeugenreihe dürfte mit Rückſicht auf Nr. 33. 
für Joh. von Geridefjen und Joh. von Bodenhofen vielleicht 
— Joh. von Jerckeſſen und Joh. von Huckenhoſen zu ſetzen 
ein. 

Nr. 36. 
1260. Februar 13. 

Dompropft Heinrich zu Paderborn (Graf von Schwalen: 
berg:Walded) fauft für das Klojter Marienmünfter (ecclesie 
monasterii ste. Marie prope Swalenberg) ein integrum 
Soltwere vom Richter Konrad zu Soltkotten (Salzkotten). 

Dat. 1260 Id. Febr. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 22. 
desgl. zu Detmold fol. 28. 
Bergl. Nr. 37 und 40. 


Nr. 37. 
1260. $ebruar 13. 

Biſchof Simon (1. €. 9. zur Lippe) von Paderborn 
überträgt auf Bitten des ihm verwandten (consanguinei) 
Dompropſts Heinrih an Abt und Convent zu Münfter bei 
Sualenberg das Eigentum eines Soltwerc zu Soltfotten, 
welches diejer für das Klofter vom Richter Konrad gekauft 
hatte. 

Dat. 1260 Id. Febr. 


163 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 21 
deögl. zu Detmold fol. 28 und 40. 


Nr. 38. 
(1260.) 

MWidefind, Graf von Schwalenberg, verzichtet auf Bitten 
der domini de monasterio ste. Marie auf die Bogtei an 
nachſtehenden Kloftergütern, nämlid in Coldenvelde X 
mansus, in Ewippe II mansus, in Meringen IV mansus, 
in Marslo II mansus, mit Conſens jeiner Mutter, jo daß 
das Kloſter frei darüber verfügen Tann. 

Zeugen aus dem Klerus: Hermann provisor coenobii 
montis ste. Marie (Falkenhagen), Wilhelm Bleban in 
Sumerjelle, Everhard de castro; aus dem Laienitande: Flo: 
rinus von Vreſenhuſen, Dietrih von Eblinghuſen, Widekind 
de Gerjunge, Werner von Almeningeworthe, Johannes von 
Wiginghujen, Werner Dicberner Consules Civitatis. 


Kopialbuh von Grevenburg Nr. 25, wo die Jahres: 
zahl fehlt; 

In v. Spilder’3 Collectaneen Tom. XII ift „1260 
binzugefügt. 

Das Datun fehlt in den Kopialbüchern und ift „1260 
nah der folgenden Nr. angenommen; darum läßt ſich auch 
nicht fejtjtelen, welcher Stadt die Natleute (consules) an: 
gehören. 

Die v. Frejenhufen, welche um 1232 nah den Xipp. 
Reg. I Nr. 199 mit Florin v. Frei. zuerſt vorkommen, waren 
ein altes Lippiiches Gefchleht und führten ihren Namen von 
einem jetzt ausgegangenen Drte in der Feldmark der Stadt 
Steinheim. Die Bezeichnung „Freiſenteich“ mag noch daran 
erinnern. 


Nr. 39. 


1260. Februar 25. 


Die Brüder Heinrihd, Graf von Sternberg, und 
Widekind, Graf von Swalenberg, bejtätigen den Berfauf der 
Güter zu Eoldenvelde und Meringhen jeitens des Kloſters 
Marienmünfter (ecclesia ste. Marie in monasterio iuxta 


11° 


164 


Sualenberg) an da3 (St. Morit:)Klofter auf dem Werder 
vor Minden und verzichten auf alle Vogteirechte daran. 
Zeugen: Konrad) von Biga (Bega), Johannes von Do- 
nepe, Lüder von Werne, Johannes von Rottorp, Dietrich 
von Edeſſum, Burgmänner zu Sternberg, B(urchard) von 
Holthuien, B... von Eben (?), B... von Volteſſen 
und Werner Dicberner, Burgmänner von Schwalenberg. 
Dat. a. D. 1260 V kal. Mart. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 24. 
Gedr. Zeitihrijt, Bd. 9, ©. 71. 
Lipp. Neg. I Nr. 306. 


Nr. 40. 
1260, April 9. 

Nlabodo), Domdehant, und das Kapitel zu Baderborn 
find damit einverftanden, daß dem Kloſter Marienmüniter 
(confratribus suis abbati ac conventui Monasterii bte. 
Marie Virg. apud Swalenberg) das Eigentum unius integri 
Soltwere in der Stadt Soltkothen, welches der Dompropft 
vom Nichter Konrad gekauft hatte, feitens des Biſchofs über: 
tragen ſei. 

Dat. 1260. V. Idus April. 

»Kopialb. zu Grevenburg Wr. 25. 
desgl. zu Detmold fol. 28. 


Nr. 41. 
1260. Juli 23. 

Abt Heinrich und der Convent zu Münfter iuxta Sualen- 
berg bezeugen, daß Abt und Convent von Hersvithehufen 
(Hardehaufen) ihnen von Adern zu Erclen jährlich 6 Scheffel 
Erbjen (sex mensuras pise, que vulgo dieuntur schipel) 
liefern müjje. 

Dat. a. d. 1260 in die Liborii. 

Siegel abgefallen. 

Original im Staatsarchiv zu Münjter, Kl. Hardehauien. 

Bergl. Zeitſchrift B. 25, ©. 300. 

Erelen iſt Pfarrdorf Erfeln bei Bratel. 


165 


Nr. 42. 
1260. Auguft 15. 


MWidelind, Graf von Schwalenberg, übergiebt mit Zu: 
ſtimmung jeiner Mutter, Gemahlin und Brüder dem Abt 
Heinrih und Convent zu Münfter bei Schwalenberg feine 
Güter in Volkoldeſſen gegen das Recht, auf allen Klofter: 
gründen Gold und Silber aus der Erde zu fürdern. 


Zeugen: Bertold von Helmerinchujen, Konrad von 
Volteſſen, Borchard von Holthufen, Werner Dicbernere, 
Heinrih von Helmerinchujen, Ritter; 

Arnold von Dudenhufen, Hermann von Donepe, Helmbert, 
Werner von Worden, Knappen. 

Dat. et act. 1260 in die assumpt. b. Marie virg. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 26 
dedgl. zu Detmold fol. 6. 

Gedr. Wigand’3 Ardhiv I. H. 4. ©. 97. 

Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 472. 

Dudenhuſen it ohne Zweifel gleichbedeutend mit Dohn: 
haufen oder Dohnſen, Gut zwiſchen Driburg und Herite. 
Von diefem Hofe trug das Nittergejchleht von Dudenhujen 
jeinen Namen. Die Familie Dudenhaufen, weldhe im bürger: 
lihen Stande noch fortlebt, hatte fpäter in Nieheim ihren 
Hauptjig und in der Stadt, jowie in der Nähe, Befigungen. 
— Zwiſchen Dohnhaufen und Pömbſen, !/ Stunde jüdlich 
von legterem Drte, lag Erdermifjen oder Ermiſſen, wo die 
zamilie Dudenhaufen in Nieheim und Pömbſen bis in die 
neuefte Zeit ein Gehölz und der befaß. Über diefe Güter 
haben jich bei der Familie Dudenhaufen zu Nieheim noch 
zwei Xehubriefe erhalten: 

Biihof Simon zu PBaderborn belehnt ‚„‚Enghelhard von 
Dudenhujen . .. . myd Erdermilien . . . ., jo de Voswinckle 
dar vortydes tho leyne gehat und gedregen heben, und.... 
dodeshalven vorleddigeth iS.’ Gegeven tom Nienhus 1484 
am Sonnavende vor Mathei apli (25. Sept.). 

Der folgende Lehnbrief ift vom Erzbiichof Hermann von 
Köln und Adminiftrator von Paderborn für Engelhard von 
Dudenhujen im Jahre 1500 zu Paderborn in Gegenwart 
der Räte Johann von Hörde und Hermann Schilder, Erb: 
fümmerer, ausgeftellt, 


166 


Nr. 43. 
1260. Auguſt 15. 

Midekind, Graf in Sualenbergbe, ſchenkt mit Zuftimmung 
jeiner Mutter, Brüder und Gemahlin den Brüdern im Klofter 
der hl. Maria aus Freundichaft gegen den Abt Heinrich jeine 
Güter in Volcoldeſſen. 

Zeugen: die Ritter Bertold von Elmerinchufen, Konrad 
von Volteffen, Burhard von Holthufen, Werner Dicberner, 
Hermann von Elmerinchufen; die Burgmänner (castellani): 
Arnold von Dudenhujen, Hermann von Donepe, Helmbert 
dapifer (Drofte, Truchſes), Werner von Almeneworthe (Als 
meningemwortbe). 

Dat. et act. 1260 in die Assumptionis bte Marie 
Virg. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 27. 
desgl. zu Detmold fol. 28, und 29. 


Nr. 44. 
1260. September 29. 

Midefind, Graf von Schwalenberg, übergiebt dem Kloiter 
zu Gerdene auf Bitten des Propſtes Adolf, der Priorin Alheid 
von Schonenberg feiner Verwandten (consanguinee nostre) 
und des Conventes Güter in Syddeſſen und Edhujen, welche 
Ernjt gen. der Freie (liber) früher von ihm zu Lehn be- 
jefjen. 

Zeugen: Heinrich Abt Monasterii (von Marienmüniter); 
Burgmänner (castellani) von Schwalenberg: Bertold und 
Heinrich von Elmeringhuien, Konrad von Bolfteflen, Burchard 
und Helembert Brüder von Holthofen, Johannes und fein 
Sohn Wasmod von Alvenfien, Werner Difberner, Hermann 
von Donepe, Arnold von Dudenhufen. 

Act. 1260 in festo beati Michaelis archangeli. 


Kopialb. des Kloſters Gehrden fol. 272 D. 7. Siddeffen, 
Pf. Gehrden, im Kr. Warburg. Volfteffen iſt Kirchdorf Völfen 
im Kr. Warburg. — Das Minifterialen-Gefchleht von Alvenien 
oder Alfwineffen führte feinen Namen von einem audgegan: 
genen Orte in der Feldmark von Steinheim, der zwiſchen 
der Stadt und dem Steinheimer Holze am jog. Berge lag, 


167 


Nr. 45. 
1261. April. 14. 

Ritter Bertold von Brafle bekundet, daß er mit feinen 
Erben, nämlich) Bertold von Dasle und Burchard von der 
Afteburg, auf den ihm gehörenden Teil der Güter in Gun: 
denshem, welche die Brüder Albert und Sigehard von Ma- 
rephe dem Klofter der Hl. Jungfrau Maria zu Münfter ver: 
fauft haben, Verzicht geleiitet. 

Zeugen: Heinrih Pleban in Brafle, Johannes von 
Hindeneburg (Hinnenburg bei Brakel), Johannes von Olden— 
berge, Prieſter; beide Friedrich von Iſtendorp, Friedrich) 
von Dldenberge, Merander von Blechtene, Ritter; Lubdolf 
von Eorvey. 

Dat. SHindeneborg 1261 V fer. ante ramos Palmarum. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 29. 
desgl. zu Detmold fol. 7 und 8. 

Gedr.: Ajjeburg. U.B. I Nr. 305. 

Lückenhaft in v. Spilder, Urkundenb. zur Gefchichte der 
Grafen von Everftein Nr. 126. 

Unter „Oldenberge“ iſt hier jedenfalls die Palburg oder 
Oldenburg, welche 10 Minuten nördlih von Brakel unweit 
der St. Annentapelle lag, zu verjtehen. Die benachbarten 
Wieſen an der Brut heißen noch heute Dldenburg. Iſten— 
dorp ift gleichbedeutend mit dem Kirchdorfe Iſtrup zwiſchen 
Brafel und Driburg; PVlechtene oder Vlechten (wüſt) eine 
Stunde weſtlich von Brakel in dortiger Feldmarf. 

Vergl. Nr. 46, 47, 48, 49 und 50. 


Nr. 46. 
1261. April 14. 

Ritter Wernher von Brafele nebit feiner Frau Mechtild, 
jeinem Sohne Bernhard und feiner Tochter Reilindt ver: 
zihtet auf den ihm gehörenden Teil an den Gütern zu 
Gundenshem, welche Albert und Sigehard, Brüder von 
Marephe, dem Kloiter der Hl. Jungfrau Maria in Münſter 
verkauft haben. 

Zeugen: Johannes von Dldenberge, Hermann von Boppen: 
borch, Priefter; Johannes von Nedhere, Ulrih Summercalff, 


168 


Udo Summercalff, Ritter; Lambert von Lutringen, Heinrich 
de antiquo foro, Konrad vor Brakle, Bürger von Hörter. 
Dat. Huxarie 1261 V fer. ante ramos palmarum. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 28. 
desgl. zu Detmold fol. 8. 

Gedr.: Zeitſchrift für Niederfahien. Jahrg. 1853 
©. 146. 

Auszüglich bei v. Spilder, Grafen von Everftein, Ur: 
fundenb. Nr. 127. 

Das Rittergeihleht von Nedere ſtammte vielleicht aus 
dem Dorfe Großeneder, Kr. Warburg. Die Somercalf, deren 
Mappen ein links aufgerichtete3 Kalb daritellt, ericheinen 
wiederholt bei Nieheim, Pömbſen und Neuenheerie als be: 
gütert. Es liegt die Vermutung nahe, daß jie die älteften 
Inhaber des Ritterfiges Pömbjen maren. 

Zutringen oder Luchteringen ift das Dorf Lüchtringen 
bei Hörter, wovon ein Corveyer Minifterial:Gejchleht den 
Namen hat, das aber jpäter in den Bürgerftand der Stadt 
Hörter überging. 


Nr. AT. 
1261. 


Ritter Hermann von Brafele verzichtet mit feinen Erben 
Bertold, Wernher und Johannes auf feinen Anteil an den 
Gütern in Gundenshem, welche Albert und Sigehard, Brüder 
von Marpe, dem Klojter der hl. Jungfrau Maria zu Münjter 
verkauft haben. 

Zeugen: Heinrich Pleban in Brafele, Johannes von 
Dldenberg, Prieiter; Engelhard von Stenhem, Burdard 
von Herite, Hermann von Dfthem, Ritter. 

Dat. Brafele 1261. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 30. 
desgl. zu Detmold fol. 9. 

Im YAuszuge bei v. Spilder, Grafen von Everftein, 
Urkundenb. Nr. 128. 

Herfte, Filiale von Iſtrup, zwiſchen dem Pfarrdorfe 
und Driburg; Oſthem (wüſt) in der öftlichen Feldmark von 
Brake , wo noch die DOftheimer Linde daran erinnert. 


169 


Nr. 48. 
1261. 

Bertold, Werner, Hermann Ritter von Brafele entfagen 
mit ihren Erben Bertold (von Dasle, Burdhard) von der 
Aſſeburgh, Bernhard, Bertold, Weruer, Johannes ihrem 
Anteile an den Gütern in Gundenfjen, welche Albert und 
Sigehard, Brüder von Marpe, dem Klofter der hl. Jungfrau 
Maria zu Miünfter verkauft haben. 

Zeugen: Heinrih Pleban in Brafele, Johannes von 
Hindeneborg, Johannes von Uldenberghe, Prieſter; beide 
Friedrich von Jitendorp, Friedrich) von Dldenberge, Alerander 
von Vlechtene, Engelhard von Steinhem, Burchard von Herite, 
Hermann von Dfthem, Ritter; Ludolf von Corvey, Heinrich) 
von Djthem. 

Dat. Brafele 1261. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 31, wo „Gundenshem“ fteht. 

deögl. zu Detmold fol. 8. 

Gedr.: Affeburger Urkundenb. I Nr. 312. 

Die Kopialbücher haben: „Bertoldo de Asseburgh.“ 
Das ift entweder ein Schreibfehier für: „Burchardo“, oder 
es ilt eine Lüde anzunehmen, die, wie oben geſchehen, zu 
ergänzen wäre. 


Nr. 49. 
1261. 

Thymo (1254—1275), Abt, Henricus Prior, Strigerus 
Propft und Gonvent zu Corvey fchenfen das Eigentum, 
welches ihre Kirche an der Billa Gundenjem hat, der Kirche 
zu Münfter auf Bitten des dortigen Abts Heinrich und aus 
nachbarlicher Freundichaft. 

Zeugen: Dietrih Marſchall, Dietrich pincerna (Schenk), 
Konrad dapifer (Truchſeß), Albert und Sigehard, Brüder 
von Marpe. 

Dat. 1261. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr.34, wo „Gundelſen“ fteht, 
deögl. zu Detmold fol. 9. 


170 


Nr. 50. 
1261. Auguft 29. 

B(ernhardus III.) de Lippia maior ſchenkt mit Ein- 
willigung feiner Gemahlin Sophia und feiner Kinder Her- 
mann, Efbert und Dietrich eine curia in Gundensem mit 
allem Zubehör dem Abte Heinrich und dem Convente de 
monasterio apud Swalenherg. 

Zeugen: Effehard von Borghove, Konrad von Billerbife, 
Ernft von Odeſtorp, Bertold von Nethe, Arnold und Hermann 
von Nikelingdorp, Ludolf von Dalberne dapifer noster und 
Gottſchalk capellanus noster; burgenses vero Gerhard 
von Orlinkhuſen, Johann von Schwalenberg. 

Acta sunt hec in Lemego a. D. 1261 in die sto 
decollationis s. Joannis bapt. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 32, wo „Gundelshem“ fleht. 
desgl. zu Detmold fol. 8. Bergl. L. R. I. Nr. 308. 

Billerbife ift das Lippiiche Dorf Billerbed bei Steinheim. 

Ddeftorp — Osdorf bei Pyrmont, 

Drlinghufen — Örlinghaufen im Lippifchen. 


Nr. 51. 
1262. Juni 20. 

Hermann, Graf von Byrremunt, befundet mit Gottichalt, 
ſeines Bruder Sohn (fratruelis), unter Zujtimmung feiner 
Gemahlin (comitisse Hatewigis) Hedwig und jeiner Söhne 
Hermann und Konrad, jodann der Frau Beatrir, Witwe 
feines Bruders Gottſchalk, und deren übrigen Söhne Hermann 
und Hildebold, daß fie das Eigentum der Güter in den 
Dörfern Gundenffiem und Heyfenhujen mit Zubehör dem 
Abte und Convente des Kloſters bei Sualenberg, quod 
„Monstere“ vulgariter appellatur, übergeben haben. 

Zeugen: Der Propſt in Baldenhagen (mohl Friedrich, 
der 1264 angeführt fteht, oder Johannes, der nad Lipp. 
Neg. I. Nr. 307 fi) 1260 findet), Widelind, Graf von Sualen: 
berg; Heinrih von Elmerinchufen, Arnold von Michelethe, 
Dietrich von Edftern, Wernher Dikberner, Ritter und Burg: 
männer zu Sualenberg; Heinrich Rufus, Bertold von Grigme, 
Amelung Kanne, Heinrihvon Abbenhufen, Ritter zu Byrremunt, 


171 


Act. et dat. in Pirremunt a. d. 1262 XII Kal. 
Julii Indict. V. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 33. 
desgl. zu Detmold fol. 7b. 


Gedr.: Mitteil. des hiſtor. Vereins zu Dsnabrüd V. 
©. 125 ff. 


Wichelethe — Kirchdorf Wöbbel im Lippijchen. 


Nr. 52. 
1264, September 27. 


MWidelind, Graf von Schwalenberg, überträgt zur 
Stiftung einer Memorie feine curia in Roldeffen, welche er 
mit eignem Gelde erworben, und die nicht zur Grafichaft 
Schwalenberg gehört, nebſt 3 Manfen der Kirche der hl. Jung: 
frau in Monasterio prope Sualenberg, ita quod caritati 
dominorum (Mönde) in anniversario nostro singulis 
annis ab inde serviatur, ut ad orandum pro nobis effi- 
ciantur promptiores. Widekind und fein Bruder Adolf 
fiegeln. 

Zeugen: Propſt Friedrih in PValdenhagen, Bertold 
Pleban in Sualenberg, Wilhelm in Sumerfile, Prieſter; 
Heinrih von Elmerinchufen, Dietrih von Editern, Werner 
gen. Dicbernere, Ritter; Engelhard von Abbenhujen, Amelung 
von Scidere, Andrea von Brodhujen, Knappen. 

Act. 1264 in festo stor. mart. Cosme et Damiani. 
Datum Sualenberg per manum Bertoldi notarii. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 35. 
deögl. zu Detmold fol. 6b. 

Kopialb. G (jegt Msc. I, 131) zu Münfter pag. 46 
bat vielleicht richtiger „Rotleveſſen“. 

Sumerfile — Kirchdorf Sommerſell bei Marienmüniter. 
Vergl. Nr. 58. 


Nr. 53. 
1265, Januar 20. 
Hermann, Graf von Vermont, befennt, daß Nitter 
Heinrih von Abbenhofen auf die Güter in Heikenbufen, 
welhe er von ihm als Lehn beſaß, mit feinem Bruber 


172 


Enkelhard Verzicht geleiftet undP daß er (Herman v. ®.) 
nunmehr mit Genehmigung feiner Neffen (cognatorum 
nostrorum) Gottſchalk und deſſen Bruder Hildebold jene 
Güter in Heikenhoſen ſamt Vogtei und Zehnten der Kirche 
b. Marie V. in Monasterio apud Sualenberg für 6 Marf 
gravis monete verfauft habe. — Graf Hermann und jeine 
Verwandten (cognati) Gottſchalk (v. PB.) und Adolf, Graf 
von Sualenberg, jiegeln. 

Zeugen: Propſt Willico, Bertold Pleban von Sualen- 
berg, Wilhelm Pleban von Sumeriile; Bertold Sumercalf, 
Heinrich von Elmeringhofen, Dietrich von Ederjten, Wernher 
Didbernere, Amelung Kanne, Heinrich Rufus, Nitter; 
Dietrich von Rottinghen, Bernhard Kanne [Sohn v. Amelung 
Kanne], Knappen. 

A. 1265 in castro Sualenberg in die Fabiani et 
Sebastiani martyrum. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 36. 
desgl. zu Detmold fol. 25. 

Gehrdener Kopialb. fol. 48b. ©. 2. 

Die Familie von Rottinghen oder Roddinghe beiteht 
unter dem Namen „von Röffing‘ im Hannoverſchen noch fort. 


Nr. 54. 
1265, Februar 11. 

Hermann, Graf von PBermont, und feine Verwandten 
(cognati) Gottſchalk und Hildebold mit deren Mutter Beatrir 
verkaufen den hörigen Mann (mancipium) Bertold genannt 
Düfingh und feinen Bruder Johannes genannt Tatere für 
drei fertones der Kirche der hl. Maria zu Mönftere ad 
Sualenberg. 

Zeugen: Propſt Willico, Wilhelm (PBleban) von Ludhe 
und Bernhard socius suus (Kaplan); Amelung Kanne, 
Heinrih genannt Unfig, Ritter; Bernhard Richter von Ludhe 
gen. von Dtterjen. 

Fact, 1265 in Ludhe III Idus Februarii. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 38. Msc. I, 129 im 
St.“A. Münfter hat Kalendas ftatt Jdus. 
ö Gedr.: Mitteil. des Geichichtsvereing zu Osnabrüd V, 
. 126. 
Ferto oder firtho ift der vierte Teil einer Marf, 


173 


Nr. 55. 
1265. November 2. 


Adolf, Graf von Schwalenberg, befundet, daß fein 
Burgmann Enfelhard von Abbenhujen auf Bitten des Grafen 
Hermann von Verremont das Lehn und alles Necht, welches 
er von jeinem Bruder auf die Güter von Heilenhojen gehabt, 
dem Klofter der hl. Maria bei Schwalenberg frei refigniert, 
dad Eigentun aber an jenen Gütern der Graf Hermann der 
Kirhe vor ihm (Adolf v. Sch.) geſchenkt habe. Nach des 
Grafen Hermann Tode behaupte Engelhard, jene Güter 
wären ihm von feinem Bruder verpfändet und dieſe Pfand: 
ihaft habe er dem Kloſter nicht übergeben. Nunmehr habe 
Entelhard die Pfandichaft (weddeichat, pignoraticium) oben: 
gedadhter Güter der Kirche für 18 Scillinge vor ihm wieder: 
käuflich verkauft, Lehn, Pfandſchaft und jonftige Anſprüche 
secundario dem Klojter übergeben. 

Zeugen: Bertold PBleban in Swalenberg, Wilhelm 
Pleban in Sumerſile; Burchard und Helmbert, Brüder von 
Holthojen, Bertold und Ulrih, Brüder, gen. Summerfalf, 
Hermann von Steynhem, Johannes von Wiginghojen, Dietrich 
von Ederiten, Werner Didberner, Ritter; Amelung von 
Schidere, Sighehard von Marpe; Andreas Officialis des 
Grafen (von Schw.). 


Act. in opido Sualenberg in crastino omnium 
sanctorum 1265. 
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 37. 
desgl. zu Detmold fol. 20, wo Eykenhusen fteht. 
desgl. im Kopialb. des Kloft. Gehrden fol. 49a, G. 3. 


Nr. 56. 
1266. September 14. 


Albert, Graf von Schwalenberg, verzichtet auf Bitten 
des Abts Heinrih zu Münfter bei Schwalenberg auf die 
Vogtei und fonjtige Anjprüche, welche er in curtis Heck- 
husen et Swiderssen haben fann, zu Gunften der Kirche 
der hl. Maria bei Schwalenberg. 


174 


Beugen: Bertold Pleban zu Schwalenberg; die Nitter 
Konrad de Rode, Werner Dicbernere, Helmbert von Holt- 
bufen; die Knappen Friedrih von Yſtorp, Amelung von 
Schidere; Entelbert, Andreas und Arnold officiales comitis. 

Act. in castro Swalenberg in sto. die exaltationis 
ste Crucis 1266. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 39, wo der Zeuge Konrad 
de Rode fehlt. 

desgl. zu Detmold fol. 25; das „sexto“ der Jahreszahl 
it hier von fpäterer Hand. 

— desgl. im Kopialb. des Kloſters Gehrden fol. 49b 
. 6. 


Nah Url. vom 25. März 1270 heißt die Frau bes 
Ritters Helembert von Holthuſen (bei Nieheim) Bertradis. 
Bergl. Ztſchft. des hiſt. Ver. für Niederſachſen Jahrg. 1850 
©. 323 u. 324. 


Nr. 57. 
1268. Auguft 29. 

Beatrir, Gräfin von Permunt, verkauft mit Zujtimmung 
ihrer Söhne Gottſchalk, Hermann und Hildebold, jowie ihres 
Verwandten (cognatus) Konrad, ein Haus mit zwei Manjen 
und fonftigem Zubehör zu Elbracdtefjen, die Ritter Heinrich 
von Abbenhujen bisher von ihnen zu Lehn getragen, und 
welde an die Ritter Burchard und Helmbert, Brüder von 
Holthujen, verpfändet gewejen, aber jegt eingelöft jeien, für 
10 Mark an die Kirche der hl. Maria bei Schwalenberg. 

Zeugen: Wilhelm Pleban zu Luden; Ritter Bertold 
gen. Sumerkalf, Albert de antiquo castro (Burgmann auf 
der Oldenburg), Helmbert von Holthujen, Engelhard von 
Abbenhufen, Werner gen. Digberner, Dietrich von Eccheſtern, 
Werner von Hunwelde, Hermann von Grisme. 

Act. a. D. 1268. IV. Kal. Sept. 

Kopiald. zu Grevenburg Nr. 40. 

Gedr.: Mitteil. des hiſt. Vereins zu Osnabrück V 
(1858) ©. 128. 

Die Urkunde kommt in den Lipp. Reg. doppelt vor, I 
Nr. 298 mit 1258 und I Nr. 341 mit 1268. Weil die 


175 


ältern Kopialb. D. fol. 42 und G. pag. 44 das Jahr 1268 
haben, dürfte dieſes das richtige fein, wenn ſich auch in dem 
Lib. Var. VII und Mse. I, 242 p. 18 im Kgl. St.A. Münfter 
1258 findet. 


Nr. 58. 
1274. März 12. 

Adolf und Albert, Brüder, Grafen von Schwalenberg, 
befunden, daß ihr verftorbener Bruder Widelind die curia 
in Roldeſſen mit 3 Manjen dem Kloſter Marienmünfter für 
jeine Memorie übertragen habe. Sie geben dazu consensum 
secundarium und zwar mit Genehmigung ihrer Mutter 
Ermengard und Jutthe, Gemahlin von Albert, gen. (Edle) 
von Rosdorp, ihrer Erben Bolquin und Günther, ſowie 
ihre Bruderjohnes (fratruelis) Heinrid. 

Beugen: Heinrich Abbas Monasterii, Bertold Pleban 
in Schwalenberg; Dietrih Eferjtern, Werner Dichernere, 
Burchard von Wichelde, Ritter; Bertold von Elmerinchufen, 
Sohannes von Brochojen et judex tunc, consules et ceteri 
curienses. 

Act. et dat. in castro Sualenberg 1274 in festo 
bti Gregorii pape. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 41. 
desgl. zu Detmold fol. 7. 
Roßdorf liegt bei Göttingen. 


Nr. 59. 
1277 (2) Juli 6. 

Adolf und Albert, Grafen in Schwalenberg, eutfagen 
auf Antrag ihrer Brüder, nämlich des Biſchofs Volkwin von 
Winden (venerabilis fratris nostri Volequini Mindensis 
episcopi) und des Herrn Günther, mit Einwilligung ihrer 
Mutter Ermengard und Gemahlin Adelheid auf Bitten des 
Abtes Heinrich im Klofter ste. Marie prope Sualenberg 
der Vogtei an den Kloftergütern Hechujen und Swyderſſen 
zu Gunſten des Klofters. 

Zeugen: Bertold Pleban in Schwalenberg; Dietrich und 
— Ritter; Bertold, Werner und Friedrich, Officiales 

omitis. 


176 


Act. in opido Sualenberg in octava apostolorum 
Petri et Pauli 1277 (?). 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 42. 
desgl. zu Detmold fol. 25; beide mit der Jahreszahl 
74. 


Die Jahreszahl diefer Urk. Scheint in den Kopialbüchern 
unrichtig überliefert zu fein, und ift mit Rüdjicht auf Bilchof 
Volkwin von Minden ftatt UCCLXXIIII eher MCCLXXVI 
anzunehmen. Die nachfolgenden Urfundenauszüge über 
Volkwin von Schwalenberg, dem jpätern Biichofe von Minden, 
mögen zur Erläuterung und Begründung hierfür dienen: 

Volkwin findet ſich urkundlich zuerft 12381), wo er als 
zweitältelter Sohn des Grafen Volkwin von Schwalenberg 
genannt wird. Nach damaliger Sitte für den geiltlichen 
Stand bejtimmt, begann er jeine Laufbahn beim Domitift 
zu Hildesheim und hatte 1253 bereit die Wirde eines 
Domherrn erlangt; denn in einer Urkunde des Hildesheimer 
Biſchofs Heinrich (1.) vom 25. April (VII Kal. Maii) 1253), 
Durch welche diejer dem Domitifte 3 Hufen nebjt dem Zehnten 
zu Drispenftedt fchenkt, erjcheint er unter den Domherrn als 
vorlegter Zeuge. Bald darauf muß es PVollwin auch ge 
lungen fein, die Propftei eines Kollegiatjtiftes zu erwerben. 
Dafür ipricht, daß er 1265 als Volquinus prepositus dietus 
de Swalenberche unter den Hildesheimer Domherrn vor: 
fommt, während der damalige Dompropft (prepos. maior) 
Ludolf heißt.?) Prepositus Volceuinus dictus de Sualen- 
berg — Ludolf mai. prep. eriter Zeuge — findet id) 
weiter al3 Zeuge in Urkunde Dtto’3 (Herzog von Braun: 
ſchweig), Erwählten von Hildesheim, für das Kreuzklofter auf 
dem Rennelberge (in monte cursorum) vor Braunjchweig. 
1265, Dftober 31 (in vigil. omn. S.).t) Da nod) andere 
Hildesheimer Domherrn — auch prepos. Halto — nadjfol- 
gen, jo ift Volkwin Hier nur in jeiner Eigenjchaft als Hildesh. 
Domherr kenntlich, und es fteht zu vermuten, daß das 
„prepos.“ fi auf eine auswärtige Propſtei bezieht. 


ı) Wilmans, Weftf. U.-B. IV Nr. 274. 

2) Doebner, U.-B. der Stadt Hildesheim I ©. 116 Wr. 231. 
3) v. Hodenberg, Cal. U.B. Abt. III (Loccum) Nr. 261. 

+) Aſſeburger U.-®. 1 ©. 222 Wr. 326. 


177 


Ebenſo wird er al3 prepositus Volevinus in einer 
Urkunde dejlelben Biſchofs im J. 1268 unter den dortigen 
Domherrn aufgeführt. 1) Eine weitere Urkunde des nämlichen 
Dtto, Elekt von Hildesheim, für das dortige Michaelistloiter 
vom 3. uni (III Non. Junii) 1273 nennt ihn in der 
Zeugenreihe als „Volequinus de Sualenberg, Goslariensis 
prepositus“ unter den canonic. Hildensemenses.?) Der 
Name des Stiftes zu Goslar, deſſen Propit er war, ijt aber 
nicht angegeben. Weil blos „Goslariensis“ ſteht, jo ilt 
eigentlich nicht zweifelhaft, daß hier nur das Stift St. Simon 
und Judas gemeint jein Fann. 

Nah dem am 22. Februar 1266 erfolgten Tode Biſchofs 
Cono von Minden?) jcheint ein großer Teil des dortigen 
Kapitels Volkwin zum Bilchof gewählt zu haben, jo daß es 
jich erklären läßt, weshalb er 1266 fich felbit „Mindensis 
electus“ nennt und 1267 vom Kapitel mit diejem Titel be: 
zeichnet wird. Nach der eriten Urkundet) befennt Volkwin, 
Eleft von Minden — „V. dei gratia Mindensis electus“ 
— daß in einem Ötreite zwilchen Propſt und Konvent der 
Kirche St. Marie in Xevern einerjeit3 und den Rittern Lutger 
von Werle und Albert von Gliſſe anderjeits wegen der Güter 
Colenhove und Bechelage unter feiner Vermittlung ein Ber: 
gleich dahin abgejchloiien jet, daß die beiden Ritter gegen 
Zahlung einer Summe von 30 „solidi gravis monete le- 
galium denariorum* von jeiten erjterer für ſich und ihre 
Erben allen Anſprüchen auf diefe Güter zu Guniten der ge: 
nannten Kirche entiagt haben. Dat. anno domini MCCLXVI. 
Das ovale Siegel des Elekten hat die Umſchrift: „F S(igillum) 
Volequini electi Mi(n)de(n)s(is) eccl(es)ie.* Abbild. in 
„Weſtfäliſche Siegel des Viittelalters‘ IL, 1. Abteil. Taf. 52 
Nr. 7. Der zugehörige Tert giebt dazu folgende Beichreibung: 
„Der Elekt jtehend, in der Rechten einen Palmzweig, in 
der Linken ein Buch haltend, unten zu beiden Seiten der 
Schwalenberger Stern.“ 


ı) Doebner, Hildesh. U-B. I ©. = — 319. 

9 Affeburger U.B. 1 ©. 245 Wr. 

2) Biſchof Cono (Kuno von —— von Minden urfundet zulegt am 
15. Februar (II fer. post Invocabit) 1266 und jtarb der ge: 
wöhnlihen Annahme am 22. Februar — Jahres, Beral. 
Kürdtwein, Subsid. diplom. Tom. 10 ©. 

) Staatsarchiv zu Münfter, Stift Levern fbei Rübtete) Nr. 86. 


XLVI. 2. 12 


178 


In der andern!) aus dem J. 1267 (dat. Minden) 
thut das Domkapitel zu Minden Fund, daß Dethard Xothe 
in Gegenwart des Eleft Volkwin (in presencia venerabilis 
domini Volquini Electi nostri) allen Anjprüden auf Güter 
zu Heimjen (bei Betershagen), welche dem Kloſter Yoccum 
von Adhill (von Heimſen) überlaffen jind, entjagt, auch gegen 
ein Darlehn jeine Curie zu Apeldorn (im K. Bokeloh bei 
Meppen) dem Klofter als Lehn zu treuer Hand überlajjen hat. 

Um die päpitlide Beltätigung bei Klemens IV. zu er: 
langen, begab ſich Volkwin nad) Nom. Es müfjen ihm hier 
Schwierigkeiten gemadt fein, jo dab es für ihn unmöglich 
war, jein Ziel zu erreihen. Deshalb verzichtete er auf jein 
Recht an den Mindener Bilchofsituhl, worauf der Papſt 
dur ein vom 18. Auguſt 1267?) datiertes Schreiben den 
Dominitaner (professorem ord. Praed.) Otto aus Stendal, 
Kaplan des Kardinalbijchofs Heinrich) von Dftia, zum 
Biſchof von Minden ernannte. 


Volkwin von Echwalenberg nahm darauf jeine frühere 
Stellung im Domkapitel zu Hildesheim wieder ein und ge— 
langte nach einigen Jahren zur höchſten Würde im Kapitel. 
Da fein Vorgänger Dompropft Halto urkundlich bis Ende 





) v. Hodenberg, Cal. U.B. Abteil. III (Koccum) Nr. 271. 

2) Vergl. Vaticaniſches Ardiv Regeſtbd. 32, fol. 162, Nr. 76. Die 
betreffende Stelle der Urkunde, welche unterdeſſen in den Weſtfäl. 
Papſturkunden I Nr. 675 zum Abdrud gelangt ift, lautet: „Negotio 
siquidem eleetionis, que in Mindensi ecclesia tune pastoris so- 
lacio destituta de dileeto filio Volevino tune preposito eccelesie 
Angariensis Ildesemensis dioecesis celehrata extitit, ad sedeın 
apostolicam legitime devoluto, et eodem V(olevino) ad nostram 
presentiam accedente ac demum sponte in nostris resignante 
manibus omne jus, quod ex electione ipsa sibi coınpetere vide- 
batur, nos detrimento eiusdem ecelesie Mindensis volentes occur- 
rere ... . . eidem ecclesie Mindensi prefecimus in episcopum.* 
Anftatt „Angariensis* ijt richtiger „Groslariensis“ zu lejen. — Otto 
(aus Stendal) kommt als Biſchof von Minden (Dei gratia episcopus 
ecelesie Mindensis) urkundlich zuerit in einer am 13. Ceptember 
(Idib. Septembris) 1267 ausgeitellten Urkunde vor und zuleßt 
am 13. Dezember (Id. Dec.) 1274 mit dem Titel: Frater 
Otto permissione divina Mindensis ecclesie episcopus, den er 
außer der Urkunde vom 13. Sept. 1267 immer zu gebrauchen pflegte. 
Vergl. Würdtwein, Tom. 11 ©. 42 und Tom. 10 &. 33. Am Ende 
jeines Lebens verließ er Minden und ging nad Rom, wo er am 
Abende Ste. Elisabethe (18, November) 1275 itarb, 


179 


1273 eriheint, wird ihm Bolfwin im Laufe des Jahres 
1274 gefolgt fein. Die erfte Urkunde, in welcher Volquinus 
ald maior prepositus zu Hildesheim vorfommt, ift datiert 
vom 31. Dftober (in vigil. omn. S.) 1274.1) Weiter findet 
er ih am 11. Januar 1275 in einer das St. Michaelis: 
Klofter zu Hildesheim betreffenden Urkunde unter den Zeugen 
an eriter Stelle. ?) 

1275, Januar 20 (in die b. Sebastiani). Graf Ludolf 
von Werder und jeine Erben entjagen ihren Anſprüchen an 
das Maria-Magdalenenklofter auf gewiſſe Ader zu Farmfen. 


Zeugen: Bfolquin) von Schwalenberg, Dompropft. 3) 


1275, April 6 (VIII Jdus Aprilis). V(olquinus) Propſt, 
Johannes Dechant und das Domkapitel zu Hildesheim ver: 
faufen dem Dechant Johannes zu Gunften der Kapelle des 
hl. Stephan für 3 Mark reinen Silberd eine Hofftätte. *) 


1275, April 21. Die Grafen zu Blanfenburg verjegen 
dem Bifchof Otto (I.) von Hildesheim 10 Hufen und zwei 
Mühlen zu Holtemmen:Ditfurt, welche derjelbe dem Klofter 
St. Burchardi vor Halberftabt übergeben, durch ander: 
weitige Güter. 

Zeugen: Volcvinus prepositus maior etc.) 


1275, Juni 24 (in die st. Joh. bapt.). Biſchof Otto (I.) 
von Hildesheim verleiht den Altären St. Johannis bapt. und 
b. Martini confessoris in der Kreuzliche 32 Morgen Land 
zu Klein-Förfte. 

Zeugen: Volquin, Dompropft 2c.6) 


1275, Auguft 22 (in octava assumptionis domine 
nostre). Heinrich (von Wohldenberg), Domherr und Ardi: 
diafon zu Borjum (Borfem), bezeugt, daß fein Bruder Ludolf 


9 u v. Aspern br diplom. hist. Com. Schauenburgensium 
Bd. II ©. 243 Ar. 1 

?) Die — — ** — das Königl. nn au — 
ütigft mit. — St. Michaeliskloſter zu Hildesheim Nr. 

| ara ——— Nr. 98. Auszügl. gedr. bei Zr Te. 171 


‘) —— zu Hildesheim = 245. gebr. bei Doebner I ©. 172. Nr. 358. 
°®) Domitirt zu Hildesheim Nr. 247. 
”) a zu — Nr. 146. Auszügl. gedr. bei Doebner I 
173 N 
12* 


180 


von Werder mit feiner und feiner Brüder Zuftimmung 2 
Hufen zu Schellerten dem Kreuzſtift geſchenkt habe. 

Zeugen: Volquin, Dompropft 2c.?) 

1275 (ohne Datum). Graf Ludolf von Werder bezeugt, 
daß er mit Zuftimmung feiner Brüder dem Kreuzitifte 2 Hufen 
zu Schellerten zur Fundierung des Marien-Altares verliehen 
babe. 

Zeugen: Volquin, Dompropft ꝛc.?) 

1275, Nov. 26 (VI Kal. Decembr.). Bijchof Otto (I.) 
von Hildesheim übereignet dem St. Johannesitift eine Hufe 
zu Machteljen. 

Zeugen: Volquin, Dompropft 2c.?) 

1276, $ebr. 24 (VI Kal. Mart.). Biſchof Otto (I.) 
von Hildesheim bezeugt, daß der Domvilar Hoyer Luſignus 
mit jeinem Bruder Ludolf eine Hufe zu Bekum für feine 
Vilarie am Dome erworben habe. 

Zeugen: Volequinus, Dompropft (maior prep.) etc. *) 

Später fommt Volkwin ald Dompropft von Hildesheim 
nit mehr vor. Sein Nachfolger ift Johannes, der zum 
eriten Male in einer Urkunde des Kloſters Grauhof zu 
Goslar am 24. Dftober (IX Kal. Novembr.) 1276 in 
diefer Stellung ericheint.d) In der Zwiſchenzeit bemühete 
ih Vollwin wiederum, das Bistum Minden zu erlangen, 





x) u zu Hildesh. Nr. 147, gedr. Afjjeburger U-B. I ©. 250 
Ar. 378. 


2) Kreuzitift zu Hildesh. Nr. 148, gedr. dajelbit I ©. 250 Nr. 378u, 

2) Stift St. Johannis Nr. 26. 

4) Domftift zu Hildesh. Nr. 250; gedr. bei Doebner I ©. 174 Nr. 358. 

°) Klofter Grauhof Nr. 24, gedr. Eudendorf, U.-B. zur Geſchichte der 
Herzöge dv. Braunſchw. und Lüneb. IX. Pd. ©. 221 Anm. — 
Biſchof Otto (1.) von Hildesheim ſchenkt mit Zuftimmung des Dome 
fapitels den von Johann von Immigehof, Bürger zu Goslar, für 
eine große Summe Geldes an den Propft und Convent des Kloiters 
auf dem Genrgsberge (conventus ecclesie montis sti. Georgii iuxta 
Goslariam) bei Goslar verkauften Zehnten und Galzzehnten zu 
Wepftede (bei Salzgitter im Salthga) dem Kloſter, nahdem Johann 
von Immigehof jeinem Lehnsheren, dem edelen Herrn Bernhard 
von dem el und diejer nebjt feinen Verwandten, Söhnen des 
Ritters Strus, dem Biſchofe vor dem Walde bei Sierſſe (bei Echmeden« 
ſtedt) den Zehnten aufgelajjen hat. Unter den Zeugen: Johannes 
maior prepositus etc, Datum Hildensem 1276 IX Kal. Novembris. 


181 


und biefes Mal muß die Wahl eine einftimmige geweſen 
fein. Eine Urkunde aus dem J. 1276, in der Volkwin als 
Elekt vorfommt, ift noch nicht aufgefunden. Aus dem fol: 
genden Jahre find freilich mehrere vorhanden, welche ihn 
als Biſchof nennen. Die erite ift vom 13. Februar.!) Das 
Bistum Minden und das Stift Herford erneuern das frühere 
Bündnis und nehmen in dasjelbe den Grafen Otto von 
Ravensberg und die Stadt Bielefeld auf in der Weije, tie 
e3 zwiichen ihnen und dem Stift Osnabrüd ſchon lange be: 
ftanden. Beliegelt ift die Urkunde vun Volkwin, Elekt von 
Minden, der Äbtiffin von Herford, dem Grafen von Raven: 
berg und den Städten Minden, Herford und Bielefeld. Dat. 
1277, Idus Febr. 


Bald darauf erlangte Volkwin auch die päpitliche Be— 
ftätigung, weil er fi in einer Urkunde vom 23. März (fer. 
III post dom. palmar.) 1277 ſchon Volquinus dei gratia 
electus et confirmatus ecclesie Mindensis nennt.?) Ebenſo 
beißt er am 2. „uni (IV Non. Jun.) Mindensis ecclesie 
electus et confirmatus?) und am 11. Juni (in die beat. 
Barnabe ap.) in einer zu Minden ausgeftellten Urkunde.) 
Dagegen ericheint er am 26. Juli (in crastino beat. Ja- 
cobi ap.)°) mit dem Titel: „Volquinus Dei gratia Min- 
densis ecclesie episcopus und muß ſomit inzwijchen die 
bifhöflihe Weihe empfangen haben. 

Darnach ift als wahrjcheinlich anzunehmen, daß obige 
Urkunde, worin Volkwin in Verbindung mit feinen Brüdern 
Adolf und Albert, Grafen von Schwalenberg, als Bilchof 
von Minden auftritt, wohl am 6. Juli 1277 ausgeftellt 
fein fann. Dafür ſpricht auch noch der Umftand, daß der 
in der Urkunde ald Zeuge vorfommende Pfarrer Bertold in 
Schwalenberg jpäter ſich nicht mehr findet. 

Bolkwin ſtarb nach der gemöhnliden Annahme am 
4. Mai 1293, 


1) Mürdtwein, Subs. dipl. Tom. 11 ©. 72. 

?) Staatsarhiv zu Münfter, St. Martin zu Minden Nr. 20. 
3) Mürdtwein, dafelbft Tom. 11 ©, 79, 

) dajelbit S. 80. 

5) dafelbit ©, 83, 


182 


Nr. 60. 
1280. Februar 11. 

Abt Hermann von Abdinghof (ecclesie st. ap. Petri 
et Pauli in Paderborne) überläßt dem Convente die Hälfte 
eines Haufe neben der Marftlirhe zu Paderborn, das 
Ritter Ludolf von Dalberne mit feinem Sohne Bernhard 
dem Kloſter (nostre ecclesie) vermadt, mit einer jährlichen 
Rente von 31/, Schillingen daraus und von 6 Scdillingen 
aus ber Mühle beim Teiche (ad paludem nostram), ferner 
eine Rente von 2 Schillingen zu einer Memorie für Abt 
Heinrih zu Marienmünfter (ecelesie monasterii apud 
Sualenberg), wofür er vom Gonvente 2 Mark obermwaldijche 
Denare (denariorum transnemorinorum), die obiger Abt 
geichenkt, fowie ein Haus auf der Königsitraße (platea regis), 
welches die Bogeljengiihe dem Klofter hinterlafjen, erhält. 

Der Abt von Abdinghof und das Domkapitel fiegeln. 

Zeugen: Wilhelm von VBernede, Albero Erevet (cancer), 
Ritter; Arnold von Driburg, Bürger (zu Paderborn). 

Dat. Paderborne 1280 in erastino Scolastice Virg. 

Vom Siegel des Abts fehlt die obere Hälfte; das Siegel 
des Domtlapitels ijt erhalten. Driginal im Staatsarhiv zu 
Miünfter, Kl. Abdinahof. Abt Heinrih von Marienmüniter 
hatte vielleicht durch feine Profeß dem Klojter Abdinghof 
angehört und war von dorther zum Abt pojtulirt worden, 
woraus es fich erflären mag, daß er daſelbſt eine Memorie 
ftiftete. Das Geſchlecht v. Vernede, Paderborniide Mini: 
fterialen, Siegel mit Fiſch, fommt vor bis Ende des 15. Jahrh. 

Crevet, Paderb. Minift. Geichleht, Siegel aufredhter 
roter Krebs im filbernen Felde, welches jeinen Sit zu Verna— 
burg, Alfen und Salzkotten hatte, ftarb mit Wilhelm Erevet 
im Mannesitamme aus in der eriten Hälfte des 17. Jahrh. 

Defien Töchter: Odilia heiratete Walter Adrian v. Imbſen 
zu Wewer; Maria heiratete Kaspar Friedrih von Hart: 
haufen zu Welda; Anna heiratete Arnold von und zu Brenken. 


Nr. 61. 
1280. 
Abt Heinrih im Klofter der hl. Maria bei Schwalen: 
berg bejtimmt zu Gunften der Mönde, quod dimidietas 


183 


totius summe, que in collatione alicuius prebende huic 
ecclesie propter Deum in subsidium et iuvamen impe- 
ditur, in usus et caritates ipsorum cedat; jchenft ihnen 
den Zehnten in Enghelbraha und fegt ferner feit, daß der 
Nachlaß der Mönde zur Hälfte dem Convente, zur andern 
Hälfte dem Abte gehören jol. Dagegen verpflichtet jich das 
Kloiter für den Abt und feine Eltern und Geſchwiſter ein 
Sahrgedächtnis zu halten. 

Neben Abt und Convent fiegeln die Grafen von Echwalen- 
berg (domini nostri, Vögte). | 

Zeugen: Ernſt prior, Albert cantor und die übrigen 
Mönche. 

Dat. 1280. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 44. 
desgl. zu Detmold fol. 40. 

Engelbraha, womit vielleicht Eygelberga (Nr. 65) oder 
Engelborha (Nr. 72) gleichbedeutend it, läßt jich nicht mehr 
nachweiſen. Der Ort muß jchon früh ausgegangen fein, 
weil die Bearbeiter des Kopialb. D. feine Lage nicht mehr 
angeben konnten. 

Bergl. Nr. 65 und 72. 


Nr. 62. 
1283. 

Otto, Graf in Waldeghe, verkauft, mit Zuftimmung 
feiner Mutter und Gemahlin, jomwie feiner Brüder Adolf und 
Gottfried, der Kirche der yl. Maria bei Schwalenberg auf 
Veranlaffung des dortigen Abt3 Heinrich die Vogtei in Bodele 
von den Kloftergütern bei der Stadt Bolcmerfjen für 50 Mark 
Soefter Denare. Otto, Graf von Walded, feine Brüder, 
Adolf und Gottfried, jowie jeine Verwandten, die Grafen 
Adolf und Albert von Schwalenberg, fiegeln. 


Zeugen: Tethmar genannt Oppolt, Hennenann von 
Itter, Johannes von Brochife, Bernhard und Elger Brüder 
von Dalewigh, Arnold von Paderborn, Ritter; Dietrich 
von Egferjen, Gottihalf von Molhuſen, Giſo und Gottſchalk, 
Brüder von Brobefe und Bertold genannt Thanebradht, 

Dat. in Corbeke 1283. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 45; 
desgl. zu Detmold fol, 12b, 


184 


Bolcmerfjen ift die Stadt Volkmarſen in der Provinz 
Helfen: Nafjau, Eorbefe die Stadt Corbah im Fürftentum 
Walded. 


Bergl. Nr. 63 u. 64. 


Nr. 63. 
1283. Suni 9. 

Dtto, Graf von Waldecge, verfauft dem Abt Heinrich 
im Klofter der hl. Maria bei Schwalenberg tie Vogtei über 
die Kloitergüter in Bodele bei Volcmerſſen für 50 Mark 
Soeſter Denare und bejcheinigt den Empfang de3 Geldes. 

Graf Otto und die Grafen von Schwalenberg, Adolf 
und Albert, fiegeln. 

Zeugen: Konrad, Pleban in Corbefe, Hennemann von 
Stter Consanguineus noster, Johannes von Brochefe, Arz 
nold von Paderborn, Bernhard und Elenger, Brüder von 
Dalewic, Dietrihd von Engerite und Lippold SHoltgreve, 
Ritter; Giſo und Gottſchalk, Brüder von Brocbeke, Gottichalt 
von Molhufen und Albert Didebeir. 

Dat. 1283 V Idus Junii. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 46, 
desgl. zu Detmold fol. 13. 


Nr. 64. 
1283. Juni 16. 

Otto, Graf in WMaldegge, verkauft mit Zuftimmung 
feiner Brüder Adolf u. Gottfried dem Abte Heinrich ecclesie 
Monasteriensis iuxta dominium Sualenberg alle® Ober: 
eigentum an den Gütern in Bodele iuxta oppidum Vole- 
mersen ratione advocatie, locationis, institutionis aut 
destitutionis, für 50 Mark Soejter Münze. Die Consules 
in Voldmerjen jiegeln: Eggehard, Dietrih, Dietrich Sohn, 
MWipert, Th. von Mengeringhufen, H. genannt Jocundus, 
9. von Berendorp, 9. de Brune, Johannes de Rivo, 
9. genannt Bibulus, 9. von Eliingen, 9. von Hemedeſſen. 

Dat. 1283, in crastino sti Viti Mart. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 47, 
desgl. zu Detmold fol. 13. 


185 


Nr. 65. 
1284. Oktober 9. 


Abt Heinrich in Monasterio ste. Marie prope Sualen- 
bergh ſchenkt dem Gonvente den Zehnten in Eygelberga, 
caritatibus eorum administrandam, und die Heuer dajelbit 
zum Ankauf von Heringen für die Faltenzeit (ad quadra- 
gesimali iejunio halecia (allecia) comparanda), ferner 
einen Hof (curia) in Rysne, um aus dem Ertrage in vi- 
gilia bti. Jacobi Apostoli für den Mindener Domberrn 
Bernhard von Roſtorp, qui et mortuarium pro anima 
sua huic ecclesie refudit, ein Jahrgedächtnis zu halten. 


Dat. 1284, Dionysii et sociorum eius. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 48, wo der Ortsname 
„Eysne“ heißt; 
desgl. D fol. 35b und 36 im Staatsardiv zu Münſter, 
mo richtiger „Rysne“ vorkommt. 


Diefer Ort wird in der Nähe von Ermwigen zu juchen 
fein, weil im Kopialb. D. fol. 25 (vergl. Nr. 73), wo ber 
Ortsname noch einmal ſich findet, bezüglich der Driginal- 
urfunde bemerkt ift: hec (litera) reperitur in scatula 
(Büchſe oder Kapſel) Ermwordessen. 


Es jcheint demnach, als ob im ältern Marienmünfter’- 
ihen Archiv die Urkunden über Zehntenverleihungen, Güter: 
ſchenkungen 2c. nad den Ortichaften, zu welchen die betreffen: 
den Güter gehörten, geordnet waren. Ermwordessen ijt 
das heutige Erwigen, in deſſen Gegend (zwiichen Pömbſen 
und Alhauſen) noch heute ein Forſthaus Reeſen liegt, deſſen 
Name an Rysne erinnert. 

Die Kopialb. haben „Burchard“ ftatt „Bernhard v. R.“; 
v. Spilder hat dafür in feinen Urkundenabſchriften richtiger 
„Bernhardi* darüber geichrieben. Dafür ſpricht no, daß 
bei v. Aspern, Codex etc. II ©. 264 Nro. 153b eine Ürf. 
aus dem J. 1280 (dat. Minde) in der Zeugenreihe: „Ber- 
nardus et Ludolfus (Bilhof von Minden 1295—1304) 
fratres dieti de Rosdorp ..... . maioris et sancti Mar- 
tini ecclesiarum (in Minden) Canoniei“ unter den Min— 
den’er Domberrn aufführt. 


Nr. 66. 
1287. Auguft 15. 

Adolf und Albert, Grafen zu Schwalenberg, verlaufen 
mit Zuftimmung ihrer Gemahlinnen Jutten und Jutten und 
ihrer Erben Heinrih, Günther, Konrad und Ludwig, ihren 
Zehnten in Bremen für 12 Mark der Kirche der Hl. Jungfrau 
Maria in Monasterio, deffen Tutores (Bögte) fie find. 

Zeugen: Günther (Gr. von Schmwalenberg) Propit zu 
Magdeburg (honorabilis vir dominus Gunterus prepositus 
in Magdeburch), &ippold, plebanus in oppido Swalen- 
berg, Johannes capellanus in castro (Burg) Swalenberg, 
Priejter; Dietrih von Edftern, Lippold, genannt Holtgreve, 
Sohannes von Eylwordeſſen, Ritter; Lambert Holtgreve, 
Winand de Schotem, Knappen. 

Dat. 1287, in die assumptionis B. M. V. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 49; 
desgl. zu Detmold fol. 7. 


Vergl. Nr. 67. 


Nr. 67. 
1287, 

Abt Heinrih zu Münfter (Monasteriensis), Johannes, 
Prior und der dortige Convent haben von Adolf und Albert, 
Brüder und Grafen zu Schwalenberg, ihren Herren (dominis 
nostris), den Zehnten des Dorfes Bremen gefauft und jegen 
feft, ut dimidietas eiusdem ad caritates et in usus re- 
fectorii erogetur, reliqua vero in partem claustri cedat 
et fisco communi applicetur. 

Dat. 1287 intra septa Claustri nostri. 


Kopialb. zu Grevenburg, Nr. 50. 
desgl. zu Detmold fol. 7. 


Wr. 68. 
1288. Febr. 2. 


Abolf, Graf von Schwalenberg, übergiebt der Kirche 
ber hl. Maria in Monasterio feine freie curtis mit drei 
Manjen in der villa Gundenjem zu feinem und feiner Eltern 
Seelenheil ad usus et ad refectiones sive ad caritates 
der Mönche und jegt bei der Schenkung feit, daß aus dem 


187 


Ertrage jährlih dem Abte bejonders ein Viertel Wein ad 
consolationem gereicht werde. Zugleih will er das Klofter 
entjhädigen für 12 Jugera, welche Slinchlo heißen, die das 
Waller feines Fiichteiches abforbiert, und ferner für einige 
andere Jugera des Kloſters, welche demjelben durch die Er: 
neuerung jeiner Burg (oppidi) Stoppelbergh, entzogen jeien. 
Sein Bruder, Graf Albert, verzichtet zugleich auf die ihm 
ald tutor und defensor (Bogt) des Kloſters zuftehende 
exactio et servitium von den betreffenden Grundftüden. 
Adolf, Albert und ihr Bruder Günther, Canonicus et 
Thesaurarius zu Magdeburg, welcher als Zeuge anmwejend 
war, jiegeln. 

Dat. et act. 1288 in castro Sualenberg in purifie. 
b. Mar. virg. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 51. 
beögl. zu Detmold fol. 8. 

Bergl. Lipp. Reg. III Nr. 1505. Der Ausdrud: „Con- 
solatio* ift gleichbedeutend mit „caritas“, wofür auch hie 
und da „pietantia, pittancia (Xipp. Weg. II, Wr. 912) 
oder piedantia — Spende” vorfommt. vergl. Ztichft. Bd. 
38b ©. 182 und Bd. 4öb ©. 148. 


Nr. 69. 
1288. April. 25. 

Arnold, v. G. ©. Propſt zu Wilbodeffen, Gertrud), 
Priorin und der dortige Konvent befennen, daß Johann 
von Nihojen Güter zu Ethelerfien, die er von Gottſchalk, 
Johann, Friedrih und Ludolf, Brüdern von Edelerjien um 
14 Mark gekauft, auf Bitten feiner Schwefter Adelheid dem 
Klofter geichentt habe. Die Einkünfte aus den Gütern jollen 
der (Klofter-)Kammer zufließen und zur Belhaffung der 
Kleider für die Klofterfrauen dienen. 

Zeugen: Dietrich provisor parochie in Wilbodeſſen, 
Johannes Vicar daſelbſt, Regenbodo von Ahoſen und Bruno 
claviger (Pförtner). 

Abt Heinrich de Monasterio (Marien-Münſter) ſiegelt 
mit dem Propſte und Convente. 

Dat. 1288 in die Marci ewangeliste, 


188 


Kopialbuh des Klofters Willebadeffen im Stabtardiv 
zu Dortmund (Papiercoder in folio aus Anfang des 16. 
Jahrh.) fol. 81b und 87b. 

Letztes Vorkommen des Abts Heinrich 1. 

Ethelerfen (wüſt) zwiſchen Willebadeffen und Neuenheerfe. 
Vergl. Ztichft. Bd. 38H ©. 202. 

Nihofen — Niejen bei Pedeldheim, wo bis Anfang des 
vorig. Jahrh. das adel. Geihleht von Niehaufen anſäſſig 
war; Ahoſen (wüſt) in der Pedelsheimer Feldmarf. 


Nr. 70. 
1289. Juni 30. 


Adolf und Albert, Grafen von Schwalenburg, befunden, 
daß (ihre Schweiter) Kunegunde, Äbtiſſin und Convent des 
Kloſters Valkenhagen, die Güter in villa Entorp, nämlid 
zwei Gurien nebjt Zubehörungen, von den Brüdern Heinrich 
und Gottfried von Ermmordefjen für 22 Mark angelauft, 
und verzichten mit Genehmiaung ihrer Frauen und ihres 
Sohnes Heinrich zu ihrem Seelenheile auf das Lehnrecht 
an jenen Gütern. 

Dat. et act. 1289 in crastino apost. Petri et Pauli. 

Kopialb. A des Klofter3 Falkenhagen im Fürftl. Archiv 
zu Detmold, befchrieben Lipp. Reg. I Nr. 241; dort findet 
fi) „in villa Eiegtorpe“. Mit Rüdjiht auf Urkunden von 
1406 und 1497, Juli 13 dürfte „in villa Entorp“ zu leien 
fein, wie auch das Kopialb. zu Grevenburg Nr. 52 hat. 
Vergl. Lipp. Reg. I Nr. 428, 

Entorp ift Entrup bei Nieheim. 


Mr. 71. 
1290. März 19. 


Johannes, genannt Boningh, fein Sohn Werner und 
die Brüder Amelung, Werner, Volkwin, genannt Dicbernere, 
verfaufen für 17 Mark jchwere Münze 2 Manfen zu Eil- 
brachteſſen mit allem Zubehör der Kirche in monasterio 
apud Sualenberg und übergeben jie dem Abte Alrad und 
dem ganzen Gonvente. 

Zeugen: Günther, vicedom. episcopalis curie Magde- 
burg., Adolf und Albert, Grafen von Schwalenberg; Ritter 


189 


Lippold und defjen Bruder Lambert, Knappe, gen. Holtgreve; 
Dietrih von Ederften, Burdhard von Wicbelede, Ritter; 
Friedrih von Eblinchufen, Bertold Stoppen (Scoppen) und 
bejlen Bruder Roland, Knappen. Beliegelt von den Grafen 
Ad. und A. von Schwalenberg, weil vor ihnen der Verkauf 
abgeſchloſſen. 

Dat. Sualenberg 1290 in die dominica, qua can- 
tatur: „Judica me“, que est in passione domini. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 53, wo ih im Anſchluß 
an D. fol. 18 „Scoppen“ findet; 

desgl. zu Detmold fol. 11, wo „Stoppen” fteht. Vergl. 
Lipp. Reg. I Nr. 434. | 

„Scoppen“ ift wahrjcheinli in den Kopialbüchern ver: 
jchrieben für „Scowen“ oder „Scuwen“, weil ſich ſonſt der 
Name nicht erflären läßt; nad der Ztichft. Bd. 44p ©. 133 
fommt 1291 Bertold Schumwen urkundlich vor. 

Bergl. Nr. 72. 


Nr. 72. 
1290. Dez. 14. 


Hermann, Konrad und Hildebold, Edle von Pyrmont, 
verkaufen da3 Eigentum der Güter im Dorfe Elbrachteſſen, 
welche Johannes, genannt Dicbernere, und deſſen Brüder 
befigen, an die Kirche zu Miüniter. 

Zeugen: Winand, Pleban in Ddestorp (Desdorf), Ar: 
nold, Kaplan und Notar der Herrn zu Schwalenberg, Dietrich 
von Ederften, Lippold genannt Holtgreve, Ritter; Lambert 
Holtgreve, Friedrich) genannt von Ebbelinghufen, Knappen; 
Johannes gen. von Hudenhujen, Winand, Sohn des Pleban, 
Bürger in Lügde. 

Dat. Ludge (Lügde) 1290 in crastino Lucie virg. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 59. 
desgl. zu Detmold fol. 11. 
Bergl. Lipp. Reg. I Nr. 437. 


Nr. 73. 
1290. 
Adolf und Albert, Grafen in Schwalenberg, ichenfen 
pro Dei amore et remedio animarum dem Klofler Marien: 


190 


münfter auf Bitten der Mönde, (dominorum nostrorum 
in monasterio) mit Zuftimmung der Frau und der Erben, 
Güter in Engelborha, Wedede und Risne cum suis cul- 
toribus, pertinentia ad caritatis offieium, frei von aller 
Bogtei. 

Zeugen: Dom. Alrad, Abt, D. Johannes, Prior, D. 
Johannes von Stenem, D. Friedrihd von Erem(wordeſſen), 
Heinrich, Hugo, D. Heinrich von Lemego, Heinrich von Addeſſen, 
D. Xippold Holtgreve. 

Dat. in Swalenberg 1290. 

Im Kopialbude D. fol. 25 ift zwilchen Johannes und 
prior eine Lücke, zu welcher der Kopiſt am Rande bemerkt: 
„litera corrupta est abrepto sigillo“. Hinter „Erem“ 
fehlt Etwas, und dürfte vielleiht „Eremwordessen * zu 
lejen jein. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 54, wo ald Ortsname 
„Eisne’ vorfommt. Wedede läßt fich feiner Lage nad nicht 
mehr beftimmen. 

Addeffen lag zwifchen Abbenburg und Nieheim am 
Schierenberge nicht weit vom Gute Erternbrof. 


Nr. 74. 


1291. Februar 7. 

Theodorih, Dompropft, Werner, Domdehant und das 
Gapitel zu Paderborn befunden, daß Ritter Volmar von 
Brenden mit Einwilligung jeiner Frau Walburgis dem Klojter 
b. Marie in Munster iuxta Swalenberg den Zehnten im 
Dorfe Eynctorppe (Entorp) in der Nähe der Stadt Nieheim 
(positam iuxta opidum Nyhem) verkauft habe. Das Capitel 
überläßt jein Obereigentum an dem Zehnten dem Abte und 
Convente des Kloiters. 

Dat. Paderborne 1291 fer. IV post purifie. b. M. V. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 56, wo der Ortöname 
„Entorp“ beißt. 
desgl. zu Detmold fol. 25. 

Der Dompropit Theodorich ftammte aus dem Geichlechte 
der Edelherrn von Biljtein und war Bruder des weftfäl. 
Marſchalls Johann von Bilftein. 


191 


Nr. 75. 
1292. Januar 1. 


Hermann, Hildebold und Konrad, Grafen von Perre: 
munt, übertragen das Eigentum einer Curie in Edelerien, 
welche ihnen Ritter Bernhard von Brafele rejigniert hat, 
der Kirche zu Wilbodefjen. 

Zeugen: Alrad Abt in monasterio prope Sualenberg, 
Adolf und Albert, Grafen von Swalenberg, Winand, PBleban 
in Zude; Ludinger von Bardeleve, Burdard von Wichilde, 
Heinrih Rufus, Lippold Holtgreve, Ritter. 

Dat. 1292 in circumeisione dni. 

Kopialb. des Kl. Willebadefien im Stadtarchiv zu 
Dortmund fol. 82 und 89. 

Eine zugehörende Urkunde hat nachſtehenden Inhalt: 
1292. Januar 1. Ritter Bernhard, Herr in Brafele, über: 
giebt mit Einwilligung jeiner Frau Sophie und Kinder Otto, 
Hermann und Wernher, den Hof in Edelerjen, der ihm von 
Hermann von Mengerjen reiigniert ift, den Grafen Hermann, 
Hildebold und Konrad von PBerremunt, unter der Bedingung, 
daß dieje ihr Eigentumsreht an dem Hofe der Kirche in 
Wilbodeflen jchenten. 

Zeugen: Herbold (von Amelunren), Propft in Mers— 
berg; Albert der Jüngere, Ritter und Albert und Herbold, 
Knappen von Amelungellen; Wernher von Vlechtene und 
‚Johannes von Nihofen, Bürger in Brafele. 

Bernhard von Brakel, Burchard von der Afjeburg und 
die Stadt Brakel ſiegeln. 

Dat. 1292 in ceircumeisione dni. 

Kopialb. des Kl. Willebadejjen im Stadtardiv zu 
Dortmund fol. 82. 
Bergl. Aſſeburg. U.B. IT ©. 10 Wr. 545. 
Nlechtene (wüft) in der nordmeitl. Feldmarf von Brafel. 


Nr. 76. 
1292. Februar 24. 
Giſo, Nitter von Brobife und Ryckeſe, jeine Frau, 
verfaufen an Abt und Convent des Klojters bei Schwalenberg 
zwei Hufen Landes bei Nyhem. 


192 


Zeugen: Hermann, Pleban in Stenhem, Siegfried, 
Vicepleban in Nyhem, Ulrih, Pleban in Sandenebefe; 
Herbold von Amelungeffen, Lippold Holtgreve, Johannes 
von Eilwordeſſen, Ritter; Gerold und Heinrih von Erm— 
wordefien, Dietrich von Nebere, Knappen, und der Nat der 
Stadt Nieheim. 

Dat. 1292 ipsa die Dominica, qua cantatur: In- 
vocabit me. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 57. 
Sandenebefe — Pfarrdorf Sandebed, Kr. Hörter. 
Dergl. die folgende Nr. 


Nr. 77. 
1292. Februar 24. 

Sifo, Ritter von Brobife, verkauft mit Einwilligung 
feiner Frau Ryckeſe und feines Sohnes Bertold dem Abte 
Alrad im Klofter der Hl. Maria bei Smwalenberg zwei Hufen 
vor Nieheim und läßt diefelben vor den Grafen von Schwalen- 
berg dem gedachten Klofter auf. Adolf und fein Bruder 
Albert, Grafen von Schwalenberg, genehmigen als Lehns: 
berrn den Berfauf. Die Ratleute der Stadt Nieheim: Gott: 
fried von Ermmordeilen, Konrad von Hobrachteſſen, Siegfried 
von Emmerife, Konrad von Andepe, Johannes von Merlhofien, 
Bertold Carnifex, Jordanus, Hermann von Bredenborne, 
Heinrih von Dldenberghe, Albert von Addeſſen, Heinrich 
Sparenbergh, Heinrih Eilherind jiegeln als Zeugen. Weitere 
Zeugen find: Siegfried, Bicepleban in Nieheim (nhym), 
Ulrih, Pleban in Sandenebefe; Lippold Holtgreve, Johannes 
von Eilwordeſſen, Herbold von Amelungbefien, Nitter; 
Dietrich von Nedere, Roland von Holthufen, Werner Sumer: 
calf, Heinrih von Ermwordeſſen, Knappen. 

Dat. 1292 in Dominica, qua cantatur: „Invocabit me“. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 58. 
desgl. zu Detmold fol. 27. 


Über diefe Güter befindet fich nachitehende Randbemerkung 
im Grevenburger Kopialb.: Diefe beiden Hufen haben 
Joannes Floreke et Bertoldus Oven zu gleihen Teilen 
inne und geben quilibet II quaıtalia siliginis, II hordei 


193 


et II avene, et unum hortum habent, factum ex eisdem, 
quem simul habent, et solvunt de illo unum grossum. 


Hobrachteſſen, jpäter Hobreren, wüſt zwijchen Breden- 
born, Entrup und Sommerfell. Die Golonen der beiden 
legtern Dörfer entrichteten von ihren Grundftüden auf dem 
Hobreren den Hobrerer Zehnten nah Schwalenberg, der erſt 
im J. 1848 zugleih mit dem Latberger Zehnten aus dem 
Dorfe Everjen durch Gapitalzahlung an die Lipp. Landes: 
berrichaft abgelöft wurde. Vergl. Lipp. Reg. III Nr. 1516 
Anm. — Emmerfe (wüſt) lag eine viertel Stunde füdmeltl. 
von Pömbjen, in der Nähe des jekigen Hermannsborns. 
Der Emmerkebach entipringt beim ausgegangenen Dorfe und 
fließt bei Himmighaufen in die Emmer. Bergl. Ztichrift. 
Bd. 325 ©. 130. — 

Andepe, wofür die Kopialbücher fälihlih „Andope“ 
haben, dagegen gleichzeitige Driginale „Andepe“, ift zwiſchen 
Wünnenberg und Hegensdorf an der Stelle zu juchen, wo 
jet XLeiberg liegt, deſſen Mühle noch die Andepper Mühle 
heißt. Bergl. dajelbjt Bd. 41b ©. 22. — 

Merlhoſſen oder ſonſt Merlhuſen — Merlsheim bei 
Pömbſen. — Der hier als Zeuge aufgeführte Knappe Roland 
von Holthuſen hat ſeinen Namen von dem unter der Hinnen— 
burg wüſt gewordenen Holthuſen (Holtſer Berg) und erſcheint 
ſpäter (1303 u. 1307) als Richter oder (1306) Gogreve zu 
Brakel. Bergl. Afjeburg. U.B. II ©. 24 Nr. 580, ©. 43 
Nr. 631 u. ©. 39 Nr. 621. 


Nr. 78. 
1293. Zuli 1. 


Propſt Arnold, Gertrud, Priorin und der Convent zu 
Wilbodefien verjprehen mit Genehmigung ihres Abts Alrad 
der Conventualin Gertrud von Soeſt, welche dem Kloiter 
15 Mark geſchenkt hatte, die zum Ankaufe einer Hufe Landes 
zu Titmannefjen verwandt find, die Memorie ihres verjtor: 
benen Bruder3 Hermann zu halten und ihr ſelbſt alljährlich 
auf Martini eine halbe Mark auszuzahlen. Nah ihrem 
Tode ſoll das Geld der Klofterfammer zufallen. 


Act, a. d. 1293 dat. in Octava bti. Joh. bapt. 
XLVI. 2. 13 


194 


Kopialb. des Kloſters Willebadeſſen im Stadtardhiv 
zu Dortmund fol. 55. 


Titmannefjen, fpäter Titmenſen, gleichbedeutend mit 
Deppenhöfe, ein Vorwerk zum Hofe von Engar, Pf. Hohen: 
wepel. Bergl. Ztichrft. Bd. 376 ©. 168. 


Nr. 79. 
1293. Juli 1. 

Arnold, Propft, Gertrudis, Priorin und der Convent 
zu Wilbodefjen befunden, daß die veritorbenen Eheleute 
Sijeler und Kunegunde, genannt von der Belene, für die 
Kloiterfammer einen Hof (curia) in Edelerjen und zu Overde 
erworben haben mit der Verpflihtung, daß aus den Ein 
fünften des Hofes in Dverde an ihrem Jahrestage dem Con— 
vente die compotens consolatio gereiht werde. Außerdem 
jolen aus den übrigen Einkünften des Hofes jährlih auf 
Martini an die Klojterfrau Hildegunde 8 Scdillinge und an 
ihre beiden Nichten (im Klofter) Margarete und Hildegunde 
gen. von der Bekene 12 Scillinge verabfolgt werden. Die 
übrigen Ginfünfte der beiden Höfe gehören der Kammer. 
Abt Alrad genehmigt obige Anordnung und jiegelt mit dem 
Prior und Convente. 

Act. et dat. 1293 in octava Joannis bapt. 


Kopialb. des Klofters Willebadeſſen im Stadtardhiv 
zu Dortmund fol. 82. 
de Bekene, van der Befe oder lateiniid „de rivo“ 
genannt, war eine Bürgerfamilie zu Paderborn und kommt 
dort unter dem Namen „Vonderbeck“ vielleiht noch vor. 


Overde eingegangener Drt weſtl. von Pedelsheim. 


Nr. 80. 
1295. März 13. 


Dito (Graf von Rietberg), Biſchof von Paderborn, 
genehmigt als Lehnsherr verjchiedene Schenkungen an das 
Frauenkloſter und die Kirche zu Wilbodefjen, nämlid von 
Gütern zu Kericwellede, welche der verftorbene Ritter Raven 
der Jüngere von Papenhem von den Brüdern Hermann und 
Eberhard von Nigenkerfen gekauft und dem Klojter Wilbodeijen 
gejchenft hatte, ferner des Zehnten im Dorfe (villa) Al- 


195 


badtefjien, den früher Graf Dtto von Waldede zu Lehn ge: 
tragen, und einer Hufe im Dorfe Tithmanefjen, welche der 
paberborner Bürger Heinrich Endehatte bejeilen. 

Zeugen: Hermann, Domdehant, Otto, Scolasticus, 
Georg, Cantor, Wernher von Bolmuntjtene Cellerarius, 
Bertold (von der Afjeburg), Propit zum Busdorf (eccl. orient.), 
Amelung, Bertold von Everſtene und Lippold von Ame— 
lungejjien, Domherrn; (Albert) Abt ecclesie st. apost. Petri 
et Pauli in Paderborn, (Alrad) Abt de monasterio aput 
Swalenbergh, Konrad, Propſt von Gerdene; Albert, Graf 
von Swalenbergh ; Burchard von der Aſſeborch, Albert von 
Amelungeſſen der Ältere, Ecbert Spegel, Raven von Rapen- 
hem der Altere, Ritter. 

Act. et dat. 1295. III Jdus Mart. 


Kopialb. des Kloſters Willebadefjen im Stadtarchiv 
zu Dortmund fol. 22. 


Gedr.: Ajjeburger U-B. I ©. 305 Nr. 480. 


Kericwellede, Kerdwellede, Wellede ift das Kirchdorf 
Welda im Kreiſe Warburg. 

Albachteſſen war eine Anfiedlung zwiſchen Pedelsheim, 
Helmern und Borlinghaufen. Seit 1506 hatte die Stadt 
Pedelsheim die Marf und das Gut zu Albaren vom Klofter 
Willebadefjen in Baht. Auch die Einwohner von Helmern 
bejagen Grunditüde im Albarer: Felde. Die Pedelsheimer 
erneuerten 1534 mit dem Klojter den Pachtvertrag: „Anno 
XCVXXXIIH op Dad Marci evang. hebben de van 
Peckelſen erſchenen to Wilbodeffen, umme te Albachteſer 
Marke up dat nigge to wynnen to ji.“ Vergl. Ztſchft. 
Bd. 38b ©. 107 und Willebadejjer Klofterarhiv im Bejike 
des Freiherrn von Wrede. 


Nr. 81. 
1295. Dezember. 

Die Brüder Günther (sancte Magdeburgensis ecclesie 
thesaurarius et prepositus AÄngariensis), Adolf und 
Albert, Grafen von Schwalenberg, ſchenken dem Kloiter 
Brenkhaufen das Gut Derenborn und den Zehnten dajelbit, 
die Ritter Burchard genannt von der Ajjeburg, von ihnen 
zu Lehn trug, mit der Verpflichtung, daß der Gonvent ein 

13* 


196 


— Wachs für ihre Kapelle auf der Burg Sualenberg 
iefere. 

Act. in Sualenberg 1295 mense Decembri. 

Unter den Zeugen: Sohannes, Prieiter und? Mönd 
de Monasterio (Marienmüniter). 

Nah dem Driginal im Stadtardive zu Brakel gedr.: 
Wigand, der Corveyſche Güterbefig ©. 219 und Afjeburger 
1.8. I ©. 308, Nr. 485. 


Nr. 82. 
1296. Septemb. 9. 

Alrad, Abt de monasterio iuxta Sualenberg, be= 
fundet, daß das feiner Kirche gehörende Haus zu Oderdiffen 
im Kirchipiel Laghe dem Grafen von Sternberg rüdjichtlich 
der Bogtei dejjelben jährlih nur 18 solidi (Scillinge) und 
nicht mehr zu zahlen habe. 

Dat. V Jd. Sept. 1296. 

Driginal im Staatsarhiv zu Münjter, Kloft. Marien: 
feld; Siegel des Abts erhalten. 

Gedr.: Ztichrft. Bd. 9 ©. 81. Vergl. Wilmans, Weitfäl. 
0.8. III Nr. 1556 (Regeft) und Lipp. Neg. I Nr. 455. 


Nr. 83. 
1296. Septemb. 18. 

Abt Alrad und der Gonvent de monasterio iuxta 
Swalenberch verfaufen dem Klofter Marienfeld ihr Haus 
zu Oderdyſſen im Kirchſpiel Laghe für 18 Mark Herforder 
Denare. 

Act. et dat. 1296 XIIII Kal. Octobr. 

Driginal im Staatsarhiv zu Münfter, Kloft. Marien- 
feld; die Siegel des Abts und Convents gut erhalten. Vergl. 
Wilmans, Weit. U.B. III Nr. 1557 (Regeit.) 


Nr. 84. 
1298. 
Alrad, Abt des Klofter® apud Sualenberg, Arnold, 
Propſt in Wilbodefjen, Gertrud), Priorin und der dortige 


197 


Convent befunden, daß nachfolgende Einkünfte von altersher 
zur Klofterfammer gehören, nämlich der dritte Teil der Ein- 
fünfte der Curie in Drivere und ein Haus (domus) in 
Soltfoten. Bon den Gütern in Efjento empfängt die Kammer 
jährlich eine Mark, ferner gehören dazu eine Hufe in Großen: 
Nörde, una casa (Kotten) in Ecerve, zwei Hufen in Himel— 
bofen, eine Curie in Gunterjen und aus den Einkünften 
einer Mühle, Bredenmule genannt, 9 Schillinge. Weil aber 
diefe Einkünfte nicht ausreichen, werden noch hinzugelegt: 
1 Hufe und 1 Haus in Nihem, 2 Curien in Edelerjen, 
1 Hufe in Titmannefjen, 1 Curie in Overde und 1 Kotten 
dajelbit, 1 Curie in Wellede und der dortige Zehnten, welchen 
Herr Ravenno jelig (von PBapenheim) und Propſt Arnold 
um 160 Mark erworben haben, ſowie der Zehnten in Al: 
bachtejjen, der 85 Mark gefoftet. (Vergl. Nr. 80.) 

Act. et dat. 1298. 

Driginal des Willebadefjer Archivs im Beſitze des Frei- 
berrn von Wrede; die Siegel des Abts, Conventes und 
Propſtes noch erhalten. 

Drivere oder Drewere eine ausgegangene Drtichaft in 
der Nähe von Salzkotten, wo jpäter die Dredburg entitand, 
welche heute im Volksmunde noch „Drewer“ heißt. Vergl. 
Ztſchrft. Bd. 35b ©. 121 ff. Himelhofen (wüſt) lag zwiſchen 
Gut Lake und Helmern, wo ein Flurname „Himelſen“ vor: 
fommt, und Gunterſen (wült) in der Nähe von Altenheerje. 


Nr. 85. 
1298. 

Alrad, Abt des Klofter® apud Sualenberg, Arnold, 
Propft, Gertrud, Priorin und der Convent zu Wilbodeffen 
jegen jeft, daß der Kämmerer aus den Kammergütern ihnen 
und den Klofterfrauen (dominabus) jährlid Folgendes 
liefern fol: Am Seite Allerheiligen dem Abte 3 Schillinge 
für Morgenichuhe, dem Propite eine Mark für Winterkleider 
und jeder der 20 Klofterfrauen 2 (Baar) Morgenichuhe oder 
3 Schillinge; ferner am Feſte des Hl. Andreas (30. Nov.) 
jeder Klofterfrau 10 Ellen Tuch oder 32 Denare; am Felte 
der hl. Apojtel Philippus und Jakobus (1. Mai) jeder der 
20 Klofterfrauen 4 Schillinge zur Anſchaffung der Unterkfleider 


198 


(ad tunicas comparandas); auf Jakobi (25. Juli) jeder 
Klofterfrau 8 Schillinge zur Anſchaffung der Pelze. Ferner 
erhalten am Tage vor Palmjonntag die einzelnen Kloſter— 
frauen 18 Denare für Sommerjchuhe und zur entiprecdhenden 
Zeit für Winterſchuhe 2 Scillinge. 

Act. et dat. 1298. 

Driginal des Willebadefjer Archivs im Beſitze des Frei- 
herrn von Wrede; die Siegel des Abts und Convents er- 
halten, des Propſts dagegen zerbroden. 

Letztes Vorkommen des Abts Alrad von Marienmüniter. 


Nr. 86. 
1299. Inni 4. 


Dtto (Gr. von Rietberg), Biſchof von Paderborn, trennt 
mit Genehmigung Winands, Rektors der Kirche zu Nihem, 
von diejer die Kirche zu Pommeſſen (Pömbſen) und legt 
zu legtgedadhter Pfarrkirche die Dörfer Pommeſſen, Merl: 
hujen (Merlsheim), Reileſſen (Reelſen), Bovenhufen, 
Baddenhujen, Erdermiffe, Bedenburen, Schonenberghe 
(Schönenberg), Piddenhufen, Loehof, Saccejjen, Gelinctorp 
und Emmerke nebjt 44 Morgen (iugera) Landes um das 
Dorf Pommeſſen zum Unterhalte des dortigen Rektors, zur 
Pfarrkirche in Nihem aber die’ Stadt Nihem, die großen 
und fleinen Zehnten zu Emmerfe und Saccefjen nebſt 15 
Viertel triplieis annone jährlid in Ermwordeſſen. 

Act. et dat. Nihem fer. V ante festum Pentecostes 
1299. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 59. 
desgl. zu Detmold fol. 23. 

Mangelhafter Drud Ztichrft. Bd. 31b ©. 83; vergl. 
Lipp. Reg. III Nr. 1509 und Oeynh. Reg. INr. 5. Wegen 
diejer und der folgenden Urfunde vergl. noch die Abhand— 
lungen von Dr. Krömefe zur Geſchichte von Nieheim und 
Pömbſen Ztichrft. Bd. 316 ©. 1 ff. und Bd. 32 ©. 117 ff., 
wo auch an letterer Stelle die DOrtichaften näher behandelt 
find. Baddenhujen lag nordöftli von Alhaufen, Bedenburen 
nordweftl. von Reelſen, Biddenhufen öftlih von Merlsheim 
am Wege nad Nieheim. Loehof dürfte in der Nähe von 
Pömbjen zu fuchen fein, wo es eine Feldflur „up’m Lauwe“, 


199 


das vielleiht von „Lauhuove“ (Lohof) herfommt, giebt. 
Saccefjen, wofür auch Satifen oder Zaddeſſen geichrieben 
wurde, muß zwiſchen Nieheim und Merlsheim am Südholze 
gelegen haben, wo noch das Satzer Feld befannt ift. Ge— 
linctorp iſt nicht nachzumweifen, es jei denn, daß dieſer Ort 
mit Melentorp, zwiſchen Pömbſen und Nieheim, gleichbe- 
deutend wäre. 


Nr. 87. 
1300. Febr. 28. 


Biſchof Dtto von Paderborn beſtimmt nad) der Teilung 
der Pfarreien Pommeſſen und Nihem, daß die Kirche Nihem, 
rüber Filiale von Pommeſſen, auch als Mutterkirche der 
Kapelle in Ermwordeſſen gelten folle, welche früher als 
Filiale von Pommeſſen nah Urkunde Biſchofs Bernhard IV. 
an die dortige Kirche jährli 15 Viertel triplicis annone 
geben mußte, und daß dieje Lieferung von gedachter Kapelle 
nunmehr auf Michaeli jeden Jahres der Kirche zu Nihem 
oder ihrem Pleban geleiftet werde. Wird das vernadjläjligt, 
jolen Kapelle und Parochianen zu Ermmordeffen wie 
Parochianen der Kirche zu Nihem angejehn werden. 

Dat. dominica Invocabit 1300. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 60. 
deögl. zu Detmold fol. 23. 


Mangelhaft gedr. Zeitichrift Bd. 31b ©. 84. 


Nr. 88. 
1300. Dftober 5. 

Herbold von Amelungeßen, Ritter, und Alheidis feine 
Frau befunden, daß fie auf den „Zehnten der Ader zu Bruns: 
gergen, der dem Klofter in Gerdene gehört, und welchen 
biefeg vom Bifchof Otto von Paderborn erworben hat, aus 
—— zum dortigen Propſt Konrad Verzicht geleiſtet 
aben. 

Zeugen: Burchard (Pleban) von Holthuſen (bei Nieheim), 
Johannes, Kaplan zu Nyhem, Prieſter; Werner Somerfalf, 
Roland von Holthufen, Ambrofius von Gerdene, Knappen; 
Bertold der Alte von Addefjen, Hermann von Horne, Albert 
von Addeſſen, Bürger zu Nhym. 


200 


Dat. 1300 in die Meinulfi confess. 
Gehrdener Kopialb. fol, 32b D. 30. 

Diefe Urkunde, ftreng genommen nicht hierhergehörend, 
bat deshalb Aufnahme gefunden, weil fie zur Geſchichte von 
Nieheim Einiges enthält. 

Brungerien lag in der Nähe: von Nieheim in dem 
Thale nah Pömbſen zu, wo die Flurbezeihhnungen „Brunſer 
Feld und Brunjer Waller” daran erinnern. 

Horne ijt nicht die lippiiche Stadt Horn, jondern dürfte 
in der Nähe von Nieheim zu juchen fein. Vergl. Zeitichrift 
Bd. 38b ©. 107. 


(Fortfegung im nächſten Bande.) 


VI. 
Chronik des Vereins 


für 
Geſchichte und Alterthumskunde 
Weſtfalens. 


(Abtheilung Paderborn.) 


Nachdem vor zwei Jahren zu Brilon die legte General: 
Berfammlung abgehalten war, fand diejelbe in diefem Jahre 
am 11. September zu Wiedenbrüd ftatt. Es hatten fich 
27 Mitglieder aus nah und fern und eine noch viel größere 
Anzahl von Freunden des Vereins eingefunden, jo daß jchon 
vor Beginn der Verjammlung der dafür rejervirte Eleinere 
Saal des Gejellenhaufes vollftändig befegt war, und einige 
ipäter Eingetroffene nur noch mit Mühe ein Plätchen er: 
langen fonnten. Bon Auswärtigen nahmen u. U. Theil die Her: 
ren Oberfammer: und Juſtizrath Quenſel aus Rheda und 
Gymnaſial-Director a. D. Dr. Hölſcher aus Redlinghaufen. 

Nah Eröffnung der Berfammlung durch den Vereins: 
Director ſprach zunächſt Herr Bürgermeifter Brüggemann 
den Dank der Stadt Wiedenbrüd aus für die Wahl der 
Stadt als Verjammlungsort und hieß die Gäfte herzlich 
willlommen. Sodann eritattete der Director einen kurzen 
Bericht über die Gejchichte des Vereins, feine Hauptzwecke 
und insbeſondere jeine augenblidlihe Thätigfeit. Derjelbe 
fonnte die erfreulihde Mittheilung machen, daß ein gutes 
Stüd von dem Programm, welches der Verein für feine 
Thätigfeit in feinem Bezirk jih entworfen, im Ganzen und 
Großen nunmehr erfüllt jei, jo namentlich die genaue Felt: 
ftellung der untergegangenen Ortjchaften und die Erforſchung 
der alten Erbwälle und Landwehren. Die Firirung der 


202 


alten Sagen und Traditionen, ſowie das BVerzeichnen der 
Namen der Feldfluren foll jett als weitere Arbeit feitens 
des Vereins jofort in Angriff genommen werben. 

Nach diefem allgemeinen Bericht hielt Herr Poſtſekretär 
Stolte aus Paderborn einen bodinterejfanten Vortrag 
über die Geidhichte der Stadt Wiedenbrüd im Anſchluß an 
die Geſchichte des Amtes Reckenberg und der Grafichaft 
Rheda. Die Verfammlung laufchte mit geipanntejter Auf: 
merkſamkeit dem fait einftündigen Vortrage und belohnte den 
Redner mit reihem Applaus. 

Ein Ehrenmitglied des Vereins, Herr ©. Aug. B. Schie— 
renberg, früher bis zu Anfang der fünfziger Jahre Bürger: 
meilter von Horn in Lippe, jegt in Frankfurt a. M. woh— 
nend, war nicht bloß zu diefer Verfammlung herübergefommen, 
jondern hatte aud) die Freundlichkeit, fein neueftes Schriftchen: 
„Die Räthjel der Varus-Schlacht oder Wie und Wo 
gingen die Legionen des Varus zu Grunde” in vielen 
Eremplaren, mit der ausdrüdlichen Widmung für die Ber: 
ſammlung verjehen, zu überreichen. 

Das vorbereitende Comite in Wiedenbrüd hatte ſodann 
durch eine Ausftellung von alten Kunftgegenftänden 
der mannigfaltigften Art den Mitgliedern der Verfammlung 
einen bejondern Genuß bereitet. Es war auögeftellt die 
große Münzfammlung des Herrn Uhle aus Wiedenbrüd, 
ein Reliquienjchrein der Franziskaner (aus dem Klofter Ab: 
dinghof ftammend), ein Vokal des Abtes von Clarholz, gol- 
dene und jilberne Schmudjahen und Gefäße, alte Arbeiten 
in Filigran, künſtleriſche Stidereien in Gold und Silber, 
darunter eine Weſte eines Grafen v. Kaunitz, Elfenbein: 
Ichnigereien, — welde Gegenjtände die beſondere Aufmerk— 
jamfeit auf jich zogen. Es feien noch erwähnt Produkte der 
alten Töpferei und Porzellan: Manufaktur, getriebene und 
gegoffene zinnerne und fupferne Geräthe, Teller und Schüffeln, 
jowie auch Krüge; nicht minder Holzfchnigereien mit Funft: 


203 


vollen Beichlägen, meiſtens aus bäuerlichem Belite, gußeiferne 
Theile von alten Defen mit Wappen und anderen finnvollen 
Figuren; alte Bilder auf Glas gemalt, viele werthvolle 
Kupfer und andere Bilder, darunter eine Driginal-Radirung 
von Rembrand; es fehlten auch nit alte Drude der 
interefjanteften Art, jo 3. B. war ein Buch in Buntdrud 
aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts vorhanden, „Alt: 
vaterbuch” betitelt, mit einem Paffionale ald Anhang. Wenn 
jelbitverftändlich nicht alles erwähnt wird, jo geht aus dem 
Angeführten zur Genüge hervor, daß die aus dem engiten 
Kreife zujammengetragene Ausftelung nicht bloß die vollite 
Anerkennung der Berfammlung erfuhr, jondern auch eine 
neue Anregung gab, die Ausfindigmadhung und Gonfervirung 
folder Gegenitände der alten Kunft ins Nuge zu falten. Bei 
jolden Gelegenheiten wundern ſich die Veranitalter der Aus: 
ftellung jelbft, was für eine Menge präcdtiger und höchſt 
intereffanter Gegenftände fich im verborgenen Belige Einzelner 
befinden. Neben den Kunjtgegenjtänden aus alter Zeit, 
waren aber auch foldhe der Wiedenbrüder Meifter aller: 
neufter Zeit, wie fie fich zufällig gerade in deren Ateliers 
in Arbeit vorfanden, ausgejtellt; Altäre, Skulpturen, gemalte 
und plaftifch gearbeitete Bilder, Gegenitände der Schmiede- 
funft, ein Tabernafel und Armleuchter; alles trägt zu dem 
Rufe, den fih die Wiedenbrüder Meifter ſchon erworben 
haben, ein Weiteres bei. So hatte denn die ganze Aus: 
ftellung für die Veranftalter auch die Genugthuung des zahl: 
reihen Bejuches und allgemeinen Beifall$; auch Se. Durch— 
laut der Fürjt von Rheda hat fie mit feinem Beſuche 
beehrt. 

Die Belihtigung der Ausftellung’und die Verhandlun- 
gen und Vorträge hatten denn auch geraume Zeit in An: 
Iprud genommen, jo daß erit gegen 2 Uhr das gemeinfame 
Mahl im Hötel Gelhaus beginnen konnte. Am Schlufje 
desjelben lud der anweſende Herr Propſt Evers aus Soeſt den 


204 


Verein für das nächſte Jahr nah Soeſt ein und verſprach 
demfelben auch dort wie in Wiedenbrüd einen angenehmen 
und imterellanten Tag bereiten zu helfen. Die Einladung 
wurde mit großem Beifall aufgenommen. Nach beendetem 
Mahle, wobei ſelbſtverſtändlich die üblihen Toafte nicht 
fehlten, machten die meijten anmwejenden fremden Gäfte einen 
Rundgang dur die Stadt, geleitet von Herrn Bürger: 
meilter Brüggemann und den übrigen Comite:-Mitgliedern. 
Hierbei wurde mit großem Wohlgefallen wahrgenommen, 
daß fich der dortige Verſchönerungs-Verein die Erhal- 
tung der alten Inſchriften und Skulpturen an den noch 
zahlreich vorhandenen alten Häufern mit ausladenden Giebeln 
— darunter jolche, die die Jahreszahl 1549 tragen — an: 
gelegen jein läßt. Gegen 5 Uhr fuhr ein Theil der Ber: 
lammlung nah Rheda, um die in ihrer Art ziemlich einzig 
daltehende Kapelle in den nördlichen Thurm des fürftlichen 
Schlojjes dafelbft zu bejichtigen, wozu Se. Durdlaudt in 
huldvoller Weije die Erlaubniß gegeben. Um 6 Uhr begann 
dann eine gemüthliche Vereinigung im Saale des Herrn 
Tedlenborg. 

So war der erite Tag programmmäßig und alle zu: 
friedenjtellend verlaufen. Am zweiten Tage betheiligten jich 
recht viele Herren an einer Fahrt nad) Bielefeld und zum 
Sparenberge. Um 9 Uhr in Bielefeld angefommen, wurden 
dDiejelben von Herrn Kaufmann Delius empfangen und 
durch die Stadt geleitet, um zunächſt die Kirchen und einige 
merkwürdige Häufer zu beiichtigen. Herr Bürgermeijter 
Banſi gejellte jich alsbald felbjt den fremden Gäften zu, 
und nachdem diejelben noch unter freundlicher Führung des 
Herrn Paſtor Jordan die Neuftädter Kirche bejichtigt hatten, 
begaben fie fih zum Sparenberge. Die Bielefelder Herren 
hatten dort die Bewirthung der Gäfte vorgejehen, und nad 
dem man fich erquidt hatte, durchwanderte man die mit 
Fackellicht erhellten unterirdiichen Gewölbe der Sparenburg. 


205 


Es verdient gewiß Anerkennung, daß die Stadt Bielefeld 
diejen hiltoriich und baulich jo intereijanten Drt erhält und 
die neue Sparenburg jo ftilgereht an Stelle der alten auf: 
geführt hat. Leider geftattete der Nebel feine freie Ausficht, 
jo daß die Gejelichaft auf diefen Genuß verzichten mußte. 
Herr Landrat von Ditfurth und andere Bielefelder 
Freunde des Vereins begrüßten die Gejellichaft ebenfalls auf 
dem Sparenberge, und jo war aud) das Programm des zweiten 
Tages Dank der großen Zuvorkommenheit der geehrten 
Bielefelder Herren und Freunde zur angenehmen Befriedigung 
der Vereinsmitglieder verlaufen. 

Bon den Bereinsmitgliedern wohnten folgende Herren 
der Berjammlung bei: 1) Kgl. Kreis-Bau-Inſpector Bier: 
mann aus Paderborn, 2) Caplan Brügge aus Meſchede, 
3) Pfarrer Dettmer aus Herford, 4) Pfarrer Fleige aus 
Hellinghaufen, 5) Seminar:Director Engelb. Sreusberg 
aus Büren, 6) Geh. Juſtizrath Haſſe aus Paderborn, 
7) Caplan v. Heejen aus Marienmünfter, 8) Muſiklehrer 
Heinze aus Büren, 9) Profeffor Dr. Hölſcher aus Herford, 
10) Landgerichtsrath a. D. Hüffer aus Paderborn, 11) 
Vereinsdirector Caplan Dr. Mertens aus Kirchbordhen, 
12) Caplan Botthaft aus Minden, 13) Apothefer Rave 
aus Nieheim, 14) Kgl. Kreis-Schul-Inſpector Schallau 
aus Soeft, 15) ©. Aug. B. Schierenberg aus Frankfurt 
a.M., 16) Bilar Schulte aus Erwitte, 17) Dr. med. 
Xaver Shupmann aus Gefefe, 18) Pfarrer Simon aus 
Stendal, 19) Banyquier Carl Spanden aus Paderborn, 
20) Boitjefretär Stolte aus Paderborn, 21) Bau-Unter— 
nehmer Caspar Tenge aus Paderborn, 22) Juſtizrath 
Vennemann aus Paderborn, 23) Maler Volkhaufen 
aus Paderborn, 24) Pfarrer Werntze aus Steinhaufen, 
25) Kgl. Kreis:Schul-Infpector Dr. Winter aus Paderborn, 
26) Maler Wittfop aus Lippftadt, 27) Apothefer Wüfthoff 
aus Paderborn. 


206 


Auf der Verfammlung traten nacdftehende Herren dem 
Berein ald neue Mitglieder bei: 
1. Kol. Kreis-Schul-Inſpector Brand in Büren. 
. Bildhauer Theod. Brodhende in Wiedenbrüd. 
. Bürgermeifter Brüggemann in Wiedenbrüd. 
. Kaufmann Brenken in Wiedenbrüd. 
. Bropft Evers in Soeſt. 
. Seminar:Öberlehrer Göppner in Rüthen. 
. Maler Georg Goldkuhle in Wiedenbrüd. 
. Pfarrer Kühlmann in Berl. 
9. Pfarrer Mittrop in Ermitte. 
10, Bildhauer Ant. Mormann in Wiedenbrüd. 
11. Kol. Landrath Dr. Dfterrath in Wiedenbrüd. 
12. Dr. med. Sahlmen in Wiedenbrüd. 
13. Pfarrer Weftermeyer in Haarbrüd. 
Die Gejammtzahl der Vereingmitglieder beträgt gegen- 
wärtig 325. 


oO 1 O9 m wm 


Einen ſchmerzlichen Verluft erlitt der Berein dur den 
am 6. Januar d. %. erfolgten Tod des Herrn Profejjor 
Hüljenbed, DOberlehrer am Gymnafium zu Paderborn, 
welcher jeit 1858 dem PBerein ala Mitglied angehörte und 
jeit 1880 im Borftande das Amt eines Bibliothefars ver- 
waltete. Die Bibliothef fand unter ihm eine ſachgemäße 
Aufitellung und bedeutende Vermehrung. Auf dem Gebiete 
der Gefhichte und Alterthumswiſſenſchaft befaß der Hinge- 
ſchiedene ein reiches, umfafjendes Willen und legte dies in 
verjchiedenen Schriften nieder. Außer mehreren linguiftischen 
Abhandlungen erfchienen von ihm: 1) Die Wohnfige der 
germaniihen Marjen. Brogrammabhandlung. Paderborn 1871. 
— 2) Das römische Kaftell Alijo an der Lippe. Paderborn 
1873. — 3) Die Theodorianiiche Bibliothek zu Paderborn. 
Programmabhandlung. Paderborn 1877. — 4) Die Gegend 


207 


der Varus-Schlacht nach den Quellen und Lokalforſchungen. 
Desgl. Baderborn 1872. — Unter großem Gefolge wurde 
am Nacmittage des 9. Januar feine Leihe zu Grabe ge: 
tragen; in der DVereinsverfammlung am Abende desſelben 
Tages widmete der BVereinsdirector den Berftorbenen einen 
warmen und ehrenden Nachruf. Wie bei allen feinen Freun- 
den, jo wird auch im Verein jein Andenken unvergefjen bleiben. 


In dem Winter-Semefter wurden in den Lokalver— 
jammlungen zu Baderborn naditehende Vorträge 
gehalten: 

1) ‚Ueber die Veme“ von Herrn Gymnafial-Director 

Dr. Hechelmann. 

2) „Hermann II, Bischof von Münſter“ von demjelben. 

3) „Blide auf Paderborn, ein Menjchenalter nach dem 
30jährigen Kriege” von Herrn Freiheren von 
Ledebur-Wicheln. 

4—5) „Johan Steinwert vulgo Grumelkut, genannt 
Jan von Soeſt, ein weſtfäliſcher Muſikus und 
Medicus des 15. Jahrhunderts‘ von Herrn Pro: 
feſſor 9. Kotthoff. 

6) „Der Dom zu Paderborn, feine Baugejchichte und 
Bauformen” von Herrn Baurath Gülden: 
pfennig. 

7) „Der Baderborner Domthurm und feine Reſtauration“ 
von demielben. 

8) „Neue Forfhungen und Aufflärungen über Dietrich 
von Niem’ von Herrn Privatdocent Dr. Finke 
aus Münſter. 

9) „Die Erterniteine, ihre Geihichte und ihre Bildwerke“ 
von Herrn Vereind:Director Dr. Mertens. 


An Geſchenken erhielt der Verein: 


von Sr. Ercellenz dem Ober: Prälidenten Herrn v. Hage— 
meifter zu Münfter: v. Wuſſow, Die Erhaltung der 


208 

Denkmäler in den Kulturftaaten der Gegenwart, 2 Bde. 
Berlin 1885; — 9. Landois u. B. Vormann, Weit 
fäliihe Todtenbäume und Baumſargmenſchen; — Merk: 
buch, Alterthümer aufzugraben und aufzubewahren. 
Berlin 1888; — Kurzgefaßte Regeln zur Conjervirung 
von Alterthümern; — eine filberne Medaille, geprägt 
zur Erinnerung an die Grunbdjteinlegung des Schloſſes 
zu Münjter (1767); 

von Heren Domlapitular Bieling in Paderborn: Geſchichte 
des Matthäisfalands in Braunſchweig; 

von Herrn Gymnaliallehrer Dr. End in Baderborn: eine 
alte Karte des Paderborner Landes; 

von Herin Kaufmann Rud. Ullner in Paderborn: ver: 
ihiedene Bildwerfe; 

von Herrn Apotheker Fromm in Paderborn: ein Jahrgang 
des Paderb. ntelligenzblattes; 

von Herrn Landgerichtsrath Georg v. Detten in Paderborn 
deſſen Schrift: Münfter in W. Münſter 1887; 

von Herrn Apothefer Edm. Rave in Nieheim deſſen Schrift: 
Nieheimer Schüpengejellihaft. Paderborn 1885; 

von Herrn Landdehant Mönnig in Weltönnen: Kalender 
vom J. 1750; 

von Herrn Geh. Ober-Juftizratd a. D. D. Preuß in Det: 
mold: D Weerth u. E. Anemüller, Lippiſche Biblio- 
graphie. Detmold 1886; 


von Frau Gräfin von Oeynhauſen in Berlin: Ge 
Ichichte des Gejchleht3 von Deynhaufen, 2. Theil. Frank: 
furt a. M. 1887; 


von Herrn ©. Aug. B. Schierenberg in Frankfurt aM. 
deſſen Schrift: „Die Kriege der Römer zwiſchen Rhein, 
Weſer und Elbe unter Auguftus und Tiberius“, Frankfurt 
a. M. 1888; — photographiſche Abbildung des Diptychons 


209 


der Herzogin Ageltrude von Spoleto im Vatikaniſchen 
Mufeum zu Rom (9. Jahrh., 2 Blätter); 

von Herrn Amtmann Unfraut in Brilon: Stammbud der 
Familie Seiberg zu Wildenberg u. Brunscappell (Ge: 
drudtes Manufcript für Verwandte.) 1847; 


von Herrn Marine-Oberpfarrer Wiefemann in Kiel: meh: 
rere japaneſiſche Gegenſtände. 


Allen Geſchenkgebern wird hiermit der verbindlichſte 
Dank ausgeſprochen. 


Kirchborchen bei Paderborn, 15. September 1888. 


Mertens. 


XLVI. 9. id 


VI. 
Perſonalbeſtand 


des Vereins für 


Geſchichte und Alterthumskunde 


Weſtfalens. 


Abtheilung Paderborn. 
September 1888. 


Curator des Vereins: 


Se. Excellenz Herr von Hagemeiſter, Königl. Ober-Präſident 


10 


der Provinz Weſtfalen. 


Vorſtand: 
Director: Dr. Mertens, Caplan in Kirchborchen bei 
Paderborn. 
Sekretär: H. Kotthoff, Profeſſor in Paderborn. 
Rendant: C. Spancken, Banquier in Paderborn. 
Bibliothekar u. Archivar: Stolte, Poſtſekretär in Paderborn. 
Vorſtand des Muſeums: Ahlemeyer, Rendant in 
Paderborn. 
Ehren-Mitglieder: 
Se. Excellenz Herr von Hagemeiſter, ſ. oben. 
Ferner: 
von Bocholtz-⸗Aſſeburg, Joh., Graf, Godelheim. 
von Eichhorn, Regierungs-Präſident a. D., Berlin. 
Falkmann, Geh. Arhivrath, Detmold. 
Holſcher, Pfarrer u. Superintendent, Horka (in Schlefien). 
von Löher, Dr., Reichs-Archiv-Director, München. 
von Lübfe, Dr., Brofeffor, Carlsruhe. 
von Metternich, Freiherr, Landrath a. D., Geh. Re 
gierungsrath, Hörter. 


211 


Potthaft, Dr., Bibliothefar des Deutichen Reichstags, 
Berlin. 

Preuß, D., Geh. Ober-Juftizrath a.”D., Detmold. 

Schierenberg, ©. Aug. B., Frankfurt a. M. 

Weingärtuer, Kreis-Gerichts-Director a. D., Münſter. 


Wirkliche Mitglieder: 


Altftädt, Biichöfl. Caplan, Paderborn. 
Auffenberg, Caplan, Lippftadt. 


20 Badorff, Hub., Buchhändler, Paderborn. 


30 


Balkenhol, Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn. 
Balfenhol, Dr., Gymnafial:Oberlehrer, Bochum. 
Barfholt, Dr., Gymnafial-Oberlehrer, Warburg. 
Bathe, Pfarrer, Hudarbe. 

Baumann, Architeft, Paderborn. 

Bender, Amtögerichtsrath, Siegen. 

Benjeler, Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn. 
Bergeuthal, Geh. Commerzienrath, Waritein. 
Bergmann, Vilar, Medelon. 

Bergmann, Kgl. Oberförfter, Büren. 

Berhorſt, Dr., Generalvifar u. Domdehant, Paderborn. 
Biederbef, Dr. med., prakt. Arzt, Niedermarsberg. 
Bieling, Domlapitular, Paderborn. 

Bindel, Gymnaſial-Oberlehrer, Schalte. 

Biermann, Kgl. Kreis:Bau-nipector, Paderborn. 

von Biſchoffshauſen, Freiherr, Landrichter, Paderborn. 
Blad, Director, Bahnhof Brilon. 

von Bocholt-Afjeburg, Dietrih, Graf, Hinnenburg. 
Böhmer, Dr., Gymnafial:Oberlehrer, Warburg. 


40 Böſch, Carl, Oberlehrer, Jlfeld am Harz. 


Böſe, Ober:Rentmeijter, Mejchede. 

Bonsmann, Pfarrer, Geſeke. 

Brand, Kol. Kreis-:Schul-Infpector, Büren. 

Brand, Kaufmann u. Gutsbejiger, Xippftadt. 
14* 


212 


Bredemann, Domvifar, Paderborn. 

von Brenfen, Hermann, Freiherr, Wewer. 
Brenfen, Kaufmann, Wiedenbrüd. 

Brieden, Dr., Gymnafial:Oberlehrer, Arnsberg. 
Brill, Pfarrer, Stodum. 


50 Brinfmann, Pfarrer, Grevenftein. 


60 


70 


Brisfen, Landgerichtsrath, Arnsberg. 
Brodhende, Theodor, Bildhauer, Wiedenbrüd. 
Brockhoff, Nector, Ramsbed. 

Brügge, Caplan, Meſchede. 

Brüggemaun, Bürgermeiſter, Wiedenbrück. 
Brüning, Amtmann, Vasbach bei Kirchhundem. 
Brußkern, Dr., Gymnaſial-Director, Attendorn. 
Buchholtz, Buchhändler, Hörter. 

Büchel, Gymnafial-Oberlehrer, Hörter. 
Büeufeld, Vikar, Nudersborf. 

von Cauſtein, Dr., Freiherr, Berlin. 

Capune, Gymnaſiallehrer, Warburg. 

Cappell, Landgerichts-Director, Paderborn. 
Carpe, Kgl. Baurath, Brilon. 

Carthaus, Emil, Dr., 3. 3. in Sumatra. 
Gramer, Pfarrer, Lippftadt. 

von Dalwigk, Freiherr, Lieutenant, Greifswald, 
Deder, Primiſſar, Halingen. 

von Detten, Landgerichtsrath, Paderborn. 
Dettmer, Pfarrer, Herford. 

Deumling, Amtsrichter, Paderborn. 

Diſſe, Dr. med., Sanitätsrath, Höxter. 
Dijien, Aug., Pfarrer, Schildeſche. 

von Donop, Freiherr, Haus Wöbbel. 

Dreps, Pfarrer, Niederwenigern. 

Dreisbuſch, Stadtcaplan, Brilon. 

Drobe, Dr., Bischof von Baderborn, Paderborn. 
von Drojte-Hülshoff, Carl, Freiherr, Hamborn. 


213 


-— | 


Dürre, Dr., Gymnafial-Director, Wolfenbüttel. 


80 Eickhoff, Brauerei-Director, Paderborn. 


Eggers, Dr., Gymnafiallehrer, Warendorf. 

End, Dr., Gymnafiallehrer, Paderborn. 

Engels, Dr. jur., Referendar, Paderborn. 

Engels, Wilh., Eifenbahn-Bureau-Affiftent, Paderborn. 
Efjer, Joſ., Buchhändler, Paderborn. 

Everfen, Rechtsanwalt, Paderborn. 

Evers, Rechtsanwalt, Warburg. 

Evers, Propit, Soeft. 

Falke, Rector, Beverungen. 


I0 Fecke, Pfarrer, Erfeln. 


100 


110 


Federath, Dr. jur., Kol. Landrath, Brilon. 

Fiſcher, Amtsgerichtsrath a. D., Baberborn. 

Fischer, Vikar, Wefternkotten. 

Fiſcher, Alb., Kaufmann, Brilon. 

Flechtheim, Jul., Kaufmann, Brakel. 

Fleige, Pfarrer, Hellinghaufen. 

Freusberg, Dr., Weihbifhof, Paderborn. 

Freusberg, Engelb., Seminar:Director, Büren. 

Freusberg, Kol. Landrath, Olpe. 

Friedläuder, M., Buchhändler, Brilon. 

von Fürftenberg, Egon, Graf, Ercellenz, Erbtruchieß 
im Herzogth. Weftfalen, Herdringen. 

von Fürſteuberg, Leopold, Freiherr, Körtlinghaufen. 

Fütterer, Dr., Gymnaiial-Oberlehrer, Paderborn. 

Gemmefe, Caplan, Borgholz. 

Gierſe, Pfarrer, Lütgeneder. 

Godel, Pfarrer u. Landdehant, Warftein. 

Gödde, Caplan, Dortmund. 

Goldfuhle, Georg, Maler, Wiedenbrück. 

Göppner, Seminar:Oberlehrer, Rüthen. 

Grüe, Pfarrer, Borghol;. 

Güldenpfennig, Kgl. Baurath, Paderborn. 


214 


m — 





Günther, Pfarrer, Nieheim. 

Gunft, Gutsbeiiger, Hembjen. 

Hake, P., Conrector, Mejchede. 

Hartmann, Kaufmann, Baderborn. 

Hafle, Kaufmann, Paderborn. 

Haffe, Geh. Juftizrath, Paderborn. 

von Hatthauſen, Alerander, Freiherr, Thienhaufen. 
Hehelmann, Dr., Gymnafial-Director, Paderborn. 

120 Hegemann, Sparkaffen-Rendant, Warftein. 
Hellweg, Franz, Architekt, Paderborn. 
Heiner, Dr., Profeffor, Paderborn. 
Heinze, Mufiklehrer, Büren. 

Heifing, Aug., Kaufmann, Paderborn. 
Heitemieyer, Pfarrer, Beverungen. 

Henne, Vikar, Oberfirhen (Kr. Mefchede). 
van Hees, ©., Litterat, Iſerlohn. 

von Heejen, Caplan, Marienmüniter. 
Hilfebrand, Pfarrer, Medebad). 

130 Hillemeyer, Conr., Stadtrath, Paderborn. 
Hogrebe, Pfarrer, Suttrop. 

Holle, Regierungs:Afjefor, Hörter. 
Holzhanfen, Pfarrer, Warburg. 
Honcamp, Redacteur, Paderborn. 
Hölſcher, Dr., Profeffor, Herford. 

von Hövel, Joſeph, Freiherr, Merlsheim. 
von Hövel, Edmund, Freiherr, Herbed. 
Hoveſtadt, Caplan, Witten. 

Huckemann, Pfarrer, Schmallenberg. 

140 Hüffer, Landgerichtsrath a. D., Paderborn. 
Hüffer, Detmar, Kgl. Oberförfter, Neu-Böddeken. 
Hüfer, Dr., Gymnafial-Director, Brilon. 
Ide, Pfarrer, Amelunren. 

Jske, Inſpector, Neuenheerfe, 
Jacobi, Pfarrer, Miſte. 


150 


160 


170 


215 


Jeutzſch, Kal. Landrath, Paderborn. 

Kayſer, Dr., Dompropit u. Profefjor, Breslau. 
von Kanne, Freiherr, Breitenhaupt. 
Kelferhoff, Amtsgerichtsrath, Warburg. 
Kemper, Pfarrer, Büren. 

Kerftens, Kgl. Ober-Amtmann, Domäne Dalheim. 
Killian, Waiſenhaus-Inſpector, Paderborn. 
Kipshagen, Pfarrer, Hagen. 

Kleffner, Dr., Caplan, Paderborn. 

Kleffner, HüttensDirector, Niedermarsberg. 
Klein, Vikar, Meerhoff. 

Kleinſchmidt, Pfarrer u. Landdehant, Warburg. 
von Kleinſorgen, Amtsgerichtsrath, Meichede. 
Kleinforgen, Joſ., Fabrifant, Brilon. 

Kluge, Dr. med., praft. Arzt, Steinheim. 
Köhler, Pfarrer, Weitheim. 

Kohlſchein, Brauerei:Bejiger, Warburg. 

von Köppen, Gutsbejiger, Haus Ringelsbruch. 
Köfter, Dr., Referendar, Brilon. 

Kotthoff, W., Gymnaſiallehrer, Paderborn. 
Kraft, J., Kaufmann, Paderborn. 

Kriften, Katafter-Controleur, Paderborn. 

Kroll, Propſt u. Ehren-Domfapitular, Arnsberg. 
Kropp, Lehrer, Waritein. 

Krufe, Ludw., Kaufmann, Ermwitte. 

Kuhlmann, NReligionslehrer, Bochum. 
Kühlmann, Pfarrer, Berl. 

Künne, A., Fabrikant, Altena. 

Langenbeck, Oberlandesgerichtsrath, Hamm. 
Lappe, Vikar, Kirchhundem. 

Larenz, Bürgermeiſter, Beverungen. 

Laureck, Dr., Kgl. Kreis-Schul-Inſpector, Hörter. 
von Ledebur⸗Wicheln, Freiherr, Paderborn. 
Ler, Juſtizrath, Hamm. 


180 


190 


200 


210 


216 
Leifels, Pfarrer, Dörnhagen. 
Limberg, Rector, Driburg. 
Lohmann, Juſtizrath, Brilon. 
Lümmer, Pfarrer, Siddinghauſen. 
Lünz, Pfarrer u. Landdechant, Lügde. 
Liüttig, Neferendar, Paderborn. 
von Mallindrodt, Hermann, Rittergutsbefiger, Böddeken. 
von Mallindrodt, Meinulf, Regierungs:Neferendar, 
Münfter. 
Mantel, Rechtsanwalt, Paderborn. 
Marz, Ferd., Dr. med., prakt. Arzt, Ermitte. 
Mertensmeyer, Vikar, Langendreer. 
von Metternich, Phil., Freiherr, Wehrden. 
Meyer, Albert, Gaftwirth, Brakel. 
Meyer, Edmund, Pfarrer, Calle. 
Meyer, Franz, Domkfapitular u. Geiftl. Rath, Baderborn- 
Meyer, Joh., Buchhändler, Brilon. 
Mittrop, Pfarrer, Erwitte. 
Morfeld, Pfarrer, Berge. 
Mormann, Ant., Bildhauer, Wiedenbrüd. 
Miller, Pfarrer, Bühne. 
Much, Caplan, Dortmund. 
Müffen, Franz, Conditor, Paderborn. 
Nade, Propft u. Geiftl. Rath, Paderborn. 
Nieberg, Heinr., Profeſſor, Brilon. 
Niggemeyer, Dr., Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn. 
Nottebohm, Pfarrer, Paderborn. 
von Oeynhauſen, Freiherr, Kgl. Landrath, Major a. D., 
Büren. 
Ortjohann, Gymnaſiallehrer, Müniter. 
Dfterrath, Dr., Kgl. Landrat, Wiedenbrüd. 
Otto, Dr., Profeſſor, Paderborn. 
Pape, Albert, Berlagsbuchhändler, Paderborn. 
Pehle, Bau⸗Unternehmer, Lippitadt. 


220 


230 


240 


217 
Petri, Pfarrer, Kirchborchen. 
Peitz, Oberlandesgerichtsrath, Hamm. 
Picht, A., Bau:Techniter, Paderborn. 
von Pilgrim, Regierungs-Präfident, Minden. 
Pieper, Pfarrer, Brenten. 
Pieper, Landes: Bau-Infpector, Meichede. 
Pieper, Schloß: und Handelsgärtner, Körtlinghaufen. 
Platte, Caplan, Nieheim. 
Plef, Dr. med., Kreisphyfifus, Brilon. 
Poggel, Landdehant u. Ehrendomherr, Witten. 
Potthaft, Caplan, Minden. 
Potthaft, Dr., Gymnafiallehrer, Neuftadt (Weftpreußen). 
Predeek, Heinr., Maler, Paderborn. 
Prüffen, Vikar, Schellenberg bei Efjen. 
Püttmann, Pfarrer, Pedelsheim. 
Quick, Buchhändler, Warburg. 
Rammrath, Franz, Ingenieur, Wilmersdorf bei Berlin. 
Randebrod, Rud., Kaufmann, Redlinghaufen. 
Raßmann, Eifenbahn-Sefretär, Paderborn. 
Rave, Edm., Apotheker, Nieheim. 
Renting, Dr., Ehrenamtmann, Niedermarsberg. 
Reinefe, Gymnafiallehrer, Warburg. 
Reismann, Rector der höheren Bürgerichule, Paderborn. 
Richter, Gymnafiallehrer, Paderborn. 
Richter, Pfarrer und Landdehant, Neuenheerie. 
NRiefenftahl, Dr. med., Sanitätsrath, Driburg. 
Robitzſch, Gymnafiallehrer, Hörter. 
Rod, Vikar, Antfeld. 
Röper, Pfarrer u. Landdehant, Menden. 
Röper, Dr. med., praft. Arzt, Warburg. 
Nofe, F., Negierungsrath, Hörter. 
Ruland, Pfarrer u. Geiftl. Rath, Paderborn. 
Nummel, Pfarrer, Wormeln. 
Sahlmen, Dr. med., praft. Arzt, Wiedenbrüd. 





250 


260 


270 


218 


Schacht, Dr., Gymnafiallehrer, Lemgo. 

Schallan, Kol. Kreis:Schul-Infpector, Soeft. 

Scheffer⸗Boichorſt, Dr., Profefjor, Straßburg im Elfa. 

Scheele, Geh. Juſtizrath, Hamm. 

Schillings, Dr., Profeffor, Paderborn. 

Schleutker, Landes:Bausnfpector, Paderborn. 

Schlüter, Landrichter, Paderborn. 

Schmittdiel, Canonicus, Gejele. 

von Schmifing-Kerfienbrod, Zaver, Graf, Brinde. 

Schmüder, Amtmann, Lippfpringe. 

Schöningh, Ferd., Berlagsbuchhändler, Paderborn. 

Schrader, Pfarrer, Natzungen. 

Schröder, Erfter Seminarlehrer, Paderborn. 

Schulte, Franz Xaver, Dr., Domlapitular u. Profeſſor, 
Paderborn. 

Schulte, Heinr., Vikar, Ermitte. 

Schulte, Aug., Gut3befigeru. Chrenamtmann, Drüggelte. 

Schulte, Adolf, Gutsbeſitzer, Günne. 

Schulte-Plafmann, Pfarrer, Etteln. 

Schüngel, Profeſſor, Warburg. 

Schupmann, Xaver, Dr. med., pralt. Arzt, Geſeke. 

Schwarze, Rector, Wattenſcheid. 

Schwarze, Amtsrichter, Rüthen. 

Schwenfer, Caplan, Brakel. 

Schwidardi, Amtsrichter, Brilon. 

Selle, U., Amtmann, Bigge. 

Simon, Pfarrer, Altenheerſe. 

Simon, Pfarrer, Stendal. 

Sommer, Dr., Seminar:Director, Paderborn. 

Spanfe, Rector, Büren. 

Spanfe, Pfarrer, Buke. 

Spanden, Dr. med., Kreisphyfilus, Mejchebe. 

Spanden, Kgl. Oberförfter, Warnow (Infel Wollin). 

Spedemeyer, Amtsrichter, Steinheim. 


280 


290 


300 


310 


219 


Stadler, Kaufmann, Paderborn. 

Stennes, Amtmann, Lieutenant a. D., Fürftenberg. 

Stein, Buchhändler, Arnsberg. 

Steinmann, Kol. Regierungs:Baumeilter, Giebolbe: 
haufen. 

von Stodhanfen, Gutsbefiter, Stodhaufen bei Meſchede. 

Strunf, Pfarrer, Hüften. 

Suden, Pfarrer, Bonnkirchen. 

Tendhoff, Dr., Gymnafial-Oberlehrer, Paderborn. 

Tenge, Caspar, Bau-Uinternehmer, Paderborn. 

Tenge-Rietberg, Grafichaftsbefiger, Rietberg. 

Terborg, Pfarrer u. Landdehant, Rhynern. 

Tilly, Gutspächter, Rheder. 

Ullner, Rud., Kaufmann, Baderborn. 

Unfraut, Ammann, Brilon. 

Baeiter, Pfarrer, Geljenfirchen. 

Bennemann Ziuftizrath, Paderborn. 

Videnz, Bergrath, Eberswalde. 

Vigener, Dr., Profeſſor, Paderborn. 

Volkhauſen, Maler, Paderborn. 

Vollmar, Pfarrer, Allendorf. 

Wagner, Landwirthſch. Wanderlehrer, Haus Bruch bei 
Weſthofen. 

Wasmuth, Domkapitular, Paderborn. 

Welſchhoff, Amtsgerichtsrath, Minden. 

Werutze, Wilh. Ant., Pfarrer, Pömbſen. 

Werntze, Friedr., Pfarrer, Steinhauſen. 

Werra, Profeſſor, Attendorn. 

Weerth, O. Dr., Gymnaſiallehrer, Detmold. 

Weſtermeyer, Pfarrer, Haarbrück. 

von Weſtphalen, Clemens, Graf, Kulm in Böhmen. 

Wiedmann, Dr., Gymnaſiallehrer, Paderborn. 

Wille, Pfarrer, Brakel. 

Wiemers, Kaufmann, Paderborn. 


320 


220 
Wienhufen, Joh., Redacteur, Ejchweiler. 
Winter, Dr., Kol. Kreis-Schul-Inſpector, Paderborn. 
Wirfel, Pfarrer, Gefefe. 
Wiefemann, Marine-Oberpfarrer,, Kiel. 
Witfop, Amtmann, Brakel. 
Wittfop, Maler, Lippitadt. 
Wofer, Dr., Pfarrer u. Landdechant, Halle a. ©. 
Wolff, Clem., Apothefer, Baderborn. 
Wolff, Kol. Kreis-Schul-Infpector, Brilon. 
von Wrede, Freiherr, Willebadefjen. 
Wrede, Wilh, Pfarrer, Marienmünfter. 
Wrede, Joh., Rector, Meſchede. 
Wübbe, Poftverwalter, Obernfirhen (Kr. Rinteln). 
Wurm, Dr., Caplan, Lichtenau. 
Wüſthoff, Apotheker, Paderborn. 


Tafel 1. 
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Tafel N. 
























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Zeitſchrift 


für vaterländiſche 


Geſchichte und Alterthumskunde. 


Herausgegeben 
von dem 


Verein für Geſchichte und Alterthumskunde 
Weſtfalens, 


durch 
deſſen Directoren 


Domkapitular A. Tibns um Dr. C. Mertens 
in Münfter in Raderborn, 


Siebenundvierzigfier Band. 
& 





Müniter, 1889, 


Drud und Verlag der Regensberg’fhen Buchhandlung. 
(B. Theiſſing.) 


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Erſte Abtheilung 
herausgegeben 
von Director der Münſter'ſchen Abteilung 


Domkapitular A. Eibns. 


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I. 
Die 
Anfänge der Stadt Müniter. 


Studien zur Geſchichte 
ihrer Entitehung und älteften Verfaſſung 
von 


H. Geisberg, Aſſeſſor a. D. 


a — 


J. Die Vorzeit. 


Im weſtlichen Sachſen, im Lande der Weſtfalen gab es 
früher keine Städte. Wohl gab es Mahalſtätten, wo das 
Volk zum Goding und Bodding zuſammentrat und allgemeine 
oder beſondere Angelegenheiten berieth und verhandelte; es 
woren offene lichte Stellen am Walde, an der Wieſe, an der 
Eiche oder jonft, von den Wohnungen fern. Es gab au 
Burgen im Lande, doch nur wenige, meiftens feitab gelegen 
von der offenen Landichaft, von der Natur zur feiten Anlage 
geihaften, von hohen Wällen und Schanzen umzogen, aber 
von Menſchen nicht bewohnt, 2) e8 waren Yandesburgen, wo 
in Zeiten des Krieges und drohender Gefahr die ganze Volk: 
ihaft der Gegend fih und das Ihrige bergen und Schuß 
finden konnte. Uebrigens lagen die Wohnungen der Land: 
bauer vereinzelt, weithin über die Fluren zerjtreut, das Gehöfde 
jelbjt dur den breiten Graben und hohe Zaunpfähle ge: 


T) Caesar bell. Gall. 5, 21 jagt: oppidum autem Britanni vocant, 
cum silvas impeditas vallo atque fossa munierunt, quo incursio- 
nis hostium vitandae causa convenire consueverunt. 

9) Der Begriff Burg wurde jpäter auf die Städte übertragen. Im 
Heliand Heigt die Stadt Rom Rumuburg, ebenfo Nazaretburg. Dal. 
Nordhoff, Holz und Steinbau, v. Hölzermann, Lokalunterſuchungen. 

XLVIL 1. 1 


2 


fichert und befeſtigt. Man hatte gejievelt, wie ſchon Tacitus 
jagt, wo der Wald, wo das Feld gefiel und zur Gründung 
eines Heim geeignet erichien. 

. Bon Diten her, heißt es, war die Einwanderung erfolgt; 
Volkſchaften kamen und gingen, ie jievelten, kriegten und 
zogen weiter, Uſipeter, Teuchterer, Marien, Eigambrer. 
Zwilhen Ems und Lippe ſaßen die Brufterer bis nad) dem 
Rheine zu. Im Kriege von den Chamaven überwunden im 
3. 98, verloren jie das weſtliche Hamaland. !) 

Tie Völker der Franken und Sachſen werden in der 
Sejchichte zuerit im J. 287 genannt, eritere am untern 
Rheine, legtere von der Weſer öſtlich geſeſſen bis zur Ditiee 
bin. In den nächſten Jahrhunderten hören wir von Kriegs— 
fabrten der Sachſen, ihren Reiſen zur See, nah den bri— 
tiihen Inſeln und deu Küſten des nördlichen Galliens, von 
ihren Fahrten zu Lande gegen die Franken oder ins Nömers 
land, wir hören ebenjo von den Zügen der Chamaven und 
Brufterer, der Bewohner unferes Landes. Es waren meilthin 
nur die jungen Mannſchaften, die Jungros der kleinen 
Volksſchaften, welche in Kampfeslujt und Ruhmesdurſt aus: 
Ihmwärmten gen Weiten hin. Mit reicher Beute beladen, 
fehrten fie heim; wenn aber befiegt, mußte das Volk durch 
Geißel und Tribut ſich den rieden erfaufen. Seitdem aber 
die Franken nad dem Sturze des Römerreihs (486) mitten 
in Gallien jiedelten und mächtig ein feites Neich gründeten 
von der Loire bis zum Rhein, erging fortwährend gegen lie 
der Borftoß diesjeitiger Völkerſchaften. 

Es war um das Jahr 694,2) als das Sachſenvolk von 
Oſten her in mächtigem Andrang fich auf die Brufterer ftürzte 
und nach wilden Kampfe das Land und Volk jeiner Herr: 
Ihaft unterwarf. Sachſen und Franken traten ald Nachbarn 


) Cod. dipl. Reg. a. O. 
) Cod. dipl. Reg. 


3 


fih gegenüber; es entbrannte ein Kampf unter den beiden 
Bölfern, der im Laufe eines Jahrhunderts an Erbitterung 
zunahm und fich noch jchärfte in dem Gegenjage von Chriſten— 
thum und Heidenthum. 

Zu den Zeiten Karls des Großen erjtredte ſich das 
Sadjenland von der Elbe bis nahe zum Rhein: Ditfalen, 
Engern, Veitfalen. Aus den Gauen diejer Zandestheile famen 
alljährlich Abgeordnete nah Marklo an der Weſer, des Landes 
Wohl, Krieg und Frieden zu berathen. In den Kleinen 
Gauen des Landes hatten an den Maljftätten gewählte Richter, 
Rathgeber,!) die Leitung der VBolksverfammlung; zu jeder 
Malftatt gehörten mehrere kleine Bezirke, Villen; auch jie 
hatten ihre Führer. Das Bolt jelbit der Sachſen jchied ſich 
in vier Stände. Edle durch berühmte Vorfahren und großen 
Beſitz ausgezeichnet, Freie im Beſitze ihres freien Uodil, Liten 
oder Hörige, welche von ihren Höfen zu Abgaben und Dienjten 
dem Herrn verpflichtet waren, endlich Knechte, Xeibeigene im 
Dienfte ihres Herrn ohne alles Erb und Eigen. Knechtichaft 
war das %003 der Kriegsgefangenen, und ihrer viele waren 
als dienende Schalte auf dem Hofe des Edlen. Auf dem 
Uodil, dem Erbjige des Reichen jtand der Seli in dent ge: 
ſchloſſenen Gehöfde, zur Seite die Häufer der Wirthichaft 
und des Gewerks, am Bach die Mühle, ringsum lag Ader 
und Wald. Hörige von den benachbarten Höfen und Kotten 
lieferten ihn als Zins Getreide, und beftellten feinen Ader; 
dienende Schalfe, Knete und Mägde bejorgten das Haus: 
weien. Er jelbit lebte der ;Sreiheit, den Freuden der Kriegs: 
fahrt, den Freuden der Jagd und des frohen Gaſtmahls. 
Auch im Mahle der Männer, an der Thingitätte, wo be: 
waffnet die Edlen und Freien der Gemeinde über Krieg und 
Frieden beriethen, Recht und Herbringen feititellten, war der 
freie Wehre, der Stammherr, (Aldro) im Uodil, gejeglicher 





2) Radgibo, vgl. meine Ztudien zum Heliand in der Zeitſchr. Bd. 33, 


1* 


4 


Mundboro, Vorſprecher jeines Haufed, feiner Hörigen und 
Knechte. Nach Sachſenrecht in der Ewa war jein Gehöfde 
ebenio gefriedet wie die Stätte des Mahal, wie die Gottes: 
ftätte, der Allah in den Hainen. Der freie Sachſe war Herr 
und Herricher in jeinem Heim, feinem Wik, jeinem Gard. 
Wie fein ganzes Yeben in ver freien Natur fi bewegte und 
Unabhängigteit von allen Echranten ihm als das hödhite 
Ziel jener Freiheit erihien, jo jcheute er die engeren Bande 
geielliger Ordnung, die Mauern der Städte waren ihm ver: 
habt als Kerfer der Freiheit; geſchloſſene Ortſchaften waren 
in jeinem Lande unbefannt. 

In den Dreißigjährigen Kriegen Karls des Großen 
wurde der ungebändigte Sinn des kriegeriſchen Volkes ges 
broden; es mußte jich fügen den Gejegen des herridenden 
Königs. Der ſtolze Sadje ließ jih taufen, ließ jeine Todten 
in geweihter Erde begraben; in den Hainen jeiner Götter 
jah er chriſtliche Kirchen entitehen. Es dauerte gewiß noch 
lange, ehe er den Worten der neuen Lehre horchte, ehe er 
die Wahrheit des ihm verlündeten Wortes eriaßte, in jedem 
Menſchen ein Kind Gottes und jeinen Bruder zu erfennen. 
Den Unterichied der Stände auszugleichen, den Menſchen 
feinem Mitmenſchen anzunähern, die Härte des Gejepes und 
des Nechts zu mildern, war die jchwierigite Aufgabe des 
Chriſtenthums, die nur allmählich zu löjen war. 


I. Die Kirche St. Ludgers in Mimigerneford, 


„Der König Karl, heißt e8 im Leben des h. Ludger, 
jegte diefen Mann Gottes zum Hirten im weftlihen Sachſen— 
lande; der Hauptſitz dieſer Parrodhie ift im Eüdergau an 
einem Orte, welcher Mimigerneford genannt wird, wo der: 
jelbe dem Herrn ein anjehnlides Münſter (monasterium) 


5 








errichtete für die nach Fanonifchen Regeln dem Herrn die— 
nenden Brüder.) j 

Der h. Ludgerus übernahm das ihm übertragene Amt, 
welches die Verkündigung des Chriſtenthums bei den Heiden 
und die Verwaltung des übermwiejenen Kircheniprengels be: 
traf, etwa um das Jahr 793. 

Chriftlihe Mifjionare waren vor ihm jchon lange in 
Friesland und Sadjen thätig geweien. 

Wilfried, Biſchof von Pork, im %. 677, wirkte in der 
Bekehrung der heidnifchen riefen, und ihm folgte Wulfram 
(684) Wichert (687) und Wilibrod (691), während Suibert 
(693) und die beiden Ewaldi (695) bei den den Franken 
befreundeten Brufterern thätig waren. Es entitand aber 
damals ein heftiger Krieg der Sachſen gegen die Brufterer 
und Chamaven; in wilder Feldihlacht wurden legtere über: 
wunden und aufgerieben, das ganze Yand den Sachſen unter: 
worfen. Suibert und die Emwaldi erlitten den Martyrertod; 
ihre Kirchen und Kapellen wurden zeritört, und Alles, was 
fie geichaffen, vernichtet. 2) 

Die Arbeit der hriftlichen Miſſionare begann von neuem; 
ihre Ausgangspunfte waren Utreht und Fulda. Winfried 
oder Bonifazius predigte bei den Frieſen und Sadjen f 754; 
ihm folgte Willihad und Lebuin. 

Im Jahre 775 erhielt der junge Frieje Ludger, welder 
aus der Schule Alktuins in Port nah Utrecht zurüdgefehrt 
und eben zum Brieiter geweiht war, von feinem Bilchofe 
den Auftrag, die von den Sachſen zeritörte Kirche Lebuins 
in Deventer wieder herjujtellen, und demnächſt in Friesland 
das Chriſtenthum zu verfünden. Im nördliden Sadien 
war der h. Willehad thätig und zu den weltlichen Sadjen 


1) Altfridi vita S. Ludgeri, (I, 23) von Dr. Diefamp in den Münit. 
Geſch.Quellen Bd. 4. 
?) Regesta hist. Westf. und Cod. dipl, 


6 





fam um diejelbe Zeit der Priefter Bernrad. In Folge einer 
Empörung der Sachſen aber im %, 784 mußten Willehad 
und Ludger fliehen; Teßterer begab fih nah Rom und von 
da zum Benediktiner-Klofter Monte-Cafino bei Benevent. Als 
er nad) drei Jahren in feine Heimath zurückehrte, übertrug 
ihm Karl der Große die Aufſicht über fünf frieiiihe Gaue 
und bejtimmte ihn jpäter um 793 ftatt des mittlerweile 
veritorbenen Abts Bernrad zum Bilchofe über den weltlichen 
Theil Sachſens. Wenn Ludger in feiner Demuth die bifchöfliche 
Würde ablehnte, dem übertragenen Amte unterzog er ich 
mit Sreuden. Zum Hauptfige jeiner Barrochie nahm er den 
Drt Mimigerneford, wo er für feine nach fanoniichen Regeln 
lebenden Brüder Kirche und Kloiter erbaute. Bon hier aus 
wanderte er mit feinen Schülern durch die weiten Gaue des 
Zandes, indem er überall das Chriſtenthum predigte, Kirchen 
gründete und ihnen Prieiter zuordnete. In Mimigerneford 
war aber der Gonvent der Klojterbrüder, in welchem er fich 
Priefter und Genoffen feines fchwierigen Amtes erzog; bier 
erblühte auch unter jeiner Leitung eine Klofterfchule zur 
Ausbildung junger Klerifer, bier ftand feine Kirche, feine 
Kathedrale. 

Ueber die alte Kirche und das Klofter haben wir einige 
lofale Unterfuhhungen bier einzufchalten. 
| Vor etwa fünfzehn Jahren wurde der ſog. Vikarien— 
Kirchhof innerhalb des Dom-Umgangs geebnet, und für den 
Mafjerabfluß tiefere Ninnen gegraben. Da fand man die 
Fundamente der alten Kirhe Ludgers; nah Weiten etwa 
10 Schritt vom Umgang entfernt; die jüdliche Maner nicht 
bis zur Mitte des Kirchhofs reihend; die nördliche Grund: 
mauer entjpricht etwa der des Umgangs; in Dften reichte 
die Kirche bis zur jegigen Marienfapelle. Sie war alſo etwa 
120 Fuß lang und 50 Fuß breit. Das Klofter der Brüder 
lag auf der Nordfeite der Kirche, und giebt die Straßenlinie 
im Schmerfotten feine Lage noch deutlih an, Den Garten 


ee; 


des Klofter haben wir auf der Oſt- und Südſeite der Kirche 
zu juchen, in dem Umfange, wie ihn die Grundfläche des 
jegigen Domes darlegt; und weiterhin lag ein Hain mäd): 
tiger Eichen und Buchen innerhalb der Grenzen des jegigen 
Dombofes. Es iſt dies eine Vermuthung, melde jchon der 
Anblid des jetzigen ſchönen Lindenhains uns nahe legt, 
welche auch darin eine Beitätigung findet, daß der ganze 
Raum unbebaut geblieben ift, und dort feinerlei Fundamente 
von Bauten fich vorgefunden haben. Die jegigen Linden 
des Domhofes jind im Jahre 1736 zum Theil neu gepflanzt; 
aber fait zwei Jahrhunderte früher, erzählt uns ſchon Ma: 
giſter Kerfienbrod von dem Domhofe als einem prachtvollen 
Haine mädtiger Eichen und Buchen. Aus dem Alter jolcher 
Bäume können wir folgern, daß Bäume und Hain jchon zu 
den Zeiten des Biſchofs Ludger geitanden haben, 

Bei Fundirung der Domkurie Nr. 38 vor etwa 20 Jahren 
traf man auf einen Graben, welcher obenhin etwa 10 Fuß 
breit war, und längs der Bankſtraße ſich hingezogen hatte; !) 
wir dürfen annehmen, daß ein folder Graben auf der ganzen 
öjtlichen und ebenjo auf der füdlichen Seite des Domhofes, 
außerhalb der jegigen Bank» und Poſtſtraße beftanden und 
ſomit bier den Abſchluß der Flöfterlichen Anſiedlung gebildet 
habe, mwährend diejelbe auf der Weit: und Nordjeite vom 
Bette der Aa begrenzt wurde. Hier boten jomit die jumpfigen 
Wiejen der Aa, und das aufiteigende Terrain, und ebenfo 
drüben der Grenzgraben auf der Höhe eine Schutzwehr, und 
wahrſcheinlich fehlte für die ganze Anſiedlung auch nicht ein 
umjchließender hoher Wall, wie wir ihn noch vielfach bei den 
Landesburgen der heidniichen Vorzeit erbliden. Eo bot der 
Ort Mimigerneford, in Mitten der heidniſchen, zum Theil 
feindjeligen Bevölkerung des Landes belegen, audh wenn 


1) 15 Schritt von der Straße, 8 Fuß tief unter der Erde, mit Bruch— 
fteinen ausgemauert. 


8 


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offener Krieg tobte, bei erneuerter Empörung wilde Rache— 
fahrten daherbraufsten, den frommen Miffionaren Doch immer: 
hin eine ziemlich fichere Zufluchtsſtätte. 

Diefen Ort wählte der h. Ludger zum feften Wohnſitz 
für fi und feine Klofterbrüder. Vom Kaifer Karl war ihm 
zuerft die Miſſion über fünf friefiiche Gaue, und jpäter aud 
über fünf Gaue der weftlihen Sachſen übertragen worden. 
Es waren dies die Gaue vom Drein, von der Stever, dem 
nördliben Moorland, dann Schöpingen und dem ſächſiſchen 
Hamaland in Weiten, welche im Ganzen das jpätere Münſter— 
land umfaßten. 

Ein zweites Klofter gründete Ludger um das Jahr 801, 
zu Werden im fräntiichen Hattuarier:-Gau, vielleiht in der 
Abjiht, in Zeiten des Krieges dort eine Zufludtsitätte zu 
finden. In feinem jehwierigen Berufe wirkte Ludger 11 Jahre 
lang als Briefter und Abt, dann jeit 804 als Biſchof der 
Diözefe. Er ftarb auf einer Miſſionsreiſe zu Billerbed. Sein 
Leichnam wurde nah Münfter gebracht und dort in der von 
ihm gegründeten Viarienfapelle jenjeitS des Fluſſes nieder: 
agejegt, bis er nach Werden überführt und an der von ihm 
jelbjt bejtimmten Grabesitätte beigefegt werden Tonnte.!) 

Die Thätigkeit der Nachfolger Ludgers in den nächſten 
zwei Jahrhunderten war der Belehrung der Heiden, der 
Gründung von Kirhen und Klöftern gewidmet. 

Im 5. 889 verjammelte Biihof Wulfhelm in Mimi: 
gerneford eine Synode der Prieiter, Diafonen und des ganzen 
Glerus feiner Kirhe; 53 Geijtlihe werden mit Namen ge 
nannt, ebenio 4 Grafen und 22 Edle; vor ben Grafen und 
dem ganzen Volke fchenkte der Biſchof feiner Domkirche, der 
Familie des h. Paulus, wie es in der Urkunde beißt, ein 
Erbe mit den Hörigen in der Billa Gibonbefi.?) Der Vogt 

) Chron. Monast. ap. Ficker; Urf. 834 capella S. Mariae trans 


aquas, Reg. 340; Nief. Ub. I, 317. 
?) Die Bauerjchaft Gievenbed bei Müniter. 


9 


des Kloſters empfing die Schenkung aus den Händen des 
biſchöflichen Vogts. 

Nach wenigen Tagen zog der Biſchof mit den Grafen 
und vielem Volke nach Olfen, und übertrug ſein dortiges 
Erbgut (den Uodil mit der Selihove) nebſt 30 nahe und 
tern belegenen Litenhöfen an das Kloſter Werden.) Der 
b. Ludger war, wie gejagt, der Stifter diejes Kloſters und 
deſſen erjter Abt. Nach der Trennung waren die engeren 
Beziehungen zur Kirche in Mimigerneford doch geblieben, 
wie die Schenkung Biſchof Wulfgelms zeigt. Um diejelbe 
Zeit beſaß aud das Werden'ſche Kloſter zwei Bejigungen in 
Mimigerneford felbft; von der einen zahlte der Hörige Wilmar 
6 Denare, von der anderen der Priejter Mieginger 2 Solibi, 
oder, wie er es entgelten fann.?2) Ein Priefter, in Mimi: 
gerneford außerhalb des Kloſters wohnend, ift allerdings eine 
befremblihe Erſcheinung, man könnte vermuthen, daß das 
Klofter Werden, welches im Münfterland viele hörige Höfe 
bejaß, dort zur Einfehr für die reifenden Brüder eine Woh— 
nung, welde, nad dem Pachtzins zu urtheilen, nicht unbe: 
deutend war, jih erworben, und dem Meginger die zeitige 
Benutzung gewährt habe, und weiterhin, daß dieſer Priefter 
an einer Kapelle, etwa ber Marienfapelle in Ueberwaſſer 
bejondere Obliegenheiten für die Anwohner zu beforgen hatte. 

Bon dem Orte Mimigerneford hören wir dann lange 
Zeit wenig oder nichts. Nach Berlauf eines Jahrhunderts 
aber muß die Bevölkerung ringsum erheblih angewachſen 
fein. Biihof Dodo (969—993) ſah fih veranlaßt, einen 
neuen, größern Dom zu bauen, an der Stelle und, abgejehen 
vom Chorumgang und den meitlichen Theilen, im Umfang 
des jeßigen Doms; er führte die Brüder in die neue Kirche 


N) Cod. dipl. 40. 
*) in quo potest. in andern Geldwerthen. Werd. H.R. bei Yacomblet, 
Zeitſchrift und Erecelius, 


10 


hinüber, wenn aud Manche von ihnen ungern die alte Kirche 
Ludgerus verließen. Man prophezeite, daß dereinjt die Brüder 
dorthin wieder zurüdfehren würden. Nah einem Jahrhundert 
ging ſolches injomweit in Erfüllung, als Biſchof Burkhard 
um 1110 in der alten Kirche wieder einen Gonvent von 
jüngern Brüdern ftiftete, welche dort dem gottesdienftlichen 
Leben und den Studien obliegen fonnten. Der Bilchof ge: 
dachte auch außerhalb der umſchloſſenen Kloftermauern eine 
bejondere Ludgerifirhe für die Ummohner von Mimigarde- 
fort, -— jo lautete damals der Name des Ortes — 1) zu 
ſchaffen, hatte den Pla dazu bereitS erworben. Aber die 
Beiten waren jchwierig, und jo blieb fein Plan beruhen. 

Biihof Burkhard?) war Kanzler der Kaiſer Hein— 
richs IV. u. V. und in deren Smiltigfeiten mit dem Papſte 
und den deutſchen Fürſten vielfach verflodten. Nach der 
Schlacht am Welfisholz (1115) zog der Herzog Lothar mit 
dem Heere der Sachſen nach Weitfalen und bedrohte Mimi: 
gardefort. Von einer Belagerung nahm er Abftand, nachdem 
von der Geijtlichkeit und den Winifterialen die eidlihe Ber: 
fiherung gegeben war, jie würden dem Eachjenbunde bei- 
treten, fall der Biſchof fich weigere, den Frieden mit dem 
Kaifer zu vermitteln. 

Der Ort Mimigardeford war jchon lange, wie wir er: 
wähnt haben, eine von Wall und Graben umzogene Burg. 
Bilchof Burghard aber hatte ihr neue Befeitigungen gegeben. 
Er ermeiterte die Burg, heißt es, und umgab te mit einer 
Mauer. Die Erweiterung über die Grenzen des Dombofs 
nad Diten, Süden und Weiten können wir durch die alte 
Burgmaner, deren Spuren in neuer Zeit an viele Stellen 
in der Erde blosgelegt wurden, nachweiſen. Auf der Nord: 


4) Die Penennung Mimigerneford reicht bis zur Mitte des 11. Fahr: 
hunderts. Diefamp eit. 
*) Hehelmann, Burchard der Rothe, Zeitichrift Bd. 26. 


11 


teite 309 fie ih, vom jegigen Markt abwärts, längs bes 
Abbanges zum Nikolai:Thor am Horiteberg und von da zum 
Spiegelthurm, dann längs der Wieſen der Abe zum Garten 
des früheren Apellationsgeriht3, und längs der fübdlichen 
Mauer des Haufes zum Thor in der Pferdegafle, dann zur 
Nüdjeite des Regierungsgebäudes und, deſſen öltlichen Flügel 
ausicheidend, zum Michaelisthor, und in derjelben Richtung 
bis zum Roggenmarkt.“) Hier auf der Dit: jowie auf der 
Sübjeite bot ein 32 Fuß breiter, tiefer Graben weitere 
Dedung. Innerhalb der Mauern auf den Näumen der 
neueren Erweiterung der Burg lagen jegt, neu errichtet die 
Häufer und Stallungen der Dienftmannen der Kirche, welche 
für den Fall des Kriegs mit Reiſigen und Pferden hier 
Aufnahme fanden. 

Die neue Burg mit Graben und Mauer, Thoren und 
Thürmen ausgeftattet, hatte jedoh ihre erfte Probe noch 
nicht beitehen können, da man den Frieden durch eidliche 
Verfiherungen zu erfaufen ſich genöthigt ſah. Schon nad 
wenigen Jahren drohte ihr neue Gefahr. Die Geiftlichkeit 
und Dienitmannen blieben mit ihrem Bilchofe Burghard vor 
wie nach kaiſerlich geſinnt, und ihre Liebe zum Kaijerhaufe 
wurde neu beſtärkt, als der Kaiſer zum Ende des Jahres 
1120 nah Mimigardeford fam, und hier das Weihnachts: 
feft feierte. Anderer Gefinnung aber war der nad dem Tode 
Burghards gewählte Biſchof Theodorih und jeine in diejem 
Sinne gethanen Schritte und Anordnungen waren Anlaß, 
dag Minifterialen und Geiftlichkeit fich al&bald verbanden, 
und ihn ſchmählich aus feinem Bilchofsfig vertrieben. Der 
Bifchof flüchtete zum Herzog Lothar und den Sachien, welche 
üch rüfteten, und mit einem großen Heere heranzogen. Als 
die Schaaren der Ritter und Reiſigen draußen jichtbar wur: 
den, e8 war am 7. Mai 1121 ergriff Schreden alle 


1) M. ©, Geieberg; vgl. Schaumburg Zeitihrift d. V. 


12 


Bewohner ringsum. Alles flüchtete und juchte Rettung in der 
Burg. Aber in Eleinen Hütten dafelbit brad euer aus, 
griff raſch um fich; alle Gebäude der Burg mit dem großen 
prächtigen Dome janten in Flammen nieder. Aller Kampf 
war damit beendet. Herzog Lothar hielt Gericht über die 
Empörer. Edle und Minijteriale führte er gefangen mit 
fih fort, das von Andern erhobene Löjegeld überwies er 
dem Bifchofe zur Heritellung feiner Kirche. 

In Folge diefes Brandes, der aud das Kloſter mit 
Refektorium und Wirthichaftsgebäuden in Aiche gelegt hatte, 
ſahen die Kanonifer fih gezwungen, inmittelft andere Woh— 
nungen auf der Burg zu juchen. In die gemeinjame Be— 
hauſung eines Klofters ſcheinen fie nicht zurüdgefehrt zu fein. 
Die Häufer der Dienftmannen und Anderer wurden nad) 
und nad vom Domkapitel eingelöjet und zu Wohnungen 
für die Domherrn — als domus claustrales — im innern 
Umfreije der Burg bergeftellt. Es bildete ſich damit die kirch— 
lihe JZmmunität, die Domfreiheit, welche außerhalb des 
Umfangs des alten Klofters, die Eurien der Domherrn und 
ichlieglih die ganze Burg umfaßte. Die Burg als Veſte aber 
hatte in Folge der zahlreichen Anfiedlung in nächſter Um: 
gebung ihre Bedeutung verloren. Zwar finden wir no in 
den Jahren 1142—1152 den biichöflichen Amtmann Wulf: 
hard, als einen Präfekten der Burg, als Burggrafen, aber 
Titel und Amt verjchwindet alsbald wieder, und im Jahr 
1169 ſchenkte Biſchof Ludwig die eine Hälfte des Burg: 
grabens, welcher der Burgmauer zunädjit lag, an das Dom— 
fapitel und an die anſtoßenden Wohnungen der Domberrn 
zur freien Nutzung. 

Eine hohe Mauer, melde in der Mitte des früheren 
Burggrabens, und auf der Welt: und Nordjeite am Abhange 
des Hügel! aufgeführt wurde, bildete mit den zwei Thoren 
Nikolai, SpiegeltHurm oder St. Georg, dem ſüdlichen Thore 
und MichaeliS die neue Grenze der Jmmunität. Im Um— 


13 


freife lagen die Wohnungen der Domherrn und bijchöflichen 
Beamten, wie des Villikus, des Droften und anderer Dienſt— 
mannen.!) Jenſeits des Dombofes lagen die beiden Kirchen; 
die größere Kirche (major domus) des hohen Domkapitels 
aber hatte durch Feuersbrunft unter Bilchof Erpo 1197 und 
Burdhard 1121 großen Schaden erlitten, und die Rejtauration 
unter B. Egbert genügte nicht. Da faßte Bilchof Friedrich 
den Plan zu einem größern Neubau und hatte jchon die er: 
forderlihen Baumaterialien berbeiichaffen laſſen, ala ihn der 
Tod übereilte. Bilchof Hermann II. (1174—1203) ariff den 
Plan mit voller Energie an. Auf der Weitieite erhoben jich 
raſch aus dem Grunde die ſtarken Mauern der beiden Thürme 
und die hohen Gewölbe des jogenannten alten Chores; als das 
ganze „Wejterwerf” vollendet war, ruhte der Bau.?) Dort 
in der Nähe auf der Nordweitjeite lag der bilchöfliche Hof 
(curia) oben auf der Höhe, der Palalt mit den Neben- 
gebäuden zur Aufnahme und Herberge der Gäſte bis zum 
Spiegelthurm abwärts, und von dieſen jüdlich die weiten 
Wirthichaftsgebäude und der Marftall. Biihof Hermann II. 
war ein gewaltiger Herr. Den Kaijer, welcher ihn zu feinem 
Kanzler ernannt, begleifete er auf mehreren jeiner Krieg$- 
fahrten; im Lande wußte er Frieden und Ordnung zu er: 
halten. In den Hallen feines Pallajtes jah er an feitlichen 
Tagen und zu öffentlihen Verhandlungen neben der hohen 
und niederen Geiftlichfeit häufig die Grafen und Dynaften 
des Landes, Bajallen und Dienftmannen, Beamte und auch 
vornehme Bürger der Stadt veriammelt. Hier am Orte, wo 
bisher nur die Lamberti Kirche neben den KHlöftern Marien 


2) Urk. 1206 domus G. de Saperode juxta aream Wulfhardi villiei 
U.B. 38; Urk. 1246 area G. de Sconenbeke (Afadentie) U.B. 457; 
Urf. 1268 domus Arnoldi filii dap. U.:®. 817; Urf. 1295 domus 
fratrum de Öfferhues (neben dem Ständehaufe) U-B. 1520; Urf. 
1379 domus tom Smerkotten, Kindl. M. B. 3. 

2) Chron. Monast. ap. Ficker. 


14 


und Maurig beftanden, ftiegen in rajcher Folge die Kirchen 
Ludgeri, Negidi und Martini und die Slapellen des Hospitals 
und Servati empor, fanden reichliche Ausitattung, und ihre 
kirchlichen Verhältniſſe wurden neu geordnet. 

Um die weit gedehnte Außenitadt ließ der Bijchof eine 
Mauer ziehen, er gab ihr Stadtrechte und eigene Verwaltung 
und Rechtspflege in beitimmten Grenzen. Es obliegt ung, 
das Nähere diejer Vorgänge zu ermitteln, aljo feitzuliellen, 
in welcher Weije bei den erjten Antiedlungen außerhalb der 
Burg, und fodann bei der fteten Zunahme der Bevölkerung 
die Rechtsverhältnifje der Anwohner ſich geitaltet, jo wie ein 
erftes Gemeinwejen in neuen feiten Grenzen jich gebildet, 
und unter bifchöflicher Oberhoheit zu einer freien Stadtver— 
waltung ſich entwidelt hat. 

Wir beginnen unjere Unterfuhung mit der örtlichen 
Lokalität und den Berhältniffen, unter welchen die eriten 
Anfiedlungen in dem Umkreiſe von Mimigardeford jtattfanden. 


II. Die Landſchaft und die eriten Anfiedler. 
Marken und Banerjchaften. 


In den Marken unjeres Landes gab es früherhin viel- 
fah größere Weiden und Waldungen, welche zur Nutzung 
für die umliegenden Anmohner frei oder abgeſchloſſen da= 
lagen; bei jeder Stadt, bei jedem Dorfe laſſen ſich jolche 
Gemeinheiten, die jog. Marfen im eugern Sinne nad: 
weilen. Aber die Geometer und Theilungscommijltionen der 
Neuzeit haben alles Land vermejien, vertbeilt, und faum der 
Name Hat ſich noch bier und dort erhalten. Auch die 
Bauerfhaften find faft verfchollen; noch dient ihr Name 
im SKatajter zur näheren Bezeichnung eines Gutes, und auf 
ben Spvecialfarten de3 Landes jehen wir innerhalb des fein: 
geiponnenen Netzes der Kreiſe und Gemeinden nod) das ver: 
blaßte Bild ihrer Namen; aber ihre Grenzen jind jchon zum 


15 


Theil unbekannt und verwiiht; alle Bedeutung haben jie 
verloren. Die Marken und Bauerichaften reichten früher 
bis tief in den jegigen Bezirk unferer Stadt hinein, und 
haben in älteiter Zeit, wie zu vermuthen fteht, ſie gänzlich 
ums und eingeichloffen. Da wir die erften Anfänge unferer 
Stadt zu erforfchen juchen, müſſen wir auf die Marken und 
Bauerihaften, ihre Bildung und fpätere Bedeutung näher 
eingehen. 

Der Präſident von Olfers (f 1861), in ſeiner Zeit 
ein reger Freund und ‚Förderer unjeres Alterthums— 
vereins, erzählte, wie er als Knabe noch mit vielem Ver: 
gnügen die langen Neiben des Rindviehes, vornauf die jtatt- 
liche weiße Kuh des Bürgermeiiters von Plönies gejehen 
babe, wenn fie am frühen Morgen vor dem Hirten Die 
Straße hinab und zum Ludgerithor hinaus getrieben wurden. 
Münſter war eine Aderitadt, bejaß zahlreiches Vieh und zu 
Zeiten betrieben jeine Bürger einen lebhaften Viehhandel. 
Däniihe Ochſen und Kühe, erzählt Kerjienbrod von feiner 
Zeit um 1570, jeien bier auf den Weiden fett gemacht, 
demnächſt nah Köln getrieben, und reicher Gewinn damit 
erzielt worden.!) Für die Zwede des Viehhandel3 dienten 
bejonders die vier Jahrmärkte zu St. Gereon, Laurentius, 
Clemens, Peter und Baui. Sie wurden gehalten vor den 
Thoren der Stadt, Jüdefeld, Ludgeri und Höriter, und das 
eine und ausgetriebene Vieh fand für die Nacht auf den 
ftädtiichen Weiden Aufnahme.?2) Es waren ſomit, ſowohl 
für die eigene Benugung al3 auch für den Handel in un: 
jerer Stadt die Viehtriften von großer Bedeutung. 

Wie groß der Beitand der Gemeinweiden im Umkreiſe 
der Stadt zu Anfange diejes Jahrhunderts nod) geweſen ilt, 


1) Kerjjenbrod, Einl. 8; Röchel Ehronif ©. 77. 

2) Kerfienbrod, Einl. 6; Urk. 1462, der Stoppelmarft vor dem Füde- 
felder Thor; Magdl. Hoſp. Fider Kopiar. 1771 Peter u. Pauls» 
viehmarft vor Ludgeri Thor, St.A. VII, 38. Wilkens I, 49. 


16 


ergiebt jih aus den Rezeffen der damals erfolgten Thei- 
lungen. 

Bor dem Ludgerithore lagen über den Bezirk der 
jtädtiichen Gärten hinaus weite Aderländereien, auf der Geift, 
im Dahl und im SHaferland, über 1200 Morgen groß. 
Sämmtlihe Hausbeiiger der Kirchipiele Ludgeri und Aegidi 
waren dort mit den umliegenden Colonen nad Einerntung 
der Frucht zur Hude berechtigt. 1) Weiterhin lag die Lodden— 
beide, ein Dijtrift Weide und Holzung über 2100 Morgen 
groß. In diefer Gemeinheit waren berechtigt der Erbdrojte 
mit dem Haufe Lütlenbed, 4 Erbe und 12 Kotten, jodann 
andere umliegende 22 Erbe und Kotten, ferner die Kämmerei- 
kaſſe der Stadt, die Kirche Ludgeri und die Eingefeflenen des 
Kirchſpiels Ludgeri.?) Es waren aljo bier die rings um bie 
große Gemeinheit wohnenden Grundbeſitzer, welche dorthin 
ihr Vieh zur Weide trieben; unberechtigtes Vieh wurde ge— 
Ichagt oder gejchüttet, wie man e3 nannte. Im Jahre 1750 
ließen der Erbdroite ala Herr von Lütkenbeck und Schüttherr, 
fowie die Wegemeifter des Kirchipield Yudgeri als Mitfchütts 
herrn eine jg. Aufihüttung des Viehes aus der Loddenheide 
vornehmen.?) Das weidende Vieh wurde auf dem gewöhn— 


2) Rezeß über die Hubdebefreiung der dortigen Ländereien, 1246 M. groß, 
v. 6. October, 1823 auf dem Landrath-Amte und der General» 
Kommilfion. 

2) Rezeß v. 5. Nov. 1824. In der Theilung, bei welcher dad Prinzip 
der Durchwinterung die Grundlage bildete, wurde dad Gut Lüditen- 
bed zu 30 Theilen, der fernere Grundbeſitz des Erbbrojten zu 121, 
die übrigen Erbe und Kotten zu 231, die Kämmerei zu 8%,, die 
Kirche uud Kirchipiel Qudgeri zu 4%, bez. % von 43%, Theilen an- 
geſetzt. Der Militär- Ererzier-Plat, 420 M. groß wurde damals 
vom Fiskus für 10508 Thlr. angefauft; er war Theil der Lodden⸗ 
beide, welche 2115 M. groß war. 

*), Stadt⸗Arch. VIII, 38. Ueber eine Cchüttung im 3. 1581 berichtet 
Röchel Chronik ad annum. 


17 
lichen Schüttehof ‚an der Twillen olim Müller Darfeld I) 
vorgetrieben, und nah dem Protofolle wurden 44 Stüd 
Rindvieh und 103 Schafe geichüttet, und ihre Befiger wegen 
unberechtigten ZTriebes in Strafe genommen. 

Zur Seite der Loddenheide jenſeits der Lütkenbeck und 
der dortigen Gehöfte eritredte jih die Schwering sheide, 
724 M. groß, vom Gute Klevorn bis nach Pleifter.?) Auf 
der andern Seite der Loddenheide jenjeit3 der hohen Geift 
dehnte jich die Salgheide, fait 1000 M. groß, bis zur 
Aa hin. Ihr Name deutet auf die alte Richtitätte, ſowie die 
anitoßende Dingbenferh.ide noch an die gemeine Dingitätte 
von Medlenbed erinnert.3) Zur Weide berechtigt waren hier 
11 Erbe aus Medlenbed, die Güter Feldhaus, Farwick, Althof 
Sentmaring und das Haus Geilt, welches die Skutikations— 
rechte in Anſpruch nahm, endlih auch die Eingeſeſſenen des 
Kirchipield Aegivii. *) 

Jenſeits der Aa lag die Sentruper Heide, allmo 
jeit Biihof Hermann I. Zeiten, die müniter’ihen Glerfen 
oder Studenten aljährlih unter grünen Laubhütten ihren 


1) Der Schüttehof, welcher feit 1670 den Namen Mühle-Darfelder Hof 
überfam, wird als Erbe Delitrup bezeichnet, welchen Namen die ganze 
Pauerihaft führt. S. D. W. Urf. 452 v. 3. 1185; vergl. Prozeh- 
Atten Domkapitel wider Erbdrofte 1726, p. 82, 78, 797 89 im 
St.“A. XII, 80. Der Twillen Kotten liegt bei Niehoff. 

2) Rezeß v. 4. Nov. 1826. Berechtigte: die Gitter Klevorn und Gral, 
6 Kolonate, 6 Kotten. 

s) Freiſtuhl von Mecklenbeck Urk. 1602 betr. Schulze Nordhof zu Gieven- 
bed. St.A. Haftfachen, Urk. 1282 im W. U-B. 3, 1202. 

9) St.Arch. VII, 35, 93. Nah dem Theilungsrezeſſe v. 21. Dez. 
1825 war die Heide nody 934 M. groß. Die Eingeſeſſenen von 
Aegidi erhielten nahe 130 M. Anſtoßende Gemeinheiten der B. 
Mecklenbeck waren: die Dingbenter Heide mit 68 M., der Wieden» 
hagen mit 619 M., vorn auf der Heide mit 20 M. und das Kettel- 
feld mit 63 M., weldjes auf 6 Jahre gebroden wurde und dann 
4 Jahre als Weide lag. nn 


XLVIL 1. u 2 


18 

Iuftigen Maigang feierten; !) an fie fchloß fi das Baken— 
feld und das Nünnigerfeld, zwei Gemeinheiten, melche 
alle 4 Fahre in Ader und Weide wecdjelten, jodann weiter 
bi8 Kinderhaus hin die Topheide mit dem Nienbrod, 
Theile des alten Idenbrocks, welches jchon im Jahre 1183 
urkundlich erwähnt mwird.?) Die Sentruper Heide und das 
Nienbrod waren Eigenthbum der Stadt Münfter; die Kuh: 
weiden des Kirchſpiels Ueberwaſſer aber lagen näher dem 
Frauenthore zu. ?) 

Dom Idenbroke zog ji das Heideland über Kinderhaus 
bis zur Ya hin, und jenjeit3 derjelben erftredten ſich bis 
zur Werje die Körderheide mit dem Bad Fidele, wo wir 
ald Knaben verbotene Schwimm: und Taucherkünſte übten, 
und weiter die Havidhorft: und Lehmheide, im Ganzen 
über 2300 Morgen groß; es waren Gemeinheiten, worin 
den anftoßenden Grundbejigern die PViehtrift zuitand, und 
Theile zur Matt, Plaggenmatt ausgemwiefen waren. In 
Körde ftand die Schütiung dem Haufe Körde zu; das Marken: 
richterthum wurde ihm beftritten; vom Haufe Havichorſt 
wurde das Skutifationsreht in der nach ihm benannten 
Gemeinheit ausgeübt. *) 

Näher zur Stadt lag die Piaurigheide, gegen 1500 
Morgen groß, welche vom Höriterthore bis zu dem Horne- 
fotten, der Diedburg, dem Hauje Grael und Stifte Maurig 


2) Röchel Chronik bei Janſen Di. G.Q. p. 192, Kerfienbrod Einl. 6. 

2) Urf. 1183 betr. dad Gut Spital, W. U.B. III, 485; das Haus 
ton Idenbrock, wahrjcheinlidy die Kuflenburg an das Leproſenhaue 
zu Kinderhaus geſchenkt, 1342 Urt. im St.Arch. XI, 247—50; 
Urt. 1390 bei Wiltens, St. Münfter U. 44. 

) Bon der Sentruper Heide, 129 M. groß, wurden 100 M. der Stadt 
zugetheilt I. Rezeß v. 24. Dez. 1825. Das Batenfeld war 386 M. 
groß, das Nünniger Feld 153 M., die Topheide 383 M., das Nienbrof 
150 M. I. Rezeß v. 17. Mai 1828 bez. 21. Det. 1825, 

) Rezeß v. 11. Des. 1829, Lehmheide 359 M., Koerde 1468 M., 
Havichorſt 477 M. groß. 


19 


ch ausdehnte.!) In einem Älteren Theilungsentwurfe aus 
der Mitte des vorigen Jahrhundert3 wurde der Vorjchlag 
gemacht, zur Dedung von Kirchſpielsſchulden der beiden 
interejiirten Bauerſchaften Werje und Kemper einige Abipliffe 
von der Heide zu verlaufen, andere den jchapfreien, Erben 
und nterejlirten für den Abgang an Hude und Plaggen- 
matt zu überweilen, und den dem Stifte Maurig als Erb: 
bolzrichter gebührenden dritten Theil nur zum vierten Theil 
anzujegen. Berechtigt waren das gedachte Stift, Die um: 
und einliegenden 12 Erbe und 20 Kotten, endlich auch die 
Eingejefjenen der jtädtiihen Kirchſpiele Vlartini und Lam— 
berti. Bei der Theilung vom Jahre 1824 wurden den 
legteren 36 Theile, etwa 1/ıs des Ganzen als Abfindung 
zugemiejen. 

Die kurzen, hier mitgetheilten Auszüge aus den Theis 
lungsrezeſſen reihen bin, ung einen Leberblid über die ganze 
Landſchaft, wie jie bis zum Anfange diejes Jahrhunderts jich 
daritellte, zu gewähren. 

Ein weiter Kreis von Gemeinweiden zieht fih rings 
um die Stadt; ein breiter Gürtel, der zwar über die nächſten 
Gärten und Ländereien hinausliegt, jedocd) längs der offenen 
Sanditraße bis zu den Thoren heranreicht, in der Art, daß 
den einzelnen Kirdhipielen der Stadt bejondere Weiden zur 
Nugung vorliegen. Die von und verzeichneten Gemeinheiten 
befafjen im Ganzen einen Compler von 6—9000 Morgen. 
Faſt Ale find jchließlih mit dem Namen Heide bezeichnet; 
doch zeigen mande Theile derjelben nod einen fruchtbaren 
Grund, und wir dürfen annehmen, daß vielfach die dort 
beitandenen Holzungen niedergehauen, und der Boden in 
Folge der PBlaggenmatt und Biehtrift den Charakter einer 


ı) Im Xheilungsrezeife vom 28. Ian. 1824 wird die Größe zu 1391 
M. angegeben, in dem ältern Theilung»Entwurfe (DM. S. Hammer) 
zu 350 Malt Einjaat das Scheffel zu 60 Rhein. Quadratruthen 
gerechnet, alſo 1466 M. 


2* 


grünen Weide oder öden Heide angenommen hat. Es waren 
weithin geitredte offene Flähen, von Bauern: Erben und 
Kotten rings umſchloſſen. Mit den Bauerfchaften dedten bie 
Gemeinheiten ſich nicht; fie lagen vielfach zwifchen denjelben ; 
Bauern von Kemper und Werje waren an der Maurigheide 
betheiligt, und an der Loddenhaide Mande von Delitrup, 
Geiit, Angelmubde und Hiltrup. Berechtigt an denjelben 
waren ftet3 nur die umliegenden Colonate. Es waren eben 
Gemeinheiten, deren Eigenthum und Nußung nur den be= 
ftimmten Hofesbejikern zuftand, melde jonad) jelbitändig 
ihre gemeinjamen Angelegenheiten zu ordnen hatten. Dieje 
Verwaltung war freilich einfaher Natur; wir hörten nur 
bei einzelnen Heiden noch von einer Aufichüttung des Viehes 
und dem Sfutifationsrechte des Haupthofes. Nur auf Mauritz 
finden wir nod den alten Namen eines Markenrichters; das 
Amt eines ſolchen ftand bier dem Kapitel des Stiftes 
St. Maurik zu, wegen feines Haupthofes Kampvordeöbele, 
von welchem aud die Gemeinheit früher den Namen der 
marca Kampvordesbeke führte.) Das Kapitel wird bier 
auch als Erbholzrichter bezeichnet. Weide und Holzichlag 
waren die hauptſächlichen Nußungen der Marken; deßhalb 
wird auch der Markenrichter bier zu Lande vielfach als Holt: 
greife und die Verſammlung der Markgenoſſen als Holtding 
bezeichnet. Die Markgenoſſen heißen Marfnoten oder Erberen,?) 
und die für die Mark geltende Rechtsordnung, wie jie nad) 
Herbringen und Gewohnheit feitgeitellt war, hieß der Marke— 
Koer oder der Erberen:Koer.?) Es war eine Willfür, eine 


m — — — — 


1) 1369 marke de Kamperdesbeke, bei Willens Umg. M. Rro. 15. 

2) Ein Wort, abzuleiten von Erbe und Efifo = Eigner; egan — eigen. 
Aber Grimm, RU. 504 deutet: Erb⸗Axte. 

®) Bgl. Urk. 1339 für die Mark von Ditbevern wird vor dem Gografen 
und Holtgrafen der Mark, ſowie den geichworenen Scharmannen von 
den Diarfenoten ihr altes Recht und Willen verlautbart; Kindl. M.:B. 
3, 142. 


21 


Vereinbarung zunächſt über die Theilnahme an der Mark 
jelbjt, über die Viehtrift und die Schüttung, über die Matt 
und Brade und den Holzichlag, über die Grenzen der Marf 
und deren Sicherung. Das Alles beriethen und beichlojien 
die Marknoten mit ihren Markfrichtern.!) Bildete demnach 
eine ſolche Mark eine enge Berbindung der Ummohner, eine 
Corporation, welde durch ihre Markenordnung feit geregelt 
und gegliedert war, jo kann nan vielleicht auch in ihr die 
Grundlage einer Gemeinde erkennen. Es legt jih uns bie 
Frage nahe: Sind wirklich denn die Ortjchaften, Gemeinden 
und Städte aus ihr entitanden’ 

Wir lajjen indeß dieje Frage vorerit no ruhen, und 
juchen feitzuftellen, in welchem Berhältniffe die Marf und 
Markgenoſſenſchaft zur Bauerichaft jtehe, welche wie fie, einen 
Fleinern Kreis von Landbewohnern umſchließt. 

E3 war im Jahre 1449, ala Dietrich Node Beſitzer des 
Gutes Feldhaus einen ihm bequem gelegenen Weidegrund 
von der Galahaide mit Dornheden, Gräben und Wal um: 
ziehen ließ und jeinem Gute zueignete. Das wurde ruchbar 
in der Stadt, und acht Parochianen von Aegidii nahmen 
der Sade jih an, und wandten jich beichwerdeführend an 
ben weltlichen Richter, um, wie fie jagten, ihr Weiderecht 
zu wahren, welches jie bejejlen hätten, jo lange Münſter 
beitehe. Der Burrichter jeßte dem Verflagten einen Ge: 
rihtsiag, wo dann mit den Markgenoſſen und unter Billigung 
ber Deputirten de3 mitinterejlirten Domtfapiteld und der 
Stadt für Net befunden wurde, daß jener Weidegrund zur 


1) Wir vergleichen eine Urf. v. 3. 1253, worin dem Klofter Groß— 
Buerloe die Mitnugung der Marf bei Winterswick geichenft wird. 
Biſchof Dtto jagt: ad petitionem nostram nobiles viri, — milites 
— et alii quamplures, quorum haereditates circa sitae sunt, 
fratribus de Buerloe usum miricae ejusdem communitatis, quae 
vulgo marke dieitur, — contulerunt, — nobis cum communitate 
beneplacitum ibidem agentibus. — C. D. W. 3, 1738, 


22 





Gemeinheit gehöre und Node zu Unrecht fich denjelben an- 
gemaßt habe. Da zogen denn am folgenden Morgen die 
Kläger und eine große Menge der Parochianen von Aegidii, 
mit Aexten und Schaufeln bewaffnet, heraus, erhoben an 
Drt und Stelle zuerjt vorſichtig durch ihren mitgebracdhten 
Notar einen Proteit, daß fie feine Gewalt oder Beleidigung 
des Rode beabjichtigten, jondern nur gemäß des geiprochenen 
Urtheils ihr Weidereht wahren wollten, und nun gings an 
die Arbeit. Es wurde gehauen und geichaufelt, bis Heden, 
Graben und Wälle verichwunden, und Alles wieder eingeebnet 
war. Als dann der Node herbeifam, fein Unrecht befannte, 
und nur noh um die Erhaltung eine® Zaunes in einem 
Winkel bei feinem Haufe bat, wurde jolches in Gnaden ihm 
zugebilligt.?) 

In vorliegendem Falle, wo über eine Verlegung ber 
Mark unter den Betheiligten fih Streit erhob, war es der 
Burrichter, welcher als weltlicher Richter die ftreitige Sache 
vor fein Gericht zog. Er ließ aljo durch die Markgenoſſen 
die Grenzen der Mark und deren Verlegung feftitellen und 
verkündete jodann das Urtheil.?) 

Am Stuhle zu Sandmwell wurde im Jahre 1510 als 
Herfommen feitgeltellt: Ein Bauerrichter richte nad) Bauer: 
recht und Koer, und ein Holzrichter jolle richten nah der 
Marke: oder Erberentoer; fie richten nicht höher als zu drei 
Zeiten, jederzeit zu 5 Schilling. Der Gogreve, unter dem 
fie geleffen jind, jei ihr Oberrichter,; Bauerrichter und Holz- 
richter feien des Gogreven Schulteten. Sie richten nicht fürder 
als nach Bauerreht und der Warte: haben ſie darüber ein 
Gebrechen, fo jollen fie fi) berufen an das Gogeriht, und 
wenn ste bier ein Gebrechen haben, weiter an den Stuhl 
zu Sandwell, al$ oberites Gogericht des Etifta von Münfter.3) 

’) Urt. 1449 im Stadt⸗Arch. Grotgeh Armen. 


2) Vol. Urt. 1839 cit. oben p. 20, 
) Urf. 1510 im Vereins-Archiv M. ©. 147. Urk. 1247 das Holting 


23 

Das bier erwähnte Bauernrecht beſchränkt jich innerhalb 
des Bezirks der Bauerihaft auf Wege und Stege, Wafler: 
Hüffe, Grenzen, Gutszugehör und dergl. Feldjadhen, ſoweit 
es auf Beiig und Brauch ankömmt. Eine Bauerfprade ift 
die gerichtliche Vernehmung der Bauern über ihr bäuerliches 
geltendes Recht. !) 

ALS im Jahre 1504 beim Gogerichte Warendorf über 
die Kompetenz des Gografen und des Freigrafen, in bejonderen 
Feld: und Wegeſachen Recht zu iprechen, ſich Zweifel erhoben, 
brachte der Stuhlherr dieje Frage vor das gemeine Land 
und ließ im Goding dur die Bauerrichter und Bauern ein 
Urtheil über das geltende Necht finden, und daſſelbe durch 
den Eid der ſämmtlichen 13 Bauerrichter befräftigen.?) 

Die Bauerrichter, ericheinen hier als die Vertreter der 
Bauerjchaften. Sie waren aber auch verpflichtet, den Go: 
grafen in der DVermaltung des weiten Gerichtsbezirks zu 
unterftügen; deßhalb wurden jie vorhin Schultheißen des 
Gografen genannt. Wenn die Zeit des gemeinen Godings 
nahe war, entjandte der Bauerrichter feinen Botheuer, den 
Bauerboten, welcher in der Buer von Haus zu Haus eilte, 
über die Thüre Hineinrief: „Wege bettern, Rüens Tnüppeln, 
up de Dingbänfe kumen,“ — und eilenden Fußes weiter 
lief.3) Der Bauerrichter führte jodann feine Buer zur Ding: 
ftatt. Wurde aber das gemeine Land aufgeboten zur Abwehr 
von Feinden, oder zur Verfolgung von Räubern und Ber: 
brechern, jo berief,der Bauerrichter die fähige Mannſchaft 
feiner Buer und führte jie heran. Als die Wiedertäufer 1535 


und Wolting des Hofes Boklo wurde an Steinfurt übertragen, doch 
ohne’ das Burgeriht. M. U.B. 481. 

I) Landgerihte- Ordnung von 1571 (III, 11), welche jedoch theilweife 
neuerede Recht enthält; jte jagt, dad Bauerrecht gelte nur für 
Bauerleute. 

2) Urf. 1504 im Vereins⸗Arch. M. 147. 

) Nach mündlicher Erzählung des Präfidenten v. Olfers. 


24 


in Münfter belagert wurden, zog man Ummallungen rings 
um die Stadt, eine engere, wo die Landsfnechte lagen, und 
eine weitere zur Bejegung durch die Bauern. Da wurde ges 
Ihanzt; Erdhütten wurden errichtet, Wege geebnet, Zufuhren 
mit Wagen und Pferden geleitet. Das Alles war Sade des 
gemeinen Zandes, der Gografen und Richter mit den Bueren. 
Auch in fpäterer Zeit im 17. Jahrhundert, als durch fürft- 
liche Epdikte eine Art Landwehr eingerichtet wurde, und die 
mwaftenfähigen Mannjchaften unter dem Commando des 
biſchöflichen Führers allionntäglih ihre Uebungen hielten, 
da führte noch jeder Buerrichter feine Buer, und ein eigenes 
Kurzgewehr war jeine Auszeichnung. !) 

Die Bauerfchaft oder Buer war nad) dem Gefagten, 
wie auch Ichon der Name andeutet, ein Verband jämmtlicher 
Bauergenofjen, ein Collegium, Coneivium, wie es in latei- 
niihen Urkunden heißt.?) Sie entſpricht ganz der Buerscap 
des Sachſenſpiegels, des um 1230 niedergejchriebenen Rechts 
der Eadien.3) Wir fünnen fie auch als eine Art Gilde be- 
zeichnen und lernen bier noch eine gejellige Seite derjelben 
fernen; denn wir hören mehrfach von Bildehäaujern au dent 
Lande, und ebenjo von Gildebieren, d. h. gemeinjamen Mahl— 
zeiten und Gelagen, welche alljährlich in der Bauerſchaft von 
einem Erbe zum andern wechſelten.) Diejelben waren wohl— 


1) Münft. Edikte von 1637 und 1727 bei Scotti 102, 317. 

?) Urt. 1299 collegium Wyrte, ®. Gemenwyrthe, im W. U.B. 3, 
1636 Urf. 1333 coneivium Tynge, bei Echopingen, in Wiltens, ©. 
d. Hr. von Steinfurt. Urt. 1503 corpus sive collegium coneivii 
sive burscapii — in Horſtmar; Kindl. Hör. ©. 341. 

8) Sachſenſpiegel II, 86; I, 2, 4, 13; I, 68, 2; II, 64, 11; II, 55. 

*) Urf. 1609 Gilde in den Bauerichaften von Lüdinghaufen; in der 
B. Perdtorp Stand damals die Gilde am adligen Haufe Kakersbeck; 
in B. Perenbrof war fie jeit 50 Sahren nicht gehalten; bei Kindl. 
MB. II, Nro, 236. Verbot der Gildebiere in der Gem. Land» 
ordnung von 1571, X WU. 14, 16, 18, — Gildehäufer gab es in 
MWilmsberge, Darlar, Rorel, Waltrup, Greven, Schöpingen, Billerbed, 


nn 


geeignet, die Genoffen, welche Laiten und Mühen im Laufe 
des Jahres gemeinfam getragen hatten, im engeren Kreiſe 
einmal in fröhlicher Luſt zu erheitern, und das Band nad): 
barlicher Freundichaft enger zu knüpfen. Non einer jchönen 
Sitte wird uns auch berichtet, welche an eine feite Kirchliche 
Grundlage erinnert; die Gildegenofien jpendeten für Die 
Armen ein gemeines Almojen, und nahmen Theil an den 
Leichenbegängnifjen ihrer Mitglieder. }) 

Die "Gilden oder Bauerichaften mögen in ähnlicher 
Faſſung, wie wir fie geichildert, ſchon ſehr früh beftanden 
haben. Aber die Urkunden des 12. und früherer Jahrhunderte 
geben ung über ihr Wejen nur jehr dürftige Andeutungen, 
welche wir jpäter vorlegen können. Borerit haben wir noch 
die örtlihe Lage und die Beichaffenheit derielben näher in's 
Auge zu faſſen. 

Die Bezeihnung Buerjcap finden wir zuerit in einer 
Urkunde v. 3. 1187,2) jeitdem allgemein hier auf dem Lande, 
und ift diejelbe auch in Ortichaften und Städten, 3. B. Nien: 
borg, Dsnabrüd, Soeft, Paderborn, Yübed übernommen. In 
Münſier giebt: es von Alters her Yerichaftenz legio ift in 
Urkunden die lateiniihe Bezeihnung der Bauerjchaft.3) Im 


Olfen u. ſ. w. Sie dienten für Verfammlungen, als Richtplag und 
zu andere öffentlichen Zweden, und ericheinen unter den Namen: 
Gildehus, gymnasium, theatrum, Spilhus. Weſtf. U.B. 3, 1670, 
und bazu der Ercurs von Wilmans im Nadjtrage p. 950, und 
Addit. Nachtr. p. 135. Wilmans will in der Gilde eine politische 
Anftitution erfennen. 

2) Urk. 1258 Konverfe des Klofters Liesborn auf Laiengütern werden 
vom Goding und den Mahlzeiten — geltscap — entbunden. W. 
U.B. 3, 636. 

- 2%) Urf. 1187 homines de villis omnes his collegiis id est burscapiis 
attinentes, bei Möfer. Osnabr. ©. Urf. 84. 

8) legio, leescap Chron. Mon. ap. Ficker p. 216—217. legio in Urf. 
1241 W. U.B. 3, 389 Note 7; Urk. 1285 W. U.B. 3, 1283; Urk. 
1281 collegium vulgo leescap, W. U.B. 1139 mit Ercurs von 


ai 


ganzen öftlichen Sachfenlande galt die Buerjcap des Sadjen- 
ſpiegels, dagegen iſt in unlerm weltlichen Nachbarlande das 
Land nad Honichaften geteilt, und der Name zeigt uns bier 
die Scheidegrenze zwilchen dem Sachſen- und Franfenland.!) 
Das ältere Heberegifter des Stifts Fredenhorit, im 10 Jahr: 
hundert in deutſcher Sprache abgefaßt, Fennt feine Buerfcap; 
es führt für alle Bauerichaften nur den Namen der Tharpa, 
ein Wort, welches noch im jegigen Dorf und der Anhäng- 
ſilbe „drup“ bei den Namen vieler Bauerjchaften, aber auch 
bei Einzelhöfen ſich erhalten hat,gwie in Hiltrup, Sandrup, 
Dendrup, AMdrup, u. f.?) Dafjelbe gilt von der Bezeichnung 
Wil, z. B. Haus Wil, Holtwil, Oſterwik. Tharpa und Wil 
dienen bier alfo namentlih auch als lokale Bezeichnungen 
von kleineren Bezirken, ebenjo wie das lateiniſche villa in 
den um das Jahr 900 aufgeftellten Werdener Heberegiftern 
und in lateinifhen Urkunden) jener Zeit.3) Mit Hülfe]der 
gedachten Regifter und anderer Urkunden ift es uns möglich, 
die alten Namen der Banerichaften unferes Landes faft überall 








Milmand, Die Ledart letscap und die villa Tedscipi der Urk. 1022 
C. D. W. 1086 deuten wie die agri lediles auf die Hörigen, liti, 
lathi, laeti. 

2) Das Franz. Dekret v. 14. Nov. 1808 verzeichnet die Gemeinden bed 
Niederrheins als Honſchaften. Nach einer Aufzeichnung v. 3. 1555 
zerfiel das Fürft. Perg in Aemter, diefe in Landgerichte mit je einem 
Dingſtuhl, zu welchen 3—8 Honſchaften gehörten; Lacomblet, Arch. 
B. 1 Anl. 17 und überhaupt daſ.S. 209. 

2) Friedländer, die Heberegifter des Klofters Fredenhorft 1872; ©. 17, 
25 ff. 

2) Lacomblet, Archiv II, p. 209. Crecelius, collectae 1864, 1869. 
Eine Urk. Biſchof Siegfrieds (um 1022) benennt 70 villae, Pauer- 
ſchaften, von welchen etwa 12 ſich zu Kirchdörfern entwidelt haben, 
Cod. C. W. 1035; cf. daf. 40, 61, 155, 261 u. f. Der Hermbof, 
Haupthof heit: curtis, curia. Vielfach werden in Urkunden die 
Pauerichaften einfach mit ihren Namen aufgeführt oder als loci zu- 
fammengefaßt; in andere, befonders in Gebirgsgegenden entipricht ihr 
die Dorfbauerfchaft und das Dorf. 


27 
noch feitzuftellen. Wir wählen für unferen Zwed die nächſte 
Umgebung unſerer Stadt. 

Da liegen im Umkreiſe die Kirchdörfer: Handorf, Angel— 
modde, Hiltrup, Amelsbüren, Albachten, Roxel, Nienberge, 
Kinderhaus, und innerhalb dieſes Kreiſes die Bauerſchaften 
Cörde, Kemper, Werſe, Delitrup, Geiſt, Meflenbed, Gieven: 
bed und Uppenberg. Das Werdener Heberegiiter, welches Die 
Lage jeiner Colonate durch den Namen der Villa näher be- 
zeichnet, nennt ung in diefem Kreije: Mimigerneford, neben 
demielben Kumpa (Haus Kump an der Aa) ebenjo ein 
Dorfeldon und Sunnobrunnon diejjeit3 der Angel und des 
Emmerbachs;) eine Urkunde v. J. 889 nennt die Villa 
Gibonbefi, eine andere v. J. 1022 die Villen: Bleifter, 
Uppenberg, Körde, zwei Sandrup, zwei Gelmer, eine v. J. 
1298 nennt Judefelde.?) Manche von den bier genannten 
Bauerichaften jind jetzt verichwunden; die B. Pleiſter ging 
in B. Werje auf, Dorfeldon in Angelmudde, Sonnenborn 
in Dorf Hiltrup, Kump in Gievenbed, Judefelde in Uppen: 
berg;3) Sandrup und Gelmer bieten nur noch je eine Bauer: 


») Das Domkapitel beſaß in der B. Darfeld den Althof, Nienhof, die 
Mühle und zwei Kotten; Liber Rotgeri, 1317—60 bei Niejert, U. 
©. 7 p. 543; Sonnenbom ein Quell bei Hiltrup; ein Colon dafelbft 
hieß Hille. a 

®) rk. 889 C. D. W. 40; Urf. 1022 C. D. W. 1086; vgl. Tibus 
Gründunga-Geih. S. 397; Urt. 1298 W. U.B. 3, 1625. 

°) Die villa Uppenberg, 1022 der Kirche zu Coerde zugewieſen, jcheint 
nur den nordöftlichen Theil der jegigen B. Uppenberg befaßt zu 
haben; dem übrigen Theil die B. Judefeld. Urf. 1289 (U.B. 1625), 
die Prafinghove, nahe beim Nubbenberg, lan in der B. Zöddefeld 
laut Lehnsurkunden von 1701, 24, 28, 33, 65, 83, 1802. In der 
Nähe liegt der Hof Rotgermann. Bon Kapitel des alten Doms er: 
warb deſſen Droite Engelbert von Dedenbrof ven mansus Uppenberg 
oder Rotgerink situs Uppenberge, Urf. 1288, 1295 im U.B. 1359, 
1518. In der Urkunde feined Enteld Weflel vom 3. 1350 wirb das 
Gut als in der ®. Züdefeld belegen angegeben. Stadt-Ardh. XVII, 
4; Holjenbürger, die Herrn von Dedenbrot S. 11, 15, 89. „In der 


PER 


ichaft. Daſſelbe Verhältniß finden wir bei vielen andern in 
den Heberegiftern und Urkunden uns genannten Villen. Ihre 
Zahl war aljo viel größer als in jeßiger Zeit; vielleiht um 
1/4 mehr, jo daß wir im Miünfterlande jtatt 600 Bauer: 
Ichaften früher mehr als 700 zählen Fönnen. Jede derjelben 
würde, wenn das ganze Yand auf 100 Quadratmeilen ans 
gelegt wird, etwa 1, [|M. oder 3000 Morgen im Durch— 
Ichnitt groß jein.!) Ihre Bevölkerung war natürlich wechjelnd 
nad Lage der Zeiten, aber die größeren Colonate mit ihren 
Gehöften, welche meiltens von einem Graben umzogen, in— 
mitten der Ländereien, Wieſe und Wald belegen find, reichen 
wohl jicher bis in die älteite Zeit hinein. Ihre Zahl in jeder 
Bauerjchaft mögen wir auf 10 bis 20 feßen, abgejehen von 
den jonitigen abgezweigten Kotten, und ihren Umfang auf 
100 bis 200 Morgen im Durchſchnitt.?) 

Was die örtliche Lage der Bauerfchaften betrifft, fo find 
Berg und Thal, jowie der Lauf der Flüffe und Bäche bier 
vielfach entjcheidend. In unferer Nähe ſehen mir die von 
den Baumbergen kommende Aa den Höhenzug, mwelder in 
der hohen Geilt und dem Kinderhäufer Eih zu Tage tritt, 


Sodevelder Aurjcap“ lag die Paftorat Kinderhaus, die Häufer Jo- 
hanning, Krumvinger (Weithues), Rotgermann, Erdmann, große und 
lütfe Zodeveld, Hof Gaſſel, Meſſing, Echulte Brüning, Wiltinghege, 
Hartmann, Hebe-Reg. Kl. Ueberwafjer bei Tarpe C. F. W. III p. 82, 
91 vom J. 1491 bj. 1388. 

3) p. Dlfere, Ortsverzeihnig MS. des Vereins. Das Münfterland, 
d. h. der Reg.Bezirk ohne Recklinghauſen und Tecklenburg hatte 
662 Drte und Bauerichaften. Vgl. Eigiemumd, topogr. ftatift. Dar- 
ftellung des RB. Münfter 1819. Das Münfterland faht 101 Qu. 
Meilen und 2,233,854 Morgen. 

2) Nah Sigiemund beläuft fi) die Zahl der Wohnhäufer in den 
Pauerihaften auf 6—10), burdichnittlid 30—50. Sm J. 1609 
betheiligten fi) an der Gilde in der Bauerſchaft Elvert 17 Erbe und 
6 Kotten, in ®. Prodtrup 16 Erbe und 15 Kotten, in B. Alden» 
hövel 28 Erbe und Kotten, in B. Brochtrup 16 Erbe und 6 Kotten, 
in B. Weitrup 15 Erbe und 2 Kotten, Kindl. M.B. 3, Nro. 236, 


249 


quer durchſchneiden. Zahlreiche Bäche ergiegen jih zur Ya, 
wie die Medlenbede, Gievenbede, die Lilienbede, der Mühlen: 
bach und Kinderbah und ebenjo zur Werje hin die Lüdiken— 
befe, die Angel und der Emmerbad. Suchen wir nun die 
Grenzen der einzelnen Bauerjchaften, jo liegen die B. Kump, 
Gievenbed, Füdefeld, Uppenberg am linken Ufer der Aa; 
gegenüber auf dem rechten die B. Medlenbed, Geiſt, Mimi: 
gerneford, Kemper, Körde; überall bildet die kleine Aa hier 
die Grenze; ebenjo grenzen die B. Sonnenborn, Darfeld, 
PBleifter, Werje an den Emmerbach, bez. die Angel und die 
Werſe. Vom alten Mimiaerneford, melches von ſechs der 
genannten Bauerſchaften, nämlich Gievenbed, Jüdefeld, 
Kemper, Delitrup, Geiſt und Medlenbed umſchloſſen wird, 
laufen wie Strahlen mehrere alte Landftragen oder Königs: 
wege aus; dirjenigen, welche nad) Horftmar, Greven, Wolbed, 
Albersloh führen, bilden nebit dem Flußbette der Aa die 
innern Grenzen jener Bauerichaften, nad) außen fällt die 
Grenze mitten in die Marken und durchichneidet diejelben. 
Wir nennen die Marten Kampersbefe oder Maurig, Loddenz, 
Galgheide, Sentruper Heide und das Balenfeld. Nach ihrer 
Lage drängen ſowohl die Bauerſchaften als die Marken ſich 
bis in die Nähe des Eleinen Mimigerneford, und bilden 
gleihjam defjen Vorland. In jener Urzeit find beide jedod) 
jelbjtändige Kreile, in der Lage, daß die Bauerichaften bald 
die Marten umschliegen, bald von ihnen durchſchnitten werden. !) 
Eritere werden meiltend von feſten Naturgrenzen umzogen; 
legtere fchließen mit dem Commpler der einzelnen berechtigten 
Golonate ab. Hier im Kreife der Golonate liegt die offene 
freie Mark; dort in den Banerjchaften liegen die Colonate 
mit den FKotten rings zeritireut, doch vielfach enthalten fie 
auch näher zufammenliegende Häufergruppen, gleichſam als 


2) Urf. 1115, proprietas in villis et mercan. C. D. W. 87 u. 11, 


30 


feften Kern, und unjere offenen Dörfer mögen vielfah aus 
ſolchen ſich entwidelt haben. 

Soldy’ ein Kern erjcheint uns in feiner Umgebung dem 
eined Sternhaufens oder Sternnebels ähnlich, während die 
Marken mit den im Kranz fie umichließenden Gehöften uns 
ebenjo als Nebelringe erjcheinen müfjen, welde in nod 
größerer Ferne dur das Sterngebilde und die Sternnebel 
hervorleuchten. Es hindert uns nicht mit dem ganzen 
Eifer eines Aſtronomen uns in diejen Sternhimmel zu ver: 
tiefen, der Entitehung dieſer eigenthümlidhen Bildungen auf 
diefer Erde und deren Entwidelung nachzuforſchen und ein 
Bild von den eriten Aniiedelungen Hier zu Lande in furzen 
Zügen zu entwerfen. 

Bei manchen Bauerfchaften fällt es auf, daß diejelben 
von einem größeren Haupthofe den Namen führen. Zur 
Bergleihung führen wir an, bie ganze B. Püningerhoof 
beitand aus dem großeu Schulzen- und Amtshofe Püning, 
zwei Colonaten gleichen Namens und dem Kotten des Bots 
heuerd. In andern Bauerichaften finden wir denfelben 
Namen bei zwei Kolonaten, 3. B. in B. Averdung, in ®. 
Südefeld, ein groß uno klein Jüdefeld u. f. erfahren aud, 
daß von größeren Höfen vielfach kleinere abgezweigt wurden, 
wie ſchon die vielen Kotten darıhun.!) Aus joldhen Beiipielen 
fönnte man die Vermuthung jchöpfen, daß allgemein von 
jolden Haupthöfen die kleineren abgejplittert find und mit 
ihnen den Verband der Bauerſchaft gebildet haben. Aber 
einen bejtimmten Nachweis vermag ich nicht zu führen. Bei 
den meilten Bauerichaften widerſpricht ſchon die einfache 
Thatſache, daß in dem weiten Bezirk wie jchon erwähnt iſt, 
eine Zahl von 10 bis 20 und mehr größeren, unabhängigen 
Colonaten zeritreut umberliegen. Für eine erjte Anjiedlung 


) z. B. Ur 1270 de tribus casis fundatis de curte Kaldenhof, 
Schulze Kaltyof, b. Nienberge W. U.B. 3, 850, 


31 

legt fih uns überhaupt die Anfiht des Tacitus in feiner 
Germania näher, wo er jagt: Sie Jiedelten dort, wo ihnen 
ein Wald, ein Feld, oder eine Quelle gefiel. Die Ufer der 
Bäche boten ihnen Waſſer, Wiefe und fruchtbares Land; es 
grenzten Wald und Heide. Nachbarlich jiedelten auch Manche 
längd des grünen Ufers, und dieſſeits und jenjeit3 Des 
Baches lagen ihre Heimjtätten zu einer Gruppe vereint. So 
bildeten jich wohl jene Häufergruppen, von melden mir 
ſprachen. Während hier überall ein regjames Leben ſich 
entwidelte, lag der Wald und die anitoßende Heide noch im 
ftilen Schweigen da. Doch auch bot der Waldesrand Schuß 
für ein Heine Heim; für Pferde und Rindvieh fand ſich 
bie jchönite Weide, man fiedelte hier und dort rings um den 
Wald, und um die offene Heide, und trat nun in Berührung 
mit den umber und jenjeit® belegenen Anbauern, welche 
ebenfall3 ihr Vieh dort meideten und ihr Holz dort fällten. 
Es bildete jih unter ihnen eine Art Gemeinfchaft, welche 
Ipäter, als der Kreis von Anfiedlern rings um die gemein: 
ſame Mark geichloffen war, als ein enger Verband fich dar: 
ftellte. Die umliegenden Beliger, welche nach langer Gewohns 
beit allein die Waldung und Weide benugt hatten, mußten 
unter Ausſchluß der weiter belegenen als einzig Berechtigte 
ih anerfennen,, und endlih unter einem jelbitgewählten 
Richter feite Normen über die Sicherung, Verwaltung und 
Nugung der Mark aufitellen. So erklärt ſich einfach bie 
Bildung der Markgenoſſenſchaften. Es ilt zwar zunächſt nur 
ein Phantaſiebild, welches wir uns hier entwerfen; aber in 
ben Rezejlen über die Theilung der Gemeinheiten aus jüngiter 
Zeit, deren wir früher gedachten, erkennen wir doc die 
volle Realität der ganzen Erſcheinung, in ihrer alten eins 
fahen Organifation, 

Aber vergebens fragen wir noch, wo iſt denn ba bie 
Bauerichaft, die Billa? Wie vermögen wir ung die Einigung 
der zerjtreuten Anjiedler zu einem engen Verbande, und wie 


32 


die Begrenzung der kleinen Bezirke zu erklären? „Dann 
muß ih fideln nod einen Zug”, jagt der Märchendichter. 
Wir führen und nochmals das landjchaftlihe Bild unſerer 
Gegend vor Augen. 

Wir befinden und auf einer Hochebene, von welcher 
nah allen Seiten Flüſſe und Bäche abwärts eilen. Nach 
Süden hin ftredt fih das Gebiet mächtiger Waldungen mit 
Schluchten und Thälern bis zu den Ufern des Lippeitromes; 
im Norden dageaen bis zum Osning liegt ödes Sandland, 
von der Ems in Schlangenwindungen durchzogen. Weithin 
eritreden fich bier die braunen Heiden, von der Lippe'ſchen 
Senne bis zum Rheine hin. Auf der Grenze zwilchen Nord 
und Süd ſehen wir auf mwaldigem Hügel unjer Mimigerna, 
Mimigarde und vergleichen es dem Midgard (Mittelgarten) 
der heidniichen Götterjage. Bon den blauen Bergen dort 
in der Ferne ber eilt der jchöne Bach — Echoninbefe — 
im Wiejenthale dahin, vorüber an der Waldhütte eines ein— 
ſamen Wildihügen und weiter an der Kleinen Wohnitätte 
eines Giedlerd, der mit einem Hirſchhornkarſt die Erde 
lodert, um dürftige Feldfrucht zu erzielen; fie biegt hier um 
den Hügel, wo vor der Inſel die allbefannte Furt fich bildet, 
und wendet ji” nordwärts zur Werje und Ems. In dem 
Mintel, wo dieſe Flüffe zujammenitrömen, liegt ein steiler 
Hügel von hohen Ummallungen dreifah umſchloſſen; es ilt 
eine alte Volfgburg, wohin im Falle des Kriegs, die An: 
fiedler ihre Habe, Weib und Kinder bargen. An dem Hügel 
der Hasfenau fand man jüngithin noch Scherben germas 
niſcher Todtenurnen, und im Flußbette der Ems eine Streitart 
von Hirihhorn; fie deuten auf die Zeiten der alten Brufterer 
und die älteite Vorzeit. Höher binauf, wo die Eifenbahn 
jeßt den Fluß überjchreitet, warfen die Arbeiter 4 bronzene 
Ringe, den heidniihen Schwurringen vergleihbar, aus dem 
Sande auf, ein koſtbares Geräth dir älteiten Ureinwohner, 


33 

welche bier fiebelten oder flüchtig weilten.!) Bon dem Strome 
und den Lachen de3 verlafienen alten Flußbettes rings um: 
ſchloſſen, Liegt hier ein Eiland mit waldigem Gebüſch bedeckt, 
inmitten Wieje und jpiegelllare Teiche; nad) Süden zerrij: 
jene Ummwallungen, wie von Menſchenhand geichaffen und 
verworfen; fie liegen dicht nach der offenen Heide zu, der 
Hornheide, welche nach rechts und links meilenweit jich aus— 
dehnt. Ihren Rand ziert grünlicher Wacholder, der hier 
und dort in Stämmen wie Cypreſſen auffteigt; breit und 
weit liegt die jonnige braune Heide vor, ganz mit der röth- 
lichen Erifa überfleidet, und drüber hin zieht das leife Ge- 
ſumſe der Bienen, und in den Lüften der Elagende Ton der 
Heidelerdhe. Ihren erniten, fait düftern Charakter hat die 
Heide treu bewahrt. Wie heute, jo war es vor tauſend und 
zweitaufend Jahren. Sn die tiefe Stille der einfamen Natur 
verjenkt, träumen wir von den alten Ureinwohnern und 
deren einfachen Lebensverhältnijfen. Unmilllürlich erinnern 
wir und dann der weiten Steppen Amerifas, erinnern uns 
an die Hütte und den Wigwam eines Häuptlings, an Chin— 
gangoof den Mohikaner und. jeine Geſpräche mit dem Pfab- 
finder Hawkey. 

Doch die Geihichte, wo fie für uns in diefen Gegenden 
beginnt, zeigt und ein anderes Bild. 

Lange Züge georbneter Heerjchaaren ziehen über bie 
braunen Heiden; es find die Legionen und Reitergefchwader 
der Römer, wie fie von den Ufern des Rheins zur Ems 
hin rüden, und weiter bis zu den äußerften Grenzen der 
Brukterer und den Quellen der Lippe vorbringen. Sie 
ſuchten die Lagerjtätte, wo Varus und jeine Legionen dem 
Schwerte der Germanen unterlegen waren. Dort bradıten 
fie den Manen der Erichlagenen die Todtenopfer, kämpften 
rachedürſtend in zweifelhafter Schlacht und nahmen theils 
nördlich längs der Ems, theil® über die braunen Heiden 

4) Zeitichrift des Vereins, B. 28, 
XLVI. 1. 3 


34 


—— — — — — 


ihren gefahrvollen Rückzug nach dem Rheine zurück. Wir 
hören noch von einzelnen Rachezügen, hören von der Veſte 
Aliſo und dem Thurme der Seherin Veleda. An eine Er— 
oberung des Landes und Unterjochung des Volkes dachten 
die Römer nicht mehr. 

Vom Lande ſelbſt, den Gauen und Gemeinden hören 
wir nur wenig. Die Kriegsberichte der Römer ſprechen nur 
kurz von den Völkern des Landes, ihren Wanderungen und 
Schlachten; auch Tacitus, welcher das Leben und die Sitten 
der alten Germanen ſchildert, gibt uns keine Auskunft; 
ebenſo wenig ſpätere Chroniken. Erſt ſeit Karl, dem mäch— 
tigen Frankenkönige, der das Sachſenland ſeiner Herrſchaft 
unterwarf, hören wir von beſtimmten Gauen und Villen. 
Die Heberegiſter der nächſten Zeit nennen uns Hunderte 
von Namen. 

Die Villen! es ſind jene kleineren Bezirke, deren Name 
bei den Heberegiſtern zur näheren Feſtſtellung der in ihnen 
belegenen Kolonate diente, es ſind jene dunklen Nebelflecken, 
welche wir zu löſen juchten. 

Das Wort Villa bezeichnet zunäcit ein Landgut, das 
Herrenhaus mit Nebengebäuden und dem umliegenden Lande; ) 
das gothiihe Thorp heist Mauer, und Wif it ein Haus 
und Gehöfde. Die Grundbegriffe diejer Wörter führen uns 
aljo zunächſt auf eine erite, einfache Anſiedlung. Vielleicht 
mag der Name der einzelnen Billen den klaren Begriff der 
damaligen Villen enthülen; — bloße unverjtändlihe Namen 
als Duelle der Gejchichte wird man fragen? aber ſei es; 
um das Wejen der Dinge zu ergründen, forichen wir doch 
überall nad) ihrer Entſtehung; denn aus dem Entjtehen und 
Werden entwidelt jich erſt der flare Begriff. Da nun der 
Name im Allgemeinen das Wejen eine Dinges bezeichnet, 
oder doch bezeichnen joll, und nicht anzunehmen ift, — daß 
Adam und die jpäteren Adamskinder, unjere Vorfahren, die 





35 


Gegenjtände um jich her, injonderheit die Hunderte von Villen 
mit gleiher Willfür getauft haben, wie wir jüngithin Die 
Straßen des neuen Stadttheils, als Kaiſer-, Schiller- und 
Türfenftraße, jo juchen wir echt Hiftoriih das Wefen und 
die Geichichte der Villen durch Deduktion und Combination 
aus ihren Namen, wie die alte Sprade jie uns darbietet, 
zu erforihen und zu entwideln. Wir nennen die Namen 
einzelner Villen und fügen die Deutung des Namens bei. 
Wanamaloa heißt leuchtender Wald: der bloße Name 
giebt uns das Bild einer herrlichen Landichaft; und welcher 
Wohllaut tönt in dem Worte der alten Sprache, welches 
im Laufe der Zeiten zu einem unverftändlihen Wambeln 
geworden ijt! Andere Villen heißen: Sunnobrunnon, der 
Sonnenborn. Hedfeld das Heidefeld, Arnahurit des Adlers 
Horft, Hirutfeld, das Feld der Hirſche, Havufasbroca, 
das Bruch der Habichte, Scurilingis Miri, Luft der 
Eichkätzchen.)) Die ganze Poeſie landjchaftliher Gemälde, 
welche einzelne Gegenitände der ftilen, großartigen Watur 
vor unjern Augen Hinzaubern, Liegt in den Worten ausges 
ſprochen. Zahlreich find die Bilder, welche vom Bach, Geiit, 
Brof, Feld und Horit entnommen jind, jeltener die von 
Hügel und Berg.) Mikilonbeki, der mächtige Bach, 
Gibonbeki, Fluthbach, Angulmuth, Angelmündung, 
Nutlo, das Nußgehölz, Ekasloe, der Eihwald, Dorfel: 
bon, Sodefeld, Judinashupveli, Geeithuveli Upan— 
berg am Berge, Aſkasberge, der Ejchenberg, Bokholt 
der Buchwald u. 5.3) — Weiterhin ericheint dann in andern 


1) D. Wambeln bei Dortmund und bei Rhynern; Sonnenborn bei 
Hiltrup, Heidfeld bei Ahlen, D. Hersfeld, Havizbrod bei Bedum, 
B. Schorlemer. 

) B. Bad am Emmerbah, B. Geift bei Münfter und Wadersloe, 
B. Brof und B. Bruch, D. Hövel und B. Hövel und Horſt bei 
Nottuln. Horit im Gegenfag zum Merſch ift das höhere, trodene 
weniger fruchtbare Land. 

‚?) DB. Medlenbed und Gievenbed bei Münfter, D. Angelmobbe, D. 


3* 


36 


Ortsnamen der Menſch in feinem Wirken und Schaffen, ber 
Mann in feinem Hem, Heim, der trauliden Wohnung, in 
feinem Seli, dem Saale, Herrenhaus, dem Wil, dem Ge: 
höfde, der Mann mit feinem Gigennamen; wir vergleichen: 
Bekehem, das Heim an den Bächen, Dalahem, Holthem, 
dag Heim im Thale, am Holze. Selihem Selihova 
Somerjeli; ferner Böfenjeli Hiddingjeli, der Seli 
des Bojo, des Hibding!); dann die Bildungen mit Wi, 
al3 Holtwik, Dalawik, Athalheringwik, das Gehöfde 
des Edelherrn, im Gegenjage der Blajheri der böjen Herr- 
ſchaft, Rinkroda, der Männer Nodung, Stenforda Stein: 
furt, Burinftene, Tragefteine, Steinlammer.?) Herifelbd 
Heribrunnon, Heribeddion deuten auf die Heri und 
das Heer, Billurbefi, Beilbah auf einen Kampf mit 
Steinbeilen.?) Auch die Bewohner der Gegend geben den 
Namen. Bekeſeti find Bachgejeffene, Brocſeti, Lagſeti, 
Hornjeti find die am Bruch, am Wafler, am Horm ge— 
jeffenen. Bekeſetihuſon fpricht von den Häufern der am 
Bach gefeffenen.*) Die Anhängfilbe „huſon“, der Dativ 
Plural von Hus, under jegiges haufen bezeichnet die 
Häujergruppe mit ihrer Umgebung. In Smedehufontharpa 
erkennen wir genetilch zuerft den Schmidt, und feine einſame 
Wohnung, den Anbau umliegender Häufer, und endlich eine 


Nottuln, Edholt bei Werne, die frühere B. Darveld und Judeveld, 
B. Sonfthovel, B. Geiithövel bei Ahlen, B. Uppenberg, D. Aſche— 
berg, St. Bocholt und B. 

ı) Stadt Beckum, B. Dahmer und Holthem, daj. D. Selm, B. 
Sommmerjell, D. Böſenſell, D. Hibdinrel. 

2) Haus Wiek bei Albachten, D. Holtwid, ®. Erdelwid, Schulte 
Bleiſter oder Pleiſte an der Werſe, D. Ninfrode, St. Steinfurt, 
RB, Börnfte bei Dülmen. | 

2) H. Herfeld bei Herzfeld, Dorf Herbern, B. Herbede, D. Billerbed. 

) B. Berten bei Saljbergen und Ennigerloh, B. Brokſter bei Venne 
im Osnabrückiſchen, Yaren bei Gimte; lagu, altjäch). angeſ. — aqua, 
ware; ef. Förftemann, Ortsnamen. Horn — Giebel, Spite, Ede. 


37 
Häuferinfel in der weiten Heide, eine Billa, Tharpa, 
die jegige Bauerihaft Schmedehaujen.!) 

In ſolchen Worten und Bildern, wie die alte Sprache 
ie uns bietet, legt ſich die ganze Geichichte der erjten An- 
ftedelungen uns klar vor Augen. Wir fehen die weite 
Gottesnatur, Wald und Bah, Bruch und Heide, jehen bie 
Hirſche jchweifen, den Habicht und Adler in den Lüften 
ichweben, e3 jchweigt die ganze Natur. Da ertönt die Art 
im Walde, der Dann baut jich eine Hütte, klärt fein Feld, 
und umzäunt fein Gehöfde. Man fiedelt hier, man fiedelt 
dort, den Bach entlang, oder am Wald und der offenen 
Heide. So wie der Wald fich lichtet, die Feldflur und 
Weiden und Wiefen fich erweitern, bildet ſich für den freien 
Blid, jo weit das Auge reiht, eine Landichaft, welche von 
der Natur, von einer auszeichnenden Eigenthümlichkeit der 
Gegend einen Namen erhält, oder au nah den Wohn: 
jtätten der dort Gejeffenen benannt wird. So bildeten ſich 
die Yandichaften und die Volksjchaften in ihnen, die Landſcepi, 
Bolkjcepi, wie der Heliand jie bezeichnet. 

Aber wie erhielt die Landichaft ihre feite Begrenzung, 
und die Volkichaft einen innern organischen Zufammenhang? 

Das einigende Band aller Bewohner findet jih nur in 
dem Gejammtrolfe, der Jrminthiod. 

In weiten Zügen, wie die Gejchichte zeigt, jehen wir 
die Völker wandern und jiedeln, Fämpfen und ftreiten, wir 
jehen die Beſiegten Land und Gut verlaffen und weiter ziehn, 
oder bleibend im Lande der Hörigfeit verfallen. Kriegeriſch 
iſt das ganze Leben der alten Völker und darum auch krie— 
geriih die Organifation. Fürften ftehen an der Spike des 
Volkes, und unter ihnen Heerführer der Taufende und der 

1) In reichlicher Anzahl haben wir aus den vielen Namen der Billen 
nur die leichtveritändlichen ausgewählt; weitere Forſchungen auf 
dieſem Felde müſſen wir den Sprachkundigen überlafjen. Vgl. W. Ar- 
nold: die Ortsnamen ald Geſchichtsquelle, in den Studien zur deutjchen 

Kulturgeſchichte. 


38 


Hunderte. Bei den Sachſen führte der von Abgeordneten 
der Gaue gewählte Heritogo den Heereszug; das Land 
felbft war in Gaue getheilt. Bei den weſtlichen Sachſen zer: 
fiel der Theil, welder das jegige Münſterland befaßt, im 
die Heineren Gaue, Dreginni, Stibaron, Scopingon, 
Fenkiga und das ſächſiſche Hamaland. In diefen Gauen 
fönnen wir nach fpäteren Urkunden nod die Dingſtätten 
feftftellen, wo das Volk zur Berathung und Nechtsfindung 
zufammentrat, und zu der einzelnen Dingitätte dienten dann, 
wie e8 beißt, die umliegenden Bauerſchaften.) Daß aber 
diefe Theilung der Gaue in Gemeinden, und die zur Ding- 
ftätte in jeder Gemeinde gehörigen Bauerichaften eine ur: 
fprüngliche war, ergibt ſich von felbft, weil fie naturgemäß 
ift, weil der Vorfteher und Führer des Gaues, ſowie der 
Gemeinde eines niederen Ordners in der Buer ald Gebülfen 
nicht entbehren konnte?); und die Beftätigung liegt darin, 
daß wir bei allen älteren Bölfern diejelbe Einrichtung an- 
treffen. Bei den Franken nach karolingiicher Ordnung finden 
wir Gaue und Gentemen, ſowie Vorfteher des vicus oder 
der Villa, den Dekanus, ebenſo in England, zu den Zeiten 
Alfreds des Großen, den Bezirk der Grafihaft, den ber 
Hundertihaft, d. h. einer Gemeinde von hundert Familien, 
und den der Zehntichaft, Scire, Hundred, Tithing ober 
Theodung.?) Thie, analog dem engliichen tithing heißen 
um das Jahr 1120 in Eoeft die Fleinen Bezirke der Bur— 
rihter, ebenſo die Gerichtsftätten an andern Ortent); daher 

1) 3.2. Im Jahre 1476 gab es in der Grafichaft Wildeshorft 11 Stuhl: 
freie und Schöffen, welche der Grafſchaft dienten, während die vier 
um Werne belegenen Bauerſchaften nur zu ihrem Freiftuhle zu Motten- 
heim dingpflichtig waren; Urf. bei Kindl. M.B. 3, 205. 

) Im Gölner Sottesfrieden vom 3. 1083 wird neben den höhern Bor 
ftehern, dem Grafen comes, dem Vogt der Geiſtlichkeit advocatus, 
ihren Stellvertretern, wozu auch der tribunus zu rechnen jein wird, 
noch der magister villae erwähnt. D. W. 163 cf. 140. 

2) Schmidt, Angelſächſiſche Gefetze, Gloſſar, Rechtsbürgſchaft, Hundred. 

) 3. B. in Rheine, Eggenrode, Südkirchen, cf. Kindl. M. B. 8, 192 B. 


39 








fommen auch die häufigen Namen im Volke: Thier, Richter, 
Bauerriter. In Friesland finden wir in ältefter Zeit den 
einen Bezirk einer Hundari.!) Im altſächſiſchen Liede des 
Heliand wird der römiihe Centurio als Hunno bezeichnet. 
Am Niederrhein finden wir Genturionen oder Hunnonen, 
und bis in legter Zeit die Honjchaften. Im Jahre 1272 
ericheinen die Parochianen von Uſterode zur Dingſtatt unter 
Zeitung ihres Hunno,?) und in Trier werden damals die 
Borfteher der dingpflichtigen Dorfichaften, der Villae, Cen: 
turionen genannt. ®) 

Der Name des Genturio, des Hunno, Hünen ift eine 
Erinnerung an die friegeriiche Ordnung der ältelten Völker. 
Wenn Tacitus in feiner Germania den vom Bolfe gewähl- 
ten Fürften, welde durch die Gaue und Gemeinden Recht 
fpreden, je Hundert, Genteni, aus dem Volke ala Genofien 
zuweiſet,) welche mit ihrem Rath und Anfehn fie unter: 
ſtützen, müſſen wir nit dieſe Centeni al3 Bertreter der 
Hundrede, ald Hunnonen auffallen, und auc in den dunfeln 
Worten die uralte Verfaffung der Gaue und Gemeinden er: 
fennen ? 

Mer war denn nun in der Buer der Führer der Mann: 
jchaften? Naturgemäß der Beliger des älteften, oder größeren, 
des Haupthofes; und damit erklärt es fih, daß öfters die 
Buer von ihm den Namen erhielt. Sein Amt war allgemein 
das eines Vorſtehers und Richters in der Buer, und in dem 
von ihm gehegten Buergerihte wurde mit den Buergenofien, 
den convicini,5) verhandelt, über Wege und Stege, Bäche 


!) Urf, 839 villa Camingehunderi in C. D. W. 13. 

2) Qacomblet U.B. II, 63; vgl. Urk. 1003 und 1302 daf. I, 139 und 
III, 118. 

3) Trierer Weiäthum bei Maurer, Stadtverſ. p. 209. 

*) Germ. ce. 19 principus, qui jura per pagos vicosque reddent. 
Centeni singulis ex plebi comites; consilium simul et auctoritas 
assunt. 

5) Dad ſächſiſche Kapitular v. J. 797 fcheidet dad Gericht der Nachbarn, 


40 





und Waflerflüffe, Grenzen und Feldſachen, Befi und Her— 
bringen, in ähnlicher Ausdehnung und Beichränfung, wie 
wir es früher ſchon erwähnt haben. Die Beihränfung lag 
in dem Vorrang des Gemeindegericht3, zwar nicht des 
Godings, jondern des älteren Mahal, und in dem Borrang 
der höheren Stände, denn in der landichaftlihen Buer gab 
e3 Edle und Freie, welche für ihre Perſon und ihr freies 
Gut nur am Freiltuhl, am Mahal der Männer Recht nahmen; 
die übrigen Bewohner waren, abgejehben von den unfreien 
Knehten, Hörige oder Xiten, welde wegen ihres Gutes 
zu beſtimmten Leiftungen und Abgaben an die Herrichaft oder 
deren Gut verpflichtet waren. Die Stellung der Liten aber 
und ihr Verhältniß zur Gemeinde, jowie die Frage, woher 
die Liten Famen, und wer die Buer zuerft mit Grenzen um: 
Ichloffen, haben wir bier noch nicht zu erörtern. Tacitus 
bezeugt uns ſchon eine viergliedrige Theilung der Stände 
in Edle, Freie, Freigelafiene und Knechte; und die Brufterer 
waren von jeher, jo weit wir jehen, ein aderbautreibendes, 
jebhaftes Volk, bei welchem wir in den vieis bei Tacitus 
auch jhon die Buer erkennen. Für unſern Zwed genügt 
e3, wenn wir von den eriten Anfiedelungen hier im Lande 
ein allgemeines Bild entwerfen und die Einkreilung der Buer 
an die vorgezeichnete Landichaft anlehnen, wenn wir weit 
über die farolingiiche Zeit hinaus die Buer als ein Eleinftes 
Glied in die ftrenge DOrganijation eines kriegeriſchen Volkes 
einreihen fonnten, woraus ſich die jpätere Billa und Bauer: 
ihaft von ſelbſt entwidelte. Unſer ausgeiprochener Zweck 
ift es, alle Anfänge einer ftädtiichen Bildung zunächſt Har 
zu legen, und die gewonnenen Begriffe jodann auf biejige 
Berhältniffe anzuwenden. 

proprii vieinantes, vieini, convieini von dem gemeinen Ding der 

Gaugenoſſen, pagenses, 


(Fortſetzung im nächſten Bande, 


II. 
Geſchichte der Grafichaft Tefeneburg 


bis zum 
Untergang der Efbertinger 1263. 





Bon 
Ch. Reismann. 


Wenn es der Zweck dieſer Blätter iſt, den vorhandenen 
Stoff über die älteſte Geſchichte der Grafſchaft Tekeneburg 
zuſammenzutragen, ſo haben wir damit von vornherein darauf 
verzichtet, die Geſchichte jenes moor- und heidereichen Win— 
kels zwiſchen dem Teutoburger Walde, den holländiſchen 
Grenzmooren, der Haſe und Hunte bis in die Zeit der ger— 
maniſchen Beſiedelung zu verfolgen. Der für jene entlegene 
Epoche dürftige Stoff würde einen Erfolg auch nur hoffen 
laſſen, wenn er durch ſorgſältige Unterſuchung der Flurkarten 
und der Sprache unterſtützt wird. 

Welche Völker hier vorüberſtrömten, welcher Stamm ſich 
zuletzt niederließ und das Land behauptete, welche politiſchen 
Gebilde vor Karl dem Großen hier geſchaffen wurden, das 
alles ſo anziehend es zu erforſchen wäre, kann hier unbe— 
rührt bleiben, denn als der Ausgangspunkt der ſpäteren 
Grafſchaft darf erſt die karolingiſche Gaueinteilung betrachtet 
werden. 

Zu der Zeit, in welcher die Grafſchaft ihre größte Aus— 
dehnung erlangte (etwa 1200— 1300), erſtreckte fie ſich über 
den ganzen Tekenegau und Fenkiongau jowie über mehr 
oder minder große Teile der Gaue Sutherbergi, Agrotingau, 
Hajegau, Farngau, Derjaburg, Tregwiti und Loſa. 

Da Böttger® Buch über die Diözeſan- und Gaugrenzen 
wegen jeiner Anficht der dentität der Gaue und der jo 


vielfach verjchobenen Archidiakonate unzuverläffig it!) und 
da Menke die Belege zu feiner Ausgabe des Sprunerichen 
Atlaſſes nicht veröffentlicht hat, fo gebe ich in folgendem 
eine Zufammenftellung der Nachrichten über die meftfäliichen 
Gaue, jomweit fie für unferen Zweck in Betracht fommen. ?) 
die vielfach zu mejentlich anderen Ergebniffen als denen der 
beiden Foricher führen wird. Für die nachfolgenden Aus: 
führungen fei auf die am Schluß beigefügte Gaufarte ver: 
wiejen. 
I. Fenkiongan. 

In einer Urkunde Ludwigs des Frommen vom Jahre 
919 (Wilm. 8. U. 5) wird ein Fenfiga erwähnt, den man 
lange Zeit vergebens geographiich zu firiren ſuchte. Nach 
Entdedung der Werdener Heberegifter hat Meyer in der 
Osnabrücker Zeitihrift die ungefähre Lage beftimmt. Die 
legteren find für Beftimmung der Lage und des Umfanges der 
nordweitlihen Gaue ein überaus foftbares Material. Der 
Teil von ihnen, welhen der Herausgeber Lacomblet ?) 
codex B genannt und deſſen Entitehung. in das 12. Jahr: 
hundert gejeßt hat, giebt nicht die Gaue, in denen die auf: 
geführten Bauerichaften liegen und kommt daher für uns 
nicht in Betradt. Die Gauverfafjung ericheint zerfallen, jo 
daß die Güter nicht nach Gauen, fondern nad Villicationen 
geordnet find. Ungleich wertvoller ift der nach Lacomblet 
aus dem 9. bis 10. Jahrhundert ftanımende codex A. Aber 
auch in ihm iſt nicht alles aus der gleichen Zeit, denn die 
verjchiedenen Abfchnitte, in melde er zerfällt, behandeln 





2) Böttger erlaubt =: diefer Theorie zu Liebe gewaltfame Berftumme 
lung der Quellen. 

2) Kür das folgende ift noch zu vergleichen: Meyer in der Osnabrücker 
Zeitihrift Pd. 3 p. 255 ff., Pb. 6 p. 173 ff. — Sudendorf in Ya» 
comblet niederrhein. Ardhiv Bd. 3 p. 180. — Böttger im Correipon- 
denzblatt des Gejamtvereins der deutſchen Geſchichtovereine, Jahrgang 
1876 Nr. 9 p. 75. cf. die Gaufarte im Anhang, 

2) In Lacomblets Niederrhein. Arhiv Bd. UI. 


43 
einige Gaue, wie 3.8. Fenkiongau, Hafegau, Dreini mehr: 
mals; ferner jind einige Ortsnamen in den verichiedenen 
Abſchnitten verichiedenen Gauen zugeteilt. !) 

Am meiften Ausbeute Liefert Abjchnitt A XVIII. Er 
giebt für den Fenkion folgende Ortsnamen: Lihtastorpe 
(Liftrup, Kr. Emsbüren), Falbefi (unbefannt), Humilathorpe 
(Hummeldorf zwiſchen Rheine und Salzbergen), Biascun 
(wohl gleih Biestun wie Abjchnitt A X hat: heute Bieften), 
Selanthorpe (Gellendorf bei Rheine), Hatiloha (Heitel, Kreis 
Plantlünne), Farnrodun (Barenrode, Kreis Plantlünne), 
Spinoloha (Spelle), Scaldi (Echaale, noch im XIII. Fahr: 
hundert heißen die dort jigenden Miniiterialen „von Schalde‘‘), 
Scapahamma (Schaapen, Kr. Tedlenburg), Thanculashulhi 
(unbekannt), Nortanthetun (Emsbdetten)?) 

Die neun eriten Ortsnamen finden ji auch in Abſchnitt 
AX, der die Überfchrift Unenkinne trägt. Wir dürfen nicht 
zweifeln, daß Fenkion und Uuenfinne identisch ift?) und 
damit gewinnen wir 17 weitere in der Nummer A X ent: 
baltenen Orte nämlich Uethenthorp (Wettrup bei Lengerich 
an der Wallage), Ditenftadon (Kleinftaden bei Hopften), 
Giureſton (Gierften bei Lengerich), Langon (Kangen), Lunni 


273. B. Abſchnitt A XVII ſetzt Scapahamma u. Ihancnlashulhi in 
den parus Fenkion, Abſchnitt A XI, ebendieje in den pag. Leheri; 
Hriastorda fteht A XVII im Sarugoa, AX im Unenfinne, ef. aud) 
Anm. 4 pag. 12). 

2) Scapham und Thancolbeshuth werden aud; Abichnitt XI ale zum 
Leri gehörig bezeichnet, jicherlich fälſchlich. 

®) Meyer ©. 3. VI. 181 zweifelt, ob Uuenfinne einen Ort oder einen 
Gau bezeichnet, neigt fich ſchließlich zur Anficht, dah es ein Gau 
jein möchte; es ift eigentumlich, daß er nicht die Identität von 
Fenkion und Uuenfinne erkannte. Ebenſo wenig jah er, daß die 
in Nummer A XVII hinter in pago Fention folgenden Ortichaften 
zum Gau Fenkion gehören (D.3. VI. 195) und verlegt den Fenkion 
in dad Gaterland. Menke, wenigitens feiner Karte nach zu urteilen, 
jah jchon richtiger, bemerft aber auch nicht die Sdentität von Bention 
und Wuenfinne. 


44 


(Plantlünne), Hubide (Hüvede, Kr. Plantlünne), Alubuuide 
(Adlde, Kr. Emsbüren), Binutloge (Bentlage bei Rheine), 
Herft (unbefannt), Settorpe (Settrup bei Fürjtenau), Andheton 
(Anten, Kr. Berge),!) Hirutloge (Herzlafe), Firsni (unbe- 
tannt),?) Gezci (Geefte, Kreis Lengerich), Elliberga (Elbergen 
bei Rheine), Rotha (Rodde ebenda), Hrisforda (Rüsfert) 3). 
Andere Quellen für den Fenfiongau find nicht vorhanden. 
Mit Hülfe diefer Ortsnamen läßt fich jedoch der Gau mit 
völliger Sicherheit beftimmen. Es beginnt die Grenzlinie 
an der mittleren Ems bei Emsdetten, hält jih auf dem 
Laufe nordwärts am linken Ufer, gerät in der Gegend von 
Rheine ind Schwantent) und fällt dann in die furdtbaren 


2) Herr Domtfapitular Tibus machte mich aufmerffam „da wenn And» 
heton gleich Anten, dann das pag. 43 erwähnte Nortanthetun gleich 
Kordanten und nicht gleich; Norddetten d.h. Emsdetten ſei; denn 1) 
heiße Emsdetten nur einmal Wilm. add. 73a Nortthetten (jonjt 
Thetten) und fei das im Gegenjag gegen das damals (1189) fich 
zum Kirchdorf entwidelnde Scapdetten (jonft ebenfalls Thetten) 
geihehen; 2) komme die Form Nordberg, Nordland, aber nicht 
Nordanberg u. j. w. vor.” Ich bin bei Meyers Anficht geblieben, 
denn 1) Iſt ein Nordanten nicht zu finden, wenn man nicht das 
anflingende Andrup heranziehen will, während es mir wol möglich 
eriheint, daß der betr. Schreiber jchon Scapdetten als Süddetten 
auffaßte; 2) ift die Form Nörtan — thettun korrekt. cf. Northen- 
feld, Northenhoug, Northanheri (Förftemann 1168), Northanflieta 
(ibid. 570); 3) bezeichnen th und dh einen verfchiedenen Laut, ob» 
glei der Unterfchied früh fi verwiiht. Wir kommen allerdings 
immer nur zu einer mehr oder minder großen Wahricheinlichkeit. 

2) Aber unmöglich Veerſen nördlid von Meppen, wie Meyer will. 

3) Gehört im Abjchnitt A XVII ficherlich richtiger zum Yarngau. 

*) Abjchnitt A X teilt Rotha und Binutloge dem Fenkion, Abſchnitt 
A XV ebendiefe dem Scopingun, eine Urfunde von 838 bei Erh. 356 
aber Reni (Nheine) gar dem Burfibant zu. Es iſt daher nicht zu 
verwundern, dab Tpäterhin jowohl die Tedlenburger Grafen, denen 
der Fenkiongau, wie die Bentheimer Grafen, denen der Burfibant 
gehörte, zu Rheine Miniſterialen befigen. Die Grenzorte des Scopin- 
gun gegen den Fenkion find Weiterroda (Weiterrode, Werdenerhebereg- 
A XV), Wateringa (Wettringen bei Erh. 356). Dazu dürfen wir 








45 


viele Duadratmeilen großen Moore, am Weltrande des heu— 
tigen Deutjchlands (Bourtanger Moor, der Twilt, die Engder 
MWüfte), welde dem Völkerverkehr eine viel gemaltigere 
Schranke bilden mußten, ald das jchmale, leicht zu durch— 
watende Bett der Ems. Wir dürften daher durch jene Ein- 
öden jchon die Grenze hindurd) legen, auch wenn ung nicht 
urkundlich die links emjifhen Bauerſchaften Binutloge, Hu: 
milathorpe, Elliberga als zum Fenkion gehörig beglaubigt 
wären. Diele Moore bilden die Scheide zweier Völker und 
zweier Gaue, weſtlich Burfibant nnd friefifches Blut, öftlich 
der Fenkion und meitfäliiche Sachſen. Die jpätere Graf: 
Schaft Bentheim, welde auf dem Gau Burfibant erwädhlt, 
und die man mit Recht mit der Twente und den Tubanten 
in Verbindung gejegt hat, hält ſich auch durchaus auf jener 
von uns vorgezeichneten Linie. Sie bleibt der Ems fern 
außer bei Rheine, denn hier, wo die Moore aufhören, ift 
die natürliche Paſſage vom Emsland nah Holland, die auch 
die heutige Bahntechnik benußt hat. Hieraus ift wohl das 
oben erwähnte Schwanfen der Grenze bei Rheine zu erflä- 
ren.) Der gefamte Fenkion befindet ih, wie wir fehen 
werden, ſpäter in der Hand der tefeneburgiichen Grafen. 


wohl hinzufügen Scopingun (Schöppingen) dad Dorf, weldyed dem 
Sau ficherli den Namen gab; ed wird oft genannt; direct ald zum 
Gau Scopingun gehörig allerdings nicht. 

1) Im dem umfangreichen Werfe „Gründungsgeſchichte der Pfarrkirchen 
u. ſ. w. ded Bistums Münfter” hat Tibus die Örenze des Bisſstums 
vom Jahre 1313 feitgelegt, die wir, da wir feine entgegenftehenden 
Nachrichten haben, als die urjprüngliche anzunehmen gezwungen find, 
und da tritt und nun die überrafchende Erjcheinung entgegen, daß 
Bistums- umd Gaugrenze nicht zuſammenfallen; es ſchneidet nämlich 
das Bistum Münfter anf der Grenze gegen Osnabrüd mitten durd) 
den Fenkiongau (cf. die Karte im Anhang bei Tibus). Wenn Tibus 
aber hier, und von ihm hat offenbar Menke entlehnt, den Burſibant 
bis über die Ems hinaus zeichnet und p. 289 wenigſtens die Mög- 
lichteit offen läßt, daß Burfibant und die Grafſchaft Lingen Teile des 


46 





I. Lerigau. 


In ihm giebt es Werdener Heberegifter Abſchnitt A XI 
folgende Orte: Scapham (Schaapen), Thancolbeshuth (un 
befannt),!) Sege (Sage), Halahtron (Haltern),?) Ueitonstedi 
(Weiterburg oder Weiterjtede). Die folgenden Bauerjchaften 
find zugleih auch im Abjchnitt A XVIII gegeben: Berno— 
thingthorpe (Bernstorf),?) Hahanitedi (Hagitedt), Dungas— 
tborpe (Düngftrup), GEuurithi (gleich Eberheidre — Swins- 
beide bei Wildeshaujen ?), Halon (Nordhalen),*) Rahtrauelda 
(Rechterfeld),d) Longanforda (Langenförde), Caluaslogi (Kal: 
velage), Elmloha (Elmlage), Huftedi (Haujtette), Duliun 
(Döllen). ®) 

Aus einer Urkunde vom Jahre 9457) kennen wir ferner 
noch Selispura (Sülsbüren), Burae (Buren), Dete (Oythe), 
Lutten (Zutten), Garta (Garte), Emphiteti (Emited?), Tetten- 
bura (unbefannt), Driontheim (Drantum). In der trans- 


Scopingun waren, jo kann ich dem nicht beiftinnmen, denn direkte 
Nachrichten befigen wir hierfür nit. Burfiband und Bentheim: 
find zweifellos urjprünglich friefiich und verhalten fi alſo zur Twente, 
wie der pag. Saxonicus Hamaland zum eigentlichen Hamaland, d. h. 
fie fallen an Sachſen wahrſcheinlich in der Zeit, da Friesland von 
den Franken erobert wurde. Auf dad mit großer Sorgfalt und Orts 
tenntnis gefchriebene Werk von Tibus komme ich in dem über innere 
Berhältnifje handelnden Zeile ausführlich zurüd. 

2) Nach Abſchnitt A XVII gehören beide Orte in den Fenkiongau. 

2) Auch bei Erh. 567 ift Halahtre im Lerigau genannt. Auf der 
Karte haben von den Orten im 2erigau nur bie jüdlicheren Plag 
gefunden, 

) So nad; Abfchnitt A XI. Abſchnitt A XVII hat Bernatheöhufen, 
es iſt aber nicht daſſelbe. 

) Nummer A XI hat Norbhalon. 

5) Abſchnitt A XI hat Mehresfelde. 

*) Den legten Namen giebt nur AXVII. Der Ort kommt ald Dulinne 
im Xerigau auch vor 948 bei Erb. 567. 

) Erb. 567, 


47 


latio S. Alexandri!) wird Holzdorpf (Holtrup), im Jahre 855 
in einer Urkunde Ludwigs II. die cellula Fischboeki ge— 
nannt (Klojter Bisbef a. d. Hunte?) und jchließlich Liegt 
das Klofter Wihaldeshufen (Wildeshaufen) in diefem Gau.®) 


II Hajegan. 


Auh bier find die Werdener Heberegifter Abſchnitt 
A XVIH und A XI Hauptquelle; fie liefern die Namen 
Fliadarloha (Floerlage), Bunna (Bunnen), Scananthorpe 
(Schandorf), Sula) (Suhble)®, Burgtborpe (Bottorf). Dazu 
fommen in einer Urkunde Dilos 1. Armife (Ernte), Tung— 
heim (Anktum).>) 


IV. Farugand) 


In ihm kennen wir nur Hriasforda (Rüsfort).”) Die 
vier eben behandelten Gaue jind diejenigen, welche (außer 
einigen andern, die in Südmeftfalen gelegen, für uns nicht 
in Betracht kommen) im Abjchnitt A XVIII des Werdener 
Heberegiiters enthalten find. Diejer ganze Abſchnitt trägt 
bei Lacomblet die Überfchrift: ministerium Hrodgeri in 
Sahslingun. Meyer [O.Z. VI. p. 194] hält diejen pagus 
Sahslingun, in dem der Hrodger offenbar den Sitz hat, für 


1) M. ©. II. p. 679 a Zeile 31 cf. Erb. 402. 

*) Erb. 415. W. K. U. 30. 

s) Erb. 441. 

*#) A XVII hat Uicosula, lege: „in vico Sula“. 

d) Erh. 567. Tungheim ſetzt Meyer 1. c. zweifellos richtig gleich 
to Angheim = zu Ankum. 

°) Das ijt wohl Varrengau, den Gau reich an Ötieren, 

?) Mentes Zeichnung des Farngau ſchwebt gänzlich in der Luft. Meyer 
D. 3. VI p. 203 warf vorfichtig die Frage auf, ob die in der Ur 
Funde Möſ. 21 genannten Orte wohl im Farngau gelegen haben 
tönnten. Mente zeichnet fie ohne weiteres hinein. Wir haben 
nur einen Namen gegeben: Rüsfort Abſchnitt A XVIII. 


48 


einen wirflihen Gau, d. h. einen politiihen und mwirtidaft- 
lichen Verband, ftellt ihn alfo parallel mit den im felben 
Abichnitt folgenden Fenkion, Leheri, Hasgo, Farngoa ꝛc. 
E3 fiel ihm aber auf, daß in dieſem pagus fein Ort ge— 
nannt ift und nur zwei zinspflichtige Hufner angeführt find; 
er glaubt deshalb, diefer Gau müſſe jehr Hein feiu und 
jchließt auf das Kleine Lengenerland in Friesland, und eben 
dort ſucht er auch den Fenkiongan. Böttger III. 368 und 
Wilm. K. U. I. 5 p. 15 folgen ihm. Es ift aber noch eine 
andere Erklärung möglih, daß nämlich Sahslingun den 
allgemeinen im Volksmunde gebräudlihen geographifchen 
Begriff für alle jene sub A XVII erwähnten Gaue bezeich- 
net. In dem Falle konnte der Schreiber unter Sahslingun 
feinen Ortsnamen angeben, weil eben alles folgende in 
ihm lag. 

Zu diefer Annahme würde auch die Urkunde Ludwigs 
des Frommen 819 (bei Wilm. K.U. 5 p. 15) pafjen, worin 
e3 heißt, die Kirchen im Leriga, Heliga, Fenkiga follten dem 
Klofter Visbek verbleiben excepta una ecclesia in Sax- 
linga, welde an Münſter fallen joll. Hier weiß der Schrei- 
ber augenjcheinlich nicht, in welchem der drei Gaue die ge— 
meinte Kirche liegt und fo fegt er ftatt der genauen Gau— 
bezeichnung den geographiſch umfajjenderen Begriff. ’) 

Wenn wir fo einen großen Bezirf gefunden zu haben 
glauben, der als pagus bezeichnet wird und mehrere pagi 
umfaßt, fo glaube ich doch nicht, ihm eine politiiche oder 
wirtfchaftlihe Einheit erteilen und Haſegau, Fenkion und 
Leri als Untergaue bezeichnen zu dürfen. Es ift wahrichein- 
licher, daß das Land den Friefen abgerungen fi im Volks— 





1) Falke Codex tradition. Corbey. Anhang reg. Sarachonis 734 fälicht 
aus der Urkunde ecclesiae in Fenkiga et Hessiga in pago Uual- 
deren und Ledebur (5 münft. Gaue p. 62) jucht nun dieſe zwei 
Drte im Sevenwolde. 


= 


munde als Sahslingun erhielt.) Es müßte dann Dies 
Sahslingun auch den noch zu beipredhenden Tefenegau um— 
faßt haben, weil er mitten zwiſchen Fenkion einerjeit$ und 
Hajegau und Farngau andrerſeits ſich hindurchſchiebt. 
Dieſer Abſchnitt A XVIII, welcher den Namen Sahs— 
lingun bringt, iſt dem Lautſtande nach zu urteilen älter als 
die übrigen Abſchnitte des Codex A?) und es wird dann 


— — — — — — —— 


1) In der Lesart Saxlinga in der pag. 46 citierten Urk. Ludwigs J. 
darf man nicht etwa ga — Bau ſetzen, fondern wir haben es mit 
dein patrongmifchen Euffir „ingo“ zu thun. Förftemann Perjonen- 
namen p. 782 führt unter den Beiipielen zu diefem Suffix an: 
Sahſinc, und vielleicht find die ebenda genannten Sahing, Salinga 
nur Gorruptionen von eben diefem Worte. Zum Suffir ing tritt 
ein zweites, das „l’-Suffir, anfangs mit diminutiver Bedeutung, 
jpäter identijch mit der Endung ing. Ueber ſolche Zufammenjegungen 
mit ling ef. Förftemann Perſ. 820 ff. In Ortsnamen bedeutet nun 
das Suffir ing reip. ling nad) Grimm Gramm. II. 1826. 349 den 
Drt, wo die Nachkommen des Mannes, Stammes ꝛc. wohnen, welcher 
im eriten Compojitionsteil genannt ift. (cf. auch Förftemann Orten. 
835 ff, Makmann in Doroms Dentinäler Bd. 1. 9. 2. 185 $ 54.) 
Sahslingun u. Sarlinga find aljo Niederlafjungen der Sadjen, 
genau wie Frieſinga Niederlafjung von Frieſen. Sahslingun it alfo 
einfah „Sachſen“. 

) Nach Yacomblet p. 209 beitehen die Heberegiiter aus mehreren Blät- 
tern, die erſt nachträglich zujammengeheftet wurden. Leider iſt aus 
dem Drud nicht erfichtlich, welche Nummern den einzelnen Blättern 
angehören. Wir jehen jhon, daß die Abfafiungszeit der Nummern 
chronologiſch auseinanderfallen muß, cf. pag. 43 Anm. 1 und pag. 44 
Anm. 4. Nummer A XVII iit bei weitem älter ald A X XI XV. 
In legteren find die vollen Vofale, welche in XVIII durchweg feitge: 
halten find, bereits in den tieftonigen oder unbetonten Silben geſchwächt 
3. B. in Lihtesthorp A X, Lihtasthorpe A XVII, Humilthorpe 
AX, Humilathorpe A XVII, Farnothe AX, Farurodum A XVII, 
Dungesthorp A XI, Dungasthorpe A, XVII, Rebresfelde A XI 
Rahtrauelda A XVII, Langenforde A XI, Louganforda A XVIII, 
Galbesloge A XI, Galuaslogi A XVII. Schwächung des fpiran- 
tiichen h und dann Ausſtoßung desjelben findet ftatt in AX Spinoloa 
— Spinoloha A XVII, A XI Hoanftedi = Hohanſtedi A XVII, 

XLVII. 1. 4 


50 
der Gang der Dinge jo gewefen fein, daß das große Ver— 
waltungszentrum Hrodgers in Sahelingun zu einer Zeit 
entitand, wo die Abtei Werden erjt anfing, Güterbejig ans 
zubäufen; bei fortwährendem Anjchwellen der Güter aber 
mußte es zerreißen und wurde in eine Reihe von geographiich 
beihräntteren Oberhöfen zerlegt, wie fie uns die jüngeren 
Nummern des Codex A zeigen. 


V. Agrotingan. 


Hier läßt uns das MWerdener Heberegiiter im Stid. 
In einer Urkunde von 9481!) werden die Bauerichaften: 
Dueres (Brees, Kr. Werlte), Vueſtereim (Weitrum, Hr. Herz 
lafe), Holnidde (Holte bei Hajelünne), Anarupe (Andrup 
ibidem) und Laasdorpe (Lajtrup) erwähnt. Ferner in einer 
karolingiſchen und einer ottoniihen Urkunde noch Meppiun 


— — — 





A XI Fliedarloo — Pliadarloha A XVIII ete. Anfang der Mo» 
nophthongifierung in Bieftoen A X — Biafton A XVII, Durch- 
führung des Umlaute in Hetiloa A X — Hatiloha A XVIII. 
A XVII zeigt ebenfalls vielfah Abſchwächung, leider fehlt die Mög- 
lichkeit des Bergleiches mit älteren Namen. Auch daraus können wir 
auf einejpätere Abfafjungszeit der Nummern A X, XI fchließen, daß 
in ihnen Abgaben ald verloren bezeichnet werden, welche in A XVII 
noch gezahlt werden. 3.8. Im Herisforda wird A XVII Zins ge 
zahlt, A X ift er verloren gegangen und daher „requirendum*“ ; 
A XVII giebt zu Scananthorpe ein Hrodunert einen Zins, A XI 
foll es einem gewiljen Irmfried abgefordert werden. Das Wort „est 
requirendum“ oder „petendum* taucht überhaupt in den jüngeren 
Hs. häufig auf. Ganz entjcheidend ift aber folgendes: In Nummer 
A XVIH zahlen zu Halon Reinmar und Alfbraht jeder „XVI de 
sigl. I. far. VIII den. her.* Abſchnitt A XI meldet betrübt: „In 
Nordhalon quondam dabantur XXXII m. silig. cum alio tri- 
buto; nunc III amphorae mellis“ (d. h. jeder zahlte 16 Map 
Weizen [siliginis], 1 Maß Mehl [farinae], 8 Denare als Heer- 
ichillinge, alfo Summa: 32 Maß Weizen, 2 Maß Mehl, 16 Denare.) 
1) Erh. 567. 


eh 
(Meppen) der Mittelpunkt der Corveyer Beſitzungen zwifchen 
Ems und Hafe.!) 


VL Derjaburg. 


Das ältejte Corveyer Heberegifter nennt uns für dieſen 
Gau Aſtorp (Aſtrup) und Scoperhuſen (unbekannt; vielleicht 
Grapperhaujen?).2) Die translatio S. Alexandri erzählt: 
als ſich der Leichnam des Heiligen während der Übertragung 
nah Wildeshaufen gerade in der villa Bochorna (Bofern) 
im Gau Derjaburg befand, jei eine Hörige des Walpert, 
welcher Wildeshaufen ftiftete, zu ihm geeilt, um ihr Gehör 
wieder zu erlangen.) Dem dürfen wir noch die Orte 
Damme (Damme), Nienkerken (Neuenkirchen), Stenvelde 
(Steinvelde), Vegthe (Vechta), und Lon (Xohne) Hinzufügen, 
die 1221 als zum bannus eccelesiarum in Derseborg ge: 
hörig bezeichnet werden.*) Ob Triburi (Drebber) dazu 
gehörte, ijt nicht ganz gewiß. 5) 


VI Tregwiti. 


Über diefen Gau, der fpäter faft vollitändig dem Bis: 
tum Osnabrück angehört, find wir nur ſchlecht unterrichtet. 


1) Erh. 338 ad 334. 558 ad 946, 

9) Alteſtes Corveyer Heberegiſter in Wigands Archiv VI 403 Nr. 98. 

) M.G. II. p. 679a Zeile 19, Der Herausgeber ſetzt Bochorna — 
Bakum bei Vechta. 

+ Möſ. Nr. 122. ein domus Nienkerken in Dersborg kommt 1245 
ebenfalls vor. Sandhof 56. 

*) In der Urkunde 980 Wilm. K.U. II. 102 p. 106, wo Otto IL. au 
Memleben Güter ſchenkt zu Bigildeshufen, Ammeri, Laon, Thriburi 
in den Gauen Leri, Derſiburg, Ammeri. Nun liegt, ef. supra 
Wildeshauſen in Leri, Ammeri zweifellos in Ammeri; es bleibt für 
Derjaburg aljo Laon und Thriburi; Laon (Xohne) ift oben in Der 
faburg nachgewiefen, von Thiburi dürfen wir es nur vermuten. Seine 
Yage macht es allerdings wahrſcheinlich. 

4* 


52 





nn 


Die translatio S. Alexandri fagt, ein Mann aus dem Gau 
Tregwiti ſei zu dem Leichnam bes Heiligen nad) Dsnabrugga 
gefommen, und auf derjelben Reife habe ih ein Wunder zu 
Wallonhurit (Wallenhorſt) ereignet.!) Das folgende Wunder 
fällt dann ſchon iu den anftoßenden Gau Derjaburg und, 
da die Erzähler von Gau zu Gau ihre Wanderung bejchrei: 
ben, jcheint e8 allerdings, daß wir dieſe zwei Namen in 
Tregmwiti anzujegen haben. 

Außerdem ift noch darin Dfidi (Öfede) nachzuweiſen,?) 
Bramſche, Hagen, Hembeke und Rodde, welche Menke bei: 
bringt, dagegen nicht. Drtsbezeichnungen, die wie Rodde 
mit gerodetem Land zujammenhängen, find nicht jelten; dies 
Rodde gehört aber, wie das Werdener Heberegilter angiebt, mit 
dem nahen Gellendorf zu zifellos zum Fenkion. (cf. supra.) 

In der jpäteren Zeit lernen wir in dieſem Gau eine 
Menge von Dingitetten kennen, jedoch geraten jie in die 
Hände Ravensbergs oder Dsnabrüds. ?) 

Nur der Freiſtuhl von Weſterkappeln fiel im XII. Jahr: 
hundert, wie wir unten jehen werden, an Tefeneburg. 


VIII. Loſa. 


Über die Lage dieſes Gaues war man vielfach ſchwan— 
kend, und indem man hierin die Bauerſchaft Loſe bei Tecklen— 
burg ſehen will, ſtützt man ſich auf eine Urkunde König 
Heinrichs IV., welcher 1058 das Gut Loſa im Gau gleichen 
Namens der Kirhe von Minden ichenkt.t) Da der Gau in 

3) M.®. IT. p. 679 a Zeile 1 ff. 

2?) Traditiones Corbejenses edid. Wigand. Leipzig 1843 $ 392 p. #7. 
Ösidi in Hrocwiti. 

2) Das Material über diefe Freiftühle it erichöpfend zujammengeitellt 
von Th. Lindner Veme p. 48 ff., p. 167 #., p. 170 ff. p. 175 #. 
p. 182 ff. 

*, Erb. 1078. Dort ift die Xitteratur angeführt, Was uns wahr: 
icheinlich macht, daß der Gau Loſa hierher zu verlegen ift, ſcheint 


53 


jener Gegend nicht recht Play hat, indem die benadbarten 
Gaue ihn zu jehr einengen, jo wird er in der Regel mit 
dem wenig Haren Begriff „Untergau“ bezeichnet. 


IX. Sutherbergi. 


Ihm gehören die Bauerichaften Lodre (Laer) und Ar« 
pingi (Erpingen) an. !) 

Iburg und Linen zeichnet Menke wohl nur herein, weil 
ie Ihon in früher Zeit vorfommen; doch mag er damit Recht 
haben, daß er, wie ja auch der Name anzeigt, den Suther- 
bergi den ganzen Süden des Dsning fait vom äußerften 
Weiten bis Osnabrück einnehmen läßt.?2) Zu diefem Gau 
werden wir mohl die beiden Sreiftühle zu Hathemareflo 


vor allem der Umftand, dat Würdtwein subsidia VI. 408 Nr. 156 
dad Kapital von Minden ebendiefe Curia Lose in der Osnabrücker 
Didzefe gelegen an das befannte, tekenburgiſche Dienftmannen- 
geichlecht der Buddo zu Zindredht giebt. 

3) Wilm. K. U. I. 28. p. 114. 

2) Es fragt fi) aber, ob der Sutherbergi nicht vielleicht im Süden von 
der Ems begrenzt wurde, denn in Dreini habe ich feinen Ort nörd- 
ki der Ems finden können außer dem an der Ems gelegenen Greven. 
Die bei Tibus 245—267 feitgelegte münſteriſche Diözefangrenze weift 
allerdings darauf hin, daß die Örenzfcheide durch die öden Heide- und 
Moorftreden parallel dem Gebirge in der Entfernung von Saerbed 
ging. Wenn Drenthorpe Tibus 272 und Hoſanharth ibid. 274 
richtig gedeutet find, jo würden fie wohl rechts der Ems liegen. Auf 
den mir zu Gebote ftehenden Karten vermochte ich fie nicht zu finden. 
Die Grenzorte ded Dreini gegen Norden find, ſoweit ich gefunden 
habe: Heribeddiun (Herbern), Greuan (Greven), Alathorpe (Aldrup), 
Heranhlara (Laer), Cumpa (Kumpen), Uualthorpe (Waldrup), Mi 
migerneford (Münfter), Dorfeldon (Darfeld, Tibus 277), Forheti 
(Berth), ulidi (Olde), alle in Nummer A XVII des Werdener 
Heberegifterd, dazu Warendorpe (Warendorf), Bettesdorf (Bettrup), 
Puningun, Bauerſchaft bei Wolbeck (PBüninger), Liesborn (Lieaborn 
ift auf der Karte ald zu ſüdlich fortgelaffen) bei Böttger III. p. 81 
und 82, 


54 


(Horstmerfch) ) und Woldisbrude (MWallbrügge) zu zählen 
haben. ?) 


X. Telenegan. 


Die Unterfuhung der bisher behandelten Gaue ergab 
eine bedeutende Abweihung von Spruner: Menke ſowol wie 
von Böttger. Vor allen beitand fie darin, daß wir grade 
den Kern der fpäteren Grafichaft Teleneburg, d. h. einen 
Zanditrich, welcher am Weſtende des Osning beginnend den 
Rüden des Gebirges bis an das Osnabrückiſche entlangläuft 
und fich in diefer Breite nach Norden erjtredt, feinem der 
genannten Gaue zuweilen fonnten. 

Hier müffen wir einen ganz neuen Gau, den Tefene: 
gau, anjegen. 

Er ift überliefert in zwei Urkunden vom Jahre 1059. 3) 

In der eriten bekundet König Heinrich IV. am 14. Ye: 
bruar, daß er des Mainzer Erzbifchofes Recht anf die Zehn: 
ten in Thüringen anerfenne; zur Abfindung des Zehnten, 
der auf den tgl. Gütern in Thüringen ruhe, gebe er ihm 
anderweitig 120 mansos zu Eigengut in den Bauerichaften 
Bunterefu, Tunu, Berneiju; 30 in pago Techengowa dicto 
in comitatu Heinrici comitis sitos; reliquis vero 90 in 
Francia expletis. 

Etwas anders lautet die folgende Urkunde, worin der 
Erzbifchof jeinerjeit3 dasjelbe befundend fagt: er habe erhalten 


—— — * 


1) Hathemareslo bei Wilm. K. U. 217. Lindner Beme p. 5 mill es mit 
der weitmünjterländijchen Freigrafſchaft vereinigen. Gr kennt jeine 
Lage nit. Es ift aber wohl Horſtmerſch, jüdlid vom Osning in 
der Nähe von Ibbenbüren; dadurch erflärt es ſich, daß diejes Ting 
im Befig der Herren von Ibbenbüren ift. Horſtmerſch wird that- 
ſächlich Hotmerſch geſprochen und haben wir hier wie bei zahlreichen 
Ortönamen eine Umſtellung des unverftänblihen Namens in ein 
befanntes hochdeutſches Wort anzunehmen. 

2) Benutzt zum Ding 1286 Möf. VIII. 172. 

) Bei Böhmer- Will Mainzer Negeiten Band I. p. 180 Nr. 28 und 29, 





55 





im ganzen 120 mansos; videlicet 30 in villis Guntheresu, 
Tunu, Bernessu, in pago Saxonie Techenegowi sitos; 
et reliquos 90 mansos, qui restant, in locis Francie 
Clezsilstat, Buochelun, Buorinchelun et circa jacenti- 
bus loeis. 

E3 fehlt aljo das „z“ weldes in ber eriten Urfunde 
hinter Bernefju iteht und liegen alfo Gunterefu, Tunu, 
Berneſſu im Techenegau. Es wird dieſe zweite Angabe 
richtiger jein.!) 

Die erften, welche dieſe Urkunde im Intereſſe der Gau— 
geographie verwerteten, waren, joviel ich jehe, die Verfaſſer 
des Chronicon Gottwicenje II. 297; fie verlegten den Tefenes 
gau in die Göttinger Gegend, wo allerdings die Ortsnamen 
Günderjen und Bernjen ſtarke Anhaltspunkte gaben; allein 
fie ſetzten vorlihtig hinzu, fie wollten nicht3 behaupten, da 
anderweitig dort der Lochni beglaubigt fei. Menke in neue: 
ſter Zeit, fommt zu ihrer Anficht zurüd, denn jeine Orts: 
namen Guntereju und Bernejju bei Göttingen find zweifels 
los unferer Urkunde entnommen. 

Ich weiß nicht, wie weit die bei Menke in Lochne ge: 
gebenen Ortsnamen beglaubigt find, da er zuweilen alle in 
Garolingifher Zeit wenn auch ohne Gauangabe gegebenen 
Orte hinzuzieht, aber die bei Böttger II. 289 ff. urfundlich 
als zum Lochni gehörig beglaubigten Dörfer Sulbichi, Hemlion, 
Bobbontenini, Peranhuſon, Lindingeshufon, Ethelleveshuion, 
Lengleron, Rodereshuſon, Hattiheshufon, Wizzereshuion, 
Maniſi, Gemmet, Hademinni, Erpefiun, Timertha, Yen: 
githe, Sueghufen, Wilmereshujen, Bredebide, Suen, Geſe— 
Waleshufen, Dransvelt, Wosthelmeshufen, Winithi, Reno, 
Ivelhufen, Beringotheshufen, Gruona, Schitun, trennen jene 
Dörfer Günderſen und Bernien von einander und ums 


2) Mill folgt Guden 1. c., aber wenn Guden das „“ wirklich in Dri- 
ginal begründet fand, jo iſt darauf nicht allzu viel zu geben. 


56 


ichließen jedes einzelne derartig, daß fie wie Injeln im Meer 
auf allen Seiten von den zum Lochni gehörigen Dörfern 
umgeben find, und feine Möglichkeit bleibt, die beiden zu 
einem Gau zujammenzufaffen. Menke verzichtet daher auch 
auf eine Zeichnung und Böttcher hat die Urkunde nicht 
benutzt. 

Es wird vielmehr dieſer Tekenegau in die Gegend der 
ſpäteren Grafſchaft Tekeneburg zu verlegen ſein. 

Der Gau fol nah den beiden Urkunden in Sachſen 
liegen. Der über den Gau herrichende Graf heißt Heinrich, 
ein Name, der als eigentlich tefeneburgiihe Stammnanıe 
angejehen werden muß. (cf. Genealogie im Erfurd und 
pag. 45.) 

Zunu ift Thiene bei Alfhaufen, Berneffu Berfienbrüd 
(die dort mwohnenden Minifterialen jchreiben fih noch im 
XIII. Jahrhundert v. Berfien, das dortige 1231 gegründete 
Kloſter heißt allerdings ftet3 Berfienbrugge und verdrängte 
wol den älteren Namen). 

Dem Inhalte nad dürfen die zwei Urkunden nicht be: 
zweifelt werden. Bor Erzb. Luithbald allerdings kann ich von 
einem Anſprnch der Mainzer auf die Zehenten nichts finden, 
aber Lambert M. G. V. p. 192—3 ſagt auch ausdrüdlid: 
1073 auf der Synode zu Erfurt hätten die Äbte von Fulda 
und Hersfeld erflärt, daß praecessores ejus (Siegfried von 
Mainz) Mogontini pontifices — usque ad Liupoldum 
episcopum numquam infringere temptassent (...seil.: 
die den beiden Klöſtern übergebenen thüringer Hehnten). 
Daß aber Luitbald Ansprüche machte, jagt jein Nadrolger 
Siegfried Fräftig genug: Ich Habe die Zehentrechte erlangt, 
für welche meine Vorgänger, bejonders der Erzbiſchof Zuith: 
bald faſt bis auf's Blut ftreitend kämpfte.“ (Will. Band I. 
XXII. 51 p. 190.) 

Daß fo eine Grafihaft fich unmittelbar auf dem Gau 
erhebt, ijt nicht ohne Gleichen. Ebenſo entitanden 3. B 


57 


die Grafihaften Are und Yülih aus dem Aragowe und 
Gulichegome. 

Eine Gaubezeihnung im Jahre 1059 wie bier darf 
uns nit überraihen. XThatjächlih war damals der Gau: 
verband jchon arg zerfallen, aber die Mainzer Kanzlei, welche 
der Eaiferlihen nahe ftand, bedient jich der Gaugeographie 
bi8 ins zwölfte Jahrhundert (Will. Band I. XXV. 126). 
St doch die einzige Urkunde, welche uns den tefeneburgi- 
Ihen Nadhbargau Lola kennen lehrt, nur um ein Jahr 
älter (1058). ) 

Mir dürfen wohl unbedenklich den Tefenegau den fchon 
früher gefundenen hinzufügen. 

Mir zweifeln nit, daß diefer Gau den Stern für Die 
ſpätere Grafſchaft Tekeneburg gebildet hat, wenn mir aud 
leider nicht inftande find, das langſame Anjchwellen der 
gräfliden Macht zu verfolgen. 

Die Grundform des Stammes der Grafichaft und fomit 
auch des Gaues lautet Tefeneburg (reip. Telenegau) ;?) was 
er bedeutet, jcheint jedoch nicht feftgeitellt werden zu können. 


— 





) Erb. 1078. 


?) Zmei Hauptvariationen des Namens kehren immer wieder: Teteneburg 
und Thekeneburg. Es jchreibt jo umabänderlich die gräfliche Kanzlei, 
ferner die biſchöflichen Kanzleien von Münfter und Osnabrud, ganz 
Sachſen, die beiten Handfchriften, die jächfifchen Chroniften. Ich 
gehe die einzelnen Ruchitaben durch: T meift jo; minder häufig th, 
etma 110 argen 230 T; d nur viermal und darunter zweimal un- 
fiher. Wir haben aljo hier kein germanifches th, jondern altes ger- 
maniſches IT (mit nachſtürzender aspirata), Andererſeits kaun 
man anführen, daß oft in Eigennamen das th ſich wicht zu d ent- 
widelte und fi; dann zur tenuis vereinfachte. e To die große Mehr: 
zahl; ziemlich ſelten dafür i und im allgemeinen in geographifch weit 
abliegenden Quellen. Die gräfliche Kanzlei hat unbeirrt e. y zu- 
weilen am Rhein; hier folgt auch zumeileu nafales n, alip en yn in, 
Auf Najalierung deutet auch Schreibung wie Teggeneburg. Am 
beiten tritt und dies in dem franzöftfchen Quellen entgegen: Tin: 


58 


—— — —— —— — — 


Clüver verlegt das Texcatc, welches Ptolemäus zwi— 


ſchen Rhein und Weſer kennt, in die Tecklenburg, aber die 
Neueren haben dies mit gutem Grunde zurückgewieſen.) 


hat 


Seitdem man Teutoburg mit Recht zuſammengebracht 
mit thinda thiudisk (alfo Volksburg), dürfte es vielleicht 


nicht fern liegen, an einen anderen germanischen Wortjtamm zu 
denfen: Thögan = puer, famulus, ein Wort häufig gebraucht 





- 
— 


queneburc, Thinkilinbourch, Tenecebroe, Tinkenburg, Tiegneburg. 
Das e war alſo zweifellos naſaliert. k dafür au c, ſelten ck 
Höchſt ſelten g und ſtets nach ganz unſicheren Zeugniſſen; es iſt 
deshalb nicht das oberdeutſch zu h verſchobene germaniſche g, fon: 
dern urſprüngliche germaniſche tenuis anzuſehen. € faft ohne Aus— 
nahme; wenige i, die Zonlofigfeit ift überall und jchon in ben 
älteften Quellen (1059) durchgeführt ; voller Vokal mur einmal, 
Dehalborg (aber im Copiar von Berfenbrüd). 1 hat die große 
Mafje; in Nord: und Mitteldeutfchland ohne jede Ausnahme wäh— 
rend der ganzen Epoche. Am Rhein von Lüttich bis Mainz herricht 
eine merfwürdige Neigung, die liquida n mit der liquida I zu ver- 
tauschen. Viele hundert Jahre jpäter dringt dann die I Form durch 
(Telenburg). © fehlt zuweilen; die Stummheit des Vokals ift aud- 
nanılod. Diefer Lautitand weift darauf hin, da man den Namen 
Ihon im der älteften Zeit ausſprach, wie noch heute jeder Bauer in 


der Grafihaft, nämlich: Tiäknbörch oder Tjäknbörch. 
Dad iä ift jehr kurz. Der erite Hauptaccent ruht heute auf bordh; die 
franzöftiche Schreibung Tiegneburc kommt dem Laut fehr nahe, Die 
eigentümliche, nalalierte Ausſprache iä ift dialectiſche Eigentümlichkeit 
der Gegend für germaniſches kurzes ẽ und i, z. B. niämen = nemen, 
biärg — Perg. Hier iſt aber das r faum zu hören, und jener iä-Laut 
findet fich aud) vorwiegend vor tenuis und media: fchiäpel = Scheffel, 
iäten — eſſen, biäte = Bad, wiäke = Woche, liäben = leben, 
liägen — legen, wiäwer = Weber x, ꝛc. Cine Ableitung des Wortes 
von toͤtan Zeichen ift daher wegen des langen Stammvofals in tefan 
unmöglich. 

Clüver Germ. ant. I. III. 556. Reichard Germanien unter den Rö— 
mern 245 jeßt Texekıe gleich Zetel weitlich der Weiermündung, 
Ledebur Brufterer 324 gleich der Inſel Terel. 


. 59 
zu geographiichen Bezeichnungen, fogar bei Gaunamen, wie 
Alptegau, Eotesdegan. !) 

Die konſequente Form hieße thöganaburg, entwidelt und 
in den Xofalen abgeihwädht dögeneburg. Im Anlaut it 
oft germanifches th ftatt zu d, zur einfadhen tenuis t ge: 
worden, und wäre aljo tegeneburg ſehr wol zu erklären. ?) 
Der idealiſche Begriff Heldenburg wäre darin abfolut nicht 
zu juchen, jondern einfah, Burg der mwaffenfähigen Leute, 
Männerburg, dem Begriff Teutoburg jehr nahe kommend. 
Allein das nicht abzumweilende VBorhandenfein des „k“ (Telan) 
für g (Pégan) macht diefe Hypotheſe doch immer bedenklich. 


Abkunft und Stammbaum der ältejten Grafen 
von Tefeneburg. 


Man hat häufig verfudht, den Stammbaum der Grafen 
von Tefeneburg bis in die karolingiſche Zeit zu verfolgen, 
in der Regel aber rein willfürlid Stammbäume erfunden 
oder jolhe aus wertlojen Chroniken abgejhrieben. 3) 


ı) Rörftemann Berjonenmamen 11583. 

2) Föritemann Perfonennamen 1153 giebt Belege für die Form tegan 
ftatt degan. 

2) Es iſt ald Ahnherr der Tefeneburger jo ziemlich alles herangezogen, 
was fich heranziehen läßt. — Riefen, Dämonen, Wittefind, Hunnen, 
Enak, Teuka, Königin von Illyrien, Karl Martell und fein Entel 
Egbert, Eobbo und Allo, M. Junius Brutus, Tecla bald ein römi- 
icher Pürger, bald eine Prinzeifin, Teko, Theddo, Deddo haben her: 
halten mñſſen. Seit dem XVI. Sahrhundert tauchen immer fabel- 
baftere Stanımbäume auf. Eſſellen ſchreibt 25, Müller 45 Seiten 
über die prähiftoriichen Grafen. Falckes Stammbaum braude ich 
wohl nicht zu widerlegen (codex trad. 151). Auf v. Schenks An- 
ficht komme ich ſpäter. Wilfen, Gejchichte von Münſter, behauptet 
die Herkunft der Tekenebnrger von der münfterifchen Tückesburg; ein 
Pſeudonym Koerdind (Niejert?) hat ſich ſchon 1825 in Troß, Wet: 
falia I. p. 203 ff. und 208 ff. dagegen gewandt in ruhiger Sprache 


60 . 

Die erite Perjönlichkeit, die wir mit einiger Wahrjchein- 
lichkeit mit den Tefeneburgern in Verbindung bringen dür- 
fen, ift eine edle Dame Aldburg, welche zwiſchen 969—78 mit 
ihren Söhnen Ludolf Biſchof von Dsnabrüd und dem Grafen 
Godſchalk das Klofter Eſſen an der Hafe gründet.!) Die 
Vermutung Sudendorfs, daß wir in ihr eine tekeneburgiſche 
Ahnherrin zu ſehen hätten, ftügt fich darauf, daß Aldburg 
in der GStiftungsurkunde für Eſſen ausdrüdlih jagt, fie 
ſchenke dem Klofter in der villa nostre possessionis Assini 








und hat, freilicdy nicht ohne in andere Irrtümer zu fallen, dieje 
haltlojen Behauptungen widerlegt. Wilten ibid, III, p. 40 ff. und 
p. 49 ff. antwortet darauf grob und leidenjchaftlih, aber ohne viel 
Glück. Nichts berechtigt und zu feiner Vermutung. Was die Anficht 
der farolingifchen Abſtammung der Teleneburger anbelangt, die mit 
der größten Zähigkeit immer von neuem wiederholt ift, und bei der 
man auf Egbert, den Gemahl der heiligen Ida, oder auf die Cob- 
bonen zurüdgeht, fo ift auch diefe Anficht völlig unhaltbar. Jenen 
halbbürtigen, faiferlihen Stamm haben in neuefter Zeit beiprochen : 
Waitz, König Heinrih I. Ercurs J.; Wilm., Kaifer-Urf., Ercurs I., 
beſonders p. 301; Deläner, Pippin 425; Simfon, Yudwig I. p. 29; 
Diefamp 183, 216, 228. Bon hier aus lieit man fich leicht in die 
große Litteratur hinein. Es läßt ſich nun nicht die leiſeſte Spur 
finden, daß Egbert oder die Gobbonen irgendwie die Ahnherren der 
Teleneburger fein könnten. Selbjt da die Cobbonen im Denabrüdi- 
ichen begütert waren, entbehrt wenigitend des Beweiſes, jeit Wilm. 
K. U. 1. 54 p. 257 mit überzeugenden Gründen nachwies, daß das 
cobboniſche Piun der jpätere Corveyer Oberhof Biun jei, aljo nicht 
Pye bei Dsnabrüd, der einzige Name, an den man fich klammern 
fonnte. Der erite, der den Stammbaum der Grafen von Tekene— 
burg in einige Ordnung brachte, ift v. Ledebur, allgem. Archiv Bo. III. 
Er arbeitet nach Urkunden, doc kann er ſich nicht entjchliegen, den 
ganzen Wuft der Sage über Bord zu werfen, und ift jeine Anſchauung 
in vielen Punften zu verbefjern. Auch beginnt jeine kurze Tafel erit 
mit Heinrich II. 

Gedrudt von Sudendorf aus dem Malgartener Kopiar D. 3. I. 
Nr. 1. p. 55, wo Gudendorf auch die genenlogifchen Verhältniſſe 
der Aldburg erörtert. Cf. auch Diekamp 470, 


1 


— 


(Eſſen) Beligungen zu Aſſini, Euinchem, Laa, Horabergon, 
Sula, Grata, Adathorpa, Carnhem. Simon von Tekeneburg 
nun, der 1175 daſſelbe inzwiſchen wol verfallene Kloſter 
zuſammen mit ſeiner Mutter Eilika abermals gründet, ſagt 
ebenfalls, er habe ein Kloſter gegründet in predlo nostro 
Esne (Eſſen) und ſchenkt dazu Güter zu Esne, Euinchem, 
Laghe, Herbergen und anbere.!) 

Aldburg wie Simon aljo nennen Esne ihre Beligung 
und ſchenken Höfe zum Teil in denjelben Bauerichaften. - 

Es muß noch darauf hingewieſen werden, daß Eſſen 
ipäterhin als tefeneburgiiches Hauskloſter betrachtet wird und 
daß auch Aldburgs Geſchlecht eine ähnliche Stellung zu die— 
jem SKlojter einnimmt, wie denn ihr Sohn Godſchalk das 
baufällig gewordene Gebäude rejtauriert.?2) Eine Verwandt: 
ichaft Aldburgs und ihres Sohnes des Grafen Godſchalk mit 
den Grafen von Tekeneburg jcheint daher vielleicht ange: 
nommen werden zu Dürfen. 

Es iſt das für uns doppelt interejjant, weil wir zu: 
gleih die Vermutung ausiprechen müflen, daß die erlauchte 
Frau von Wittefind dem vielgefeierten Sachſenherzog ab- 
jtamme und damit die mit merkfwürdiger Zähigkeit immer 
wiederholte Behauptung, daß die Tefeneburger wittekindi— 
ſchen Urſprunges jeien, wirklich zu Recht beftände. ?) 

Es jpricht für diefe Vermutung zunächſt die Thatjache, daß 
in Nordweitfalen, wo nacdmeislih Abkömmlinge Wittefinds 
reihe Güter bejapen, *) auch Aldburgs Wohniig zu liegen fcheint. 

3,9. 3.1. p. 57 Ar. 3. 
2) O. Z. J. Nr. I. p. 58. 
®) Ich verweiſe dazu auf Simſon, Carl I. p. 507; Waitz, Heinrich, 

Excurs I; Wilmans, Kaiferurfunden I. Ercurs II. und ibidem 

p. 569; Meyer, O. 3. IV. p. 182 ff. 203 f.; Sudendorf O. 3. I. 

p. 30 ff.; Erhard 646; Diefamp 363, 470. Cf. auch die Genen- 

logie p. 170. 

+) Eimfon, Earl I. 504 ff. 


62 
Sie ift in den Gauen Hafago, Varngo, Leheri, Derjaburg 
ſtark begütert, ihr Sohn Ludolf ift Biſchof im nahen Osna— 
brüd, ihre mutmaßlihen Nachkommen, die Tefeneburger, 
haben an beiden Ufern der Haaje ihre Dienftmannen und 
Oberhöfe. 

Die für uns wichtigſte Thatſache aber iſt, daß Biſchof 
Liudolf von Osnabrück im Beſitz des Rektorates vom Kloſter 
Wildeshauſen ſich befindet.) Wildeshauſen war geſtiftet von 
Waltbert, dem Enkel Wittekinds und in der Stiftungsurkunde 
hatte er ausdrücklich feſtgeſetzt, es ſolle in ſeiner Familie 
das Rektorat verbleiben.) Es muß alſo Biſchof Liudolf 
dieſem mächtigen Geſchlechte angehören. 

Einige Spuren ſind uns noch geblieben, näher die Stel— 
lung zu bezeichnen, welche der Aldburg und ihren zwei 
Söhnen innerhalb dem Geſchlechte Widukinds zukommt. 

Kaiſer Otto I. nämlich im Jahre 972*) und ſein Sohn 
Dtto II. im Jahre 9759 nennen Biſchof Liudolf ihren Bluts— 
verwandten (consanguineus). Fragen wir nun, wie Biſchof 
Liudolf mit den Ottonen in Verbindung zu ſetzen iſt, ſo 
muß dies zweifellos durch ſeine Mutter resp. deren uns 
unbefannten Gemahl geſchehen. Auf welche Weiſe kann nun 
Aldburg mit dem ſächſiſchen Königsgeſchlechte verwandt ſein? 
Die Griechin Theophanu, die Engländerin Edith, die Italie— 
nerin Adelheid ſind ohne weiteres beiſeite zu ſchieben; auch 
die Merſeburgerin Haduwi und der aus Oſtfalen ſtammende 
männliche Liudolfingiſche Stamm haben wenig Wahrſchein— 
lichkeit für ſich. ES bleibt alſo als Bindeglied zwiſchen den 
Dttonen und der Familie Aldburgs nur noch übrig die 
Weitfalin Mathilde, erite Gemahlin Heinrich J., bekanntlich 








) Stumpf 774; Erh. 646. 

2) MWilmans, Kaiferurtunden I. Nr. 38 und p. 532 sub 4a. 
») Möj. 14, nad) Wilmans allerdings gefälſcht. 

*) Möſ. 15. 


ein Sproß vom Stamme Wittefinds, mit andern Worten, wir 
foınmen auch hier wieder zu demjelben Ergebnis: Aldburg 
resp. ihr Gemahl gehört zu Wittekinds Geſchlecht. Zugleich 
mit Mathilde leitete fie ihren Urjprung auf den großen 
Sadjenherzog zurüd und deshalb nennen die Dttonen Ald— 
burgs Sohn ihren Blutsverwandten. 

Mathildens Gejchlecht können wir herauf verfolgen bis 
zu ihrer Großmutter Mathilde I. (jiehe den Stammbaum 
Seite 65). Dieje Mathilde I. aber wiffen die, Gejchichtg- 
forſcher mit Wittefinds Nachkommen, wie fie ſich bei Simfon 
und Waitz 1. c. ergeben, nicht recht in Verbindung zu jegen. 

Nah der Stiftungsurfunde von Wildeshaujen !) Hat 
Waltbert, der Enkel Wittefinds (wenn wir der Urkunde nicht 
Gewalt authun wollen), außer dem eriigeborenen Wichert 
nur einen Sohn und eine Tochter. Beide hatten Söhne 
und vielleicht war feine Tochter die uns anderweitig bekannte 
Mathilde 1.2) 

Dazu dürfen wir nod etwas hinzufügen: 

Es war bis jet unentjchieden, ob Ludolf und Godſchalk 
durh den Vater oder die Mutter Aldburg von Wittekind 
ſtammen. Wir werden uns für das legtere entfcheiden müſſen. 

Den hohen Rang allerdings, den Aldburg in ber 
Stiftungsurfunde von Efjen einnimmt, (Nos Aldburga 
divina ordinante providencia offerimus) fann jie aud) 
durch den Gemahl erſt erlangt haben. ES beweiſt nichts. 
Das Dsnabrüder Totenbudh vom Dom aber nennt zum 
31. Dctober eine Altburg.3) Der Herausgeber Meyer in 
der Note dazu hat tie identilch gehalten mit Aldburg der 
Gemahlin Waltberts und hatte fie als Großmutter gejegt 


— —— 





2) Wilm. Kaijerurtunden I. 532. 

2) Wilm. Kaijerurtunden 1.438 will Mathilde I. anjegen als Gemahlin 
des zweiten Sohnes Waltberts, Beltimmt wird die Frage mie zu 
löjen jein. 


>) 0.3. W. 


64 


von der Stifterin von Efjen; ein wenig gewagt, da er nad 
Eudendorf3 Abdrud !) den Namen der legteren noch Alaburg 
lad. Da wir aber durch neueren Abdrud?) nunmehr wiſſen, daß 
auch hier Aldburg geleien werden muß, da dürfen wir Meyers 
Vermutung wol beipflichten.?) Mit Vorliebe wird an der 
Eitte feitgehalten, die Enkelin nad) der Großmutter zu be- 
nennen. In dem tefeneburgifhen Stammbaum iſt dies in 
jeder Generation nachzuweifen, und jo iſt ſicherlich auch 
Aldburg II. Entelin Aldburgs I. der Gemahlin Waltberts. 

Die Chronologie läßt fih damit in Einklang jegen. 

Damit aber hören die Nachrichten auf. Es ſcheint un: 
möglich,, jenen genealogijhen Verhältnijjen auf den Grund 
zu fommen. 

(Stammtafel hierzu fiehe S. 65.) 

1059 erhalten wir zum erjten Mal eine bejtimmte Nach: 
richt über einen tefeneburgiihen Grafen in jemer bereits 
beiprodhenen Mainzer Urkunde, in welcher Heinrich IV. dem 
Erzbiſchof Luithbald von Main; 30 Hufen im Tefenegau 
ichentt. *) 

Der Graf, welcher über den Gau herricht, heißt Heinrich, 
— ein Name, mwelder in der gräfliden Familie häufig 
wiederfehrt. 

Späterhin eriheint einmal ein Edler Godſchalk mit jei- 
ner Schweſter Gifela und jeiner Tochter Dbderada.?) Zeit 
und Namen nad könnte er ſchon Enkel Godſchalks I. jein. 

1086 jodann ſchenkt ein gewiſſer Gijilbert duo loca 
Essene (Ejjen) und Bammide (Bohmte) an Biſchof Benno II. 

1) O. Z. J. p. 163. Nr. 

2) Diekamp, Regeſten 470. 

3) Allerdings möchten wir lieber annehmen, daß die im Totenbuch ge: 
nannte Aldburg Möburg II. ift, umſomehr, da ihr Sohn Lubdolf 
Biſchof von Osnabrück war. 

*) Will. Mainzer Regeiten Bd. 1. XXI. 28. p. 180. 

) Möf. 33. 


65 


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— — — 


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— — —— — — — 


von Osnabrück!) und zuerſt unter den Zeugen tritt auf 
nobilis laicus Otto filius prefecti Godeschalei. Die Ber: 
mutung liegt nahe, in ihm den Sohn Godichalfs II., alſo 
den Ururenfel der Aldburg zu jehen. In dem Falle war 
Ottos Anwejenheit bei der Güterübergabe auch nötig, denn 
Gijilbert konnte dann das Gut Efjene nur als Lehen Ottos 
beiigen und Otto Hatte durch jeine Erlaubnis die Schenkung 
rechtskräftig zu madhen. Neun Jahre ipäter 1095 nimmt 
ein Graf Dtto — wohl derjelbe wie 1086 — ein Gut an 
der Weitjeite von burg in Aniprud.2) Nun ift allerdings 
ein Graf, der ein weitlich von burg gelegenes Gut in An- 
ſpruch nimmt, wol zu unterfheiden von einem Grafen, ber 
weitlid von burg herrſcht (das könnte allerdings nur ein 
Teleneburger gewejen fein), aber immerhin bildet diefer Dtto 
als Sohn eines Grafen Godſchalk ein gut verbindendes Glied 
in der Kette unjerer Hypotheſen. 


Um die Zeit dürfen wir mutmaßlich den Anfang einer 
nenen Epoche für die Grafihaft Teleneburg anjegen. Es 
ift dies der Zeitabjchnitt, mit dem wir ung im folgenden zu 
beichäftigen haben werden. Ich nebe daher zur Überficht eine 
kurze Skizze des Entwidlungsganges der Graffchaft bis zum 
Sabre 1263. 

Tekeneburgs Politik, jeitdem wir eine ſolche aufzufinden 
vermögen, iſt beeinflußt durch die politifche Conftellation feiner 
beiden Nachbarn der Bistümer Münfter und Dsnabrüd. Es 
war mit ihnen noch bejonders verbunden, indem es die Vogtei 
beider Bistümer bejaß: die münfteriihe erlangte es ſpäteſtens 
im Anfang des XII. Jahrhunderts, die osnabrückiſche zwiſchen 
1173 und 77. Osnabrück hatte an Einfluß in feinem Spren: 


— nn — — 


) Möſ. 34. 
2) Möſ. 250. Nicht etwa an der Weſtſeite von Osnabrück, wie man 
bisher aus der Urkunde angenommen hatte. 


67 

gel verloren, ſeitdem e3 mit Zuftimmung Ludwigs I. von 
den Cobbonen zu Gunften der Klöſter Corvey und Herford 
eine3 großen Teiles jeiner Zehnten und Güter beraubt 
war.!) Als nun im Jahre 1079 der große Biſchof von 
Osnabrück Benno II. vom Sailer eine Urkunde erlangte, 
welche die ehemald von Herford und Eorvey dem Bistum 
entrifjenen Rechte dem Biſchof rechtmäßig zuſprach,?“) wurde 
damit die Lage der Dinge, wie fie jih im „Nordland‘ 
im 9. Jahrhundert gebildet hatte, völlig auf den Kopf 
geſtellt. Zehnten, Güter und damit vor allem Einfluß 
und Macht rollten nun wieder zurüd von den Klöftern 
auf das Bistum. Es murde dies enticheidend für bie 
ſchließliche politiihe Geitaltung der Territorien in dem 
nördlih vom Osning gelegenen Weltfalen. Dsnabrüd konnte 
fih ausdehnen und das kräftig aufitrebende Bistum, im 
Wachstum verfümmert durch die großartige Plünderung unter 
den Gobbonen, that hiermit einen fraftvollen Schritt vor: 
wärt auf dem Wege der Machtentwidelung. In dieje Zeit 
muß die Bildung des jogenannten „Osnabrücker Nordlandes“ 
fallen: aber e3 war reihlih ſpät; das Verabſäumte mar 
nicht ganz mehr nachzuholen, die beite Zeit unrettbar vorbei. 

In jenen 200 Jahren nämlich hatte ſich viel verändert. 
Die Beamtenariftofratie der Grafen hatte fich erblich gemacht 
und fing an, ſich in eine lanbesherrlihe Regierung zu ver: 
wandeln. Bor allen jaßen die Tefeneburger und Ravens— 
berger feit auf ben: Sattel des Osning; fie waren nicht 
mehr zu ftürzen und Osnabrück durfte nicht hoffen, ähnlich 
wie Münjter im ganzen Bistum die Laienherrichaft zu ver: 
drängen, aber feit der bennonischen Zeit bemerken wir doch 
ein regeres Streben Osnabrücks, und feine wie auch Münjters 
Politik dreht jich 150 Jahre darum, fi von der weltlichen 








7) Ich verweife hierfür auf Möfer VI. p. 244 ff. 
2) Erb. 1138. 
5 * 


68 

Herrihaft durch Immunität und Eremtion zu befreien, jich 
im Innern zu befeitigen, vor allen die Kirchenvogtei abzu: 
werfen. Durch dieſe Verhältniffe werden auch der Politik 
ber tefeneburgifhen Grafen als der Kirchenvögte von Mün— 
fter und Dsnabrüd die Bahnen vorgezeichnet. Müniter ents 
ledigt fich zuerit der Täftigen Felfeln, indem e3 die Kirchen: 
vogtei abkauft (1173). 1236 folgt ihm das jchwädhere 
Denabrüd. Unmittelbar darauf thut dann Münfter den 
'erften Schritt zum Angriff gegen Teleneburg, indem e3 1251 
die ravensbergifhen Beligungen im Norbland erwirbt und 
jo Tefeneburg von zwei Seiten mit erdrüdender Macht um: 
faßt. Zugleich ftirbt das ältefte, hiſtoriſch nachweisbare 
Grafengejchleht von Tefeneburg aus und überläßt dem kom— 
menden Geichleht den hoffnungslofen Kampf gegen das über- 
mächtige Bistum aufzunehmen. Es beginnt damit die dritte 
Zeit für unjere Grafiait. 

Im Anfang des ſoeben charakteriſirten Zeitabichnittes 
find wir über die Verhältniſſe in Tefeneburg nur ſchlecht unter: 
richtet. Dieſe Zeit, in der die Fräftige Geftalt Bennos II. zur 
Aufzeichnung der Ereignilie anregte, das von ihm gegründete 
Klofter burg dem frommen Eifer Anlaß zu reihen Schen- 
tungen bot, und eine Reihe von Schenkungsurfunden auf 
die eigemtümlichen Verhältniffe in Tregmwiti und Sutherbergi 
gerade jo viel Licht werfen, daß unfere Spannung im höch— 
ften Maße gewedt wird, wir uns aber vergeblich mühen, 
ein klares Bild von der politiihen Zerteilung bes Landes 
zu maden, im diefer ganzen Zeit entdeden wir feine Spur 
der ſpäter mächtigen Grafihaft oder ihrer Herren. Und 
gerade dieje Zeit war für die endgültige Geitaltung der 
Dinge im Nordland entiheidend. Zunächſt, da, wie wir jchon 
bemerften, die Umſchreibung der Zehntrehte auf Dsnabrüd 
eine wahre Ummälzung im weitfäliiben Nordlande hervorrief. 
Diefen Wechiel der Dinge werden fich die Tekeneburger, wie 
die anderen norbweitfäliichen Herren weislich zu Nuße ge- 


69 


macht haben. In hiſtoriſch erfennbarer Zeit bejigen jie, wie 
Ravensberg, Didenburg, Steinfurt, Bentheim und andere, 
eine Menge Dsnabrüder Zehnten, !) und vielleicht hat Bijchof 
Benno ſich zur Verleihung derjelben entjchließen müfjen, um 
den nicht minder großen Hunger der Nachbarn zu beichwich- 
tigen. Sodann hören wir aud) von ganz jonderbaren, jpäter 
verihwundenen Zujtänden im Süden von DOsnabrüd. Hier 
ngt noch eine ftattliche Neihe von Edelherren. Wir hören 
von den Grafen Adalger, Walderih, Wezel, Amalung, 
Folder, aber ihre Perſon und ihr Gefchledht eritreben wir 
vergebens zu erfajjen.?) Wir werden wohl in ihnen Ahnen 
der fpäteren Dynaften von Holte, Oſede, Jburg, Blankena 
oder anderer verjchollener Geſchlechter zu juchen haben, bie 
ja aud in hiſtoriſcher Zeit von Stufe zu Stufe jinfen, um 
ichlieglih zu verichwinden. 

Wenn man das endloje Verzeichnis der Korveyer Güter 
in den Gauen Agrotingau, Hajegau, Fenkiongau, Farngau 
und Leri betradhtet,?) jo muß man fich jagen, daß eine 
Überjchiebung diefer Gütermaffen auf das Bistum den poli- 
tiihen Schwerpunkt im Nordland für immer in Osnabrüd 
feitigen und demjelben dadurch eine Stüße zur Behauptung 
jeiner Interefjen im Süden werden mußte. Es ſcheint mit 
diejen Ereigniffen zufammenzuhängen, dab wir jenen Ring 
von Edelen, der noch zu Bennos Zeit Dsnabrüd umfpannte, 
im Anfange des zwölften Jahrhunderts, wo mir inftande 
find, den dortigen Laienadel klarer zu erkennen, zur völligen 
Bedeutungslofigkeit herabgedrüdt finden. Ihr Erbe ift das 
Bistum Dsnabrüd. E3 giebt im zwölften Jahrhundert nur 
noch drei Nebenbuhler: Dsnabrüd, Ravensberg, Tefeneburg. 


1) Es wird das jpüter des längeren machgewiejen werden. 

*) Ich verweile hierfür wieder auf Möfer VII. 27 ff. und Lindner 
Veme 167. 

) Die Gorveyer Heberegifter find gedrudt bei Wigand Arhiv Bd. I—7 
und Wigand codex traditionum, 


70 


Bon den Grafen, die in diefer Zeit möglicherweile als 
Tefeneburger bezeichnet werben fönnten, taucht zuerft 1118 
ein Graf Heinrich mit jeiner Mutter Judith auf.!) Er bat 
Befig bei Oſede und ſchenkt an das dortige Klofter Mark: 
gerehtiame zujammen mit Widulind dem jüngeren (mohl 
aus dem Geſchlecht der Widulinde von Oſede). Diefer 
Heinrich könnte Egbert3 I. Vater fein und nah ihm dann 
Egberts ältefter Sohn heißen. 

Somit gebe ich unter allem Vorbehalt den Stammbaum 
von Aldburg II. bis auf Ecbert I. Man wird aus der Dar- 
jtellung jelbft gejehen haben, wie unflar und unjicher alles 


geblieben ift. 
(Punktierte Linien bezeichnen die nicht ftreng beweisbaren Verbindnngen.) 


Aldburg II. 969—78 





) 


| | 
Liudolf v. Osnabrück Graf Godſchalk 969— 78 


Heinrich 1. 
Graf im Tekenegau 1059 





| | 
m II. Giſela 


ee ——— 
ung Dtto 1086—95 Oderada 





Heinrich II. 1118 


Egbert I. 1129—44, ?) 


9 Möf. VII. 49, Möf. Vermutung VII. 60, daß dieſes Heinrichs 
Bater der Edle Heinrich ſei, weldher 1096 Möf. VIII. 45 mit jei- 
nem Neffen Hermann erjcheint, ift unwahrſcheinlich. 

2) Der eben entwidelte Stammbaum ift recht unſicher. Abgeſehen da- 
von, daß die Berfnüpfung der verjchiedenen Generationen ftets auf 


71 


Egbert I. 1129 —41, 
Erft mit Egbert I. beginnt eine ununterbrochene Reihe 


tefeneburgifher Grafen; er muß deshalb als der Ahnherr 
des Geſchlechtes bezeichnet werden, welches im Jahre 1263 
ausftarb. Er war den früheren Bearbeitern der tefenebur: 
giſchen Geihichte unbelannt !) bis in der Osnabrüder Zeit: 


m —— — rn a 


- 
— 


ſchwachen Füßen ſteht, ſprechen auch andere Umſtände direkt dagegen. 
Der Name Godſchalk iſt diepholtiſch, Otto ebenſowol ravensbergiſch 
als tekenenburgiſch. Jener Otto I., der bei Osnabrück erſcheint, kann 
möglicherweife als Ravensberger bezeichnet werden, denn dieſe haben 
eher als die Tekeneburger im Osnabrückiſchen die Macht. Tekeneburg 
erlangt die ſeinige erſt in ſpäterer Zeit (1150, 1174—77, 1202, 
cf. infra). Obendrein jener Befig vom Klofter Efien, der erſt in 
Aldburgs, jpäter in Simons Händen ruht, beweiſt nichts entſcheidend. 
Wie leiht konnte er mit Simons Mutter, der Oldenburgerin 
Eilifa, die ja mitftiftet, an Tekeneburg gekommen jein! Von ande» 
rem tefeneburgijchen Befig 3. B. von dem Oberhof Oythe möchten 
wir ed geradezu behaupten. Und die Oldenburger haben ebenfalls 
die Möglichkeit einer widulindifchen Abftammung fur fid) cf. Wilm. 
K. U. I. 397, dagegen Abel Jahrb. Karl Bd. I. 2. Aufl. 507. Auch 
fie find fpäter mit Effen in Berbindung (DO. 3. TI. p. 56 Nr. 2). 
Wenn aber Simon in der Gründungsurtunde D. 3. Nr. 3 jagt: 
Efien gehöre ihm hereditario jure, fo kann das einfach bedeuten, 
es iſt Allod, fein Lehen. Fernerhin, falld der Möf. 33 erwähnte 
Godſchalk Bruder der Giſela, Vater der Obderada, wirklich zugleich 
jener Graf Godſchalkt, Vater Ditos, ift, jo fällt zweierlei auf: Zu: 
nächſt, daß nur Dverada Erbin der Gidla ift; dann daß Gislas 
Mundiburt nicht etwa ihr Neffe Dtto, fondern Heinrich ift, der 
Sohn des in jener Zeit öfter genannten Grafen Adalgar Wikingſon. 
Auch diefen heranzuziehen kann man nicht wagen. Wenn man Prof. 
Lindnerd (Veme p. 169) anfpredjende Hypotheſe, dab die Ravens— 
berger und Thekeneburger gemeinfamen Urſprunges feien, bemweijen 
fönnte, jo wären wir fchon ein ganzes Stüd weiter. Allein es fpricht 
vieled dagegen. 

Willen (in Tross, Westfalia 1826 p. 44) kannte Egbert, gab aber 
keine Duelle; Ledebur war er unbekannt, und fo ließ fich noch Müller 
p. 40 durch Falde (Codex trad. Corb. p. 151) täufchen, weldyer 
behauptet, Heinrichd Bater habe Otto geheißen. Diefer Fälſcher 


72 


Ihrift eine Urkunde Heinrih von Lüttich für Klofterrath 
publiziert wurde, welche über ihn danfeswerte genealogiiche 
Nachrichten enthält. 1) 

Egbert3 Stellung war feine unbedeutende. Seine Ge: 
mahlin Adelheid war eine Tochter Walrams des Heiden von 
Limburg. Durch Ddiefe Verbindung wurde Egbert in das 
Intereſſe des welfiichen Haufes gezogen, denn Walram war 


beruft fich dabei (Codex p. 151) auf libri feudales Ottonis von 
1118, die nie eriftirt haben; Falde hatte Kenntnid von den libri 
feudales des Dtto aus der Bentheimer Linie vom Ende bes 
XI. Sahrhunderts, die fi) im Staatdardiv zu Müniter befinden; 
er zählt dann Egbertd anderweitig befannte vier Söhne auf und 
fügt argliftig hinzu: nominantur in membrana ejus (scilicet Ot- 
tonis) das herangezogene Dokument ift aber zweifellos der noch zu 
erwähnende Vertrag mit Dsnabrüd von 1150. Eine Tefeneburgiiche 
Ausfertigung diefer Urkunde ift mir nicht befannt und Falcke ficher: 
lih aud nicht, aber da er ſich dieſen Grafen Otto a priori fon- 
ftruiert hat, jo konſtruiert er ſich hinterher eine ottoniiche Urkunde. 
Wilken kannte den Egbert zweifellos aus einer Urfunde Friedrichs II. 
von Köln von 1158, in welder er — mutatis mutandis — bie 
gleich zu erwähnende Urkunde Heinrichs von Lüttich für Klojterrath 
wiederholt (beit Miräus IV. 381); denn er hat Miräus benupt. 

1) O. Z. VI. 169 abgevrudt aus Quix, Reichdabtei Burſcheid; hier 
erſcheint beim Begräbnis der Jutta Theoderieus filius Ekeberti 
eomitis de Titkelenburg natus ex altera filia Juttae. Daß die 
Gemahlin Egberts Adelheid hieß, erfahren wir Möf. VIII. 58. Die 
zitierte Urkunde ergiebt die folgende Genealogie. Of. auch Bernhardi 
Lothar 186. 

Heinridy v. Limburg 
—— 


| 
— — — — — — — — 


Walram d. Heide Agnes ee mit filia verheir. mit 
v. Limburg, Herzog Friedr. v. Putelendorf Friedr. v. Arnsberg 
v. Lothringen 
— — — —— — — — — 


Heinrich Gerhard Beatrix verheir. mit Adelheid verheir. mit 
v. Limburg Robert v. Lurenburg Egbert v. Tekeneburg 


vier Söhne. 


73 


unbedingter Anhänger Lothard. Hiermit wurde ber Grund 
gelegt zu einem hundert und fünfzigjährigen Kampfe mit 
dem ſtaufiſch geiinnten Haufe Ealvela-Ravensberg. 

Wenn wir nun einen Grafen Namens Egbert 1127 —44 
mehrmals am Hofe Adalbert3 von Mainz, des heftigften 
Gegners ber Staufen, erbliden, fo bat von Schenf mit Recht 
die Frage aufgemworfen, ob diefer Egbert nicht vielleicht Graf 
Egbert von Tekeneburg fei. !) 

Am 24. Februar 1127 befindet jich unter den Zeugen 
zu Main; ein comes Egbert 2); 1139 ebenſo ein Egbert 
von XYengenburg?); 1140 ein Echebert comes #) und fhließlich 
1144 ein Eggebert de Deggeneburg.5) Unumftößlich fcheint die 
Anweſenheit unſers Grafen zu Mainz jedoch noch nicht erwie: 
jen.6) Sicherlich zu weit geht aber von Schenf, wenn er, um 
das Auftreten des Grafen zu Mainz zu erklären, den Ur: 
iprung der Teleneburger in dad Mainzer Gebiet legt. Näher 
möchte eine andere Erflärung liegen. Es iſt möglih, daß 
die Grafen von Teleneburg frühzeitig in Verbindung mit 
dem Erzitifte Mainz gerieten dur eine Inbenefizierung mit 


1) Im Organ des Geſamtvereins der deutichen Geichichtövereine 1876 
p- 75 Nr. 9, worauf ich durd; eine freundliche Notiz des Herrn 
Prof. Dr. Nordhoff zu Münfter aufmerffam gemacht wurde. 

2) Will. XXV. 186, der aber Engelbert lieſt. 

2) Will. XXVI. 13. Schenk Tieft: Zeuge Egbert von Tengenburg gegen 
Foannis, welcher Yengenburg hat. Trotzdem lieſt Will, welcher Schents 
Anficht kennt, (cf. Will. XXV. 358) noch Yengenburg. 

+, Will. XXVI. 33, 

>) Will. XXVIL 22. Der Anfangebuchſtabe D ftatt t für Tefeneburg 
ift aber höchſt jelten, ich habe ihn nur viermal gefunden. 

*, Es erjchüttert auch diefe Hnpothefe der Umftand, daß Erzbiichof 
Adalbert einen Bruder Effebert hatte, Will. XXXI. 34. Beide aber 
waren Pruderjöhne Adalberts I. und mochte daher Etfebert fich jchon 
am Hofe Adalberts I. aufhalten. Im Mainzer Gebiet lag aud eine 
Dingenbure. Will, XXV, 301, 


74 

den 30 Höfen im Tekenegau, welche 1059 Heinrich TV. zur 
Abfindung der Mainzer Anſprüche auf den Zehnten von den 
fönigliben Gütern in Thüringen an das GErzitift ſchenkte 
(ef. p. 54}... Daraus mochte fi eine enge Verbindung 
der Grafen mit Mainz entwideln, welche jogar 1196, wie 
wir jehen werden, zur Ernennung Graf Simon? zum Erb: 
ihenfen von Mainz führte. ?) 

Der Einfluß der Limburger auf Egbert zeigt ih auch 
darin, daß Heinrich, der älteite Sohn Egbert, nad jeinem 
mütterlihen Grofvater,2) der vierte Sohn Gerhard nad 
dem Bruder der Mutter den Namen erhielt. 


1128 wurde Walram von Limburg, der durch ſeine 
Schmwäger von Nutelendorf und Arnsberg ſowie durch jeine 
Eidame von Teleneburg und Lurenburg (ipäter von Naffau) 
eine mächtige Stellung einnahm, vom König Lothar zum 
Herzoge von Lothringen erhoben, und es entipann ich ein 
erbitterter Kampf zwiſchen ihm und dem abgejegten Herzoge 
Gottfried von Löwen: Brabant.) Wir find ohne Nachricht, 
ob Egbert in diefen Wirren dem Schwiegervater zu Hülfe 
fam. Er mochte es wol halten, wie König Lothar, der ſich 
begnügte, feinen Schügling mit Worten zu unterftügen. 

Egbert jcheint fich überhaupt um die große Reichspolitif 
wenig befümmert zu haben. Während die Ravensberger 
häufig am Faijerlichen Hofe mwaren,*) und jein Nachbar im 
Diten, Otto von Bentheim, die Chroniken von ih reden 


) Schent will Anzeichen geiehen haben, daß die Grafen von T mit 
den Herrn von Gelnhaufen zufammenhängen. Ich habe aufer einem 
Egbert von Gelnhaufen (Will. Bd. I. XXVIII. 139) nichts gefunden 
und Schenk hat, joviel mir befannt, die darüber verſprochene Schrift 
noch pag. 70. 

*) Allerdings hie vielleicht auch Egbert? Vater Heinrih. Cf. Genea- 
logie im Excurs 8 p. 45. 

*) Bernhardi , Lothar p. 186 ff., 234 ff. 

*) Erb. 1510, 1518, 1514, 1523, 1554 u. ſ. w. 


75 

machte, ſchien Egbert ſich zurüdzuziehen. Gleich ben meiften 
Weitfalen war er Anhänger Lothars, wie er denn in meh: 
teren Urkunden der Egbert und Wernher von Vlünfter, 
zweier eifriger Lotharianer, erjcheint. Als 1129 Egbert die 
Stiftung des Kloſters Varlar beitätigte, war Eabert von 
Zefeneburg zugleih mit Wikbold von Horitmar, Hermann 
und Bernhard von der Lippe, Ludolf und Rudolf von Stein: 
furt, Theoderit und Werenbold von Gemen und anderen 
Edlen zugegen.) 1134 trat er zu Gunften des neu geftif- 
teten Kloiters Klarholz einen Wald bei Honbrinfe ab, den 
er als münſteriſches Lehen trug.) 1137 war er Zeuge in 
einer Urkunde Biſchof Wernhers für Barlar.3) Es fcheint 
al3 wenn er bereits im Beſitz der münjteriichen Kirchenvogtei 
geitanden habe.t) 

In jener Zeit hatte jich die Lage für das welfiiche Haus 
ungünftiger geitalte. 1137 ftarb König Lothar; zwei Jahre 
ipäter folgte ihm Heinrich der Stolze und in demjelben Jahre 
ſchied Egberts Schwiegervater Herzog Walram, ohne jeinem 
Geichlehte die Herzogsmwürde von Lothringen fihern zu kön— 
nen, aus dem L2eben.d) Der Staufer Konrad war dem ehe: 
maligen Schüglinge Lothars abgeneigt und verlieh das Her: 
zogtum Godfried, dem Sohne von Walrams altem Gegner. 


7) Erh. 1524. 

7) Rindl. IV. N. 9. p. 20. 

8) Erh. 1579. 

*) Ich kann hier die Frage der münfterifchen Kirchenvogtei nicht völlig 
unterfuchen, weil id) dad Archiv bed weitfälifchen Vereins nicht darauf 
anſah und ed mir jegt micht mehr zugänglich ift. Egberts Sohn 
Heinrich II. tritt die Vogtei bereite ab. Egbert ift der erfte Name, 
welcher in gedrudten münfteriichen Urkunden erfcheint und als ein 
tefeneburgiicher bezeichnet werden könnte. So liegt die Vermutung 
nahe, daß dieſes plögliche Auftreten mit den Erwerb der Bogtei 
zufammenhäng.. Münfteriicher Vaſſall war Egbert bereits. Cf. 
Anm. 2. 

5) Bernhardi Conrad I. 101. 


76 


Egbert3 Schwager war machtlos, jih dem zu widerſetzen. 
Die Sachſen aber unter Führung der Kaijerin:Wittwe 
Richenza blieben in den Waffen, um die Anerkennung des 
jungen Heinrich des Löwen durchzufegen. 

In diefe Zeit der allgemeinen Bewegung führt uns bie 
legte Nachricht, die wir von Egbert haben.!) 

Elimar von Oldenburg geriet mit Egbert von Telene: 
burg und deſſen Nachbarn am öftlihen Abhange des Osning, 
Dtto von Ravensberg, in Krieg. Die Schuld jcheint auf 
Elimars Seite geweſen zu fein.?) Wir dürfen kaum anneh: 
men, daß dieſer Streit in den großen Rahmen des ftaufifch- 
welfiihen Gegenjages einzufchieben ift, jondern es waren 
vermutlich lediglich Grenzitreitigleiten im Nordland, wo auf 
der ganzen Linie von Kloppenburg bis Damme aller drei 
Rechte und Güter bunt durcheinander gewürfelt lagen. Aber, 
wie e3 zu erwarten ftand, das Kriegsglüd war dem Heraus: 
forderer nicht günftig. Zwei fo mächtigen Nachbaren nicht 
gewachjen, wurde er beim erften Zufammenftoß bejiegt und 
nahm nun jeine Zuflucht zu einer Kriegsliſt. Elimar hatte 
ich Hinter die großen Sümpfe zurüdgezogen, die den ganzen 
füblihen Teil feines Gebietes bededten. Er jelbit legte ſich 
mit einer Abteilung jeiner Mannichaft in den Hinterhalt 
und erwartete das Heer der Verbündeten, welches zu einem 
zweiten Treffen heranzog. Wegen des lojen Untergrundes 
hatten die Verbündeten alle ſchweren Warten abgelegt, Panzer 
und Roſſe verlajien und waren gerade im Begriff, ben 
Mari über die trügerifche Dede anzutreten, ?) ala Egilmar 


— 


) Annal. Pathabrunnenses ed. Scheffer-Boichorst. ad 1141. Anna- 
les Colonienses maximi M.G. seriptores XVII. 759. Cf. Bern- 
hardi, Conrad 1. 230. 

?) In bellum provocans Elimarus. 

») So faht mit Recht VBernhardi das cum inarmati incederent. Er 
ſollte vielleicht auf Unmegen ihnen wieder zugeführt werben, da 
man den Feind noch nicht vermutete, 


17 





ie plöglih angriff und zwang, in der ungünftigften Stellung 
die Schlacht anzunehmen. Sie endete mit einer vollftändigen 
Niederlage der Angegriffenen. Ihre Dienitmannichaft wurde 
zeriprengt, viele und mit ihnen die Grafen Egbert und Otto 
jelbft gefangen genommen (1141). Wir willen nicht, wie 
der Kampf weiter ging, aber wir haben Grund anzunehmen, 
baß der Friede durch ein frohes Ereignis bejiegelt wurde, 
nämlich durd die Verlobung des Erbgrafen Heinrich von 
Zefeneburg mit Eilika, Tochter Egilmars, Enkelin Heinrichs 
von Rietbeke aus dem Haufe Werl und der Beatrir, Wittwe 
bes frommen Gobdfried von Sappenberg. !) 

Hiermit erliicht jede Kunde von Egbert. Sein Todes: 
jahr ift unbefannt (vor dem 1. Dezember 1150).2) Er ift 
mol jener Graf Egbert, von dem das Totenbuch des Domes 
zu Osnabrück kurz berichtet: 

4. Februar: es jtarb Egbert, Graf.) 


Heinrid III. 1150 —56 (57). 


Heinrich III., ältejter Sohn Egberts, folgte ihm in ber 
Grafſchaft. Den Namen trug er nad dem Großvater ber 
Mutter und vielleiht auch nad dem Großvater väterlicher: 
jeits. Er hatte noch einen jüngeren, weltlichen Bruder Otto; 
die beiden anderen Theoderic und Gerhard hatten ich dem 
geiftlihen Stande gewidmet. 


2) Wenn man bedenft, daß 1158, aljo 17 Jahre ſpäter, Simon von 
Zeteneburg am kaiſerlichen Hofe urtundet, jo darf man das Verlöbnis 
feined Baterd wol nicht jpäter jeßen. Undererjeitd war Simon da— 
mals noch jung, 1150 feine Oheime erft ad clericatum deputati, 
Möſ. 56. Die Genealogie der Eilifa in der vita Godofridi com, 
Cappenberg. M. G. Seript. 12, pag. 52930. Bon nun am wird 
der Name Eilifa in der tefeneburgiichen Familie heimiſch. 

) Erh. 1742. Möſ. 56. 

2) Das Nekrolog bei Meyer in der O. 3. IV. 1865. Der Herausgeber 
zweifelt, ob ed einen Egb. v. T. gab und begnügt fich, Wilkens An— 
ficht zu zitieren. cf. pag. 71 Unm. 1. 


78 


— — 


Im Weſten hatte ſich im Jahre 1150 eine wichtige Ver— 
änderung zugetragen. Otto Il. von Rheineck, Pfalzgraf von 
Bentheim, war von ſeinem Gegner Hermann von Stahleck 
gefangen und erdroſſelt worden. Sein Vater ſtarb gebeugt 
vor Alter und Gram im folgenden Jahre, und ſo ging die 
reihe Erbſchaft durch eine Erbtochter an Theoderic von Hol— 
land über. Damit waren die Lehen, welche die Ottonen 
von ARhined vom Bistum Dsnabrüd getragen hatten, erle: 
digt, und Biſchof Philipp von Kapenelnbogen benutzte jie 
noch im jelben Jahr, um auch die Nachbaren auf Tefeneburg 
ald Vaſallen des Hochitiftes zu gewinnen. Nicht lange vor 
Weihnacht 1150 °) gingen Graf Heinrich und defien Brüder 
Otto, Theoderic, Gerhard jomwie ihre Mutter Adelheid, welche 
ihr Mundiburd Liefhard von Depenhem vor Gericht vertrat,?) 
hinunter nad Dsnabrüd und fchloffen im Gericht des Kirchen- 
vogtes Amulung mit Biſchof Philipp einen wichtigen Vertrag, 
infolge befjen fie zu Osnabrüd in das Bajallitätsverhältnis 
traten. Die Grafen überliefen an Dsnabrüd eine Reihe 
von Höfen und erhielten dafür 230 Mark, 20 Mark jähr: 
liher Zehnteneinfünfte und alles was Dtto v. Rheined als 


— 


) Die Urt. Erh. 1742 iſt am J. Dezember ausgeſtellt. Bon den ge 
nannten Söhnen Egberts kommen Otto und Gerhard nicht mehr vor. 
) Mit Unrecht hat man aus der Stelle: „Heinricus comes et fratres 
sui coheredes ejus Otto, Thideric et Gerhardus assensu matris 
eorum Athelheidis et mundiburdi ejus Liefhardi de Depenhem* 
ſtets gejchlofjen, da& die vier genannten Brüder nod; minorenn ge 
wefen feier. Das „mundiburdi ejus* fann fih nur auf Adelheid 
beziehen, denn Graf Heinrichs Sohn Simon erſcheint acht Jahre 
Ipäter ſchon als Zeuge am faijerlichen Hofe, und folglih war jein 
Vater 1150 unmöglich noch ein unmündiges Kind. Wir fahen fchon, 
daß fih Graf Heinrich vermutlich kurz nad) 1141 verlobte 1150 
mußte Graf Simon lange geboren fein. Im jugendlichen Alter aller- 
dingd waren noch die jüngeren Brüder Heinrichs; das zeigt fich deut« 
ih an dem „Thideric et Gerhard ad clericatum destinati. Möj. 56. 


79 





Dsnabrüder Zehen bejefjen hatte!) und zwar wurden fie alle, 
jelbjt Thideric und Gerhard für den Fall, daß fie den geift: 
lien Stand verlajjen jollten, belehnt zu gejamter Hand, jo 
dat beim Ausjterben einer Linie die anderen in deren Recht 
traten. Everwin von Fredenhorjt leitete die Verfammlung, 
da Amelung als Kirchenvogt die Güter in Empfang nehmen 
mußte. Pfaffen und Laien umjtanden zahlreih die Ber: 
jammlung, unter ihnen ſämtliche Prälaten von Osnabrüd, 
Heinrih Graf von Rietberg, Liefhard Dynaft von Diepens 
heim, der Edle Arnold von Tekeneburg und zahlreihe Os— 
nabrüder und Tefeneburgiiche Dienftmannen. Am 24. Juni 
des folgenden Jahres 1151 ſtarb die Großmutter der Brüder, 
Judith von Limburg 2) im Klofter Rath, wohin fie fich im 
Alter zurücdgezogen hatte. Ihre Familie war zahlreich herbei: 
geeilt, um ihr das legte Geleit zu geben, von ihren Enfeln 
von Tefeneburg aber war nur Theoderic zugegen.) Auch 
Adelheid fehlte: vieleicht war fie ſchon geſtorben; wenigſtens 
fehlt nad dem Dezember 1150 jede Spur von ihr. 

Die Neigung zu den Welfen hatte naturgemäß abge: 
nommen, jeit von Tag zu Tag Heinrich& des Löwen Abjicht 
tlarer wurde, jeine Herzogsgemwalt über das ganze Sachſen 
auszudehnen. So war Bifchof Wernher von Münjter in das 
ftaufiihe Lager gegangen, und Graf Heinrich ſchloß ſich ihm 
eng an. Mit andern weftfäliichen Großen iſt er öfters zu 
Münfter oder an einer der Dingftätten im Münſterlande, 
um durch feine Stellung als Vogt des Hodjitift im Ding 
die dem Stift gejchenkten Güter in Empfang zu nehmen, 
der Berhandlung Nachdruck und der aufgenommenen Urkunde 
Beweiskraft zu verleihen.) Bei diejem gegenjeitigen guten 


1) Der Ausdrud: beneficium comitiszOttonis de Rinegge ift ſicher 
ein Gollectivbegriff. 

®) Annal. Rodonses M. G. Script. XVL 721. 

) UrkäHeinrichefv. Lüttich, der auch zugegen war O. 3. VI. 169. 

*) Eh. 1756,51767, 1768. 


—— — — — — 


Verhältniſſe gelang es Wernhers Nachfolger Friedrich, das 
Ziel zu erreihen, nad) dem naturgemäß das Bistum lange 
geitrebt hatte. Bei der thatſächlichen Machtlage konnte die 
tefeneburgiiche Vogtei von Münfter nur als läftige Schranke 
empfunden werben. Vielleicht jchien es dem Grafen Heinrich 
unmöglich, Diejelbe erforderlichen Yals mit den Waffen zu 
behaupten, und jo zog er einen geficherten Rückzug vor, in- 
dem er zwiſchen 1152 und 1157 feine Vogteirechte gegen 
Entihädigung beichränten ließ.!) Streitigkeiten waren auch 
bier unvermeidlich gewejen, und jo einigte man ſich dahin, 
daß der Biſchof verſprach, den Grafen mit den eriten frei- 
werdenden Zehen von 24 Pfund zu belehnen, von dem neun 
unmittelbar gräfliher Beſitz fein follten, die übrigen als 
Afterlehen ausgeteilt werden durften. Das Kapitel gab 
40 Mark, dafür verſprach der Graf, nicht die gejamte Vogtei 
abzutreten, aber doch jie jelbft aus der Hand zu geben durd 
Belehnung eines von Bilchof und Domkapitel dazu Erfore- 
nen, der nad Belieben von jenen abgejegt und durch einen 
andern erjegt werden fonnte. Dadurch wurde das Ober: 
lehnsrecht des Grafen jehr zweifelhafter Natur, und nod 
unbeilvoller mußte der Zuja wirken, daß bei bejonders wich— 
tigen Gelegenheiten dennoh der Graf als Vogt gerufen 
werden könne, eine höchſt merkwürdige und gefährliche Be— 
dingung, denn von hier aus fonnte der Graf leicht verjuchen, 
die. ganze Bogtei wieder an jich zu ziehen, wenn man ihn 
rief. Rief man ihn aber nicht, jo entitand Unmillen und 
Erbitterung. Es ift fein klares Geichäft, ein unbefriedigenber 
Abſchluß, und es zeigte ſich auch, daß die endgültige Löfung 
der Trage no fern lag. Der Graf erhielt (vielleicht weil 
auch er jein Gelöbnis brach) die verſprochenen Lehen nicht 
und jo entitand ein ganz unhaltbares, unficheres Verhältnis 
zum benachbarten Stift. 

*) Erb. 1981. Biſchof Friedrich regiert 1152—68. Graf Heinrich 

ftarb jpäteftens 1157. 


8i 


Anfangs 1154 Hatte Friedrih Barbarofia auf dem 
Reichsſtage zu Goslar durch Anerkennung der Ansprüche 
Heinrichs des Löwen den Frieden im Reiche hergeitellt, um 
ungehindert die Nomfahrt antreten zu können, und zog dann 
durch Südweitfalen an den Rhein. Mitte Juni ftieß nebft 
anderen weſtfäliſchen Großen Graf Heinrich zu Dortmund zu 
ihm. Die Erinnerung an die welfiihe Politik feines Vaters 
und die Abitammung jeiner Mutter Adelheid von den Lim: 
burgern hinderte ihn nicht, feinen Namen unter der Ur: 
Eunde jeten zu laſſen, in welcher Kaijer Friedrich deren erbit- 
tertitem Feinde Godfried von Brabant, das Klojter Parc 
verlieh.!) 

Vermutlih zog von bier Graf Heinrich jofort nad 
Schwaben, wo auf dem Xechjelde das Heer ſich im Septem: 
ber jammelte. Vier Wochen jpäter ftieg der Kaijer die ſüd— 
lihen Abhänge der Alpen hinab. Wir wiffen nicht, in wie 
weit Heinrich an den großen Greigniffen des folgenden Jah— 
res, dem Neichstage auf den Noncaliichen Feldern, der ger: 
jtörung Aftis, Chieris, Tortonas, der Kaijerfrönung und dem 
Straßenfanıpf in Nom beteiligt war. Nach jolchen Mühen 
führte Ende Juni 1155 der Kaiſer jein Heer in die jchöne 
Gegend von Tivoli, und bier in dem reizenden Tibur, an 
den Waflerfällen des Anio, die Horaz jo Ichön bejang, 
tritt uns Graf Heinrich wieder entgegen. Mit Wibald, 
dem großen Abte von Corvey, den Bilchöfen von Navenna, 
Balel, Worms, Bamberg, Lüttih, Heinrich dem Löwen, 
den Grafen von Steiermark, Biandrate und dem Stadt: 
präfeften von Nom, Petrus ift er Zeuge in einer Urkunde 
jeines Kaijers fiir die Abtei Knechtesjtaden.?) Aus den nod) 


») Böhmer 2338, 17. Juni 1154. Es find mod) auferdem Zeugen: 
die Erzbiichöfe von Mainz und Köln, Heinrich der Yöwe, Grafen 
von Gleve, Berg, Arnöberg, Ruif ac. 

2) Erb. 1827. Yacombl. I. 266, Pr. 584. 

XLVII. 1. 6 


82 


golgenden Kämpfen wie aus den gefährlichen durch die italie- 
niihe Sonne erzeugten Fiebern ging er unverjehrt hervor 
und als der Aufbruch nach Deutſchland bejchloffen wurde, 
309 er wol mit der Hauptmaſſe, in der ſich auch der Kaifer 
und das jähliihe Aufgebot befand, über Fano, Bologna, 
die Etſch entlang über den Brenner durch das Lechthal nad) 
Deutichland, denn am 29. Dftober jehen wir ihn im faijer- 
lihen Gefolge zu Würzburg!) und modte er einige Tage 
darauf nach einer Abweſenheit von fünf Bierteljahren in die 
Tekeneburg einreiten.?) Aber bier hielt er ſich nicht lange 
ruhig. Sei es, daß er fih auf Koften feiner Nahbaren für 
die Ausgaben und Mühen der Nomfahrt zn entihädigen 
wünſchte und die Gelegenheit günftig fand, gegen Korvey 
vorzugehen, (denn Abt Wibald war auf einer Gejandtichafts- 
reije nach Konitantinopel), jei e8, daß er mit dem Abt, den 
er zu Tibur und auch ſonſt wol oft getroffen hatte, in Streit 
geraten war, furz, er erhob Anſprüche auf Korveyer But. 
Wenn man bedenkt, dag Wibald nochmals die alte Zehent— 
frage anregte und nahe daran war, jeine Anjprüche beim 
Kaiſer gegen Osnabrück durchzuſetzen, und in Erwägung zieht, 
daß wahrjcheinlich die Tefeneburger eng zu Osnabrüd hiel- 
ten, weil jie von dieſem bejonders feit 1150 eine Menge 
alter Storveyer Zehnten zu Lehen trugen, jo gehen wir wol 


) Erh. 1833. Böhmer 2353. Hanjelmann (Diplomatifcher Beweis der 
Randeshoheit Hohenlohes, Nürnberg 1781) lieft Gozwin comes de 
Tekeneburg. Das Württemb. Urfundenbud 394 Horwin; cf. 
Wilm. Addit. ad 1155. Es kann aber fein anderer gemeint jein 
als Heinrich. 

2) Der Mönch von Stade M. G. ©. 16, 336, 39 giebt anziehende 
Einzelheiten über eine Reife von Stade über Braunfchweig, Teclen- 
burg, Münfter u. j. w. den Rhein entlang nad) Rom und rüdwärts 
über Würzburg. Da er aber nicht die Tagereiſen, jondern die 
Meilen zählt, jo erhalten wir daraus fein erhebliches Ergebnis. Sonft 
würden wir Aufichluß über die Schnelligkeit des Neifens und die 
damaligen Wegeverhältnijje erlangen können. 


83 


nicht fehl, wenn wir mit diefer Bewegung ben Torvey: tete: 
neburgifhen Streit in Verbindung bringen. Wie Abt Wibald 
behauptet, erhob Graf Heinrih Anſprüche auf ein Gut, das 
Ihon unter der Regierung des vierten Vorgängers Wibalds 
im ungejtörten Bejik Korveys gewejen war, verlangte dejjen 
Herausgabe und fuchte durh Raub und Plünderung (wahr: 
Icheinlih der noch vorhandenen Güter im Nordland: Meppen) 
die Mönche einzujchüchtern. !) 

Zugleich fiel Widelind von Swalenberg, der kriegeriſche 
Nachbar Wibalds, wegen anderer Reibereien in das Stift 
ein (1152 jchon verwüſtete und zerftörte er dasjelbe, erpreßte 
hohes Xöjegeld) und erichlug den Grafen Thiederif von Hörter 
innerhalb der Kloitermauern.?) 

Wie der Streit mit Tefeneburg ablief, wifjen wir nicht. 
Über die Smwalenberger aber hielt der Löwe ein ftrenges 
Gericht, ?) vermutlich ging es dem Grafen nicht viel befjer,*) 
und diente nur dazu, jeinem rolle gegen den mächtigen 
Löwen neue Nahrung zu geben. 


2) Erb. R. 1836 jest die Sache in 1155 nad) Marten. Dur. II. 577, 
aber Jaffe Bibl. I. Nr. 446 in 1156. Das Jahr 1156 ftimmt hier 
entjchieden befjer. 

2) Quelle wie sub 1. Uber die frühere Fehde ef. Erb. 1843 zu 1156; 
fie war aber nad) Safe jchon 1152 N. 384. — Man fann zwei: 
feln, ob Wibald in jeinem Briefe den vierten (Volkmar 1129—38) 
oder den fünften Vorgänger (Erkenbert 1106—28) ald den Erwerber 
des Gutes darftellt. Jedenfalls ift die Erwerbug ded Gutes in die 
Zeit 1106—1138 zu legen. Die curtis Papenheim, von der Hein- 
rich der Löwe in jeinem Briefe an Wibald Jaffé Bibl. T. 466 ſpricht, 
war es wohl nicht. 

8) Erh. 1852. Jaffe I. p. 595 N. 462. 

*) Dazu hielt fich Herzog Heinrich befugt, auf Grund jeiner angemaßten 
oberrichterlichen Gewalt in Weitfalen. Für diefe und alle anderen 
ragen betreffs der Herzogsgewalt in Weitfalen verweife ich auf 
Weiland und Grauert. 

6* 


34 


Diefer Streit ſchließt die dürftigen Nachrichten über 
Graf Heinrih ab. Noch in der Blüte der Jahre ftarb er 
am 22. November 1156 oder 1157.71) Seine Gemalin 


Eilifa überlebte ihn lange und blieb während ihres ganzen 
Lebens der gute Engel jeines Nachfolgers und Sohnes Simon. 


1) Heinrichd Todestag im Dsnabrüder Domnefrolog O. 3. IV; Henricus 
comes, qui nobis contulit domum in Vinnethe, und der Beweis, 
daß dies Heinrih 11. von Tefeneburg ift, ergiebt ji aus der Note 
zum 24. Sebruar: Eilica comitissa de Tekeneborch, que pro se 
et viro suo eomite Henrico domum contulit fratribus in Vinnethe, 
Zulegt ericheint Heinrich beftimmt 1155 29. Dxctbr. zu Würzburg, 
und jo wird er faum noch Novbr. 1155 geftorben ſein. Sch habe 
ihn deshalb als den comes de Tekeneburg angejeßt, der mit Wibald 
im Gtreit fam 1156; von ihm, den Kaifer Sriedrih von Stalien 
ber jo gut kannte, konnte auch Wibald wol jagen comes de Teke. 
neburg, ohne den Vornamen anzugeben. 22. April 1158 aber 
ericheint Schon Simon. Früher (Ledebur, Müller) nahm man Heinrich 
nod bis 1178 als lebend an zufolge der Urf. Erb. 1981, wo Fried- 
rich 1. jagt: Simon habe den Vertrag beftätigt, den ehemals jein 
Vater Heinrich) mit Friedrid) von Münſter abſchloß und er habe 
gelobt: quod pactionem patris pro se et pro patre in omnibus 
observaret. Dies „pro patre“ heißt aber nur: „in pietätvoller Au— 
erfenmung des einft vom Water beſchworenen“. Es läßt auch der 
Inhalt der ganzen Urkunde feinen Zweifel, daß Heinrich damals tot 
war, und ſonſt wäre es auch merkwürdig, dab von 1155 —73 der 
Bater niemals und der Sohn fo oft in Regierumgahandlungen ericheint. 
1175 ©. 3. I. p. 57 Nr. 3 jagt Simon, daß jeine predecessores 
tot find. Somit ftarb Heinrich 1156 oder 57. 


Fortſetzung im nächiten Bande.) 


IH. 
Bolfsaberglaube im 15. Jahrhundert. 


Bou 
Dr. Stanz JIoftes. 


Te 


Die mittelalterlihen Predigtwerfe bieten wenig per: 
tönlih und landichaftlih Individuelles; die Verfafjer jtellten 
die Anwendung der allgemeinen Betrachtungen auf die jpe: 
zielen Berhältnifje dem einzelnen Prediger anheim, und wo 
tie die Predigten auch für jich ſelbſt entwarfen, überließen 
fie doch die weitere praftiihe Ausführung der Gunſt des 
Augenblides beim mündlichen Bortrage. Daher ift dieſe 
Citteratur für Leben und Sitte des Volkes weniger bedeu- 
tend, al3 man von vornherein annehmen möchte. Allein 
bier und dort finden ſich doch auch Prediger, die ſchon in 
ihren jchriftlihen Aufzeichnungen ſich keineswegs immer auf 
GErörterungen ganz allgemeiner Natur bejchränfen, fondern 
fortwährend auf die jpeziellen Verhältniffe ihrer jeweiligen 
Zubörerichaft Rüdjiht nehmen und deshalb dem Kultur: 
bijtorifer ein reicheres Material für feine Forſchungen bieten. 
Zu ihnen gehört au ein Weitfale des 15. Jahrhunderts, 
Gottſchalk Holen oder Hollen. 

Bon jeinem Leben willen wir nur wenig zu berichten; 
er ftammte aus Körbede bei Soeft, trat in den Augujtiner: 
orden und ftarb als Lektor des Dsnabrüder Klofters im 
„Jahre 1497.)) Aus jeinen Predigten geht hervor, daß er 
in Italien bekannt war; wahrſcheinlich hat er wie fein 





1) Bgl. Berlage, Beiträge zur Gelehrtengeihichte Osnabrücks (Progr. 
der Nealjchule in Dsnabrüd 1876) ©. 10. Maurus Roft nennt ihn 
fälſchlich Höllem, bei Schiphower (Meibom II, 184) heißt er Howe; 
Berlage ſucht hinter den beiden Namen irrig zwei Berfonen, 


86 


Dsnabrüder Klofter: und Zeitgenoffe Schiphower in Bologna 
ftudiert. Letzterer rühmt ihn als einen mit Geilt und Willen 
reich ausgeſtatteten Mann, der viele Predigten an Klerus 
und Volk Hinterlaffen habe. Bekannt find von ihm Prae- 
ceptorium divinae legis und Sermones dominicales super 
epistolas Pauli. Nach Berlage jollen beide Werke bereits 
im 15. Jahrhundert gedrudt worden feien; ich kenne das 
erftere gar nicht und das zweite nur in einer von Heinr. 
Gran bejorgten Ausgabe, Hagenau 1520.71) Daß die Pre: 
digten in Osnabrüd gehalten find, bejagen die Worte der 


Nachſchrift: opus... . colleetum et predicatum in con- 
ventu Osnaburgensi; e3 geht auch aus dem Inhalte deut: 
lich hervor. 


Auf Grund diefer Sammlung bat Cruel den Prediger 
ausführlihd (S. 505—513) beiproden. Er ftellt ihn als 
Vertreter des rationaliftiihen Nüglichkeitsprinzips hin und 
vergleicht ihn mit den proteftantifchen Bredigern diejer Rich: 
tung im 18. Jahrhundert. Ob das fo ganz richtig ift, mag 
dabingeftellt bleiben; jicher ift, daß Holen auf die Verhältniſſe 
des gewöhnlichen Lebens ungleich mehr Rüdjiht nimmt als 
jonft die Predigtichriftiteller jener Zeit und dabei fih als 
einen praftiich und nüchtern denfenden Mann ermweilt. Auf 
jeden Fall verdanken wir, was Gruel gar nicht mit in An: 
ihlag gebracht Hat, diejer feiner Richtung eine Menge für 
die Kultur jener Zeit jehr wertvoller Notizen. Holen ift ein 
Dann von einem Haren gefunden Urteile und einer ftaunens- 
werten Belefenheit. In der Theologie und Jurisprudenz, 
in den Hafiifhen wie in den neulateiniihen Dichtern iſt 
er glei zu Haufe, er zitiert aus Petrarca und Boccacio 


1) Der lange Titel beginnt: Sermonum opus exquisitissimum. Gruel 
Geſchichte der deutjchen Predigt im Mittelalter ©. 505) zitiert das 
Merk unter dem Titel: Sermones super epistolas dominicas, Cs 
icheint demnach, dat wirflid) mehrere Ausgaben vorhanden find, 
aber jelbit von der Hagenauer Ausgabe find die Eremplare jehr felten. 


87 


wie aus Dvid und Horaz. Mber die Benugung der vor: 
handenen Litteratur reicht noch weiter als jeine Quellen: 
angaben vermuten laſſen; der allgemeinen Sitte jener Zeit 
entiprechend nimmt er gar feinen Anito daran, ganze Par- 
tien au3 anderen Schriften ftillichweigend herüberzunehmen.!) 
Aber er hat das Beite und PVernünftigite herauszujuchen 
veritanden und es jelbftändig verarbeitet, jo daß Eigenes und 
Fremdes doch nicht mehr jo leicht zu fondern ift. Seine 
Einfiht und Bejonnenheit tritt überall da bejonders zu Tage, 
wo er auf die Sitten und Gebräude des Volkes zu reden 
fommt. Dancer Aberglaube jener Zeit mag ihm jelbit 
noch aubaften, aber er gehört gewiß zu den unbefangeniten 
und vorurteilsfreiften Männern feiner Zeit. Das werden die 
Mitteilungen aus breien jeiner Predigten über den Volks— 
aberglauben, die ich hier machen will, deutlich zeigen. Denn 
auf diefen Punkt will ich hier mich beichränten, vielleicht 
rindet ein Theologe darin Veranlaſſung, die ganze Samm— 
fung gründlich durchzuarbeiten und für die Kulturgeihichte 
alljeitig auszubeuten. 

Ich laſſe indes jene Grörterungen bei Seite, die lic) 
auf Dinge beziehen, welche Holen nicht aus der , eigenen 
Erfahrung jondern augenjcheinlid nur aus der älteren theo— 
logiihen Litterarur fannte, und bringe nur das, was mir 
wirklich weſtfäliſch-volkstümlich zu fein jcheint.?) 

Die 33. Predigt des erften Teiles mit dem Vorſpruche 


- 


1) So hat er in der 5. Prediat, mo er über den Nuben der deutichen 
Bücher für die Laien jpricht, den Traftat des Pjeudo-Zerbolt gründ: 
lich ausgeichrieben. Ja die unten mitgeteilten Außerungen über 
Sonnen- und Mondverehrung find fait wörtlih aus dem Liber de 
superstitionibus von Nicolaus Magni de Gawe (Sauer) (1415) 
(Auszug bei Grimm, Deutiche Mythologie, 4. Aufl. II, 414) ent» 
Ichnt, obwol er durch Beibehaltung des novi fie ala jeine eigenen 
Erfahrungen hinftellt. 

2) Man berüdlichtige indes die vorige Anmerkung. 


88 


m — 00 — — 


Vidimus stellam ejus in Oriente Matth. II, 2 zieht er gegen 
die Aftrologie zu Felde und ſucht es als abjurd nachzuweiſen, 
daß die Stellung der Geftirne bei der Geburt auf das Gejchid 
des Menjchen Einfluß habe. König und Bauer werden in der: 
jelben Stunde geboren, und doch folgt nur der erjte feinem 
Bater im Neiche, nicht der Bauer. Im Zeichen des Wafler: 
mannes jollen die Fiicher geboren werden. Wie geht es da 
mit Weftfalen, wo es feine Fiſcher giebt? In gewiſſen Din- 
gen dürfe man indes, meint Holen, wol auf die Geitirne 
achten, jo beim Säen auf Sonne und Mond; bei Vollmond 
mieden die Schiffer mit Recht die See, auch die Holzhauer 
jündigten nicht, wenn fie bei Vollmond nicht fällten, denn 
der Mond bringe alle Feuchtigkeit, und wenn man bei Boll: 
mond baue, fomme der Wurm ins Hol!) ... Die Ma: 
nichäer und andere Heiden fafteten zu gewillen Jahreszeiten 
und Fafteiten ihren Leib den ganzen Tag bis die Sterne 
aufgingen; dieſen fehen noch heutzutage mande Chriften 
ähnlih, melde in der Weihnachts:, Neujahrs: und Drei: 
königsvigil bi8 zum Sternenaufgang falten, was ganz unges 
ziemend und dem göttlichen Kult entgegen it... Denn die 
Geitirne, Sonne und Mond find nicht zu verehren;... denn 
fie jind den Menſchen unterworfen und nicht umgelehrt. ... 
Sch kenne ein altes Weib, das die Sonne eine heilige Herrin 
nannte und unter Anrufung derjelben oft mit gewiffen Worten 





ı) Grimm, Deutihe Mythologie 4. Aufl. Bd. Il, 595. Alle dort bei« 
gebrachten Beifpiele fprechen für den entgegengejeßten Glauben, daß 
man nämlid Holz bei Vollmond fällen müſſe. Iſt hier in dem 
Sape si ligna secarent in plenilunio, corroderentur a vermibus ein 
„non“ ausgefallen ? Vgl. jedoch auch Grimm II, 208. Bezüglich des 
Säens galt der Grundſatz, dab Früchte, die über der Erde wachſen, 
bei zunehmendem Monde, die unter der Erde, bei abnehmendem 
Monde zu jäen jeien. Grimm I, 597. Aus eigener Erfahrung 
kenne ich diefen Glauben nur bez. der Bohnen, die man im Dena, 
brüdijchen teilweife (die Schaar der Gläubigen wird immer geringer) 
bei wachſendem Monde zu pflanzen pflegt. 


59 

und einer gemwillen abergläubiihen Hantierung Segnungen 
vornahm und behauptete, daß fie mehr als vier (40) Jahre 
daran deglaubt und viele Krankheiten geheilt habe. Das find 
Gebräude des alten Gößendienftes und heidnifche „Srrtümer.... 
In einem jchweren Irrtum befinden fi auch jene — e8 
ind Gelehrte und Ungelebrte, ſowol Laien wie Geiftliche, 
und was mehr zu bedauern ijt jogar Hohe, — die wenn 
ſie zuerit den Neumond fehen, ihn fnieend anbeten jie 
nehmen auch wol Hut oder Mütze ab und anbeten und ver: 
ehren ihn mit gejenktem Haupte. Ja viele falten gerade am 
Tage des Neumondes, jelbit wenn es ein Sonntag it, an 
dem man nad kirchlichem Gebrauh wegen der Auferite- 
bungsfreude nicht fajten joll, was alles nad altenı Gößen: 
dienite ausjieht. Wenn jie aber faften follen, fällt es ihnen 
gar nit ein.d)... 

Manche Chriften halten in ihrer Einfalt auch gewiſſe 
Tage und Stunden für unbheilbringend, an denen man 
nicht3 unternehmen und ausführen dürfe, wie denn manche 
bei einer gewiſſen Mondphaſe nicht heiraten oder ums 
zieben wollen.?)... Wenn dieſe ſich raten laljen wollen, 
wann es gut ilt zu heiraten, dann jage ich: wenn der 
Mann eine qute und fromme Frau befommt, dann it es 
gut zu heiraten. Desgleichen jage ih aud der rau: 
wenn die rau einen quten Mann befommt, dann iſt es gut 


’) Bal. Grimm Ill, 414. Obwol dieje beiden Fälle von der Sonnen: 
und Mondverehrung jogut wie wörtlich entlehnt find, jind fie doch 
für die Kenntnis des altweitfäliichen Volksglaubens nicht wertlos. 
Denn Holen bat ficher nichts entlehnt, was nicht auch für feine 
Heimat paßte, wie er denn auch die übrigen in feiner Quelle auge 
führten abergläubiichen Gebräuche unberüdfichtigt gelaffen hat. Die 
Sonnen: und Mondverehrung war gemeingermaniih. Grimm a. a. O. 
Il, 26 f. II, 584 ff. 

2) Schon bei Burkhard von Worms (+ 1024) heißt ed: . , novam 
lunam observasti pro domo facienda aut conjugüs sociandis- 


Grimm III 407. Bgl, U 595. 


90 





zu heiraten, wenn fie aber einen Trinker heiratet, dann ift 
es böſe. Und ebenfo: wenn einer aus einem alten Hauje 
in ein neues zieht, dann ift e8 gut umzuziehen, unigekehrt 
aber iſt es böje.” Non tamen peccant medici et ligno- 
rum incisores, ut patuit supra. 

In der 35. Predigt (Vorſpruch: Non plus sapere 
quam oportet sapere, Römer XII, 3) werden die verichie- 
denen Verfuche der Menſchen, das Geheime und Zukünftige 
zu erfahren, behandelt. !) 

Die erjte Art ift die offene Anrufung des Teufels, jo 
wenn jemand den Teufel beruft, fich auf einem Stemme, auf 
Eifen oder in einem Spiegel oder auf Stahl zu zeigen, daß 
er von einer Sungfrau gejehen werden kann, um einen 
Diebjtahl oder einen Dieb zu offenbaren. Das ift unmög: 
ih, e8 geht nur durh die Macht Gottes, und wenn 
jemand behauptet, er habe den Teufel gezwungen, jo giebt 
er ed nur vor, um zu betrügen, wie man denn aud vor 
jenen Trunfenbolden Angft hat, die da vorgeben die For: 
meln und Zeichen zu bejigen, um den Teufel zu bannen 
und zur Antwort zu zwingen. 

Die zweite Art ift die Totenbeihwörung (Nefromantie). 
Um den Toten zu erweden, bringt man etwas Blut an den 
Leichnam; die Dämonen jollen nämlich das Blut lieben; ja 
jo oft die Beſchwörung erfolgt, wird Blut und (warmes?) 
Waller gemifcht, weil durch warmes Blut die Dämonen um 
jo leichter herbeigerufen werden. . . . 

Die dritte Art bilden die jog. prohibitiones ab Apol- 
line. Solde treiben die Bauchredner, die einen Dämon im 
Leibe haben, der außerhalb desjelben Worte hervorbringt. 

Die fünfte Art üben jene Zauberer, welde durch Anz 


1) Vgl. im Allgemeinen zum Kolgenden Grimm 11, S63 ft. 1025 ff. 
Simrod, Handbuch der deutichen Mythologie. 3. Aufl, ©. 503 f. 


91 


= EEE SEE 


rufung den Dämon in irgend einem jichtbaren Bilde erjchei: 
nen lajjen, um ihn zu befragen. ... So maden es jene 
Weiber, welche den Teufel in der Geftalt eines Knaben 
ericheinen laffen.... Sic nostre mulieres tenuerunt 
unum manipulnm sine illius credulitatis, quia cito cre- 
dunt phisonissis .. . .)) 

Die jehste Art ift die ars notoria, ... . die ſiebente 
die Bogelihau (augurium); fie ift zweifach, indem man ji) 
dabei des Gefichtes oder des Gehörs bedient. .... So hoffen 
die Soldaten auf Sieg, wenn jie einen Raben fliegen jehen, 
aber begegnet ihnen ein Sale, jo fallen ie in Furt und 
Verzweifelung, begegnet ihnen jedoch ein Wolf, jo werden 
fie froh. . . . Ich für meine Perjon möchte lieber einem 
Hafen begegnen ala einem Wolfe, denn ein Haje ift wenig: 
tens eßbar, ein Wolf aber nit. . . . Für ein kleines Glüd 
halte ich e3, wenn mir ein Haje auf dem Felde begegnet 
und davonläuft, für ein größeres würde ich es aber erachten, 
wenn er mir gut zubereitet in der Schüffel unter die Augen 
fäme . . . So werden auch mande froh, wenn ihnen eine 
Hure begegnet, aber niedergejchlagen, wenn es ein Mönd) 
iſt.) ... Hierher gehören auch jene, welche den Daumen 
von einem erhenkten Diebe zu befommen juchen, um denjelben 
ans Bierfaß zu legen, indem jie glauben, das Bier dann 
leichter verkaufen zu fönnen ?) Wenn die Mäufe die Klei— 





’) Ich vermag den Tab nicht zu überjegen; er jcheint verderbt zu jein. 

2) Die Begegnung aller kampflichen (dem Siegesgott, Wodan, werden 
zwei Wölfe und zwei Naben beigelegt. Grimm I, 122) Tiere hat 
eine aute Vorbedeutung, währeno Hafen, Prieſter und Weiber (weil 
fie unfriegeriich find) Unglüd bedeuten. Simrock a.a. D.510. Nur 
die Huren machen überall eine Ausnahme Grimm, deutſche My— 
thologie II, 941. 

3) Diefer Aberglaube jcheint beionders in Niederdeutſchland verbreitet 
geweien zu fein. Vgl. Mone, Echaufpiele des Mittelalters II, 87: 
du haddest ok ens deves dumen havene henghen an de tunne, 


92 





— 


dungsjtüde annagen, hält man das aud für ein böjes Vor— 
zeihen. Es fragte einmal jemand einen vernünftigen Mann, 
was e3 für eine Vorbedeutung habe, daß die Mäufe jeine 
Stiefel angefreifen hätten. Dieler antwortete: darüber wun— 
dere dich nicht, jehr wunderbar wäre es indes, wenn Die 
Mäuje von den Stiefeln angefrejfen wären. . . . 

Wenn eine Nachteule über einem Haufe jchreit, jo glaubt 
man, es würde bald eine Leiche herausfommen ’); iſt es eine 
Eljter, jo Ichließt man daraus auf Fremdenbejuh?) die An— 
zahl der Kuffufsrufe giebt die Zahl der noch übrigen Lebens: 
jahre an... . 

Die zehnte Art iſt die Wahrfagerei aus den Linien in 
den Händen. Aus der Geſtalt derjelben prophezeit man 
unzählige Albernheiten, den einen zufünftige Krankheiten, 
anderen Reichtum und Ehren, einigen Glüd, anderen Unglüd. 

Die 47. Predigt des eriten Teiles Handelt über die 
Beiprehungen (incantationes),. Der Vorſpruch lautet: 
Omnia quecunque faecitis in verbo vel in opere, in no- 
mine domini Jesu Christi facite. Ad Col. III, 47.... 
Es fragt fih, woher ftanımen die Segnungen und Beipre- 
hungen, welche heutzutage die alten Weiber und aud manche 
Männer bei den Kranken anwenden. Sie haben einen jehr 
heiligen Uriprung; jchon die Apoftel und die Heiligen beil- 
ten die Kranten durch Handauflegung und Gebet u. ſ. w. 
Aber jet haben abergläubige Menſchen aus Antrieb des 
Teufels viel Thörichtes und Unerlaubtes erfunden, das jie 
bei Menjchen und Vieh anwenden; es ilt alles betrügerijch 
und gegen den katholiſchen Glauben. ?) 

Alle Briefhen, die unbefaunte Zeichen und abergläu- 
biſche Worte enthalten, find unerlaubt und verdammenswert. 





) Val. Grimm II, 950. 

?) Eollte mit diefem Glauben die Bezeichnung der Eliter als Frau Ave 
in der flandrijchen Tierjprache aufammenhangen? Val. Grimm II, 562, 

>) Dal. S. 90 Anmerkung. 


93 


Viele tragen derartige Briefchen mit vielen Zeichen und un- 
befannten Worten am Halje oder in der Börje und glauben, 
wenn jie diejelben trügen, würden jie nicht verbrennen oder 
ertrinfen oder gehängt oder von den Feinden gefangen ge: 
nommen werden; ja auch die Liebe der Frauen glauben fie 
jih dadurch erwerben zu können. ... Ich fenne eine Frau, 
die an den Augen litt und deshalb zu einer Schule ging, 
um ſich von einem Schüler einen Brief gegen das Übel 
ichreiben zu laſſen. Einer gab vor die Kunjt zu verftehen, 
ichrieb ihr einen Brief, machte einen Umſchlag darum und 
verbot ihr denjelben zu öffnen. Die Frau trug ihn und 
wurde gejund. Endlich mwollte fie den Inhalt des Briefes 
und die Kraft der Worte willen, öffnete ihn und ließ ihn 
leien: es waren unbefannte Worte und undeutbare Zeichen, 
und zum Schluffe jtand: „Diabolus tibi eruat oculos et 
proiiciat te in lutum.* Sie war duch den Teufel ge: 
heilt... In der Apoftelgeichichte fteht, daß die Neubekehrten 
die verderblihen Bücher verbrannt hätten, aber heute, Gott 
jei es gellagt! kaufen viele Chriften folche Fabelbücher Lieber 
als vernünftige geiltlihe und weltliche Schriften. Ich habe 
von jemand gehört, dab einer ein magifches Buch um 
100 Gulden verkaufen wollte, und es hat wirklich jemand 
gekauft .. . 

Ich habe eine Frau gekannt, die zwei ſich im Geheimen 
Liebende auseinanderbringen wollte, wofür fie bezahlt werden 
jollte. Sie jchrieb in zwei Briefen unbekannte Zeichen und 
einige Worte, und gab fie den beiden zu tragen, aber es 
erfolgte feine Trennung. Da jchrieb jie ebendafjelbe in 
Speichel oder Salz und gab es ihnen zu efjen!), aber aud) 
ohne Erfolg. Endlich nahm fie ein Schwarzes Huhn?), teilte 


’) Epeichel ſowol wie Salz find uralte Zaubermittel. Grimm II, 874 f. 
Simrof 218 f. 
2) Über die mythologiiche Bedeutung des ſchwarzen Hahnes vol. Wolf, 


es in zwei gleiche Teile, opferte den einen dem Teufel und 
ließ die beiden Liebenden den andern verzehren. Da ent: 
ftand ein folder Haß zmwilchen den beiden, daß jie jich nicht 
mehr jehen konnten. Woher kam es anders, als daß der 
Teufel nun fein Opfer hatte? ... 

Auch trägt man am Halſe oder im Ninge fTräftige 
Kräuter und Steine; das mag geihehen, wenn ich fein 
Aberglaube beimiicht, denn mande haben eine gewiſſe Kraft, 
wenn e3 auch viel weniger find al3 man glaubt. Wenn 
man aber jagt, man müfje die Kräuter mit einem ſilbernen 
oder goldenen Ringe, etwa während der Meſſe, pflüden, an: 
ders hätten fie feine Kraft, jo ift das Aberglaube. ... In 
Alemannien pflegen die Leute in der Mittſommerwoche Arte— 
miſia zu tragen, ich habe nicht gelejen wogegen; es joll 
aber gegen den Stich ich weiß nicht welchen Käfers oder 
Wurmes geichehen, die den Geruch der Pflanze von Natur 
nicht vertragen fünnen. Wenn aber von den alten Weibern 
davon irgend ein zufälliger Erfolg propbezeiht wird, jo iſt 
jenes Tragen Aberglaube. ... In unſerer Zeit treiben 
die Wahrjagerinnen viel Aberglauben, indem jie gegen Die 
Krankheiten der Menjchen geheime Zeichen, Worte und Gere: 
monien anmenden. So mejlen manche alte Weiber den 
Kopf des stranfen mit einem Gürtel oder mit einem unge 
fnoteten Faden, wobei fie dem Kranfen ins Ohr jagen: 
„Die Hige bedarf nicht des Heizens, das Bier nicht des 
Trinkens“, oder andern Unjinn und Aberglauben treiben. ') 


Beiträge zur deutjchen Mythologie II, 439. Im Albthale jaat 
man: ‚Eine ſchwarze Kate, ein jchwarzer Hahn ziehn alle Herereien 
an. Schwarze Hühner waren Xeufelsopfer. Grimm II, 8343. Wie 
mir Herr Dr. Lugge mitteilt, it im Veſt Nedlinghaujfen (Datteln, 
Buer u. ſ. w.) ein Mittel gegen die Gelbſucht üblid), welches im 
Weſentlichen darauf hinausläuft, da; man Hafer in dad Waſſer des 
Kranken legt und ihm dann von ſchwarzen Hühnern frejjen läßt. 
1) Dad Meſſen des Kranken ift uralt. Vgl. Grimm a. a. DO. II, 974, 


95 





Bei Kopfichmerzen eſſen oder berühren manche nicht den 
Kopf von Bieh und Fiih. Gegen Zahnichmerzen berühren 
fie die Zähne mit dem Zahne eines Erhenkten oder jonjtigen 
Toten, oder fie legen, während Samstags die Gloden ge 
läutet werden !), Eijen zwiſchen die Zähne, oder jie neh: 
men einen Stein aus einem fließenden Wajjer, heben ihn 
mit dem Munde auf und tragen ihn jchweigend nad) Hauie. 
Grüßt jie jemand, jo danken fie nicht, da jie glauben, es 
würde ihnen nichts nugen, wenn fie ein Wort jprächen. 2) 
Und fie legen den Stein an einen trodenen Ort und glau- 
ben, jolange fein Waſſer oder Regen daran käme, würden 
ihnen die Zähne nicht weh thun. Gegen Gicht trägt man 
Ninge, die während der Leſung der Paſſion gegofjen 
find. Gegen Katarrh treiben fie Zauberei mit einem Meſſer— 
hen, das einen jchwarzen Griff hat. Gegen das Lendenübel 
neigt ſich der Kranke nach vorn zur Erde, als wollte er den 
Teufel anbeten. Eine Frau, die zwei Söhne auf einmal 
geboren hat, ſtampft dreimal mit den Füßen ihre Schwelle 
und jagt dazwilchen gewiſſen Unjinn. Wer vermag es zu 
jagen, welche Tollheiten man gegen den Milchmangel ge: 
braucht? Gegen böje Brüfte reiten einige im Mondſchein 
auf Kühen, andere auf Efelinnen. Gegen Würmer, nament: 
lich bei Kindern, jchreibt man über dem Leibe des Kranken 
etwas auf Blei oder Perganıent, bindet ein Haar von einer 
Jungfrau darum und wirft es ins Wafjer. Gegen Fußübel 
zählt man mit dem Fuße die Steine einer Mauer, wobei 
man den Fuß gegen die Mauer aufhebt und die Kniee Füßt. 
Gegen Fieber läßt man bejchriebene Blätter, Apfel oder 
Dblaten nüchtern efjen?). Gegen Schwäche bei Kindern läßt 


1) Heren haſſen die Gloden, deren Geläute gegen Zauber heilkräftig it. 
Grimm Il, 908. 

2) Bol. Grimm II, 923. 

2) Bol. Zeitjchrift für deutjche Mythologie I, ©. 6. 





man dieſe durch hohle Eihbäume gehen‘). Gegen Beherungen 
bläjt man mit einem Blajebalg, den jemand redtlich geerbt 
hat. Wenn das den Kindern helfen könnte, follte man alle 
Bälge aus den Orgeln reißen!?) Gegen die Falljucht ftellt 
man 12 Kerzenleuchter auf zur Bezeichnung der 12 Apoftel, 
und wie der Kranke getauft ift im Namen Chrifti, wird er 
dann wiedergetauft inı Namen des Teufels; und man ändert 
jeinen Taufnamen und legt ihm den‘ Namen des Apoftels 
bei, zu deſſen Ehre eine Kerze angezündet iſt. Ferner wenn 
ein Kranker nicht zum Sterben fommen kann, hängen fie das 
Bett oben ganz zu(?), heben ihn davon?) und jagen, es befinde 
ih darin die Feder eines gemwillen Vogels, die ihn nicht 
jterben laſſe); aber jo töten fie ihn. Quidam etiam con- 
servant pelliculam, cum qua ortus est puer, quod 
horrendum est audire. Illam maledietam carnem et 
pellem baptizari faciunt et iniungi unetione sacramen- 
tali, cum qua multa horrenda faeiuut. Unzählige und 
unglaubliche Thorheiten treiben die Weiber bei der Nieder: 
funft. Einige vertreiben die Naben in dem Glauben, es 
jeien Unholden (dianas) >) u. ſ. w. Wer kann die Thorheiten 


!) Die Sitte war allgemein verbreitet und hat fich jtellenweije bis in 
die Neuzeit erhalten. Bgl. Grimm II, 976 rt. 

2) Kinder werden durch den Hauch von Hexen bezaubert; den Hauch 
ſuchte man durch Blaſen wieder zu vertreiben. 

*) . .. eooperiunt tectum supra eum, levant eum de illo lecto,. 
Aus dem illo geht hervor, dal teetum jt. lectum verdrudt iſt. 

4) Bettitopfen fordert abnehmendes Licht, „gleichſam um die gerupften 
Federn vollends zu ertöten und zur Raſt zu bringen“. Grimm IT, 596. 
Im Lingenjchen ift der Aberglaube noch jehr verbreitet, daß geballte 
Federn im Bette Beherungen anzeigen. Sch habe dort bei einem 
Paſtor eine Anzahl folcher merfwürdiger (eiförmiger) Bälle gejehen 
weldie die Bauern in den Betten der Kranken gefunden und ihm 
aebracht hatten, um ihn zur Entzauberung zu veranlafien. 

9) Zauberinnen verwandeln fich gerne in Katen. „Eine zwanzigjährige 
Nabe wird zur Here, eine hundertjährige Here wieder zur Rate.“ 
Srimm II, 918 vgl. II, 778, 


97 


alle aufzählen, die man gegen die Krankheiten der Augen, 
Ohren und Naje anwendet, die alle aus dem alten Götzen— 
dienfte herrühren und von den böjen Geiltern erfunden 
ind. ... Ich habe von einem jehr erfahrenen Arzte gehört, 
daß er einen Mann, dem das Schienbein in Eiterung über: 
gegangen war, in feiner Weife habe heilen können, was er 
auch für Mittel angewandt habe. Nachdem er entlaffen jei, 
habe man ein altes Weib geholt, das allein mit ihren Be- 
iprehungen den Teufel beſchworen habe, jo daß er aus dem 
Schenkel heraus geantwortet und gejagt habe, er jei dort 
der fünfte und fünne nur durch die Kunit eines alten Weibes 
ausgetrieben werden; und fie trieb die Dämonen aus und 
beilte das Bein. Weshalb that der Teufel das anders als 
um das Weib in feiner Gottlofigfeit zu beftärfen? ... 


XLVII. 1. 7 


IV: 


Mönstersche Inquisitio, 


ein 1583 nächtliher Weile in Münfter verbreitetes Bud. 


Von 
Cuſtos Dr. P. Bahlmann. 


Te 


Das für die Neformation der fatholiihen Kirche jo bedeu— 
tungsvolle Trienter Concil (1545—1563) hatte aud ein- 
zelne wichtige Beitimmungen über die ſchon von Alters ber 
bejtehenden, aber faft ganz in Vergeſſenheit gerathenen Kir— 
henvititationen getroffen und deren Vornahme den Biihöfen 
aufs Neue eingeichärft. Bei den befannten damaligen Fird)- 
lihen Zuständen war es vorauszufehen, daß die Durchfüh— 
rung der verlangten Maßregeln bei einem großen Theil des 
Glerus auf heftigen Widerſtand ftoßen würde. Im Bistyum 
Miünfter vermochte der derzeitige Biſchof Bernhard von Raes— 
feld ihm erfolgreich nicht zu begegnen und als ein Breve !) 
des Bapftes Pius V. vom 13. Juni 1566 die PBifitation 
nochmals eindringlich verlangte, fam er auf jeinen bereits 
2 Jahr vorher geäußerten?) Wunſch zurüd und rejignirte 
am 25. October deilelben Jahrs. Sein Nachfolger Jo— 
hann I1.?) aber, von dem ernitlihen Willen bejeelt, den 
eingerillenen Uebelſtänden abzuhelfen, begann jofort nach 


1) Keller, Gegenreformation in Weſtfalen (Publicat. aud d. Preuß. 
Staatsardhiven. Bd. IX). Leipzig 1881: Actenſt. Nr. 264. 

9 ibid., Actenſt. Nr. 2567. 

9) Graf von Hoya, bereits jeit 1553 Biſchof von Osnabrück und von 
1568 auch Bilchof von Paderborn. 


99 


jeinem Regierungsantritte einzufchreiten. Schon im Januar 
1567 entworfen, erihien 1569 das Gapitular: Statut des 
Domcapitels,!) das unter anderem auch eine jährlich zwei: 
malige PVilitation der Arhidiafonate vorſchrieb; der 1. Juli 
1571 endlich bradte das Commiſſorium und die Inſtruktion 
für eine allgemeine Kirchenvilitation 2). Durch diejes Dekret 
wurde eine Commiſſion ernannt, die „iuxta Tridentini 
Conceilii et Sacrorum Canonum decreta et praescriptam 
. ...„ formulam visitandi“ 3) den Zuſtand aller geiltlichen 
Inſtitute und Güter, ſowie der Seeljorger und Gemeinden 
in der Stadt und Diözefe Müniter genau erforjchen und 
den Befund durch bejondere Notare ausführlich aufzeichnen 
laſſen ſollte. Am 9. September 1573 (nidht 1572) war 
die Bifitation, die am 16. Auguft 1571 begonnen, been: 
det; doch der baldige Tod des Biſchofs (T 5. April 1574) 
und der darauf entbrennende Wahljtreit verhinderten vor: 
läufig die Weiterführung der beabfichtigten Reformen, für 
die eine geeignete Zeit erit nach der nochmaligen Leber: 
nahme der Adminijtration des Bistums durch den Herzog 
Zohann Wilhelm von Eleve (11. Mai 1580) und der Er: 
nennung Gottfrieds von Mierlot) zum Weihbifchof (7. April 
1582) wieder gelommen war. Auf Anregung des Dom: 
capitel3®) beauftragte denn auch Johann Wilhelm im No: 
vember 1582 den MWeihbiihof und feinen Vicar Lorenz 
Fabritius 6) die Vilitationsacten von dem Siegler zu fordern, 


— — — —ü— 


») Keller l. c. Actenſt. Nr. 275. 

2) Keller I. c. Xctenjt. Nr. 286. 

2) cf, pag. 102f. diejer Abhandlung. 

*) Ueber ihn vergl: Tibus, Geſchichtliche Nachrichten über die Weih— 
biichöfe von Münſter. Münfter 1862 pag. 128 ff. und Nachtr. in 
diefer Zeitichr. Bd. 40 I. pag 187 f. 

5) Keller I. c. Actenft. Nr. 508—513. 

°) Sebürtig aus Uerdingen (Rgbz. Düffeldorf), Dr. theol., famı 1582 
mit Empfehlungsichreiben des Papſtes und einiger Cardinäle von 


* 
7 * 


100 


unter Zuziehung der früheren Bijitatoren !) und des Sieg: 
lers als Vicarii in spiritualibus darüber zu referiren und 
über die zu treffenden Maßnahmen Borichläge zu machen. ?) 
Kein Wunder, daß and die Thätigfeit der Gegner ſich von 
Neuem zu regen begann. In der legten Hälfte des Jahres 
1583 erſchien: 
Mönfterfhe Inquisitio, 
Dat ih: 
Veer und Vöfftich || Frageartidel uth den Concilio tho 
Trent || genamen, etlifer mate unnütte, kindiſch, när- 
rüch: Thom dele heylloß und vull Gadeslajtere, dar: 
mit in negejt vorlopen tein Ja- ren de Paſtoren 
und Kerdendener, jo des Evangelij halven vorded)- 
tih | weren, up er Eedt tho antworten gedrun— 
gen jint. Alle vam Rö- miſchen Wedderdrijt dar- 
hen gerichtet, dat des Sa= || tand Synagoge, Chrifto 
Jeſu und jynem || Ayfe tho wedderen, des ordes er- 
holden werden. 
Sampt einfoldige Schrifftmetige anwort | und gründt- 
lide Wedderlegginge derjülven, den || framen und Godt$- 
früchtigen darſülveſt tho || denfte geftellet dörch einen 
Lehfheb- || ber der Wahrheit. 
I. Timoth. 6. 3. 6. 
[Bolgt V. 3—5 des 6. Cap. in 7 Zeilen]. 
Anno M. D. LXXXIII. 
die Gebhardi Epis.®) den 27. Augusti, 
56 Bl. 4° Sign. Aij — Niiij; Pag. 9—107; Goth. (nur vereinzelt Tat. 
Typen; mit Guftoden. 








Rom nad Eleve (cf. Keller I. e. Actenft. Nr. 507), wurde Caplan 
des Adminiftrators in Müniter, jpäter Pfarrer von St. Alban und 
Domherr zu Cöln, 1588 Weihbiſchof daſ.; ftarb am 22. Juli 1600. 

1) Domprediger Nicolaus von Steinlage, Dechant Eberwin Drojte zu 
St. Martini, Paftor Gaspar Modewid zu St. Yamberti und De- 
hant Michael Ruperti zu Ueberwaſſer. 

7) Keller 1. e. Actenſt. Nr. 514. 

2) St. Gebhard II., Biſchof von Konftanz, geb. 949, geft. 996. 


101 


Sn der „Allen Godtjaligen und framen Ledtmaten, 
VBorwandten und ngejetenen des löflifen Stiftes Mönjter‘‘ 
gewidmeten VBorrede!) giebt der ungenannte Autor der Ber: 
wunderung Ausdrud, daß die Chriſten in jo viele Secten 
getheilt jind: „So doh men ein Chriftus und Middeler 
ſy und nichts jtarder als de Warheit, welder ik Gabes 
wordt in hilliger Bybliiher Schrifft vorvatet, blivende wann 
Hemmeli und Erde vorgahn.‘ Erklären lafje jich dieje Er- 
icheinung dur die Verführung des Satans, den angebore- 
nen Unveritand der Menſchen und dadurh, daß Gott die 
Welt mit Blindheit ſchlage und die Seinen verfudhe, um 
ihre Liebe zu erproben; doch jeien auch die Menschen ſelbſt 
nicht ohne Schuld, denn die Propheten lehrten falſch, Die 
Prieſter berrichten und die Laien wollten es nicht anders 
haben: ?) 

„Thom eriten jeggen je: De Kerde fan nicht jrren. 

Thom andern jehn je up lange gewanheit und olden 

gebrud. 

Thom drüdden: je hebben ein mal gedantzet und alle 

luft tho den Reye ſy em entfallen. 


— Bugleih eine Anſpielung auf den Kölner Erzbiſchof Geb— 
hard II. Truchie von Waldburg, der am 16. San. 1585 im jeiner 
„ichriſtlichen Erklärung in Religionsſachen“ jeinen Mebertritt zur 
evangeliichen Kirche verfündete und deihalb, jowie wegen jeiner am 
2. Febr. 1583 vollgogenen Trauung mit der Gräfin Agnes von 
Mansfeld durch die Bulle des Papſtes Gregor XII. vom 1. April 
1583 ercommumiciert und des Erzbistums verluitig erflärt wurde. 
(Bergl. Fabritius, Gegenberiht pag. 75). 

Eine wörtlihe Wiedergabe der DVorrede, mit Ausnahme der Leber: 
ichrift und des legten, die 54 Frageartikel ermähnenden Abjchnittes 
erhält man durch Untereinanderitellung der in des Fabritius Gegen: 
bericht mit „Fledermauß“ überfchriebenen und geſperrt gedrudten 
Stellen auf pag. 78; 144; 155 ff., 170 f.; 228; 231 ff.; 248; 
250 f.; 264 f.: 279 f.; 291; 297 f.; 308; 357; 416; 481; 488; 
441 f.; 451 f.: 462 ff. 

?) Vergl. Seremias, cap. 5 v, 51. 





— 


102 


Thom verden: fe jpegelen jid an ander lüde Erempel, 
denn idt mit dem Evangelio nicht wol geraden jy. 

Thom vöfften then je an de olden guden tydt, darinne 
grote Leve, rede, Wolfelinge und alles vullup ge: 
weien jy, dewyle men vaftede, Bedevarth gind, 
Mille hörede, de Hilligen drod. 

Thom ſöſten vören je gemeiniglid deffe worde im munde: 
Scholden de alle verloren ſyn, de od jo gedhan 
hebben?“ 

Nachdem dann der Verfaſſer jeden dieſer ſechs Punkte be— 
ſonders beſprochen, fährt er fort: „So hebbe gy nu, Godt— 
ſalige und frame Bröder in Chriſto, de 54 Artickel der 
Antichriſtiſchen Inquiſitien in Düdiſche Sprake uprichtich 
avergeſettet und mit einfoldiger, doch Schrifftmetiger Ant— 
wort !) beſchedenlick wedderlecht . . .“ Die nun folgenden 
54 Frageartikel ſind den beiden erſten Abſchnitten der dem 
Commissorium Johann's von Hoya beigegebenen Formula 
visitandi entnommen und von den an die Pfarrer und 
übrigen Geiſtlichen zu richtenden 84 Fragen über den Glau— 
ben, die Lehre und die amtlichen Pflichten (Form. visit. I.) 
und den 12 Fragen über ihr Leben und ihre Sitten (Form. 
visit. II.) diejenigen ausgewählt, die dem Schreiber der 
Inquisitio zur Erreichung ſeines Zmwedes am geeignetiten 
erihienen. In wie weit der ihm von Kabritius in dem 
weiter unten erwähnten „Gegenbericht“ (BI. 6: Vorrede 
an den Leſer) gemachte Vorwurf, dab er die 54 Artikel 
„verteutſchet und felichlich verferet bat, damit die einfeltige 
Leyen und Ungelehrten wider die Geiltlihen und der Obrig— 
feit zur Auffrhur und jchedliches Verderben erwedet und ge: 
ſetzt möchten werden‘ zutrifft, ergiebt am deutlichiten die 


sn 


!) Diele hinter den einzelnen Artiteln jtehenden ‚Antworten‘ Fönuen 
ihrer rein theologiichen Bedeutung halber hier ganz übergangen werden. 


103 


Vergleihung mit dem Original, weßhalb wir nachſtehend!) 
den einzelnen Artileln die urfprünglide Form?) beigefügt 
haben. Wir glaubten dies um jo eher thun zu jollen, weil 
bisher von ber Formula nur der von Hüjing?) aus dem 
Nachlaſſe des Domdechanten Dr. Krabbe mitgetheilte Auszug 
befannt war und wir uns die vollftändige Wiedergabe der 
insgefammt c. 300 Fragen enthaltenden Inſtruction ihres 
Umfanges wegen für eine befondere Bublication vorbehalten 
müſſen. Es lautet: 


Art. 1. Wath des Paſtors Name und Thoname ſy, 
und wo olt. Offt he ehelich edder unehelich geborn ſy. 
Und ſo he unechte, efft he den ock aver ſynen geborthman— 
gel eyne Dispensation hebbe, und dat he de thom ſchyne 
bringe. 

Quod sit istorum [seil. clericorum] nomen et euius sint 
aetatis, An legitimi vel illegitimi nati. Et illegitimi, an super de- 
fectu natalium habeant dispensationem, atque ut eam ostendant. (II, 1) 

Art. 2. Wor und van welden Wielbiffjhoppe men ge: 
wyet jy: offt men od geeraminert und thogelaten alle or: 
den edder Wyinge, jo wol de Elenen al3 de groten up vor: 
icheiden, doch dartho beftempten tyden entfangen, edder de: 


1) Bon den dort in Klammern ftehenden Zahlen bezeichnet die römiſche 
den Abichnitt, die arabifche die Nummer der Frage in der Formula, 
ein ev, hinzugefügtes a oder b den eriten oder zweiten Theil der be- 
treffenden Frage. 

2) Nach zwei im General-PVicariatsardiv und in der Rönigl. Paul. 

Bibliothek zu Münfter befindlichen Abjchriften. 

Der Kampf um die Eatholifche Neligion im Bisſsthum Münſter. 

Münfter 1883 pag. 89 ff. — Die von Tibus I. e. pag. 95 ff. mit- 

getheilten „‚Interrogata“ find die Tragen 6, 7, 24b, 25—30, 

32—37 u. 41—64 des Abſchn. V. der Formula: „Inquirenda in 

collegiatis ac aliis ecclesiis, in quibus Praepositi, Decani aut 

Pastores pluribus Vicariis praesunt.“ Dagegen deden fih nicht 

mit der «ormula Diefamp’s „Interrogata in collegiatis nobilium 

virginum“ (diefe Zeitſchr. Bd. 42 I. pag. 173 ff.). 


3 


— 


104 


fulven heimlich, vorftolener wyje nad, buten gebürliche tibt 
up ein mal befomen hebbe, und aver bat alle Dispensation 
od gudt formlich bewyß darvan vorbringen könne ? 

Ubi et a quo Episcopo sint ordinati; utrum examinati et 
admissi, tam minores quam maiores ordines successive statis tem- 
poribus acceperint, an vero furtim et per saltum aut etiam extra 
tempora: et an ad hoc habuerint dispensationem, ut super his omni- 
bus tam formatas, quam etiam dispensationes ostendant. (II, 2) 


Art. 3. Offt men ein recht Paſtor ſy und einen rech: 
metigen bejitt und Collation bebbe, und van wen, unb 
Dat men ydt bemyje. 


An sint veri Pastores et canonicam habeant institutionem. 
et a quo illam habeant, et ut eam ostendant. (Il, 3) 


Art. 4. Edder jo men ein Surlind ſy, dat dan de 
rechte Paftor namkundich gemafet werde. Item, offt men 
od van Archediafen thogelaten ſy und ein ehrlid under: 
holt hebbe? 


Quod si sint vicecurati, quisnam verus sit Pastor. An ab 
Archidiacono seu ÖOrdinario sint probati et admissi et an habeant 
tantum, ut honeste sustentari possint? (II, 4) 

Art. 5. Off men od ein Monnid geweien, de Kappen 
verlaten und ein Apostata, dat if abfelliger, geworden ſy? 

An alibi professi fnerint Monachatum et relicto habitu 
facti sint Apostatae? (II, 5) 

Art. 6. Efft men alle dage ſyne Tyde leſe, als idt 
ſick geböret ? 

An singulis diebus horas canonicas soleant legere, prout 
tenentur, atque ut Breviarium suum ostendant. (Il, 6) 

Art. 7. Efft men od eine Concubinen edder Ehe: 
frowen tho Huß hebbe, wol je thofamen gegeven hebbe? 
Wo vele finder men darmede hebbe, und wohr fe gebarn 
fin. Efft men od mehr als eine Concubinen edder Frou: 
wen hebbe? 

An concubinam domi detineant aut aliam mulierem, quam 
sibi fortassis de facto matrimonialiter copulari fecerint, et quis eos 
coniuxerit. Quot habeant proles, Et an plnres habeant seu habue- 
rint concubinas? (II, 7) 


105 


Art. 8. Dfft men od preiterlife fleder drage und eine 
beiharen platten hebbe? 


An vestes, nee non tonsuram seu coronam ferre soleant 
elericalem, et quoties eam quotannis tonderi curent. Et an longam 
hispidamqne barbam consueverint alere? (Il, 8) 


Art. 9. Efft men od de H. Bybel Hebbe, als olt und 


nye Teitament, und wat vor eine averjettinge? 
Utrum habeant sacra Biblia, vetus videlicet et novum Te- 
stamentum, et ex cwius editione seu versione? (I, 44) 


Art. 10. Efft men in egener perſon up de Sondage 
und Feſte de Evangelien und Epiftolen deme volde und be- 
valen Schäpfen uthlegge, und wat vor eine Boltillen men 
dartho gebrufe? 

An ipsi per se diebus dominicis et festivis populo Kvan- 
gelia et Epistolas expliecent orthodoxe et sincere et quorum exposi- 
tiones, Postillas et Homilias in expositione eorundem sequantur? (1,45) 

Art. 11. Efft men lere und befenne den Geloven und 
de Religion, welchern de hillige Gatholiihe, Nechtgelövige, 
Apoſtoliſche Römiſche Kerde befent? 

An credant ea omnia, quae continentur in Symbolo Apo- 
stolico, et in eo symbolo fidei, quo sancta catholica orthodoxa et 
Apostolica Romana Eeclesia utitur, quodque in Missae officio legi 
seu decantari consuevit? (I, 1) 

Art. 12. Efft men od de warbeit des Katholischen 
Gelovens von aller Ketter bedroch wete tho unterfcheiden, 
und wo? Und dat men int gemein darup antworte. 

Art. 15. Efft man od vorſtha, wat warhafftich und 
egentlif Gatholiich ſy?) 

Art. 14. Efft man od gelöve, dat de warheit des Ca— 
tholiihen Glovens jampt underwyſinge van tucht und chrilt: 
liken wandel nicht allene im gejchrevenen worde Gades, als 
im olden und nyen Teftament, junder od in Sattingen der 
Catholiſchen Kerden, als im ungejchrevenen mworde Gades 
ingevatet und begrepen ſy? 


2) Die in Art. 12 u. 13 geftellten Fragen fehlen in der Formula. 


106 


An credant veritatem fidei ac diseiplınam vitae christianae 
non tantum in veteri et novo testamento tamquam seripto Dei verbo, 
sed etiam in traditionibus tamquam verbo Dei non scripto ınagna ex 
parte contineri .. .? (I, 2) 

Art. 15. Demwyle de H. Schrifft van den einen jüs, 
van den andern jo, na eines jtlilen meninge werde uth- 
gelacht, dat jdt na den gemenen jpridwordt leider war ſy: 
fo manch minſche, jo mannich finn. MWelden voritandt der 
H. Schrifft men dann vor recht holde? Und efft idt nicht 
allene de ſy, den de Gatholiihe, Apoftoliiche, Römische Kerde 
alle tydt geholden hefft und noch holde? 

An sentiant eum tantum modo verum esse sacrae serip- 
turae intelleetum, quem Catholica et Apostolica Romana Ecelesia 
semper tenuit et tenet? il, 4a) 

Art. 16. Efft men od gelöve, dat idt der ferden al— 
leine, und nenen bejundern menſchen gehöre, vam redten 
voritandt und uthleginge der H. Schrifft tho ordelen und 
jo wat tmwivelhafft3 in gelovens und Religionsſaken vörvelle, 
tho jlichten ? 

[An sentiant] quod dumtaxat ad illam ([seil. Catholicam 
Ecelesiam] pertineat de vero sensu et interpretatione sacrarum seriptu- 
rarum iudicare ac dubia circa fidem et religionem oborta deeidere 
nec esse illud cuiusvis privati hominis? (I, 4b) 

Art. 17. Efft men od alle Böke der H. Schrifft durch 
uth, de van der Kerden vor recht erkant fint, auneme: ins 
junderheit der Machabeer Böfe im olden, und S. Jacobs 
Epiftolen und Apenbaringe Joh. im nyen Tejtamente? 

An recipiant omnes tam veteris quam novi Testamenti 
libros integre, prout in vulgata veteri editione habentur et ab Ee- 
clesia pro Canonieis recepti sunt, et qui sint isti. Et praesertim 
an recipiant libros Machabeorum, Epistolam D. Tacobi, Apocalipsim 
Sancti loannis? (I, 3) 

Art. 18. Efft men vor recht und war holde de jen- 
tentie und meninge der Kerden, dar je idt mit ©. Jacob 
darvor belt, dat de gelove ane gude werde dodt ſy, und 
dat de gelove nicht allene rechtferdich make? 


107 


Utrum eredant ,„.... veram esse sententiam Ecelesiae, quae 
cum beato lacobo Apostolo asserit: fidem sine operibus mortuam et 
fidem solam sine operibus non iustificare? (I, 17) 


Art. 19. Efft man idt od darvör holde, dat derjennen 
lehr und meninge godtloß jy, de dar vörgeven, dat aller 
gelövigen gude werde jünde fon und nenerley wyß thor 
jalihheit nödich: darjegen averft der Kerden lehr gejunt und 
recht, dar geleret wert, dat de guden werde der gelövigen, 
de in Chriſto weddergebaren in hilliheit und gerechticheit 
wanderen, Gade angeneme iyn und dat ewige levendt 
vordenen ? 

Anne sentiant impiam eorum esse sententiam, qui omnia 
etiam fidelium bona opera peccata esse affırmant, sanam autem et 
rectam csse doetrinam Eeclesiae, qua dieitur: Bona fidelium opera, 
qui in Christo renati in sanetitate et iustitia ambulant, Deo grata 
esse ac vitae etiam aeternae meritoria ,„....? (I, 18) 


Art. 20. Efft men od vaſte gelöve, dat wowol Ehri: 
ſtus vor alle geflörven, dennoch nicht alle de woldath ſynes 
Dodes und lidens entfangen. Und dat na den geapenbar: 
den Evangelio allen, de gerechtferdiget vam jtande des 
torne Gades, darinne je van wegen des valle8 Adams ge: 
barn jint, in den jtandt der gnaden und ermwelinge ber 
finder Gades avergefatt und des ewigen levendes deel— 
bafftidy werden willen, allerdinge nödih ſy vor allen, dat 
je dörch de Döpe, dat bat der Weddergeborth, Chrifto und 
der Kerden ingelivet werden: Darnegeft dat je im rechten 
geloven, Höpeninge und Leve, dörch gemeinſchop der Sa— 
cramenten chriftlider Herden und dörch holdinge der Gebade 
Gades godtjalih und rechtferdig levende, beth an dat ende 
beitendich bliven ? 

An firmiter credant, quod tametsi Christus pro omnibus 
sit mortuus non tamen omnes mortis ac passionis eius beneficium 
recipiant; et quod post promulgatum Evangelium omnibus, qui iusti- 
ficari et a statu irae, in quo nati sunt, in statum gratiae ac adop- 
tionis filiorum Dei transferri atque adeo aeternam vitam consequi 
velint, necessarium omnino sit, ut primum omnium per baptismum, 


108 


regenerationis lavacrum, Christo et Ecclesiae inserantur ac deinde 
in sincera fide, spe et charitate per sacramentorum Ecelesiae com- 
mimionem ac mandatorum Dei observationem pie et iuste vivendo 
au Anem usque perseverent? (I, 8) 


.— 


Art. 21. Efft men gelöve dat im nyen Tejtamente 
jüven ware egentlife Sacramenta jyn, und dat nicht mehr 
noch min jchölen angenamen werden ? 

Utrum eredant septem esse novae legıs seu Evangelii vera 
ac propria sacramenta nec plura aut pauciora recipi debere eaque 
a sacramentis veteris legis longe lateque diversa esse? (I, 10) 

Art. 22. Dfft men od gelöve, dat dejülven Sacra— 
menta van Chriſto jngejettet, den menſchliken gejlechte 
(wowol nicht alle einem jtlichen) thor jalicheit nödich ſyn. 
Und dat ein jtlid buten fichtbaren tefen eine ſunderlike frafft 
in jid Gebbe, de geichender werde allen, jo fi ſülven nene 
hinderniſſe leggen ? 

An eredant illa ipsa sacramenta a Christo instituta ad 
humani generis salutem (licet non omnia singulis) necessaria esse, 
et unum quodque praeter visibile signum specialem gratiam in se 
eontinere et his, qui impedimentum non ponunt, couferre? (], 11) 

Art. 23. Efft men od de wyje und Geremonien, de 
van der Kerden angenamen, und in gemwönlifer bedeninge 
der Sacramenten gebrüdlid fyn, underholde ? 

An fateantur receptos Eeclesiae ritus, in solenni sacra- 
mentorum observatione adhiberi solitos, sine peccato et haeresis nota 
contemni, reiici aut pro euiuscunque libitu mutari vel etiam lingua 
germanica translatos exerceri non posse? (I, 12) 

Urt. 24. Erft men ſülveſt de Döpe up rechte tydt na 
gewanbheit der Kercken plege jegenen, und od dat H. Sa: 
crament der Döpe na uthwyſinge der Kerdenagende, ſampt 
allen wyjen und Geremonien in der Kerden gewönlid plege 
bedenen, edder efft men wat vorandert hebbe? 


An soleant ipsi fontem Baptismi statutis temporibus iuxta 
Eccelesiae consuetudinem benedicere atque etiam sacramentum Bap- 
tismi secundum| Agendam ecclesiasticam, adhibitis omnibus ritibns 
et ceremoniis in Ecclesia catholica hactenus observari consuetis ad- 
ministrare, an vero aliquid mutaverint? (I, 50) 


109 
Art. 25. Efft men od in jonem Kerjpel Wedderdöper 
bebbe, edder andere de nit von deſſen Satramente recht 
holden und ere Kinder edder gan nicht döpen, edder an: 
derswor und up eine ander wyſe döpen laten, als der Ker— 
den gewanheit mit ſick bringet? 

An sint ipsorum inter Parochianos Anabaptistae et impie 
de hoc sacramento sentientes, et qui infantes non curent, aut alibi 
et aliter baptizari faciant, quam consuetudo Ecelesiae patitur, an 
tales corrigant, aut saltem superioribus corrigendos denuncient? (I, 53) 


Art. 26. Efft men gelöve, dat dörd dat Sacrament 
der Bermelinge de billige Geiſt gegeven werde, den geloven 
tho jterden, erholden und vormehren. Und dat dith Sakra— 
mente van den olden, de idt befamen könen, ane grote 


jünde nicht köne verachtet werden? 

Utrum credant baptizatis per sacramentum Confirmationis 
dari spiritum sanetum ad robur, tutelam et incerementum fidei, neque 
posse hoe sacramentum ab adultis, qui eius copiam habere possunt» 
sine gravi peccato eontemni? (I, 19) 

Art. 27. Efft men od vaken ſülveſt, infunderheit des 
Sondages und up de Feite, vormöge der Fundation, dat 
Dffer der billigen Miſſen bolden ? 

Utrum ipsi sacrifieium Missae frequenter, praesertim vero 
diebus dominieis et festivis, atque alias seecundum fundationem suo- 
rum beneficiorum celebrare soleant? (I, 54) 

Art. 28. Efft men od mit Miffeholden, ane alle vor: 


anderinge, als affnemen und thojetten, de Gatholiiche wyje 
und gewanheit genglid holde: Und offt men od den Canon 


gang edder dar wat uthe late, und aljo verjtücdet leſe? 

An in celebranda Missa morem ac ritum catholicum 
omnino sequantur, nullo addito, detracto vel immutato; an etiam 
Canonem integre legant, an vero eundem omittant, sen mutilatum 
legant? (I, 55) 

Art. 29. Efft men od gelöve, dat de Miſſe ein Offer 
jy vor de levendigen und doden, vor dat gude tho erlangen 
und dat böje aff tho wenden, und vor alle nodtjafen recht 
angewendet werde. Und dat nichts im ampte der Miffe 


110 


nod in den Ganone begrepen ſy, weld godtloß und als 
ein erdom könne geachtet werden? 

An profiteantur hoe sacrificium et hanc oblationem pro 
vivis ac defunctis, pro bonis impetrandis et malis avertendis et 
omnibus necessitatibus reete oflerri nee quicque in Canone aut foto 
Missae offieio contineri, quod impium aut etiam erroneum sit? (I, 29a) 

Art. 30. Dfft men od by den gewönlifen Kerdenjange 
blive, edder je vorworpen edder vorandert heöbe. Offt men 
od düdiſche Geienge in der Miſſe mede in menge, welde 
und wodan de fyn und uth wat madht men de invöre? 

An cantiones ab Ecclesia receptas reiecerint vel mutarint, 
et an germanicas cantiones in Missa admiscere soleant, quae et qua- 
les illae sint, et qua authoritate eas in Ecclesiam introduxerint? (1,56) 

Art. 31. Efft men den Lychnam Chriſti in den Sa— 
framentshuje edder in einer ander rein jtede mit jümmer 
bernenden lichte bewahre. Efft odin den Herden conjecrerde 
Ditien vor de Kranden alletydt bereidt ion? 

An soleant Eucharistiam in sacrario seu loco honesto 
cum perpetuo lumine conservare et an semper in suis Ecclesiis 
hostias consecratas habeant pro infirmis? (I, 60a) 

Art. 32. Efft men od dat Sacramente tho den Kranz 
den drage, Lichte darvor dragen und Scellen Tlingen late, 
den gelövigen ein tefen darmede tho geven? 

An, eum Eucharistiam ad infirmos deferunt, lumen et 
eampanellam faciant praeferri ad dandum fidelibus signum? (I, 60b) 

Art. 33. Efft men up des billigen Lychnams und an- 
deren gewonlifen Feitdagen den H. Lychnam mit reverentz 
ummedrage und lere dat Bold ſick jdler jpelwerde, ſchertz 
und geſwetz tho entholden, ſunder andechtig vorher gahn 
und beden ? 

An in festo corporis Christi aliisque festivitatibus solitis 
sanetam Eucharistiam cum reverentia circumferant populumque do- 
ceant, ut remotis omnibus profanis ludis, iocis et confabulationibus 
religiose ac devote procedat et oret? (I, 61) 


Art. 34. Efft men od gelöve dat dith Sacramente 
wegen der jegenmwerdicheit Chrifti mit der ehre, de deme 


111 


Köninge und deme HEREN aller Heren geböret, tho vor: 
ehren jy? 

‚ An eredant huie sacramento propter praesentiam Christi 
eum honorem, qui regi regum et domino dominantium debetur, ex- 
hibendum esse? (I, 24) 

Art. 35. Wo men den SKeripellüden dat Sacramente 
geve, up eine edder up beyderley geitalt? 

Quomodo soleant administrare sacramentum Eucharistiae; 
utrum suhditos et Parochianos suos sub una an sub duabus specie- 
bus soleant communicare, et si sub duabus, qua auctoritate id fa- 
eiant? (I, 62) 

Art. 36. Dfft men Kerjpellüde hebbe, de dat Sacra= 
mente gang vorachten, edder under einer geitalt nicht ent: 
fangen willen. 

An habeant Parochianos, qui sacram Eucharistiam vel 
omnino contemnant, vel saltem sub una specie illud sumere recuseut, 
et quorsum isti se conferant, an illos informent et corrigant aut 
salteım incorrigibiles superioribus sujs denuncient? (I, 64) 

Urt. 37. Offt men gelöve und dat Vold od alſo lere, 
dat nicht allene under einerley gejtalt, idt ſy des Brodes 
ebder des Wynes, junder od under deme allergeringeften 
frömefen edder dröpeken derjülven geitalt dat ganke Lyff 
und Bloth Chriſti und dat vullenfamen Sacrament begrepen 
ſy, od nicht minn under einer al3 beider geitalt entfan- 
gen werde? 

An credant non modo sub una specie, panis seilicet et 
vini, sed etiam' sub minima particula cuiusque speciei integrum 
eorpus et sanguinem Christi verumque sacramentum eontineri et 
sumi? (Il, 22) 

Art. 38. Efft men od na geholdener Communion de 
overigen Ostien jampt allen Barteden derjülven in de Sa— 
cramentsbüſſen bylegge und up rechte tydt vor de jpölinge 
in der Miſſe mit Ehrbedinge plege up tho eten ? 

An hostias consecratas superfluas religiose in saerarium 
reponere, nec non frustula seu fragmenta hostiarum ronsecratarum 
ante ablutionem tempore oportuno in Missa reverenter sumere so- 
leant? (I, 62) 


112 


Art. 39. Efft men od gelöve dat in einer geconjecrer: 
den Oftien buten dem gebrufe, wenn je jchone nicht gegeten 
werde, ſy und blive dat ware Lyff und Bloth des HEREN 
und darümme dat Sacrament na den olden gebrufe der 
Kerden billid godtjalidy und notwendich in der Saeraments— 
büffen tho behoff der Kranden jchöle bygelacht und vor: 


waret werden ? 

An eredant in hostia consecrata etiam extra usum et 
sumptionem esse et manere verum corpus et sanguinem Christi: et 
ideo sacram Eucharistiam in sacrario recte secundum antiquissimam 
Ecclesiae oonsuetudinem asservari et in ecelesiis pro decumbentibus 
et infirmis omnino pie et necessario custodiri? (I, 23) 


Art. 40. Dfft men od vor recht gelöve und de ler 
der Kerden anneme, dar geleret wert, de Leyen und Breiter, 
ſo je jülven nicht Miffe holden, jyn ut) der Inſettinge 
Ehrifti gar nicht ſchüldich beyderley geitalt tho entfangen. 
Und offt me od befenne, dewyle nicht weiniger under einer 
als beyder gejtalt begrepen jy und genaten werde, dat dann 
de Gewonheit under einer gejtalt tho communiceren, de jo 
vele hundert Jare unbewechlick im fwange gangen if, dörch 
eines edder merer jülveit ermeleden motwyllen, ane lafter 


der jchüringe nicht könne vorandert edder vorworpen werden ? 
An veram eredant ac etiam recipiant S. Eeclesiae doctri- 
nam, quae tradit laicos et sacerdotes non celebrantes nequaquam ex 
institutione Christi necessario teneri ad utramque speciem tenendam, 
Et an fateantur, cum non minus sub una quam sub utraque specie 
eontineatur ac sumatur, non posse istam sub una specie communi- 
candi consuetudinem tot saeculis inconcusse observatam privata 
alicuius aut aliquorum temeritate sine schismatis crimine mutari aut 
reiici? (I, 25) 
Art. 41. Efft men od dat Lyff und Bloth Ehrifti up 
anderen tyden als in der Myſſe mafe?!) 


Art. 42. Efft men befenne dat allene de Breiter in 
der Catholiſchen Kerden geordineret, rechte Dener des Sa: 


) ©. den Schluß des folgenden Artikels. 


113 


craments ſyn, und nicht Leyen edder Klerde, de allene de 
Kenen Wyinge entfangen hebben. Und dat men vörnemlid 
de worde der CGonsecration aver Broth und Wyn ſpreke, 
dat od de gewyede Preſter de in der Catholiichen Kerden 
CGommunion jint dat Lyff und Bloth Chrijti nicht malen, 
denn allene in der Miſſe? 

An fateantur veros huius sacramenti ministros esse solos 
presbyteros in -catholica Ecclesia rite ordinatos, non laicos aut mi- 
nores elericos, ut maxime consecrationis verba super pane et vino 
proferant, nec debere etiam ipsos sacerdotes rite ordinatos et in 
catholicae Ereelesiae communione existentes corpus et sanguinem 
Christi confieere, nisi in solenni Missae sacrificio? (I, 26) 

Art. 43. Dfft men od gelöve, dat den gedöfften Min- 
ihen, de in jünden fint gefallen, upt högeite nödich ſy, dörch 
dat Sacramente der Bote Gade vorjönet tho werden, dewyle 
de Bote de ander Tafel iß na dem Schepbröfe? 

An eredant baptizatis in peccata lapsis summe necessa- 
rium esse, ut per sacramentum Poenitentiae reconeilientur Deo, cum 
poenitentia sit secunda post naufragium tabula?') (I, 30) 

Art. 44. Offt men od dat Vold valen thom Sacra: 
ment der Bote vormane und underrichte einen itlifen Chri- 
ten Minichen, dat he vormöge der Kerckenmandats ſchüldich 
ſy in allen bogen Feiten, edder thom weynigeſten eines im 
Jahr, nemlid up den Paſchen, ſyne ſünde tho bichten und 
dat Nachtmal tho entfangen ? 

An similiter populum de sacramento Poenitentiae saepe 
instituant sintqne in audiendis confessionibus eircumspecti, ut pro 
peccatorum et personarum qualitate salutares et medicinales satis- 
factiones iniungant et frequenter adımoneant unumquemque christia- 
num hominem ex praecepto Ecelesiae teneri, in summis festivitatibus 
saltem semel in anno, videlieet in festo Paschatis, et confiteri de- 
licta et Eucharistiam sumere? (I, 66) 


Art. 45. Offt men od den gebrud der Orenbicht in 


!) Cone, Trident, Sess. XIV. can, 2. — Bergl. Tertuliani lib, de poe- 
nitentia, cap. IV in Migne, Patrologiae ceursus, Ser, lat. Tom. J. 


pag. 1233 f. 
XLVI 1. 8 


114 


ſyner Kerden beholde. Und offt od etlife jyn, de nümmer 
ebber jelden bichten und likewol thom Nachtmal ghan? 

Qua verborum forma soleant uti in absolvendo et an 
usum privatae seu aurieularis confessionis in Ecelesiis suis retineant 
an vero eum immutaverint, Et an sint, qui nunquam aut raro con- 
fiteantur? (I, 67) 

Art. 46. Efft men od dat Vold lehre vam rechten 
gebrufe der leiten Olyejmeringe und dith Sacramente nha 
der Kerden Agende mit Beden und Letanyen den Kranden 


mede deele? 

Utrum doceant populum verum usum extremae Unctionis 
et an sacramentum hoc iuxta Agendam Ecelesiae cum orationibus et 
Litaniis aegrotis impertiant? (l, 65a) 

Art. 47. Dfft men od de underrichte, jo ſick im Ehe: 
jtandt gedenden tho begeven, dat je jchüldich fint im Gelo— 
ven und Religion einich tho ſyn: Wyder wat vor Ehre de 
Mann der Frouwen und de Frouwe deme Manne jchüldich ſy? 

An etiam instruant eos, qui matrimonio iungi affectaut, 
yua fide et religione in Christo convenire debeant, quem honorem 
mulier viro et vir mulieri debeat? (I, 68) 

Art. 48. Efft men je od dremal in dren vorjcheiden 
Zöndagen thovören afflündige? 

An praeınittant tres proclamationes tribus diversis festivis 
diebus? (I, 69) 

Art. 49. Efft men od gelöve, dat de Vaſten van der 
Kerden ingejettet, tho holden ſyn, und dat men defülven, 
allene de uterjte noth uthbeſcheden, ane Sünde nicht bre- 
fen füne? 

An eredant ieiunia ab Ecclesia instituta observanda exse 
nec posse extra necessitatis extremae casum sine peceato violari, et 
qui sint dies et tempora jeiuniis dieata? (I, 48) 

Art. 50. Efft men od vam Bredigftole vorkündige, 
welde dage und tyde van der Kercken ingejettet fon, und 
dat Bold flitich vormane de tho holven, und fid gehorjam: 
lid entholde des Fleiſches? 


Au de suggestu denuncient, quibus diebus et temporibus 


115 


ieiunia ab Ecelesia sint indieta, diligenter eos admonentes, utea sem. 
per servare et a cibis prohibitis obedienter abstinere studeant? (1,74, 

Art. 51. Efft men od gelöve, dat de Kerde den ge: 
brud vor gelövige doden tho bidden, var den Apoftelen 
entjangen bebbe? Und lere dat Bolde darvör tho bidden? 

An etiam ceredant Ecelesiam catholicam ex traditione 
Apostoliva habere usum orandi pro fidelibus defunetis? (I, 40) 

Art. 52. Efft men od darvor holde, dat de Catholiſche 
Kercke recht gelöve ein Begeführ tho ſyn, darinne der Bor: 
ttorven Seele geholden werden, dar je mit Almiſſen und 
Sodtjalicheit der levendigen gelövigen, vor allen averit mit 
den angenemen Offer des Altares vorlöjet werden ? 

An igitur sentiant etiam Ecclesiam catholicam recte ere 
dere, purgatorium esse animasque defunetorum in eodem detentas 
eleemosynis virorumgne fidelium pietate et potissimum acceptabili 
Altaris saerifieio juvari? (I, 41) 

Art. 55. Efft men od gelöve, dat de Hilligen, de mit 
Chriſto herrſchen, recht als Börbidder angeropen werden und 
dat er Gebeth by den allgemenen Heren vele gelde: Dat 
od deriülven Reliquien und Belde in den Kercken jchölen 
geholden werden? 

An credant Sanctos cum Christo regnantes recte tam- 
uam intereessöores Invocari eorummque preces apud communem Do- 
minum plurimum valere eorundemque Sanctorum reliquias et imagines 
in ecelesia retinendas esse? (I, 42a) 

Art. 54. Efft men od de Procession, up gemönlife 
Feſtdage mit Grüßen und Vanen, od mit Wyewater holde ? 

An Processiones diebus solitis in signo erueis et vexillis nee 
non aqua benecdieta peragant ipsique seiant populumque instruant, 
quid illa ac eaeterae Veremoniae ecclesiasticae signifieent? (I, 77) 


Diefe? Buch wurde zur Verbreitung der calviniichen 
Xehre Ende 1585 in dem Stift, bejonders aber in der Stadt 
Münſter den Katholifen, und zwar vorzugsweije den Geiſt— 
lihen, in die Wohnungen geworfen. Auch der Kaplan Fa: 
britius fand am 22. Dezember in jeinem Hofe ein Eremplar 

8 * 


116 


defielben nebjt einem zwei Bogen langen Schreiben, das 
begann: „Bey zeigern diſes jende ich dir, Gottlofer bube 
und lügenhaffter PBoltergeift, diß beygewarte büchlein und 
wil dir dabey gewünjchet haben, daß dich der liebe Gott 
auß lauter barmhertzigkeit wolte erleuchten, daß Du von dei- 
nem Gottlojen wege und deiner lügenhafftiger impoftur und 
betriegerey mögejt abjtehen und den einigen ewigen unbe 
greifflihen Gott befennen, den du bißhero mit deinen greiff: 
lien, unverſchempten und unaußſprechlichen lügen nicht 
allein verleugnet haft, jonder auch erſchrecklich (wie ich höre) 
geichmehet, auff daß du mit deinen abfchewlichen Teuffeli= 
ichen Antechrijt, dem Papſt zu Rom, nit ewig mögelt ver: 
loren werden. Biſtu aber ein Theologus, wiewol du das 
Bater unjer, noch zehen Gebott, noch die Artidel dei bei- 
ligen Chriftlihen glaubens, noch die wort der einjegung dei 
heiligen Nachtmals (welche ſtück jind das rechte Fundament 
der ganten Theologie) recht kanſt, noch verſteheſt: biftu ein 
ehrliebender (wiewol Lügner keiner ehren werth, jonder ehr: 
loß) jo ließ diß beygewarte büchlein durch, verftehe es und 
widerlege dann dafjelbige Shrifftlid. Aber nit mit 
Mönchtreumen, nicht mit decretiihen dred, nit mit Blin- 
dafini und Lyripipii, nit mit Hacquini und Klompharbi, !) 


1) Fabritius, Gegenberiht pag. 37, jagt: „Indem diejer [i. e. der 
Schreiber] aber jo jpöttlihe namen erdendt, damit er die heilige 
Lehrer gemeint wil haben, erzeiget er impotentis animi sui convi- 
tiandi libidinem und eine rechte Weibilche zornige leichtfertigkeit; 
dann ich hab noch feinen Gatholiichen Schribenten gehört noch ge 
jehen, der jolher leut namen und wörter gebraudy hette. Daneben 
hab ich dem fleißig nachgefucht, aber eigentlich nit funden ....“ 
Gemeint ift 

mit Blindafinus: Wilheln Damaſus Lindanus, Biſchof von Rıre: 
monde (F 1588), der wegen jeiner eifrigen Bekämpfung der 
Irriehren damals auf das härtefte angefeindet wırde. Blinde» 
finus nennt ihn auch Ph. van Marnir in feinem „Bijentorf“, 


117 





ja nit mit Teuffeliſcher Antechriftliher falſcher verführifcher 
lügenhafftiger lehr, wie ich hör daß du bifher deine Lügen 
und falſche lehr getrieben und beweiſet haft, ja frommer 
und Gottjeliger leut zu widerlegen unterjtanden habeſt, 
jonder mit Vrophetiſcher und Bibliſcher jchrifft, wie alle 
Gottjelige die warheit Tiebende Seeljorger ihre lehr und 
ichrifft von anfang bewieſen haben. Bitte dich umb deiner 
eigenen ſäligkeit, daß du dich mwölleft bedenden, und dein 
Sonfcientien examinirn, ob du recht oder unrecht thuit, 
wenn du die Schrifft jo fälſchlich braucheſt und jo Ichendtli- 
chen lügeſt; du bift erger denn der Teuffel felber. Pfuy 
dich derwegen, du unverichampter Teuffliicher lügner. Dieweil 
aber du deine lügen und faljche lehr (wie ich höre) jo fein 
augbugen Fanft, jo antwort auff diejes beygelagtes büchlein; 
wofern du nicht recht und jchrifftmejlig in Trud verfait, 
darauff antworten wirft, jo wirdt dich der mundt der war: 
heit wol finden und alle fromme Bürger und Chriften, der 
nicht wenig zu Münſter vorhanden, werden diß Bud vor 
die rein Lehr annemmen und Die deine und aller Pfaffen 
für dei Antichrifti, ja Teuffeliihe Lehr außichreihen, ver: 
fluchen, meyden, veradhten und fahren laffen. Antworftu 
nicht Ichrifftlich, jonder mit deinem Lügenmaul mündtlich, 
fo halt ich dich gleichwol für einen Ehrlofen, Ehrvergeijenen, 
Gottlofen und Abgöttiihen, Berfüriihen Eſels-Doctor; 
dann ſolchs haſtu nicht anders mit deinen Ejelifchen Argu— 
menten und Xeuffeliihen Lügen beweiſet.“ Unterzeichnet 
war der in ähnlihem Tone weitergehende Brief: „Datum 


St. I, cap. 2 und St. V, cap. 1 (oh. Fiſchart, Binenforb, 
Chriftlingen 1586 fol. 166.) 

mit Lyripipins: Nicolaus von ®yra (+ 1340, „Si Lyra non 
Iyrasset ... .*) 

mit Dacquinus: Thomas von Aquino (F 1274) 

mit Klomphardus: Petrus Lombardus (F 1160). 


Anno mendaciorum tuorum secundo.!) Enos,?) quem 
Deus novit et suos.“ ?) 

Fabritius blieb denn auch die Antwort nicht jchuldig 
und widerlegte den Titel und die Borrede der „Iuquisitio“ 
Satz für Sag in einem, dem Adminijirator Johann Wilhelm 
unter dem 31. Juli 1584 gewidmeten, 474 Quartjeiten ?) 
itarfen Werke: 

Segenberiht und Chriftliches | Examen def Laſter— 
buchs Müniterihe Inqui-  jition genant, 
welches ein verführijder || Galviniit, heimlich 
ohne Namen, vergifftiger weiß, den 22. tag Decembris, 
Amni 83, zu Münster nächt- |, licherweil in Häuſer 
geworffen und auß- geiprenget hat. Durch Lau- 
rentium Fabricium ÜUrdingensem. . der 
heiligen Gejchrifft Doctorn. | Roman. 16. | (Folgt 
Röm. ce. 16. v. 17 u. 15 in 5 Zeilen). Colin 
Bey Peter Haad an der hohen Schmitten. 
Anno M.D.LXXXV. 5) 

Diefer am Ende als „Erſter Theil” bezeichneten Schrift 
heabsichtigte Yabritius nad der Vorrede an den Yejer „(ob 
Sott will) einen zweiten Theil alsbald folgen zu laſſen, 
der fi mit den 54 Frageartikeln beichäftigt haben würde, 





1) Im zweiten Jahr des Nufenthaltes von Fabritins in Müniter- 
Vergl. Anm. 6 auf pag. 99. 

2) Hebr. — Menſch. — Kabritius (pag. 35) ſchreibt: „Es vermutben 
etliche, fan ich, dat; dieſer Läſterſchreiber deren einer ſeun werdt, To 
nach geſchehener Viſitation feinen fit bet rübkmen minen, nicht 
werlich umb feiner Tugendt willen, als es dem verlenenen Elaviger 
zu Warendorff (wie feichtlih auf den Acten, To noch bey ſeinem 
Archidiacon zu finden, geſpürt wird) beſehen.“ Auch ſpäter gebraucht 
er ſtatt „Verfaſſer“ die Bezeichnung: „Olaviger au Warendorf“ 
(pag. 64), resp. „Abgerallner Pfaff zu Warendorp” (pag. 75). 

) Abgedr. Fabritius, Genenber. par. 2 fr. 

*) Außer 1 Titelbl., 5 BU. Borrede und 3 Bl, Regiſter. Sign. A—PPP. 

°) Die hier gefperrt gedrudten Stellen jind im Orig. roth gedruckt. 


— 





deſſen Abfaſſung aber — vermuthlich in Folge ſeiner Ueber— 
ſiedelung nah Köln — unterblieb. Gegen den erſten Theil 
erſchien: 
Apologia der Widerlegung || Münfterijcher Inquisi- 
tion | darin || zwey hohe und zur || Seligfeit nö- 
tige ftüde auß dem || Wort Gottes und einhelligem 
Consenss || der Chrijtlihen Kirchen außfür= || lich 
gehandelt werden. || Das erjte || Bon der h. Schrift, 
wider zwelff Leſterunge des || Antichriit3 damit er 
Gottes Wort (das er durdhauf || jhme zumider jpüret) 
mit jchenden und verfel=!| jchen gern tilgen molte. || 
Das ander || Vom Uriprung, Alter, Succession, 
und wunderbarer || Erhaltung der Chriftlichen, recht 
Gatholiichen und || Reformirten Kirchen. tem wie 
diefelb von allen || Secten unterjcheiden und wol er: 
kant || werden fönnte etc. | Wider | den vermeinten 
Gegenberiht und undriitlis || Examen D. Lau- 
rentij Fabritij. || Gejtellet || durch etliche Chriſtlicher 
und Evangeliicher war: || heit liebhaber. || Psal. 94. 
15. || Rebt muß dod Recht bleiben und dem 
werden alle from: || me Herken zufallen. || Anno 
M.D.LXXXVI. 
8 Bl. u. 192 Seiten 40; Sign. Mj—Bb. iij, 
Mit Cuſtoden. 

Sämmtlide drei Werke finden ſich auf der Königl. 
Pauliniſchen Bibliothek zu Münfter, die auch zwei Eremplare 
des auf Veranlafjung Johann’s von Hoya erſchienenen Ca- 
techismus Romanus!) bejigt, deren einem das Manz 





!) Catechismus ex decreto Coneilii Tridentini, ad Parochos, ante 
quidem Pii V. Pont. Max. iussu conseriptus, nune autem in 
IIII libros, certaque capita distributus, a summariis Capitum, 
pluribusque ad marginem Scripturarum ac Patrum testimoniis 
illustratus, nihil interim prorsus in textu addito, imminuto aut 
mutato: mandato et authoritate Reverendiss, in Christo Patris 


120 


dat!) des Generalvicar® Jacob Voss vom 21. October 


1572 (1 Blatt 20) beigeheftet ift. 


S. R. J. Prineipis et Domini, Dn. Joannis ex Comitibus de 
Hoya, Episcopi Monasteriensis, neenon Osnaburgensis, et Pader- 
bornensis Eeelesiarum Administratoris perpetui ete. editus. (Des 
Biſchofs Wappen.) Coloniae apud Gervinum Calenium et Haere- 
des Quentelios, Anno Christi nati M.D.LXXI, Cum gratia et 
privileg. Pii V. Pont. Max. (abgedr. auf Bl. 2b; vgl. Seller 1. e., 
Actenſt. Nr.295) et Rom. Imperat. in decennium. 2 Bll., 508 Seiten 
u. 10 BU. Index. Sig. a, —xxx,. Aufder Nüdjeite des Titelblatts 
das Bildniß des Biſchofs. 4%, — Ein Eremplar deijelben, ſowie 
des Fabritius ſchen Gegenberichts auch auf der Bibliothet des Biſchöfl 


- Priefter-Seminars zu Münſter. 


Eine deutiche Überſetzung des Catechismus Romanus hat Biſchof 
Johann nit, wie Keller 1. c. pag. 290 annimmt, veranftalten 
lajjen. Denn der Decan Martin Ruperti fagt in der vom Dage 
S. Michaslis Archangeli 1595 datierten Vorrede feines „Catechismus 
und Petböflin. Muniter 1596”: 

„Und wie he [der Bifhof] ... ſynem Clero den herrligen 

hochnödigen Catechismum Romanum mit bejunderen Unfoiten 

heftt druden und ferdigen lathen, . .. aljo hedde he oid vor 
dat gemeine fimpel Bold gern einen einfoldigen Catechiſmum, 
wie oick ein Betbod und Poſtill ferdigen lathen. Ja he hedde 
gern dat gante Werd der Fiblien . . . in aldt Saſſenſcher und 

Weſtphaliſcher Sprake tho Catholiſcher Warheit repareren und 

dringen willen, dartho ji od der... . Picentiat Gerwinus Ca— 

leniug (der em den Nömtichen Gatechifmum gedruckt hadde, der 
noch im leven ift) gantz willich erbotten, So eth nicht düſſes 

Orts an Perfonen der Translation gemangelt hedde und Hoch— 

gemelter Förſt in düſſem Leven lenger hedde verbinven mögen.“ 
Vergl. auch Ruperti's Vorrede in ſeiner „Poſtill. Paderborn 1597.“ 


1) Abgedr. bei Krabbe, Statuta synodalia. Monasterii 1849. pag. 175 f. 





V. 
Die Stadt Warendorf 


im Kampfe 
gegen 
Landesherrn und Kaiſer. 





Ein Beitrag zur Geſchichte Weſtfalens zur Zeit des dreißig— 
jährigen Krieges. (1622 und 1623).9 





Bon 
Dr. phil. Albert Weskamp. 


— — u — 


Als am 22. Januar 1622 die Abgeordneten der Stadt 
Warendorf über die Verhandlungen und Beſchlüſſe des in 
Münjter abgehaltenen Ausihußtages Bericht erjtattet hatten, 
wurde von Bürgermeiftern und Nat, jowie Alterleuten, 
Kurgenofjen und Gilden troß der Unficherheit der Lage, 
wie fie durch den Einbruch Herzog Chriſtians von Braun: 
ihweig geſchaffen war, einſtimmig bejchloijen, den Stifts— 
joldaten die geforderten Quartiere zu verweigern. Da man 
gehört hatte, Ddiejelben jeien dem Halberſtädter fo verhaßt, 
daß er fie nicht anders als „ſchelmiſche Hahnenfedern” nenne, 
wollte man jelbftändig für die Sicherung: der Feſtung Sorge 
ragen. 

Die Wehr der Stadt war zu jener Zeit nach Quar— 
tieren geordnet. Die Hauptleute jeden Viertels, denen je 
ein oder zwei Lieutenant beigeordnet waren, hatten dafür 





1) Nach den Ratsprotofollen der Stadt. Vol. Weskamp: Herzog Chris 
ftian von Braunſchweig und die Stifter Münfter umd Paderborn im 
Beginne des dreißigjährigen Krieges. Teil I (Baderborn 1884.) — 
Zeil UI u. II erjcheinen im Verlaufe diejes Jahres. 


122 





Sorge zu tragen, daß auf der Wache Ordnung berrichte 
und Die wehrpflichtige Mannjchaft jederzeit in Bereitjichaft 
war. Wenn Abteilungen von Soldaten in Sicht famen, Yo 
hatte der ftädtiihe Spielmann, welcher auf dem Turme die 
Feuerwacht hatte, ein Zeichen zu geben. Der Hauptmann 
vom Tagesdienjte beitimmte alsdann die nötigen Verhal— 
tungsmaßregeln. Wurde das Signal Haufen geblafen oder 
die Trommel gerührt, jo hatten die Bürger ohne Säumen 
mit Gewehr, Pulver und Lot auf dem vorgejchriebenen 
Marmplage unter ihren Nottmeiftern anzutreten. Hin und 
wieder wurden Ererzier: und Schiegübungen abgehalten und 
Anmeifungen gegeben, wie man mit dem aroben Geſchütze 
umzugehen, überhaupt jich in Kriegsfachen zu verhalten habe. 
Die Geſchütze in Ordnung zu halten war Aufgabe des Büch- 
jenmeifters; derſelbe hatte auch die Musketen zu reinigen, 
welche von Zeit zu Zeit zu diefem Zmede auf das Rathaus 
eingefordert wurden. Wachen waren ausgeltellt bei Tage, 
wie bei Nacht. Als im Dftober 1621 das Waſſer jehr Hoch 
jtand, begnügte man jich mit zwei Notten; aber ſchon am 
8. Januar 1622 waren für die Tagwache 4, für die Nacht: 
wadhe 8 Notten beitimmt worden. Auch wurden jeit dieſem 
Tage die Pforten zeitiger geſchloſſen und ſpäter wieder auf: 
gemacht und alle Abende die Ketten der Zugbrüden auf: 
gezogen. 

Am 22. Januar nun wurde beichloffen, nicht nur die 
Bürgerwehr in neue Ordnung zu bringen, jondern auch 
eigene Stabdtjoldaten anzumerben. Bereits am lebten des 
Monats fonnten 20 Mann, von denen 8 aus Rheda, 7 aus 
Herzebrod, die übrigen aus Greifen, Wolbed und Büdeburg 
ftammten, coram judicibus et camerariis in Dienft ge: 
nonmen werden. Sie mußten einen Eid jchwören zu Gott 
und auf fein heiliges Evangelium, daß ſie Bürgermeiiter 
und Rat der Stadt gehoriam, treu und hold jein, derjelben 
Gebote und Berbote beachten, die aufgetragenen Wachen 


123 





Heisig halten, Tag und Nacht jih an die Orte, an melde 
fie geſchict und deren Verteidigung ihnen aufgetragen wer: 
den würde, ungejäumt und ohne Widerſpruch verfügen, Die: 
jelben nad allem bejten Vermögen defendieren, der Stadt 
Beites befördern und Not von ihr abwenden, und jonften 
zu derjelben Beiten und Defention — es jei in Zeit der 
Not und Anfechtung, oder jonjten, wozu immer man jie 
nötig haben werde, es jei innerhalb oder außerhalb der 
Stadt — fi getreulich und dermaßen halten und erjeigen 
wollten, wie es einem getreuen Soldaten gebühre und wohl 
anftehe. 

Um fie zu befehligen, wurden am 11. Februar die 
Korporale Kurt Beltmann aus Lemgo und „der alte Henrich “ 
(Heinrih Witte aus Unna) augemworben. Dieje beiden er: 
hielten monatlih, den Monot zu dreifig Tagen gerechnet, 
an Serris und Löhnung 5 Neichsthaler, die übrigen Stadt: 
joldaten an Sold 4 Neichsthaler, an Servisgeld einen 
„Drt: Thaler.” Sie hatten einen Teil des Wachdienites zu 
übernehmen; vier von ihnen hatten an jedem Qage dienft- 
frei. Aber am 14. Februar wurde beichlojjen, noch zwei 
weitere Soldaten anzunehmen und danır tägli 18 Mann 
wachen zu laſſen, und zwar je 5 vor der Oſt- und Ems: 
pforte, je + vor der Freckenhorſter- und Müniterpforte. 

Am 7. Februar wurden auch die Handwerksknechte, de: 
ren Zahl 61 betrug, vereidet, und acht Tage jpäter ver: 
pflichtete man in gleicher Weile im Oftviertel 30, ım res 
denhorijterviertel 24, im Miüniterviertel 21 und im Ems— 
viertel 22 Bürger. An Wartegeld erhielten die Knechte 
wöchentlih 6 Scillinge; für die Zeit, wo ſie zum Dienfte 
herangezogen werden würden, jollte ihnen tageweile Solda= 
tenlöhnung gezahlt werden. 

Die Feſtungswerke wurden in Stand gejegt. Am Sonn: 
tage, den 23. Januar, wurde von der Kanzel befannt ge= 
macht, daß alles Holz vor den Thoren der Stadt wegge— 


124 


fahren werden müſſe. Ein Teil desfelben wurde benußt zur 
Erhöhung der Bruftwehren. Pechkränze und Schanzkörbe 
wurden angefertigt, die Bolten veritärkt. Seit dem 24. Ja— 
nnar mußten in jeder Nacht 10 Rotten wachen, je eine an 
den vier Pforten, jowie am Saſſen- und Bentheim: Turm, 
die übrigen auf dem Rundell an der Dftpforte, dem Walle 
und dem Marfte. 


Als nun am 26. Jannar die Regierung zu Münfter 
anzeigte, daß der Hauptmann Meldior Plettenberg Auftrag 
habe, 30 bi3 60 Stiftsfoldaten nah Warendorf und 
feine übrige Mannihaft nah Saffenberg und Harjewintel 
zu verlegen, bat die Stadt um Zurüdnahme folder Ver— 
ordnung, welche Herzog Chriftian bejtimmen würde, gegen 
fie einzufchreiten. Sie fei auch bereit3 gegen einen Angriff 
genügend gefichert. Der Bürgerichaft junge Gefellen, Hand— 
werfer und Knechte feien wohl ausgerüftet und im Gebrauche 
der Waffen eingeübt, gute und berzhafte Söldner angewor— 
ben, die Wehren ausgebefjert, Munition herbeigeſchafft; auch 
werde Tag und Nacht ſorgſam Wache gehalten.) 

Die fürftlihen Räte jahen ſich jedoch nicht in der Lage 
nachgeben zu können. Und noch weniger waren jie gewillt, 
dem Geſuche der Stadt gemäß diejenigen Warendorfihen 
Burſchen, welde in der Landichaft Dienften jtanden, zu 
entlafien, damit dieje al3 Stadtjoldaten in Eid und Pflicht 
genommen würden. Sie erwiderten, man möge jich ohne 
weitere ‚ Diffikultäten‘” dem fügen, was auf legtem Aus: 
ihußtage für ratfam befunden worden fei. Die getroffenen 
Berteidigungsmaßregeln reichten zur Sicherung der Feſtung 
feineswegd aus. Und wenn wirklich der Landſchaft Solda- 
ten dem Braunjchweiger jo zumider fein jollten, jo würde 
er ohne Zweifel die Soldaten der Stadt nicht weniger hafjen. ?) 


1) Zeil 1 98 u. 96. — °) Teil I 97, 


125 


Man beſchloß nunmehr in Warendorf, eine Gejandt: 
ihaft an den Oberſt Velen abzuordnen. Am 1. Februar 
reileten der Richter Rolewink, der Kurgenofje Dr. Giſe, 
ſowie der Stadtjchreiber nah Münfter ab. Um zu bemweijen, 
wie „auflägig‘ Herzog Chriftian den Stiftsfoldaten jei, joll- 
ten fie über den Angriff berichten, welcher am 29. Januar 
auf die Truppen zu Harjewinfel!) gemacht worden war. 
Und da an diefem Tage der Nentmeifter zu Safjenberg jo: 
wohl, wie Schenfing zu Beveren fi) geweigert hätten, Die 
Flüchtigen aufzunehmen, um nicht die Halberjtädter in ihr 
Gebiet zu ziehen, jo werde man auch der Bürgerjchaft jolche 
Einquartierung nicht zumuten dürfen. — Bor allem aber 
jollten die Abgeordneten auf die Mißſtände hinweifen, welche 
eine Beſatzung im Gefolge haben müſſe, über welche der 
Magiftrat nicht zu befehlen habe. So hätten auch die Stift3- 
joldaten, welche vor 22 Fahren zur Zeit der ſpaniſchen Ein- 
lagerung der Stadt überwiejen worden jeien, ſich geweigert, 
den getroffenen Anordnungen zur Abwehr jich zu fügen, 
und fort und fort die Bürger durch ihren Mutwillen und 
und Übermut beläftigt. Auch feien noch heute nicht die Le- 
bensmittel bezahlt, welche die Eingejejlenen ihnen hätten 
geben müfjen. 

Die fürftlihen Räte in Münfter erklärten indeffen die 
vorgebradhten Bedenken für „unerheblich und unbegründet” 
und hoben hervor, daß auch Münfter?) eine Bejagung auf: 
genommen habe. Die Stadt möge fich jo verhalten, daß 
jie ih vor dem Kurfürſten wie vor der Landichaft verant: 
worten fönne. 

Nod einmal machten die Warendorfer den Verſuch, 
durch) Deduftion der gravamina Verſchonung zu erwirken. 
Aber jie rechneten jelbit wohl faum noch auf Erfolg; denn 
die Gejandten, melde am 3. Februar beauftragt wurden, 


») Bl. Teil 199. — 9 Vgl. Teil I 91—98. 


126 


das Supplikationsichreiben zu überbringen, wurden gleich: 
zeitig ermächtigt, nötigenfalls zu erklären, dab die Stadt 
bereit jei, die zugeordnete Anzahl von 50 bis 60 Soldaten 
aufzunehmen „auf die Meinung und mit der Kondition, 
wie die Stadt Münfter.” — Diesmal wurde aber den Ab— 
georoneten nicht einmal eine Audienz bewilligt, jondern nur 
ein kurzer, mit dem fürftlichen Inſiegel verjehener Befehl 
zugeftellt, nach welchem es bei dem früheren Beſcheide fein 
Bewenden haben jollte. Nur der Licentiat Witfeld nahm 
fich ihrer an und bot nochmals alles auf, fie zur Nachgie- 
bigfeit zu beitimmen. Sein Gutachten wurde Sonntag, den 
6. Februar, Bürgermeiltern und Nat, Alterleuten, Kurund 
Gilden Warendorfs unterbreitet, und dieſe jahen ein, daß 
ein weiteres Sträuben zmwedlos jei. Sie baten jegt nur noch, 
es möge VBorjorge getroffen werden zur Aufrechthaltung guter 
Ordnung. Auf joldde Forderung ging die Regierung am 
9. Februar bereitwilligit ein. Die Soldaten follten jich den 
Vorſchriften des Artifelbriefes gemäß verhalten und von den 
Bürgern nur das Servis verlangen dürfen. Der Sold 
werde von der Yandjchaft gezahlt werden.) 


— — — 





ri 


Bereit3 am 7. Februar hatte man in Warendorf die 
Stage erörtert, wie die Stiftsjoldaten unterzubringen jeien. 
Die Stadt verſprach, für alle Unkoſten auffommen zu wollen 
und jicherte eine monatlie Vergütung von 4 Thalern ?) 
für jeden Einquartierten zu. ber gleichwohl wurden Die 
Quartiere verweigert; am 8. Februar zogen die Bürger in 
geichlojienem Haufen von der Wache zum Markte, wo jie 
offen und laut erklärten, jie hätten Feine Mittel, die Sol: 
daten bei jich aufzunehmen. Man beſchloß nunmehr, fie bei 
den Brauern und Wirten unterzubringen, jedoch dergeitalt, 
dab niemandem mehr als zwei Mann zugemwiejen werden 


) Bgl. Teil I 97. — ?) Nad) einer andern Angabe von 4"), Thalern. 


127 





follten. Freilich mwiderftrebten auch dieſe zum Teile gar 
heftig, aber fie mußten fich fügen. Wer das Quartier ver: 
weigern werde, für den wurde eine Strafe von 10, dann 
von 20 Goldgulden feitgejegt; würde auch das nicht helfen, 
jo tolle Gefängnishaft eintreten. 

Am 12. Februar traf Melchior Plettenberg zugleich mit 
dem Kommifjare Wendt in Warendorf ein und zeigte jeine 
durch das fürftliche Siegel beglaubigte Kommiſſion vor. 
Diefelbe ermädhtigte ihn, in die Stadt joviel Soldaten zu 
verlegen, „als er von jeiner Führerſchaft immer entraten 
könne.“ Er verlangte jedoh nur für 40 Mann Unterkunft 
und veriprady auch, dab dieſelben deine Weiber bei ji ha— 
ben, und die Quartierwirte von dem Solde bezahlt werden 
jollten. Da jih unter ihnen ſechs Warendorfihe Bürger 
befanden, jo brauchte vorläufig nur in 17 Häufern für je 
zwei Mann „Belett“ gemacht zu werden. Auch dadurd) 
fam Wlettenberg der Bürgerichaft jehr entgegen, daß er 
Johann zu Gerdes, welder aus Warendorf gebürtig war, 
als Berehlshaber der Beſatzung zurüdließ und jich mit allem 
einverjtanden erklärte, was diejer mit dem Kate vereinbaren 
werde. Welche Verhältuiffe durch dieje Ernennung geichaf- 
fen wurden, ergiebt ſich am beiten aus folgender Thatſache. 
Als im November verboten wurde, nod ferner außerhalb 
der Stadt Kriegsdienite zu leiten, hielt er. jich für verpflich- 
tet, eine Fahne zu wechſeln; es wurde ihm indeſſen gejtat- 
tet, auch ferner im Stiftsheere zu bleiben, wenn er eine 
Beiftener zur Unterhaltung der Stadtjoldaten entrichten werde. 

Es lebte damals ein wildes Geſchlecht. Allein im Jahre 
1621 waren in Warendorf gegen fünfzehn Schlägereien 
(‚‚ Berblutwundungen”) abgeurteilt worden, und im Jahre 
zuvor nicht weniger. So hatten denn die Leute auch Bor: 
liebe für da3 Kriegerleben. Bir haben bereits gehört, 
ein wie großer Teil der Bejagung aus Warendorf ſelbſt tamımte. 
Andere hatten ji im ‚Jahre 1620 dem Grafen von Stirum 


128 


angeſchloſſen. Aber am meiſten Gewinn und ungebundene 
Freiheit veripraden ſich auch die Warendorfer unter der 
Fahne des Halberftädters. Mehrfach wird uns über jolche 
berichtet, welche in jeine Dienfte traten, und Otto Korff, 
welcher jih von ihm Hatte zum Kornett ernennen laſſen, 
fonnte jogar mit Erfolg den Auftrag ausführen, in der Stadt 
und den umliegenden DOrtjchaften 20 Reiter anzumerben. 

Aus Furcht vor dem Zorne feines Auftraggebers wagte 
die Stadt nicht, ihm entgegen zu treten. Sie begnügte fich 
mit dem Verſuche, durch gütliche Vermittelung ihn zum Ab- 
zuge zu beitimmen. Solde Bemühungen hatten natürlich 
Erfolg: der Werber zog ab, nachdem er jeinen Zwed erreicht 
hatte. Mit Recht erhob Oberſt Velen hierüber ernftliche 
Beichwerde. 

Noch über etwas Anderes hatte Velen am 23. Febritar 
Klage zu führen. Hauptmann Plettenberg hatte allen Wün— 
ichen der Bürger Nechnung getragen, und der zurüdgelaffene 
Kommandant am 14. Februar veriproden, im Falle ei— 
nes Marms feine Mannſchaft auf dem Markte verfammeln 
und dann ganz nad) dem Gutdünken des Rates verwenden 
zu wollen; aber gleihwohl waren die Stiftsfoldaten zum 
Wach dienſte nicht zugelaffen worden. Alle Vorftellungen, 
welche man deshalb erhoben hatte, waren mit dem Bemer- 
fen abgewiejen worden, es gehe nit an, da Stiftsjoldaten 
und Bürgerjoldaten ſich einander veracdhteten. Auf die Mah— 
nung Velen’s, ji jo zu verhalten, daß man ſich dem Lan— 
desherrn gegenüber verantworten fünne, gab man jchließlich 
nad, aber auch nur injoweit, daß alle Nacht eine Rotte 
mitwachen jolle, jedoch auch diefe nur verteilt „bei einzeln.” 

Eine jo gefügige Bejagung, deren Leitung thatjächlich 
ganz beim Magiftrate lag, ließ ſich Warendorf jchon gefallen, 
zumal über Ausichreitungen faum Klage zu führen war. 
Sedenfalls herrichte unter ihr bejjere Zucht, wie unter den 
Bürgern auf der Wade; dieje veranjtalteten dort fürmliche 


129 


Saufgelage, verliefen ihre Poſten, widerjegten fich dent 
Gefreiten, ſchoſſen, ſteckten Pulver an, verhöhnten vorbei- 
ziehende Truppen und dgl. mehr. So ging man auch nicht 
darauf ein, als Velen jich am 26. Februar bereit erflärte, 
auf Wunjch die Stiftsmannschaft an andere Orte zu ver: 
legen. Als er jedoh Anfang Mai dazu aufforderte, Die 
Stadtjoldaten dem Hauptmann Plettenberg zu unterjtellen, be- 
ihloffen Rat, Alterleute, Kur und Gilden „einhelliglich”, 
diefelben zu behalten und nötigenfall® noch weitere Mann: 
ichaften anzuwerben. 

Mehr und mehr glaubte man einen Angriff des Halber— 
ftädters befürchten zu müſſen.) Am 7. April lief die be- 
ftimmte Nachricht ein, er werde nad der Eroberuna von 
Gejefe gegen Warendorf rüden. Um fo eifriger wurden de3- 
halb Borjihtsmaßregeln getroffen. Schon am 4. März 
vereinbarte der Rat mit Alterleuten, Kur und Gilden, 50 
weitere Stabtjoldaten anzunehmen und die Unterhaltungs- 
Eoften derjelben nah Ordnung der Kirchſpielſchatzung beizu- 
treiben. Strenge Strafe wurde jedem angebroht, der noch 
fernerhin in fremde Dienfte treten. werde; den Verheirateten 
jollten Weib und Kinder nahgejhidt werden. Die Bürger 
mußten Auswärtigen, welde Habe bei ihnen in Sicherheit 
gebracht, anjagen, daß jie dieſe entweder wieder abholen, 
„oder ein jeder einen mit dem Gewehre mit dabei ſchicken“ 
müffe. Generalmufterung murde abgehalten, die Wacht: 
poften wurden neu verteilt. Seit dem 13. Mai wachten 
nachts jogar 15 Rotten. Eifrig wurde an den Befeftigungs- 
merken gearbeitet, die Landwehren geſchloſſen, Schanzkörbe 
und Pechkränze angefertigt. Auch trug man für Aufipei- 
herung von Vorräten Sorge. Den Einwohnern wurde ver: 
boten, Korn und Salz zu verkaufen; Johannes zur Möllen 
erhielt die Weifung, das Getreide der Eingejeflenen vor dem 


1) Bgl. Teil I 103-108. | 
XLVIL 2. 9 


130 


der Bauern zu mahlen. Jeder Fremde mußte fortan am 
Thore Namen und Herberge angeben; diefe VBerzeichnifje wa- 
ren alle Abende gleich den Fremdenliften der Wirte auf dem 
Rathauſe abzuliefern. Jeder Quartiergeber wurde verant- 
wortlih gemacht für feine Gäfte. Soldaten durften ohne 
bejondere Erlaubnis überhaupt nicht eingelafien werden ; 
und dieje Erlaubnis wurde nur joldhen gegeben, weldhe ohne 
Aufenthalt fortziehen wollten über die Ems; jeit dem 13. 
Mai wurde ihnen überhaupt das Betreten der Feſtung uns 
terjagt. 

Indeſſen jhon am 18. Mai rüdte Herzog Chriſtian mit 
allen Truppen über die Weſer. Alsbald wurden in Waren- 
borf die ‚„Wartegelder”, jowie ein Teil der Stadtioldaten 
abgedantt. Man hoffte aud auf Abführung der Stiftsjolda- 
ten; indejien am 18. Mai wurde auf einem Ausihußtage 
in Münjter beihloffen, die Bejagung der Städte bis zum 
nächſten Landtage nicht zu vermindern. Gegen Ende des 
Jahres aber drohten neue Gefahren. 

Waren nun vielleicht die Warendorfer aus religiöjen 
Beweggründen zur Dppofition beftimmt worden? Sie 
hatten zum großen Teile den religiöfen Neuerungen gehul- 
digt, ſich jedoch beitimmen laſſen, zur fatholifchen Kirche zu— 
rüdzufehren. Nur einige wenige Eingejefjene befannten fich 
noch zur Lehre Kalvins. Strenge wurde vom Magiſtrate 
darauf geachtet, daß die Anordnung der geiftlichen Obrig— 
feit, nad) welcher in der Saftenzeit nicht nur dag Schladh- 
ten von Vieh und der Verlauf von Fleifchwaren, jon- 
dern auch der Genuß derjelben unterjagt war, zur vollen 
Geltung fam. Noch meniger durften in diefer Friſt Hoch— 
zeiten gefeiert werden, jelbit wenn fi) das Paar auswärts 
fopulieren ließ. Daß Wirte wie Gäfte Strafe traf, wenn 
während der fonntägliden Predigt in den Häufern der Krä— 
mer und Brauer Branntwein oder andere Getränke verzapft 
wurden, entipricht auch unjerer heutigen Auffafjung. Ein 


131 


vereinzelter Fall verdient hier Erwähnung. Am 14. Fe: 
bruar 1622 hatte Gerhard Dütting offen ausgerufen: „Her— 
zog Chriftian ift vorhanden, der joll die Pfaffen recht pre 
digen lehren!“, und Richter, Pfaffen und Hahnenfedern 
„Schelme“ genannt, welche das Feuer der Hölle verdienten. 
Als man ihn von Gericht zog, ftellte fich jedoch heraus, 
dab er „kranken Hauptes“ war. 

So lag es auch den Bürgern Warendorfs durhaus 
fern, ihre Pflichten gegen den Landesherrn zu verlegen. 
Selbit als fie im Jahre 1623 feinen Anordnungen bewaff- 
neten Widerftand leifteten, erklärten fie ſich fort und fort 
als jeine getreueften Unterthanen und vermweigerten nicht die 
Zahlung der von den Ständen der Landichaft bewilligten 
Schagungen. Am 16. Februar 1623 kam freilich zur An: 
zeige, daß in einem Wirtshauſe der Kurfürft geſchmäht wor- 
den jei. Aber die Unterfuhung ergab, daß die Bürger nur 
von ihrem feften Entihlufje, für die Behauptung der Stadt 
alles aufzubieten, geſprochen hatten; der Rat hielt es dar: 
auf hin für ratfam, den ftrengen Befehl zu erlaſſen, fich 
fortan „des Strunzens“ zu enthalten. Als Anholt die Was 
rendorfer bald darauf für Nebellen erklärte, verficherten fie 
feierlih, fie hätten niemal® aud nur in Gedanfen etwas 
wider Kaifer umd Landesherrn ‚„‚vorgenommen, gehandelt 
oder gethan.” Sie hielten fich aber für berechtigt, gegen 
ſolche Verordnungen der Regierung Widerſpruch zu erheben, 
welche ihre Nechte und Privilegien gefährdeten. Solche Kirch— 
turmspolitif war bei den politiihen und fozialen Verhält— 
niffen jener Zeit unvermeidlid. Erſt durch die neue Ord— 
nung, wie jie der dreißigjährige Krieg ſchuf, Fam die Gen- 
tralgewalt zu erhöhter Bedeutung, und nun erſt fonnte fich 
Intereſſe und Opferlinn für höhere und weitere politifche 
Zwede entwideln. 





g* 


132 


Troß des Beichluffes der am 18. Mai in Münfter ver: 
jammelten Stände jegten die Warendorfer ihre Bemühungen 
fort, die Abführung der Stiftsjoldaten zu erwirken; 
jedoch ohne Erfolg. Ende Juli wurde freilich auf einem Landtage 
beichlofien, zwei Fünftel des Stiftsheeres, weldhes damals 
2500 Mann zählte, zu entlaffen, und auf einem Landtage 
im Dftober die Abdankung von weiteren 500 Mann 
vereinbart. Da es jedoh an Mitteln fehlte, den rüd- 
jtändigen Sold zu zahlen, fo fonnten ſolche Mafregeln 
nur nad und nah durchgeführt werden; und als am 
19. Oktober der Marihall Oberſt Alerander von Belen, 
der Direftor des Dreinſchen Uuartieres, jowie der Dom: 
icholajter Adolf Heinrih Drofte und der Domkellner Dietrich 
von Plettenberg in Warendorf erfchienen, um dort zugleich 
mit Vertretern des Domkapiteld, der Ritterſchaft und der 
Stadt Miünfter einen Uuartaltag abzuhalten und die Sol- 
daten des Kapitäns Velen, eines Sohnes des Oberjten, welche 
zu dieſem Zwecke ohne Bedenken in die Stadt eingelafjen 
wurden, zu muftern, hatten jie jhon Kenntnis von einem 
Schreiben des Landesheren, nad welchem beide „Landver— 
derber“, Mansfeld wie Herzog Chriftian, einen gemeinfamen 
Angriff auf das Stift im Schilde führten. Sie dachten des: 
halb aud jest nicht daran, Johann zu Gerdes und jeine 
Mannſchaft abzudanten oder umzuguartieren. 

Dom Wachdienſte waren die Stiftsjoldaten jedoch ſchon 
gleich nad dem Abzuge des Halberftädter8 ganz wieder aus: 
geihloffen. Die Warendorfer wollten ihnen nicht einmal 
geftatten, herrenlojes Gefindel aus der Umgebung der Stat 
zu vertreiben, „um der Gefahr willen, welche diefer daher 
entitehen könnte.” 

Nicht jo fügfam wie Johann zu Gerdes waren andere 
Befehlshaber von Stiftstruppen. Als der Bogt zu Sajjen- 
berg Otto Plettenberg am 27. Mai 200 Mann in ge 
Ichloffener Abteilung „mit Pfeiffen und Trummen“ durd 


133 


die Stadt geführt hatte, wiewohl er nur um die Erlaubnis 
des Durchzuges für 60 Mann eingefommen war, hatte 
ich der Rat durch die Aufregung, welche ſich deswegen der 
Bürgerſchaft bemächtigt hatte, veranlaßt gejehen, den Thor: 
wächtern einzufchärfen, Soldaten nur auf ausdrüdlichen Be- 
fehl einzulaffen. Demgemäß bießen dieſe den Lieutenant 
Melchior Blettenberg, mwelder am 29. Mai mit 100 
Mann vor der Münjterpforte erichien, warten, bis Weiſung 
vom Rathauſe erwirkt jei. Plettenberg wurde hierüber jehr 
unmwilig, und ritt unter heftigen Vorwürfen auf und ab. 
Als ihm aber jchließlid die Erlaubnis nur mit der Ein- 
ichränfung erteilt wurde, daß er jelbit feiner Abteilung vor: 
anreite und die Bürgerwehr derjelben folge, fluchte er „tau— 
jend Teufel auf die Stadt” und befahl, nunmehr den Weg 
um diejelbe zu nehmen. Vergebens griff Gerdes feinem 
Pferde in die Mähne und fuchte ihn zur Ruhe zu jprechen 
mit den Worten, „es fei nicht übel gemeint, er jolle ja 
durchgelafien werden.” Die Soldaten zogen ab, indem lie 
ih allerhand Ausfchreitungen zu Schulden kommen ließen; 
namentlih wurden von den Gartenhäuschen die Pfannen 
abgejtoßen. 

Mehr no, als ſolche Zwifchenfälle, mußte es Erbit: 
terung hervorrufen, daß troß des im Februar gegebenen 
Verſprechens, nad welchem die Bürger den Soldaten nur 
das Servis zu geben hatten, die Löhnungsgelder ausblieben. 
Auch al3 dann auf dem Ausſchußtage im Mai die Bezab: 
lung der Söldner bis zur Mufterung den einzelnen Quar— 
tieren zur Pflicht gemacht wurde, blieben die Koften für den 
Unterhalt der Befatung allein auf den Schultern der Bür— 
ger laiten. Am 17. Juni fragte die Stadt bei dem Magi— 
ftrate zu Miünfter an, ob man nicht felbftändig von den 
Schatungseinfünften zurüdhalten folle, was von den Sol: 
daten verzehrt worden fei. Aber diefer Vorſchlag ſcheint 
nicht angenommen zu jein, da die Stadt Münfter im Dfto: 


134 


ber Elagte, daß jie ihre Beſatzung ſchließlich aus eigenem 
Sädel habe bezahlen müſſen. 

Die von den Ständen bemwilligten Steuern wurden 
aljo gleichwohl eingefordert. Als am 30. Mai in Waren: 
dorf ein ſtarkes Schreiben einlief wegen Beibringung der Feuer: 
jtättefhagung, wurde bdiejelbe von der Stadt für diesmal 
in der Weije ausgefhrieben, daß die Heuerlinge die eine 
Halbiheid, die Eigentümer die andere Hälfte zu entrich: 
ten hatten. Zur Bezahlung der jaldriihen PBenfionsgel- 
der mußte das Amt Safjenberg bis Jakobi dem Piennig- 
meifter der Landſchaft 672 Thaler einliefern. Alſo teilte 
der Rentmeilter am 25. Juni den auf dem Müllenhofe ver: 
jammelten Vertretern, als melde Goswin Ketteler und Hein- 
ri Korff von Harkotien, der Herr vom Greninghofe, die 
Bürgermeilter Werner Pagenſtecher und Heinrich Harnijch- 
macher, jowie der Ratsherr Rolewink erichienen waren, im 
Auftrage der fürftlihen Räte mit. Sie beichloffen, deswe— 
gen eine halbe Kirchipielihagung auszujchreiben, die dann 
noch fehlenden 50 Thaler aber vorläufig aufzunehnten. 

Gleich nach dem Abzuge de3 Halberjtädters hatte man 
in Warendorf eine Neubefeltigung der Stadt in Er: 
wägung gezogen. Beſonders die Hauptleute ‚hielten viel- 
fältig darum an, daß man bei Zeiten etwas machen möge,” 
und wiederholt fam dieje Angelegenheit in gemeinjamen 
Eitungen des Rates, jowie der Alterleute, Kur und Gilden 
zur Sprade. Als beſonders notwendig erſchien es allen, 
den Saflenturm ftärker zu befeftigen und die Mühle vor dem 
Emsthore zu fihern. Da fie jedoch über die zu dieſem 
Zwede erforderlihen Maßnahmen zu feinem einheitlichen 
Entſchluſſe kommen konnten, jo war nichts geichehen, als 
im Dftober neue Feinde heranrüdten. Nur war Meifter 
Hans Hornburg aus MWiedenbrüd der Auftrag gegeben wor: 
den, ein neues „ſtarkes Geſchütz“ zu gießen, das Kugeln 
von viereinhalb Pfund ſchießen könne. 


135 


Am 1. November rüdten Mansfeldihe Scharen von 
Holland her in das nördliche Münfterland, und bald darauf 
tolgte ihnen Herzog Chriftian nach Dftfriesland. Bereits 
am 25. Oftober waren die Warendorfer durch ein Schreiben 
der fürftliden Räte zu eifrigem Wachtdienfte aufgefordert 
worden, und jie jäumten nicht, Vorkehrungen zur Ab: 
wehr zu treffen. Den Hauptleuten wurde anbefohlen, in 
ihren Quartieren „alles zu beftellen” und in den Häuſern 
der Bürger nachzujehen, „ob diejelben auch mit ihrem Ge: 
wehre, Pulver und Lot gefaßt jeien.” Das Verbot, in 
fremde Dienfte zu treten, wurde erneuert. Wer dasjelbe 
nicht beachten würde, den jollten jtrenge Strafen treffen, 
und wenn er verheiratet wäre, ihm Weib und Kinder nachge— 
ichielt werden. Von einer Einberufung derjenigen, welche 
jich bereits früher auf eine andere Fahne hatten verpflichten 
lafjen, wurde Abjtand genommen, jedody verlangt, daß fie 
zum Unterhalte der Stadtjoldaten Beifteuer leifteten. Als 
der Rat in Vorſchlag bradte, aufs neue 50 Mann anzu: 
werben, waren Alterleute, Kur und Gilden damit nicht nur 
einverftanden, jondern wollten jogar die doppelte Anzahl 
angenommen willen, „daß man zur Defenfion sufficiant 
ſei.“ Wie e8 jcheint, wurde demgemäß beſchloſſen. Zur 
Bejoldung wollte man „vorerſt Geld aufnehmen und dar: 
nad auf Mittel gedenken ;“ es fjollte zu diefem Zwede in 
Münjter eine Anleihe von 1000 Thalern gemacht werben. 
Die Bürger wurden zu freiwilligen Leiſtungen aufgefordert; 
die Ratsmitglieder gingen ſelbſt mit gutem Beijpiele voran, 
indem ein jeder von ihnen, oder je zwei zuſammen, auf ei- 
genen Beutel die Unterhaltung eines Soldaten übernahmen. 
Die Leitung der Stadtlompagnie jollte einem „erfahrenen 
Manne, der fich auf Defenfion und Feftung verftehe‘, über: 
tragen werden. Anfangs war Lieutenant Severin Düßer 
„der Soldaten Oberfter”; aber am 9. Dezember wurde dazu 
Hans Menje aus Wiedenbrüd beftimmt. Düßer erhielt 


136 


fortan in jedem Monate 12 Thaler, während das Gehalt 
des neuen Kapitäns neben freier Herberge, freiem Brande 
und einem Bette monatlid 25 Thaler betrug. Zum Fähn— 
rih wurde Joſt Philipp Korff ernannt, jedoch ſchon im fol— 
genden Monate wieder entlaffen. Als Chargen waren außer: 
den noch in der Kompanie drei Sergeanten, unter ihnen 
Jürgen Behrmanın und Otto Nettelenftrot, ferner Hans 
Frimoeth als Gefreiter Korporal, die Korporale Andreas 
Wegener, Heinrih Nyſſink und oft Lichtehert, jowie 15 
Gefreite. 

Aber was geſchah denn nunmehr zur Verſtärkung der 
Feſtungswerke? Der Oberſt Velen erbot ſich, dieſelben 
zu beſichtigen und ein Gutachten abgeben zu wollen. Man 
hielt es jedoch nicht für ratſam, ihn „zur Fortifikation der 
Stadt zu gebrauchen“ und beauftragte am 5. November die 
Richter, Kämmerer und Hauptleute, darüber neue Vorſchläge 
zu unterbreiten. An den Bau größerer Werke war jetzt 
nicht mehr zu denken, die geeignete Zeit war nicht benutzt 
worden. Es wurde vereinbart, einen Wall aufzuwerfen, 
damit alles Waſſer in den Stadtgraben laufe, alle Ausgänge 
der Höfe nach dem Walle zu verrammeln, alle Ketten einzu— 
hängen und das Holz vor den Pforten wegzuſchaffen. 

Während des Tages hatte an jeder Pforte eine Notte 
zu wachen, nachts eine fünfte am Saffenturm: ſeit dem 
15. November jedoch zogen abends, nachdem mit den Trom— 
meln Bergatterung gejchlagen war, fieben Rotten für die 
Naht auf Wade. Die wehrpflichtigen Bürger mußten jekt 
in eigener Berfon fich zum Wachdienſte einfinden; zuvor 
war geftattet, aus der Zahl einer von der Stadt aufgeitell: 
ten Lifte einen Vertreter zu ftellen. Dem MWachbefehlshaber 
wurde anbefohlen, gute Aufficht zu halten. Die Trommeln 
mußten auf den Thorwachen immer bereit ftehen, damit die 
Wehrpflichtigen um fo ſchneller durh Alarmſignale zuſam— 
men gerufen werden könnten, wenn der Stadt Spielmann 


137 


vom Turme aus den Anmarſch von Truppen melden jollte. 
Kriegsvolf durfte nicht eingelaffen, Brot und Korn, Bier 
und Koit, Vieh und Fleiſchwaren, Salz und Pulver, über: 
baupt „Viktualien, Proviant und was zu der Munition 
dienlich“ nicht ausgeführt werden. 

Um einen Brand fofort Löfchen zu können, mußte jeder 
Bürger vor dem Haufe wie auf dem Balken eine „Bodde“ 
mit Waſſer bereit jtehen haben. Die Wirte hatten jeden 
Abend ein Verzeichnis ihrer Fremden einzuliefern; ſie durf— 
ten unter Strafe von einem Thaler niemanden länger als 
eine Wacht beherbergen, fremden Soldaten aber überhaupt 
fein Quartier geben. 

In Bedum waren am 29. Auguft über ein gemeinja: 
mes Defenfionswerf der weitfälifchen Lande des Erzbijchofs Fer: 
dinand Bereinbarungen getroffen worden. Gleich anderen 
Ständen war jedoch auch die Stadt Warendorf nicht gemillt, 
jich demjelben zu fügen und zu verſprechen, „wenn der Aus: 
ſchuß resistenz zu thun zu ſchwach jein würde, daß alsdann 
auf des Herrn Obriften Velen Erfordern aus der Stadt die 
Bürger folgen und ihm Beiltand leiften, und da die Sol: 
daten weichen müßten, daß diejelben alsdann von der Stadt 
eingenommen und beichüßt werden jollten.” Der Richter 
Rolewink, welcher am 24. November mit dem Stabtichreiber 
zum Landtage in Münfter abgeordnet wurde, erhielt Weis 
jung, die Vereinigung mit Paderborn und Köln 
als ‚‚nicht dienlich” zu erklären, weil dadurch die Neutra= 
lität mit den Generaljtaaten verlegt werde. Die Holländer 
jeien in der Lage, das Stift ‚ins Berderben zu jegen,” 
ehe und bevor die Paderborner und Kölner würden Hülfe 
bringen können. Die Beichlüffe der Bedumer Verfamm: 
lung wurden indefien vom Xandtage gebilligt, wenn auch 
die Stände von der „Ausfolgung der Bürger” vorläufig 
Abſtand nahmen. 


138 


Weit mehr aber fträubten fi die Warendorfer gegen 
die Aufnahme von Truppen Anholt3, welde Anfang 
November zum Schuge Weftfalens herangerüdt waren. Hat— 
ten jie doch auch die Bejakung von Stiftsjoldaten erit nach 
langem Widerftreben eingelajien und dem DOberften Velen 
nicht einmal geftattet, die Befeftigungswerkte der Stadt zu 
befihtigen! Bürgermeifter und Nat, Alterleute, Kur und 
Gilden wiefen am 17. November „einhellig“ die Aufforde- 
rung der fürftlichen Räte, als getreue Unterthanen dem Be- 
fehle des Landesherrn gemäß die Einquartierung zu geſtat— 
ten, mit dem Bemerken zurüd, es werde dieje Angelegenheit 
auf bevorjtehendem Landtage erörtert werden. In gleicher 
Meife wurde tags darauf Julius von Steinhauſen, der Quar— 
tiermeifter des Grafen bejchieden, und am zmweitfolgenden 
Tage ein weitere® Schreiben der fürftlihen Räte beantwor- 
tet, fie erflärten, jie wüßten jich freilich des dem Kaiſer als 
oberftem Haupte der Chriftenheit, wie auch dem KHurfüriten 
als Landesherrn gebührenden Gehorfams wohl zu erinnern, 
aber die geitellte Forderung widerſpreche „den gemeinen wie 
diejes Stiftes Privilegien.” 

Und nicht anders wie die Vertreter der Stadt dadıte 
„die ganze Gemeinheit.” Das zeigte jih am 23. Novem- 
ber. Im Auftrage der Hauptleute hatten die Rottmeifter 
alle Bürger auf ein Uhr nachmittags zur Beratung vorbe: 
ihieden, und dieſe waren in großer Zahl auf dem Rathauje 
erichienen. Als ihnen nun durch die Alterleute mitgeteilt 
wurde, der Rat halte dafür, „daß wegen allerhand bejorg- 
ter Gefahr und in der Nachbarſchaft befchehenen Übelhauſens“ 
weder die Soldaten Anholis noch andere Truppen aufzu: 
nehmen jeien, erklärten ſich alle Anwejenden ohne Ausnahme 
damit einverftanden, und gelobten ‚unter Handfaſſung,“ 
„Leib und Blut zur Defenjion diejer Stadt auflegen zu 
wollen. 

Tags darauf reiten die Abgeordneten Warendorfs zum 


139 


Landtage in Münfter ab. Wie alle Bemühungen, jie und 
Die DBertreter der übrigen Städte zur Nachgiebigfeit zu be: 
wegen, feinen Erfolg hatten, wird in einer anderen Ab: 
handlung geichildert werden !). Vergebens wies die Stadt 
Müniter auf einem zum 10. Dezember einberufenen Städte: 
tage, auf weldhem Warendorf durch die Ratsmitglieder Ro— 
lewint und Huge vertreten war, nochmals auf die Gefahren 
bin, welde bei weiterer Widerjeglichkeit der Freiheit der 
Städte drohe. Sie führte vor Augen, daß es Anholt nicht 
Ihwer fallen werde, die geforderten Quartiere zu erzwingen, 
zumal nit nur Cordova „innerhalb zweimal vier und 
zwanzig Stunden‘ aus der Mark ihm zu Hülfe kommen 
fönne, jondern auch Tilly, welcher feine Aufgabe in der 
Pfalz gelöft habe, jeine Truppen heranführen werde. Die 
Berjanmelten Liegen ſich durch ſolche Warnungen nicht um: 
jtimmen, erflärten fich jedoch bereit, ihren Gemeinden den 
vom Syndilus der Stadt Münfter abgefagten Entwurf zu 
einem Schreiben zu überbringen, durch welches der Landes: 
herr um Zurüdnahme jeiner Verordnung erjucht werden 
jollte. Aber die Stadt Warendorf, deren Beſchlüſſe damals 
auch für andere Städte des Stiftes maßgebend waren, ?) 
hielt es ‚aus allerhand Motiven nicht für ratfam,” das: 
jelbe abzujenden. Sie erflärte, nur zugleich mit den an 
deren Städten eine jolde Bitte an den Kurfürften Ferdi— 
nand richten zu wollen. 

Dieſem wurde von feinen Räten in Miünfter über bie 
Widerjeglichkeit der Warendorfer berichtet. In zweien Schrei: 
ben meldeten fie ihm im Verlaufe des Monats Dezember, ?) 

') Herzog Chriſtian von Braunſchweig und die Stifter Münfter und 

Paderborn im Beginne des dreikigjährigen Krieges. Teil II. 

2) So baten im Verlaufe des Dezembers Ahlen, Beckum und Dülmen 
um Berichte. 


9) 2. Dezember (MLP—AE); 16. Dezember (MLAVIII 592). Staats: 
archiv in Münfter. 


140 


dak dieſelben fich nicht nur weigerten, den Truppen in Saſ— 
jenberg, Fredenhorft, Delde und Harſewinkel gegen bare 
Bezahlung Lebensmittel und Futter zu liefern, jondern auch 
den Soldaten des Stiftes den Weg durch die Stadt nicht 
geftatten wollten. 

Welche Vorgänge lagen folden Klagen zu Grunde? 
AS Kapitän Velen am 6. Dezember für einen Konvoi von 
30 Mann um Quartier für eine Nacht bat, wurde ihm das— 
jelbe verweigert, jedoch die Lieferung von Lebensmitteln 
veriprodhen. In gleicher Weile wurde ihm der Einlak ver: 
wehrt, al3 er am 17. Dezember mit vier bis fünf Rotten 
vor dem Fredenhorfter Thore erſchien; der Altermann Heile- 
ling erklärte ihm, es gäbe auch außerhalb der Stadt eine 
Brücde über die Ems. Der Kapitän mußte ſich fügen. Er 
rüdte ab unter den drohenden Worten, er werde es der 
Stadt gedenken, wenn er nicht am felben Abende rechtzeitig 
in Münfter eintreffen ſollte. Auch ließ er dur den Kom: 
miſſar Frig de Wendt, welcher mit ihm nach Warendorf gefommen 
war, um im Hofe des Junkers Ties Nagel Beſuch zu maden, 
beim Magiftrate über die Bürger, welche die Wade am 
Thore gehabt hatten, Beichwerde erheben. Sie hätten ihm 
„die Musketen auf die Bruft geſetzt und ihn übel traftiert,’ 
auch feinen Bater einen Landesverräter gejcholten. Die An: 
geflagten leugneten das jedoch. Es jei Fein ungebührliches 
Wort gefallen, und der Boften habe freilich auf fein Gewehr 
die Lunte aufgeſchraubt gehabt, aber nicht mit denselben 
gedroht. 

Und wie verhält es fi mit der Weigerung, den Trup: 
pen Anholts Lebensmittel zu verkaufen? Die Warendorfer 
hatten allerdings ſolche Forderung ebenfo zurückgewieſen, 
wie am 29. November und 9. Dezember den aufs neue 
zugeitellten drohenden Befehl, die Cinguartierung zu geitat: 
ten. Am 14. Dezember hatte DOberitlieutenant Matthias 
de Gallas die Lieferung von Biltualien nad Fredenhorit 


141 


verlangt. Die Quartiere feien ſchlecht und die Hausleute 
hätten ihre Vorräte in die Stadt gejchafft, jein Kriegsvolf 
aber jei im Auftrage des Kaiſers und des Biſchofs von Mün- 
fter gelommen. Wenn nun die Bürger gleichwohl jeiner 
Forderung nicht Folge leijten würden, jo dürften fie ſich 
nicht beklagen, wenn ihnen daraus ‚einig Unheil” entjtchen 
jollte. Aber dieje ließen ſich durch jolde Drohung nicht 
einjchüchtern und verbaten ſich jein Anmuten. Sie verehrten 
jedod dem Oberftlieutenant ‚‚etlihe Fiſche und zwölf Roſen— 
obeln,” ebenjo zwei Wochen jpäter ihm ein Ohm bein, 
dem Grafen Anholt aber zwei Ohm Wein, ein Fuder Hafer 
und einen Ochſen. 


Inzwiſchen hatte der Kaijer unter dem 17. Dezember 
1622 ein Eingquartierungsmandat erlaflen, durch mel- 
es allen Ständen und Unterthanen des Erzbiichofs Ferdi- 
nand ‚bei ernfter, unausbleiblicher Strafe‘ anbefohlen wird, 
„zu des gemeinen Wejens und ihrer jelbit Hilfe, Troft und 
Rettung, auch ohne Verlegung und Nachteil der ſelbiger 
Drte vorhandenen Neutralität” de3 Grafen Anholt Kriegs: 
volk unmeigerlich aufzunehmen und demjelben „allen mög: 
lichten Vorſchub und Beförderung” zu leiften.!) Indem 
der Landesherr dieſen Erlaß jeinen Räten zuftellen läßt, 
befiehlt er ihnen gleichzeitig, den Städten darzulegen, dab 
die Lat der Einquartierung von den einzelnen Gemeinden 
leicht zu tragen jein würde, wenn die Truppen gleichmäßig 
auf Stadt und Land verteilt werden fünnten, zumal auch 
inzwiſchen für Auszahlung des Soldes Sorge getragen jei.!) 

Am 5. Januar 1623 beauftragt die Regierung zu Mün- 
jter den Notar der kaiſerlichen Kammer Heinrich Wäſcher, 
welchem zwei fürjtlihe Trompeter beigeordnet werden, den 
widerjpenjtigen Städten das kaiſerliche Mandat in originali 


1) Näheres an einem anderen Orte. 


142 


vorzuzeigen und ihnen beglaubigte Abjchriften einzuhändigen. 
Zu dieſem Zwecke trirft Wäſcher am Montag, den 9. Ja— 
nnar, in Warendorf ein.?) 

Hier war tag zuvor die Stadtvertretung in ge: 
wohnter Weiſe erneuert worden. Die abdankenden Rats— 
mitglieder hatten Heinrih zum Sile und Hermanı Kramer 
gekürt, dieſe Zweier vier andere Wahlmänner, Paul zum 
Brinke, Andres Holftein, Johann Bisping und Henrid) Huge, 
die Vierer jodanır Die zwölf Kurgenofjen und leptere den 
Senat. Die Kurgenojjen waren Dr. Goddert Gije, Jürgen 
zur Möllen, Henrih zum Sile, Hermann Linning, Gerd 
Ahage, Werner Heſſeling, Goddert Dorfjel junior, Hermann 
Uphoff, Chriftian Bisping, Henri Schmitt, Hermann Ha— 
ven und H. Heiffen. Die beiden Bürgermeijter waren Wer: 
ner Pagenftecher und Heinrih Harniichmader, die Kämme— 
rer Johann Gife und Johann Sterneberg, die Richter Wer: 
ner Rolewink und Henrich Vogt; außer diejen gehörten zum 
Rate Rotger Huge, Henrich Bisping, Caspar Ahage, Her: 
mann Heſſeling, Goddert Dorfiel senior und Johann 
Bisping.?) 

Dem Notare der faiferlihen Kammer war geantwortet 
worden, nach der Betätigung des neuen Nates werde der- 
jelbe die Erlaije „der gelamten Bürgerei” zur Beratung 
vorlegen. Die Mitglieder desjelben waren ſich der Schwie- 
rigfeiten, welche ihnen die übertragene Würde bringen mußte, 
wohl bewußt. Als die Kurgenoſſen jie ermahnten, dafür 
Sorge zu tragen, daß ihre Beſchlüſſe nicht fofort in Mün— 
fter und Saffenberg befannt würden, und jich jo zu verbal: 
ten, daß die Stadt „bei der Neutralität erhalten bleibe,’ 





1) Näheres an einem anderen Orte, 

2) Acht Tage jpäter bejtimmte der Nat zwei Wahlmänner, diefe zwei 
andere und letztere jchlieglich die beiden Altermänner. Im Sabre 
1623 wurden gekürt Sohann Hejjeling und Jürgen zur Möllen. 


145 


gaben fie zur Antwort, fie würden in diejer gefährlichen 
Zeit gern „des Ratsſtandes verſchont bleiben,“ ſähen ſich 
jedoch durch ihren Bürgereid zur Annahme der Wahl ver: 
pflichtet. 

Am 10. Januar fand die Beratung der Bürger auf 
dem Rathauſe jtatt, und zwei Tage jpäter wurde die Antwort 
auf die Befehle des Kaiſers und des Landesherrn abgeſen— 
det. Sie erklärten, die Aufnahme des Kriegsvolfes müſſe 
der Stadt notwendig zum Berderben gereihen. Da dasjelbe 
nicht nur Speife und Trank und täglih Zehrungsgelver 
verlange, jondern auch mit den Eingefejlenen umginge, daß 
es Gott im Himmel erbarmen möge, jo würden die Bürger 
alsbald nicht mehr im Stande jein, die von den Ständen 
bewilligten Steuern zu entrichten und Haus und Hof ver: 
lajien müjjen. Auch fei zu befürchten, daß die Generalitaa: 
ten jih durch die Einquartierung bejtimmen lafjen würden, 
die Neutralität für gebrochen zu erklären; jedenfalls würde 
diejelbe auf den Handel mit den Holländern ſtörend einwir- 
fen. Aus diejen Gründen jähen fie ſich veranlaßt, die Be: 
jagung zurüdzuweijen. Die Landesprivilegien, wie aud) die 
Reichsabſchiede und das gemeine Necht geftatteten ihnen das; 
jie jeien dazu berechtigt, cum omnia prineipum mandata 
et rescripta excusationes et defensiones admittant, nee 
eadem a prineipe cuiquam auferri debent aut possunt, 
quia jus suum cuique conservantes juris sunt naturae 
et proinde a principe nulli auferendae. Sie ſchlagen 
vor, einen Städtetag einzuberufen, damit auf diefem zum 
faijerlihen Patente einheitlih Stellung genommen werde. 
Inzwiſchen würden jie, wie bisher, mit der bayerifchen 
Armee gute Beziehungen unterhalten, derjelben Lebens: 
mittel zuführen und ihr jeglichen Vorſchub leiften; auch feien 


1) Näheres an einem anderen Orte, 


144 


jie bereit, dur eigene Wehr unter Aufbietung von Xeib 
und Blut ihre Mauern gegen den Feind zu verteidigen. 

Da and andere Städte den Wunſch ausgeiproden hat— 
ten, den failerlichen Erlaß gemeinfam zu beraten, jo beab— 
ichtigte der Magiltrat zu Münfter eine jolde Versammlung 
einzuberufen. Sein Borhaben jcheiterte jedoh an dem Wi- 
derijpruche Anholts, welcher befürchtete, daß dadurd Die 
Oppoſition nur geſtärkt werden würde. 

Bon den Städten des Stiftes hatten ſich — von einer 
Beſetzung Münſters nahm man aus mandherlei Erwägungen 
Abjtand — nur Werne und Telgte, und nah Zuſtellung 
des faiferlihen Mandates auch Horjtmar, zur Aufnahme von 
Truppen Anholts bereit erklärt. Zur Bezwingung des Wi— 
deritandes ordnete der Landesherr nunmehr Zwangsmaß— 
regeln an. 

Am 14. Februar ließ Anholt nah Warendorf durch 
einen Trommeljichläger ein Schreiben überbringen, des In— 
balt3, man möge jich endgültig erklären, ‚ob man in die Ein: 
quartierung in der Güte wolle willigen, oder die Ertremi- 
täten verſuchen.“ Aber Rat, Alterleute, Kur und Gilden 
verweigerten aufs neue einhellig die Aufnahme; fie wollten 
„lieber alles ausitehen, al$ ihre Berjon, Weib und Kind 
in Gefahr ſetzen.“ Doc ſollte die Antwort „aufs glimpf: 
lichſte“ abgefaßt werden. Auch die übrigen Bürger, welche 
ih am 15. Februar zur Beratung verjammelten, lehnten 
einitimmig die Einquartierung ab und veripradien, „Leib 
und Blut zu der Stadt Defenfion aufzujegen und diejelbe 
bis auf den legten Wann zu halten, thaten auch darauf 
„Handfaffung zu Handen der Alterleute.” 

Schon am 17. Februar traf von Anholt, welcher ſich 
gezwungen jah, die Unterwerfung mit allen Mitteln zı bes 
treiben, ein neuer Befehl ein, und am jelben Tage 
Ihicten die fürftlihen Räte „ein jcharfes und ernftliches 
Erinnerungsichreiben.” Sie wiejen die Bedenken der Bür— 


145 


ger zurüd und drohten mit „ihnen vielleiht zum Unftäten 
gereihenden Zmwangsmitteln” Insbeſondere verboten fie, 
noch ferner verbädhtigen Gefellen den Aufenthalt zu geftatten. 
Letztere Marnung war jedenfalls an erjter Stelle an die 
Adreſſe der Stadt Ahlen gerichtet, an welche ein gleichlau— 
tendes Schreiben abging. Die Warendorfer, welche, „die: 
weil dies eine ſehr wichtige Sache ſei“, nochmals die ganze 
Gemeinde vorbeſchieden hatten, Tonnten in ihrer Antwort 
vom 20. Februar erklären, jie wüßten nicht3 von folchem 
fremden Gefindel. jedenfall drohe der Stadt nit durch 
diejes Gefahr, ſondern durch das Faiferliche Patent, welches 
zwifchen den einzelnen Ständen durchaus feinen Unterjchied 
mache und feit unvordenkliden Zeiten geltende Nechte, Pri- 
vilegien und Freiheiten umftoße. Es werde ihnen deshalb 
nicht ſchwer fallen, auf nächſtem Landtage ihr Vorgehen zu 
rechtfertigen, zumal fie ebenjowohl aus Treue gegen den 
Zandesherrn, wie aus Rüdjiht auf ihr eigenes Intereſſe 
fih gegen Angriffe der Feinde durch eigene Wehr verteidi- 
gen würden. — Zu joldem Schreiben bemerkt der Kanzler 
Wefterholt in einem Berichte an den Landeshern: es habe’ 
ihm ein guter Freund gejchrieben, „wofern der Has (d. i. 
Warendorf) diefen Raum den Winden entichlage, werde ihn 
fein Hund bald fangen‘; darauf habe er diefem geantwor- 
tet, „der Has habe die groben Hunde am Rehe wohl jagen 
hören; werde er ſich dem Jäger nicht jelbit in die Hand 
ftellen, folle er dergleihen Hunden nicht entlaufen“. 

Am 17. Februar war Bernard Kerjienbrod vom Rate 
beauftragt worden, im Vertrauen den Sekretär des Grafen 
auszuforfhen, „ob die Einquartierung abzuhandeln oder ab- 
zufaufen”. Die Warendorfer waren zu Opfern bereit; nur 
um Abwendung der Einguartierung und Wahrung ihrer 
Gerehtjame war e3 ihnen zu thun. Seit Zuftellung des 
faiferlihen Mandates hatten fie die Lieferung von Lebens— 
mitteln nad Sajjenberg geitattet. Ein Bürger, wel: 

XLVII. 1. 10 


146 


her den Berfauf von Brot nad) dort verhindert hatte, wurde 
am 13. März in Strafe genommen. Als am felben Tage 
der Hauptmann, welcher in Saſſenberg befehligte, die Aus: 
folgung von Fleiſchwaren verlangte, wurde ihm geantwortet, 
man ſei gern dazu bereit, wenn er von der geiftlichen Obrig- 
feit die Erlaubnis erwirke, daß man troß der Faftenzeit 
Vieh ſchlachten und Fleiſch verkaufen dürfe, und wenn er 
den Bürgern, weldhe Rinder und Kälber erhandeln wollten, 
jiheres Geleit verihaffe. — Auch in anderer Weiſe juchten 
die Marendorfer dem Grafen Anholt entgegenzufonmen. 
Stet3 wurden feine Boten gut bewirtet und oft reich be- 
ſchenkt; jo zahlte man einem derjelben im Januar drei Tha- 
ler „zu einer filbernen Trompete”. Als Anfang März 
David Nettelenitrot einen bejonders ſchweren Hecht gefangen 
batte, jchidte man diejen in des Grafen Küde.!) Kurz zu: 
vor hatte man ihm auf jeinen Wunſch — natürlid) unter 
Vorbehalt der jtädtiihen Gerechtſame — die Auslieferung 
Hermann Biderwandt’S und feiner Diener verſprochen, wenn 
ie einer emeuten Aufforderung, die Stadt zu verlafien, 
nicht qgutwillig Folge leiften würden. Biderwandt war im 
Jahre zuvor zugleich mit Dtto Korff in des Herzogs Chri- 
jtian Dienfte getreten; als die Stadt am 15. Februar ihn 
gleich allen anderen, welche in balberftädtiichen, mansfeldi— 
ichen oder holländiſchen Dienjten gejtanden hatten, ausge: 
wieſen hatte, hatte er jich unter Berufung auf jein Bürger: 
recht dem Befehle nicht gefügt. — Hier möge auch Erwäh- 
nung finden, wie jehr darauf geachtet wurde, daß die dem 
Landesheren jchuldige Ehrerbietung nicht von den Bürgern 
verlegt werde. Sie wurden am 16. Februar angemahnt, 
wenn fie die politische Lage erörterten, jih allen „Strun: 
zens“ zu enthalten, da diejes Berbitterung hervorrufen fünne.?) 

Indeſſen Anholt Tonnte von der Einquartierung nicht 





1) Kämmerei +» Rechnung. — ?°) Vgl. Seite 131. 


147 


Abftand nehmen. Die Städte Dülmen, Haltern, Rheine, 
Breden und Ahlen hatten fich bereit unterworfen, ‚als fie 
den Ernjt gejehen”, und am 2. März begann die Belage: 
rung von Bedum. Mehr wie je zuvor mußte Warendorf 
nunmehr des Angriffes gemwärtig fein. Aber es verzagte 
nicht und beſchloß am 4. März feine Wehr no mehr 
zu verftärfen. YFünfzig weitere Soldaten follten angenom: 
men werden, jeder Bürger nad) Vermögen einen Soldaten un: 
terhalten. So nahmen die beiden Bürgermeijter, ſowie Vogt, 
Giſe, Sterneberg, Hefjeling und Johann Bisping die ganze, 
die übrigen Ratsmitglieder die halbe Löhnung eines Solda- 
ten auf fih. Die Landwehren wurden geſchloſſen, der Ver: 
fauf von Lebensmitteln nach auswärts von neuem verboten. 
An Pulver und Lot war fein Mangel; Friedrich Eilers hatte 
im Januar 582, im Februar 342 Musfetenkugeln für die 
Stadt gegofien. 

Schon jeit dem 6. Dezember wachten nachts 14 Notten 
Bürger und die Halbſcheid der Soldaten, feit dem 17. De: 
zember 16 Rotten. Für diejelben war am 6. Februar fol« 
gende Dronung bejtimmt worden. 3 follten ausgeſtellt 
werden 

am Bentheimturme 11/5 Notten Bürger und 6 Soldaten, 
an der vorderiten Djtpforte 1 R. und 6 ©., 
auf dem Rundell an der Dftpforte 1 R. und 6 S., 
auf dem Fredenhoriter Walle 1 R., 
an der Freckenhorſter Pforte 1 R. und 6 S., 
an der Keſſelſtraße 1 R. und 6 ©,, 
an der Münfterpforte 1 R. und 6 ©., 
am Hudepoeläturme 1 R., 
am Sajlenturme 1 R. und 6 ©, 
auf dem Werdell (?) 11/ R. 
an der Emspforte 1 R. und 6 ©., 
auf der Wadtftube 1 R. und 6 ©., 
am Rathauje 3 R. 
10 * 


148 


An welchem Orte die einzelnen Soldaten zu wachen hatten, 
darum hatten fie zu loſen und zu fpielen. Abends 8 Uhr 
wurden die Ketten aufgezogen, um Mitternadt die Loſung 
gewechſelt. 

Am 8. März kapitulierte Beckum. Tags darauf erſchien 
der Lieutenant Manderſcheidt in Warendorf, um im 
Auftrage des Oberſtlieutenants Gallas nochmals anzufragen, 
ob man eine Beſatzung „in Güte oder in andere Wege“ 
aufnehmen wolle. Rat, Alterleute, Kur und Gilden waren 
jedoch auch jetzt nicht gewillt nachzugeben. Sie erklärten ſich 
bereit, „bei einander zu leben und zu ſterben“; „da aber 
andere gütliche Mittel könnten vorgeſchlagen werden, wolle 
man die ſo viel menſch- und möglich annehmen und prä— 
ſtieren“. Ehe fie jedoch die Antwort abſendeten, wollten ſie 
mit der ganzen Gemeinheit Rückſprache nehmen. Als diejer 
Beſchluß dem Gefandten mitgeteilt wurde, erfuchte er um 
Audienz. In derjelben erflärte er, „dab er volllommen 
Macht und Gewalt hätte, auf gewiffe Kondition mit der Stadt 
zu accordieren” und verſprach, daß der Rat die Schlüffel 
behalten und ſolche Mannszucht gehalten werden folle, daß 
jeder damit zufrieden jein werde. Wenn man aber Anbolt 
zwingen werde, mit Waffengewalt einzufchreiten, „alsdann 
würde fein Accord zu verhoffen fein, fondern man würde 
gegen diefe Stadt als Rebellen, Meineidige und untreue 
Unterthanen procedieren.” Der Rat erwiderte auch jekt, 
die Sache jei zu wichtig, ald daß ohne Vorwiſſen der Bür— 
ger zu derjelben Stellung genommen werden könne. 

Wie anderen Tages die Bürgerverlammlung verlief, 
wird nicht berichtet. Doch geht das wohl zur Genüge dar: 
aus hervor, daß der Rat beihloß, wegen eines Auflaufes 
der Bürger und Soldaten, der durch die Anmwejenheit des 
Lieutenants veranlaßt worden war, um Verzeihung zu bit: 
ten, und Anbolt kraft kaiſerlicher Vollmacht an den 
Kapitän und feine Soldaten den Befehl ergehen ließ, der 


149 


Stadt und der Bürgerfchaft als geächteten Rebellen unter 
Strafe der Konfisfation von Leben und Gut nicht länger 
zu dienen. 

Dur den Vorwurf, Rebellen zu fein, fühlten fich 
Hat, Aterleute, Kur und Gilden tief gefränft, „da fie Doch 
niemals etwas wider Röm. Kayſ. Mayt noch Ihre Kurf. 
Dhlt zu Köln, den allergnädigiten Landesherrn, vorgenom: 
men, gehandelt oder gethan, oder auch niemal3 die Gedan- 
fen dazu gehabt” hätten. Sie könnten nicht glauben, daß 
der Yandesfürft fie wirklich für folche halte. Daß fie Sol: 
Daten angenommen hätten, entipräche altem Herfommen und 
jei gefchehen „einzig und alleinzur Konfervation diefer Stadt, 
Ihrer Kurf. Dhlt, dem gnädigften Herrn, und dieſer Bür- 
gerihaft zum Beiten, wider alle unverdienten Feinde diejer 
Stadt”. Man riet dem Kapitän, unter Hervorhebung jol- 
her Erwägungen ſich „beiter Geftalt”” bei Anholt zu ent: 
Ihuldigen. Weiter berihtet das Protokoll vom 11. März: 
„Die Einquartierung betreffend, hatte ein Rat mwohlmei- 
nentlih vorgejhlagen, daß diejelbe aufs allerdemütigfte zu 
verbitten und für gut angejehen, da dagegen biejelbe mit 
Geld oder anderen Mitteln, al3 Kontributionen oder ber: 
gleichen, könnte abgewendet werben, daß joldhes aufs aller: 
äußerfte zu verjuchen jei, damit die extremität möchte ver: 
mieden werden”. Und Alterleute, Kur und Gilden erflär: 
ten hierauf ausdrücklich, „da die Einguartierung möchte ab: 
gehandelt werden, daß auf jolden Fall alle Mittel ihnen 
gefallen “. 

Um über einen gütlihen Bergleih mit Anholt zu 
unterhandeln, wurde Garthaufen, der Einnehmer des dreinjchen 
Duartiered, an Anholt abgeorbnet. Aber dieſer fonnte „nichts 
Fruchtbarliches ausrichten”. reellen; beftand auf der Ein: 
quartierung. Er veriprach, „dieſelbe jo gering anftellen und 
alljolde Disciplin halten zu wollen, daß die Bürger unbe- 
Ihwert jein jollen“, wenn die Stadt fi freiwillig unter: 


150 


werfen werde; anderenfall3 werde er diefelbe „mit Gewalt 
angreifen und Feine Kapitulation darnach geitatten ”. 

Am 17. März jandte Gallas nochmals „ein beſchwer— 
lihes Bedrohungsichreiben”, und tags darauf forderten auch 
die fürſtlichen Näte, deren Bermittelung die Warendorfer 
nachgejucht hatten, von neuem zum Gehorjam auf. Aber 
die Stabtvertretung beſchloß nicht anders, wie zuvor; Damit 
jedoch fein Bürger „Sich der Unwiſſenheit zu beflagen habe‘, 
jollte des Oberftlieutenants Schreiben in jedem Quartiere ver- 
leſen werben. 

Die Stadt zog nunmehr in Erwägung, modurd etwa 
die Einquartierung abgewendet werden fünne. Es wurde 
in Borichlag gebracht, die Stadtjoldaten zugleich von Anholt 
in Eid nehmen zu laffen; aber man befürchtete, daß weder 
dieje jich dazu beftimmen laſſen, noch die Bürger damit ein- 
verftanden fein würden. Um zu gemeinjamen Beratungen 
aufzufordern, ſandte Gallag am 20. März den Rentmeiſter 
zu Stromberg und den Gaugrafen zu Hersfeld. Diejelben 
veripradhen, zur Sicherung der Abgeordneten die Droiten zu 
Werne und Stromberg neben Offizieren des Heeres der Stadt 
zuzufchiden. Als aber der Rentmeiſter die Ankunft ſpani— 
ſcher Geihüte in Telgte meldete und erklärte, „daß die 
Einguartierung nicht fünne abgehandelt werden, joniten wäre 
zu verſuchen, welcher Geitalt dieſelbe einzurichten “, erwider: 
ten Rat, Alterleute, Kur und Gilden ebenjo entjchieden, 
wenn der Oberftlieutenant ‚außerhalb der Einquartierung“ 
Schriftlich folhe Mittel in Vorjchlag bringen werde, welche 
„könnten praftifabel gemacht werden”, fo würden fie ich 
„nad aller Möglichfeit accommodieren. 

Auch als am 22. März von Gallad wie den fürſtlichen 
Räten Anmahnungsichreiben einfamen „mit heftiger Be: 
drohung“, gab man feine andere Antwort. Weil man je- 
doh aus dem Schreiben der fürftlichen Näte entnommen 
hatte, daß die Stadt Münfter in diejer Angelegenheit „mit 


151 








zu Nate gezogen werde”, wandte man fih auch an bieje 
um Bermittelung. 

Zur Belagerung kam e3 vorläufig nicht, Gallas rüdte 
zunädit gegen das jieben Meilen weit entfernte Coesfeld. 
Als diefes am 31. März feine Thore geöffnet hatte, und 
auch Borken und Bocholt von den Bayern bejegt waren, wurde 
Wiedenbrück belagert. Dann erſt wurde auch Warendorf 
angegriffen. 


Noch immer lebte man in Münſter der Hoffnung, Wa: 
vendorf durch gütlide Verwarnungen bejtimmen zu können, 
jeine Halsitarrigfeit aufzugeben. Jedenfalls hielt man ſich 
dort für verpflichtet, nicht? zu unterlaiien, was das Amt 
Saflenberg vor den Berbeerungen, die eine langwierige Be- 
lagerung mit fih bringen mußte, bewahren konnt. Am 
8. April überjandten deshalb die fürftlihen Räte ein neues 
Mahnſchreiben, nachdem jchon tags zuvor Kapitän Goddert 
zur Möllen ein ſolches von Oberſten Velen zugeitellt hatte. 
Der Wagiftrat erwiderte, die Gemeinde ſei „jur Annehmung 
des anholtſchen Kriegsvolfes in Feine Wege zu berichten ”‘, 
erklärte jih aber von neuem bereit, diejelbe „auf andere 
tauglihe Mittel, jo viel deren menſch- und möglich feien, 
zu disponieren“. 

Ebenjo wird man dem Oberftlieutenant Gallas geant: 
wortet haben, al3 diejer am mächitfolgenden Tage zur Ver: 
meidung der Erefution die Abgabe des Negimentes und die 
Auslieferung der Schlüfjel verlangte. Als wenige Stunden 
jpäter der Drofte zu Werne Franz von Ajcheberg und Jürgen 
Nagel zu Stlingen, Drofte zu Stromberg, am Stadtgraben er: 
ichienen und die beiden Bürgermeijter herausrufen ließen, trugen 
dieje Bedenken Folge zu leilten. Sie erklärten fich jedoch gerne 
bereit, jolche Vorſchläge entgegenzunehmen, welde von einer 
Einquartierung Abitand nähmen. Eine gleiche Antwort wurde 
gegeben, al3 am Nachmittage die Anholter jelbit dazu auf: 


152 


forderten, es möchten fich ein oder zwei Bevollmädtigte der 
Stadt zur Unterhandlung einfinden; „wenn die Armee ab— 
ziehen, der Bürger Korn unverderbt und alle feindliche An— 
iprengung binterwegen bleiben, aljo feine Defenjion verur— 
fahen würde, wolle man fchriftlicher Erklärung über taug— 
lie Mittel außerhalb der Einquartierung gewärtig fein und 
ih in aller Billigfeit vernehmen laffen“ Ein weiteres 
Schreiben von Afjcheberg und Nagel, welches noch am jel- 
ben Tage abends 10 Uhr eingeliefert wurde, gelangte am 
folgenden Morgen zur Beratung. 

Sie hatten eindringlich gemahnt, eine gemeinjame Ver— 
handlung zu ermöglichen und verjprocden, der Stadt Ab- 
geordnete durch Geiſeln ficher ftellen zu wollen. Rat, Alter: 
leute, Kur und Gilden waren nunmehr bereit, zwei oder 
drei Deputierte in der Stadt Landwehren einzulaffen und 
mit diefen in Unterhandlung zu treten; und „damit die Ge— 
meinde hierzu defto bejjerzu bewegen, jo jolle diejer Beihluß 
der Gemeinde durch die Hauptleute vorgegeben werden, und 
daß Ddiefe communication zu feiner Einguartierung, ſon— 
dern allein zu anderen Vütteln, damit man zum Frieden 
geraten möchte, gemeint ſei“. Am jelben Tage fand noch 
die Beiprehung mit Aſcheberg ftatt. 

Auf Grund diefer unterbreitete der Nat am 11. April 
den übrigen Gemeindevertretern den Antrag, „dieweil man 
durch Schriften nicht könne zu Mitteln kommen”, fo möge 
Gallas erfuht werden, Abgeordnete „mit Blenipotenz‘ vor 
die Stadt zu ſchicken. Derjelbe wurde angenommen. Als 
Bertreter der Stadt wurden gewählt die beiden Bürger: 
meifter, der Symdilus Doktor Holtermann, Kämmerer Giſe 
und der Stadtjchreiber, ferner aus Kur und Gilden beide 
Alterleute, Doktor Gife, Die drei übrigen Hauptleute und 
Johann Gerlid. — Aber die Bewohner des Emséviertels 
erhoben Einſpruch. Während „die anderen drei Viertel zu 
der Gütlichfeit gerne gewilligt“, wollten fie ſich zu Feiner 


153 


„gütlichen Kommunikation‘ verftehen. Man mußte deshalb, 
um nicht die Gejandten, ſowie die Deputierten der Stadt 
der Gefahr auszufegen, von dem Beichluffe zurüdtreten. 

Die Unterhandlungen ruhten nunmehr völlig, bis Mitte 
Juni die Belagerungsgeihüge aufgefahren waren. Neue 
Mahnichreiben, welche am 21. und 28. Mat von den fürft« 
lihen Räten und dem Landesherrn jelbit eintrafen, wurden 
kurzer Hand mit der Begründung abgewiejen, daß die An: 
Holter jich inden Städten „nicht veraccordierter Maßen ver: 
halten’ und ſich auch an der eigenen Stadt Perjonen und 
Habe vergriffen hätten. 


Die Mannſchaften, welche in Safjenberg, Fredenhorft 
und anderen Nahbarorten in Quartier lagen, hatten mit 
denjenigen Warendorfern, welche in ihre Hände fielen, nicht 
eben glimpflich verfahren, ſeitdem Anholt diejelben offen für 
Rebellen erklärt hatte. Gleih am 15. März wurde der 
Bürger Heinrih Borftmann gefangen genommen und nad 
Bedum gebradt. Als nunmehr die Proviantlieferungen 
nad Saffenberg verboten wurden, lagerten ſich feindliche 
Batrouillen fort und fort in der Stadt Feldmarf, um alles 
abzufangen, was an Holz, Torf und BVorräten jeglicher Art 
auf den Markt gebradht werden jollte. Niemand konnte fort: 
an ohne Gefahr für jein Leben feinen Acer beftellen, und 
das Vieh wurde von den Weiden fortgetrieben. Als am 
19. April Einwohner der Stadt, welde in Münſter Ein: 
fäufe gemacht hatten und mit jchwerbeladenen Karren heim: 
fehrten, von fünfzehn ſaſſenbergiſchen Soldaten ausgeplün- 
dert wurden, blieben zwei Mann tot am Plate. Von den 
Kriegsleuten zu Fredenhorft wurde um dieſelbe Zeit der 
fiſchreiche Schügenteih auf der Walgern Heide abgelaffen. 

Der Rat zu Warendorf Hingegen bot alles auf, 
Ausjhreitungen der Bürgerjoldaten zu verhindern, freilich 
— wie wir hören werden — ohne Erfolg. Er dachte nur 


an Abwehr. Zur Sicherung der Saatfelder wurde jeit Anz 
fang April morgens wie nachmittags eine halbe Korporal— 
haft ausgejandt; der Spielmann auf dem Turme hatte 
Alarmiignale zu geben, jobald er jtreifende Notten im Stadt: 
gebiete bemerkte, damit nötigenfalls weitere Mannſchaften 
nachgeichieft werden fünnten. Die Nusgerüdten hatten jtreugite 
Weiſung, ſolche Anholter, welche rubig ihres Weges ziehen 
würden, „ungehindert paſſieren zu lafjen’, überhaupt „nichts 
offensive zu attentieren”. Eigenmächtig durfte fein Soldat 
„mit oder ohne Gewehr” die Stadt verlaſſen; indeſſen ſtand 
es den Bürgern frei, jich dem Befehle des dienithabenden 
Ktorporalichaftsführers zu unterftellen.) Als am 4. April 
gleihmohl ein Wagen des Nittmeifterd Ritz nebſt dem Kut— 
iher und vier Pferden nah Warendorf gebraht wurde, 
nachdem diejenigen zehn Neiter, welche denjelben zu jichern 
hatten, nad Freckenhorſt zurücdgetrieben waren, ſchickte die 
Stadt die Leute jofort „ohne Entgeld“ zurüd. Und doch 
waren alle Bemühungen, Vorſtmanns Entlaſſung und re- 
stitutio ablatorum von Gallas zu erwirfen, ohne Erfolg 
geweſen! Dreien Neitern, welche tags zuvor Einlaf begehrt 
hatten, um etwas einzufaufen, war geantwortet worden, 
„wenn lie würden von ihrem Oberſten assecuration brin: 
gen, daß unjere Bürger hin und wieder frei und unver: 
hindert paſſieren mögen, jo jolle ihnen bierim auch frei zu 
handeln geftattet fein“. Am 11. April war von zweien 
Reitern, welche innerhalb der Landwehren verfolgt wurden, 
einer getötet worden. Sofort erließ der Nat an den Kapi- 
tün von neuem die Weiſung ergehen, „die Soldaten in 
officio zu halten und nicht auszufallen ohne Befehl. Haus 
für Haus ließ er folgenden Erlaß befannt geben: 

„Hiermit und fraft dieſes wird vor allen und jedermäne 
niglihen bezeugt, daß Bürgermeilter und Nat der Stadt 








) Bol. Brot. 27. 29, März, 3. 6. 19. 20. April 1623, 


155 


Warendorf allen und jeden Bürgern und Eingefeffenen an- 
jagen und gebieten lafien, daß diejelben alle und jede Sau— 
vegarden und Kriegsvolf, welche Seiner Excellenz dem Herrn 
Grafen zu Anholt zuitändig, und diefer Stadt Bürger und 
Eingeieffene an ihren Perſonen und Gütern nicht beleidigen, 
frei, fiher und ungehindert, auch unmoleitiert bleiben lafjen 
tollen bei Bermeidung hoher Strafe, und daß die, jo da= 
gegen gehandelt, in Haft genommen und nad Befindung 
gebührender Strafe gewärtig jein jollen. Sign. 13. Apri- 
lis 1623, 

ALS der Schüßenteih abgelajjien war, nahm der Nat 
davon Abjtand, „um der Fiihe willen‘ die Bürger zum 
Angriffe auszufenden; er begnügte jich, bei dem Kapitäne 
Friedrih von Münfter und dem Kapitel zu Kredenhorft Be- 
ihwerde zu führen. 

Die Borgänge am 4. und 11. April haben jchon ge: 
zeigt, daß die Bürgerjoldaten weniger friedfertig ge: 
jinnt waren; aber bejonders zeigte jich das am 4. Mai. 
Die halbe Korporalichaft, welche an diefem Tage zur Side: 
rung des Stadtfeldes ausgejchidt worden war, ftand unter 
dem Befehle von Gert Nömer und des Gefreiten Johann 
Sinninghof. Sie lagerte fih an dem Wege nad) reden: 
horft in der Nähe des Siechenhaufes, während zwei Mann 
zur Aufklärung an die Yandwehr vorgejandt wurden. Dieje 
erblidten einen feindliden Doppelpoiten auf Schildwache, 
von welchen jie den einen niederſchoſſen; derandere, welchen 
die Kugel gefehlt hatte, riet hierauf laut um Hülfe. Als— 
bald ertönten in Freckenhorſt die Alarmſignale der Trom— 
meln und Trompeten. Gert Römer hielt es deshalb für 
nötig, Verſtärkung zu erbitten. Er beauftragte hiermit den 
Kannengießer Friedrich Eilers, welcher zufällig des Weges 
fan. Da diejer meldete, die Korporalichaft ſei eingejchlefjen 
und die ganze Beſatzung von Fredenhorft im Anmarjche, fo 
gab der Kapitän Hans Menſe ſofort Befehl zum Ausrüden. 


156 


An der Landwehr wollte er wieder umkehren, da er erfannt 
hatte, daß der Bote übertrieben hatte, und auch der Ma— 
giftrat durch den Stadtdiener den Angriff auf Fredenhorft 
verbieten ließ. Aber die mitausgerüdten Bürger waren da— 
mit nicht einverftanden; jie erklärten, der Teufel jolle dem 
in den Leib fahren, welder nicht mitwolle. Alle Borftellun- 
gen des Kapitänd waren vergebens, jie nahmen alle Ver: 
antwortung auf fih. Als auch Johann Detmers fie zurüd- 
zuhalten juchte, ftieß Chriftian Niehues mit feinem Gewehre 
unter drohenden Worten auf die Erde, und Johann Kuhk, 
welcher eine jpige Feder am Hute trug, wollte den Rats— 
boten erichießen, als dieſer jeinen Auftrag ausrichtete. Auf 
die Entihuldigung Römers, daß er den Weg nicht fenne, 
antwortete David Nettelenftrot, den fenne er, man möge 
ihm nur folgen. Neben den Genannten gehörten zu den 
Haupträdelsführern Bernd Stenbrint und Rotger Duttind. 
— Alſo David Nettelenftrot führte. MS jedoch die Freden- 
horſter ein lebhaftes Feuer eröffneten, verkrochen ſich die 
Warendorfer hinter die Zäune, um von dort aus die Schüfje 
zu erwidern; und al3 die Gegner jich zum Angriffe anſchick— 
ten, liefen fie jchleunigit davon. 

Auch die Anholter nahmen immer weriger Rüdjicht. 
Am 9. Mai trieben fie am hellen Tage die Kühe von einem 
Schultenhofe in der Nähe des Siechenhaufes nah Freden- 
horft, und acht Tage Ipäter knüpften fie zur Nachtzeit Jo— 
hann Kalthoff an einem Baume vor der GStadtpforte auf. 
Die Hofe war ihm ausgezogen, die Hände vor ber Bruft 
zufanmengebunden, vor dem Munde hatte er ein Tud. 
Auf der Bruft trug der Leichnam einen Zettel folgenden In— 
halt3: „Dies ift der Anfang des Prozeſſes, jo wir mit euch 
rebelliihen, ebrlojen Schelmen halten wollen, und da ihr 
vermeinen würdet, im Falle ihr einen von den unfern be— 
kommen möchtet, den jelbiger Maßen zu traftieren, jollet ihr 
wien, daß nod zwei andere, jo wir von euch haben, ihr 


157 


auf ſolchen Fall vor euren Pforten, wie aud alle, jo wir 
ſonſt befommen werben, follet gevierteilt finden, bis das 
wir die endlihe Abrechnung mit euch machen werden.” 


So geitaltete fih die Lage von Tag zu Tag drohender. 
Immer enger wurde die Stadt eingejchlojien, die Not in 
derjelben wuchs von Tag zu Tag. Der Scheffel Roggen 
foftete Schon Ende April einen halben Thaler. Als nun die 
Beamten zu Safjenberg am 3. Mai die Steuerrüdjtände ein: 
forderten, verweigerten die Warendorfer die Zahlung feines: 
wegs; aber jie baten um Stundung, da in diejen jchweren 
Zeiten „teine Nahrung vorhanden und die Bürger feinen 
Handel und Wandel treiben und Geld erwerben könnten“. 
Am 17. Mai jah ſich der Senat genötigt zu beſchließen, es 
jolle den notleiden Bürgern von den in der Kirche gejam: 
melten Geldern „Beiſteuer und Verſtärkung“ geſchehen; 
von den Beligenden wollte er ſolche Unterftügungenin beſſe— 
ren Zeiten zurüdfordern. Tags darauf erklärte ein Einge- 
jeflener, wenn der Krieg noch act Tage dauern würde, 
jo müßten wohl hundert Bürger Hungers halber weglaufen. 

Sept endlich jah man es „‚einhelliglich für gut an, den 
Zuftand diejer Stadt Ihrer Kurfürftliden Durchlaucht zu 
melden und um Berjchonung zu bitten“. Wir wilfen, wie 
jchon im Dezember die Stadt Münfter geraten hatte, fich 
Ichriftlih an den Landesherrn zu wenden; und Alterleute, 
Kur und Gilden hatten diefen Vorſchlag wiederholt erneuert. 
Aber der Nat war nie darauf eingegangen, weshalb ihm 
namentlich Doktor Gije am 8. April lebhafte Vorwürfe ge 
macht Hatte. 

Eifriger wie je zuvor, rüftete man fih zur Abwehr. 
Schanzkörbe und Pechkränze wurden angefertigt, Kugeln ge: 
goflen, auf den PBulvermühlen emſig gearbeitet, der Wall 
ausgebejiert, an der Schevelpforte eine Batterie errichtet. 
Meifter Hans Meier aus Wiedenbrüd mußte zwei neue Ge: 


158 

ihüße gießen. Eins derjelben, der „Neſſelenkönig“ genannt, 
jollte „ſechs Pfund Eiſernes“ hießen können; an ihm bohr— 
ten ſechs Perſonen drei Tage lang. Auch die (beiden?) 
alten Stüde wurden neu ausgebohrt. Damit nicht zwecklos 
Munition vergeudet werde, erhielt der Konjtabler Anweiſung, 
nur dann zu feuern, wenn er Abteilungen von mindejtens 
jieben Mann in Schußmweite erbliden würde.). Vor allem 
aber juchte man auf der Wache Ordnung zu fchaffen. Seit 
dem 8. April zogen abends achtzehn Rotten auf. Die Stell: 
vertretung wurde von neuem ftrengitens verboten. Am 10. 
Mai beſchloß man, fortan jeden, der im Dienite trunfen 
jein würde, auf „drei oder vier Stunden in das Halseijen 
zu jtellen”. Der Antrag, das Vollſaufen auf Wache mit 
ſechs Schillingen zu betrafen, welde zur Hälfte den Offi— 
zieren, zur Hälfte den Verwundeten zufallen follten, wurde 
auf den Nat des Kapitäns hin zurücdgezogen. 

Aber was fonnten all ſolche Maßregeln helfen, da es 
in der Stadt an einträdhtiger Gefinnung fehlte, und 
den Anordnungen des Magiftrates mehrfach feine Folge ge- 
leijtet wurde? Allein am 22. Mai kamen zwei Fälle grober 
Unbotmäßigfeit von Bürgerjoldaten zur Anzeige; felbjt dem 
Hauptmann Altermann Hefleling war der Gehorjam ver: 
weigert worden. Wir haben bereit gehört, daß am 12. 
April die Bewohner des Emsviertels den Abbruch der Un: 
terhandlungen über einen gütlihen Bergleich erzwungen hat: 
ten. Ein anderer Teil der Bürger wollte hingegen den 
Truppen des Kaiſers und Landesherrn bedingungslos die 
Thore geöffnet willen. Der Kämmerer Johann Sterneberg 
erklärte: „Es iſt wider Eid und Bilicht, daß wir das Volt 
nicht annehmen, denn e3 find unfere Feinde nicht; die Bür- 
ger jind mehr als toll und machen ihr Necht zu Unrecht”. 
Bon einem anderen Natsmitgliede erzählte man jih, daß 


9) Bol. Prot. 3. 24. April; 15. 17. Mai; dgl. die Kämmereirechnung. 


159 

e3 von den „Hiſpaniſchen zu Bedum‘ einen goldenen Pfen: 
nig und ein Schimmelpferd befonmen habe. Schon im 
Dezember hegte man den Verdacht, dag Junker Ties Nagel 
und der Kurgenojje Doktor Gije auf Seiten der Gegner der 
Stadt jtänden. Xebterer ſcheint thatfählih mit den Anhol— 
tern in regen, brieflichen Verkehre gejtanden zu haben. Be: 
zeichnend für die Stimmung in der Bürgerichaft ift es, daß 
Gert Schürmann, ein Einwohner der Stadt, am 20. April 
offen auf dem Marfte erklärte, man jehe nicht, wie es zu— 
gebe: es gehe über die Armen; man habe ji) vereinbart, 
Leib und Gut bei einander aufzujegen, und gleichwohl ſei 
von den Neichen das Ihrige aus der Stadt geichafft worden; 
er müjje jolche für Schelme halten. Über diefe Worte kam 
e3 zu einer Nauferei;z Schürmann wurde in Haft gejeßt. 
Wie jehr es an gegenjeitigem Bertrauen mangelte, geht aber 
wohl am beiten daraus hervor, daß es Glauben fand, als 
man Ende April erzählte, Anholt habe gejagt, „er babe 
den Schlüſſel von Warendorf bereits in der Taſche“. 

Und noch weniger glaubte man ſich auf die Bewohner 
von Saſſenberg, Gröplingen, Milte, Einen und der übri- 
gen Nachbardörfer verlajien zu dürfen. Schon am 20. 
April wurde an den Thoren angejagt, daß niemand, er fei 
jung oder alt, Frau oder Mann, eingelafjen werden dürfe. 
Am 19. Mai wurde diejer Befehl erneuert, „da auf die 
Bauern allerhand Berdadht” Auch für die Eingeſeſſenen 
der Stadt felbjt wurden am 24. Mai die Thore gänzlid 
abgejperrt; im Protofolle dieſes Tages heißtes: „Conclu— 
sum, daß feine Bauern jollen eingelajien, wie auch die 
darın jind, ausgelaijen werden, auch in genere niemand 
ein= oder ausgelaſſen werden. Und jollen auch die Weiber 
ich des Weidens enthalten, auch die Bürger nicht düngen, 
nod) ſäen oder bauen, wie auch fein Moos aus den Gärten 
holen; und damit jolches deſto bejjer gehalten werde, foll 


160 


an jeder Pforte eine Ratsperfon fein und auf diefe Ordnung 
Aufſicht Haben”. 


Über den Verlauf der eigentlichen Belagerung find uns 
nur jehr unzureichende Nachrichten überfommen. Da die 
Anholter der Stadt alle Zufuhren abſchnitten, jo zwang der 
Mangel an Lebensmitteln diejelbe, jchlieglih zum Angriffe 
überzugehen. Am 20. Mai wurde „dem Kapitän, wie auch 
Lieutenant und Fähnrich angezeigt, fie möchten, da der 
Feind jo nahe liege, Anſchläge machen, ob man ihm Ab- 
bruch thun und Beute machen könne“. Sie machten vier 
Tage ſpäter einen Ausfall auf die feindlichen Schanzen. 
Nach dem Berichte der fürftlihen Räte!) wurde derjelbe ab: 
gewiefen, und verloren die Warendorfer 25 Mann. m 
Katsprotofolle heißt es freilih: „Heute find zwei Schar: 
mützel zwijchen diejer Stadt und den Anholtifchen vorgegan- 
gen, darin diefe Stadt obgefiegt”. 

Nunmehr wurde der Verſuch gemadt, in der Stadt 
Brand zu ftiften, damit während der hierdurch hervorgeru— 
fenen Verwirrung die Belagerer durch fehnellen Angriff ihr 
Ziel erreichen könnten. Marie Jaſpers, eine fäufliche Dirne 
aus Warendorf, welche mit dem Reiter Jung Hans aus 
Dortmund und Hans Penning aus Harfewintel, zweien Sol- 
daten Anholts, Belanntichaft hatte, — von erfterem erhielt 
fie 12, von legterem 7 Schillinge „wegen geleifteten Leib— 
dienites” —, übernahm ſolchen Auftrag. Am 29. Mai 
legte fie zwei brennende Lunten, die eine in das Herren: 
haus am Fredenhorjter Thore, die andere in ein Haus an 
der Ditpforte. Diefelben zündeten jedoh nicht. Und es 
blieb bei dieſem erften Verſuche, da die Dirne, welche ver: 
dächtig geworden war, ſchon am nächſten Tage in Haft ge: 
nommen wurde. ?) 


— — — — 


1) MLP—AE (Staats-Archiv zu Münſter). 
2) Wie weit man im Lager Anholts von der Verabredung der beiden 


161 


Im Juni hatte Anholt ſelbſt fein Hauptquartier in der 
Nähe Warendorfs ; er wohnte auf dem vor der Djtpforte 
gelegenen Hofe Afhüppen. Die Belagerungsgeihüge wurden 
berangefahren. Gleihmwohl waren die Bürger guten Mutes 
und dachten nicht daran, jich zu unterwerfen. Als am 8. 
Juni beichloffen wurde, nur an der Emspforte noch einen 
beichränften Verkehr zu geitatten, alle anderen Thore aber 
immer verſchloſſen zu halten, verlangten die Alterleute, Kur 
und Gilden, daß die Zugbrüden nicht aufgezogen würden, 
‚damit der Feind nicht meine, als wenn man nicht aus— 
fallen fönne”. So begannen die Anholter am 11. Juni 
um 2 Uhr nahmittagg au der Seite nad dem Holden- 
berge die Stadt zu belagern, und zwei Tage jpäter fin- 


Soldaten Kımde hatte, ift nicht befannt. Es läßt ſich nicht einmal 
mit Sicherheit die Frage enticheiden, ob die Dirme in der Stadt 
Mitwiljer hatte, da die Ausfagen,, welche man zum Teile durch %ol- 
terung aus ihr erpreßte, fich fort uud fort widerjprachen, und ein 
Bericht über dae Endergebnis der Unterfuhung , wie es ſcheint, nicht 
erhalten it. Nach der Unterwerfung der Stadt fcheint diejelbe ein- 
geitellt worden zu fein. Sie bejchuldigte, widerrief und beichuldigte 
von neuem. Insbeſondere handelte ed fich um ihre Beziehungen zu 
dem Kurgenofjen Doktor Giſe. Bald jollte diefer nicht nur durd) 
fie und Trine Burbanf, (welche, jelbjt unehelich geboren, von zwei 
Männern drei uneheliche Kinder hatte), Jowie den Garnfpinner Ernſt 
Halfhus fchriftlihe und mündliche Botfchaften nad Rheda, Telgte 
und Safjenberg vermittelt und dem Feinde Hülfe verſprochen haben, 
„Joviel als in feiner Macht wäre”, jondern auch derjenige gewefen 
jein, welcher fie durch das Verſprechen reicher Belohnung zur Brand» 
legung beitimmte und ihr Lunten gab; bald verficherte fie, „von 
Doktor Gije niemals etwas Ungebuührliches gejehen oder gehört” zu 
haben, um beim nächiten Berhöre ihn von neuem anzuflagen. Daß 
er mit den Anholtern in brieflichem Verkehre ftand, machen auch die 
Ausfagen der übrigen Beichuldigten wahrfcheinlih. Er felbft hielt 
fih während der Inquifitiou außerhalb Warendorf auf. Am 5. 
Juli erfcheint er wieder unter der Zahl der auf dem Rathaufe thäti- 
gen Kurgenoſſeu. 


XLVIl 1, 11 


162 


gen fie auch auf der Fredenhorjter Seite an zu ſchießen. 
Gleichzeitig wurde der Mangel an Lebensmitteln täglich fühl: 
barer. Der Rat ſah fich genötigt, die Vorräte der Stadt 
anzugreifen; den Bebürftigen wurde Mehl geliefert und den 
Bädern zwölf Molt Roggen verkauft, „damit die Armut 
und Soldaten Brot belfommen mögen”. 

Als nun die fürftliden Näte am 14. 16. und 18. Juni 
von neuem die Aufnahme einer Bejagung im Namen des 
Landesherrn verlangten, erflärte jich die Stadt zu „unver: 
fänglichen, zuträglichen Mitteln‘ bereit und jchidte Johann 
zur Möllen in das feindliche Lager. Aber Anholt erwiderte 
biefem, „daß fein anderes Mittel zu finden, als daß man 
dem Befehle der Kurfürftlihen Durchlaucht gehorſame“. Am 
19. Juni bejchloß deshalb der Rat, „da es ja nicht anders 
jein könne‘, über die EinquartierunginUnterhbandlung zu 
treten; nur Ahage und Dorſſel erhoben Wideriprud. Die 
Alterleute, Kur und Gilden waren damit einveritanden, ver: 
langten jedoch, daß der Accord, welden die Abgeoroneten 
vereinbaren würden, der ganzen Gemeinde zur Genehmigung 
unterbreitet werde. Aber Anholt ließ fi auf feine Bera- 
tung ein; er gab am 20. Juni Johann zur Möllen den 
Beicheid, die Stadt habe fich kurzer Hand zu erflären, ob 
fie feine Vorſchläge annehmen wolle, oder nit. „Zur Ver: 
meidung der Ertremitäten’” gab der Rat nad. Er wollte 
jet nur noch an der cinen Forderung fejthalten, daß er 
bei jeiner „Freiheit und den Schlüffeln zu den Pforten blei- 
ben möge”. Bon den Kurgenoſſen waren Uphoff, Werner 
Hefjeling und Seifen gegen diefen Beihluß ; die übrigen, 
jowie alle Gilden und die anmwejenden Hauptleute traten dem: 
jelben bei, indem fie die Hoffnung ausipraden, es werde 
nur etwa Kapitän Velen mit 100 oder 200 Mann ihnen 
überwiejen werden. Als aber der Gemeinde Zuftimmung 
nachgeſucht wurde, zeigte fih ein Teil derjelben „ganz un: 


163 


geduldig” und wollte die Einguartierung „kurzum nicht 
geftatten”. 

Gleichwohl wurden am 21. Juni Johann Gije, Jo— 
hann zur Möllen und Johann Elkmann als Vertreter des 
Rates, der Kurgenoſſen und der Gilden an das Hauptquar: 
tier zu Afhüppen abgeordnet. Sie kehrten mit dem Bejcheide 
zurüd, daß Anholt unbedingte Unterwerfung verlange. 
E3 war gegen Abend; und „da es zu Nachmittag nicht dienlich, 
mit der Gemeinde zu traftieren, jo ift die consultation 
bis auf folgenden Morgen zu 4 Uhr verjchoben.” Die 
Rottmeilter der vier Viertel, welche zu diefer Stunde vor- 
beichieden wurden, legten den Enticheid in die Hände des 
Magiitrates. Diejer aber vereinbarte mit den übrigen Ver: 
tretern der Gemeinde, „daß zur Abwendung der extremi- 
täten auf billige Einquartierung zu handeln ſei, dergeftalt, 
daß man fih auf Ihrer Kurfürftliden Durchlaucht Gnade 
ergeben und die Anzahl auf 4 oder 500 zum höchſten ver- 
bitten jolle, item, daß aufs möglichjte nah Inhalt eines 
Memoriale, jo gefertigt, möge abgehandelt werden” Mit 
furzen Worten, die Stadt empfahl fi) der Gnade bes Geg- 
ners, dem fie nicht länger Widerſtand zu leilten vermochte, 
und noch am 22. Juni konnte Anholt diejelbe bejegen. 

Er nahm hier fein Hauptquartier und ließ ſich von 
der Bürgerſchaft 12000 Thaler als Kriegsentichädigung zahlen. 
Anfang Auguft führte er freilich feine Truppen dem Grafen 
von Tilly zu, welder wenige Tage ſpäter bei Stadtlohn 
das Heer des Herzogd Chriltian von Braunſchweig vernich— 
tete. Aber auch weiterhin hatte Warendorf eine jo ftarfe 
Bejagung zu unterhalten, daß fi die monatliden Unkoſten 
auf 1500 Thaler beliefen. Kurfürft Ferdinand forderte des: 
halb Anholt am 19. Februar 1624 auf, andere Ordnung 
zu jchaffen, „damit die hochbedrängten Leute nicht gemötigt 
werden, Haus und Hof zu verlafien und ins Elend zu ver: 
laufen”. Denn wenn auch die Bürger ihres gegenwärtigen 

11* 


164 


Unheils „eine ftarfe Urjache ſelbſt geweſen“, jo erforbere 
doch die Billigfeit, daß man fie nicht aller Mittel beraube 
und ihnen „das Brot aus dem Munde nehme”, zumal fie 
ihr Unrecht erkannt und fi zur Abbuße unterworfen hätten. 
Ferdinand jelbft hatte jedoch von einer Beitrafung jeiner un- 
gehorfamen Städte Feineswegs Abftand genommen. Nach 
langen Unterhandlungen mit feinen Räten wurde am 15. 
März 1627 der recessus destitutorius erlaffen, welcher 
alle bürgerlihe Selbftändigfeit vernichtete. Zum Teil wur: 
den bie alten Privilegien und Freiheiten indefjen ſchon am 
15. März 1632 durd den recessus restitutorius zurück— 
gegeben. !) 


ı) über die Beftrafung der Städte und das Ungemach Warendorfs im 
weiteren Verlaufe des dreißigjährigen Krieges jpäter Näheres. 


VI. 


Eine weſtfäliſche Pilgerfahrt nach dem h. Lande 
vom Jahre 1519. 





Mitgeteilt 
von 


Dr. Hoogeweg. 
— — ůů[E— — 


J. Vorbemerkungen. 


Das heilige Land mit all jenen Stätten zu ſchauen, 
an denen der Heiland der Welt lebte, lehrte und litt, iſt 
von jeher das Ziel der Wünſche vieler Chriſten geweſen. 
Zange bevor die Kreuzzüge jene Maſſenwanderungen nad 
Paläſtina verurjachten, laſſen ſich Pilgerfahrten nach dem 
heiligen Lande nachweiſen. Alle hriftlihen Nationen ftellten 
ihre Teilnehmer zu diejen Reiſen. So erfahren wir!) (um 
nur unjere Gegend genauer zu betrachten), daß bereit3 im 
9. Jahrhundert Biſchof Engilmar von Dsnabrüd nad) 
dem 5. Lande gezogen ilt und von dort das Haupt der 5. 
Chriftina mitgebradt hat, mit dem er das Kloſter Herzebroif 
beſchenkte.) 1027 begleitete Benno, der jpätere Biſchof von 
Dsnabrüd, der damals noch als Jüngling in Straßburg 
jeinen Studien oblag, den Biſchof Werner von Straßburg 
auf der Reife nah Konitantinopel, die diefer im Auftrage 
des Kaiſers Konrad machte, und kam von hier auch nad 
Serufalem.?) Biſchof Erpho von Münfter trat am 12. Februar 
1091 jeine Reiſe an und fehrte Anfang des Jahres 1092 


1) Bgl. den Katalog deutfcher Pilger und Kreuzfahrer bei Röhricht, 
Beiträge zur Geſch. d. Kreuzz. 2, 293 ff. 

*) Dal. Sudendorfs Abhandl. in den Mitth. des hift. Dereind von 
Osnabrück 3 (1853), 207 ff. 

) Vita Bennonis bei Perg SS. 12, 62 und Vita Conradi, ibid. 11, 267, 


166 


wieder heim; ihn begleitete der Kanonikus Ludolf von Stein- 
furt.!) Der Abt Wino von Helmmardeshaujen machte im 
Auftrage des Biſchofs Meinwerk von Paderborn eine Reije 
nad Serufalem, um von dort den Grundriß der Kirche des 
h. Grabes zu holen. Wino entledigte ſich feines Auftrages 
und fehrte im Jahre 1034 zurüd. Meinwerk benugte den 
Grundriß bei der Erbauung ber neuen Kirche an der öftlichen 
Seite außerhalb Paderborns (Busdorf), die er felbit zwei 
Jahre Später einweihte.?) — 

Der endgültige Verluft des h. Lande nah all den 
großen Opfern, welche die Kreuzzüge gefordert hatten, das 
allmälige Einſchlummern der Idee, einen planmäßig organi- 
fierten VBerfuh zur Wiedergemwinnung des Verlorenen zu 
machen, die religiöfen und politiihen Wandlungen, welche 
ih in den folgenden Jahrhunderten vollzogen, konnten die 
Sehnfuht nah den h. Stätten nicht erftiden. Von Jahr 
zu Jahr kann man e3 verfolgen, daß immer wieder einzelne 
Pilger und ganze Geſellſchaften fih auf den Weg madten 
und jich den Mühen und Gefahren einer langen Reife unter: 
zogen, um mit dem freudigen Bewußtſein, ein gottgefälliges 
Merk vollführt zu haben, und ausgeftattet mit Reliquien, 
die fie durh Kauf oder Schenfung an Heiliger Stätte er: 
worben — aber aud um des Ihrigen beraubt und Frank 
von den Strapazen oder einer jahrlangen Haft in den 
türkiſchen Gefängniffen, oder um garnicht wieder heimzu— 
fehren. 

Obwol die Zahl der meitfäliihen Pilger nah den 
Kreuzzügen verſchwindend gering ift gegenüber der großen 
Menge, welde Süddeutfchland und bejonders die Schweiz 
aufweilen Fönnen 3), jo fehlen fie doch nicht ganz. Aus dem 


2) Röhricht a. a. O. 296. 
?) Vita Meinw. bei Pertz SS.11, 158 ff. 
2) Vol. Röhricht, Deutjche Pilgerreifen nad) dem h. Lande, Gotha 1889, 


167 


14. Jahrhundert ift der Pfarrer von Sudheim, Lubolf, 
befannt, der während der Jahre 1336—41 eine Reije nad) 
dem h. Lande machte und diefelbe auch beichrieben hat’). 
Für das 15. und 16. Jahrhundert konnte bisher fein Weit 
fale?) genannt werden, der nachweisbar eine Pilgerreiſe 
unternommen hätte. Es ift deshalb bejonders erfreulich, 
daß wir dur die Liebenswürdigfeit des Herrn Beſitzers der 
Handichrift, welche auf den folgenden Blättern zum erjten 
Male der Defjentlichkeit übergeben wird, in der Lage jind 
eine Pilgerreife weiteren Kreifen befannt zu maden, an der 
ih ausſchließlich Weſtfalen beteiligt haben. 

Ein olüdliher Zufall Hat es gefügt, daß ein anderer 
Pilger, der in demjelben Jahre, im übrigen aber unabhängig 
von unferen NReijenden, eine Fahrt nach dem h. Lande mit- 
madıte, eine beiweitem ausführlichere Beichreibung feiner 
Erlebnifje ung hinterlafjen hat, nämlich der Schweizer Lud— 
wig Tihudi von Glarus, Herr zu Greplong?). Verglichen 
mit unferer Bilgerfahrt geben die Berichte Tſchudis manche 
Ergänzung zu jener. — 

Zu DOftern 1519 verfammelten jih in Köln unfere 
Pilger, abgejehen von der Dienerjchaft, ſechs an ber Zahl: 
Dietrih von Kettler, Droft von Dttenftein und jein 
Bruder Gotthard von Kettler, Droft zu Elberfeld H, 
Gert von der Rede zu Heeflen, Evert von Cobben— 
rath, Dehant in Wormbach, Curt von Brenfen und 


!) Herausgeg. von Deycks in der Ribl. des litt. Vereind zu Stuttgart, 
1851; vgl. auch Evelt im 80. Bande diefer Zeitihr. ©. 1 ff. 

2) Vielleicht kann noch genannt werden der Domherr Dr. med. Hunold 
von Plettenberg, der (wenn der Name richtig ift) unter den Begleitern 
des Herzogs Wilhelm von Thüringen 1461 genannt wird. Röhricht 
a. a. O. ©. 145. 

) Herausgeg. von Melchior Tſchudi, St. Gallen 1606. 

) Vater des erſten Herzogs von Kurland nnd des Biſchofs Wilhelm 
von Münfter (1553—57). 


168 


Johann von Hanrleden‘). Sie fuhren am 26. April 
von Köln ab und zu Schiff den Rhein hinauf bis Mainz, 
durchritten die Pfalz, Baden, Wirtemberg und Tirol über 
Meran und Trient und kamen am 25. Mai nad) Venedig. 
Die Verhandlungen mit dem Patron des Schiffes, das fie 
zur Weiterreije benugen wollten, zogen fih in die Länge. 
63 jammelten fih in Venedig allmälig gegen 190 Bilger 
der verfchiedenften Nationen?); zwei Schiffe waren nötig, 
um diefe Menge nad) dem 5. Lande zu befördern. Der 
„Delphin“, den Tſchudi benubte, und der „Johannes“, 
welcher unjere Pilger mit etwa 90 anderen trug®), mußte 
fegelfertig gemacht werben. Dies erforderte wieder Zeit. 
Indeß nugten unfere Pilger den Aufenthalt in der Lagunen- 
ſtadt gut aus, fie beiichtigten die Kirchen und Klöfter mit 
ihren reihen Reliquien, fahen den Schaß des Herzogs von 
Venedig und hatten Gelegenheit an der großen Frohnleich- 
namsprozejlion teilzunehmen, bei welcher den Pilgern viel 
Ehre erwieſen wurde. Auch gewannen fie noch Zeit, in 
Padua und anderen benachbarten Städten fich umzujehen. — 
Endlid am 1. Juli konnte man in See ftehen. Parenzo 
und Rovigno auf Sftrien wurden berührt, man fegelte die 
Küfte entlang um Morea herum und gelangte am 19. Juli 
nah Rhodus. Unfere Pilger mußten bier bedauern, ‚Herrn 
Friedrih von Keppel aus dem Stift Münfter” nicht anzu— 
treffen, weil diefer gerade nah dem Schloß St. Peter auf 
dem Feltlande von Klein-Aſien abweiend war. Doch wurden 
fie von einem anderen deutichen Sohanniterritter Wolf von 
Maaßmünſter in zuvorfommender Weiſe berumgeführt und 
hatten Gelegenheit, den Glanz der Hofhaltung des Groß: 


1) Ein folder heiratet 1520 Elijabeth von Kettler, Tochter des Conrad 
(eines Vetters der gen. Brüder) und der Adelheid von Coppenrath. 

2) Tſchudi ©. 26. 

3) Der Name ©. 124 der Hdſchr., die Zahl nah Tſchudi ©. 52, 


169 


meifter8 zu bewundern und deſſen Gaftfreiheit ſchätzen zu 
lernen. Die riefigen Befeftigungen der Stadt wie die innere 
Einrichtung der Drdensburg erfüllte fie mit Erftaunen, nicht 
weniger die Gärten, die Strauße, die Brutöfen und eine 
bejonder8 jchlaue Art von Hunden. Von Rhodus weiter: 
fahrend erblidten fie am 25. Juli das h. Land und landeten 
Tags darauf in Foppe. Hier erhielten fie von dem Guardian 
Anweiſungen für ihr Verhalten während des Aufenthaltes 
im 5. Lande und mußten die fcharfe Kontrolle der türkiſchen 
Behörde über fih ergehen laffen. Ueber Ramleh erreichten 
fie Jerufalem. Die heiligen Stätten in und um der Stadt 
wurden prozeſſionsweiſe befucht, ſoweit ihnen nicht ein ftrifter 
Befehl des Sultans den Zutritt verjagte; wol mochten fie 
bedauern, Ruinen oder einen Stall zu finden, wo früher 
eine Kirche oder Kapelle die Heiligkeit des Ortes bezeichnet 
hatte. Bei dem dritten Beſuche des heiligen Grabes wurde, 
wie gewöhnlich, in der Nacht durch den Guardian der feier: 
lihe Alt des Nitterfchlages zum Ritter des h. Grabes voll: 
zogen. Wenn die Angabe Tichudiß!) Glauben verdient, 
daß in jener Naht auch ‚zwei von Cöln“ mit anderen 
Deutihen zu Rittern geichlagen worden find, fo können 
bierunter wol nur zwei unjerer Pilger gemeint fein. 

Auch die Umgegend Jerufalems, den Olberg, Bethlehem, 
den Jordan und das Todte Meer befuchten unjere Pilger 
und fehrten darauf nach) Joppe zurüd. Am 19. Auguft 
beftienen fie wieder das Schiff. Auf der Rüdreife wurde in 
Eypern gelandet; während der Weiterfahrt überrafchte fie 
mehrmals der Sturm und trieb fie in gefährliche Nähe des 
türkfiihen Landes; doch kamen fie mit dem bloßen Schred 
davon und gelangten am 3. November wieder nad) Venedig. 

Hier bricht die Handichrift ab; der weitere Weg durch 
Deutihland wird nicht erzählt. Beigefügt find aber nod am 


) Tſchudi ©. 308; im Ganzen zählt Tſchudi 26 Ritter, 


170 


Schluffe Anweifungen über dasjenige, was der Pilger zur 
Reife nötig hat, die auch fulturhiftorisch von Werth find, 
ſowie der Kontrakt, den die Pilger mit ihrem Schiffspatron 
machten. — 

Die Handihrift befindet fih im Belig des Herrn 
Grafen von NefjelrodesHerten und wurde im Winter 1888/89 
in Düffeldorf in einer Ausftellung von Gegenftänden der 
Geſchichte und Kunft aus Privatbeſitz ausgeſtellt. Signatur 
XLI, 7. Sie ift 15 em. hoch und fajt 10 cm. breit, ge: 
bunden in braunem Leder mit aufgepreßter Verzierung, Die 
noch Spuren früherer Vergoldung trägt. Auf dem vorderen 
Dedel ift das Leder durh den Wurm unten linfs zerfreffen 
und fehlt zum Teil; fonft ift die Handichrift gut erhalten. 
Vier grüne Bänder dienen zum Verſchließen. Die innere 
Seite des vorderen Dedeld trägt den Vermerk, daß die 
Handjchrift aus der Hertenichen Bibliothek ftanımt. 

Auf dem eriten Blatte befindet ſich folgende gleichzeitige 
Notiz: „Anno 88 hait Joist vann der Reck dis buch 
widder auffruisten undt innbynnden laissenn to ene 
gedechnuss der pelgramm, also hyr inn benompt wurdt 
unnd duisse reyse vollenndet.“ Darunter jteht in der 
Schrift und Drthographie des 18. Jahrhunderts Ddiejelbe 
Bemerfung. Es folgen 6 leere Blätter, jodann der Tert 
der Handſchrift. — Dieſer ift gleihmäßig und in einem 
Zuge gejchrieben, Hein, aber deutſch. Bei der Wiedergabe 
des Terted war nur wenig zu ändern, denn von Abkürzungen 
finden ji — mit einigen Nusnahmen hervorgerufen durch 
den Umftand, daß dem Schreiber der Raum knapp wurde — 
nur die gewöhnlichen für fehlende® n oder m und für 
fehlende er, re oder r. Nötig war dad Zuſammenziehen 
getrennter Worte wie was kersen = waskersen, an ge- 
bunden, na volgende u. j. w., jowie die Umſchreibung 
der Zahlen in die arabiihen Zeichen. Die Interpunktion 
fehlt, außer zuweilen dem Punkt am Ende des Abjapes, ganz. 


171 


Die im Terte gefperrt gedrudten Worte find im Original 
mit roter Tinte gejchrieben. 
Bis zum 26. Blatt ift die Handſchrift folürt. 


I. Text der Handidrift. 


Anno Domini viffteynhondert und negenteyn S. 1. 
hebben dusse nabescreven to herten und to synne ge- 
nommen ene bedevert tom hilligen lande tho done tho 
eren und love der werder unverdeilden hilligen drey- 
voldicheit Got schepper hymmelrekes und ertrickes und 
Marien syner gebenedieder moder der hochgeloveder 
koningynnen und dat ganse hymelsche her, welker sick 

Apr.24.dan vergaddert hebben up dey hilligen hochtit Paschen 
im yar vorg. als mit namen dey erntvesten erbaren 
ersamen und vromen Dirick Ketteler, droste ton Otten- 
steyn!) &c., Goddert Ketteler, droste to Elverfelde, 
gebrodere, Gert van der Recke tho Heissen?), her 
Evert van Cobbenrait, decken to Wormeke?), Cort van 
Brencken, Johann van Hanxelede, Zeries van Scheleke ®) 
als en deyner Gerdes vorg. und en Bernt van Waren- 
dorp und || Johannes Hagebecke als deyners Deyrikes <, 
vorg. und Gossen Berchen als deyner Godderdes vorg. 

Apr.26.So hebben wy pelgeryms des Dinstages na dem hilligen 
Pasche dage den morgen tho 6 uren vor den hilligen 
dren konyngen messe gehort, dey der vorg. decken las. 
Als dey messe uth was, hebben wy broders den hilligen 
dren konyngen geoffert itlick en bernende kerse van 
en punt wasses und uns den hilligen dren konyngen 
dar mit befollen und synt vort 1/2 mele weges utlı 


10 


) Weſtlich von Ahaus. — *) Heeſſen nordöſtlich von Hamm. — 
») Wormbach bei Schmallenberg im Sauerland. — *) Schalte 
Kreis Bochum, 


172 


Collen geredden und dar up den Ryne int schyp!) 
gesetten, dey deyner gode bevollen, dey do van uns 
gescheit synt. 

Item so syn wy den Ryn upgefaren. Als wy 
tegen Bunna?) quemen, hefft itlick broder 2 goltgulden 
up itlick pert in dei burse gelacht, dat maket 20 gold- 
gulden, und der deken is burserer gewest, || und &.3. 
synt tegen den avent tho Wynters®) gekommen, is 7 
mele van Collen, unde dar dey nacht vertert 2 golt- 
gulden und 3 rader albus in des schulten hus. 

Apr.27. Item den gudesdagen morgen van Wynters na 
Cavelens®) gefaren is 6mele, und underwegen to Lyns 
vor 21 rader albus vische und eyer gekoflt und den 
avent tho Cavelens in dem speis tor herberge gekommen, 
dar vertert 2 goldgulden 31/3 rader albus. 

Apr.28. Item den donnerdage morgen van Cavelens na 
Bacharach gefaren, is 7 mele und den meddach to 
Poppert ) gekafft vor 2 goldgulden haver und kruet, 
den mandach®) to sunte Gelber?) visch und vleisch 
gekofft vor 6 rader albus, und den avent to Bacharach 
tor guder herberge gekommen genant in den rebbestock, 
dey nacht 1 goldgulden vortert, so wy in dem scheppe 
maltyt gehalden hedden; und dar was gut wyn. || 

Apr.29. Item den vrydagen morgen na Mens®) gefaren, is &, 4. 
6 mele van Bacharach, tor guder herberge in dem Ros 
genant, und under wegen to Rodelsem?) wyn und vische 
vor 1 goldgulden, und 4 rader albus, und den selfften 
morgen gegeven 5 goltgulden, dat man in dem schep 
verdan hadde, und vor en bock papyrs 2 rader 
albus. Noch den meddach to Rodelsem vortert 


) In der Hdichr. seryp. — ) Bonn. — ?) Königswinter. — *) Eoblen;. 
— 5) Boppard. — °) Soll wol heißen nameddach. — ?) St. Öoar, 
— 8) Mainz, — °) Rüdesheim, 


173 


171/3 rader albus. Und dar sette wy uthem scheppe und 


redden tho Mens, und tho Walne!) overgefaren, dem 
gegewen 51/, rader albus und den avent tho Mens ge- 
kommen und dar vortert avent und morgen tor soppe 


und geleide tosamen 4 goldgulden myn en albus. 


Item dem schipman, dey uns van Collen vorde to 


Mens, em gegeven van itliken perde und man en gold- 
gulden, summa 10 goldgulden, und den knechten 2 albus. 


‚Apr.30, 


Item den Saterdach van Mens || na Oppenhem?) &,5, 


geredden, is 3 mele, und tegen den avent to Wormes 
gekommen, is 4 mele van Oppenhem in en herberge 


Mai 1. tom koffhus und den sondagen morgen Quasimodo ge- 


niti messe gehort, dem prester gegeven 2 rader albus 
und dar vortert 4 goldgulden 3 rader albus und vor 
dat geleide bis to Spyr, und dar hebben dey broders 
up itlick pert 3 goldgulden ingelacht, summa 30 gold- 
gulden. 


Item den sondach na Anderschet?®) geredden, is 


3 mile van Wormes und dar dor gereden na Spyr, is 


4 mele van Änderschet und in en gude herberge ge- 


‚Mai, 


J 


kommen, in der kannen genant, und dar 2 nacht und 

1 dach gelegen, dar vertert 7 goltgulden 4!/, rader 
albus, den knechten und megeden 7 albus, noch twe 
monnicke 2 albus und 2 albus vor 2 appel van Arraneen®), 

und wy broders worden erliken tractert || und to gaste &, 6. 
geladen van den domhern tho Spyr. 


Item den dynstagen morgen vro van Spyr na 


Rynhusen) geredden und dar over den Ryn gefaren, 
dar aff gegeven 4'/, rader albus, und den meddach to 
Brucksel®) vortert en goltgulden 121/, albus und is 
3 mele van Spyr, und tegen den avent tho Bretten 


1) Walluf. — *) Oppenheim. — ?) Mutteritadt oder Otterſtadt? — 


9 Granatäpfel. — °) Haufen. — *) Brudjal. 


Maid 


Mai 5 


Mai 6 


Mai 7 


174 


gekommen in dey kroen tor herberge, und is 3 mele 
van Brucksel, und dar dey nacht vortert 31/3 goldgulden 
9 rader albus, und den boden, dey den geleideman 
holde, 4 albus, und dem geleideman, dey uns geleide 
to Etzlingen!), dem gegeven 5 rollebassen, und den 
gudesdach van Bretten na Veyngen ?) myt den geleides- 
man geredden und de Junckeren, dey to Bretten legen, 
so dat dem palsgreven tohort, deden uns 30 gewapen 
wol gerustet mede en stucke weges to geleiden, und 
wy quemen an en schon monnecke closter, Molbron ®) 
genant, und den middach to Veyngen gekommen, dar 
en schon slot licht an der stadt, und tor herberge in 
|| dey kroen gekommen und dar de nacht vortert 31/2 
goltgulden; is 3 mele van Bretten. 

Item den donnerdagen morgen van Veyngen to 
Kanstadt gereiset und den middach dar vortert am 
orthus in der voerstadt 1 goldgulden und 20 krutzer, 
und tegen den avent to Etzlingen gekommen in de 
sterne tor herberge und den fridach dar gebleven, is 
4 mele van Veyngen, und is en stadt van den ricksteden, 
dar gelden rollebassen und krutzer, en rollebasser 
4 krutzer, und 15 rollebasser vor en goltgulden; und 
dar is dey edel juncker Hinrick grave tho Nassaw und 
her zo Bilsten by uns in unse geselschop gekommen 
und dey erbar Diderick van der Recke is dar ock by 
Gerde van der Recke synen leven vedderen gekommen, 
so Gert synen deyner Zeries wederumme tho hus sande; 
und dar vertert 7 goldgulden und 8 krutzer. || 

Item den saterdagen morgen van Etzlingen to 
Gepyngen geredden, is 3 mele und den meddach dar 
vortert 1 goldgulden 45 krutzer, und den avent to Gis- 
lingen*t) gekommen, is 2 mele van Gepingen, und dar 


) Ehlingen. — ?) Baihingen, — ) Maulbronn. — * Geislingen. 


©. 


8. 


175 


dey nacht und morgen vortert 4 goldgulden und 7 
rollebassen, den prester 3 krutzer, den knechten und 
megeden 6 krutzer in der kronen; und boven der stadt 
licht en schoen sloit up dem berge. 

Item tho Gepingen hebben wy broders up itlick 
pert ingelacht 3 goltgulden, summa 33 goldgulden, so 
myn juncker van Nassaw dar nu by gekommen is. 

Rai 8 Item up sondach misericordia domini synt dey 
ses uthriders van der stadt van Ulm by uns broderen 
tho Gislingen gekommen und uns geleidet wente tho 
Ulm in dey kroen tor herberge, und is 3 grote mele 
van Gislyngen; || und den uthriders gegeven 131/, rolle- ©. 9. 
bassen, und dar vortert de nacht 3’/a goldgulden und 
14 krutzer; und dey hern von der stadt hebben uns 
den wyn geschencket myt namen 12 verdel wyns roit 
und wyt in 24 kannen dragende; und den knechten 
gegeven en halven goldgulden. 

Mai 9 Item den mandagen morgen na Menningen!) ge- 
redden, is 6 mile van Ulm und underwegen in en 
herberge by den wege liggende vortert den middach 
21 rollebassen, und den avent to Menningen in dem 
hertze tor herberge gekommen und dar dey nacht vor- 
tert 2 goltgulden und 32 krutzer, und den megeden 
4 krutzer gegeven. 

Mai 10 Item des dynstages morgen van Menningen to 
Kempten geredden, is 4 mele und dey nacht dar ver- 
tert 4 goltgulden 47 krutzer, knechten megeden 6 
krutzer, und in dem sworten beeren tor herberge 
west. || 

Rai 11 Item den gudensdach van Kempten to Eswangen &.10. 
is 2 mele und den meddach dar vortert 1 goltgulden 
und 49 krutzer, und van Eswangen tegen den avent 


) Memmingen. 


176 


tor Klusen!) geredden is 3 groite mele und dar dey 
nacht vortert 3 goltgulden und 42 krutzer, den knechten 
und megeden 6 krutzer, und vor en gymse gegeven 
6 krutzer. 
Mai 12 Item den donnerdagen morgen van der Clusen 
geredden unter den Verner?) dar den middach vortert 
1 goltgulden 29 krutzer, und is 2 mele van der CGlusen, 
vort over den Verner geredden und tho Nazarith ’?) 
tho, is 2 mele und den avent to Eymes#), is 1 groit 
mele van Nazarith, und dar dey nacht vortert 4 golt- 
gulden myn 9 krutzer tom Roff in der herberge genant. 
Mai 13 Item den fridagen morgen van Eymes geredden 
to Landeck), is 2 grote mile und dar den meddach 
vortert 1 goltgulden 20 krutzer, und tegen den avent 
to Reyt®) gekommen, is 2 groit mele || van Landeck, S. ıı 
und dar dey nacht vortert 2 goltgulden 36 krutzer. 
Mai 14 Item den saterdagen morgen van Reydt geredden 
tho Nueders?) over sicke her Clawes berch®) unde den 
meddach dar vertert 1 goltgulden und 56 krutzer?), 
und is 3 mele van Reydt tho Nueders. Tegen den 
avent geredden tom Haveke 10) liggende by en staende 
see !!) und dar vortert 3 goltgulden und 20 krutzer 
und is 2 groite mile van Nueders, und dar in gelacht 
up itlick perdt 3 goltgulden, Summa 33 goltgulden. 
Mai 15 Item den sondagen morgen Jubilate van den 
Haveke to Sevenkerken!2) geredden is 1 mile und dar 


) Klauſen. — ?) Fern⸗Paß. — °) Nafjereit. — ) Imſt. — °) am Inn. 
— °) Ried am Inn. — 7) Nauderd. — *) Nicolausberg. — ?) In 
der Hdſchr. kutrerz. — 10) Wol in der Nähe von ©. Valentin a. d. 
Heide. — ) Wol der Haid-See. — 9) Mals an der Etic. 
Arnold v. Harff in ſ. Pilgerreife v. 1496 ff. (Ausg. von v. Groote 
Köln 1860 ©. 7), der bis bier denjelben Weg von Köln aus wie 
unfere Pilger machte, fagt: Mals is eyn groys dorff mit VII kirchen, 
darumb wyrt idt geheischen Sevenkirchen. 


177 


messe gehort und den meddach vertert 1 goldgulden 
39 krutzer. Van Sevenkerken tegen den avent to Lets!) 
is 3 mele, dar dey nacht bes tom anderen dage; to 
meddach vertert in Hans Beke syn hus 5 goltgulden 
und 12 krutzer, und dar stet tegen up enen hogen 
berge en || capelle, dar sunte Mertyn ser genedich is. S. 12. 

Mai 16 Item den mandach to middage van Letz tegen den 
avent to Meraen?) gekommen, is 3 mele und dar dey 
nacht in der kroen in Hans Wynmans hus vortert 
3 goltgulden und 3 krutzer, den knechten und megeden 
9 krutzer, vor malmoseer) gegeven 9 krutzer. 

Mai 17 Item den dinstagen morgen van Meraen na Kalten®) 
geredden is 4 mele, und den meddag in den roden 
lewen vortert 1 goltgulden 27 krutzer, und tegen den 
avent geredden to Termyn°). is engroit mele van Calten 
und dar dey nacht vortert 3 goltgulden 6 krutzer in 
den witten lewen. 

Mai 18 Item den gudensdagen morgen geredden van 
Termyn to Trendt®), is 4 grote mele, und to medde- 
wege over Etsch gefaren, darvan gegeven 6 krutzer, und 
to Trendt in dey Kronen tor herberge gekommen und 

Mai2ı dar gebleven bis tom saterdagen morgen und dar vor- 
tert 14 goltgulden myn 12 krutzer. Noch 1 goltgulden 
dem kylindelin, sent Simon genant, geoffert, dat men &, 13. 
uns toende noch liffhafftich, so eth dey Jodden myt 
natelen, tangen und messen dot hadden gepiniget um 
des bloides willen, dat in korten yaren noch gescheyn 
is”). Noch 14 krutzer vor haver und wyn, den knechten 
und megeden 12 krutzer, und den biscop van Trendt 
syner v. g. vorwarer schenkeden uns 8 half verdel 
wyns, roit, wyt und soete gedrencke. 

u Laatih. — 2) Meran. — ?) Malvafier-Wein. — *) Kaltern. — 
°) Tramin. — °) Trient. — ?) Nach Felir Tabri (Ausg. des litt. 
Vereins in Stuttgart 1843) I, 76 im 3. 1475. 

XLVM. 1. 12 


178 


Item den saterdagen morgenna demsondage Jubilate 
geredden to Levyngen!), is 21/3 dusche mile van Trendt, 
so Trendt halff welsch und dutz is und dat welsche 
lant dar angeth, unde dey broders wedder ingelacht 
up itlick pert 2 goltgulden, Summa 20 goltgulden, so 
dat elfite pert verkofft wort. Der 20 goltgulden sal 
dey burserner 4 und 12 krutzer hebben, dey hey ver- 
lacht hevet, so blyven?) || noch 15 goltgulden und €. 14 
50 krutzer, des by Michel?) von Leffyngen to Leffyngen 
vertert den middach 1 goltgulden und 54 krutzer; und 
tegen den avent in de Burge*) gekommen, is 7 welsche 
mele van Leiffyngen, dar dey nacht vortert 3 goltgulden 
19 krutzer, dem prester tor messe gegeven 7 krutzer, 
den knechten und megeden 7 krutzer. 


Mai 22 Item den sondach Cantate5) den morgen to As- 
frala®) geredden, is dat erste dorp in dem venedieschen 
lande und is 12 welsche mile van Burge, und dar den 
middach vortert 1 goltgulden und 20 krutzer und in 
ener herberge genant Anthoni de Merunum’?), und tegen 
den avent tor Sage®) gekommen, dar dey nacht vor- 
tert 3 goltgulden myn 28 krutzer, und is 7 mele van 
Asfrala. 


Mai 23 Item van der Sage den mandagen morgen ge- 
redden to Persaen?) in de stat, is 7 mele, und dar 
den meddach || vortert 2 goltgulden und 40 krutzer!P), &. ı5 
und tegen den avent to Castelfranck !!) gekommen in 
den swert in der herberge, is 10 mele van Persaen, 
und dar vertert 2 goltgulden und 20 krutzer. 


1) Levico, füdöftlih von Trient. — 9) Hdfr.: bylyven. — °) Hdidr.: 
Nichel oder Mchel. — *) Borgo. — 5) Hoſchr. faljch: sondach na 
Cantate. — ®) Lage? — ?) sie! — 3) Miago? — *) Perſana. — 
»v) Hdſchr.: krutrer. — 9) Gaftelfranco. 


179 





Mai 24 Item van Castelfranck up dinstagen morgen ge- 
redden na Meisters!) und to mitwegen vortert 1 gold- 
gulden und 16 krutzer, und tegen den avent to Meisters 
gekommen, is 18 mele van Castelfranck, und to Meisters 
in dey kroen by enen duschen wert genant Jacob tor 
herberge gelegen. 


Mai 25 Item den gudensdagen morgen uthgesant to Ve- 
nedien van den broderen myt namen her Evert van 
Cobbenrat decken, Goddert Ketteler, Johan van Hanx- 
lede und Johannes Hageboeke umme tydynge to ver- 
horen, und synt van Meisters in vordekeden wagen ge- 
faren bis to Margeyr ?), is 2 mele, und dar int schep 
gesetten und gefaren to Venedien in dey stadt, is 5 
mile, und in den witten lewen tor herberge gefaren, 
und dey wert is en Nederlender || genant Jacob. So ©. 16. 

Mai 265yn de den donnerdach myt dem patroen weder to 
Meisters gekommen und den tolmetzen, Michel genant, 
und hebben myt den broderen gekalt der reyse halven, 
und tegen den avent is dey patroen weder to Venedien 

Mai 27gefaren und wy broder synt eme den fridagen morgen 
semptliken to Venedien gefolget und in dey vorg. her- 
berge gefaren und do myt dem patroen overgekalt und 
verdragen, als wy dat schyp hadden geseyn und dey 
patroen uns annam, als dey ander patroen uns ock gerne 
hedde gehat, so dit yar dar twe naven na Jherusalem 
gengen; und dat verdrach vynde gy int leste van dussen 
bokesken. 


Mai 28 Item den saterdach syn wy broders semptlich myt 
dem patroen und tolmetze tho scheppe gefaren an en 
stadt vaste by Venedien to Moraen?) genant, dar men 


1) Meitre. — *) Malghera. — *) Murano. Das Glasblafen erwähnt 
u. A. aud Otto Heinrih Pfalzgraf bei Rhein; vergl, Nöhridjt- 
Meißner, Deutiche Pilgerreiien ©. 357. 

127 


— 


180 


de glase maket, dey wy segen blasen. Int erste queme 

wy tuschen Venedien || und Moraen in sunte Augustinus S. 17 
closter, dey kerke in sunte Cristofferus ere gefundert, 

dar sunte Gracian liffhafftich is. und is en broder van 
denselften orden gewest und doit groit mirakel. 


Item vort in sunte Michels kerke gefaren und is 
en closter van sunte Benedictus orden, vort licht dar- 
by sunte Georgius closter, dar an gefaren, dar stan twe 
hoge altar, in den enen altar tor rechteren hant secht 
men, dat sunte Steffen dar under liggen solle und be- 
nedden in der kerken an der selven sydt licht sunte 
Eustachius syn corpus, dar wy unse pater noster leyten 
roren, und dat liff liffhafftich segen liggen. Dar tegen 
over an der anderen syt der kerken in enem altar licht 
sunte Pauwel martir syn corpus, dar achter den altar 
is eyn capelle, dar men uns toende und mede bestreken 
worden myt sunte Jacob minor syn hovet, sunte Geor- 
gius hovet und syn || luchter arm, und van sunte Cos- &., 15 
mas und Damianus hoveden in eyn silveren hovet ge- 
wracht, und sunte Lucien luchteren arm. Vort in dey 
stadt Moraen gefaren und dar getert und uns myt den 
patroen vrolick gemaket, dar dey patroen dat alle be- 
talde, des wy dar vordeden; und tegen den avent 
wederumme to Venedien gefaren in unse herberge. 


Mai 29 Item den sondagen morgen Vocem jucunditatis 
syn wy broders gefaren in sunle Helenen eloster buten 
Venedien und dar messe gehort up sunte Helenen altar, 
dar sey liffhafftich licht als wy sey geseyn hebt und 
unse pater noster laten roren, und is en closter van 

WMai30sunte Bernhardus orden, und den mandag wederumme 
na Meisters gefaren unde under wegen in sunte Secunda 
closter gefaren, dat en junfferneloster is, dar sancta 
Secunda liffhafftich licht als wy geseyn hebt, und tegen 


181 


den avent to Meisters gekommen und || dar gebleven S. 19. 
bis tom dynstagen avent. 


Mai 31 Item den dynstagen avent wederumme to Venedien 

Iuni 1 gefaren und den gudensdagen morgen to meddage to 
der hilligen dreyvoldicheit gefaren und to sunte Marien 
charitas, und is eyn closter van sunte Augustinus orden 
und vort to sunte Rochus gefaren, dar syn corpus 
liffhaftich licht, und darby to den fratern to Minoer, 
dar dat hillige eruce genedich is, und is en groite 
kerke wol gefyret van mormelen gesteynten. 


Juni 2 Item den donnerdagen morgen is unses heren 
hymmelfart gewest, do to schepe gefaren an den pallas, 
dar wy segen, dat dey heren van Venedien in eyn groit 
schip gengen, dar en brugge van den pallas up scheppen 
gemaket was bes an dat groite schep, dat tho dusser 
nabescreven processien sunderlingens gemaket is, und 
boven bedecket myt roden syden satyn, unde voren || 
myt groter pomperye int mer by dey twe slotte, dey 
by sunte Nicolaus kerken liggen. Up den sceppe weren 
achte vergulde veneken und eyn hovetbanner van enen 
gulden stucke und eyn vergolt wapen an den mas- 
boem, und vor up den scheppe sat sancta Justicia up 
enen lewen, beide verguldet, und noch vele ander sceppe 
mit veneken und ander barken by dey 2 dusent. 
Tuschen den slotten synt de heren myt dem scheppe 
wederumme gekart und dargehalden, dat dey patriarcha 
dat mer tribbede!) van des hertogen wegen myt enen 
gulden rynge, unde waıp den int mer; und dar helden 
twe galleyen int mer wol gerustet myt luden, bussen 
und trumpet &c., der en quam und toch umme dey 
heren van Venedien her myt grotem geschutte sey aff 


A 
to 








1) — benedieit? ®emeint ift die Vermählung des Dogen mit dem 
Meere, 


182 


leiten gaen, und van dar wederumme na sunte Nicolaus 
kerken getogen, dar men messe in discante sanck, dar 
gengen ses spillude vor dey itlick || eyn silveren besune ©. 21. 
drogen, dey so groit und so lanck was, dat itlick enen 
yungen moste hebben, den sey de besunen up dey 
schulderen leggen mosten, und noch vele mer schal- 
meider und ander spill. Als dey messe uth was, synt 
sey wederumme in Venedien gefaren myt groter pom- 
perye, und dey heren van Venedien synt ser kostlick 
van clederen gewest, und myt kostliken geschutte, dat 
van den scheppen genck, als dey hern wedder an dey 
stadt quemen. 

Juni3 ° Item den fridach dorch dat pallas in sunte Marcus 
kerken gegangen, dar 4 metalen perde up staen an dem 
plaz uth, und sunte Marcus toern is dat dach myt du- 
katen golde verguldet und sunte Marcus dar boven 
up verguldet und dey torn steyt van der kerken um- 
trent 18 strede weges, und in der kerken steit eyn 
malt crucifix up den altar tegen der kameren, || dar der ©. 22. 
Venedier schat ynne is, dar dobbelers gekommen synt 
und hebben dat crucifix dorch gestecken und gehowen, 
dar do bloit uth vloith, als men noch seyn mach; und 
an den choer stan up beiden syden 2 rode pilers, 
synt dey 4 pilers, dar Pylatus uppe sat, als hey syn 
hande wosch und wolde sick unschuldich kennen. 

Item dussen selfften vridagen avent van Venedien 
gefaren na Paduwa und en schep gehuret, dem gegeven 
van 9 personen 12 marcell, und 9 marcell is en golt- 

Suni4 gulden; und den saterdagen morgen to Paduwa ge- 
kommen im Toerne tor herberge; und in der stadt is 
vil hilgedomes, dan men woldes nicht thoenen dan 
up syn secker tyt. 

Zunig Item den mandach na dem sondage Exaudi des 
morgens wederumme van Paduwa na Venedien gefaren 


183 


und dem schepman gegeven 8 marcell, und den avent 
gekommen to Venedien. || 

Zuni 7 Item den dynstagen morgen in sunte Marcus ©.23. 
kerke gegangen und gefaren, dar men uns pelgerym 
alle gethonet hefft der Venedier schat, dey so kostlick 
was, und deschat licht in dem orde na den water uth, 
unde dar synt 2 yseren doren vor und dyt nabescreven 
geseyn up eyn lange taffel gedeckt: Item des hertogen 
bernet myt kostliken gesteynten, item noch 12 kronen 
van golde gemaket myt gesteynten, item noch 4 kar- 
bunculen steyn so groit als honereyger, dey myt perlen 
umme dat benet weren bevatet, so groit als haselnotte; 
item noch en kasseldomen krois!) van 1 mengelen?), 
noch andere krose van edelen gesteynten, noch grote 
smarachden als 2 hant breit; item noch 7 gulden borst- 
stucke mit kostliken gesteynten; item noch 1 kostliken 
kelck, dey by na en arm lanck is, myt tabernakelen 
und gesteynten, und noch || gulden lochter kostlick ge- &. 24. 
maket; item noch drey hele enhorn), der twe lenger 
weren dan dey en, und der is wol en ses uff vii voit 
lanck; item noch vele andere silveren vate und cleinode 
und gesteynte so kostlich, dat men des nicht so seryven 
kan als men dat geseyn hevet. 


Juni 8 Item den gudensdagen morgen to sunte Lucien 
gefaren und dar messe gehort, und dar sunte Lucien 
corpus licht behalven en arm als wy geseyn hebt, und 
dey pater noster leiten roren, so dey hillige junffer 
noch en kroen myt perlen und gesteynten up ere hovet 
hefft, und tegen den avent wederumme tho Meisters 
gefaren. 


2) Kanne, Krug. — *) Kleines Maaß. — ?) ein Zrinfgefäh. Vergl. 
Röricht ⸗Meißner a. a. D. 172 Anm. Daf. erwähnt Dietrich von 
Schadten nur ein Einhorn, Tſchudi a. a, O. 42 drei, 


Maid 


Maid 


Mai 6 


Mai 7 


174 


gekommen in dey kroen tor herberge, und is 3 mele 
van Brucksel, und dar dey nacht vortert 31/3 goldgulden 
9 rader albus, und den boden, dey den geleideman 
holde, 4 albus, und dem geleideman, dey uns geleide 
to Etzlingen!), dem gegeven 5 rollebassen, und den 
gudesdach van Bretten na Veyngen?) myt den geleides- 
man geredden und de Junckeren, dey to Bretten legen, 
so dat dem palsgreven tohort, deden uns 30 gewapen 
wol gerustet mede en stucke weges to geleiden, und 
wy quemen an en schon monnecke closter, Molbron ®) 
genant, und den middach to Veyngen gekommen, dar 
en schon slot licht an der stadt, und tor herberge in 
| dey kroen gekommen und dar de nacht vortert 3!/a 
goltgulden; is 3 mele van Bretten. 

Item den donnerdagen morgen van Veyngen to 
Kanstadt gereiset und den middach dar vortert am 
orthus in der voerstadt 1 goldgulden und 20 krutzer, 
und tegen den avent to Etzlingen gekommen in de 
sterne tor herberge und den fridach dar gebleven, is 
4 mele van Veyngen, und is en stadt van den ricksteden, 
dar gelden rollebassen und krutzer, en rollebasser 
4 krutzer, und 15 rollebasser vor en goltgulden; und 
dar is dey edel juncker Hinrick grave tho Nassaw und 
her zo Bilsten by uns in unse geselschop gekommen 
und dey erbar Diderick van der Recke is dar ock by 
Gerde van der Recke synen leven vedderen gekommen, 
so Gert synen deyner Zeries wederumme tho hus sande; 
und dar vertert 7 goldgulden und 8 krutzer. || 

Item den saterdagen morgen van Etzlingen to 
Gepyngen geredden, is 3 mele und den meddach dar 
vortert 1 goldgulden 45 krutzer, und den avent to Gis- 
lingen®) gekommen, is 2 mele van Gepingen, und dar 








») Ehlingen. — ?) Baihingen. — ) Maulbronn. — *) Geislingen. 


©. 


t 


Rai 8 


Rai 9 


175 


dey nacht und morgen vortert & goldgulden und 7 
rollebassen, den prester 3 krutzer, den knechten und 
megeden 6 krutzer in der kronen; und boven der stadt 
licht en schoen sloit up dem berge. 

Item tho Gepingen hebben wy broders up itlick 
pert ingelacht 3 goltgulden, summa 33 goldgulden, so 
myn Juncker van Nassaw dar nu by gekommen is. 

Item up sondach misericordia domini synt dey 
ses uthriders van der stadt van Ulm by uns broderen 
tho Gislingen gekommen und uns geleidet wente tho 
Ulm in dey kroen tor herberge, und is 3 grote mele 
van Gislyngen; || und den uthriders gegeven 131/, rolle- 
bassen, und dar vortert de nacht 3!/, goldgulden und 
14 krutzer; und dey hern von der stadt hebben uns 
den wyn geschencket myt namen 12 verdel wyns roit 
und wyt in 24 kannen dragende; und den knechten 
gegeven en halven goldgulden. 

Item den mandagen morgen na Menningen'!) ge- 
redden, is 6 mile van Ulm und underwegen in en 
herberge by den wege liggende vortert den middach 
21 rollebassen, und den avent to Menningen in dem 
hertze tor herberge gekommen und dar dey nacht vor- 
tert 2 goltgulden und 32 krutzer, und den megeden 
4 krutzer gegeven. 


Nai 10 Item des dynstages morgen van Menningen to 


Kempten geredden, is 4 mele und dey nacht dar ver- 
tert 4 goltgulden 47 krutzer, knechten megeden 6 
krutzer, und in dem sworten beeren tor herberge 
west. || 


Mai li Item den gudensdach van Kempten to Eswangen 


is 2 mele und den meddach dar vortert 1 goltgulden 
und 49 krutzer, und van Eswangen tegen den avent 


I) Memmingen. 


©. 9. 


©. 10. 


176 


tor Klusen!) geredden is 3 groite mele und dar dey 
nacht vortert 3 goltgulden und 42 krutzer, den knechten 
und megeden 6 krutzer, und vor en gymse gegeven 
6 krutzer. 
Mai 12 Item den donnerdagen morgen van der Clusen 
geredden unter den Verner?) dar den middach vortert 
1 goltgulden 29 krutzer, und is 2 mele van der Clusen, 
vort over den Verner geredden und tho Nazarith ®) 
tho, is 2 mele und den avent to Eymes®), is 1 groit 
mele van Nazarith, und dar dey nacht vortert 4 golt- 
gulden myn 9 krutzer tom Roff in der herberge genant. 
Mai 13 Item den fridagen morgen van Eymes geredden 
to Landeck®), is 2 grote mile und dar den meddach 
vortert 1 goltgulden 20 krutzer, und tegen den avent 
to Reyt®) gekommen, is 2 groit mele || van Landeck, &, ıı. 
und dar dey nacht vortert 2 goltgulden 36 krutzer. 
Mai 14 Item den saterdagen morgen van Reydt geredden 
tho Nueders”?) over sicke her Clawes berch®) unde den 
meddach dar vertert 1 goltgulden und 56 krutzer?), 
und is 3 mele van Reydt tho Nueders. Tegen den 
avent geredden tom Haveke !P) liggende by en staende 
see!!) und dar vortert 3 goltgulden und 20 krutzer 
und is 2 groite mile van Nueders, und dar in gelacht 
up itlick perdt 3 goltgulden, Summa 33 goltgulden. 
Mai 15 Item den sondagen morgen Jubilate van den 
Haveke to Sevenkerken!?) geredden is 1 mile und dar 


I) Klaujen. — ?) Fern⸗-Paß. — °) Nafjereit. — *) Imſt. — °) am Inn. 
— *) Ried am Inn. — 7) Nauderd. — ®) Nicolausberg. — °) In 
der Hdſchr. kutrerz, — 1°) Wol in der Nähe von ©. Valentin a. d. 
Heide. — 2) Wol der Haid-See. — '?) Mals an der Etſch. 
Arnold v. Harff in ſ. Pilgerreife v. 1496 ff. (Ausg. von v. Groote 
Köln 1860 ©. 7), der bis hier denjelben Weg von Köln aus wie 
unfere Pilger machte, fagt: Mals is eyn groys dorff mit VII kirchen, 
darumb wyrt idt geheischen Sevenkirchen. 


177 


messe gehort und den meddach vertert 1 goldgulden 
39 krutzer. Van Sevenkerken tegen den avent to Lets!) 
is 3 mele, dar dey nacht bes tom anderen dage; to 
meddach vertert in Hans Beke syn hus 5 goltgulden 
und 12 krutzer, und dar stet tegen up enen hogen 
berge en || capelle, dar sunte Mertyn ser genedich is. S. 12. 

Mai 16 Item den mandach to middage van Letz tegen den 
avent to Meraen?) gekommen, is 3 mele und dar dey 
nacht in der kroen in Hans Wynmans hus vortert 
3 goltgulden und 3 krutzer, den knechten und megeden 
9 krutzer, vor malmoseer®) gegeven 9 krutzer. 

Mai 17 Item den dinstagen morgen van Meraen na Kalten) 
geredden is 4 mele, und den meddag in den roden 
lewen vortert 1 goltgulden 27 krutzer, und tegen den 
avent geredden to Termyn®). is engroit mele van Calten 
und dar dey nacht vortert 3 goltgulden 6 krutzer in 

| den witten lewen. 

Mai 18 Item den gudensdagen morgen geredden van 
Termyn to Trendt®), is 4 grote mele, und to medde- 
wege over Etsch gefaren, darvan gegeven 6 krutzer, und 
to Trendt in dey Kronen tor herberge gekommen und 

Wai2ı dar gebleven bis tom saterdagen morgen und dar vor- 
tert 14 goltgulden myn 12 krutzer. Noch 1 goltgulden 
dem kylindelin, sent Simon genant, geoffert, dat men &, 13. 
uns toende noch liffhafftich, so eth dey Jodden myt 
natelen, tangen und messen dot hadden gepiniget um 
des bloides willen, dat in korten yaren noch gescheyn 
is”). Noch 14 krutzer vor haver und wyn, den knechten 
und megeden 12 krutzer, und den biscop van Trendt 
syner v. g. vorwarer schenkeden uns 8 half verdel 
wyns, roit, wyt und soete gedrencke. 

u Laatih. — °) Meran. — ?) Malvafier-Wein. — *) Kaltern. — 
°) Tramin. — °) Trient. — 7) Nach Felir Fabri (Musg. des litt. 
Vereins in Stuttgart 1843) T, 76 im 3. 1475. 

XLVII. 1. 12 


178 


Item den saterdagen morgenna demsondage Jubilate 
geredden to Levyngen!), is 21/3 dusche mile van Trendt, 
so Trendt halff welsch und dutz is und dat welsche 
lant dar angeth, unde dey broders wedder ingelacht 
up itlick pert 2 goltgulden, Summa 20 goltgulden, so 
dat elffte pert verkofft wort. Der 20 goltgulden sal 
dey burserner 4 und 12 krutzer hebben, dey hey ver- 
lacht hevet, so biyven?) || noch 15 goltgulden und ©. 14 
50 krutzer, des by Michel?) von Leffyngen to Leffyngen 
vertert den middach 1 goltgulden und 54 krutzer; und 
tegen den avent in de Burge*) gekommen, is 7 welsche 
mele van Leiffyngen, dar dey nacht vortert 3 goltgulden 
19 krutzer, dem prester tor messe gegeven 7 krutzer, 
den knechten und megeden 7 krutzer. 


Mai 22 Item den sondach Cantate®) den morgen to As- 
frala®) geredden, is dat erste dorp in dem venedieschen 
lande und is 12 welsche mile van Burge, und dar den 
middach vortert 1 goltgulden und 20 krutzer und in 
ener herberge genant Anthoni de Merunum’?), und tegen 
den avent tor Sage?) gekommen, dar dey nacht vor- 
tert 3 goltgulden myn 28 krutzer, und is 7 mele van 
Asfrala. 


Mai 23 Item van der Sage den mandagen morgen ge- 
redden to Persaen?) in de stat, is 7 mele, und dar 
den meddach || vortert 2 goltgulden und 40 krutzer!P), &. 15 
und tegen den avent to Castelfranck !!) gekommen in 
den swert in der herberge, is 10 mele van Persaen, 
und dar vertert 2 goltgulden und 20 krutzer. 


1) Levico, füdöftlich von Trient. — *) Hdfchr.: bylyven. — 9) Hdidr.: 
Nichel oder Mchel, — *) Borgo. — 5) Hdichr. faljch: sondach na 
Cantate, — ®) Lage? — ?) sic! — *) Aſiago? — ?) Perfana. — 
0) Hdichr.: krutrer, — ) Gaftelfranco, 


179 


Mai 24 Item van Castelfranck up dinstagen morgen ge- 
redden na Meisters!) und to mitwegen vortert 1 gold- 
gulden und 16 krutzer, und tegen den avent to Meisters 
gekommen, is 18 mele van Castelfranck, und to Meisters 
in dey kroen by enen duschen wert genant Jacob tor 
herberge gelegen. 


Mai 25 Item den gudensdagen morgen uthgesant to Ve- 
nedien van den broderen myt namen her Evert van 
Cobbenrat decken, Goddert Ketteler, Johan van Hanx- 
lede und Johannes Hageboeke umme tydynge to ver- 
horen, und synt van Meisters in vordekeden wagen ge- 
faren bis to Margeyr ?), is 2 mele, und dar int schep 
gesetten und gefaren to Venedien in dey stadt, is 5 
mile, und in den witten lewen tor herberge gefaren, 


und dey wert is en Nederlender || genant Jacob. So ©. 


Mai 265yn de den donnerdach myt dem patroen weder to 
Meisters gekommen und den tolmetzen, Michel genant, 
und hebben myt den broderen gekalt der reyse halven, 
und tegen den avent is dey patroen weder to Venedien 

Mai 27gefaren und wy broder synt eme den fridagen morgen 
semptliken to Venedien gefolget und in dey vorg. her- 
berge gefaren und do myt dem patroen overgekalt und 
verdragen, als wy dat schyp hadden geseyn und dey 
patroen uns annam, als dey ander patroen uns ock gerne 
hedde gehat, so dit yar dar twe naven na Jherusalem 
gengen; und dat verdrach vynde gy int leste van dussen 
bokesken. 


Mai 28 Item den saterdach syn wy broders semptlich myt 
dem patroen und tolmetze tho scheppe gefaren an en 
stadt vaste by Venedien to Moraen?) genant, dar men 


ı) Meitre. — *) Malghera. — *) Murano. Das Glasblajen erwähnt 
u. A. auch Otto Heinrih Pfalzgraf bei Rhein; vergl, Röhricht- 
Meißner, Deutiche Pilgerreilen S. 357. 

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de glase maket, dey wy segen blasen. Int erste queme 

wy tuschen Venedien |] und Moraen in sunte Augustinus €. 17 
closter, dey kerke in sunte Cristofferus ere gefundert, 

dar sunte Gracijan liffhafftich is. und is en broder van 
denselften orden gewest und doit groit mirakel. 


Item vort in sunte Michels kerke gefaren und is 
en closter van sunte Benedictus orden, vort licht dar- 
by sunte Georgius closter, dar an gefaren, dar stan twe 
hoge altar, in den enen altar tor rechleren hant secht 
men, dat sunte Steffen dar under liggen solle und be- 
nedden in der kerken an der selven sydt licht sunte 
Eustachius syn corpus, dar wy unse pater noster leyten 
roren, und dat liff liffhafftich segen liggen. Dar tegen 
over an der anderen syt der kerken in enem altar licht 
sunte Pauwel martir syn corpus, dar achter den altar 
is eyn capelle, dar men uns toende und mede bestreken 
worden myt sunte Jacob minor syn hovet, sunte Geor- 
gius hovet und syn || luchter arm, und van sunte Cos- &, ı5, 
mas und Damianus hoveden in eyn silveren hovet ge- 
wracht, und sunte Lucien luchteren arm. Vort in dey 
stadt Moraen gefaren und dar getert und uns myt den 
patroen vrolick gemaket, dar dey patroen dat alle be- 
talde, des wy dar vordeden; und tegen den avent 
wederumme to Venedien gefaren in unse herberge. 


Mai 29 Item den sondagen morgen Vocem jueunditatis 
syn wy broders gefaren in sunle Helenen closter buten 
Venedien und dar messe gehort up sunte Helenen altar, 
dar sey liffhafftich licht als wy sey geseyn hebt und 
unse pater noster laten roren, und is en closter van 

Wai30sunte Bernhardus orden, und den mandag wederumme 
na Meisters gefaren unde under wegen in sunte Secunda 
closter gefaren, dat en junfferneloster is, dar sancta 
Secunda liffhafftich lieht als wy geseyn hebt, und tegen 


181 


den avent to Meisters gekommen und |] dar gebleven S. 19. 
bis tom dynstagen avent, 


Rai 31 Item den dynstagen avent wederumme to Venedien 

juni 1 gefaren und den gudensdagen morgen to meddage to 
der hilligen dreyvoldicheit gefaren und to sunte Marien 
charitas, und is eyn closter van synte Augustinus orden 
und vort to sunte Rochus gefaren, dar syn corpus 
liffhaftich licht, und darby to den fratern to Minoer, 
dar dat hillige cruce genedich is, und is en groite 
kerke wol gefyret van mormelen gesteynten. 


juni 2 Item den donnerdagen morgen is unses heren 
hymmelfart gewest, do to schepe gefaren an den pallas, 
dar wy segen, dat dey heren van Venedien in eyn groit 
schip gengen, dar en brugge van den pallas up scheppen 
gemaket was bes an dat groite schep, dat tho dusser 
nabescreven processien sunderlingens gemaket is, und 
boven bedecket myt roden syden satyn, unde voren |) 
myt groter pomperye int mer by dey twe slotte, dey ©. 20. 
by sunte Nicolaus kerken liggen. Up den sceppe weren 
achte vergulde veneken und eyn hovetbanner van enen 
gulden stucke und eyn vergolt wapen an den mas- 
boem, und vor up den scheppe sat sancta Justicia up 
enen lewen, beide verguldet, und noch vele ander sceppe 
mit veneken und ander barken by dey 2 dusent. 
Tuschen den slotten synt de heren myt dem scheppe 
wederumme gekart und dar gehalden, dat dey patriarcha 
dat mer tribbede!) van des hertogen wegen myt enen 
gulden rynge, unde warp den int mer; und dar helden 
twe galleyen int mer wol gerustet myt luden, bussen 
und trumpet &c., der en quam und toch umme dey 
heren van Venedien her myt grotem geschutte sey aff 


2) — benedicit? Gemeint ift die Vermählung ded Dogen mit dem 
Meere, 


182 


leiten gaen, und van dar wederumme na sunte Nicolaus 
kerken getogen, dar men messe in discante sanck, dar 
gengen ses spillude vor dey itlick || eyn silveren besune S. 21. 
drogen, dey so groit und so lanck was, dat itlick enen 
yungen moste hebben, den sey de besunen up dey 
schulderen leggen mosten, und noch vele mer schal- 
meider und ander spill. Als dey messe uth was, synt 
sey wederumme in Venedien gefaren myt groter pom- 
perye, und dey heren van Venedien synt ser kostlick 
van clederen gewest, und myt kostliken geschutte, dat 
van den scheppen genck, als dey hern wedder an dey 
stadt quemen. 

Juni 3 Item den fridach dorch dat pallas in sunte Marcus 
kerken gegangen, dar 4 metalen perde up staen an dem 
plaz uth, und sunte Marcus toern is dat dach myt du- 
katen golde verguldet und sunte Marcus dar boven 
up verguldet und dey torn steyt van der kerken um- 
trent 18 strede weges, und in der kerken steit eyn 
malt crucifix up den altar tegen der kameren, || dar der ©. 22. 
Venedier schat ynne is, dar dobbelers gekommen synt 
und hebben dat crucifix dorch gestecken und gehowen, 
dar do bloit uth vloith, als men noch seyn mach; und 
an den choer stan up beiden syden 2 rode pilers, 
synt dey 4 pilers, dar Pylatus uppe sat, als hey syn 
hande wosch und wolde sick unschuldich kennen. 

Item dussen selfften vridagen avent van Venedien 
gefaren na Paduwa und en schep gehuret, dem gegeven 
van 9 personen 12 marcell, und 9 marcell is en golt- 

Juni 4 gulden; und den saterdagen morgen to Paduwa ge- 
kommen im Toerne tor herberge; und in der stadt is 
vil hilgedomes, dan men woldes nicht thoenen dan 
up syn secker tyt. 

Juniß Item den mandach na dem sondage Exaudi des 
morgens wederumme van Paduwa na Venedien gefaren 


Quni 7 


183 


und dem schepman gegeven 8 marcell, und den avent 
gekommen to Venedien. || 


kerke gegangen und gefaren, dar men uns pelgerym 
alle gethonet hefft der Venedier schat, dey so kostlick 
was, und deschat licht in dem orde na den water uth, 
unde dar synt 2 yseren doren vor und dyt nabescereven 
geseyn up eyn lange taffel gedeckt: Item des hertogen 
bernet myt kostliken gesteynten, item noch 12 kronen 
van golde gemaket myt gesteynten, item noch 4 kar- 
bunculen steyn so groit als honereyger, dey myt perlen 
umme dat benet weren bevatet, so groit als haselnotte; 
item noch en kasseldomen krois!) van 1 mengelen?), 
noch andere krose van edelen gesteynten, noch grote 
smarachden als 2 hant breit; item noch 7 gulden borst- 
stucke mit kostliken gesteynten; item noch 1 kostliken 
kelck, dey by na en arm lanck is, myt tabernakelen 


Item den dynstagen morgen in sunte Marcus ©.23. 


und gesteynten, und noch || gulden lochter kostlick ge- ©. 24. 


maket; item noch drey hele enhorn), der twe lenger 
weren dan dey en, und der is wol en ses uff vii voit 
lanck; item noch vele andere silveren vate und cleinode 
und gesteynte so kostlich, dat men des nicht so scryven 
kan als men dat geseyn hevet. 


uni 8 Item den gudensdagen morgen to sunte Lucien 


gefaren und dar messe gehort, und dar sunte Lucien 
corpus licht behalven en arm als wy geseyn hebt, und 
dey pater noster leiten roren, so dey hillige junffer 
noch en kroen myt perlen und gesteynten up ere hovet 
hefft, und tegen den avent wederumme tho Meisters 
gefaren. 


1) Kanne, Krug. — *) Kleines Maaß. — ?) ein Trinkgefäß. Bergl. 
Röricht-Meifner a. a. D. 172 Anm. Daſ. erwähnt Dietrich von 
Schachten nur ein Einhorn, Tihudi a. a, O. 42 drei, 


184. 


Juni 14 Item des dynxslages to pynxten is unser broder 
en deil to Venedien gewest und in sunte Rochus kerken 
gegangen, dar alle dey pelgrym, dey to Venedien weren, 
in gewest synt, dar men hochtidich messe sanck in 
sunte Rochus broderschop; und || men sach dar sunte ©. 25. 
Rochus liffhafftich liggen und alle dey pelgrym oflerden 
erst tor messe und dar na vor sunte Rochus licham, 
dar men allen pelgrym en kerse 1'/, spannen lanck 
in dey hant gaff und leiten unse pater noster bestriken. 
Als de messe uth was, genck men in en processien, 
dar men en dornen van der dornenkroen unses leven 
heren hochlick droch myt 20 vergulden lochters, dar 
dan sworte kersen uppe stonden, und itlick borger van 
Venedien, dey in der kerken weren und in sunte 
Rochus broderschop horden, nemen enen pelgrym und 
gengen in dey processie, und vor der kerken in dem 
uthgange stonden 2, dey deden itlicken borgeren und 
itlicken pelgrym en waskersen in dey hant van en verdel 
punt wasses, und gengen uth sunte Rochus kerken in 
dey grote kerke, dey darby licht, dar dey pelgrym offer- 
den und dar men uns toende dat bloit Christi de mi- 
racula und enen voit || Danielis des propheten, dar men &. 26. 
offerde, und gengen wederumme in sunte Rochus kerken, 
dar men dey lengeste kerse wederumme gaff, und gengen 
wederumme in de herberge. | 

Item den meddach in sunte Barberen closter ge- 
gaen, dar sunte Barbara liffhafftich licht behalven dey 
kywen!) van den hovede und sunte Cristoflerus 
leendenben und van sunte Laurentius 2 armpipen, dar 
noch vele mer hilligedoms ynne was, allet myt unsen 
pater noster bestrecken. 

Juni 22 Item up gudensdach vor corporis Christi syn wy 
broders sementliken gekommen van Meisters, dar wy 


1) Kinnbaden, 


185 





hochtyt hedden gehalden und synt to Venedien gekommen 
umme dey processie to halden, dar wy alle myt yn 
gengen, dey so kostlick und schon gemaket was und 
tho genck, dat eth so nicht wol tho seryven is als wy 
dat alle geseyn hebt. 

Zunt 23 Item den donnerdagen morgen nemptlich up dach 
corpus Christi synt alle || pelgryms sementliken in sunte ©. 27. 
Marcus kerken gegangen und en deil to scheppe ge- 
faren, dar dat ganse welffte an der kerken kostlick 
verguldet was, und synt up dat koer gegangen, dar 
gestolte was gemaket vor dey heren van der stait und 
pelgryms. So synt dey hern van der stat aldar upt 
koer gekommen in kostliken cleydern gulden stucke, 
carmesyn, fluel!), dammast und scharlaken, dar sey 
myt gecleidet weren, und synt an en sydt gaen sytten, 
und dey pelgryms up dey ander syt des koers, dar dey 
patriarcha is gekommen myt 7 deyners in epistelrocken 
gecleydet van gulden stucken und hefft dar gesetten 
up enen gulden stoil und hevet dey messe angehaven 
myt kostlikem discante und orgelenspill und hebben 
de misse gesungen bis dat men unsen hern got upge- 
haven hefft. Do is dey processie angehaven als hyr 
na gescreven steit: || 

Item int erste synt 5 broderschop gekommen, ©. 28. 

dar wol by 2 dusent Jude ynne waren, und dey vor 
den patriarchen mosten overgaen und weren alto male 
wyt gecledet und witte runde benette uppe; und dyt 
weren dey broderschappe, de erste is genompt de 
sancta Maria misericordia, und hedden 14 par gulden 
lochter myt witten watskersen und en crueifix myt 
ener fanen navolgende und van der broderschapen en 
itlick ene bernende waskersen moste dregen. 


1) oder fluwel, flowel = Samt. 


186 


Item dar na is gekommen des hilligen Gestes 
broderschap und groen kersen dragende und myt 13 
par lochteren und itlick broder en groen waskerse 
dragende und en cruce als vorg. 

Item darna sunte Johannes baptisten broderschap 
und 13 par vergulden lochter und brun waskersen 
dragende und en cruce myt der vanen als vorg. 

Item dar na sunte Rochus broderschap all wyt 
gecleidet als alle dey vorg. broderschappe synt gewest, || 
und dusse was ser kostelick tho gemaket. Tom ersten €. 29. 
synt sey gekommen und hebben 24 par vergulden 
lochter gedragen myt swarten kersen und en cruce 
myt der vanen, und dar gevolget dey historie van Adam 
und Eva und van Cayn und Abel und van dem alden 
testamente kostlick uth gerichtet, altosamen levendige 
personen myt gulden und silveren stucken und ander 
fluel, dar sey myt gecleidet weren. Als dey historie 
uth was, dar na synt wol 50 par broders gekommen, 
dey itlick drogen en erer hant en silveren geschenck 
van kannen, krosen, schalen, groite becker, und dat 
kostlick was, und dar na dey broders volgende myt 
swarten waskersen. 

Item darna is sunte Marcus broderschap gekommen 
myt 13 par vergulden lochteren und eyn vane myt dem 
cruce und dey || broders drogen up ener baren silveren & go, 
geschencke van vleschen, schalen, kannen und ander 
geschenck upgesat na gesteltnesse ener borch, und dey 
broders volgeden myt roden kersen dragende. 

Item in itliker broderschap weren gestalt cleyne 
kynder, dey uthgerustet weren in gulden stucken und 
andern siden cledern in gestaltnesse der engelen und 
in eren hande dragende silveren geschenk, dar groene 
kruth und blomen yn weren, dar sey dey heren van 
Venedien und dey pilgrym mede bestreiden; welcker 


187 


kynder so kostlick weren uthgerustet par by par, itlick 
par over en cledynge gecledet und ere vlogele over 
ens all van syden satyn off sloyer!) er cleder gemakt. 

Item dar na synt gekommen monnike in dey 
processie eyn vane myt en eruce?) und en par torssen 
dar vor, dat hadde itliker orde, und derorden was 18, 
und itlike orden hadden || er epistelrocke und messe- ©. 31. 
wande so kostelick van gulden stucken als men dat 
seggen kan, und gengen all twe deyners vor in epistel- 
rocken und en prester in eyn messewant &c., so dat 
dar orden myt weren, dey so 20 off mer der epistel- 
rocke hedden van allen varven, und itlick monick droch 
en witte waskerse van en halff pundt, und der moneke 
weren over de dusent. Als dey tegen den patriarcha 
quemen, gaff dey patriarcha dey benedictien over sey 
altomale. 

Item darna synt gekommen prester van 12 paro- 
chienkerken, eyn deil myt koerkappen, itlick porrochia 
mit erem cruce dar vor myt kersen. Der prester weren 
wol 2 hundert. 

Item darna is dey patriarcha myt den prestern, 
dey de messe sungen, in sunte Marcus kerken |] [ock]?) ©. 32. 
in dey processie gegangen, und 4 prester drogen dat 
hillige sacrament up en gulden barde kostlick verguldet, 
und dat hillige sacrament stont in enen langen kostliken 
kelck, und dar drogen & prester en gulden stucke 
boven und drogen vor dat hillige sacrament wol 30 
par kerssen, itlick kersse van 6 punt wittes wasses. 

Item dar na synt dey heren van der stadt eyn 
in eyn gulden stucke, und dey andern gecleidet wo sey 
vorg., dem hilligen sacrament gefolget unde itlick her 


to 


) &o für „floyel”? — ?) Dies Wort fehlt in der Hoſchr. — °) un- 
deutlich, aber jo wol zu leſen. 


188 


van der stadt hefft enen pilgrym boven sick genommen 

to gaen und der processien so gefolget, und in dem 
uthgange heflt den heren van der!) stadt und uns 
pelgryın gegeven en witte waskertze van !/s punde 
bernende, und so gevolget myt bernenden kersen. Als 

men in dey kerke wederumme quam, nam men dey 
kersen van den hern, und nicht van uns pel || grym, ©. 33. 
und gengen myt den hern in den pallas boven up en 
ummeganck, und nemen orleff van den heren und ge- 

faren tor herberge. 

Item ock to wetten, wo sey ‚gegangen synt myt 
der processien. Dey broderschoppe synt neden in dey 
kerke van dem platze gekommen und ock de vorg. 
historia, dat all levendige lude weren und up groten 
barden droch, und synt up den kor vor dem hilligen 
sacramente over gegan und vor dem patriarchen und 
synt to der rechteren hant van dem koer weder uth 
der kerken gegangen umme sunte Marcus platz, so dey 
verkant is, und was myt enen laken boven bedecket, 
und up itliker syt van dem vordeckden gange stonden 
alle 5 strede van en ander grote lochter myt bernenden 
waskersen, und als dey moneke und heren in sunte 
Marcus kerke quemen an dey sydt, dar men dat ewan- 
gelium synget, dey gengen ock over || dat choer vor dat & 34, 
hillige sacrament unde folgenden der broderschappen. 
Als itliker orde van monneken und itlike porrochie- 
prester tegen dat hillige sacrament quemen, so hebben 
sey den ymnum angehaven to syngen: Pange lingwa 
und synt vort gegan. 

Item ock als men dat hillige sacrament up alle 
veer orden des platz quam, vel dey patriarcha neder 
myt allen pilgrym op er kney, dar dat hillige sacrament 


1) Hdichr.: den. 


159 


restede, und sungen, und boven den ummeganck so dey 
to gemaket was up allen husern darumme her sach 
men der hern van der stadt vrowen in venstern liggen 
up groiten kostlicken tapeten uth den venstern hangende 
und boven den venstern umme der sonne willen, dar 
dey vrowen so kostlich stonden und leiten sick be- 
schowen; anders en konde men er nicht to seyne 
krygen!), und itlick hadde eyn weyger van plumen in 
der hant umme hitte willen. || 


Zunt 28 Item so syn wy up sunte Peter und Pawels ©.35. 
avent in dey kerke gan de corpore Christi. Dar heb 
wy broders und dey Hollender messe gesungen, und up 
3uni29 sunte Peter und Pauwels dag syn wy semtliken to 
scheppe gefaren, so unse grote schip buten dem slotte 
by Venedien lach in dey havynge umtrent 5 welsche 
mele, und dar in godes namen in gefaren. 


Item so syn wy van den donnerdagen up den 
Sufii fridach na sunte Peter und Pauvel in godes geleide 
affgefaren na Parens?) und umme storm des wyndes 
Zuli2 syn wy Parens vorby gefaren und synt den saterdagen 
avent gut tyt to Rulbinen®) gekommen in dey haven, 
dar unse patroen syn parvande koffte, dat 8 mele is 
boven Parens, und Parens is hundert mele von Venedien, 
und eyn sloit licht tuschen Parens und Rulbinen, dat 
dem bischop to Parens hort, und Rulbinen licht an 

eyn || geberchte up en cleyn bergeken runth int mer ©. 36, 
und is en cleyn vleckesken, und dar licht en Obser- 
vanten*) closter by ant geberchte und dar is starck 
und gutlı wyn und gutlı kop. Und dar vaste by licht 


1) Ganz anders allerdings berichtet und urteilt Dietrich von Schachten 
über die Frauen Venedigs. Pol. Röhricht-Meihner a. a.D. 171. — 
2) Parenzo auf Zitrien. — ?) Rovigno ebenda. — * Hdſchr.: Ob- 
steryauten, 


190 


en bergeken, dar sunte Gregorius 7 yar gefangen sath 
und dede penitentie als men secht, do hey tom paweste 
gekoren was. 

Zuli 7 Item den donnerdagen avent weder in gotz namen 
afgefaren uth der haven to Rublinen!) und synt so 
veer int mer gekommen, dar wy steynelippen segen, 

Zulis und van den donnerdach up?) fridach hebbe wy enen 
groten storm gehat und donnerde und blixemmede, und 

Auli9 segen den saterdach vische, dey vleygen konden, und 
quemen vel vische by dat scep, dat er natur is; dey 
schipknechte schotten dey mit geren und stralen ?) myt 
langen steven und dar snoer angebunden. 

Juli 12 Item dar na syn wy gekommen || up sunte Mar- 
gareten avent, dey des dynstages was, to Zanten off 
Janten in dey haven und dar gekofft honder und eyer, 
und dar licht en schon sloit boven up dem berge und 
dar tegen over up dem eylant licht en vast sloit, dat 
den Torken tohort genompt Moree®), und dar noch 
entegen over licht en starck sloit genompt Valeive°), 
dat den Venetianen®) tohort, und myt dem slotte be- 
dwyngen sey den Torck, dat hey nicht in eristenlant 
kommen kan. Und Janten is ock eyn eylant, dat wol 
70 mele lanck und breth is und hefft wol 60 dusent 
man, und de wyn is dar starck und wesset des yars 
drey mall, und grote druven. 

Juli 18 Item up sunte Margareten dach des avendes syn 
wy myt dem patroen weder in unse schip gefaren und 
in gotz geleide na Rodus gefaren. || 

1) sic! — 9) Hdichr.: und. — *) Pfeil. — *) Bei Tichudi 64: Torneſo 
in Morea; vielleicht liegt bier eine Verwechlelung ınit dem Namen 
der Halbinjel vor, auf der das Schloß lag. — °) Valevie zu lejen? 


Tſchudi 65 erwähnt hier aud ein venetianisches Schloß, gibt aber 
feinen Namen. — °) Hdichr.: Venetranen, 


©. 37 


191 


Quli 14 Item den donnerdagen morgen so ver int mer &,38, 
gekommen, dat wy en slot in Torkyen segen liggen 
genompt Tzaensi!) in dat lant van Morym?). 


Juli 15 Item den fridach gekommen tegen Modon, dat 
Cristen plach to syne, dat dey Torke nu under heflt, 
und is en schon stadt an dat mer, dar en torn ynne 
steit, dey hundert dusent ducaten gestanden hefft. 


Juli 16 Item den saterdach gekommen tegen enen berch, 
dar dey Troyaners uppe verslagen worden, und in dem 
lande plach dey stat van Troyen to stande®), dar en 
mur umme was, dey was lanck 7 mele, und dey stadt 
is verdestruert, und sancta Helena hefft dar vele wunders 
bedreven in dem lande, dat to lanck to scryven is, und 
synt eylande, dar wy by herforen. 


Sui19 Item den dynstag gekommen || an dat lant van & go, 
Rodus, dat 16° welsche mele van Venedien is, und dat 
gefaren in 19 dagen; so quemen wy an en sloit, dat 
Nyendorp®) up dutz genompt is, dar unse leyve vrowe 
vaste by up dem hogen berge ser gnedich is, unde 
langes dem mer liggen vele waketoern um der Torken 
willen unde liggen ock vel slotte. So syn wy den 
dinstagen avent late to Rodus in dey have gekommen. 


Zuli 20 Item den gudenstagen morgen uth dem schippe 
gefaren to Rodus an dey stat, dar dat mer an dey 
muren wendt, und synt in dey stadt gegaen, dey ser 


1) Eyparijfia ift wol gemeint, jeßt Arkadia; vgl. auch Conrady, Vier 
rhein. Bal.-Pilgerreifen ©. 98. — *) Morea. — *) Hier liegt ein 
Irrtum vor, gemeint ift Gerigo (Kythera), an das ſich die Sage 
fnüpft, dab hier Menelaus gewohnt hat und von hier Helena geraubt 
wurde. Bol. 3. B. Bernh. v. Breitenbad bei Röhricht-Meifner 
S. 135 und Dietrih v. Schadhten a. a. DO. 10—1 u. A. — 
*) Billa Nova, vgl. B. v. Breitenbach bei Röhricht-Meifner a. a. O. 
©. 136. 


192 


starck und vast is, und buten der stat liggen 4 torne 
dey dey grote mester van Rodus nicht en versoldet 
dan dey balyers uth Franckrick, England, Hispanien 
und Borgonien, welker so starck || synt und wol toge- &, 40. 
rustet myt luden und geschutte. Und als wy in dey 
stat gekommen synt mit namen Derick van der Recke 
und Johannes Hagebocke an enen heren van sent 
Johannes orden genant her Wulff!) van Wetzs by Basel 
in dusche lande geboren und vrageden en na her 
Frederick van Keppel uth dem stichte van Monster 
geboren, dey uns berichtede, dat hey wer in Torkyen 
up sunte Peters sloit?), dat hundert mele van Rodus 
is, und moit dar en yar lanck syn so queme hey weder 
to Rodus; und de vorg. her Wulff entfenck uns so 
geutlick und dede uns gude anrichtynge und is myt 
uns int schip gefaren unde unse broder in dey stat 
gehalt und brachte uns up en fyn hus myt kameren 
und bedden wol togerustet unde dey grote mester van 
Rodus heft || uns vort den morgen ambiten gesant und S. 41. 
den middach kost genoch und twyerleye wyn in sil- 
veren kannen, und gegetten und gedrunken uth groten 
silveren schalen, item silveren schottelen, silveren teller, 
silveren hantvat?), und dar deyner to geschicket, dey 


!) Oben pag. 119 wird er Wulff van Masmonfter genannt. Derſelbe 
wird and) 1520 von Heinrich Wölfli erwähnt. Bergl. Röhricht, 
Pilgerreiien ©. 229. — *) Bol. aud) unten pag. 113, wonad) es 
umweit „Yungwe“ oder Yango lag. Ditr. v. Schachten (NRöhricht- 
Meißner a. a. O. ©. 182) nennt nad) Yango die Injel Piscopia 
(nw. v. Rhodos) und jagt: „hiender derselben Jnsell hinein ist 
das slos S. Peters, auch S. Johannesser herren ... und liegtt 
auff des Tuercken landte.* Demnad) ift die angegebene Entfernung 
ftarf übertrieben. — °) Nah D. v. Schadten a. a. O. ©. 186 
wurde dad Eilbergejdirr der Johanniter daj. auj-16000 Dutaten 


geihägt. 


193 


uns deynen mosten, und derselve groite mester hefft 
uns seggen laten, wes wy begeren, solden wy seggen, 
und was uns syne genade to willen don konde, solde 
wy syne genaden ungesparet vynden, des wy uns sement- 
liken tegen syne genade bedanckeden. Den namiddach 
syn wy in sunte Johannes kerke gegangen, dar 16 sil- 
veren lampen in hangen myt silveren ketten, dey bernen, 
und dar toende men uns dyt nabescreven hillegedom: 
sunte Johannes baptisten hant, dar unse leyve here 
Jhesus Christus myt || gedopet wart van sunte Johanne, S. 42, 
van sunte Annen arme, sunte Marien Magdalenen vynger 
und noch en stucke van eren licham, noch en stucke 
van dem hilligen eruce; und dar synt 3 dornen van 
unses leven heren dornenkrone, der en up alle stillen 
fridach bloyet und en blome affvelt als men uns ge- 
sacht hevet; noch vele mer hilligedomes, dar wy unse 
pater noster leiten an roren. Dar na syn wy gegangen 
in des groten mesters pallas und ock in dem umme- 
ganck van den pallas und darna in den bomgarden 
gegangen, dar mannigerleye van vruchten ynne wassen, 
und dar by in enen anderen hoff geseyn, dey under- 
scheyden is, und negest des meysters borch lach vil 
wildes, der en del ser grote twyger up eren hoveden 
hadden, en deil nicht; dar by is eyn hoff myt hondern, 
dar en oven ynne steit; wan men versche eyger || hefft, ©. 43. 
lecht men in den oven und temperert den oven myt 
fuer und maket in dren ure tydes dar kueken uth!). 
Darby is en groit hoff, dar gan ynne strus, der 5 was, 
jungen und alt, so sey in den hove tuchten. Ock vele 
gense und esele, dar to Jude geordnert synt, dey den 
hoff verwaret. Noch heb wy vil kostlikes geschuttes 


) Ueber die „ſonſt nur in Aegypten gebräuchlichen Brutöfen“ j. Röhricht, 
Pilgerreifen 77 Anm. 300. 


XLVM. 1. 13 


194 


geseyn und synt kostlike graven und muren an der 
stadt und alle dey huse synt gewelvet und boven myt 
kalke to gemaket sunder pannen off ander dack. Ock 
synt dar over 2 dusent Torken genompt Slaven, dey 
de hern van Rodus uth dem Torkenlande hebben ge- 
fangen, dey moiten arbeiden und dregen alle dage dat 
to Rodus to done is, gelick eselen und ander beiste 
doen, und heben um en ben eyn iseren rynck gesmedet, 
und men drivet sey alle avende up eyn nap!) in torne 
als hunde, und dey || grote mester hadde der Torken 
vele gekofft, want enen Turken kan men kopen um en 
ducaten. Item noch hebben dey hern van Rodus en 
slot in den Torkenlande genant to sunte Peters sloit, 
dar hunde uppe synt, itlick syn leger gemaket is; wan 
dan dey overste wechter ludet, wey dan nicht up der 
wake en is, lopen dan dey anderen hunde und biten 
den uth dem leger. Noch to enen mirakel up denselven 
slotte, also dat dar en groit her van den Tork enen 
hunt gehat hevet, welcker hunth van den Torken ge- 
lopen is an sunte Peters slot vor dey porten, so is dey 
hovetman gekommen van der borch vor dey porten und 
dey hunt is eme upt liff gesprungen umme vruntschop 
to bewisen, und hefft den hundt to sick up dey borch 
genommen und dem hunde syn leger gemaket vor der 
porten und geyn dyr en mach up dey borch kommen 


©. 44 


dat || en kome den Christen to; darto wan dey hundt ©. 45 


des nachtes dey clocken hort luden, dat dey wechters 
waken solt, so lopt dusse hundt umme dat slot, wey 
nicht up der wake en is van luden und hunden, dar 
byt sick der hundt mede up dat hey waken solle. So 
quam up en tyt dat dey Tork, den dey hunt thoharde, 
quam an dat slot riden und wolde den hunt weder 


1) Oder hap? 


195 


hebben myt geleide, so hefft dey hovetman den hundt 
van der borch laten kommen und de hunt is to dem 
Tork in gesprungen und wolde en van dem perde to 
riten, hedden em dey Cristen gedan, und dey hunt leip 
weder up de borch und is noch dyt yar dar uppe ge- 
west, und vele Cristen, dey gefangen synt van den 
Torken, de sick loven to sunte Peters slot und werden 
verlost. Den selfften gudensdagen avent hefft uns dey 


groite mester erliken dey kost || und wyn gesant gelik &.46. 


den morgen und middach und na der maltyt wederumme 
in unse schep gefaren. 


Juli 21 Item den donnerdagen morgen syn wy in gotz 
geleide van Rodus uth der have gefaren und den maen- 
Juli25 dach so vere gekommen, dat wy dat hillige landt segen, 
und vellen neder up unse kney van pilgeryms und 
sungen Te deum laudamus. Und den dynstag morgen, 
Zuli26 was nemptlich des dinstages na sent Jacob, syn wy tho 
Japhat!) in dey haven gekommen und tor stundt 2 
uthgesant van den erentfesten negest den patronen na 
Jherusalem um geleide to verwerven van dem heren van 
Jherusalem. So hebben dey uthgeschickeden des fri- 
Zuli29 dages unsen patronen weder gescreven, dat alle dynck 
wol bestalt wer, und dey Tork hevet unsen patroen 
Zuli30 en wilt swyn int schip geschicket. Des saterdages is 


dat geleide gekommen in beide sceppe || und unse schip S. 47. 


was er in der haven tho Japhat dan der Delphyn?,, 
dey myt synen pelgrym 3) 11%) dage vor uns uth der 
haven van Venedien toch; unde als dat geleide quam, 


2) Zoppe. — ) Nah Tihudi (a. a. ©. 10), der mit diefem Schiffe 
fegelte, hieß der Patron defjelben Ludwig Delphin. — °) 102 an der 
Zahl, Tſchudi a, a. D. 52, während der andere Patron, aljo unferer 
„bey 90 bilgern“ Hatte. — *) Vielmehr nur 8 Tage; das Schiff des 
Zichudi jegelte am 21. Juni ab (Tſchudi 53). 


, 13* 


196 


wort 3 male van itliken sceppen myt bussen geschotten 
und dat banner uthgestecken, und dey Turk hefft en 
pavlun int erste upgeslagen an dey twe torne boven 
Japhat liggende, dat waketorne synt und hefft eyn slot 
gewest. 

Aug. 1 Item up maendach to middage — is nemptlick 
sunte Peters dach ad vincula gewest — is dey gardian 
in unse schip gekommen und weder uth gefaren und 
dar na uns eyn prediker gesant int schip, dey uns 
predikede, wa wy uns halden solden und sachte, wy 
moisten patientien liden myt allem des uns anqueme, 
und hefft uns gesacht tho bewaren vor viff stucken. 

Tom ersten offt way wer, dey || geyn orloff en ©. 48 
hedde van unsen hilligen vader den paweste, dey moste 
orleff hebben, wante dey gardian hedde dey macht em 
orloff to geven und dar van tho absolveren. 

Tom anderen dat wy myt vullenkommen beruwe 
unser sunde syn sollen, und hey wel uns en guden 
bichtvader bestellen und geven em pawestes macht tho 
absolveren. 

Tom derden dat wy myt vullenkommen beruwe 
und gelowen hebben tho allen hilligen plettzen, dey 
men uns wiset, alse dat in vortiden gewontlick is 
gewest. 

Tom verden dat wy uns verwaren, dat wy nicht 
up der Torken grave en treden, so sey des nicht liden 
moget. 

Tom vifften dat wy uns vor enen Morian hoiden 
solden, dey konde dutz, weltz, fransois, dey solde van 
uns verhoren, off dar ock Hispanier off Portugalosen!) 
mede || manck uns weren eder ander grote hern. ©. 48 


ı) „Daun fie in ungnaden des Turcken jeind“ jagt Tſchudi a. a. O. 
©. 102. 


197 





Item darna syn wy myt der boiten ant landt ge- 
faren, dar dey Torken myt den patroen und gardian 
an dat water gaen sitten und hebben alle pelgrym in- 
gescreven, und den namen mot itlick behalden. Als 
wy ingescreven weren, hefit men uns in en gath an 
der kant des meres geleidet, dar drey gatter liggen als 
keller under dey 2 torne to Japhat, dar weren hoender, 
eyger genoch veile. Und by Japhat licht en steyn ge- 
nant sent Peters steyn, dar is dey stede, dar sunte 
Peter vischede als unse leyve here tho em quam, dar 
dat ewangelium affsprecket. Ock Japhat is en schon 
stat gewest, dey verdestruert is als men noch seyn kan 
an den fundamenten, dar dat mer nu over geith. Und 
dey patroen was alle tyt myt dem gardian by uns und 
uns wort verbodden, || dat wy neimant seggen solden, ©. 50. 
war wy her geboren weren und uth wat lande. 

ug. 2 Item den dynstag hefft unse patroen uns en baryll 
wyns in dat middelste gat gesant, so dey gardian und 
unse patroen in den oversten gatte legen und van dem 
anderen schippe in dat derde gat. 

Item den dynstagen avent hefft uns unse patroen 
noch en baryll wyns gesant, so wy 2 nacht an dem 
gatte liggen mosten. 

Ing. 8 Item den gudensdagen morgen to 6 uren heb wy 
pelgrym tosamen up dey mulen und esele gan sitten 
und geredden bis tho Rama und is 2 dusche mele van 
Japhat und dar in den hospitael gelegen, dat dey her- 
toge van Borgonien hefft gestifftet ), dar vil kameren 
in synt und licht in der stait tho Rama, und Rama 
is en schon stat gewest und is verdestruert, als men 
noch an den fundamenten suth und dar || staen noch ©, 51. 


N Ramleh; die Burg erbaute 1420 Herzog Philipp von Burgund; ſ. 
Röhricht, Pilgerreiien ©. 22. 


198 


2 lange kerktoern, dey synt fyn, und dar was alle dynck 
veile, hoender, eyger, broit, 8 eyger um en market. 

Aug.3/A Item van den gudensdach up den donnerdach um 
2 uren na meddage hebbe wy tho Rama upgesetten 
und geredden na Jherusalem, und do wy over 2 mele 
quemen, hebben wy uns gerestet an enen born und 
vort up gesedden und geredden vor Jherusalem, dat 
8 mele var den born is, und to 4 uren tho Jherusalem 
gekommen und hebben den dach grote hitte gehat, dat 
dar 5 pilgrym van hitte gestorven synt. Als wy tho 
Jherusalem quemen, syn wy up den berch Syon gegan 
in dat Observantencloster, dat hefft uns pelgrym en 
maltyt bereidet und dar gegetten und gedruncken guden 
wyn und kost. Als dey maltyt gedaen was, hefft twen 
pelgrym gedan en schartze!) und 1 kussen van leder 
gemaket || und dar myt in dat hospitael gegangen, dan &. 52. 
wy broder hedden ene gude herberge by der Greken 
patriarche, dey uns all guth dede, dan dey gemeynen 
pelgrym gengen in dat hospitael, dat myt vorscheiden 
kammeren is dat to gemaket. 

Aug. 5 Item den fridagen morgen gekommen weder up 
den berch Syon int closter und beneffen dem putte in 
dem closter twe trappen van 20 graden, dey men op 
geth und dar is en breithganck al men in dey kerke 
geith, und in der kerken upt hoge altar is de stede, 
dar unse leyve here myt synen jungeren dat aventmal 
ath, und dar is afflait van allen sunden, und 2 screde 
weges darby to der luchteren syth is dey stede und 
altar, dar unse leyve here syne yungeren dey voite 
woisch, und dar is afflat van allen sunden, und dar 
hebbe wy syngen und lesemesse gehort. Als dey messe 
uth was, hefft men || uns geprediket, wo wy uns halden ©. 53. 


2) MWolldede, 


199 


solden und offt wey wer, de geyn orleff en hedde van 
unsen hilligen vader dem pawest dusse bedevart tho 
thonde, den absolverde hey dar van und gaff allen 
presteren, de myt uns gekommen weren, so der will 
was, pawestes macht tho absolveren van allen sunden 
behalven dey dem Tork wapen tho gefort hedden offt 
des pawestes segel gevelschet hedden und tegen den 
Cristengeloven dede &c. Als dey predicate gedan was, 
hefft men den ymnum gesungen Pange lingua gloriosi 
corporis misterium. Als dat uth was, is dey processie 
angehaven unde synt uth der kerken gegaen all boven 
erden, und synt achter der kerken 14 trappen upgegan. 
Dar is dey stede, dar dey hilligen apostolen den hilligen 
geist entfengen, und dar plach en capelle to staen, dey 
verdestruert is, unde dar gesungen den antiffen!) || van ©. 54. 
dem hilligen geste; dey 13 trappen weder affgegaen 
und tor luchteren hant dey 20 trappen weder aff, dey 
men up quam beneffen dem putte tor rechteren hant 
umme in den ummeganck in en capelle in en ort ge- 
gangen, dar sick dey apostolen ynne verborgen hadden, 
als dat ewangelium dar aff sprecket, dar unse leyve 
here beslottener dor is bey sey gekommen und sprack 
Pax vobiscum. In der capellen steit en altair und in 
den alter steit en stucke van der sulen, dar unse leve 
here an gegeisselt wort, und is en roit sten gesprenckelt 
roit und lenger dan en spannen lanck und is wat 4 
span dicke. Und dey capelle is genompt sent Thomas 
capelle, want sent Thomas stack syn vynger in dey 
wunden unses leyven heren Jhesu Christi up der stede. 
Van der capellen gegaen und dey gestorven pelgrym to 
. grave gebracht und itlick pelgrym en bernende was kerse ©. 55. 
gedragen in der processien. Als dey begraven synt, 


2) Antiphon. 


200 


hefft men uns pelgrym gesacht, dat wy in unse hospitael 
gaen solden und men gaff uns wyn und broit alle dage 
eyns, en guth broit, und des morgens und avendes 
itliker tyt en halff anxter wyns, dan des avendes geyn 
broit. 

Aug. 7 Item des sondages na Petri ad vincula syn wy 
ummetrent to 3 uren tho middach in den tempel 
gagaen, dar dat allerhilligeste graff is und dar quam 
dey here van Jherusalem und sloit syn slott up an dem 
tempel, so dar twe slotte vor hangen, dat ene sluth 
dey gardian, dat andere dey here van Jherusalem. Und 
dar syn wy dey nacht ynne gebleven. Als wy uth!) 
dem tempel gegangen, syn wy int Observantencloster 
gegan und unse tuch dar in gelacht. Item to wetten, 
dat 4 closter der Observanten int hillige landt synt, 
dat overste up den berge Syon, dat || ander by?) dat S. 56. 
hillige graff, dat derde to Bethleem, dat verde to Be- 
ruth by Alkaren, und 7 sochten van luden wonen in 
dem tempel um dat hillige graff, tom ersten dey Ob- 
servanten, Greken, Armeenens, Jacobiten, Indianen, 
Suryanen®) und Nestorianen, itlick hefft synen egen 
geloven. 

Item so hebben de Observanten myt dem cruce 
und vanen dey stacien angehaven, dey men halt in dem 
tempel van den hilligen steden. 

Item tom ersten hebben sey in unser leyven 
vrowen capelle, dey vor der Observanten waninge is, 
tor rechteren hant in den tempel gegaen und Salve 
regina mit der collecten gesungen, und dit is deyselve 
capelle, dar unse leyve vrowe so bedrofflick ynne lach, 


1) &o wol zu leſen jtatt des „in“ der Hoſchr. — *) by fehlt in der 
Hr. — 5 So zu leſen für das Sinyanen oder Smyanen der 
Hdihr. Die fieben Nationen werden ſehr verfchieden angegeben; vgl. 
Eonrady, Bier rhein. Bal.-Bilgerjhr. ©. 54. - 


201 


dey wile unse leyve here in den grave doit lach; und 
do hey upgestan was, quam hey und oppembarde sick 
syner leyven moder Marien in dus ser selven capellen G. ;7. 
dar dat meddelste altar steit. Unde tor luchteren syth, 
is 2 screde van den vorg. altar, steit en stucke van 
der vorg. sule, dar unse leyve here an gegeisselt wort, 
dat is wat 3 span lanck. In dat meddel van dusser 
capellen is en runt steyn, dar sancta Helena enen 
doden menschen vorweckede myt dem hilligen cruce, 
als sey dey 3 cruce gefunden hadde; und sey halde 
ersten de 2 schekereruce, dey wolden den doden 
menschen nicht vorwecken dan dat derde und dat 
rechte cruce dar unse here Jhesus Christus an gestorven 
was; do dat quam, do wort dey dode mensche vorwecket, 
und darby wart sancta Helena gewar, dat eth dat 
rechte cruce was; do bewarde sey dat cruce, unde dey 
stucke, dey dar aflgefallen weren, las sancta Helena 
by en ander in en mur tor rechteren hant in dusse 
selffte capelle || gemuret, dar nu enaltar in deshilligen &, 53, 
eruces ere steit. Und in dusser selven capellen hangen 
4 bernende lampen, und dar is afflait van allen sunden. 
Und dusse capelle is der Observanten kerke, dar sey 
messe und er getide halden alst gebort to doen. 

Item dey ander statie is 2 offte 3 strede van 
unser leyven vrowen capellen vor der eyner doer na 
dei: tempel & trappen aff. Dar liggen 2 runde steyn 
und dey en licht wol 5 strede van der capellen, und 
is dey stede, dar unse leyve here sick sunte Marien 
Magdalenen oppembarde, unde unse leyve here stont 
up den negesten stene der vorg. capellen unde Maria . 
Magdalena up den anderen steyn, unde do se sach und 
verstont, dat unse leyve here er oppembarde, do wolde 
sey em anroren und vel em to voite. Do sachte unse 
leyve here: Noli || me tangere, dat is so vil gesacht: &,59, 


202 


Wil my nicht roren, und nam syn twe gebenediede 
vynger und druckede vor er hovet als men noch hude 
to dage suth, dar er hovet in Franckrick is. Und boven 
den twen steynen hangen twe bernende lampen, und 
dar vordeynt men 47 yar afflates und seven karenen. 

Item dey derde statie is eyn steynworp weges 
tor luchteren hant in den tempel van dusser vorg. 
stede umme to gaen und is eyncapelle, dar unse leyve 
here in gefangen sait dey wile men dat cruce makede. 
Und dusse capelle plach en gefencknisse tho syne, dar 
men alle mesdeders plach in to werpen, dey men van 
der gulgen plach tho snyden, und in dusser capellen 
hanget 2 lampen und is en altar ynne under oppen, 
dar unse leyve here gefangen sat, und dar is || afflait ©. 60. 
van allen sunden. Und men geith 3 trappen dael int 
der capellen, unde vor der capellen synt 2 runde gater, 
dar 2 bernende lampen boven hangen, .dar men secht, 
dat ock unse leyve here in gefangen sath. 

Item dey verde statie is wederumme utlı der 
capellen ock en steynworp weges, dar steyt en altar, 
dar dey 4 yodden umme unses leyven hern_cleit 
dobbelden, und dar henget en bernende lampe, und 
dar is 7 yar und 7 karen afflates. 

Item dey viffte statie is 3 strede van dusser vorg. 
statien tor luchteren hant 30 trappen aff und noch 
12 trappen aff tho gaen under der erden, unde dar is 
en capelle und eyn altar ynne, und dar hefft sancta 
Helena dey 3 cruce gefunden, dey dar van den yodden 
2c yar verborgen weren gewest, und dar hangen 4 
lampen, und dar is afflat van allen sunden. |] 

Item dey seste statie geit men dey 12 trappen &.61. 
wederumme up, dar hefft sancta Helena getymmert ene 
capellen myt 2 trappen und 2 altar, dar sey plach to 
beden umme dey stede to beseyn, dar dat hillige cruce 


203 


gelegen hadde; und dar hangen 3 lampen, und men 
secht, dat dar afflat sy van allen sunden. 

Item dey sevende statie is dey 30 vorg. trappen 
wederumme up tor luchteren hant umme over 5 strede 
in eyn cleyn capelle, dat dey Indianen in beslut hebbet, 
is dey sule, dar unse leyve here uppe sath, als hey 
gecronet wort, und dar is 7 yar und 7 karen afflates. 

Item dey achtede statie is wol 12 strede weges 
van dussen vorg. statien und is dey hillige berch van 
Calvarien, den men myt 19 trappen up geth, dar dat 
gath in dem berge steit, dar dat hillige eruce || ynne ©. 62. 
gestanden hevet, und is en elen deyp, und up beiden 
syden dar dey schekers gehangen hebbet, steit en altar 
und dey steynschorynge is tuschen dem gate, dar dat 
hillige eruce in gestanden hefft und des bosen schekers, 
gelick als dey ungelovigen solt affgesneden syn van den 
ewigen leven. Und dar by over 2 strede is dey stede, 
dar unse leyve here upt cruce genegelt wort, und up 
dussen berge hangen 67 lampen und noch up enen 
lochter vele cleyne lampen, und dar en is geyn gesat 
afflat, wen dar is afflat over alle afflat, dar unse leyve 
here Jhesus Christus dat menschelike geslechte verlost 
hevet; und unse leyve here is tor luchteren hant myttem 
swaren cruce up gekommen dorch en doer, dey nu to 
gemuret is, und under dem berge is en capelle, dar 
Ad:ıms hovet sal || gemuret syn in dey steynschorynge &, 63. 
so men secht, dat dey steynschorynge int affgrunt van 
der hellen sal gaen. Und in dusser capellen licht be- 
graven Godefroet van Billion, dat dey erste kersten- 
konynck was van!) Jherusalem; und men secht, dat dat 
bloit unses leven heren Jhesu Christi dey steynschorynge 
dail leip bes up Adams hovet. Und dar henget en 


’) van fehlt in der Hoſchr. 


204 


lampe in der steynschorynge und noch 2 lampen in 
der selven capellen, und dar is 7 yar und 7 karenen 
afflates. 

Item de negende statie is van dem berge van 
Calvarien 12 strede, dar unse leyve vrowe stont als 
Nicodemus und Joseph van Arimathia brechten er dat 
dode bedrovede licham unses leyven heren Jhesu Christi. 
Nu dencket, wu bedroveden herte Maria de moder godes 
moste hebben, und dar licht en lanck roit sprenckel 
steyn up der stede, und dar hangen boven || 8 bernende 
lampen, und dar is afflait van allen sunden, und is tegen 
der doer als men in den tempel geith. 

Item dey teynde statie dey is wor van der negeden 
6 strede, dey stede dar unse leve vrowe und sunte 
Johannes stonden, als unse leyve here sachte: Moder 
su an dyn kynt, kynt su an dyn moder. Und dar is 
afflait van allen sunden. Und van dar wat 10 strede 
is dat alderhilligeste graff, dar unse leyve here Jhesus 
Christus in gelegen hefft. Und als men dar vor kommet 
vor der doer henget eyn bernende lampe, und als men 
vordan kommet, hangen 5 bernende lampen und dar 
steit int middel en steyn, dar dey hillige engel up 
saith als hey den dren Marien antworde und sachte en, 
dat unse leyve here upgestaen were. Und dan krupet 
men dor en verkant gat in dat rechte || hillige graff, 
dar dat warhafftich licht, und is wat so groit spatium, 
dat dar & personen by eynander sick in bedden mogen, 
und men doit dar alle dage messe ynne, und dar hangen 
11 bernende lampen ynne, und dar is afflait van allen 
sunden, und men kan in den tempel um dat graff und 
dey capelle, dey dar achter ane steit, umme her gaen, 
und dar en synt geyn vynster in den alderhilligesten 
grave, und eth is boven myt kalke und loet boven be- 
decket, und dey tempel is boven den grave oppen. 


©. 64. 


S. 65. 


205 


Item int middel van dussen tempel steit en groit 
koer, dat dey Greken ynne hebt, und midden in den 
choer is en runt hol, dat men secht, dat dat middel 
van der werlt sy. Und dusse vorg. statien gaen umme 
dat choer her, und in dussen tempel hangen noch vele 
mer lampen, so dat over all in || den tempel bernen ©. 66, 
2c lampen. 

Aug. 8 Item des mandages en morgen umtrent to acht 
uren syn wy weder utlı dem tempel gelaten van den 
heren van Jherusalem, so wy dey nacht dar ynne be- 
slotten weren, und alle prester van pilgrymmen deden 
messe na der ordinantie, dey erste reise deden en part 
messe in unser leyven vrowen capellen, dey ander 
int hillige graff, dey derde up dem berge van Calvarien, 
und to der anderen reyse, do wy wedder in den tempel 
gengen, deden dey prester messe int hillige graff, dey 
ersten in unser leyven vrowen capelle hadden messe 
gelesen, und dat genck so umme, dat alle prester van 
pelgrymmen up den dren steden messe deden als in 
unser leyven vrowen capelle, in dat allerhilligeste graff 
unses leven heren Jhesu Christi und up dem berge van 
Calvarien. Und wan wy uthen tempel mosten gaen, 
hebbet dey || Observanten en singende messe gesungen; &.g7. 
wan dey uthe was, syn wy uth den tempel in unse 
herberge gegaen, so wy by der Greken patriarchen legen, 
und dey anderen pelgrym int hospital, dat darto ge- 
maket is. 

Aug. 9 Item des dymstages!) en morgen umtrent to 5 
uren synt 2 broders van den Observanten myt uns na 
Bethanien und na den berch Oliveti geredden. 

Item so syn wy tom ersten gekommen an de 
stede, dar men unse leyve vrowe to grave wolde brengen 


1) sie! 


206 


in dem dael Josaphat. Do quam en Torcke und wolde 
dat hillige licham affschuven van der barden, und so 
synt eme syn handen krum geworden und hadde geyn 
macht syck an dat gebenediede licham tho strecken. 
Und dar is 7 yar und 7 karenen afflates. 

Item dar na an eyn steyn gekommen || dar sunte 
Peter sath und schrigede vor syn sunde, als hey den 
hanen horde kreygen in Cayphas huse, und dar is 7 
yar und 7 karenen afflates. 

Item dar na gekommen up dey brugge, dar torrens 
Cedron under her fluth, dar wort unse leyve here int 
water under dey bruggen geworpen, als en dey yodden 
gefangen hadden, und dar is 40 yar afflates. 

Item dar na an dey stede gekommen, dar sunte 
Jacob in en holuen steyn sath und wolde dar nicht 
uth, er Christus upgestan was. 

Item dar na over dey stede getogen, dar sick 
Judas gehangen hadde, do hey beruwe krech, do hey 
unsen leven heren verraden hadde. Darna an dey stede 
gekommen, dar unse leve here den vigenboem ver- 
maledigede. 

Item dar na in Symons hus gekommen des uth- 
setteschen, dar en unse leve here gesunt makede; unde || 
in dem selven huse hevet Maria Magdalena unsen leven 
heren syn voite gewaschen myt eren tranen unde er 
salve up syn gebenediede hovet gestort; und dar is 47 
yar afflates. 

Item dar na in Lazarus hus gekommen, dar men 
suth an den fundameite, dat dar en vast hus gestaen 
hevet, und is versturet. 

Item darna in sunte Marien Magdalenen hus ge- 
kommen, dar Lazarus begraven was und noch syn graff 
steit, dar en schon kerke vor eren hus gewest is als 
dat fundament uthweset, dey sunte Helena gebowet 


©. 68. 


©. 69. 


207 


hefft. Und in dussen huse in eyn art is engath gelick 

en oven, dar lach sunte Maria Magdalena 7 yar ynne 

und dede penitencie und unse leyve here halde sey 
selven dar uth dem gate und vergaff er dey sunde, und 

dar is afflat van allen sunden, und dat hus || hebt dey S. 70. 
Torken yn, so wy itlick dar en modyn mosten geven, 

is 2 markett, und dyt hus dat licht in dem dorpken 
Bethania genompt. 

Item tho sunte Marten hus gekommen, dar unse 
leve here myt er gegetten und gedruncken hevet, und 
dusse 4 huse ligen up der rige, dat ene by den anderen 
ummetrent 1 schotte weges, und altosamen verdestruert. 

Item tegen sunte Marten hus steit en steyn, dar 
unse leyve here uppe gerestet hefft, als hey van der 
Jordan quam und leith syn leve moder myt Marten, 
und up den selven steyn quam Marta to unsen leyven 
heren und sprack: Her, werstu hyr gewest, myn broder 
wer nicht gestorven. Unse leyve here is in!) sunte 
Marien Magdalenen hus gegaen und hefft dar Lasaren, 
Marthen broder, vorwecket van den dode || und vort & yı. 
Marien Magdalenen uth dem gate gehalt und er sunde 
vorgeven wo vorg. steit. Und dar an den steyn is afflait 
van allen sunden. 

Item dar na gekommen an dey stede, dar unse 
leyve here sath und vorbeide den esel dar hey syn 2 
discipulen na gesant hadde, als dat ewangelium dar aff 
sprecket; und dar is afflat van allen sunden. 

Item dar na gekommen tar dey esel gebunden 
stont, dar unse leve her up denpalmdach upsath und 
reth in Jherusalem, do dey Yodden eme dey cleder und 
twiger underworpen; und dar is afflat van allen sunden. 

Item dar na gekommen boven up den berch van 
Oliveti, dar men noch suth, dat dar en schon tempel 


— 


») „in“ fehlt in der Hdichr. 


208 


gestaen hefit, dar noch en cleyn cappel in steit, dar 
unse leyve here tho hymmel foer, und men suth dar 
warhafftich dey voetstappen van synen gebenedieden 
reehteren voite in enen harden steyn getreden, dar || 
4 bernende lampen boven hanget; und dar is afflait 
van allen sunden; unde dar moste wy itlick twe markett 
den Torken geven, er wy dar in gengen. 

Item als wy wedder uth den tempel gengen thor 
rechteren hant umme 2 steynworp weges is dey stede, 
dar dey hillige engel unser leyven vrowen dat palmris 
brachte, dat men vor er dragen solde wan sey doit wer 
in en teken, dat sey noch reyne junfler wer. Und dar 
is afflat van allen sunden. 

Item wederumme an dussen vorg. tempel ge- 
kommen, dar noch en capelle tor siden an steit, dar 
geth man in under der erden 21 trappen deip, und dar 
is sunte Pelagia begraven gewest, und dat graff dat 
steit dar noch und hanget 4 bernende lampen, und dar 
vordeynt men 40 yar afflates. 

Item so syn wy den berch van Oliveten na der 
stat van Jherusalem || aff getogen en halffschotte weges 
und dar en steynworp weges uth den wege tor luchteren 
sydt is dey stede, dar dey apostolen den Credo gemaket 
hebben; und dar is 40 yar afflates. 

Item dar by over eyn steynworp weges an der 
selven syden is dey stede, dar unse leve here dat 
Pater noster gemaket und den discipulen gelert hevet, 
und dar is 47 yar afflates. 

Item dar tegen over in dem wege is dey stede, dar 
unse leyve here up den sten sath und prekede van 
dem yungesten dage und lesten ordel, dar is ock 40 


dage afflates. 
(Schluß im nächſten Bande.) 


©. 7: 


S. 72 


VII. 


Weſtfalica aus der Pariſer und 
Eichſtädter Bibliothek. 


Von 
Dr. Heinrich Finke. 


— — — 


I. Zur Verehrung des bl. Gorgonius in Minden. 


Erhard, Regg. Nr. 615 und Diefamp, Supplement 481 
datiren ein Schreiben des Biſchofs Milo von Minden, worin 
er dem Abt und Konvent des Klofterd Gorze in Lothringen 
jeinen Dank für freundliche Aufnahme ausipriht und die 
Passio des h. Gorgonius überjendet, nad der Regierungs— 
zeit Milos (969— 996). Beide folgen dem Drud des Briefes 
in den Acta Ss. ord. s. Benedicti, welder den Namen 
des Abtes nicht nennt und als einzigen biftoriichen Halte: 
punft nur die Perjönlichkeit des Bifchofs bietet; fie überjahen, 
dag Mabillon in den jpäter veröffentlichten Annales Bene- 
dietini, den Brief noch einmal abgedrudt, vielleicht aus 
anderer Duelle, und dieſes Mal den Namen des Abtes hin: 
zugefügt hat. Es ift Immo, der 987 zuerft erwähnt wird, 
ein hervorragender Klofterreformator des 10. Jahrhunderts, 
welchen nad der Reform von Gorze und Prüm Heinrich TI. 
den Mönchen des berühmten Klojters Reichenau als Abt 
aufnöthigte. Dadurch wird die Abfafjungszeit des Briefes 
auf die Jahre 987—996 eingeengt; innerhalb dieſer neun 
Sahre eine engere Grenze zu ziehen, ijt unmöglich, da das 
Stinerar Milos in feiner Lücdenhaftigkeit nicht den geringften 
Anhalt bietet, ebenfowenig der Brief jelbit, nachdem das 
„olim“ der Aufnahmezeit wegen der ganzen Faſſung nur 
allgemein als „früher und „vergangen“ überjegt werden 

XLVII. 1. 14 


210 


darf. Ein von mir in ber Barijer Nationalbibliothef ein- 
geiehenes Verzeichniß von Heiligenleben aus dem 12. Jahr— 
hundert enthält ebenfall3 den Brief mit folgender, von 
den Druden etwas abweichender Einleitung: Epistola do- 
mini Milonis Mindonensis episcopi missa ad Gorziense 
cenobium. Sancte Gorziensis ecclesiae venerabili abbati 
Immoni et cuneto monachorum cenobio sibi commisso 
Milo episcopus servorum Dei famulus debitas in Christo 
cum oramine preces.?) 

Da das ganze Schreiben fpäter in den Mon. Germ, hist. 
jedem leicht zugänglich gemacht werden ſoll, jo laſſe ich hier 
nur die interejlanteite Stelle folgen. Der Bijchof gedenft der 
bejondern Liebe, mit der die Klofterbrüder ihn aufgenonmen 
und nicht jo jehr als Gaft denn als einen der Ihrigen be- 
handelt hätten, und fährt dann fort: „Unde dum inter 
ipsa sacra eloquia vestra, que mihi videbantur quod- 
ammodo flatu sancti spiritus ignita et quasi ex ipso 
fonte salutaris scientie salientia, passionem et miracula 
sanctissimi ac beatissimi communis patroni nostri Gor- 
gonii vos non habere cordetenus doleretis, idque sicut 
dignum erat gravibus suspiriis egre toleraretis, ego 
quoque super hoce non minori cura sollicitus mecum 
tacitus cogitavi, quid de hac re fieri potuisset. Et cum 
adhuc predictam sancti martyris passionem non habui, 
pro communi nostra utilitate querere proposui, sicubi 
potuisset inveniri; idque ne deleretur oblivione, tenaci 
potius memorie commendavi. Post hec itaque cum 
reversus venissem ad patriam, plurimas librorum per- 
cucurri paginas et favente domino quasi ex optato citius 


!) Die Drude: Mabillon, Acta Ss. ord. s. Benedicti III. p. II, 
204 s. und Annales Benedietini III, 605 s. Die Handſchrift Cod. 
Paris Lat. 5594 fol. 9 ss. Bol. Wattenbach, Deutichlande Ge— 
Ihichtäquellen I, 347 und 367. Zu dem Ganzen Acta Sanctorum, 
September, Bd. III, 327—355. MG. SS. IV, 357 Anmerkung. 


211 


repperi, quod prius me non habere vehementer extimui, 
seilicet V idus Septembris sanetorum martyrum Gorgoniü 
et Dorothei sollemnitatem per singulos annos fuisse 
natalem. Quorum quoque passionem sub eodem kalen- 
darum numero inventam brevi quidem sermone suc- 
cinctam sed a me avidius acceptam vestrae caritati 
dirigere destinabam.“ Daran fchliegen fich zwei Paſſionen, 
deren erite beginnt: „Magnum summopere studium“ (bie 
zweite mit: „Salvatoris omnipotentis“) und ſchließt: Inde 
(von Gorze) postea crescente in Saxonie partibus christiana 
religione pars earundem reliquiarum in Saxoniam adtri- 
buitur, ubi idem s. Gorgonius genti Saxonum et ecclesig 
Mindonensi patrocinatur; regnante domino nostro Jesu 
Christo, qui cum patre — amen. 

Darnach haben aljo um 987 Biſchof und Mönde in 
ihren erbaulichen Gefprächen es lebhaft bedauert, Feine Passio 
et miracula ihres gemeinfamen Schutzpatrons zu bejigen 
oder zu kennen; daheim findet Milo jofort den Felttag der 
Martyrer Gorgonius und Dorotheus und ebenfalls ihr Mar: 
tyrium zum ſelben Datum verzeichnet. Er ſchickt den Bericht 
darüber, unzweifelhaft Magnum summopere, nad) Gorze. 
Auffälligerweife deutet Mabillon obige Stelle, als habe 
Smmo dem Bilchofe einen Theil der Reliquien jegt erſt ge: 
ſchenkt. Davon jteht nichts in dem Briefe, im Gegentheil 
beweijt der Schluß ber erſten Passio, daß nad der Aus: 
breitung des Chriſtenthums im Sachſenlande dieje Translation 
bereit ftattgefunden habe; zudem wird in einem nad) all: 
gemeiner Anficht zwanzig Jahre früher entitandenen Wunder: 
bericht bereits des im Wolfe verbreiteten Gerüchtes Erwähnung 
gethan, nicht der ganze Körper des h. Gorgonius ruhe 
in Gorze, ſondern ein Theil befinde fich „jenſeits des Rheines 
in einem Bisthum, das feinen Namen trage.” Die Zeit der 
Translation liegt allerdings völlig im dunfeln: Fein Bericht 
ift darüber auf uns gefommen, ſelbſt das fonft in der Auf: 

14* 


212 


zählung fremder Translationen fo eifrige Chronicon Min- 
dense incerti autoris fchmweigt hierüber völlig. Doc fteht 
feft, daß bereit3 952 Bilchof Helmward die neuerbaute Dom- 
firhe u. a. zu Ehren des h. Gorgonius weihte. Seine Reli— 
quien erwähnt ein Mindener Reliquiar des 11. Jahrhunderts. 
Bei dem großen Mindener Brande von 1062 müſſen fie mit 
faft allen andern (nur die der h. Maria Magdalena blieben 
übrig) zu Grunde gegangen jein. Keine Erwähnung derjelben 
gejchieht troß der Menge der übrigen Reliquien in den von 
mir gefundenen Aufzeichnungen vom Jahre 1064. Hundert 
Sahre jpäter ſchenkte Heinrich der Löwe nad jeiner im Min— 
dener Dome volljogenen Bermählung mit der englijchen 
Königstochter der Kirche einen Arm ihres Patrons. Woher 
er benjelben erhalten, wird nicht berichtet. !) 

Seit diejer Zeit wird in gedrudten Quellen, abgejehen 
von dem mir nicht zugänglichen Brevier der Mindener Kirche 
von 1516 der Reliquien nicht mehr gedacht. Daß das Gor: 
goniusfeit in Kirhen und Klöftern des Bisthums als eins 
der vornehmiten gefeiert wurde, ergeben die Mindener Kalen: 
darien und andere Aufzeichnungen im hiefigen Kal. Staats: 
archiv, die im übrigen wenig zur Gejchichte der Verehrung 
des Heiligen’ enthalten. 

') Der Bericht: Magnum summopere, gedr. in den Acta Sanctorum, 
folgt auch in der Parijer Handſchrift. Die Stelle bei Mabillon, 
Ann, Ben, III, 605 lautet: eique (Miloni) partem s. Gorgonii 
martyris reliquiarum in Saxoniam asportandam concessit. Der 
Pajjus im Wunderbericht Kap. XIII. Chron. Mind. incerti autoris 
bei Meibom, Rev. Germ. SS. I, 549-—-574. Zu den Ctellen über 
die Reliquien vgl. Erhard, Regg. Nr. 574, 1931; Kayſer, Aus der 
Schakfammer des Domes zu Minden II, 59, (Paderborner Lehr- 
anjtalt, Finladungsichrift 1868); meinen Auffaß, Forichungen u. ſ. w. 
Ztſchr. XV, 1, 153 f. Zwei Briefe vom 22, und 27. Sept. 1183: 
Anno v. Minden bittet Abt Konrad von Gorvey um Reliquien, 
diefer jendet näher bezeichnete, in Falke's Coll. (Braunſchw. Arch. 
in Wolfenbüttel) I, 721 und II, 707. Bal. die angebliche Chronit 
Buſſo Wattenftedt's in Paullini, Syntagma u. j. w. 


213 


Bei der Anmwejenheit Milos in Gorze iſt wahricheinlich 
auch eine Fraternität der beiden Kirchen geitiftet worden. 
Als nach zwei Jahrhunderten (1175) Biichof Anno auf jeiner 
Wallfahrt nah S. Jago di Compoftella Gorze beſuchte und 
„ibi de fraternitatis societate pridem habite inter eas- 
dem sanetas ecclesias“ nachforjchte, ſcheint man dort wenig 
mehr darüber gewußt zu haben, und wurde darum bie Fra— 
ternität in mweitgehendjter Form erneuert und beiderjeitig Die 
gegenfeitigen Verpflichtungen genau feitgejegt. 

Auf eine Schwierigkeit, welche durch das Schreiben 
Milos an Gorze für die Datirung der Miracula s. Gorgonii 
entiteht, ſei jchließlich auch hier hingewieſen, da bis jetzt 
feiner der Forfcher, die ji mit ihnen bejchäftigt haben, 
darauf aufmer!iam geworden tt; jelbit W. Schulte nicht in 
feiner jcharfiinnigen Unterfuchung über Abt Johannes von 
Gorze. Die Miracula s. Gorgonii, beginnend: Descripturus 
miracula, entjtammen nad) allgemeiner Annahme der Feder 
eines Gorzer Mönchs um 965; der obige Brief muß zwifchen 
987 und 996 abgeiandt fein und in ihm wird ausdrüdlic 
des Mangels einer Passio und der Miracula des Heiligen 
gedacht. Genügten die ältern Miracula nicht, waren fie 
vergefjen oder muß ihre Datierung eine andere jein?!) 


I. Ein deutfhes Bloffar in Corbie. 


Beziehungen des vom franzöliichen Corbie aus gegrün— 
deten Corvey der Weſer zum Mutterklojter laſſen jih im 
frühern Mittelalter manche nachweiſen. So ſchickte Paſchaſius 
Radbertus als Mönch von Gorbie dem zweiten Corveyer Abt 
Warin feine Schrift über die drei göttlichen Tugenden; eines 





1) Berg, MG. SS. IV, 238. Walther Schulte, War Johannes 
von Gorze hiftorischer Schriftiteller? Neues Archiv IX, 495—512. 
Auch Wattenbad, der Prief und Miracula an den angeführten 
Stellen erwähnt, gedenkt der Schwierigkeiten nicht. — Die Urff. über 
die Societas fraternitatis zwiſchen Minden und Gorze in UB. II, 373, 


214 





andern Mönche, Ratramnus Schrift De propinquorum con- 
jugüs findet fih nur in einer Handſchrift des mit Corvey 
eng verbundenen Herford und it u. a. an Abt Adalgar 
von Corvey gerichtet. Translationen von Reliquien nad 
Herford und Nigenkerken bewirkte Corbie. Das Tochterflofter 
beeinflußte dagegen, jagt Delisle, eine Zeitlang die Schrift 
des Mutterflofters. In Corbie fand Mabillon zwei Ma: 
nufcripte mit der von ihm ſogenannten ſächſiſchen Schrift, 
welche ihm Material für fein Rieſenwerk lieferten. Leider 
find Diefe beide koſtbaren zu St. Germain aufbewahrten 
Handichriften in den Stürmen der Revolution 1791 geftohlen 
worden. Wahricheinlih würde eine Unterfuhung der zahl: 
reihen in der Pariſer Nationalbibliothef beruhenden Nekro— 
Iogien aus Gorbie vielfah neue Beziehungen ergeben. Eine 
Unterfuhung derjelben war mir diejes Jahr bei der Kürze 
der Zeit unmöglich. Dagegen gebe ich in folgendem ein aus 
dem 9. Jahrhundert ftammendes deutiches Glofiar aus einer 
Corbier Handichrift wieder, auf welches ich durch eine Notiz 
des hochverdienten Leiters der Pariſer Bibliothek, 8. Delisle, 
in einem bei uns jeltenen Buche aufmerkſam gemacht wurde. 
Das kleine nur Thiernamen enthaltende Sloffar findet fich 
hinter den Pronostica Juliani Toletani episcopi und 
lautet: 

Ineipiunt glose: Olor suuan, eignus helbiz, onacro- 
culus alacra, griuus grif, pauo pao, merula ansla, 
strutio struth, geometrix gauli (?), ciconia storch, 
pellicanus heigro, miluus uuio, aquila arn, gar- 
rula craha, turdus strala, coruus raban, filo- 
mella nahtagala, accipiter habuch, tragis hera, 
cicatus secgisner, palumpeis coscirila, cardolus 
snepfa, aiccido lohfinco. 

Das hat ſchwerlich ein jächiisch-weitfäliicher Landsmann 

in Corbie geichrieben. Aber wenn es auch von einem Ober: 
deutihen ftammt, darf man doc wohl ohne Bedenken an: 


215 


nehmen, daß der Vermittler diefer Perſönlichkeit unfer welt: 
fäliſches Corvey war.!) 


III. Weſtfäliſche Geiſtliche im päpſtlichen Supplifenband 
in Eichſtädt. 


Einer der koſtbarſten Schätze der hervorragenden, leider 
noch nicht katalogiſirten Handſchriftenbibliothek in Eichſtädt 
iſt ein Supplikenband Nr. 54 aus der päpſtlichen Kanzlei 
des endenden 14. Jahrhunderts. Georg Erler hat auf ihn 
und feine muthmaßlichen Schidjale im Hijtor. Jahrbudy 1887 
zuerit hingewieſen. Vielleicht ift er bei den römijchen 
Wirren zu Anfang des 15. Jahrhunderts abhanden gefommen, 
vielleicht ift er aber noch mit auf das Konftanzer Konzil und 
von dort jtatt nah Süden nach dem Norden gewandert. — 
In dem Supplifenregijter wurden die vornehmlich von Geift: 
lihen aus der ganzen Welt bei der Kurie eingelaufenen 
Bittichriften (Suppliten) ihrem Wortlaut nad eingetragen 
und die päpftliche Enticheidung (wenn ganz bewilligt: Fiat, 
ut petitur) mit dem eriten Buchltaben des Taufnamens des 
Bapftes; in unlerm Falle P., da der Band aus dem 5. 
Regierungsjahre (fajt ganz 1394) Bonifaz IX. ftammt. Sch 
laſſe aus demjelben die Namen der weitfäliichen Geiftlichen 
folgen. Wir lernen eine Neihe intereffanter Perjönlichkeiten 
in den verjchiedenften Kebensftellungen kennen; die beiden 
Familiaren zweier Kardinäle beweiien, wie ſtark damals das 
weitfäliiche Element in Rom war; der Fall des Hermann 
de Fonte befundet, wie tief aud bei uns das Schisma in 
die kleinſten Verhältniſſe eingegriffen; andere Beijpiele be: 
jonders der Fall Storm (qui cum saptoribus et predoribus 
vitam ducit) zeigen, daß auch unfer Klerus reformbediürftig war. 


) Bol. Wilmanns, Kaiferurkunden I, 505 und Aum.2. Mabillon, 
De re diplomatica, 351. Delisle, Cabinet des manuscrits, II. 
Die Handſchr. Cod. Paris. Lat. 12269 fol. 58V. 








216 


1. Bernardus Advocatialias dietus Mulo, Reftor 
der Pfarrkirche in der Neuftadt Warburg, bittet um eine 
perp. vicaria in der Diöcefe Dorpat, welche früher Ludolf 
Kerdhove gehabt (Einfommen 30 Goldgld.), unbeichadet daß 
er wegen eined Kanonikats in Soeſt und einer „capella 
domini Walderi primi fundatoris secul. ecel. Heruordensis“ 
an der Kurie procejiirt (fol. 14. 1394 September 4). — 
2) Johann Scuttorp, Münfterjcher Klerifer, um Kanonifat 
und große Präbende in Martini zu Müniter; die PBrovifion 
hatte er jchon längit; die Sache betreibt Kardinal Cosmatus 
tt. s. erueis, jpäter Innocenz VII. (fol. 40. 1394). — 3. 
Münft. KHleriter Wilhelm Juncfrynck um Kanonikat zu 
St. Andreas in Köln (fol. 51. Sept. 10) — 4 Hermann 
Euerdind (Paderborner) um irgend eine Paderborner Pfründe 
(fol. 57. Sept. 4). — 5 Gottfried Retberd alias van 
Oldenhues, Münft. Kler., um Pfarrkirche in Nordwalde, 
welche, durch den Tod Johann Kappenhagens erledigt, Heinrich 
Loen ſchon jeit Jahresfrift bejegt hält ohne Priefter zu fein 
(fol. 73. Sept. 2). — 6 Tylmann Eichart von Attendorn, 
studens in legibus, um Pfründe in der Kölner Diöceſe 
(fol. 88v. Sept. 2). — 7. Johann Stengodes, Paderb. 
Kler., um ein Beneficium der Aebtiſſin von Herford (fol 98V. 
Sept. 2). — 8. Wilhelm Juncfrynd (vgl. 0.) um Bene: 
fiium mit oder ohne cura in Münft. Diöc. troß anderer Erpel: 
tanzen in Münfter und Köln (fol. 106v. Sept. 2) — 9. 
Dietrid Schwering, Paderb. Kler., baccalaureus in 
artib us, um ein Beneficium in Hildesheim (fol. 107. Sept. 2). 
— 10. Johannes Schrivers (Münfter) um Kanonifat in 
Bedum, ungeachtet Anwartichaft auf Präbende in Martini 
und Alt St. Paul in Münfter (ohne Fol. Sept. 15). — 11. 
Kardinal H. Neapolitanus für feinen familiaris Gottfried 
Ulmanni von Dortmund um Bifarie in Utrecht (D. Fol. 
Sept. 19). — 12. Hermann de Fonte, cler Colon. — 
de canonicatu et prebenda majoris ecel. s. Patrocli 


217 


Susaciensis ac ecel. parr. s. Georgii Susaciensis (fructus 
XII marc)., vacantium ex eo, quod Theodericus Wern- 
synck alias Stocle olim can. et preb. et Conradus de 
Oueruorde ecel. parr. possessores dampnato Roberto anti- 
pape et suis sequacibus et fautoribus post et contra 
processus apostolicos contra ipsos fuiminatos adheserunt; 
außerdem jeien fie vafant durch Verzicht des Konrad Leyber und 
den Tod Hilger8 von Honjten, Kan. von St. Patroflus (fol. 
117v. Sept. 19). — 13. Hermann Poek um 2 Beneficien 
in Dsn. und PBaderb., Herzog Semovit von Mafovien be: 
fürwortet es! (fol. 119%. Sept. 19). — 14. Heinrid 
Sweryng um Präbende in Paderb. und Hildesh. (fol. 122. 
Sept. 4). — 15. Johann Morjel um Beneficien Der 
Hebtifiinnen der Gokirche (Paderb.) und von Herford (fol. 123. 
Sept. 2) — 16. Heinrih Roclojfe (Mind. Kler.) um 
Kanonikat in Bremer Diöceje (fol. 125. Sept. 15). — 17. 
Engelbert v. Thouen um Pfarrei in Oeſtinghauſen, er: 
ledigt durch inhabilitatio eines Johannes Storm, der fich 
nicht hat weihen lafjen, qui cum raptoribus et predonibus 
vitam dueit (fol. 162. Sept. 25). — 18. Da Heinrid 
von Wynganden, Münit. Kler., der um die Pfarrkirche 
St. Jacobi in Müniter früher gebeten, jet Dechant von 
St. Johann in Minden geworden, erbittet Kardinal Cos— 
matus (Innocenz VII.) die Kirche für personam dil. fami- 
liaris sui domestici continui commensalis Gerardi 
Gysonis de Tekeneborg (fol. 165. Sept. 28). — 19. 
Wilhelm Odynck, Münft. Presbyter, baccalaureus in 
artibus, de soluto genitus et soluta, um Dispens zur 
Uebernahme mehrerer Pfründen (fol. 174Y. October 14) — 
20. Bernard Greuind um Rektorat der Magarethentapelle 
in Müniter, da Rektor Hermann Köfter mill ad laicalia 
vota transire (fol. 180°. Oct. 14.) — 21. Johannes 
Polyng, Münjt. Kler., um Pfründe in Hildesheim (fol. 
192. Oct. 8.) — 23. Dietrih von Bedhlingen um 


218 


Kanonikat in Münster erledigt dur Tod Johannes v. Bech— 
lingen (fol. 204. Oct. 14.) — 23. Zudolf Senepmole, 
Thejaurar in Hameln, um Kanonilat von St. Martin in 
Minden; beitritten von Heinrich Hofileger (fol. 206. Dct. 14.) 
— 24. Johannes Kerkhop um Pfarrkirche St. Maria 
in Minden (fol. 2117. Det. 14.) — 25. Auf dem 
Blatte 218 wird noch der Mindener Klerifer Johannes 
Swalenbergh genannt; das Weitere fehlt. 


IV. Beiträge zur Gefchichte der INA. Schriftfteller 
Weftfalens. 


1. Hermann Zoeſt von Marienfeld. Ueber diejen 
noch vor wenig Jahren fait ganz unbefannten weſtfäliſchen 
Mönch, der als Kalenderreformator und Anhänger der con: 
ciliaren Partei in Bajel eine Rolle fpielte, beiigen wir jet 
zwei faſt gleichzeitig erichtenene Arbeiten von Wattenbad) und 
Zurbonjen.!) Namentlich des letztern friih und mit ein: 
gehendem Berftändniß gejchriebene Darftellung gibt ein lebens: 
volles und beinahe vollitändiges Bild von der Wirkjamteit 
unjers Landmannes. Zu wünjchen wäre, daß feine beiden 
wichtigſten firchenpolitiihen Schriften über die Macht des 
Papites und der Konzilien fowie über die Abftimmungzfrage 
in größern Auszügen gedrudt würden. Cod. Paris. Lat. 
16404, aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, enthält 
die beiden Werke Hermanns De fermento et azimo und 
De pot. conc. et pape mit den beiden durh Wattenbach 
befannt gewordenen Schlußgedichtchen. Sch laſſe das lettere, 
weil bier vollftändiger, folgen: 

Edidit Hermannus opus hoc vi pneumatis almi, 
Ordo Cisterci fovet hunc Campusque Marie, 
1) Wattenbach, Ueber Hermann von Marienfeld aus Münfter, Berl. 
Sitz. Ber. 1884, 93—109,. Zurbonjen, Hermannus Zoeftius, 


(Warendorf, Progr.-Beilage 1884). Zurbonsen, Chronicon campi 
s. Marie (Münjt. Beiträge). 





219 


Summe Theos Christe, sis merces, sis salus ipsi, 

Cum nece mandante persolvet debita carnis, 

Tune deus empirea des huic perhennia regna. 

Auf fol. 67Y heißt es: Infrascripta concilia et hystorie 
allegantur in tractatulis per me f. Hermannum de 
Monasterio, professum in Campo s. Marie Cist. ord. 
Mon. dioc. compilatis. Es folgen 9 Synoden, die Historia 
tripartita, dann: De libris biblie nil pono, eo quod 
quasi omnes allegantur in sceriptis meis. Hierauf werden 
64 firhliche Schriftiteller aufgezählt, Darunter mehrere mit 
einer Reihe von Werken; zahlreich find bejonders die aftro- 
nomijchen Werke, Echriften zur Salenderfrage, Computi 
2. f. w. Das ih hieran anſchließende Verzeichniß der 
Schriften Hermanns ftimmt in drei Punkten mit dem durch 
Zurbonjen veröffentlichten nicht ganz überein. 1. Die von 
3. (S. 12) citirte verlorne Schrift Questio de sabbato 
sancto führt hier den ausführlihen Titel: Questio, an sit 
lieitum cantari vesperas in sabbato sancto apertis ja- 
nuis tempore interdicti. Darnach fann fie nicht identiſch 
fein mit dem Tractatulum exhortatorium. Da lebteres 
auch bier nicht verzeichnet jteht, möchte ih an die Nicht: 
eriftenz desjelben glauben. 2. Nr. 9 ift betitelt: Cronica 
de fundacione monasterii Campi s. Marie et de abba- 
tibus. Damit ift auch ein pojitiver Beweis dafür erbracht, 
was Zurbonien aus innern Gründen wahrscheinlich gemacht, 
daß Hermann Zoeſt Verfaſſer der Marienfelder 
Chronif ift. 3. Die legte Schrift heißt: De cesarea ma- 
jestate und nicht potestate; daher ift es wenigitens fraglich, 
ob wir bier gerade eine politiihe Schrift vor uns haben. !) 

2. Die beiden Kölner Profeſſoren Jakob von 
Soeft und Dietrih von Münfter. Wann J. v. Soeft 


I) Die von mir inzwijchen eingejehene Handichrift I fol. 276 fol. 149— 
160 ſtimmt vollitändig mit der Pariſer überein; fie ift aber ältern 
Urfprungs, wahrjcheinlid Mitte saec, XV entitanden. 


220 





zum Inquiſitor ernannt worden, ſtand bis jest nicht feft. 
God. Paris. Lat. 5237, der für die Kölner Univerittäts- 
geichichte jo außerordentlich wichtig iſt und u. a. das Schreiben 
einer Keihe von Kurfüriten vom 10. November 1425 an 
der Univerlität und die Antwort der legteren bezüglich der 
Auslegung der Ariftotelifchen Philoſophie und anderer Lehr: 
ftreitigfeiten enthält, (vgl. Bianco, Geſch. der Univ. Köln) 
enthält das Inſtallationsſchreiben des PBrovinzialpriors und 
Inquiſitors Giejelbert von Utrecht vom 3. 1409. Bier Jahre 
ipäter ernannte Jakob den Dr. theol. Johann v. Lüding— 
haufen ord. fr. Pred. zu jeinem Stellvertreter im Kölniſchen 
ultra Renum, Münfter, Dsnabrüd und Paderborn, wo 
die Härefie ſtark graffire. In der citirten Handſchrift 
finden ſich außerdem verjchiedene Briefe Jakobs bejonders 
in der Malkawſchen Angelegenheit. — Nach fol. 272 jchenkt 
1419 Auguft 2 Theodericus de Monasterio, mag. in s. 
theologia, professor eximius, pastor ecel. parr. s. Joh. 
Bapt. Colon., plura volumina (52) librorum suorum der 
Univerjität, prout eosdem libros per manum suam sig- 
natos de mandato suo consignavi, fügt der Notar hinzu. 

3. Hermann von Schildeſche. Cod. Paris. Lat. 
4232 enthält auf fol. 152 ff. die beiden erjten Theile eines 
umfaffenden Firchenpolitiichen Werfes des weitfäliihen Au: 
guſtinermönchs, geichrieben auf Wunſch des Papſtes Jo: 
bannes XXII. und gerichtet gegen die im Kampfe Ludwigs 
des Baiern mit der Kurie auf Seiten des Kaijers jtehenden 
literariihen Angreifer des Papſtthums. Ueber die Bedeutung 
des Traftates vgl. Heft 3 des Hiltor. Jahrb. 1889, 

4. Die beiden Dominilanergenerale Jordanus 
Saro und Johannes Teutonicus. Da ich bei Fertig: 
ftellung meines vorjährigen Aufſatzes den auf hiefiger Biblio: 
thef nicht vorhandenen Quétif-Echard, SS. ord. Praed. I, 
von zwei Bibliothefen nicht erhalten fonnte und mich mit 
ungenauen Ercerpten begnügen mußte, jo feien hier einige 


221 


Berichtigungen und Ergänzungen zu Ztichr. XLVI, 197—200 
geftattet. Zu den ©. 197 und 198 f. nicht nachweisbaren 
Stellen vgl. Quétif-Echard p. 97 und 111. Die Möglichkeit, 
Jordan mit dem berühmten Mathematiker Jord. Nemorarius 
zu identificiren, war auch jchon dur die ihm bei D.-E. zu: 
gejchriebenen Werte De ponderibus und De lineis datis 
gegeben. Der fehler Grammaticalia ftatt Geometricalia 
it Schon von den Vorgängern Q.-E.'s gemacht worden. — 
Johannes Teutonicus, über den in deutichen Urkundenbüchern 
manches Material jich findet, ſtarb nicht, wie Jakob v. Soejt 
berichtet, 1253 jondern 1252 Nov. 4. Zwei bislang un: 
befannte Briefe über feinen Tod finden jich in der 
Summa dietaminum eines Bartholomäus Faventini ord. 
fr. Praed. (Hdſchr. 519 der Baulin. Bibl. in Münfter saec. 
XIV, fol. 231). Der eine gibt erwünfchte Nachrichten über 
die legten Lebenstage des Drdensgenerals nach Briefen des 
Prior Petrus in Straßburg und des Bruder Hermann, 
jeines ftändigen Begleiterd. Auf Geheiß Innocenz IV. be: 
gab fih Johannes nach dem Ordensfapitel zu Bologna (1252) 
nad Deutihland zum dort weilenden päpftlihen Kardinal: 
Legaten Hugo zurüd. Am Feſte des h. Laurentius begann 
er, nachdem er in einer nach der Handfchrift nicht jicher 
feitzuftellenden Stadt noch begeiltert das Wort Gottes ver: 
fündet, zu kränfeln und hörte von jegt an auf zu predigen. 
Am Feite Allerheiligen beichtete und fommunicirte er; tags 
darauf empfing er die legte Delung in Gegenwart feiner 
Ordensbrüder. Zwei Tage lag er noch fo, den Schuß Gottes 
und der allerjeligften Jungfrau anflehend; dann verjchied 
er, nahdem er noch die Brüder gejegnet, in der Stille der 
Nacht am 4. November!) und wurde im Straßburger Kloiter 
begraben. 
) Non. Nov. (5. Nov.) Hdſchr.; vielleicht joll es heißen: in der Nacht 
vom 4. zum 5. Nov. Der Tert ift inforreft. Ich werde denjelben 
jpäter ganz veröffentlichen. 


222 


Das vorftehende war bereit3 in der Druderei, als 
mir der Artikel: „Die beiven Dominikaner »Ordensgenerale 
Jordans und Johannes Teutonicus‘ des päpftlichen Unter: 
arhivars P. Denifle im Hit. Jahrbuch Bd. X, 564 ff. zu 
Gejichte Fam. Die Korrekturen im dritten Abjag würde 
D. wohl faum gemadht haben, wenn er gewußt hätte, daß 
ich bereit3 im November vor. Jahres, ein paar Monate 
nah BVeröffentlihung meines Auflages, in einer Situng der 
Münfterihen Abtheilung unjers Vereins eine auf Duetif: 
Ehard und urfundliches Material geftügte Lebensbefchreibung 
des Johannes Teutonicus gebradht habe. Bezüglich der 
Bemerkung Denifles, die jich gegen die von mir behauptete 
Identität des Mathematifers Jordanus Nemorarius mit dem 
MWeitfäliihen Ordensgeneral Jordanus Saro richtet: „Die 
auf uns gelommenen ſicheren Schriften des Generals Jordan 
verrathen wahrhaftig nicht im geringiten, daß er jemals ein 
berühmter Mathematifer gewejen’ und den Gründen gegens 
über, die D. zu einem entſchiedenen Zweifel bewogen, weile 
ih hin auf eine Recenſion von (Mori); (Canto)r im Litt. 
Gentralbl. 1889 Nr. 34, 1148: „Gleich Cure (dem Heraus: 
geber der Schriften des Jordanus Nemorarius, der aud 
für die Jdentität beider eintritt), fönnen wir... durch die 
(von Denifle) beigebrachten Gründe uns feineswegs für be- 
fehrt erflärten.” 


VII. 
Miscellen. 


Dortmunder im Liber benefactorum 
des 
Karthäuferkflofters St. Alban bei Trier. 


Von H. V. Sauerland, 
— —— 14 ü —— — 


Die folgenden Notizen find dem gegen Anfang des 15. Jahrhun— 
derts angelegten Liber benefactorum s. Albani ord. Carthus, prope 
Treverim entnommen. Sie geben Aufſchluß über die Berjon und Familie 
ded Hildebrand Keyfer, welcher das dortige Gafthaus gründete und die 
Kapelle darin dotirte (vgl. Dortm. UB. I, 787 und 843), jowie des 
Karthäufer Priors Winand de Stenbefe, dem ich auch in andern Hand— 
Schriften begegnet bin. Außerdem erinnern die Notizen über die Familien 
Gronepaſſe, Sudermann und Berswort an dasjenige, was der Karthäufer 
Werner Rolevind über die reichen weitfälifchen Kaufherren in Köln jagt. 

pg. 14: „Henricus Eichof, cuius Coloniensis de Tremonia 
Westfalie natus, ordini nostro quam plurimum devotus, legavit plu- 
ribus monasteriis nostri ordinis plura, inter que exiit sors et pars 
centum et XL. flor. ponderosi. 

ibid.: Domina Elizabeth de Tremonia Westfalie mater do- 
mini Wynandi prioris nostri sancti Albani, devotissima ordini et 
amica generosa religiosorum et pauperum, pro Wynando de Sten- 
beke quondam marito suo dilecto, patre supradieti prioris nostri, 
et domino Hildebrando sacerdote dieto Keyser, suo germano, ac 
omnibusquibus desiderat, nobis XXXIIII. for. ponderosos devota 
dedit. In ornamentis vero ecelesiasticis usque ad valorem quinqua- 
ginta florenorum ponderosorum pie providendo generosa contulit, 
.. . Item quadam vice ex parte ipsius habuimus XX. flor. pond. 
in subsidium ereetionis orientalis partis Galilee nostre cum lapidibus 
sectis... . Hec domina obiit anno dno, 1382 die 16. Augusti, se- 
pulta in medio Galilee supra domum colloquii nostri. 

pg. 15: Henricus Gronepasse de Tremonia Westfalie natus 
cinius Coloniensis, magnus amicus et benefactus ordinis noster, pro 
se et Henrico Sudermann ac aliis, quibus desideravit, plura 
bona contulit; et primo quidem III. flor. ponderosos; item XIX, 
flor. pond; item XVI scudata antiqua; item unam pixidem parvam, 


224 


in quas servatur sacramentum altaris, item II. tunnas allecum. Hic 
eciam devotus et dilectus noster in quibuscunque rebus in Colonia 
eius indiguimus, nobis sollieite procurando et laboriose deserviendo 
ac discurrendo fidelissimus extitit. .. Item idem dedit LXI. flor. 
pond; item XXX. flor; item post obitum eius habuimus XXV. scu- 
data antiqua, 

ibid.: Conradus!) Berswort, ciuis Tremoniensis, pro se 
et uxore sua ac liberis et precipue pro domino Conrado filio suo 
monacho sancte Barbare in Colonia nostri ordinis ac omnibus, pro 
quibus desiderat, primo quidem XL. flor. pond. contulit; postea 
eciam X. flor. ponderosos dedit devotus. [Item Sybodo filius eius 
dedit quinque flor; item dedit L. flor; item in testamento pro XX. 
flor.]?) 

pg. 22: Dominus Wynandus de Tremonia, prior hujus domus, 
pietatis visceribus motus pro utilitate conventus et precipue prö 
unione ecelesiarum nostrarum per sedem apostolicam facienda pluri- 
bus vieibus ac magnis sui corporis laboribus ad capitulum nostrum 
se transtulit generale. Insuper Galileam sive ambitum nostrum la- 
pidibus sedis cum amicorum subsidio, depositis ligneis sustentaculis, 
fideliter restauravit,. Domum etiam hospitum cum coquina et suis 
necessariis ad plenum reformavit. Muros claustri ac cellarum pro 
maiori parte reparavit, ac alia multa circa ornatum ecclesie nostre 
et domus pie et benigne providit... [Obiit anno domini 1409 in 
domo Basilee ordinis nostri tune prior.]?) 

pg. 23: Dominus Hildebrandus dietus Keyser cum Ger- 
trudi sua legitima, de melioribus quondam Tremonie; neenon do- 
minus Sergius dietus de Hengesteberge quondam proconsul in 
Tremonia cum Gertrudi eius legitima conthorali, propinquis et 
amicis eorum universis oracionibus nostris intime sint recommendati, 
Qui et (!) eciam beneficia contulerunt. 

pg. 24: Dominus Tydemannus dictus Klepping sacerdos 
ın Tremonia Westfalie pie ad nos affectus ac saluti sue providens, 
dedit nobis calicem bonum ad valorem XXII. flor. Item in pecunia 
et aliis circa VI, flor, pond. 


1) Am Rande von anderer Hand des XV. Fahrh.: Nycolaus Bers- 
word et Kunna uxor eius, Conradus, Detmarus, Lam- 
bertus, Zighebodus, Johannes et Betta, liberi eorummn, 
Helke uxor peredieti Conradi, Nyeolaus, Frowinns et 
Conradus filii eorum, 

2) Das Eingeflammerte von anderer Hand des XV. Sayeh. 

*) Das Eingeſchaltete ift Zujaß von anderer Hand des XV. Zahrh. 


Die Riete. 


Ein altweſtfäliſches Blasinjtrument. 
(Mit Abbildung.) 


Die Weitfalen haben jo zähe wie nur ein Volksſtamm an den Gitten 
ihrer Vorfahren feitgehalten, und manche Ueberreite alten Voltslebend haben 
na troß aller Stürme bis auf dem heutigen Tag erhalten. Um fo auf- 
fallender muß es erjcheinen, dat von den alten Mufifinftrumenten, deren 
fih unjere Vorfahren zur Begleitung der Tänze und anders bedient haben 
müfjen, jo wenig Epuren mehr vorhanden find. Es liegt das wol daran, 
daß die altdeutjchen Tänze jchon früh auch auf dem Lande den fremden, 
namentlich den franzöfiichen haben weichen müjjen. Statt des Reihens gab 
ed Schleiftänze, und damit mußte der Tanz jelbit vom grünen Unger auf 
die Haustenne verlegt werden. Das alte Initrument war hier zur Bes 
gleitung nicht miehr geeignet, es wanderte in die Rumpelkammer und die 
engbrüftige Ziehharmonita trat an feine Stelle. 

Hier und dort jollen ſich indes noch verichiedenartige Inſtrumente 
im Bolfsgebraucdhe erhalten haben. Eo vor allem das „Middewintershorn“, 
welched den Advent hindurch jeden Abend und Weihnachtemorgen auf dem 
Wege zur Uchte geblajen wird. Die Form des Horns ſcheint an verichie- 
denen Stellen eine verjchiedene zu jein, indem es ftellenweile aud Baum- 
baſt, anderewo aus einem Kuhhorne verfertigt wird. Im Borfenjchen und 
Lingenjchen jollen fie noch bejonders viel im Gebrauche jein; es wäre zu 
wünjchen, da darüber aus der Gegend einmal etwas Näheres mitgeteilt 
würde. 

Ein anderes voltstümliches Inſtrument fenne ich im füdlichen 
DOsnabrüderlande; es ijt itark im Verſchwinden begriffen, und ich weiß 
nicht, ob ed auferhalb der Aemter Melle und Iburg noch zu finden iſt. 
Selbſt hier gehören Eremplare allmählich zu den Seltenheiten. 

Das hornartige Inftrument heit Riete. Die Größe derjelben iſt 
eine verjchiedene, im Durchſchnitt beträgt die Fänge etwa 1,50 M. Man 
verfertigt fie aus Erlenholz, indem man einen ajtfreien Baum nimmt, 
dem man eine koniſche Gejtalt giebt. Dann wird er der Yänge nad) durd)- 
ſägt und beide Hälften gleichmäßig ausgehöhlt, bis die Wandungen die 
Me a Dünne haben, worauf fie mit Weidenbändern nach Art einer 
Tonne wieder mit einander verbunden werden. Das oben eingejegte Mund— 
ſtück wird aus einem Hollunderzweig gemacht, den man einfach aushöhlt 
und ihn oben jchräg abichneidet. 

Die Art diejer Heritellung bedingt natürlich, da die Riete, um 
dicht und damit brauchbar zu bleiben, im Waſſer aufbewahrt werden muß. 
Ebenjo ijt es jelbitveritändlich, dat je nach der Größe des Erenplares, 
nad) der Dide nnd Gleihmäpigfeit der Wandungen die Töne verjcieden 
find. Nicht alle Nieten geraten ın der Mache. Bon den beiden Eremplaren, 
die ich für das hiejige Muſeum mitgebracht habe, iſt das hier abgebildete 
von jeltener Güte der Arbeit und Reinheit des Tones; es ijt bereits drei 
Generationen hindurd im Gebrauche gewefen. 


XLVIl 1. 15 


226 


Die Riete zu blafen iſt nicht ganz leicht und erfordert eine gute 
Lunge; es liegt das an der Nohheit des Dımdffüctes, Wenn man ftatt des 
Hollunderpflodes ein metallenes Hornmundſtück auffchraubt, jo bläft fich 
die Niete wie jedes andere Horn, aber diefe Vervollkommung wird fie 
wohl nicht mehr erleben. Ein guter Rietenbläfer ift jelten und genießt in 
der Gegend einen gewifjen Ruf. 

Daß die Riete ein uraltes Inftrument ift, kann wohl faum einem 
begründeten Zweifel unterliegen: die Einfachheit des Inftrumentes und die 
Kunitlofigkeit der huhreihenfäruilichen Pielodie deuten darauf Hin. Aud) 
der Name „Riete“ (rite) fpricht dafür. Aus dem Wortichage des jegigen 
Dialektes läßt das Wort fidy nicht erflären, es fommt einzig als Bereid- 
nung für diejen Gegenitand vor. Un riten — reifen iſt faum zu denken; 
aus jahlichen Gründen würde man zunächſt an das angeljächiifche hreod, 
Rohr denken fünnen, das altfähliih hriot lauten mußte. Allein lautge- 
jeglid) wurde hriot zu ret, neben dem riet weder im mittelweiträlifchen, 
noch im jeßigen Dialefte jener Gegend vorfommt. Man fönnte auch an 
das ags. vridhan mwinden, drehen (davon das italienifche ridare, den 
Reihen tanzen) denten, aber danı mühte das Wort ride und nidyt rite 
lauten. Diefe Unficherheit in der Deutung zeigt deutlich) genug, daß der 
Name und mit ihm die Sache felbit hohen Alters it. 

Die Riete wird im Frühjahr und Sommer, folange ed die Wit- 
terung geftattet, im Freien abends nach Feierabend geblafen und iſt weit 
über die Bauerichaft hinaus vernehmbar. Der Tert, welcher der Melodie 
unterlegt wird, Icheint darauf hinzuweiſen, daß man früher nach der Niete 
getanzt hat. Ich teile zum Schluffe beide hier mit: 





Lüt haör es, Lüt haör ed, Ick will di wat van 


AN 
— e — — = Bere 1 — 
— = Eee 


dit un dat, Lüt haör es, Lüt haör es.) 


’) Maid, hör’ mal, Maid, hör’ mal, 
Ich will dir was von dies und das, 
Maid, hör’ mal, Maid, hör’ mal! 


Stanz Joſtes. 


IX 


Bericht des Vereins 
für 
Geſchichte und AlterthHumsfunde 
Weſtfalens. 


(Abtheilung Münſter.) 
—- 9% r 


Mit dem im vergangenen Frühjahr erfolgten Ausjcheiden 
Sr. Ercellenz des früheren Königlihen Oberpräfidenten der 
Provinz Wejtfalen Herrn von Hagemeiiter aus feinem 
hoben Amte hat unjer Verein leider auch jeinen Kurator 
verloren. Herr von Hagemeifter hat als jolcher während 
eines Zeitraumes von etwa ſechs Jahren unferen Beftrebun- 
gen ftet3 Lebhafte Theilnahme entgegengebradht und wirkſame 
Unterftügung gewährt, wofür der Verein Sr. Ercellenz zu 
danfbarem Andenken verbunden bleibt. 

Wir fönnen aber zugleich die freudige Mittheilung an: 
fügen, daß deſſen Amtsnachfolger, Se. Ercellenz der Königl. 
Dberpräfident Herr Studt, auf jchriftliches Erſuchen des 
Vorſtandes ſich alsbald bereit erklärte, die Stelle des Kurators 
unjere3 Vereins anzunehmen, und überdies die Gemwogenheit 
hatte, bei Gelegenheit einer dem Vorftande gütigſt verftatteten 
Audienz feiner bejonderen Theilnahme für die Beitrebungen 
des Vereins Ausdrud zu geben. 

Den Borjtand bildeten im vergangenen Jahre die 
Herren: 

Dontcapitular und Geiftl. Rath Tibus, Director. 

Kaplan Dr. Galland, Secretär und Bibliothefar. 

Profefior Dr. Funde. GSonjervatoren ded Mur 

Zandarmendirector Plafmann. ſeums der Alterthümer. 
15 * 


228 


Goldabeiter W. A. Wippo, Confervator des Münz- 
cabinets. 

Kaufmann B. Nottarp, Nendant. 

Sn der Situng vom 15. November vorigen Jahres 
machte der Herr Director die Mittheilung, daß der Con— 
jervator des Münzcabinets, Herr Goldarbeiter Wippo, in 
diefen Tagen das fünfundzwanzigjährige Jubiläum 
feiner Zugehörigkeit zum Vereins-Vorſtande feiere. Zum 
Zeichen der Anerkennung des regen Eiferd und der reichen 
Verdienſte des Herru Jubilars um die Intereſſen des Vereins, 
insbejondere um die Ordnung und Bereicherung des jett jo 
werthvollen Münzcabinets, erhob fi die Verſammlung von 
ihren Sitzen. Ueberdies wurde dem Herrn Jubilar feitens 
des Vorjtandes ein von Künitlerhand angefertigtes Diplom 
zur danfbaren Erinnerung an jeine ein volles Vierteljahr: 
hundert umfajfende Thätigkeit für den Berein überreicht. 

Die Mitgliederzahl it auch in dem abgelaufenen 
Jahre wiederum gemahlen. Diejelbe wurde im legten Jahres: 
berichte auf 357 aufgegeben, heute beträgt ſie 361. 

Der Berein verlor dur den Tod die Herren: 

1. Boele, Alfred, Bürgermeifter, bier. 
2. Lahm, Dr. Gottlieb, Domkapitular, bier. 
3. Seliger, Heinrich, Pfarrer, Darfeld. 

R. I. 1: 


Durch Austrittserflärung die Herren: 
l. Bäumfer, Dr. Brofeflor, Breslan. 
2. Baurichter, Anton, KaplanadSt. Ludgerum, bier. 
3. Brintmann, Rechtsanwalt, Borfen. 
4. Diefenbad, UÜber:Ingenieur, Bochum. 
5. Heſſe, Negierungsbaumeilter, bier. 
6. Köfter, Dr. Julius, Oberlehrer, Sierlohn. 
7. Kreuzer, Clemens, Kaufmann, hier. 


8. 
g. 
10. 
11. 
12. 
13, 


229 


Lindner, Dr. Theodor, Profeffor, Halle. 
Duinde, Regnungsrath, bier. 
Shmiemann, Bildhauer, bier, 
Schüßler, Dr. Geh. Reg.Rath, Burgiteinfurt. 
von Twidel, Freiherr, Havirbed. 
Wilhbelmi, Bauinfpector, bier. 
Dagegen wurden als neue Mitglieder aufges 


nommen die Herren: 


10. 
11, 
12. 
13. 
14. 
15. 
16. 
17; 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
23. 


. Bahlmann, Dr. Euftos der Kol. Paul. Bibl., hier. 
. Bedmann, Dr. med., praft. Arzt, hier. 

. Bongard, Regierungs:Baumeifter, hier. 

. Boppe, Auguit, Paris. 

. Ei, Theodor, Poftjecretär. 

. Gieje, Gymnafiallehrer, bier. 

. Helnius, Kaufmann, hier. 

. Herfeld, Franz, Caplan, Wankum bei Straelen. 

. Helle, Amtmann, Horjtmar. 


Hüfing, Leonhard, Kaufmann, Hamburg. 

Kaufmann, Dr. Georg, Profeſſor, bier. 

Knaup, Dr. phil., Rentner, bier. 

Lehbrint, Amtmanı, Geicer. 

Ludorff, NRegierungs:Baumeifter, bier. 

Marcour, Dr. Eduard, Chefredacteur, hier. 

Poggemann, Bicar, Ameloe bei Breden. 

Quinde, Gerichts-Aſſeſſor, hier. 

Füritlid Salm-Salm'ſche Bibliothek, Anholt. 

Schild, Earl, Apotheker, bier. 

Schrafamp, U, Kaufmann, Leuwarden (Holland). 

Schürmann, Königlider NRentmeifter, hier. 

Strietholt, Buchhändlergehülfe, hier. 

Uppentamp, Kaplan ad St. Aegidium bier. 
Aus der Paderborner Abtheilung trat über in die 


Münſterſche Abtheilung: 


24. 


Herr Rodehüfer, Eifenbahnjecretär, hier, 


230 


Die im Winterfemefter ftattgehabten VBereinsfitzungen 
erfreuten fih reger Theilnahme namentlich ſeitens der bier 
anfäßigen Mitglieder. Bon Fleineren Mittheilungen abgefehen 
wurden nachſtehende größere Vorträge gehalten: 

am 15. Nov. a. p. von Herrn PBrivatdocenten Dr. Finke 
über „zwei weſtfäliſche Dominifanergenerale des 
13. Jahrhunderts (Jordanus Saxo u. Johannes Teu- 
tonicus);“ 

am 29. Nov. a. p. vom unterzeichneten Secretär: 
„Westfalica aus den ungedrudten Berichten der 
päpftliden Nuntien von Köln; 

am 12. Dec. a. p. von Herrn Reg.:Bauführer Effmann 
über „die Grabftätte des zweiten und dritten 
Bilhofs von Müniter;“ 

am 12. Jan. a. c. von Herrn Gymnaſiallehrer Dr. Zugge 
über ‚die neuejten Hypotheſen (Mommjen, Knoke, 
Höfer) über die Varusſchlacht;“ 

am 24. Jan. a. ce. von Herrn Privatdocenten Dr. Finke 
über „das Papſtthum und Weftfalen bis zur Mitte 
des 14. Jahrhunderts;” 

am 7. Febr. a. c. von Herrn Ardivar Dr. Jlgen über 
„die weitfäliihen Corporationsſiegel bis 1500; 

am 21. Februar a. c. vom unterzeichneten Secretär über 
„die Sklaverei im heidnifhen Germanien und die 
Reibeigenihaft im Münfterlande.” 


Die auf Anregung und im Auftrage des Bereind in 
Angriff genommenen wifienihaftlihen Arbeiten nehmen 
einen erfreulichen Fortgang. 


Die von Herrn Privatdocenten Dr. Finfe übernom- 
mene und vom Herrn Grafen H. von Bocholtz-Aſſeburg 
thätig unterjtügte Fortjegung des „Weſtfäliſchen Urkunden: 
buches“ jchreitet rüftig vorwärts. So eben ericheint das 


231 


25 Bogen umfaifende erjte Heft von IV» (Baberborn be: 
treffend); das Ericheinen des ganzen Halbbandes mit etwa 
100 Bogen jteht zu Anfang des fommenden Jahres zu erwarten. 

Von der durch Herrn Profefjor Dr. Darpe fortgejeßten 
Rublifation „Godex traditionum Westfalicarum*“ 
erihien bereit3 gegen Ende 1887 der dritte Band unter 
dem Titel: „Die Heberegiiter des Klofters Ueber: 
waſſer und des Stiftes St. Mauritz.“ Der über Weft- 
falen und deſſen Nachbarichaft ausgedehnte große Beſitz jener 
beiden Stifter — Ueberwaſſer's Beſitz allein dehnte jich über 
70 Kirchſpiele aus — wurde hier, wie er feit dem 11. bez. 
12. Jahrhundert jich geftaltet, durch erjtmalige vollftändige 
Herausgabe der älteren Heberollen mit Hülfe ausgedehnter 
Umfragen meijt ſicher nachaewiejen; ein Verzeichniß der vor: 
fommenden Orts- und Perionennamen (87 Seiten umfaffend) 
ift beigefügt. Im Drude befindet jih und wird zu Anfang 
dieje Jahres ericheinen der vierte Band, enthaltend die 
Heberollen und Lehnsbücher der Fürftabtei Herford, 
jomwie die Heberegiiter des Stift! auf dem Berge 
bei Herford aus dem 12. bis 16. Jahrhundert. 

Bon unferer im vorigen Jahre begonnenen neuen 
Sammlung „Quellen und Unterfudhungen zur Ge: 
ſchichte, Eultur und Kitteratur Weſtfalens“ wird 
der von Herrn W. Effmann bearbeitete II. Band: „Die 
KRarolingiihzottoniihe Baufunft in Werden und 
Korvey” demnädit die Preſſe verlaſſen. 

Die von Herrn Gymnaitallehrer Dr. Lugge unternom- 
mene Veröffentlihung der Lehnsregifter der biichöflichen und 
ftiftiichen Curien, und zwar zunädit der Lehnsbücher des 
Münfterihen Biſchofs Florenz von Wewelinghoven, nimmt 
einen rüftigen Fortgang und wird der erjte Band noch diejes 
Jahr erjcheinen. 

Bon der Sammlung: „Weitfäliiche Siegel“ ift Fürzlich 
das von Herm Archivar Dr. Ilgen bearbeitete Dritte Heft; 


232 


„Die Siegel ber geiftlihen Corporationen und ber 

Stifts-, Klöfter: und Pfarr-Geiftlichfeit” veröffentlicht 

worden. 
Die Bereinsjammlungen murden wiederum durch 

Ankauf und Geſchenke anjehnlich vermehrt. 
Die Bibliothek erhielt an Geſchenken: 

vom Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Joſten (Münfter) „der 
Bethende und Beichtende Medicus in gottgeheiligten 
Hauß:, Reife, Buß-, Beicht: und Communion-Andachten. 
In zwey Theile verfaffet von Johann Samuel Ledeln, 
Medicinae Doctore Practico. Grossen zu finden bey 
Gottlob Hebolden Buchhändl. Anno 1728; 

vom Herrn Bauinspector Rodde (Hannover) mehrere Eremplare 
ſeines von ihm angefertigten Familienftammbaumes; 

vom Herrn Kaufmann Bern. Shmik (Müniter) einen vier: 
fah gejiegelten „Verſicherungsſchein“ über geleiftete 
„Quotifation für die Mlliirte Armee” d. d. Münfter, 
24. März 1759; 

vom Herrn Fabrifanten Otto Weftermann (Bielefeld) eine 
große Anzahl Fleinerer Schriften, Bildnifje, Siegel: 
abdrüde und Photographien; 

vom Herrn ©. Aug. B. Schierenberg (Frankfurt a. M.) 
als VBerfaffer: 1. „Das Näthfelder Barusihladt, 
oder Wie und wo gingen die Legionen des 
Varus zu Grunde?” (Franff. a. M. 1888); 2. 
„Die Kriege der Römer zwiihen Rhein, Wejer 
und Elbe,” (Ebend. 1888); 3. „Der Ariadne— 
faden für das Labyrinth der Edda, oder Die 
Edda, eine Tochter des Teutoburger Waldes” (Ebend. 
1889): 

vom Herrn Nittmeifter Egbert von Zurmühlen eine 
Anzahl intereffanter Manufcripte zur Culturgeihichte 
des Miünfterlandes im 17. und 18. Jahrhundert; 


233 
von einem ungenannten, um das Münzcabinet hochverdienten 
Mitgliede: „Beſchreibung der befannteften 
Kupfermünzen von Sof. Neumann’ (Prag 1858), 
6 Bände; 
von einem andern ungenannten, um den Verein und fein 
Mufeum der Alterthümer bejonders verdienten Mit: 
gliede zu verjchiedenen Malen eine große Anzahl werth: 
voller Schriften; 
Für dag Münzcabinet wurden erworben duch Kauf: 
4 Gold:, 107 Silber:, 66 Kupfermünzen und mehrere 
Siegelftempel der Kreuzherren zu Ofterberg bei Tedlen- 
burg; 
durch Schenkung jeitend der Herren Negierungsrath 
Freiherr von Droſte-Hülshoff (Münſter), Kauf: 
mann 8% Hüjing (Hamburg), Landarmendirector 
Plaßmann (Münfter), General-Major von Brittwiß 
und Gaffron (Münfter) 38 Silber:u. 40 Kupfermünzen. 
Dem Provinziallandtage verdanken wir auch in diejem 
Jahre die hochherzige Zumendung einer Summe von 4500 ME. 
an unſere Caſſe. Ihm mie allen Freunden und Gönnern 
unferes Vereins jei auch an diejer Stelle aufrichtiger Dank 
ausgeſprochen. 
In der am 25. Juli a. c. abgehaltenen Generalver— 
ſammlung wurde der geſammte bisherige Vorſtand auf 
weitere drei Jahre wiedergewählt. 


Münſter, den 26. Juli 1889. 


Dr. Joſ. Galland, 
Secretär. 


Anlage. 


Verzeichnis 


der mit uns in Schriftenaustausch stehenden Vereine 
und Institute. 





Aachen, Geschichtsverein, 

Altena, Verein für Orts- und Heimatkunde im Süderlande, 

Amsterdam, Koningligk oudheidkundig Genootschap. 

Augsburg, Historischer Verein für Schwaben und Neuburg. 

Bamberg, Historischer Verein für Oberfranken, 

Bayreuth, Historischer Verein für Oberfanken. 

Basel, Historische und antiquarische Gesellschaft. 

Bremen, Historische Gesellschaft des Künstlervereins, 

Breslau, Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 

Breslau, Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens. 

Chemnitz, Verein für Chemnitzer (Geschichte, 

Christiania, Kongelige Norske Universitet, 

Cöln, Stadtarchiv. 

Donaueschingen, Verein für Geschichte und Naturgeschichte der 
Baar und der angrenzenden Landestheile, 

Dorpat, Gelehrte Estnische Gesellschaft. 

Dresden, Königl, Sächsischer Altertumsverein, 

Düsseldorf, Düsseldorfer Geschichtsverein, 

Elberfeld, Bergischer Geschichtsverein. 

Erfurt, Akademie gemeinnütziger Wissenschaften, 

Essen (Ruhr), Historischer Verein für Stadt und Stift Essen, 

Frankfurt a/M., Verein für Geschichte und Altertumskunde, 

Giessen, Öberhessischer Verein für Lokalgeschichte, 

Görlitz, Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften. 

Halle a/S., Thüringisch-Sächsischer Verein für Erforschung der 
vaterl. Altertümer und Erhaltung seiner Denkmale. 

Hamburg, Verein für Hamburgische (Geschichte. 

Hannover, Historischer Verein für Niedersachsen. 

Hermannstadt, Verein für Siebenbürgische Landeskunde. 


235 


Hohenleuben, Vogtländischer altertumsforschender Verein. 
Jena, Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. 
Innsbruck, Ferdinandeum tür Tirol und Vorarlberg. 
Kahla, Verein für Geschichte und Altertumskunde zu — u. Roda, 
Kaiserslautern, Pfälzisches (rewerbemuseum, 
Karlsruhe, Grossherzogliches Generallandesarchiv. 
5 Badische historische Commission, 
Kassel, Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde, 
Kiel, Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer Altertümer. 
» Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburg’sche Geschichte, 
Klagenfurt, Geschichtsverein und naturhistorisches Landesmuseum 
in Kärnthen. 
Königsberg, Universitätsbibliothek, 
Leiden, Maatschappig der Nederlandsche Letterkunde, 
Lübeck, Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, 
; Verein für Hansische Geschichte, 
Lüneburg, Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg. 
Luxemburg, Institut Royal Grand-Ducal de Luxemburg -Seetion 
historique. 
Luzern, Historischer Verein für die fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, 
Unterwalden und Zug. 
Magdeburg, Verein für (reschichte und Altertumskunde des Herzog- 
tums und Erzstifts, 
Marienwerder, Historischer Verein für den Regierungsbezirk 
Marienwerder, 
Meissen, Verein für (reschichte der Stadt Meissen, 
Meiningen, Hennebergischer altertumsforschender Verein. 
Münster, Westfälischer Provinzial - Verein für Wissenschaft und 
Kunst. 
Nürnberg, Germanisches Museum, 
e Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. 
Oberlahnstein, Altertumsverein. 
Oldenburg, Oldenburger Landesverein für Altertumskunde. 
Osnabrück, Verein für Geschichte u, Landeskunde (Histor. Verein). 
Petersburg, Commission Imperiale Archeologique. 
Posen, Historische Gesellschaft für die Provinz Posen. 
Prag, Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 
Riga, Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostsee- 
provinzen Russlands. 
Schmalkalden, Verein für Hennebergische Geschichtejund Landes- 
kunde, 


236 


Schwerin, Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertums- 
kunde. 

Sigmaringen, Verein für Geschichte und Altertumskunde in Hohen- 
zollern. 

Soest, Verein für die Geschichte von Soest und der Börde. 

Stadtamhof, Historischer Verein von Oberpfalz und Regensburg. 

Stettin, Gesellschaft für Pommersche Geschichte u, Altertumskunde. 

Stockholm, Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Academien. 

Stuttgart, Königl. Statistisch-topographisches Bureau. 

Strassburg, Vogesenklub, 

Trier, Gesellschaft für nützliche Forschungen, 

Washington, Smithsonian Institution. 

Wernigerode, Harzverein für Geschichte und Altertumskunde, 

Wien, k. k. Oesterreichisches Museum für Kunst und Industrie. 

Wiesbaden, Verein für Nassauische Altertumskunde u, Geschichts- 
forschung. 

Würzburg, Historischer Verein für Unterfranken u. Aschaffenburg. 


X, 


Verein 
für 
Geſchichte und Alterthumskunde 
Weſtfalens. 


(Abtheilung Münſter.) 
1888 - 1889. 


— + — a» — — — 


Mitglieden- Menzeichnif. 
A. Einheimifhe Mitglieder: 


Gurator: Se. Ercellenz Herr Studt, Königl. Oberpräjident 
der Provinz Weftfalen. 

Alard, Bildhauer. 

Bahlmanı, Dr. Cuſtos der Königl. Paulin. Bibliothek. 

Beckmann, Dr. ıned., prakt. Arzt. 

Berndzen, Boitjecretair. 

Bierbaum, Dr. Ewald, Pfarrer ad St. Mauritium. 

Bierbaum, Dr. Friedrich, prakt. Arzt. 

Bisping, Gymnaltallehrer a. D. 

Böddinghans, Carl, Kaplan ad St. Aegidium. 

Boele, Dr. Geh. Juitizrath. 

10 Bollmann, Aug. Kaufmann. 

Bollmanı, Emil, Boftjecretair. 

Bon, F. W., Kaufmann. 

Bougard, Reg.:Baumeiiter. 

Borggreve, Baurath a. D. 

Brüd, Math., Kaufmann. 

Brüggemann, Dr. med., prakt. Arzt. 

Brüning, F. W., Kaufmann. 

Brunn, I. A., Jumelier. 


ot 


[ 
= 


238 


Busmann, Fr., Oymnafiallehrer. 
20 Deitmer, H., Baumeiiter. 
Detmer, Dr. Heinr., I. Euftos an der Königl. Paul. 
Bibliothek. 
von Detten, Rentmeiiter. 
Diepenbrod, Zof., Kaufmann. 
von Drofte-Hülshoff, Freiherr, Negierungsrath. 
25 von Drofte-Senden, Freiherr. 
Effmann, Reg.:Bauführer. 
Egen, Dr. Alfons, Gymnafiallehrer. 
Ehring, Mar, Kaufmann. 
Espagne, %., Lithograph. 
30 Effingholt, Dr, Bern., Gen.Vicariats-Aſſeſſor und 
Biſchöfl. Offizial. 
Fahle, C. J., Buchhändler. 
Fecke, Pfarrer ad St. Martinum. 
Ficker, Ludwig, Kreisgerichtsrath a. D., Stadtrath. 
Fiévez, Gen.Vicariats⸗Seeretär. 
35 Finke, Dr. Heinr., Privatdocent. 
Fleige, Heinr. Bildhauer. 
Funcke, Dr. Peter, Profeſſor. 
von Fürſtenberg-Borbeck, Freiherr Franz. 
von Galen, Aug., Graf. 
40 von Galen, Clemens Graf. 
von Galen, Ferd. Graf, Erbkämmerer. 
von Galen, Mar Graf, Domkapitular. 
Galland, Dr. Joſ., Kaplan ad. St. Ludgerum. 
Geisberg, Aſſeſſor a. D. 
Gieſe, Ed., Gymnajiallehrer. 
Glasmacher, Heinr., Rentner. 
Göring, Dr. Rechtsanwalt. 
Hagemann, Dr. Georg, Profeſſor. 
Halbeifen, Profeffor, Gymnafialoberlehrer. 
50 Hamerle, Dr. Brivatgeiftlicher. 


4 


oa 


239 


Hauemaun, Architekt und Stadtrath. 
Hanfen, Dr. Jof., Kal. Archiv-Aſſiſtent. 
Haverjath, Gen.-Bicariats:Calculator. 
Havirbed-Hartmann, Friedr., Kaufmann. 

55 von Heereman-Snrenburg, Mar Freiherr. 
von Heerentan, Dr. El., Freiherr, Regierungsrath a. D. 
Hegemann, Theobald, Kaufmann. 
Heimbürger, Aler, Rentner. 
Heitmann, Eberh., Premierlieutenant. 

60 Heitmann, Felir, Regierungsrath a. D. 
Heitmann, Reg.:Bauführer. 
Hellinghans, Dr. Otto, Nealgymnafiallehrer. 
Helmus, Kaufmann. 
Herbermann, Kaufmann. 

65 Herfeld, Dommerkmeifter. 
Hertel, B., Reg.:Bauführer. 
Hertel, Hilger, Architekt. 
Hertel, Hilger, Reg.:Bauführer. 
Helle, Referendar. 

70 Hoeter, H., Kaufmann. 
Hoogeweg, Dr. Herm., Archivar. 
Horſtmann, Bern., Kaufmann. 
Holtfamp, Wilh, Kaufmann. 
Horitmann, Hermann, Kaufmann. 

75 Horftmann, Gen.Vicariats-Regiſtrator. 
Hötte, Joſ., Gutsbefiger. 
Hüffer, Anton, Verlags-Buchhändler. 
Hüffer, Eduard, Verlags:Buchhändler. 
Hüffer, Fritz, Verlags-Buchhändler. 

80 Hüffer, Wilh., Rentner. 
Hüls, Peter, Domvicar und Domprediger. 
Hülskamp, Dr. Franz, Päpſtl. Kammerherr, Präſes 

und Herausgeber des „Lit. Handweiſers“. 

Hüſiug, Werner, Kaufmann. 


85 


90 


95 


100 


110 


115 


240 


Hugenroth, Kaplan ad St. Lambertum. 
Huſemann, Generalagent. 

Huysfens, Dr. Victor, Realgymnafiallehrer. 
Ilgen, Dr., Ardivar. 

Joſtes, Dr., Privatdozent. 

Yungeblodt, DOberrentmeiiter. 

Kaempfe, Theilhaber der Coppenrathihen Buchdruderei. 
Kajüter, Dr. Flor., prakt. Arzt. 

Kaufmann, Dr. Georg, Profeſſor. 

Kayſer, Gutsbeſitzer. 

Kayſer, Theod., Rentner. 

Keller, Dr. Ludwig, Kgl. Archivrath, Staats-Archivar. 
von Kerkering-Borg, Freiherr, Landrath a. D. 
von Ketteler-Haarkotten, Freiherr. 

Kleimann, Adolf, Handelsgärtner. 

Knake, Bern., Pianoforte: Fabrilant. 

Knaup, Dr. phil., Rentner. 

Koppernagel, Joſ., Zimmermeiiter. 

Kreuzer, Bern., Pfarrer. 

Kreuzer, Dr. Hub., Gymnaſialoberlehrer. 
Krüger, Joſ., Kaufmann. 


5 Kuhk, Theodor, Neferendar. 


Kuhlmann, Phil, Kiiter. 

von Landsberg-Belen und Gemen, Graf Friedrich. 
von Landsberg, Freiherr Hugo, Yandesdirector. 
Löns, Dr., Gymnajialoberlehrer. 

van de Loo, Domkapitular, Geiftl. Rath und Regens. 
Ludowigs, Baumeijter. 

Ludorff, Kal. Neg.:Baumeiiter. 

Zugge, Dr. Georg, Gymnajiallehrer. 

Marcour, Dr. Eduard, Chefredacteur. 

Meinhold, Dr. Otto, Gymnafialoberlehrer. 
Merſch, Gerh., Gymnaſiallehrer. 


120 


130 


135 


140 


145 


241 


von Merveldt, Graf Ferd., Erbmarſchall. 
Meyn, Eugen, Reg.:Rath. 

von Mitſchke-Collande, Nittmeiiter. 
Moornanu, Arnold, Hötelbeiiger. 

Moſecker, Aug., Bildhauer. 

Müller, Dr. med. Ed., Oberitabsarzt a. D. 
Mumm, Bern, Paftor, Marienthal. 
Naaber, Aug., Caplan ad St. Lambertum. 


5 von Nagel-Doornid, Freiherr Clemens. 


Naumann, Reg.Rath. 

Niehues, Dr. Bern., Profeſſor. 

von Noël, Gen.Vikariats-Sekretär. 

Nordhoff, Dr. Profeſſor. 

Nordhoff, F. A., Architekt. 

Nottarp, Bern., Kaufmann. 

Nottarp, Herm., Rechtsanwalt. 

Oſthues, Joſ., Juwelier. 

Overberg, Rector. 

Barmet, Dr. Adalbert, Profeſſor. 

Barmet, Dr. Matth., Dompropſt und Geiftl. Rath. 

Beus, Buſſo, Rechtsanwalt. 

Pieper, Dr. Ant., Präſes des Gräfl. v. Galen'ſchen 
Convictes. 

Pietz, Bern., Subregens. 

Plaßmaun, Wilh., Landarmen-Director. 

Plaßmaun, Aſſeſſor. 

von Prittwitz und Gaffron, General-Major, Commandeur 
der 7. Feld-Art. Brigade. 

Quincke, Gerichts-Aſſeſſor. 

Renſing, Referendar. 

Rincklake, Wilh., Architekt. 

Rodehüſer, Eiſenbahnſecretär. 

Rolfs, Dr. Alois, Dompicar. 

Rohling, R., Fabrikant. 


XLVII. 1. 16 


150 


— 
zii 
mt 


160 


165 


170 


— 
—— 
— 


180 


242 


Roß, Theod., Director des Franziskus-Hoſpital. 

Rump, Eduard, Kaufmann. 

Rüping, Herm., Domkapitular. 

Salzmann, Dr. med. Ferd., prakt. Arzt und Zahnarzt. 

Savels, Bauführer. 

Scheffer-Boichorſt, Theod., Geh.-Reg.Rath, Oberbürger: 
meijter a. D. 





5 Schenk zu Scdweinsberg, Freiherr, Neg.:Rath. 


Schild, Carl, Apotheker. 

von Schwmifing, Graf, Oberftlieutenant a. D. 

Schmitz, B., Kaufmann. 

Schneider, Peter, cand phil. 

Schnorbuſch, Dr. 9. A., Brofejjor u. Gymnajialoberlebrer. 

Schölliug, Dr. Franz, prakt. Arzt. 

Schöniugh, Heint., Verlags-Buchhändler. 

Schöningh, Joſ., Verlags-Buchhändler. 

Schürmann, Kgl. Rentmeiſter. 

Schulte, B., Kauſmann. 

Schultz, Dr. Ferd. Geheimer Regierungs- und Provin— 
zial-Schulrath. 

Schulz, Dr. B., Reg. und Schulrath. 

Schumacher, Franz, Seminarlehrer. 

Schwane, Dr. Joſ., Profeſſor. 

Schwarz, Bern., Regierungs-Bauführer. 

Severin, Geh. Regierungsrath 

Simon, Eduard, Kaufmann. 

Spital, Gen.-Bicariats:Calculator. 

Steinbider, Clemens, Nentner. 


5 Stienen, Caspar, Neitaurateur. 


Strietholt, Eugen, Buchhändlergehülfe. 

von Stockhauſen, Oberjtlieutenant a. D. 

von Stockhauſen, Ferd., Lieutenant und Adjutant. 

von Stockhauſen, Bottlieb, Hauptmann und Gomp.:Chei. 
Sümmermann, Carl, Regierungs-Baumeiſter. 


et! 


1930 


19 


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200 


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243 
ten Brinf, Gerh., Kaplan ad. St. Martinum. 
Theiffing, Bernard, Inhaber der Negensberg’ichen 
Buchhandlung. 

Theiffing, Sigismund, Inhaber der Theilfing’ichen 
Buchhandlung. 

Tibns, Adolf, Domfapitular und Geiftl. Nath. 

Tümler, Geometer. 

Tümler, Rechtsanwalt und Notar. 

Tüshans, Bern., Hötelbeiiker. 

Uppenkamp, Kaplan, ad. St. Aegidium. 

Irland, Johann, Decorationsmaler. 

Verkrürzen, 5. Rentner. 

Binde, B., Neferendar. 

von Viebahn, Oberprälidialrath. 

Bogeljang, Fr., Agent. 

Bormann, Ant., Juwelier. 

Waldek, A., Kaufmann. 

Weilbäher, Dr. jur., Nedacteur, 

Wenfing, Theodor, Architekt. 

Werſebeckmann, H., Zabrikant. 

Weverinck, Anton, Deeorationsmaler. 

Wippo, W. A., Goldarbeiter. 

Wippo, Gymnaſiallehrer. 

Wittkampf, Bern., Kaufmann. 

Wormſtall, Dr. Joſ., Profeſſor und Gymnaſialoberlehrer. 

Worring, Wilh., Kaplan ad. St. Lambertum. 

Wulff, Wilh., Bürgermeiſter a. D. 

von Zurmühlen, Egbert, Rittmeiſter a. D. 


16* 


1 


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10 


15 


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30 


— — — 


B. Auswärtige Mitglieder: 


Allbrinck, Pfarrer, Waltrop. 

Aldenfirhen, Rector, BVierjen. 

Alfers, Pfarrer, Rhede bei Bocholt. 

Althaus, Wilh., Rechtsanwalt und Notar, Steele. 

Anlife, Amtsgerichtsrath, Nedlinghaujen. 

von Bentheim, Premierlieutenant, Soeit. 

Berenten, Dr., Juſtizrath, Osnabrück. 

Berlage, Dr. Dompropit, Köln. 

Beileling, H., Pfarrer, Holthaujen bei Laar. 

Bitter, Alb., Kaufmann. 

Bitter, Referendar, Dortmund. 

Bodsfeld, Major a. D., Bürgermeijter, Dülmen. 

Bolte, Kol. Rentmeiiter, Ibbenbüren. 

Boppe, Aug., Paris. 

von Böjelager, Max Freiherr, Näzdar, Brankrome 
Park bei Bournemouth. (England). 

Brader, Commerzienrath, Borgborit. 

Brand, Pfarrer, Stromberg. 

Brockmann, Sparkajienrendant, Billerbed. 

Brungert, Ludwig, Gymnalial-Oberlehrer in Inowrazlaw. 

Brüning, Ant., Gutsbejiger, Fredenhorft. 

Bruns, Pfarrer, Schöppingen. 

Bücher, Dr., Landrichter, Duisburg. 

Buffon, Dr., Profeſſor, Innsbrud. 

Caſſer, Aug., Vicar, Bocholt. 


5 von Eroy, Herzog, Durdlaudt, Dülmen. 


Gulemann, Dr., Senator, Hannover. 

DahlHoff, Heinr., Dehant, Ahlen. 

Darpe, Dr., Brofejjor und Gymnafialoberlehrer, Bochum. 

Degener, Joſ., geiftlicher Nector, Vreden. 

Degener, Spiritual des Saleſianerinnen-Kloſters in 
Zangberg (Poſtſt. Ampfing in Bayern). 


245 
Denhardt, Rudolf, Sprachlehrer, Eijenad). 
von Drofte-Hülshoff, Freih. auf Rüſchhaus bei Nienberge. 
von Drofte zu Viſchering, Graf Erbdroſte, Darfeld. 
Edelbrock, Rudolf, Glodengießer, Gelder. 
35 Eidhoff, Gymnaiiallehrer, Wandsbed. 
Epping, Pfarrer, Ottenitein. 
Eich, Theod., Boitjelretair, Recklinghauſen. 
GEiterhazy- Plettenberg, Graf, Nordkirchen. 
Fechtrup, Dr. Bern., Profeſſor, Bonn. 
40 Ficker, Dr. Profeſſor und Hofrath, Innsbruck. 
Freeſe, Dr. J., Brieiter, Holte in Hannover. 
Fuiſting, Gch. Finanzrath, Berlin. 
von Fürſtenberg-Borbeck, Freiherr, Kettwig. 
Grevel, Wilh., Apotheker, Steele. 
45 Grimmelt, Pfarrer, Heef. 
Grosfeld, Dr. Peter, Gymnaftaldirector, Rheine. 
Grotemeyer, Dr., Brofeffor und Symmafialoberlehrer, 
stempen. 
Gruchot, Dr., Gymnaſialdirector, Braunsberg. 
Göttingen, Univerfitäts:Bibliothef. 
50 Gütersloh, Hijtorischer Berein. 
Hackebram, F., Apothefer, Dülmen. 
Hammer, Pfarrer, Nienberge. 
Harfort, Peter, Haus Schede bei Wetter a. d. Ruhr. 
Henje, Dr. Friedr. Pfarrer, Dreniteinfurt. 
Hentrid), Kaplan, Emsdetten. 
Herfeld, Franz, Kaplan, Wantum bei Straelen. 
Herold, Joſ., Kaplan, Holiterhauien bei Doriten. 
Herte, Gymnaſiallehrer, Brilon. 
Himly, Königl. Regierungspräſident, Poſen. 
60 Hölſcher, Dr. Bern., Gymnaſialdirector a. D., Reckling— 
hauſen. 
Höting, Dr. Bern., Biſchof von Osnabrück. 
Huckeſtein, Gymnaſialoberlehrer, Recklinghauſen. 





it 
ci 


70 


1 


— 


80 


90 


246 





Hüffer, Dr. Georg, Profeſſor, Breslau. 

Hüſing, Aug., Pfarrer, Geſcher. 

Hüſing, Leonhard, Kaufmann, Hamburg. 

Hülsmann, Rector, Lüdinghauſen. 

Janſen, Pfarrer, Datteln. 

Iber, Dr. Gymnaſialoberlehrer, Osnabrück. 

Jülkeubeck, Adolf, Kaiſerl. Marincpfarrer, Wilhelmshafen. 

Keiter, Hein., Redacteur in Regensburg. 

Kemper, Gymnaſiallehrer, Warendorf. 

Koch, Pfarrer, Altichermbed. 

Kömſtedt, Heinr., Pfarrer, Venne. 

König, Amtsrichter, Aſchersleben. 

Köſters, Hugo, Rentmeiſter, Lembeck. 

Kraft, Dr., Profeſſor, Bonn. 

Krimphove, Caspar, Pfarrer, Weſſum. 

von Landsberg, Freiherr Max, Velen. 

von Landsberg-Steinfurt, Freiherr, Landrath. 

von Ledebur-Crollage, Freiherr, Ahrenshorſt bei Bohmte 
(Osnabrück). 

Lehbriuk, Amtmann, Geſcher. 

Lieſen, Dr. Bern., Gymnaſial-Religionslehrer u. Convictss 
Regens, Emmerid). 

Lorenz, Pfarrer, Doriten. 

Lucas, Profeſſor und Gymnalialoberlehrer, Rheine. 

Meiners, Franz, Kaplan, Aicheberg. 

Melchers, Dr. Paulus, Cardinal, Eminenz, Nom. 

Mellage, Piarrer, Marienfeld. 

von Merveldt, Graf Fri, Fredenhorft. 

Meſſiug, Schulze, Senden. 

ter Meulen, Dr. Referendar, Hamm i. ®. 

Morell, Oberftlieutenant a. D., Damme (Oldenburg). 

Nadorf, Fabrikant, Rheine. 

Neteler, Dr. Bern., Bicar auf Haus Loburg bei Djtbevern. 

Nenwöhner, Pfarrer, Telgte. 


247 


95 Niemann, Dr. Pfarrer, Cappeln bei Kloppenburg. 
von Der, Freiherr, Egelborg bei YXegden. 
Boggemann, Vicar, Ameloe bei Vreden. 
Nave, A. Kaplan, Zwillbrod. 
Neigers, Kreisgerichtsrath a. D., Bocholt. 
100 Neismann, Director, Paderborn. 
Reuſch, Rechtsanwalt, Lüdinghauien. 
von Rhemen, Kreiherr von, Lieutenant, Elbelojteleg in 
Böhmen. 
Ribbeck, Dr. Ardivar, Hannover. 
Ningenberg, Wilh., Miſſionspfarrer zu Stadthagen. 
105 Robert, W., Kaufmann, Damme (Oldenburg). 
Nodde, Bauinjpector, Hannover. 
Rohlmaun, Kaplan, Boraborft. 
Rulle, Kaplan Vreden. 
Rump, Franz, Pfarrer, Bocholt. 
110 Salm-Salmı, Alfred Prinz, Anholt. 
Salm-Salm’iche, Fürſtliche Bibliothek, Anholt. 
Schmitz, Kaplan, Vreden. 
von Scorlemer, Sreiherr, zu Sonderhaus bei Ahaus. 
Schrakamp, A., Kaufmann, Leuwarden (Holland). 
Schriever, Pfarrer, Plantlünne. 
Schulte, Dr. Alois, Archivrath, Karlsruhe. 
Schumacher, Hub., Kaplan, Stadtlohn. 
Schwieters, Kaplan, Herbern. 
Seibertz, Amtsrichter, Lüdinghauſen. 
120 Sierp, Conrector, Werden a. d. Ruhr. 
Soeſt, Verein für Geſchichte von Soeſt und der Börde. 
von Spieſſen, Max Freiherr, Lieutenant a. D., Haus 
Oſthoff bei Dülmen. 
Sprickmaun-Kerkerinck, Bürgermeiſter, Rheine. 
Spude, Landrath, Bochum. 
125 Steigleiter, Pfarrer, Wettringen. 
Sträter, Kaplan, Vreden. 


— 
— 
x 


130 


140 


— 
- 
— 


155 


248 





Süß, Karl, Rechtsanwalt, Ibbenbüren. 

Tappehorn, Ehrendomherr, Landdechant und Pfarrer in 
Vreden. 

Tenhagen, F., Kaplan, Vreden. 

Timmermaun, Carl, Fabrikant, Rheine. 

Tücking, Dr. Gymnaſialdirector, Neuß. 

Tumbült, Dr. Georg, Archivſecretär, Donaueſchingen. 

Tümler, Pfarrer, Vellern bei Beckum. 

von Twickel, Freiherr, Clemens, Havixbeck (jun.) 

Tyrell, Dr. praft. Arzt, Ahaus. 

Neding, Profeſſor u. Gymnafialoberlehrer, Redlinghauien. 

Bahle, F. J., Gaitwirth, Jbbenbüren. 

Beltmann, C., Fabrikant, Pforzheim. 

Bijfing, Pfarrer, Horft i. W. 

Brede, Gutsbejiger, Haus Coerde bei Münfter i. W. 

Wagener, B., Kaufmann, Emsdetten. 

Wattendorff, Heinr., Kaufmann, Sbbenbüren. 

Weddige, Juftizrath, Rheine. 

Weidlich, Pfarrer, Albersloh. 


5 von Wendt, Freiherr, Gevelinghaujen bei Mejchede. 


Wesmöller, Gymnaſiallehrer, Brilon. 

Weflelinf, Joſ., VBicar, Datteln. 

von Weiterhoft-Gyjenberg, Otto Graf, Weſterholt i. W. 
von Weſterholt-Gyſenberg, Ignatz Graf, Aſſeſſor, Bigge. 
Weſtermanu, Joh., Pfarrer, Albachten. 

Weſtermaun, D., Fabrifant, Vielefeld. 

Wiemann, E., Fabrifant, Warendorf. 

Winkler, Alois, Pfarrer, Gemen. 

Wulf, Dr. Pfarrer, Laftrup (Oldenburg). 

Zuhoru, Amtsrichter, Kamen. 


Zweite Abtheilung 


herausgegeben 
vom Director der Paderborner Abtheilung 


Dr. €. Merteus. 


XLVII. 2. 1 


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IE 


Auszüge aus dem 
Liber Annalium et Annotationum 


Conventus ff. Capucinorum Paderbornensium 
ab anno 1612, 





Mitgetheilt 
von 


5. V. Sauerland. 


In der Bibliothek des Capuzinerkloſters zu Dieburg 
bei Darmſtadt befindet ſich zur Zeit ein Codex in IV® mit 
vorftehender Aufichrift. Die eriten drei Fünftel der darin 
enthaltenen Blätter jind bejchrieben, die legten beiden unbe: 
Ichrieben. Jene bieten auf 393 Seiten die Geichichte des 
Paderborner Capuzinerkloſters von jeinen erjten Anfängen 
(1612) bis zum Jahre 1864. Die Aufzeihnungen jind von 
drei Händen gemadt. Der erite Schreiber hat mit dem 
Einzug der Gapuziner in Paderborn begonnen und auf Grund 
der Acten des Kloſterarchivs die Klofterchronit bis ins Jahr 
1790 weiter geführt (S. 1— 252). Sein nädjiter Fortjeger 
hat über die Jahre 1790—1797 beridtet (S. 252— 261). 
Der dritte und legte Aufzeichner hat die Ereigniffe bis zum 
Jahre 1864 notirt (S. 261— 393). 

In allen drei Stüden find nicht bloß über die Gefchichte 
de3 eigenen Kloſters und Ordens, ſondern aud über die Ge- 
Ichichte der Stadt und Didceje Paderborn vielfach recht werth— 
volle Angaben gemacht, und wird es der künftige Dariteller 
der Geichichte der Diöceje oder der Stadt Paderborn nicht 
unterlaſſen dürfen, bei jeiner Arbeit diefe Paderborner Ca— 
puziner-Annalen in jorgfältige Rüdjicht zu ziehen. 

XLVII. 2. 3 


Aber auch an Aufzeihnungen von allgemeinem hiſtoriſchen 
Intereſſe fehlt e3 darin nicht, und find es bier namentlich 
die Berichte über die Erlebniſſe während der drei ſchleſi— 
hen Kriege, ) welche und wichtig ſcheinen und die wir 
darum als Ercerpte in Nachſtehendem veröffentlichen: 

A. 1740. ... . insufficientia ab anni praeleriti 
acri hyeme iam ab Octobri saeviente magis magisque 
saevire duravit ad Majum usque. Universum orbem fri- 
gore, fame, ac caritate panis tanta vexavit, ut, si solius 
recordor Paderbornae, septingentos a portario nostro 
una Sabbatlıı numeratos seiam pauperes, quibus panis 
datus est. Olera ex urtieis cocta tam nobiliori quam 
nostrae mensae delieiae erant; adeo parcos congelata 
terra verno tempore porrigebat fructus. (S. 134.) 

A. 1741. Anno quo post obitum augustissimi 
Romanorum imperatoris Caroli VI. Bavarus in amicitiae 
foedera traxcerat Gallum 1741, Austriacae domus prag- 
matica sanelio, vi euius Maria Theresia... et scrip- 
tis impugnari caepit et armis; quadraginta nempe Gal- 
lorum millia sub duce Malleboi sieut castra stativa fixe- 
rant Düsseldorpii ad Rhenum magnificumque Regularium 
s. Augustini Canonicorum Novesii?) monasterium apta- 
verant in nosocomium, sie missa trans Rhenum nota- 
bili huius exercitus parte ”), möonasterii nostri Paderani 
tabulata duo una cum adiacente pestiferorum domo per, 
submissos commissarios pro valetudinario militum pa- 
randa exigunt ... (Nun wird im größeren Theil der 
Kloftergebäude ein Militärjpital eingerichtet.) Vix in his 
ultimas (sie!) desudaverat artifex, 15 et 6ta Novembris 


*) Weber dieje finden ſich auch in der Chronica Conventus Tremoniensis 
des P, Gonitantin Schultz (in Archiv der fath. Pfarrkirche zu Dort- 
mumd) werthvolle Notizen. 

2) d. i. Neuß. 

8) In der Dandichr.: parte et. 


35 





advenerunt cum infirmis et bene valentes Gallorum duo 
legiones pedestres, equestres itidem binae; harum una 
Salzkottenae, Delbrugi et Burenae, altera aequaliter 
divisa, tertia alterius parte Neohusii relicta, reliqui 
omnes hanc civitatem ingressi sunt ... (Die Mönde 
ind durch das eingerichtete Spital auf den Heineren Theil 
des Klofters beſchränkt. Die zum Spital benugten Räume 
werden jtarf bejchädigt und durch arge Unjauberteit bejudelt. 
Zweimal bricht bei der leichtiinnigen Nachläfligfeit der fran— 
zöriichen Soldaten dort jogar Brand aus, der jedoch noch 
rechtzeitig durch die Mönche gelöjcht wird.) Referendo impar 
sum, quas diu noctuque molestias et foedia tam ab 
infirmorum, quorum alios febri, alios scabie, alios ve- 
nerea lue infectos, vulneratos alios, et hine unum et 
unum, illine binos et binos uni euleitrae !) incubare cum 
horrore vidisses, lachrymosis gemitibus, quam a salta — 
et gladiatoriae artis amatoribus in seram noctem pro- 
tractis tumultibus devorare debuerimus. Inconveniens 
quoque esset, recensere inconvenientias et petulantias 
plurimas cum mulieribus contra omnes in contrarium 
attentatos nisus?) hospitale infirmorum hospitalisque 
euratores libere accedentibus patratas, saepe non sine 
scandalo visas et auditas. . . . Interea quavis die ac 
nocte moritur unus alterve ‘miles, qui sacco insutus 
exiguo apparatu quatuor tantum portantibus, praece- 
dente ceruciferario, sequente castrensi, extra portam 
Giers dictam sepeliendus efferebatur. 

His aliisque innumeris gravati eramus malis, donec 
tandem ao. 1742 mille votis expeetata dies 14. Iulii 
D. Bonaventurae sacra, qua, destructo hospitali, Gallorum 
infirmi suo nos exhilarabant discessu . . . (©. 135 140.) 


1) Bett. 2) ergänze: ad. 
3% 


36 


A. 1758. Circa finem Novembris maxima militum 
Borrussorum, Anglorum, Hannoveranorum, Brunswicen- 
sium, Hassorum aliorumque confoederatorum copia oc- 
cupavit urbem hanc et totam dioecesin ac hybernia 
fixit. Serenissimus princeps haereditarius Brunswicen- 
sis fuit urbis huius et copiarum Brunswicensium com- 
mandans. 

7. Decembris omnia civitatis huius coenobia plurimo 
milite fuerunt oppressa. Abdinghoff habuit 40, Patres 
S. J. 30, Capueini 30, Observantes 21. Hisce 30 vena- 
toribus cibum et potum porrigere debuimus. (S. 173.) 

A. 1759. In quintam septimanam praeter do- 
mum pestiferorum minus conclave in conventu cum 
contiguo lapidibus strato cubili militibus 23 tormen- 
tariis!) Hannoveranis cedere coacti sumus, qui 19. Martii 
cum tota legione prineipis haereditarii Brunswicensis 
Cassellas abierunt . .. 

24. Iunii advenerunt Paderbornae 130000, centum 
et triginta millia, Gallorum sub duce Contades. Agros 
et hortos omnes non tantum circa civitatem devastarunt, 
sed ultra duas horas omnem hoc anno maxime arri- 
dentem segetem falces gallicae demessuerunt. 29. abiit 
totus exercitus in Schlangen. (S. 174.) 

1. Augusti, Gallico exereitu Mindenae a confoede- 
ratis caeso ac fugato, dux d’Armentier, urbe Monaste- 
riensi et eius propugnaculo in potestatem Gallorum re- 
dactis ac Lipstadio actualiter a 30000 Gallorum obsesso, 
obsidionem solvit ac cum toto exerceitu suo hanc dio- 
cesin pertransit Cassellas. Gallos fugitivos insequitur 
exereitus confoederatorum. 

7. Augusti venit princeps Holstein-Gottorp cum 
S000 confoederatis, quibus ex supremi regiminis man- 


2) d. i. Artilleriften, 


37 


dato 15 tonnas cerevisiae et ducentos panes ad castra 
deferre debuimus. 

9. Augusti magnus confoederatorum exercitus sub 
duce Ferdinando principe Brunswicensi retro montem 
S. Liborii prope sylvam dietam der Bod castrametatus 
‚est. (S. 175.) 

Monasterium Westphaliae !) a Gallis vi armorum 
occupatum, usque ad 18. Novembris a confoederatis 
sub Generali Imhoff obsessum, templis et aliquot centum 
aedibus incineratis, iterum a confoederatis occupatur. 

A. 1760. 15. Ianuarii super modum fuimus gra- 
vati 150 captivis Dillenburgi factis Gallis, quibus per 
duas noctes praeter hypocaustum in domo pestiferorum 
omnia in ambitu conclavia concedere fuimus coacti. 

28. Ianuarii dies prae ceteris accidit nobis molestus: 
100 ex improviso circa medium 6tae vespertinae milites 
Anglici cum 18 foeminis et multis liberis occupaverunt 
omnia conventus et domus pestiferae, perfractis vi 
quibusdam ianuis, conclavia, quibus cibum et potum 
porrigere fuimus coacti. 

Hibernia habuerunt milites confoederati in omni- 
bus vieinis dioecesibus. Ipsemet serenissimus dux Fer- 
dinandus Brunswicensis, supremus confoederatorum 
mareschallus, aedes Fürstenbergicas in eivitate occupavit. 
(Qui in coena domini et feria 6ta parasceves erecta in 
ecclesiis sepulchra Domini cum aliis principibus visi- 
tavit et per aliquot annos omissam solemnem figurarum 
veteris testamenti repraesentationem in parasceve fieri 
voluit. (S. 176.) 

10. Aprilis advenit Paderbornae serenissimus Lant- 
gravius Hassiae, inter varias adversitates in fide catho- 
lica velut Marpezia cautus. 





I) d. i. Münfter. 


38 


17. Junii ... Vidit et obstupuit Padera aliquot 
centenos transeuntes Scotos Gassellas absque braceis 
consueto Scotorum more incedentes. (©. 177.) 

12. Decembris novam et maximam conventui attulit 
afflietionem centum Anglorum militum copia, conventum 
inferiorem et domum pestiferum oceupans, in Atam septi- 
manam permanens. 

A. 1761. In Januario per aliquot dies in con- 
ventu nostro inclusi et eustoditi a militibus Hannoveranis 
225 virapti iuvenes et viri !), qui confoederatorum castra 
sequi coacti sunt. (©. 178.) 

Circa finem Junii, recedente milite confoederato ex 
confinibus nostris, Gallorum exercitus S0000 iterum 
urbem hanc et patriam sub famoso duce de Broglio ad 
tempus occuparvit. 

18. Julii totam civitatem partesque vicinas, maxime 
Neuhusium et Elsen, in summam adegit angustiam: 
subito namque confoederati sub colonello Luckner 
Gallos aggressi, eos propulsarunt et occupato Neuhusio, 
Gallis inde fugatis, domos plerasque exspoliavere; Galli 
vero sub principe regio Saxonico, Xaverio nomine, tor- 
mentis bellieis ?) confoederatos Neuhusio expellere atten- 
tantes, magnam et arci et domibus ruinam intulerunt. 

In Augusto furor bellicus aliam et huic patriae 
lugubrem exhibuit scenam, dum dux de Broglio cum 
exercitu suo ad 30000 aucto e confiniis Susati, Lip- 
stadii et Erwittae Cassellas et Visurgim repetebat, pede 
presso insequente eos duce confoederatorum Ferdinando. 
Quare sub alternis utriusque exereitus stationibus castris- 
que circa Paderam positis, sala jam flavescentia partim 
depasta partim depopulata summam annonae frumen- 
torum caritatem induxerunt, ita ut modius tritici 7 


2) Geijeln oder gepreßte Nefruten? ) d. i. Kanonen. 





imperialibus, siliginis&, hordeae et avenae 2 ac medio 
imperiali constaret. (©. 179.) 

A. 1762. Hac hieme tum ob antecedentes agro- 
rum depopulationes, tum ob frigoris et nivium copiam 
ac acerbitatem nimium sucercevit annonae caritas, ita 
ut circa pascha modius hordei 6 imperalibus et medio 
constiterit . . . lieet hac hyeme Paderana civitas milite 
nec Gallico nec confoederato praegravata fuerit, in arce 
tamen Neuhusana continuam confoederati tenuere sta- 
tionem non sine incolarum pressura ac clade. Praeter- 
quam enim quod ultra 40 aedes non infimae sortis ob 
ligni pretiositatem sint ibidem dirutae, nihil oleris, quid 
dieam panis aut victualium remansit, imo nec spes 
frumentorum necessariorum, dum agri fere omnes a 
eivitate Paderbornensi Neuhusium versus iam triennio 
magna ex parte inculti necessitatem induxerunt, non 
solum pro hoc loco, sed etiam pro tota dioecesi — 
quia ubique erat vastitas et desolatio — ultra centies 
mille imperiales qua pro pane qua pro cerevisia partim 
Cassellas, partim in Floto oppidum principatus Mindensis 
transferre. 

Circa finem Maii dux confoederatorum Ferdinandus 
princeps copias per hanc ac dioeceses et loca adiacentia 
diffusas e hyberniis Brakeliam collegit collectoque milite 
Warburgam se movit, Gallos Cassellis expulsurus, «od 
secus evenit. Et cum iam in annum 6tum varia eaque 
continua miseriarum, vexationum, praesidiorum, vecti- 
tationum, contributionum, depopulationum series clade 
vix restauranda urbem hanc ac patriam afflixisset, pau- 
peries eo devenit, ut in Junio ex praetacto pago Floto 
40 modios polentae pro coquenda cerevisia pretio 200 
imperialium comparare et pro transportatione huius per 
14 asinos — non enim aut raro hisce, sed tantum pro 
militaribus vectitationibus erat equorum usus — facta 


40 


60 imperiales; nam circa initium Junii modius hordei 
ultra 7 imperiales constitit. Imo quod vix a posteris 
fidem inveniet, 4 pondo carnis bovinae aut vitulinae 
neenon 4 pondo aselli arefacti solvi debebant imperiali. 
Ex defectu equorum asinus communiter 50—60 et capra 
40 aut 50 imperialibus venum ibat. (S. 182—84.) 


Occuparat hac aestate ac late sese diffuderat per 
Hassiam uterque exereitus, qua Gallicus sub ducibus 
d’Etree et Soubise, qua confoederatus sub duce Ferdi- 
nando Brunswicensi; et licet Galli Göttingam prius ab 
ipsis munitam deseruerint, attamen Cassellas sese de- 
fensuros gallica ostentabant fallacia. Hine Paderborna 
paulisper respirabat, quamvis nihilominus pagi et eivi- 
tates militum depraedantinm excuret extorsionibus 
perturbabantur. Ast et hune pacis et quietis prae- 
gustum penitus extinguebat amara depauperatae dioecesi 
a duce Ferdinando devictis Cassellis praelibata portio. 
seu potius conscripta 1050000 imperialium contributio 
sub ferro et flammis comminata, ni quantocius exsol- 
veretur; quod ad avertendum patriae excidium magna 
ex parte est praestitum. Flavescebant hinc et inde agri 
optima spe messis; ast et hanc exspectationem mures 
copiosi cum omni fere hordeo et avena depascebunt. 


Verum in hoc turbulento rerum statu languescentem 
patriam recreabat reficiebatque mille votis expetitus 
pacis nuncius, Galliam et Hispaniam inter ex una, 
Angliam et Portugalliam inter ex altera partibus sub- 
signatae. Ast o inanis hominum spes! vix suspiravimus 
ad quietem, et ecce sarissarum, gladiorum tormentorum- 
que fulgur et terror eivium agricolarumque commove- 
bat viscera, dum cum magna cexercitus sui parte in 
patriae viscera dux Ferdinandus penetrabat, occupans 


41 


in festo Clementis!) palatium Neuhusanum. Et quod 
malum augebat, statim 60000 rationes, ut vocant, in 
avena, foeno et stramine, e minutissimis dioeceseos reli- 
quiis corrasae, partim Paderbornae?) partim Neuhusium 
comportari debebant. Super hoc exigebantur 9000 
modii tritici et siliginis, et miles usque ad discessum 
sumptuose a cive et rustico erat alendus. Tandem 
exhausta dioecesi in vigilia nativitatis Domini dux 
Ferdinandus Brunswicum discessit, relictis usque ad 
15. Martii 1763 fere 500 militibus Hannoveranis intra 
hanc civitatem. 


A. 1763. Sub initio huius anni inita sunt foe- 
dera pacis a rege Borussiae cum statibus imperü ... 
(3. 18586.) 


Aus den franzöliihen Revolutionskriegen fins 
den jich in unjeren Annalen nur wenige Notizen von allge: 
meiner Wichtigkeit: 

A. 1793. Hoc anno se extenderunt calamitates 
belli, et Gallis Belgium occupantibus confratres Galli 
et ecclesiastici emigrantes ad provinciam nostram et 
ultra Rhenum usque ad nos descenderunt pro receptione 
et hospitio. Erat ergo miseria videre, qualiter hoc anno 
vel maxime anno sequenti episcopi, ecclesiastici, mo- 
nachi et moniales e Gallia expulsi in angustiis et pe- 
nuria per mundum discurrere et circumire debuerint, 
heu in quale gravamentum conventuum nostrorum, ut 
tot homines reciperentur et eorum indigentiis sub- 
veniretur secundum leges christianae charitatis. 

(8. 253 —4.) 


) 23. Nov. ?) lied: Paderbornam. 





42 


Bezüglich der Hinrichtung Ludmigs XVI. findet ſich 
dann folgendes Chronogramm: 

Viator sta! qVo properas? 

HeV! ne hIC sItVM transeas 

Et, qVIs sit, Vt non nesÖlas, 

In DIgnans stVpens lege! 

LVDoVIOCVs reX FrancClae, 

ConIVX Antonettae aVstrIaCae, sVIs a 

sVbDItls, 

BonVs ab InIqVIs. InnoCens a reIs Caplte 

pLeXVs. 

Festo sanÖtae AgnetIs HIO agnVs, 

GaVDentIbVs feroCIter LVpls, 

SaglInatIs pestIfera esCa 

DetestabILIs phILosophlae, oOOCVbVLt. 

(S. 255.) 

A. 1794. In Augusto ad nos confugerunt cum 
ecelesiae pretiosis et reliquiis sanetorum et insignibus 
imperüi reverendissimus decanus Aquensis cum aliquot 
canonieis et suo syndico. !) 

In Octobri Cartliusiani Colonienses cum pretiosis 
suis venerunt ad nos; duo cum uno Carthusiano Gallo 
et famulo fere per 5 septimanas sunt apud nos morati. 
Dein sumentes hospitium in collegio Exiesuitarum in 
Büren, pretiosa sua apud nos reliquere. Eodem tem- 
pore etiam ad nos cum ecclesiae suae suppellectilibus 
fugerunt canonieci Leodienses capituli s. Pauli. (2. 256.) 

A. 1801. Trappistae e Gallia in Russiam emi- 
grantes et hine in dioecesin Paderb. revertentes in Buren, 
Welda, Driburg et Paderbornae domicilia sibi conıpa- 


) Vergl. Ahlemeyer's Bericht über die Krönungs:Infignien der deut: 
ihen Kaifer im Napuzinerflofter zu Paderborn in Zeitichrift für 
Geſch. u. Alterthumsk. Weitt., 40,2 €. 150 ff. 


43 


— — 


rabant ad pueros pauperes educendos et nutriendos. 
In urbe Paderana inhabitabant domum oeconomi Rempe 
prope conventum nostrum Paderb. Item moniales 
Trappistae et Carmelitessae et Capucinessae ex Gallia 
profugae in domibus civium habitacula acceperunt. 
Monachorum Trappistarum dioecesin nostram aliquot 
post annos (1804) relinquentium unus nomine Josephus 
laicus in habitu civili in conventu nostro Paderb. multos 
per annos .. . habitabat. (©. 273.) 

A. 1802. Hoc anno alma nostra provincia Colo- 
niensis infaustam nimis ac luctuosam subiit mutationem. 


Dumque omnes nationes eruentissimum — quod iam 
anno 1791 ferro et flamma in florentissimam (rermaniam 
saevierat — bellum finitum ac pacem terra marique 


constitutam gratulabantur, veneräbilis devastatae Ger- 
manae clerus exoptatae pacis olivam sibi soll praerep- 
tam ac internecinum illatum lugebat bellum. Siquidem 
omnes religiosae corporationes tam collegiatae quam 
monasticae, bonis suis et ecelesiastieis beneficiis, digni- 
tatibus spoliatae, die 4. Julii 1802 in sinistra Rheni ripa 
declarabantur supprimendae. (&. 274.) 

#. Septembri trans Rhenum publicatum fuit de- 
cretum suppressionis omnium capitulorum et religio- 
sorum utriusque sexus erga pensionem, si a parte si- 
nistra oriundi sint; qui vero in parte Rheni dextra 
nati erant, cum itinerario 25 coronarum trans Rhenum 
missi sunt. (S. 276.) 

23. Novemb. huius anni mandato imperii Germanici 
Ratisbonae facto episcopatus Paderbornensis saeculari- 
zatus et regi Borussorum, qui illum iam 3. Augusti 
occupaverant, traditus est sub principe episcopo Egone 
de Fürstenberg, qui pensionem annuam accepit. (8.278.) 

A. 1803. Hoc anno 1803 suppressae sunt abbatiae 
resp. praelaturae ... virorum, secil.: 1. In urbe Pa- 


44 


derana Abdinghof Benedictinortum, 2. Hardehausen Ber- 
nardinorum, 3. Dalheim Augustinianorum, 4. Böddeken 
Augustinianorum, 5. Marienmünster Benedictinorum. 


Data est conventualibus expulsis pensio annua. 
Etiam monasteria foeminarum intendebantur supprimi, 
sed deficiente consensu episcopi, qui requirebatur iuxta 
recessum imperi, pro hoc tempore perstiterunt. 


(Die Abtei Abdingbof hatte damals außer dem Abt 
Wolfgang Heidtland von Schmallenberg nody 20 Patres, 6 
Gleriter, 2 Novizen.) Abbas accepit pro annua pensione 
1500 imperial., duo seniores acceperunt uterque 300 
imperial., caeteri R. patres et clerici 250 imperial., 
novitii seme] pro semper 700 imperial. (S. 278—90.) 

A. 1804. Hoc anno per mandatum principis Hasso- 
darmstadtiensis, fratribus nostris e elaustro Rüthensi 
16. Aprilis depulsis familiisque Werlensi, Stadtbergensi 
et Brenschedensi adsoeciatis, coenobium nostrum Rüthense 
assignatum fuit P.P. Minoritis pariter e monasterio !) 
Brilonensi expulsis. Item tribus hisce praefatis con- 
ventibus nostris ab eodem principe omnis communicatio 
eum superioribus ordinis nostri est interdieta. (S. 286.) 

A. 1805. De mandato camerae regiae studiosi 
nostri sicut et ceterorum religiosorum ordinum prae- 
lectionibus publieis interesse iussi sunt, utique cum 
notabili damno religiosae disciplinae. Caetera taceo! 

Annus praesens 1806 religioni catholicae, prae- 
primis vero Mendicantium ordinibus, sub prineipibus 
acatholicis totalem ministrari videbatur interitum. Ast 
scena in melius mutata est, et saltem nos a iugo pro- 
testantico liberati liberius iam respirare incipimus. 

(S. 287.) 


45 


A. 1834. Fxistebant ergo hoc anno 1834 in 7 
monasteriis!) 21 patres et 16 laici. At per edietum 
regis Borussorum omnes hi conventus septem superstites 
hoc eodem anno 1834 unus post alterum suppressi. 
Favore autem tali gaudemus, ut singulis mensibus nobis 
ex aeraris publico regis incunctanter pensio solvatur. 
Edietum suppressionis sonat sie.: 


Auf Ihren Antrag vom 16. v. M. unterrichte ic Sie, 
die Gapuzinerflöfter zu Paderborn, Werne, Werl und 
Brenſchede, ſowie die Franzisfanerklöfter zu Nedling: 
baujen und Geſeke aufzuheben, und will nad Ihrem Anz 
trage den noch vorhandenen 16 Prieitermönden und 14 Yaien= 
brüdern die in Antrag gebrachte Penſion mit überhaupt 
3450 Rthlen. aus dem allgemeinen Benjions:Ausfterbefonds 
bewilligen. Die Gebäude und Gärten der Klöfter Nedling- 
baufen, Werl, Baderborn und Brenjchede jollen respie den 
Progymnalien und Drtsihulen, dem Bisthum, der 
Gremitenanitalt und den Ortseinwohnern zun Gebrauche für 
den Gottesdienſt und Schulunterricht, respie zur Wohnung 
für den Geiltlihen und Schullehrer überlaſſen werden, und 
den Einwohnern zu Brenjchede will ich außerdem zur Unter: 
haltung ihres Gottesdienstes und ihrer Schule, welche beide 
bisher vom Klofter verjehen worden find, aus Gnaden einen 
jährlihen Zuſchuß von 150 Rthlrn. bewilligen, wozu Die 
Naturalien, welche mehrere der aufgehobenen Klöjter aus 
Domänenfonds beziehen, verwendet werden Fönnen, — Gie 
haben hiernach das Weitere zu verfügen. 

Teplig, den 4. Juli 1834. Friedrich Wilhelm. 

An die Staatsminifter Freiherrn von Altenjtein und 
Maapen. 
+) Paderborn, Bratel, Werl, Werne, Eſſen, Kaiſerswerth, Brenſchede. — 
Sm 3. 1851 wurde das Klofter in Werne von dem Magiltrat wieder 
an die Kapuziner aurüdgegeben. (©. 376.) 


46 


—— — 


Annua pensio, quam nobis capucinis Paderbornen- 
sibus concessit rex Borussiae, haec est: 


1. Patri Ivoni . . . . 170 imperiales 
9. „ Ernesto . . . 150 = 
3 „ Heracio. . . 150 R 
4. Francisco Josepho 150 " 


5. Fratri Joanni . . -» 70 . 
(5. 343— 345.) 


Hachträgli bringe id aus den Annalen nod eine 
culturgeihichtliche wichtige Aufzeihnung aus der trüben 
Zeit nad dem 30jähriaeı Kriege: 

A. 1656. Hoc anno prodiit in lucem hie Pader- 
bornae, Brakeliae et hine inde per totum quasi episco- 
patum Paderbornensem stupenda ac miseranda quaedam 
machinatio diaboliea.. Undique erumpebant ac sese 
manifestabant obsessi et obsessae. Nec tamen erant 
vere obsessae, sed partim erant sagae!) et venefici, 
partim erant perversissimi homines, qui simulabant se 
obsessos et obsessas. Posuitque haec diabolica machi- 
natio totam patriam in maximam confusionem, longe 
lateque per externa regna et provincias deferebatur haec 
pessima fama, quod scilicet Paderborna scateret obsessis. 
Haec miserja incepit huius anni 3ta Maji, qua die ve- 
nerunt Brackelia Paderbornam duae sorores simulantes 
se obsessas, quarum mater et avia fuerunt ut sagae 
combustae. Has incepit quidam pater Jesuita nomine 
Bernardus Loeper exorcizare. Cumque esset ac maneret 
opinionis, quod diabolus sub exoreismis mentiri non 
posset, hine quidquid istae bartliae?) interrogatae a P. 
Löper responderent ac dicerent, ipse ac plurimi alii, 
etiam intelligentes viri, tanquam evangelium credebant. 


jnd. i. Deren. ®) lies: baratharise — Vetrügerinnen. 


Dumque P.Löper supra modum foveret istas putativas 
obsessas, non modo nullam liberavit, sed brevi spatio 
crevit numerus utriusque sexus obsessorum ultra centum 
in sola civitate Paderbornensi. Cumque capueini a 
principio se opponerent et omnino negarent tales esse 
vere obsessos, maximam indignationem ineurrerunt tum 
apud principem, tum apud quosdam cathedralis ecclesiae 
eanonicos aliosque ecclesiasticos et religiosos, tum etiam 
apud saeculares viros consulares ac iuris doetores, qui 
omnes mordicus (sic!) defendebant, tales esse verissime 
obsessas. Exitus tamen et ipsa praxis landem compro- 
bavit, omnes esse deceptos. (S. 26.) 

A. 1657. Toto he anno miseria ista putativorum 
obsessorum miserandum in modum exerevit, ita quod 
talis res vix sit audita a saeculo. Illustr. princeps undique 
eonsilia et remedia exquirit, erantque valde contrariae 
opiniones. Interim P. Loeper advertens, quod hace 
machina diaboli tenderet etiam in confusionem eapuci- 
norum, ipse ferventer insistit exoreismis publieis. istas 
putativas obsessas et obsessos deducendo ab uno loco 
ad alium. Sed non tantum nullum fructum faciebat, sed 
in dies novas ac novas confusiones, tum quod rectum 
ordinem exoreixandi non observaret, sed curiosas inter- 
rogationes communiter intermisceret. Accidit, quod plu- 
rimi honestissimi viri et mulieres, religiost ac saeculares, 
publice diffamarentur et ab ipsis putativis obsessis pro 
sagis et veneficis exclamarentur, omnes seilicet illi, 
qui dicebant illas non esse sagae et venefici, inter 
ceteros etiam capueini et in specie P. guardianus Bra- 
kelensis. Et quia iste P. Löper isto suo modo agendi 
ordinem capueinorum plurimum diffamaret . . . oppo- 
suit se egregie M. R. P. Benedictus provineialis, scri— 
bens: Vindicias capucinorum contra P. Löper; sieque 
ex utraque parte bis terve replicando istum ita devicit, 


48 


quod iubente Illustriss. principe debuerit Paderborna 
discedere. (©. 27—28.) 

A. 1658. Interea etiam in principio huius anni 
insolentia istorum putativorum obsessorum eo usque ex- 
creverat, quod turmatim incedentes multi homines et 
specialiter capucini non erant securi in plateis, sed 
diversis vicibus sic aggressi, quod etiam vi debuerint se 
defendere; et erant tam miseri diaboli in talibus ob- 
sessis, quod baculos aliaque quaecunque arma timerent. 
Propter quae et alia plura indicia Illustriss. princeps 
et illi, quorum intererat, inceperunt tandem sequi con- 
siium M. R. P. Benedicti capucinorum provincialis, 
videlicet ipsos obsessos ab invicem separando; cumque 
singuli accuratius examinarentur, inventum est, omnia 
ımerissimas fuisse daemonis illusiones ac deceptiones: 
plures enim ex ipsis, qui se obsessos simulabant, utrius- 
que sexus deprehensi sunt esse veneficos et sagas, et 
ut tales publice combusti sunt. Alii etiam plurimi 
utriusque sexus deprehensi sunt, se ex malitia simulasse 
obsessos, ut suas nequitias, odia et invidiam impune 
exercere valerent sub praetextu, quod ita agitarentur 
a diabolo; ex quibus quam plures virgis caesi, stigma- 
tizati et ex patria bannizati fuerunt, alii aufugerunt, 
alii sua sponte ab obsessione liberati sunt. In summa: 
brevissimo tempore nullus amplius obsessus nullave 
obsessa in patria Paderbornensi reperiebatur. Et hie 
bene notandum est pro aeterna memoria, quod non fa- 
cile credendum sit energumenis sive obsessis, nisi prae- 
vie, non uno tantum sed plurimis modis probentur, an 
sint vere obsessi, et an in veritate liberari desiderent; 
quia saepissime sunt pessimae sagae, quae se obsessas 
simulant, vel sunt alii perversissimi homines, qui a sagis 
inducti, ut se simulant obsessos. De his habentur multa 
in Archivis. (©. 28—29.) 


III. 
Beihreibung 


des 


Amtes (Bürgermeifterei) Wefthofen. 





Don 
T Pfarrer Ludwig Nenhans.!) 


— — ”—— — 


Die Quellen, aus denen dieſe Beſchreibung geſchöpft iſt, 
find die Schon von Joh. Diedr. von Steinen benutzten 
geiehichtlichen Weberlieferungen von Rolevind, Gelenius, 
Eluver, Meibom, Honjeler, Stangefol, Velthaus, 
jodann aber auch die Alten der Archive des Amtes und der 
Kirche zu Wefthofen. Es find dabei nur folhe Nachrichten 
berüdjihtigt, welche auf die Gejlaltung der gegenwärtigen 
Verhältniſſe ihren Einfluß geübt haben, darum aber aud 
in dieſen ihre thatjächliche Beitätigung finden. 


1. Politiſche Gejtaltung. 

Schon zu jener Zeit, wo die alten Sachſen unter 
Wittekind die ftarfe Feſte (castrum) Hohenſyburg inne 
hatten, kannte die Gejchichte eine Heine, an der von Unna 
über Schwerte nah Hagen führenden Landitraße, auf dem 
rechten Ufer der Ruhr zwiſchen Schwerte und Syburg gele: 


1) Der Nerfafjer, geb. zu Uentrop im Freie Hamm, war 54 Jahre 
Pfarrer in der Gemeinde Weithofen - Syburg, und ift am 
12. Zuli 1883 im 81. Lebensjahre geftorben. Die Abhandlung datirt 
aus dem Jahre 1853, verschiedene Angaben find aber von anderer 
Hand bis zur Jetztzeit fortgeführt. Die Ned. 


XLVI. 2. 4 


50 


gene Drtichaft, melde den Namen Weſthofen führt.') 
Diejelbe beitand damals nur aus einigen wenigen (der Volks— 
ſage nach aus jech$) vereinzelten Höfen, „welche von Witte: 
find’s Adel und Räthen bewohnt wurden”. Im Jahre 
775 ging Carl der Große mit einem großen Heere über 
den Rhein, eroberte in Ddiefem jeinem zweiten Feldzuge 
gegen die Sadien ihre Feite Syburg (Hoheniyburg) 
und wußte fie von da ab dauernd zu behaupten. Die Ort: 
ihaft Weithofen wurde auch in den jpäteren Zeiten bei ihren 
uriprünglihen Privilegien und Gerechtſamen ungejtört be- 
lajjen und in kaiſerlichen Schuß genommen; ſie ftand nicht 
unter Lehnsträgern oder jonftigen Bajallen des Kaiſers, ſon— 
dern direft unter dem Kaifer jelbft, und wurde fortan „Tai: 
ferlider freier Reichshof Weſthofen“ benannt, woraus 
bald im Munde des Volkes jich die Fürzere Benennung 
„Freiheit Wejthofen” bildete, welche bi3 auf den heutigen 
Tag lich erhalten hat, und noch, in Etein gehauen, an dem 
früheren Wejthofer Rathhauſe zu lejen ift. 

Der Reichshof Wefthofen hatte eine weitere und eine 
engere Begrenzung. Für eritere befand ſich der ſüdweſt— 
lihe Grenzpunft, die unterjte Reichsvrede genannt, unter der 
alten Burg zu Eyburg an der Ruhr, und führte die Grenze 
von da den Klufenberg auf (mo die gejchleifte Feite Syburg 
früher ein Thor gehabt, welches von einem Kluſener bewohnt 
war) nach dem noch jeßt bekannten jog. Viermärfer Baume, 
welcher die Aemter Wetter, Hörde, Schwerte und Wefthofen 
icheidet. Von bier ab war der Schwerter Mark entlang eine 
jtarfe Grenz.Landwehr aufgeworfen, nad) dem Bergerhofe und 
der Echwerter Eluje zu, bei welchem legteren Punkte die 
Landwehr mit einem Sclagboume verjhloffen war, durch 
welchen die Heerftraße rührte, und deſſen Schlüſſel am 


*) Urfundlic wird Weithofen zum eriten Male im I. 1041 genannt, 
(Erhard, Reg. hist. Westf. Nr. 1026.) 


51 


Bergerhof verwahrt wurde. Bon diefem Schlagbaume an 
bildete die längs Lenningshofe zum Wandhofer Bach fortge: 
führte Landwehr, von da ab aber der dem Wejtenthore der 
Stadt Schwerte vorbeifließende und dem Ergiter Kirchthurme 
gegenüber in die Ruhr mündende Wandhofer Bach felbft 
die Grenze. Der Endpunft derjelben an der Nuhr wurde 
die oberite Neich&vrede genannt. Der Ruhr entlang bis zum 
Wichagen (d. i. Neyms auch Nehems Rittergut, jetzt Haus 
Ruhr genannt) fiel dann die Grenze am jenjeitigen Ruhrufer 
mit der Grenze der Grafichaft Limburg zufammen, zog fich 
unter Weijchedts beiden Höfen durch, der Landwehr nad 
(dem alten Ruhrbette entlang) unter Weijchedts Yelde in 
einen Sypen, dann wieder der Landwehr nah bis zum 
Garenfelder Baume, mojelbjt die Landwehr zwiſchen der 
Grafihaft Limburg und dem Burghofe Gardenfeld (jebt 
Garenfeld genannt) durd einen Schlagbaum verjchlojjen war, 
defien Schlüfjel auf dem Burghofe zu Garenfeld verwahrt 
wurde; von dem arenfelder Sclagbaume der Landwehr 
nah in den Deithmanns Sypen, in dem Sypen dem Bade 
nach unter dem Sarenfelder Eleff zur Lenne, um den Bujcher 
Kamp, dem Aınte Wetter entlang bis zur unteriten Reichs: 
vrede an der Nuhr, dem Klujenberge gegenüber. „Dieß, 
jagt Velthaus in jeinen gefchriebenen Nachrichten hierüber, 
find die äußerſten Grenzen des Eaijerlichen freien Reichshofes 
Weſthofen, welchen der legtgemwejene heidniſche König Witte: 
kind zu feinem verfallenen („vorſtorden“) Burghauſe bejeilen 
bat, worin aljo vier Bauerjchaften, nebjt dem oberiten Hofe 
Wibbolt (Freiheit) Wefthofen belegen find, nämlich die Bauer: 
ihaft Syburg, welche von der heidniſchen Stabt (civitas) 
übergeblieben ijt, worin das verfallene Burghaus und die 
alte heidniiche Kirche mit ihrer vom Papſte gegebenen Heilig: 
feit zu ſehen ift; imgleichen eine Bauerſchaft Holthaufen; 
imgleichen eine Bauerjchaft Wanthofen und der Burghof 
Gardenfeld, auch eine Bauerichaft, und jind dieſe vier Bauer: 
4 * 


92 


ſchaften mit dienjt- und zinspflichtigen Leuten bejegt, welche 
ihren Herren dienen und den Tafeldienft thun müfjen, aber 
Freieigene wohnen nicht darin, außer des Kaijer und des 
römischen Reichs Eigen.’ 

Von der Freiheit Wefthofen im engeren Sinne 
des Wortes jchreibt Velthaus: „Hier folgt die Feltung des 
oberiten Hofes, Wibbolt Wefthofen im Felde unter dem 
Berge gelegen, wo die Barone und Burgmänner gewohnt 
haben, und wird im Feldmarke genannt, und ift eine Freiheit 
mit Thoren verichloffen. Die Grenzpfähle gehen aus der 
Nuhr, die vorderſte Reichsvrede genannt, unter der 
Ruhrbrücke, nach dem Kellerteiche, in die Ackersbache und in 
der Bade auf, wo der Sypen ſich verläuft, und die Land— 
wehr ihren Anfang nimmt und mit einem Schlagbaume 
verſchloſſen wird, der Landwehr nah in den Mejenbeds 
Sypen, aus dem Sypen der Landwehr nah in den Stein- 
bed3 Sypen, wo die Landwehr mit einem Schlagbaume ver: 
ichloffen wird, auf der Landwehr in den Steinbeds Sypen 
ab, in den Rettelmühlenbach, in den Mollenteih, wieder an 
der Landwehr lang nad dem Wiehagen (Haus Nuhr) in die 
Nuhr, die oberjte NeichSvrede, mit der Nuhr ab an die 
Brüde, wieder nad) dem SKellerteiche wie vorgemelbet, die 
niederite Reichsvrede genannt.’ 

Es erhellt hieraus, daß der Reichshof Wefthofen im 
weiteren Sinne genau den diefjeit3 Schwerte gelegenen Theil 
des heutigen Amtes (Bürgermeifterei) Weithofen, im engeren 
Sinne aber genau die heutige politische Gemeinde (Commune) 
Weſthofen umfaßte. 

Bis zum Jahre 1300 bejtand Weſthofen als Reichshof. 
In jenem Jahre aber hat Kaiſer Albrecht denjelben, jedoch 
mit Vorbehalt feiner Freiheiten, die in v. Steinen’s Ge: 
ihichte, Th. I ©. 1560 ff. ausführlich vermerkt find, an den 
Grafen Eberhard von der Mark abgetreten, welcher 
denn auch davon Beſitz nahm, den Reichsleuten ihre Freiheiten 


53 


beſtätigte, und ihnen zum Lohne für die bei Eroberung und 
Zerſtörung umliegender Raubſchlöſſer, namentlich desjenigen 
zu Volmarſtein, geleiſteten guten Dienſte erlaubte, Weſthofen 
in einen befeſtigten Ort umzuwandeln, worin ſie ſich be— 
ſchirmen, näher zuſammen ziehen und ihre kaiſerlichen Frei— 
heiten gebrauchen könnten, worauf ſofort der Bau des Weſten— 
thores und die Anlegung der Wallgräben begann. So trat 
denn Weſthofen in die Reihe der Städte, wurde mit Mauern 
umgeben und erhielt außer dem ſchon genannten Weſtenthore 
deren noch vier, nämlich die Oftenpforte, die Hollemegspforte, 
die Neuepforte und die Spiderspforte (zu Spider Schloß 
gehörig), von denen Eingeſeſſene der jet lebenden Generation 
noch einige gekannt haben, die aber gegenwärtig jpurlos 
verschwunden jind. Nur von den Ummallungen find noch 
einige Rudera fichtbar. 

Als Stadt wurde MWeithofen von einem Bürgermeiter, 
einem Secretair, einem Rathsherrn und zwei Gemeindever: 
tretern („Gemeinsleuten”) verwaltet, welche zunädit alljähr- 
ih, jpäter aber auf Lebensdauer gewählt wurden. Der 
legte diefer Bürgermeifter war Georg Heinrih Färber, 
welder am 12. Februar 1834 in einem Alter von SO Jahren 
mit Tode abging, nachdem er feit 1809 penjionirt worden 
war. Einen eigenen Richter erhielt Wejthofen unter dem 
Grafen Albert 1337, und wurden ihm noch unterm 22. 
Februar 1434 durch Wilhelm, Herzog von Cleve und 
Grafen von der Mark, jeine fämmtlichen Privilegien und 
Freiheiten verbrieft, ſowie nicht minder unter dem erjten 
Churfürften von Brandenburg dur den Droften Johann 
von der Mark zu Billigit. 

Den eigenen Richter verlor Wefthofen ſchon früh. Der 
legte erweislihe Richter war „Evert in dem Spyker“ 1407. 
„Johann in dem Spyker“ war fchon 1452 Richter zu 
Schwerte und Weithofen. Wejthofen wurde in Betreff der 
Rechtspflege an die Stadt Schwerte, mit diejer 1753 an das 


54 


Gericht zu Unna, 1811 an das Friedensgericht zu Hörde 
verwiejen. Die Organijation von 1815 rehabilitirte ein 
eigenes Gericht in Schwerte, zu deſſen Bezirk Weſthofen ges 
Ichlagen wurde. 

Den eigenen Bürgermeifter verlor Weithofen zur Zeit 
der Fremdherrihaft durch die bergiiche Verwaltung, welche 
es mit der Stadt und dem Landkirchipiele Schwerte, ſammt 
dem früheren Reichshofe Weithofen, zu einer Municipalität 
vereinigte. Unter Preußend Scepter zurüdgefehrt, wurde 
dieſe Municipalität zur Bürgermeifterei Schwerte, welche, 
außer dem Reichshofe Wejthofen in feinen weiteren Grenzen, 
die Stadt Schwerte und die zum SKirchipiele Schwerte ge- 
hörigen jenfeitigen Communen Billigjt, Geilede, Lichtendorf 
und Overberge umfaßte, und deren Bürgermeifter in der 
Stadt Schwerte feinen Wohnſitz Hatte. Im Jahre 1838 
nahm die Stadt Schwerte die revidirte Stäbte-Drdnung an, 
ewählte jich einen eigenen Bürgermeifter in der Perſon bes 
Gravemann, und jchied Hierdurh mit dem geſammten 
Stadtbezirfe aus der jeitherigen Bürgermeijterei Schwerte 
aus. Der Reit diejer wurde zunächſt unter deren jeitherigen 
Birgermeilter (fortan Amtmann benannt) auch ferner ver- 
waltet, und zwar, wie früher, von Schwerte aus. Als dem— 
nah die Stadt Weithofen von dem durch die Landgemeinde: 
Drdnung ihr verliehenen Rechte Gebrauch madte und die 
Verlegung des Amtsfiges von Schwerte nach Wejthofen ver: 
langte, trat der Amtmann Ernſt Engelb. Mitsdörjer 
mit Penſion in den Ruheſtand, und das Amt wählte ich 
einen neuen Amtmann mit Anmweilung feines Wohnſitzes in 
Weithofen. Diefer, Heinrich von Baſſe, trat in Funktion 
am 27. April 1848, jtarb aber ſchon am 13. April 1850. 
hm folgte durh Neumahl am 11. Juni 1850 deſſen Bruder 
Auguft von Bafje, welder einer Wahl in die Landbürger: 
meifterei Unna:Gamen am 18. Februar 1852 Folge leiitete. 


55 


Es folgte dann im Amte der Bürgermeiſter Friedrich 
Schulze-Vellinghauſen. Dieſer fungirte bis Ende 1856 
und iſt dann nad) Stockum verzogen. Am 18. Februar 1857 
wurde Freiherr Sriedrih von der Heyden-Rynſch, 
der Haus Ruhr vom Juſtiz-Commiſſar E. Dverweg gekauft 
und daijelbe bewohnte, ald Ehren-Amtmann des Amtes Weſthofen 
in jein Amt eingeführt. Derjelbe verwaltete das Amt big 
Mitte des Jahres 1866, um welche Zeit er wegen Kränklich— 
feit jeinen Abjchied nahm. Durch Regierungs-PBräjidial:Ber: 
fügung vom 6. October 1866 wurde dann der damalige 
Beigeordnete Julius Rebber zum Amtmann des Amtes 
Weithofen ernannt. 


Die Grenzen des Amtes (Bürgermeifterei) Wefthofen 
erhellen bereits aus dem Borftehenden. Die Seelenzahl 


betrug: Im Jahre 2 = 

1853: 1889: 

1. in der Stadt Weithofen 1073 1729 

2. im Dorfe Syburg 660 639 

3. in der Bauerihaft Garenfeld 415 520 

4. in der Bauerichaft Holzen 704 1057 

5. in der Bauerihaft Wandhofen 184 329 
6. in der Bauerihaft Villigſt und 

Rheinen 182 226 

7. in der Bauerichaft Geijede 205 275 

8. in der Bauerichaft Lihtendorf u. 

Dverberge 308 731 

Sa. 3731 3506 


‚sm Amtsbezirke befinden ſich folgende Rittergüter: 

1. Billigft (Vilgeſte) füdöftlid von Schwerte auf 
dem linken Ufer der Ruhr gelegen und jeit dem Jahre 1740 
dem Freiherrn von Elverfeldt zugehörig, war früher Eigen: 
thbum des Herrn von Sobbe, dann der Grafen von 
der Mark. 


56 


2. NRutenborn, in der Gemeinde Geijede, früher 
von der gleihnamigen Familie, im 16. Jahrhunderte von 
denen von Lappe und von Delwig- befejien, gelangte im 
18. Jahrhundert an die von Drofte zu Erwitte. Gegen: 
märtig befißt e8 der Graf von Fürftenberg zu Herdringen. 

3. Wandhofen, Rittergut der gleichnamigen Familie, 
deren Erbtochter Margaretha daſſelbe 1535 dem „Heinrich 
von Haus“ zubrachte. Durch Vermächtniß gelangte es im 
18. Sahrhundert an die von Gruiter zu Aldendorf, 1819 
durh Kauf an von Fürftenberg zu Herdringen. Es liegt auf 
halben Wege an der von Schwerte nach Wefthofen führenden 
Straße. 

4. Das Rittergut Steinhauß in der Gemeinde Holzen, 
jest Steinhaufen genannt, zwiſchen Weſthofen und Hörde, 
unweit der Landftraße gelegen, urfprünglid wahricheinlich 
-der unter dem märkiſchen Adel vorkommenden Familie von 
Steinhauß angehörig, bejaß im Jahre 1480 Jan Nagel und 
deffen Gemahlin Elifabethd von Wandthoff, kam demnächſt 
durch Heirath an die von Mengede zu Wejtönnen, darauf 
durh Heirat) an von Rump zu Krange, welder ed an 
Zadhariad Casper von PBöppinghaus verkaufte, der das 
gegenwärtige Wohnhaus erbaute. Einer Schuldforderung 
halber wurde es darauf dem preußifhen Hauptmanne im 
Duadt’ihen Regimente Hildebrand Ditmar von Blande- 
nagel gerichtlich zuerfannt. Später von einem Herrn von 
Sudthauſen bejeffen, ging es durd Kauf an den jegigen 
Beliger Grafen von Fürſtenberg zu Herdringen über. 

5. Das Rittergut Ruhr an der Straße von Schwerie 
nah Wefthofen, am Wannebahe und der Nuhr in der Ges 
meinde Wandhofen gelegen, der Familie von Neym, aud 
Neyhem genannt, zugehörig, gelangte durch Verheirathung 
der Maria Catharina von Neyhem mit Caspar Friedrich 
Anton von Hövel, Hetrn zu Sölde, am 25. Mai 1734 in 
den Beſitz der von Hövel’ihen Familie, ging von diejer im 


97 


Sabre 1839 duch Berfauf an den Herrn von Grote zu 
Köln, demnähft an Carl Ebbinghaus zu Iſerlohn, von lep: 
terem aber durch Tauſch gegen dad Gut Duddenrod an den 
Juſtiz-Commiſſar Carl Dvermeg über. Diejer verkaufte im 
Jahre 1356 Haus Nuhr an den Freiherrn von der Heyden- 
Rynſch zu Hans Winkel bei Geldern. GE. Overweg erwarb 
feinerjeit3 das Rittergut Haus Letmathe, wo er am 27. Mai 
1876 nad einem Yeben reihen Schaffens und Wirkens, u. 
a. als Landtags- und Reichstags: Abgeordneter, geitorben it. 
Frhr. von der Heyden-Rynſch, zugleich Ehren:Amtmann von 
Wefthofen, bewohnte das Gut bis zu jeinem am 21. November 
1868 erfolgten Tode. Haus Ruhr ging jebt auf jeinen ein- 
zjigen Sohn Friedrich über, welcher das Nittergut durch 
Vertrag vom 22. Juni 1869 an den Freiherrn Ludwig von 
Elverfeldt zu Haus Billigit für 115000 Thlr. verkaufte. 

| 6. Huſen, auch Tenhujen, d. i. „zu den Häuſern“ 
genannt, Nitterfiß der Familie gleihen Namens, Tam durch 
Heirat) an die Familie von Friedag, dann an die von 
Homberg. Am Jahre 1479 bradte es Chriftine von Rom: 
berg an Diedrih von Laer, deſſen Nachkommen es über 100 
Jahre bejeilen haben. Im Jahre 1555 verfaufte es Anton 
von Yaer an die von Romberg zu Maßen. Im Jahre 1804 
gelangte das Gut durch Kauf an den Lieutenant Schulz, 
welcher 1817 ftarb. Seine Wittwe heirathete 1819 den 
Lieufenant Kautz, und bejaß nad deilen Tode Hufen mit 
ihren Kindern. 


Außer den oben benannten und jekt noch bekannten 
Rittergütern befanden jich innerhalb des Neichshofes Weit: 
hofen gejchichtlichen Weberlieferungen nach noch folgende: 

1. Das Schloß der Herren von Spidern in Weſt— 
bofen gelegen, und zwar an der Nordſeite dieſes Ortes. 
Auch die legten Ueberreſte diejes einft jo herrlichen und der 
jo mächtigen Familie von Spidern angehörigen Schlojies find 


58 
längit verichwunden. Nur der Name „auf dem Schlofje’ 
iſt aeblieben. Es fteht dort jegt ein einfaches Bürgerhaus. 

2. Das Schloß der Herren von Boyle, auch Böle 
oder Büle. Bon diefem ift auch nicht einmal die Stelle 
mehr mit Sicherheit anzugeben, wo es einit geitanden. Biel- 
leiht befand es jich weitlid vom Gute Hujen am Fuße des 
Syburger Berges auf demjenigen Bergfegel, welder nod 
heute den Namen Bölberg führt. 

3. Das Schloß der Herren von Syburg. Dies Ge: 
ichleht wohnte und nannte fih nach der früheren Sachſen— 
Feſte Hohenfyburg, am Zufammenfluffe der Ruhr und Lenne. 
Seinen Namen joll es nach den Gejchichtsichreibern Gelenius, 
Cluver und Stangefol von den Sigambern erhalten haben. 
Der Bilchof Ferdinand von Fürftenberg jchreibt in den 
Monum. Paderb. (ed. Norimb. 1713, p. 5): „Sicambri 
sive Sigambri, Sigam primum accoluerunt: hinc pro- 
gressi ad Rhenum, cui proximos Caesar facit; ad Ru- 
ram, ubi Sigeburgi, unius ex tribus praecipuis Saxonum 
castellis, vestigia supersunt.*“ Die Felte Hohenſyburg 
wurde von Carl dem Großen im Jahre 775 erobert und 
troß der lebhaften Belagerung der Sachſen, welche bis zur 
Lippe zurüdgeichlagen wurden, behauptet. Nah Kaijer Carls 
Zeiten blieb Syburg als integrivender Theil des Reichs: 
hofes Wejthofen beim Reiche. Auch die folgenden Kaijer 
behielten dort ihre Burglehen und Burgmänner, wie nament- 
lid) die Familie von Syburg (jegt v. Sieberg). Nur zu 
bald,machten die Burgmänner, auf ihre Burgen ſich verlafjend 
und der Gewohnheit des Fauſtrechts folgend, ſich ein Geichäft 
daraus, die Umgegend, felbft Grafen und Herren zu befriegen, 
und wo und was fie fonnten, zu plündern und zu rauben. 
Die Folge davon war, daß ihre Burghäufer, jo das Haupt: 
Ihloß zu Syburg im Jahre 1287, gänzlich zerftört wurden. 
Stangefol jchreibt darüber: „Hoc tempore (anno scilicet 
1287) castra Isenberg, altera vice, post primam ever- 


99 


sionem. et Ruenthael, Volmerstein. Hohen Siburg, prae- 
donum asyla et receptacula, funditus eversa sunt.“ 
Im Jahre 1300 brachte Kaijer Albrecht die meilten der zu 
dDiejer Burg gehörigen Güter nebit dem Reichshofe Weithoten 
durch Berpfändung an den Grafen Eberh. von der Mark, 
deſſen Nachfommen fie demnächſt erblih an jich brachten. 
Durch Heirath gelangte ein mwejentliher Theil der Güter an 
die Herren von Wermindhaus und an die Herren von Aiche: 
berg zum Heidthoff. Gegenwärtig it die alte Burg eine 
Ruine, welche der herrlichen Aussicht halber, die man von 
dort in das Ruhr: und Lennethal hinauf genießt, jehr häufig 
bejucht wird. Die nächſten Umgebungen, einjchließlich des 
Burgbofes, in welchem die Ruine ich befindet, etwa 26 
Morgen groß, find Eigenthbum der evangeliichen Pfarrei 
Meithofen-Syburg, die weiteren Umgebungen aber privatives 
Eigenthum der Eingefejlenen des Dorfes Syburg. 

4. Das Nittergut Küdenhaus, der Familie von 
Küken zugehörig, lag an der von Syburg nad) Holzen füh— 
renden Straße, in dichten Walde. Es jcheint feine Ritter: 
fähigkeit Schon jehr früh verloren und ſchatzbar geworden zu 
fein. Jetzt iſt davon nur noch ein bedeutender Bauernhof 
übrig, deſſen Beliger noch den Zunamen „Kückshäuſer“ trägt. 


Erwerbsquellen. 


Die Bewohner des jeßigen Amtes Wejthofen ernähren 
ich in den ländlichen Bezirken faft ausſchließlich von Aderbau 
und Viehzucht. Nur diejenigen von Syburg nehmen, bei 
der geringen Grtragsfähigkeit ihrer fteinigen Grundjtüde zu 
anderen Grwerbsquellen mit ihre Zufludt. Sie treiben 
Handel mit gemäfteten Schweinen nach Elberfeld, mit Holz: 
fohlen nad den benachbarten Hammerwerken und bauten 
ihre jehr guten Sanditeinbrühe aus. Ein großer Theil der: 
jelben lebt nichtsdeitomeniger in drüdender Armuth. 


60 


Die Eingefejlenen von Weſthofen wendeten ſchon früh 
der Induſtrie ſich zu, weil ihre, freilich jehr fruchtbaren 
Meder und ihre jehr guten Viehmweiden an der Ruhr doch 
allein nicht hinreichten, fie zu ernähren. Sie legten ih auf 
die Verfertigung wollenen Tuches, und ihre Fabrifate waren 
jehr geſucht. Seitdem aber mit dem dritten Decennium 
des gegenwärtigen Jahrhunderts die große Nettmann’sche 
Tuchfabrik von hier nach Limburg verlegt wurde, und das 
Maſchinenweſen auch in der Tuchfabrikation Menjchenhände 
mehr und mehr entbehrlich machte, ift der Wohlitand Weft- 
hofens jihtbar gejunfen, und die Armuth wächſt in beſorgniß— 
erregender Weile. Während noch im Jahre 1830 die nur 
aus 170 Thlr. bejtehenden Intraden des hiejigen kirchlichen 
Armenfonds zur Beftreitung Tämmtlicher Bedürfniffe voll: 
auf hinreichten, war im Jahre 1853 ein Zuſchuß von fait 
300 Thlr. erforderlid). 


Bemerfenswerthe fonftige Ereigniffe. 


1. In den fortwährenden Kriegen der Grafen von 
Altena reip. der Grafen von der Mark gegen den Bilchof 
von Eöln und die Grafen von Iſenburg und Limburg von 
Jahre 1225 bis zum Jahre 1300 ftanden die NReichsleute 
von Weithofen auf Seiten der erjteren, und wurden vom 
Grafen von Iſenburg vorzugsweiſe heimgeſucht; ihr Land 
wurde verheert, es wurde in demjelben gebrannt, geraubt, 
geplündert, bis zur Schlacht bei Villigit, welche für die 
Limburger verloren ging, und in Folge deren der Reichshof 
Meithofen mit dem Grafen von Limburg unter Conjens des 
Grafen von der Mark einen Vertrag abſchloß, welcher ſich in 
Velthaus’ Nachrichten ausführlich verzeichnet findet. Die erfte 
Bedingung dieſes Vertrages, auf welchen der zweite Theil 
gegenmwärtiger Bejchreibung, die „kirchliche Geſtaltung“ um: 
fajlend, Bezug nehmen wird, bejteht darin,, daß das Haus 


61 


Limburg Gollator der alten Kirche zu Syburg auf dem Berge 
bleiben folle, eine Bedingung, welde nod Heute in 
Kraft ift. 

2. In dem zu Ende des 14. Jahrhunderts zwilchen 
dem Biſchof zu Münfter und dem Grafen von der Mark ge: 
führten Kriege wurde Wefthofen nebſt den benachbarten Ort: 
Ichaften von den Biſchöflichen verbrannt. 


3. Im Jahre 1598 den 28. September find in der 
Freiheit Wejthofen 85 Häujer dur Feuersbrunſt verzehrt. 
Außer der Kapelle, dem Pfarrhauje und dem Rathhauſe 
blieben nur 11 Häuſer verſchont. 

4. Eine ähnlihe Feuersbrunft wüthete in Wefthofen 
im Jahre 1706. Die Eirhliden Gebäude blieben hierbei 
nicht verjchont. Das jetige alte Pfarrhaus (nur noch als 
Scheune und Stallung benußt), jowie auch der jegige Kirch: 
thurm datiren aus jenem Jahre. 

5. Im Jahre 1829 wurde die den politiichen Gemeinden 
MWeithofen, Syburg und Garenfeld zugehörige größere Ruhr— 
brüde durch Eisgang völlig zerftört und mit einem Koften- 
aufwande von 2845 Thlr. neu aufgeführt. Am 7. Januar 
18380 wurde fie abermals durh Eisgang zeritört. Die 
Wiederheritellungsfoften haben 12459 Mark betragen. Am 
21. December 1881 wurde die Lennebrüde am Gabel durd 
Hochfluth weggeriffen. Dieje bat Freiherr von Vincke auf 
feine Kojten mwiederherftellen laſſen. 

6. Bon dem Jahre 1844 ab wurde die von Schwerte 
über Wejthofen, Kabel und Böhle nah Edejey führende 
Landitraße im Wege der Aktienzeichnung in eine Chaufjee 
umgewandelt, welche den Namen Schwerte: Edejeyer Aktien— 
itraße führt. Die Koften des Baues betrugen überhaupt 
43000 Thlr., zu deren Aufbringung die Stadt MWefthofen 
jich mit 8000 Thlr. betheiligte. Der Reft diejer angeliehenen 
Summe wurde im Jahre 1887 abgetragen. 


62 


2. Kirchliche Gejtaltung. 

Bon einer firhliden Geſtaltung kann erſt feit Ein: 
führung des Chriftentbums, aljo erſt jeit dem jahre 775, 
wo Garl der Große mit jeinem Heere das ſtarke Bollwerk 
der heidniſchen Sachſen, die Feſte Hohenfyburg eroberte, 
die Nede fein. Carl fand auf dem Berge zu Syburg, 
unweit der Burg, einen „heidniihen Tempel“ vor, den er, 
nach Angabe einiger Gejchichtichreiber, von heidniſchen Bildern 
reinigte und in einen Chriftentempel ummanbelte. Andere 
behaupten, er habe jenen Heidentempel zerftört und an deſſen 
Stelle die erſte hriftliche Kirche gebaut. So viel fteht feft, 
daß die Kirche zu Syburg Carl dem Großen ihr Dafein 
verdanlt. Schon Sigfried a Lapide, welder zur Zeit 
Kaijer Ludwigs des Frommen lebte, jchreibt: Carolus M. 
basilicam B. Petri in Syburg construxit. Velthaus, Meve 
und Stangefol find der Meinung, der Papſt Leo III. habe 
die Kirche zu Syburg in Gegenwart Carls des Großen und 
in Gegenwart von 415 Patriarchen, Erzbiihöfen, Bijchöfen, 
Prinzen, Fürften im Jahre 776, jammt dem in der Nähe 
der Kirche gelegenen Brunnen, welchem von da ab wunder: 
thätige Kraft zugefchrieben wurde, und welcher bis auf diejen 
Tag allerdings der Petersbrunnen heißt, dem Apoftel Betrus 
mit eigener Hand gemeiht. Sie jchließen das aus der In— 
ihrift einer fupfernen Platte, welche links über der Sacriftei- 
thür der Kirche zu Eyburg fi befand und von dem erjten 
Pfarrer reformirten Belenntnifjes, Theodor Lürmann, ent: 
fernt worden iſt. Daß die Inſchrift jener Platte Obiges 
bejagt habe, iſt unzweifelhaft, aber dennod das behauptete 
Faktum jehr zu bezweifeln. Papſt Leo IT. kam nicht früher 
al3 im ‚jahre 799, und auch da nicht mit glänzendem Ge: 
folge, jondern als ein Hülfejuchender zu Carl dem Großen 
nach) Paderborn, verweilte bei demjelben, wie der an Carls 
Hofe lebende Einhard ausdrüdlich erzählt, einige Tage, 


63 


nad deren Verlauf ihm Earl ein ftattliches Geleite gab, und 
wieder zum päpftlihen Stuhle in Nom verhalf. Von einer 
Reife nad) Syburg, und einer Einweihung der dortigen 
Kirche, iſt dabei durhaus nicht die Nede, und konnte dieſe 
Einweihung in jenem Jahre um jo weniger vorgenommen 
werben, da zu Syburg damals bereits über 20 Jahre lang 
eine chrijtlihe Kirche geweien war. Ueberhaupt fonnte, 
wie die Inichrift jener kupfernen Platte behauptet, Papſt 
Leo damal3 dem Kaiſer nicht mehr das Heidenthum in 
Sachſen zeritören helfen, denn das war bereits zerjtört durch 
diefen felbit. War ja Wittekind bereit3 im Jahre 785 (aber 
nicht zu Syburg) getauft, waren ja damals auch ſchon 
verichiedene Stifter im Sachſenlande gegründet. Die In— 
Schrift auf der Nupferplatte verdankt ihren Urjprung 
offenbar einem Certificate, welche® Papſt Gregor im Jahre 
1274 den Burgmännern zu Syburg auf deren dringenden 
Antrag ausitellte, und welches die in Nede ftehende Angabe 
enthielt. 

Nur dies aljo ſteht unbejtreitbar feit, daß die Kirche zu 
Syburg Karl dem Großen ihr Dafein verdankt, und daß 
mit ihrem Entjtehen im Jahre 775 das erjte Kirchenſyſtem 
innerhalb des Bezirks der gegenwärtigen Bürgermeifterei 
MWefthofen ſich geitaltete. Es bildete ſich daraus im Laufe 
der Zeit zuerſt die katholiſche Gemeinde Syburg mit ihrer 
Pfarrfiche und ’Bfarrwohnung in Syburg, und demnächit 
die jegige evangelijche Gemeinde Wefthofen-Syburg, welche 
die DOrtichaften Weithofen, Syburg, Garenfeld und den dies: 
ſeits des Wannebachs gelegenen Theil von Holzen umfaßt, 
und (im „Jahre 1853) zweitaufend Seelen zählte, mit ihren 
beiden Pfarrkirchen, der zu Syburg und der zu Weithofen, 
und ihrer Pfarrwohnung in legterem Orte. 

Die von Carl dem Großen zu Syburg gegründete Kirche 
wurde nach dem 30jährigen Kriege durch die Franzojen 1673 
eingeäjchert und bis zum Jahre 1698 in ihrem gegenwärtigen 


64 


Zuftande durch milde Gaben aus Potsdam, Brandenburg und 
vielen Gemeinden Deutichlands und Hollands wieder herge: 
ftellt. Bei dieſem Brande ift leider auch das Syburger 
Kirhen:Arhiv ein Raub der Flammen geworden. Ob das 
jetige Gebäude noch Rudera des von Carl gegründeten in 
fich faßt, ift zweifelhaft. 

Die andere Pfarrkirche der jetzigen evangeliichen 
Gemeinde Weithofen : Syburg, die Kirde zu Wefthofen 
nämlih, führt ihren Urſprung ebenfall3 auf die Zeit 
der Franken zurüd, die „bei Syburg” um das Jahr 804 
eine dem heiligen Aegidius gemeihte Kapelle erbauten.) 
Sie wurde bedient von einem Bifarius, welcher dafür die 
Pfründe der Bilarie St. Antonii (der Hauptbeitandtheil 
des jegigen Wfarrfonds) bezog. Laut Dokument vom 
17. Mai 1590 übertrugen die damaligen Patrone ge— 
dachter PVifarie, die Herren von Spider zu Wefthofen, jelbige 
dem damaligen Baftor zu Syburg, Diedrich Lürmann, weil 
diefer in dem baufälligen Pfarrhaufe zu Syburg nicht länger 
wohnen fonnte, und die Gemeinde zu arm war, eine neue 
Pfarrwohnung zu beichaffen. Der Baltor zog von Syburg 
in das Vikarienhaus nad MWefthofen herüber, predigte in der 
Kirche zu Syburg nur noch an ſechs Sonntagen des Jahres, 
an allen übrigen dahingegen in der Kapelle zu Wefthofen. 
Gleich darauf, und zwar laut Dokument vom 10. Januar 
1591, brachte das Kirchipiel (nämlich die Eingejellenen von 
Weſthofen, Syburg und Garenfeld) die Vilarie St. Antonii 


ı) Jordanus canonicus Osnabrugensis in Lib, de praerogativa Im- 
perii seribit, quod Carolus N. circa 804 in Westphaliam miserit 
10060 Franeos, ut sie in Saxonia fides Christi coleretur. Hi 
capellaın S. Aegidii prope Siburg ad Ruram aedificarunt. (v. 
Steinen, Weftphälifche Geihichte, TH. I S. 1607.) Sonſt wird 
erft im Jahre 1147 eine Kapelle in Weithofen erwähnt. (Erhard, 
Reg. hist, Westf, Nr. 1697.) Die Red. 


65 


nebſt der Capelle St. Aegidii käuflich an fi, richtete Tegtere 
um das %. 1668 dur Erweiterung für den Gottesdienft der 
gefammten Gemeinde ein, und baute im Jahre 1709 den 
jest noch ftehenden Kirchthurm hinzu. Die aljo erweiterte 
Capelle, fortan Kirche benannt, wurde ihres baufälligen Zu: 
ftandes halber im Jahre 1829 abgebroden und an deren 
Stelle die jegige neue Kirche von Sandfteinen, mit einem 
Koitenaufwande von noch nit 6000 Thlr., von denen dur 
die Gnade des Königs 2500 Thlr. der Gemeinde geſchenkt 
wurden, aufgeführt. 

Ihren Wohnfig behielten jeit dem 17. Mai 1590 die 
fämmtlihen Pfarrer der Gejammtgemeinde ununterbrochen in 
MWefthofen, hielten auch bis zum Jahre 1776 in der Kirche 
zu Syburg alljährlich nur an ſechs Sonntagen Gottesdienft. 
Unterm 1. September 1776 wurde, nad endlojen Streitigkeiten 
und auf fortwährendes Suppliciren des Schulzen zu Syburg 
und Genofjen, von Berlin aus dahin verfügt, daß ber Pfarrer 
zu Wefthofen fünftig in den ſechs Sommermonaten alle 14 
Tage, und in den ſechs Wintermonaten alle 4 Wochen zu 
Syburg des Vormittags predigen folle, bei welcher Ordnung 
es bis heute verblieben ijt. 

Die noch bekannten Pfarrer der Gemeinde find folgende: 

1) Eberhard Werlemann, welcher im Jahre 1581 
ftarb. Der auf feinem Grabfteine abgebildete Kelch fcheint 
anzudeuten, daß ſchon er der Austheilung des heiligen Abend: 
mahls unter beiden Seitalten zugethan war. Nah Stangefol 
war er lutheriihen Bekenntniſſes. Ihm folgte 

2) Theodor Lürmann, von Schwerte gebürtig, der 
erite Pfarrer reformirten Bekenntniſſes, welcher die Bilder 
und die fupferne Platte aus der Kirche zu Syburg ſchaffte, 
und im Jahre 1591 den Pfarrfig von Syburg nah Weit: 
hofen verlegte. 

3) Hermann Waßmann, von mweldhem nichts bier 
Bemerkenswerthes befannt ift. 


XLVII. 2. 5 


66 


4) Heinrih Ludgerus, melder 1665 einem Rufe 
nah Schwelm folgte, 

5) Heinrich Brüggemann, welder 1685 ftarb. 

6) Caspar Wever, welcher von 1685 bis zu jeinem 
am 10. Februar 1734 erfolgten Tode fungirte. Dieſem 
folgte 

7) fein Sohn Johann Caspar Wever, welder dem 
Vater bereits jeit 1726 adjungirt war. Er ftarb 1775. 
Es folgt 

s) Earl Friedrid Schemmann, mit deſſen Amts— 
antritte die Ordnung beginnt, nad welder in der Kirche 
zu Syburg in den 6 Sommermonaten alle 14 Tage, in den 
6 Wintermonaten ale 4 Wochen Vormittag zu predigen 
it. Er wurde emeritirt im Jahre 1817 und ftarb am 
13. uni 1822. 

9) Gottlieb Hadländer fungirte von 1817—1826, 
wo er einem Rufe nad) Hagen folgte. 

10) Kriedrih Wilhelm Umbeck fungirt von 1827 
bis 1829, nachdem im Jahre 1826 der Candidat Klein- 
ſchmidt von Kieripe zum Pfarrer erwählt war, auch einft- 
weilen jchon in Weithofen feinen Wohnfig genommen und 
die jonntäglichen Predigten gehalten hatte, dann aber einem 
anderweitigen Nufe gefolgt war, noch ehe feine Ordination 
und Einführung erfolgte. Umbeck wurde 1829 zum Pfarrer 
der Gemeinde Dabringhaujen erwählt und nahm dieien Ruf 
an. Ihm folgte 

11) Ludwig Neuhaus, ordinirt und introducirt am 
19. Auguft 1829. Er ftarb am 12. Juli 1883. Pfarrad— 
junft war Wild. Terberger aus Flierich, ordinirt am 
24, September 1878. Er folgte einem Rufe an die refor- 
mirte Kirche zu Schwerte und wurde dajelbft am 9. Mai 1883 
eingeführt. Sein Nachfolger 


67 


12) Rich. Falkenberg aus Caftrop trat am 10. Dct. 
1883 fein Amt an. 


Die Gemeinde Weſthofen-Syburg, welche früher refor- 
mirten Befenntnijjes war, aber jchon bei der erjten Anregung 
hierzu der Union beitrat und dieſer bis heute zugethan ift, 
hat das Necht der freien Pfarrwahl und übt felbiges jeit 
der Kirchen-Ordnung vom 5. März 1835 in vorgejchriebener 
Meile durch ihre größere Nepräjentation. Weil aber in dem 
erwähnten Bertrage zwijchen den Grafen von Iſenburg-Lim— 
burg und dem Grafen von der Mark dem Haufe Limburg 
das Gollationsredht bei der Kirche zu Syburg belaffen war, 
jo muß der erwählte Pfarrer der Gemeinde Wefthofen-Syburg 
demnächſt auch jegt noch bei dem Fürſten von Bentheim, als 
Grafen zu Limburg, zur Collation von der Gemeinde ange: 
meldet werden. Dieje Kollation wird ihm erit dann ertheilt, 
wenn er in der fürftlichen Kirche zu Limburg eine Predigt 
gehalten, und die Gemeinde zur fürftliden Kämmerei - Kaffe 
ein Goldjtüd und ein Silberftüd eingezahlt hat. Sonitige 
Batronat: oder Oberaufſichts-Rechte über Kirche und deren 
Vermögen jtehen dem Haufe Limburg nicht zu. 


Außer den beiden erwähnten Kirchen bejigt die Gemeinde 
an kirchlichen Gebäuden noch das alte Pfarrhaus in Weit- 
hofen, im. jahre 1708 erbaut, welches jeßt nur noch zu 
Stallungen und Scheune benußt wird, indem jeit 1845 da— 
neben eine neue Pfarrwohnung maſſiv aus Sandjteinen mit 
einem Koftenaufwande von 3600 Thlr. aufgeführt if. — 
Das alte Pfarrhaus in Syburg ift Tängft nicht mehr. An 
jeiner Stelle hat der Anpächter des Pfarrhofes ein unbe: 
deutendes Einliegerhäuschen für feinen Taglöhner errichtet. — 
Die beiden Küfterhäufer, jowohl das zu Weſthofen als auch 
das zu Syburg, find, feitdem der Schuldienft mit dem Küfter- 
dienjte verbunden worden, zu Lehrerwohnungen geworden 


5* 


68 


und werben theil3 von der gefammten Kirchengemeinde, theils 
von den beiden Schulgemeinden unterhalten. 


Das Presbyterium der Gemeinde bejteht außer dem 
Piarrer aus zehn Mitgliedern, von welden 5 der Stadt 
MWefthofen, 31/5 der Bauerſchaft Garenfeld und 11/2 dem 
Dorfe Syburg angehören müſſen. Nach diejer Vertretung 
im Presbyterium richtete ſich bis zur Kirchen-Ordnung vom 
5. März; 1535 die Betheiligung der benannten Ortichaften 
bei Aufbringung des kirchlichen Bedarfs. Erft die jeit 1835 
bewirkften Umlagen haben jenes Verhältniß unberüdfichtigt 
gelafjen. In den Händen des Presbyteriums liegt zugleich 
die Armenpflege. Eine bürgerliche Armenverwaltung neben 
diejer kirchlichen befteht bier nicht. 


Aus Borftehenden erhellt, daß die kirchliche Gemeinde 
Weſthoſen-Syburg nur einen Theil der Bürgermeijterei Weſt— 
bofen umfaßt. Der andere Theil derjelben aber gehört ganz 
der Kirchengemeinde Schwerte an und daher mit Ddiejer 
in die Bejchreibung der Biürgermeilterei (Stadtbezirk) 
Schwerte. 


3. Die Schulen. 


Ueber die Entjtehung der ſechs Schulen der Bürger: 
meijterei Weſthofen fehlt e8, die in neueren Zeiten gegrün- 
beten ausgenommen, au binreichenden Nachrichten. 


1. Die Schule in Wefthofen. Bis zu Ende des 
17. Jahrhunderts ſcheint Fein feſt befoldeter Lehrer in Weit: 
hofen angejtellt gewejen zu jein. Erft im Jahre 1706 werden 
die Intraden dee KüftereisFonds jammt dem Küſterdienſte 
einem Scullehrer zu Wefthofen zu jeiner Bejoldung über: 
tragen. Auf dieje Weile wurde die am nordweitlichen Ein- 
gange des Stirchhofes gelegene Küftermohnung zur Lehrer: 


69 


wohnung, und ihr ein fehr jämmerliches Unterrichtszimmer 
angebaut, welches demnädit durch Berfauf in den Belik des 
Maurermeijters Leopold Wille überging. Aus dem Erlöje 
wurde im Jahre 1820 an der Oftfeite des Rathhaufes, welches 
inmittelft zum Unterrichtslofale umgewandelt war, eine neue 
gleichfalls beſchränkte Lehrerwohnung aufgeführt. Dem Lehrer 
Hermann Beder, der jeit 1814 fungirte, wurde der 
wachſenden Schülerzahl halber im Jahr 1837 ein zmeiter 
Lehrer mit einer durch Umlage aufzubringenden Bejoldung 
von 130 Thlr., jpäter 150 Thlr., beigegeben, ſodaß an der 
Schule zu Wejthofen zwei Lehrer in zwei Klaſſen Unterricht 
ertheilen. Der erite feſt angeitellte Lehrer der zweiten Claſſe 
war Fr. Sichtermann, welder einem Rufe nad Geijede 
Folge leijtete. Ihm folgte am 17. März 1840 der zweite 
Lehrer Wihelm Spielhoff. — m Jahre 1874 wurde 
eine neue zweiklaſſige Schule gebaut, wofür einihließlih An— 
fauf des Bau: und Spielplages 21000 Mark verausgabt 
ſind. 

2. Die Schule in Syburg. Auch in Syburg it 
der Lehrer mit dem Küſtergehalte befoldet und mit dem 
Küfterdienjte betraut. Noch der vorlegte Antecefjor des Lehrers 
Garl Löwenjtein, welcher jeit 1808 fungirte, trieb neben 
jeinem Küjter: und Schuldienfte ein Handwerk und war nicht 
fähig, der Gemeinde Sonntags eine Predigt vorzulefen. Die 
frühere Lehrerwohnung, welcher zugleich das Unterrichtslofal 
einverleibt war, wurde zur Zeit der Fremdherrſchaft aufge: 
führt, hatte nur beſchränkte und niedrige Wohnräume und 
ein über doppelt zu beſchränktes Unterrichtslofal. Eine neue 
Schule wurde im Jahre 1856 für 1400 Thlr. gebaut. Die 
alte Lehrer: und Küſterwohnung it im Jahre 1865 dur 
einen majliven Neubau erjegt, der 12480 Mark gefoftet hat. 
Die zweite Schule ift im Jahre 1875/76 mit einem Koften: 
aufwande von 10580 Mark öftlih an die ältere Schule an: 


70 


gebaut. Seit November 1876 ift ein zweiter Lehrer in 
Syburg angeftellt. 


3. Die Schule in Garenfeld. Bei diefer iſt mit 
dem Schulamte Fein Kirchendienft verbunden. Das erite 
jest noch bekannte Schulgebäude (Wohnung und Unterrichts: 
lofal zugleich) befand fich am Nusgange des Dorfes nach der 
log. Bunfe. Es wurde nebſt dem Garten auf dem Bohlen: 
fampe im Jahre 1823 an Gaspar Heinrih Pütter für 
190 Thlr. verkauft. Das demnächſt für den Schulge: 
brauch acquirirte Gebäude, nur einige Schritte weſtlich von 
erjterem gelegen, genügte bei wachſender Schülerzahl ſchon 
bald auch nicht mehr. ES wurde nebit zugehörigem Hofraume, 
17 Ruthen 50 Fuß groß, im Jahre 1842 an den Bäder 
und Schenfwirth Friedrich Söding für 545 Thlr. 3 Sgr. 9 Pie. 
verkauft, und dahingegen der Kampmann'ſche Kotten mit 
Gebäuden und jämmtlihen Grundftüden von der Schulge- 
meinde für 1700 Thlr. wieder angefauft. Das frühere 
Kampmann’ihe Wohnhaus diente als Lehrerwohnung. Da: 
neben bat die Gemeinde das jekige freiftehende majlive Un: 
terrichtslofal nebjt Thürmehen und Glode mit einem Koſten— 
aufwande von 1200 Thlr. erbaut. Im Jahre 1875 wurde 
die alte Lehrerwohnung zum Abbruch verkauft und ein neues 
maſſives Wohnhans mit Scheune für den Lehrer zum Koften: 
preije von 13240 Mark gebaut. Der erfte mit Anſtellungs— 
Patent verjehene Lehrer bei der Schule zu Garenfeld war 
Franz Wild. Engelfe, welder von der Zchule zu 
Höchſten unterm 6. Mai 1851 nach Garenfeld bernien wurde. 
Sein Anteceffor, Heinrih Hoiang, hat zwar 47 Jahre 
lang das Schullehreramt in Garenfeld mit Eifer und Treue 
verwaltet, aber nie eine Anftellungg-Urkunde bejejien. 77 
Sabre alt trat er mit dem 1. Mai 1851 und mit einer 
Venfion von 54 Thlr. 19 Sar, 4 Big. in den Ruheſtand. 


71 


Die vorftehend aufgeführten drei Schulen befinden ſich 
innerhalb des Bezirks der Kirchengemeinde Weithofen-Syburg, 
die nachſtehend aufgeführten dahingegen innerhalb des Be: 
zirks der Kirchengemeinde Schwerte. 


4. Die Schule in Holzen. Dieje befteht exit feit 
1808. Der Schulbezirk umfahte bis zur Gründung Der 
nachſtehend aufgeführten Schule zu Höchlten die ganze poli- 
tiihe Gemeinde Holzen, jelbft den diesfeitS des Wannebachs 
gelegenen, zur Kirchengemeinde Weſthofen-Syburg gehörigen 
Theil derjelben, welcher bi$ 1808 zum Schulbezirfe Weit: 
bofen gehörte. Der erjte Lehrer an derjelben war Ludwig 
Herbers, weldem feit 1838 fein Sohn Garl Herbers 
folgte. Im Sabre 1876 wurde eine neue Schule für 
6520 Marf gebaut. 


5. Die Schule zu Höchſten. Mit Beginn dieſes 
Jahrhunderts war von Aplerbed aus über den Kamm des 
Ardei-Gebirges durd die Berghofer, Benninghofer, Schwerter 
und Syburger Mark nah Herdede ein Kunftitraße gebaut. 
Sn Folge deſſen entjtanden innerhalb des Bezirks der Com— 
mune Holzen, namentlich auf dem Höchiten und im Sommer: 
berge, eine Menge von Anfiedelungen, welche bald genug 
das Bedürfniß einer neuen Schule fühlbar machten. Diejem 
Bedürfniſſe wurde abgeholfen durd die im Jahre 1846 neu 
gegründete Schule auf dem Höchſten, deren Bezirk aus Ab: 
ipliffen der ſchon älteren Schulbezirte Holzen, Berahofen, 
Wellinghofen und SHoltbrügge gebildet ift. Der erite bei 
diefer Schule angejtellte Lehrer war der am 6. Mai 1851 
nah Garenfeld berufene Franz Wilh. Engelfe Die 
Schulgemeinde berief hierauf unter Genehmigung der Königl. 
Regierung von der Schule zu Widede ber den Xehrer 
Hermann Teelen. Im Jahre 1567 ift eine zweite Schule 
gebaut, maſſiv von Sandfteinen, für 5200 Marf, 


12 


6. Die Schule zu Geijede. Big zum Jahre 1846 
befand fich die Lehrerwohnung nebft Unterrichtslofal in dem 
Dorfe Geiſecke felbit. In jenem Jahre wurde die jeßige 
maſſive Lehrerwohnung, melde gleichfalls das Zimmer für 
den Unterricht einjchließt, im Geifeder Felde, an der von 
Schwerte nad) Opherdide führenden Landftraße, den Lichten- 
dorfer Mitgliedern der Schulgemeinde gelegener, mit einem 
Koftenaufmande von 4000 Thlr. aufgeführt. Eine zweite 
Schule für die Schulgemeinde Geijede wurde 1883 zu 
Eihholz mit einem Koftenaufwande von 13858 Mark 
errichtet. 


IV. 


Die 
Paderborner Arzeneitare von 1667 
und der menjchliche Körper im Dienite 
der Heilkunde. 


— — — — 


Von 
Cuſtos Dr. P. Bahlmann. 


— — — — 


Von dem Eifer, mit dem der Paderborner Biſchof Fer— 
dinand II. von Fürſtenberg (1661—1683) den Pflichten 
feines hohen Amtes ſich hingab, zeugt eine ganze Reihe 
heilfamer Verordnungen und Edicte. So förderte er gleich 
nad) feinem Regierungsantritt die Ausbildung und Thätig- 
feit der Seeljorger durch die Einführung des Pfarrconcurjes 
und ber Jeſuiten-Miſſionen, die Unterweilung des Volkes 
durch den Bau und die zwedmäßige Einrihtung von Schulen. 
Seiner Sorge für das leiblihde Wohl jeiner Unterthanen 
entiprang die 


HochFürſtliche Paderborniſche 
Artzney⸗Ordnung 
Wie ſich die Medici, Pharmacopaei, Chirurgi und || andere 
angehörige in praxı Medica in der Stadt und Stifft || Bader: 
born hinfürter zuverhalten haben || Sambt verordneter Taxa, 
wie nemlih und in weldhem || Wehrt alle Artzneyen jo wol 
simplicia al® composita in den Apo: || thefen dies Orts 
forthin verfaufft und gegeben werden follen. || Aus Gnädigſtem 
Befeld) || des Hohwürdigit-Hochgebohrnen Fürsten und Herrn || 
Herrn Ferdinandt || Biihoffen zu Paderborn, des Heyl. Ro: 


74 


miſchen Reichs || Fürsten und Grafen zu Pyrmondt ꝛc. Zum 
offnen || Drud außgefertigt und publicitt. || 
16 (Bilhöfl. Wappen) 67 

Newhauß, In der Fürftl. Paderbornifhen Druderey 

dajelbit || Gedrudt von Johan Todt.!) 

Diefes für die Gejchichte des Paderborner Medizinal: 
weſens äußerſt wichtige Werk, das neben der Frankfurter 
und Nürnberger Arzenei-Ordnung im Jahre 1692 auch für 
das Bistum Münfter Gültigkeit erlangte, ift zugleih der 
frühelte auffindbare Drud von Neuhaus.) Es enthält 

pag. 3—40: Die am 22. März 1667 volljogene Ar: 

zenei-Ordnung. 
„ 41—109: ‚„Taxa und Wehrt aller deren Argneyen, 
welche in der Apothed zu Paderborn erfindlich.” 
„ 110 u. 111: „Titulorum et Capitum Index.“ 





— — — 


1) 111 Seiten. Signatur Ay —Oy. 4°. (Königl. Pauliniſche Bibliothek 
zu Münſter.) 

2) Harrwitz, der im Centralblatt für Bibliotheksweſen Jahrg. V, Leipzig 
1888 pag. 443 den Irrthum Deschamps' (Dietionnaire de geo- 
graphie, Paris 1870, pag. 619 u. 925), daß die Preife Todt's in 
dem böhmijchen Neuhaus gelegen, berichtigt, kennt feinen früheren 
Druck als Schaten’s Carolus Magnus von 1674, obgleich ſchon 
Nordhoff (diefe Zeitſchr. Bd. 412 pag. 156) anführt: Regio mortis 
ad beatam vitam dicata vivis, Neuhusi, offieina Jch, Todt, 1668, 
— Erridtet wurde die Neuhaufer Druderei im 3. 1659; vgl. Bellen, 
Geſch. des PBisth. Paderborn Bd. Il, Paderborn 1820, pag. 221. 

Über die Einführung der Buchdruderfunit in Paderborn, wo- 
rüber bieher nichts Sicheres befannt war, fanden wir eine werthvolle 
Nachricht in der vom Dage S. Michaelis Archangeli 1595 bdatierten 
Borrede des Dedyanten Michael Nuperti zu jeinem „Catechismus 
und Betböflin. Gedrudt tho Münfter in Weſtphalen by Lambert 
Raßfeldt. In Verlegung Matthaei Pontani genandt Brückner. 
Anno M.D.XCVI.* (Paul. Bibl.). Hier heißt es: „Solds [i. e. 
den Neudrud des Catechismus] aver hebbe ick noch biß anher upae- 
halden: darum dat myn guder Fröndt Mattheus Pontanus, jonft 


75 


Die Verordnung findet fich vollftändig abgedrudt auf 
Seite 122—153 der „Hochfürſtlich-Paderborniſchen Landes: 
Verordnungen, mit gnädigjter Erlaubniß Sr. Hocdhfürftlichen 
Gnaden Friedrih Wilhelm Biſchofen zu Paderborn ... in 
einer Sammlung herausgegeben. Theil I, Paderborn, Wild. 
Sunfermann, 1785 (Baderb. Vereins-Bibliothei Nr. 382). 
Die Wiedergabe der Arzeneitare it leider unterlafien, weil ſie 
durch die neue Taxa aufgehoben wurde, welde 1773 erjchienen 
und auch der vom Bilchof Wilhelm Anton von Paderborn 
am 3. März 1774 erlaffenen Medizinalordnung (abgedr. 
in Baderb. Landes-Verordn. Th. IV, 1755, pag. 40 ff.) 
beiaefügt war. Während die lettere die einzelnen Arzenei— 
mittel alphabetiſch nach deren lateinischer Benennung aufzählt, 
jondert die alte fie nad) Gattungen. ES handelt laut Index: 


Gap. 1. Bon gemeinen, wie auch fremden Kräutern. 
2. Von allen gemeinen Blumen. 
3. Von gemeinen und ausländischen Samen. 

-„ 4. Bon allerhand Wurzeln. 
5. Bon fremden und einländijchen Früchten. 
6. Bon Rinden einiger Bäume, Wurzeln und Früchten. 
7. Bon Hölzern und was ihnen anwächſt. 

. Von allerhand Bulvern. 

. Bon frisch ausgepreften dünnen Säften. 


= nn 


Brückner genandt, (dev binnen Göllen, Meynk und anderswo, oid 
allhier tho Münſter in Catholiſchen Druden vill getrumes Arbeides 
gedaen hefft) mir beit vermeldet: welder geitalt he by U. F. G. hebbe 
angehalden, off he des Orts tho Paderborn ein gude Gatholifche 
Prente oder Iruderey (dartho U. F. ©. eren Underdanen tho heil: 
jamer wolfarth mögen gemeiget jyn) befommen und anrichten möchte, 
dar dan ein ſolck Boecklin ſyn erſte Werdlin hedde ſyn moegen. 
Dewyle aver ſich ſölcks noch verwylet, ſo hefft he mich gelyck— 
wol gebeden, dat icks . . . U. F. G. ... toſchrwen wölte. So wolte 
he up de Drucke, ſo viel möglig, verdacht ſyn.“ — Des Rupertus 
„Poſtill“ (Paul. Bibl.) druckte Brückner 1597 bereits zu Paderborn , 


Cap. 


„ 


10. 
11. 


76 


Von ausgepreßten und getrodneten Säften. 
Bon einigen zähen Eäften, fo aus den Stämmen 
fließen und endlich erhärten. 


2. Von Gewürz und Specereien. 
. Bon Stüden, jo von den Thieren genommen 


werden. 


. Bon Schmalz, Unfchlitt und Mark der Thiere. 
. Bon Metall, Erde, Farben und Salzen. 

. Bon edelen und gemeinen Steinen. 

. Von Arzeneien, jo im Waſſer und Meer wachſen. 
. Bon,gemeinen gebrannten Wäflern. 

. Bon köftlichen deitillirten Wäflern. 

. Bon mancherlei Ejjigen. 

. Bon Starken deitillirten Wäffern, jo man Spiritus 


nennt. 


. Bon einfahen purgirenden Stüden. 

23. Von purgirenden Latwergen. 

. Bon purgirenden Gonfecten in forma solida. 
. Bon manderlei Pillen. 

. Von purgirenden Pulvern. 

. Von mancherlei Ertracten. 

28. Von purgirenden Ertracten. 

29. Bon Eliriren, Effenzen, Tincturen in forma 


liquida. 


. Bon chemiſchen Medicamenten in forma solida. 
. Bon künſtlich praeparirten Salzen. 

. Von ausgepreßten und gefochten Delen. 

. Bon deftillirten Delen. 

34. 
35. 
36. 


Bon wohlriehenden und jtärkenden Bulvern. 
Bon ftärfenden und Gift treibenden Latwergen. 
Bon Zeltlein?), Räucherwerk und Augen:Arzeneien. 


) Rotulae, fleine halbfugelrunde Kuchen, aus feinem Zucker mit irgend 


einem Pulver, oder aus Zuder mit ätheriichen Oelen resp. jäuerlichen 
Säften bereitet, 


77 

Cap. 37. Bon Morjellen und Zuderküchlein. 
„» 38. Von Syrupen, Julepen®) und Honigen. 
39. Bon diden Säften, Gallerten und Sülzen. 
„ 40. Bon Brufistatwergen. 
41. Bon Conſerven und eingemachten Kräutern. 
„ 42. Bon eingemadhten Ninden, Wurzeln und Früchten. 
43. Bon manderlei mit Zuder überzogenen Eonfecten. 
„44. Bon föftliden wohlriehenden Baljamen. 
„» 45. Bon allerlei Salben. 
46. Bon gemeinen PBflajtern. 

» AT. Bon [im Breije] fteigenden und fallenden Waaren. 

Eo verlodend es ift, auch auf die einzelnen Medicamente 
näher einzugehen, wodurd wir ein intereffantes Bild der 
früheren — und nicht nur weitfäliichen — Heilkunde erhalten 
würden, jo müfjen wir au diejer Stelle doc) darauf verzichten. 
GSejtattet aber mögen ung einige Erörterungen über diejenigen 
der angeführten Arzneimittel fein, die auf irgend eine Weije 
mit dem menschlichen Körper in Zuſammenhang ftehen. Wir 
folgen bei diejer Darftellung der Pharmacopoea medico- 
chymica des Frankfurter Arztes Johann Chriſt. Schroeder ?), 
die bis zur Mitte des vorigen Jahrhundert3 das Haupthand: 
buch der deutichen Apotheker war, ſowie dem berühmteiten 
der damaligen franzöſiſchen Chemifer, Nicolas Leméry 
(1645—1715) 6), und berüdjichtigen bei der Aufzählung 





*) Julapium, ein flüffiges Medicament, dünner als Syrup. 

®) geb. 1600 zu Ealzuflen in Lippe, geſt. 1664, — Die Pharma: 
copoea erjchien zuerit 1641 und wurde mehrfach neu herausgegeben und 
in verjchiedene Sprachen überjegt. Uns liegt vor: „D. Joh. Schröders 
vollft. u. nugr. Apothefe oder ... Artzney-Schatz. Nebit D. Friedrich 
Hoffmannd ... Anmerkungen. Bormahls [i. e. 1693 in deutjcher 
Sprade] ... eröffnet von ©. Dan. Koſchwitz. TI. Edition. Frank— 
furt u. Leipzig 1709.“ 

Traite universel des drogues simples. Ouvrage dependant de 
la Pharmacopee universelle. IV. edition. Paris 1732. Zuerst 
erschienen 1698. 


— 


78 


der einschlägigen Medicamente außer der Paderborner Tare noch: 


1) 


2) 


3) 


Taxa oder mwerderung aller Materialien, jo zur 
Medicin gehörig unnd in der Bilchoff. Fürftlichen 
Oſnabrüggiſchen Hoff Apoteden zu Jburg vorhanden 
jein und verkaufft werden jollen .... Durch D. 
Fridericum Spieß. Münfter i. W. bey Lambert 
Ntaßfeldt, 1616 [vom 3. Febr. 1616; Paul. Bibl.). 
HochFürſtliche Münſterſche Artney » Ordnung |vom 
20. Juli 1692] ... Sambt verordneter Taxa, 
wie nemlih und in weldem Werth alle Argencyen, 
jowoll simplicia als composita in denn Apothefen 
dieſes Orths verfauffet und gegeben werden follen. 
Münfter i. W., Witwe Raeßfeld, 1692. ſIm Be: 
ji des Herrn B. Theijling zu Münfter.] 
Hochfürſtl. Minfteriiche Tax-Ordnung, wornad) die 
im hieſigen Hod:Stifft gnädigſt privilegirte Apo- 
thecarii die Medieamenta ... hinführo verkauffen 
jollen. Münfter i. W., Joh. Nic. Nagel, 1739 
[der Münſt. Medicinal:Drdnung vom 1. Dec. 1749 
beigef.; Paul. Bibtl.]. 


I. Ossa humana, Menſchenknochen. 


Wurden zerkleinert (präparirt) und dienten als zerthei- 
lendes und adjtringirendes Mittel, follten auch bei Gelenk: 
ſchmerzen, Ratarrhen und Rother Nuhr von Nutzen fein. 

Iburg 1616: vacat. 
Paderb. 1667 pag. 64 (Cap. 13): Ossa humana non 


humata, 1 Loth: 2 gr.?) 


Münfter 1692 pag. 42: Ossa humana non humat., 


1 Xoth : 1 fchill.®) 


Münfter 1739: vacat. 


) 1 Reihsthaler = 36 Groſchen, 1 Groſchen — 7 Pfennige. 
®) 1 Reichsthaler = 28 Schillinge, 1 Schilling = 12 Pfennige. 


79 


II. Cranium humanum, Menſcheuhiruſchale. 

Mußte von jungen Leuten guten QTemperaments her: 
rühren, die eines gewaltjamen Todes (durch den Henker oder 
im Kriege) gejtorben?) und nicht begraben waren; in joldhen 
Schädeln, fo glaubte man, jeien die Lebensgeijter gleichjam 
gefangen zurüdgehalten. Hirnſchädel natürlich Verſtorbener 
zu verfaufen galt als jchändlicher Betrug. Am gefuchteften 
waren Schädelitüde von am Kopfe verwundeten und nod) 
lebenden Menschen. 

Anfangs wurden die Schädel caleinirt (durch Glühen in 
Bulverform gebradht); ſpöter, weil dur das Brennen das 
beſonders wirkſame flüchtige Salz verloren gehen jollte, nur 
gerafpelt und zu Pulver geitoßen. 

In Dojen von 1a—2 EScrupel gegen Epilepjie, Apo— 
plerie (Schlagfluß) und andere Krankheiten des Gehirns, 
gegen Diarrhöe und Bergiftung, auch zur Beförderung der 
Tranjpiration gegeben. 

burg 1616 pag. 6: Granium humanum ustum et prae- 
paratum, 1 Xoth : 3 99.19) 
pag. 35: Pulvis Cranii humani usti, 1 Loth: 
3.09. 3 pl. 
Paderb. 1667 pag. 64 (Cap. 15): Cranium humanum 
ppt., 1 %oth : 16 gr. 
pag. 56 (Cap. 8): Pulvis Cranii humani 
usti ppt., 1 Xoth : 4 gr. 
pag. 86 (Cap. 30): Magisterium Cranii hu- 
mani, 1 Xoth : 12 gr. 
pag. 89 (Cap. 31): Sal Cranii humanıi vo- 
latile, 1 Quentden : 32 gr. 





°) Pharmacopoea Wirtenbergica, Stutgardiae 1786, I, pag. 146: 
„Nunquam erudum, sed praeparatum in usum vocatur. Non sit 
hominis morbo, sed sani, et violenta morte perempti.“ 

10), 1 Fürften- oder Guter Grojhen = 9 Dsnabr. Pfennige. 


80 


Münjter 1692 pag. 41: Cranium hum. praep., 
1 Quentden : 8 ſchill. 
pag. 72: Magisterium Cranii humani, 
1 Quentden : 6 ſchill. 
pag. 75: Sal Cranii humani volat., 
I Stan : 5 pf. 
Miünfter 1739 pag. 10: Cranium human. sine igne 
praepar.!!), 1 Xoth : 4 fill. 
pag. 10: Craniihumani pulv., 1 2oth :2 jchill. 


III. Usnea humana vel Muscus cranii humani, 
Hiruſchädelmoos. 

So nannte man die Flechte Imbricaria saxatilis Körb. 
(Parmelia saxatilis Ach.), welde auf Baumrinden und an 
Felſen, mandhmal auch auf Skeletten wächſt, die lange an 
der freien Zuft gelegen haben. Bon diejen, ganz bejonders 
aber von Menjchenichädeln, wurde fie als Arzeneimittel ge— 
jammelt. 

Diente, in die Naje geftedt, zum Stillen des Naſen— 
blutens, innerlich gebraucht gegen Epilepfie, Blutflüſſe u. |. w., 
wurde auch mehrfach zur Bereitung fympathetiicher Pulver 
und Salbeı verwendet. Am befannteften von leßteren ift 
die Waffenjalbe (Unguentum armarium), die außer bem 
Moos echte Mumie, Armeniichen Bolus, Rojenöl, Leinöl und 
Fett enthielt und am beiten dann wirfen folte, wenn fie 
mit der Waffe, die die Wunde beigebracht, geftrichen wurde. 

Sburg 1616: vacat. 

Paderb. 1667 pag. 65 (Cap. 13): Usnea, muscus cranii 
humani, 1 Xoth : 16 gr. 

Münfter 1692 pag. 44: Usnea, muscus cranii hum., 
1 Quentden : 14 ſchill. 

Münſter 1739 pag. 37: Usnea s. muscus cranii human., 
1 Loth : 18 fill. 8 pf. 


34) Nicht usual, mußte aber nach des Medici Qutbefinden zeitig beforgt werden. 


sl 


IV. Axungia hominis, Menjcdenfett. 

Salt als das befte aller Fette!) Wurde von jung 
und gejund Hingerichteten genommen und entweder nur ab: 
gewaſchen und gereinigt oder noch geſchmolzen und durchge: 
jiebt an luftigen, trodenen Orten aufbewahrt. 

Innerlich gebraucht bei Contracturen, Atrophie, Lungen— 
ſchwindſucht ꝛc. 

Iburg 1616 pag. 8: Axungia hominis, 1 Loth: 4 go. 
Baderb. 1667 pag. 66 (Cap. 14): Axungia hominis 
coagulata, 1 Xoth : 2 gr. 

* „  pag. 66 (Cap. 14): Axungia hominis 

liquida, 1 Loth: 16 gr. 

Münfter 1692 pag. 45: Axungia hominis liquida, 
1 Xoth : 6 jchill. 

Münfter 1739 pag.6: Axungiahumana??), 1Loth: 2 jchill. 
V. Mumia, Mumie. 

Bezeichnet hier nicht die durch Baljamierung vor der 
Verweſung geihügten Leichen, jondern die zum Einbaljamieren 
verwendeten Stoffe (gerbitoffhaltige und balſamiſche Mittel 
oder Asphalt), in welche die „menſchliche Feuchtigkeit‘ ge: 
drungen ilt. 

Diefe Mumia war ein Beitandtheil vieler zufammen: 
gejegten Medicamente, z. B. der bereits erwähnten Waifen- 
falbe, und wurde — auch als Eijenz, Del oder Salz — bei 
Wunden, Brüden, Bruftfrankheiten, Lungenſchwindſucht u. |. w. 
gebraud)t. 

burg 1616 pag. 7: Mumia, 1 Loth : 1 gg. 

Paderb. 1667 pag. 56 (Cap. 8): Pulvis Mumiae, 

1 Loth : 2 gr. 4 pf. 

Miünfter 1692 pag. 42: Mumia Arabum, 1 %oth:1 fchill. 
6pf . 
1%) In der Pharmacopoea Wirtenbergiea 1786 I pag. 153 noch ala 

eins der gebräuchlicheren Fette angeführt. 
13) war zwar usual, brauchte jedoch) in den Apothefen der Heineren Land: 


orte nicht vorräthig gehalten, jondern nur auf Verlangen des Arztes 
angeichaftt werden. 


XLVII. 2. 6 


82 


Münfter 1739 pag. 22: Mumia, 1 Loth : 
„ „ pag.13: EssentiaMumiae —— 2ſchill. 


VI Spiritus urinae, Harngeiſt. 

Gewonnen aus zur Syrupdide eingedampftem faulenden 
Harn dur Deitillation und Rectification. Bielfah zu Ein- 
reibungen von Gicht: und Podagrakranken, aber auch innerlich 
als bilutreinigendes, harn- und jchweißtreibendes Mittel 
benutzt. 

Iburg 1616: vacat. 

Paderb. 1667 pag. 76 (Cap. 21): Spiritus urinae ex 
sale, 1 Quentden : 4 gr. 

Münfter 1692 pag. 61: Spiritus urinae, 1 Quent— 
chen : 1 ſchill. 6 pf. 

e 1739 pag. 34: Spiritus urinae volat., 

1 Xoth : 1 jchill. 6 pf. 
VI. Sal urinae volatile, Harnjalz. 

Iſt das durch die Deitillation des Harns erhaltene 
fohlenjaure Ammoniak. Diente gegen Gicht, Atrophie, Stein: 
franfheit u. ſ. w. 

Iburg 1616 pag. 47: Sal urinae, 1 Quentchen: 2 ag. 
Paderb. 1667 pag. 89 (Cap. 31): Sal urinae vol. mi- 
crocosmi. (Preis fehlt!) 

Miünfter 1692 pag. 75: Sal urinae vol. microcosmi, 

1 Gran : 4 pf. 

„ 1739 pag. 30: Sal urin. vol, 1 Quent— 

chen : 1 jchill. 6 pf. 

Außer diejen in den Apotheken feil gehaltenen Mitteln 
entftammten noch weit mehr dem menschlichen Körper: es gab 
fait feinen Theil dejjelben, der nicht in der Heilkunde Ber: 
wendung gefunden hätte.1*) Alle derartigen Medicamente aber 
verichwanden gegen Ende des acdhtzehnten Jahrhunderts ganz 
aus dem Arzeneifchag; in Paderborn juchen wir fie ſchon in 
der Tare von 1773 vergebens. 


1°) Vergl. meine Abhandlung in der Npothefer-Zeitung, Jahrgang IV, 
Berlin 1889, pag. 627 f. 


V. 
Die „alte Kirche“ zu Gütersloh. 


Von 


Paul Eickhoff, 
Gymnaſiallehrer zu Wandsbeck. 


u 


Die „alte Kirche‘ zu Gütersloh, eine Pankratiuskirche, 
ift zuerft Anfang der fünfziger jahre von Lübke unterjucht, 
aus Mangel an Zeit aber nur flüchtig und ohne Zuhilfenahme 
von Ardivalien!). Er ſetzt das Chor in die lebte Zeit des 
romanischen Stils, das Langfchiff und den Turm in die Zeit 
des 15. Yahrhunderts, und das Saframentarium an der 
nördliden Chorwand fchreibt er der „Spätzeit” des 15. 
Jahrhunderts zu. Nach Lübfe hat Otte?) die Zeit angeſetzt. 
Als ich mich vor zehn Jahren mit der Geſchichte meiner 
Heimat Gütersloh näher bejchäftigte, habe ich die Kirche jelbit 
auf das genauefte unterfucht und das Vorhandene an urkund: 
lihem Material verwertet. Bejonders ift zu erwähnen, daf; 
e3 mir gelang, beim Nadforihen im Dsmabrüder Staats: 
archiv eine Rechnung über den zu Anfang des 16. Jahr: 
hunderts erfolgten Neubau zu entdeden. Das Gemwonnene 
habe ich zu einem Bortrage verwertet, den ih am 4. Januar 
1883 im biftoriichen Verein zu Gütersloh gehalten habe. 


Diejen Bortrag habe ich zu der nachfolgenden Darftellung 
verarbeitet. | 


+!) Die mittelalterliche Kunft in Weſtfalen, Borrede S. VI, Text ©. 
288 u. 305. 


*) Kirchliche Kunftarchäologie des deutichen Mittelalters 5. Aufl. I, 
S. 425. 


6* 


84 


über die Zeit der Erbauung der jetzigen „alten 
Kirche“ zu Gütersloh giebt es daſelbſt die ſich auch anderswo 
findende Sage, daß noch die Heiden zu ihrer Herſtellung 
Steine herbeigeſchafft hätten. Das iſt ſelbſtverſtändlich, weil 
Steinkirchen bei der Bekehrung Weſtfalens nicht gebaut ſind, 
leeres Gerede; dagegen kann man wohl nicht bezweifeln, daß 
gleich damals die Gemeinde Gütersloh in ihrem nach— 
weislich größten und älteſten Umfange, wo z. B. der Meier 
zu Verl noch zu ihr gehörte, errichtet iſt. Gegen dieſe 
Annahme kann man nur anführen, daß ihr Gebiet nicht zu 
den fruchtbaren Teilen Weſtfalens gehört, und daß die Be: 
bauung jowohl als die kirchliche Verſorgung in dem mehr 
als taujendjährigen Zeitraum, der jeit Einführung Des 
Chriſtentums verflojjen ift, nachweislich Fortiehritte von Süd— 
weiten nach dem Teutoburger Walde zu gemadt hat, das 
unbewohnte Gebiet der ehemals großen Senne immer mehr 
verkleinernd. Für ehr alte Gründung des Kirchipiels 
Iprechen mehrere Gründe. Erſtens zeigt das ältefte Zeugnis 
der Bejiedelung der hier in Frage ftehenden Gegend, die um 
1090 entjtandene älteite Herzebroder Heberolle, daß die Be: 
fiedelung derjelben damals nicht dünner war, als die frucht- 
baren Landesteile des Münfterlandes; wenigitens hatte das 
Kloſter Herzebrod um 1090 in dem Gebiete des Kirchipiels 
Gütersloh ebenjoviel Abgabepflichtige, wie in den ebenjoweit 
von ihm entfernt liegenden Gegenden des Miüniterlandes. 
Zweitens wird in der Urkunde des Jahres 1258, welche 
Möfer in der „Geſchichte der Stiftung des Kollegiatftiftes in 
der Stadt Wiedenbrüd‘ 1) anzieht, gejagt, die Kirche zu 
Wiedenbrüd jei a prima fundatione eine Kapellanei ge— 
wejen, d. h., wie Möſer erklärt, „fie war mit einem Erz: 
priejter bejegt, der mehrere Kirchen unter fich hatte und der 
diefer feiner höheren Würde wegen zur Ehre eines bifchöflichen 


1) Sämtl. Werke, Berlin 1843, Teil 9, ©. 286 Anm. **, 


85 
Kaplans gelangt war”. Nun wurde das Kollegiatftift Wieden: 
brüd bei feiner Gründung 1259 mit den Pfarren des ehe: 
maligen erzpriejterlichen Diftrilts, nämlich mit Wiedenbrüd 
(Hegidien und St. Bit), Rheda, Gütersloh, Neuenkirchen 
und Langenberg, ausgeftattet; die Pfarre von Herzebrod wird 
nicht mitgenannt, weil das Ardhidiafonat der gedachten Ge: 
meinde 1208 dem Klofter überwiejen worden war; das ganze 
Nietbergifche hat bis ins zwölfte Jahrhundert nach Tibus !) 
zu Paderborn gehört, das denn auch in der Vita Meinwerei 
Schenkungen dafelbit erhält, und Wadersloh und Lette nad) 
Tibus?) immer zu Miünfter, wogegen die nachher zu er: 
wähnende Urkunde von 1185 3), in der auch Paſtoren von 
Lette und Diejtedde (verlefen oder verjchrieben Thyted) er: 
wähnt werden, nichts befagt. Von den alſo als zum Archi- 
diafonat Wiedenbrüd um 1200 gehörig nachgewieſenen Kirch: 
ipielen ift außer den beiden Kirchen Wiedenbrüds nur Herzes 
brod und Langenberg auf gutem Boden belegen; Rheda und 
Neuenkirchen Liegen ebenjo gut wie Gütersloh auf dem Sand: 
boden, und bei beiden ift, wenn fie auch gleichzeitig mit dem 
legteren zum erſten Mal 1185 erwähnt werden, ſpätere 
Gründung noch eher wahrſcheinlich wie bei Gütersloh, da 
Rheda zwiihen den offenbar alten Kirchipielen Wiedenbrüd 
und Herzebrod liegt, bei Neuenkirchen aber jchon der Name 
auf die jpätere Gründung des Kirchipiels hinweiſt, wenigitens 
eher al3 auf den Neubau des Kirchengebäudes. Iſt jomit 
das Kirchſpiel Gütersloh, da Herzebrod und Yangenberg 
allein für das Nrdipresbyteriat doch etwas wenig gewelen 
wären, als ein um 800 gegründetes anzufehen, jo muß auch 
angenommen werden, daß es vor dem Ende des 12. Jahr: 
hunderts eine Kirche gehabt habe; von ihr haben wir aber 


) Gründungsgeſchichte u. j. w. ©. 245. 
2) a. a. O. ©. 251. 
2) Möſer IX, 295. 


86 





feinerlei Spur, insbeſondere wiſſen wir nicht, ob fie an 
Stelle der „alten Kirche” geitanden hat. ebenfalls ift aber 
die Yage berjelben mit Abficht gewählt, ebenfo, wie e8 mit 
Wiedenbrück geſchehen iſt. Es iſt nämlich ganz Klar, daß, 
wie der größte Teil des Bodens der jetzigen Stadt Gütersloh, 
ſo auch der Platz, auf dem die „alte Kirche“ ſteht, ſamt 
allen urſprünglich zur Pfarre gehörigen nicht vereinzelt ge— 
legenen Ländereien von dem Hofe „Meier zu Gütersloh“ 
abgezweigt iſt, der ſüdlich des Bahnhofs an der Dalke liegt, 
ſo daß zwiſchen ihm und dem am Südrande Güterslohs be— 
legenen Pfarrhauſe der katholiſchen Gemeinde, welche bei der 
Teilung des Pfarrguts 1655 die alte „Wedum“ erhalten 
hat, noch heute kein Haus ſteht, ſondern nur die Pfarrwieſe 
und Gärten liegen. Dieſer Hof hat bis zum Jahre 1241 
dem Biſchof von Osnabrück gehört, ſoweit ſich nachweiſen 
läßt; er wird in dem Registrum bonorum, das am Ende 
des Urfundenbuchs zu Möfers Dsnabrüdiicher Gefchichte ab: 
gedrudt ijt, um 1240 verfaßt!), noch aufgeführt, wurde aber 
12412) an das Kloſter Marienfeld verkauft, deffen Eigentum 
er bis zur Aufhebung des Klofters geblieben if. Danach 
ift ficher, daß die Kirche auf ehemals bifchöflihem Grund und 
Boden Steht. Aber es ift auch in Betracht zu ziehen, daß 
fie an zwei wichtigen Wegen liegt. Der eine zieht fich nörd— 
lich der Dalke im ganzen Kirchipiel hin, diefelbe erft nahe 
bei der Ems vor der „Neuen Mühle‘ überfchreitend; er 
führt zu der urkundlich wohl nicht erwähnten Dingitätte ?) 
bei dem Hofe Tiemann an der Emst), wo der „Thibrücke“ 
genannte Steg über die oft überſchwemmten Wieſen zwilchen 


I) Ausgabe von 1843, Teil 8, ©. 395. 

2) Weſtf. Urkundenbuch III, 393. 

*) Lindner, die Veme ©. 161 ff. 

*) Eollte der Hof Tiemann früher Sandfort (Weſtf. Urkob. III, 192, 
Pindner, die Veme ©. 161) geheihen haben ? 


87 

Dalke und Ems geht und ein Grundftüd noch „Thiggoren“ 
heißt!). Diejer Weg, in deſſen gerade weftöftlicher Richtung 
die Kirchſtraße und die Blefjenftätte liegen, führte füdlich 
unmittelbar am Kirchhofe vorbei und iſt öſtlich Gütersloh 
über eine Stunde weit deutlich zu verfolgen. Der andere 
Weg iſt eine ebenfo alte Straße, welche von der Brüde über 
die Ems, die Wiedenbrücd den Namen gegeben hat, über die 
des Olbachs, von der der Name Schledebrüd herrührt?), 
nach der Bielefelder Schlucht führt. Ihre Richtung ift wefent: 
lih die der „Berliner Straße’, die unmittelbar weſtlich an 
dem Kirchhofe der alten Kirche vorbeiführt; in ihrer Fort: 
ſetzung liegt nordöftlich die Bielefelder Chauffee, die auch auf 
den Turm der alten Kirche zu läuft, infolge einer Biegung 
auf die Blefienftätte mündet, mit diefer einen rechten Winfel 
bildend. In dem nad) Nordoften offenen Winkel der Kreuzung 
diefer beiden Straßen ift offenbar ablichtlih die Kirche er: 
baut und zwar unmittelbar an dem Kreuzungspunkte. Wegen 
biejer günftigen Lage ift zu vermuten, daß auch die ältejte 
Kirche dajelbit geftanden babe; ob der Hof Meier zu Gütersloh 
gleih 800 3) oder jpäter in den Beſitz des Biſchofs von 
Dsnabrüd gekommen it, jteht dahin. 

Die ältefte Erwähnung des Kirchſpiels in der 
oben angezogenen Urkunde vom 25. März 1185, wo ber 
erjte nachweisbare Paſtor Güterslohs genannt wird, it aljo 
nur eine mittelbare; die erjte unmittelbare wird die aus dem 
Sahre 1201) jein. 


N) Garten heißt urfprünglich: Gehege; vgl. Fick, Vergl. Wörterbud; der 
indogerm. Spradjen VII, 102 und Kluge, Etymol. Wörterbuch der 
deutfchen Sprache; auch: das „gehegte“ Gericht. 

*) Bei Anlage der Chaufjeebrüde dajelbft wurde 1819 eine römiſche 
Lanzenſpitze gefunden, jept in der Sammlung des Bielefelder hiſto— 
riichen Vereins. 

3) Bol. Tibus a. a. O. ©. 140 ff. 

+) Weftf, Urkundenbuch II, 5. 


Ss 

Mit der erfteren Erwähnung aus 1185 muß die Er: 
bauung der eriten nahmweisbaren Kirde, von der 
jetzt noch Teile übrig find, aus Stilrüdjichten gleichgejett 
werden; der naheliegende Schluß, dab die Zeit der erjten 
Erwähnung auch die der Entjtehung jei, muß außer wegen 
der vorftehenden Ausführungen auch deshalb zurückgewieſen 
werden, weil um 1200 mit dem Häufigerwerden der Urkunden 
viele Kirchſpiele, die unzweifelhaft ſchon lange vorher beftanden 
haben, zum eriten Male erwähnt werden. Bon den jebt 
noch vorhandenen Teilen der nad ihm um 1200 erbauten 
Steinfirhe hat Lübke nur den Chor bemerkt. Er jagt von 
ihm): „An der Kirche zu Gütersloh ftammt der geradlinig 
geſchloſſene Chor noch aus romaniſcher Zeit; Eckſäulchen mit 
reihem ſpätromaniſchen Kapitäl tragen die Gräten des Ge: 
wölbes. Das Kämpfergejims befteht in eigentümlich roher 
Weife nur aus einem balbrunden Wulft.“ Hier ift noch 
etwas hinzuzufügen. Das Chor beiteht außer den Edjteinen, 
die regelmäßig behauen jind, aus unbehauenen Sandftein- 
blöden von gelbrötlicher Farbe, die wohl dem nächftgelegenen 
Steinbruch des Teutoburger Waldes bei Steinhagen ent: 
ftammten; das Gefüge ift vor einigen Jahren durch Kalkbe— 
wurf bededt. Die drei Seiten haben in mehr als Mannes— 
höhe je ein Heines rundbogig gejchlofienes Feniter. Das 
Gewölbe ijt ſehr einfach aus immer jchräger übereinander: 
gelegten Zieaeljieinen jehr großen Formats bergejtellt, wie 
oben zu jehen ift. Die Eckſäulchen in den Pfeilereden find 
ganz rund und nur angelehnt; ihre Knäufe nebit den an: 
jtoßenden Kämpfergejimfen find mit Blattwerf und Vögeln 
verziert; ihre Füße beftehen aus vierediger Blatte mit runden 
Wülſten, und die freibleibenden Eden tragen Eckblätter. 
An der Dftfeite über der Sakriſtei fol eine an der Außen: 
mauer angebradhte Fratze vorhanden gewejen, aber von dem 








')a.a.D. ©. 288, 


59 





evang. Paſtor Bolkering (1828—38) zeritört worden fein, 
weil derjelbe Urkunden Hinter dem Kopfe vermutete. Zu 
deu noch erhaltenen Teilen der vor jekt 700 Jahren er: 
bauten Kirche gehört aber auch noch der untere Teil des 
Turmes. Bon dem legteren jagt Lübke, nachdem er von dem 
Langhauſe geiprochen hat, bloß: „Turm vieredig mit ſchlankem, 
achtedigen Helm’; mehrere Merkmale an dem unteren Teile 
des Turmes find aber von ihm überjehen. Außen zieht jich 
in einer Höhe von ungefähr 50 Centimetern eine aus zwei 
eintach gerundeten Wuljten, einer Hohlkehle ohne geichwungene 
Linien und einigen Leiſten nebſt Abichrägungen gebildeter 
Sims herum, der zwar in den jieben Jahrhunderten, Die 
jeit jeiner Ausarbeitung verflojjen jind, ſtark gelitten hat, 
aber an einigen Stellen noch wohl erhalten und als romaniſch 
deutlich zu erkennen iſt; inmwendig findet jich derjelbe Sims 
noch vollitändig unbeichädigt an der an das Schiff ftoßenden 
Turmwand. Die beiden von Turm in das SKirhenichiff 
führenden Thüren, von denen die obere jebt auf der ſog. 
Scieferfammer ſich befindet, jchließen genau jo wie die aus 
dem Chor in die Sakriſtei führende oben halbkreisförmig, 
und die untere hat nad) dem Kirchenschiff zu einen romanischen 
Sims. Endlich jpringen in den Eden des unteren Turmes 
die Mauern, Wandpilafter bildend, in Streifen von bis 
»0cm #reite 15cm vor; Diele Streifen ſchließen ſich oben 
in Rundbogen. Überdadht ift der untere Raum des Turmes 
von einen wie das Chorgewölbe fehr einfach aus vier Kappen 
injammengefügten Gewölbe, unter dem jebt die Uhr ftebt; 
evit über dieſem Gemölbe it inwendig an der Weſtſeite die 
meines Wiffens von dem Mitgliede des katholiſchen Kirchen: 
voritandes, Uhrmacher Pütt, entdedte Jahreszahl 1472 
angebradt. Bon dem ehemaligen Schiffe diejer romaniſchen 
Kirche ift nicht3 mehr zu ſehen; vielleicht finden jich Die 
Mauern dejjelben in der Erde, wenn in den nächlten Jahren 
die Kirche von der jetigen alleinigen Beſitzerin derſelben, 


90 


ber evangeliichen Gemeinde, erneuert wird. Dagegen jcheinen 
Neite eines Simjes am Turme an deffen Nordoft: und Süd- 
ede, welche etwas höher als die Dachrinnen des jegigen 
Schiffs zu jehen find, und unter dem es ausfieht, als wäre 
ein Nundbogenfries abgehauen, ähnlich dem am Schiff der 
in den jiebziger Jahren abgebrodhenen Iſſelhorſter Kirche, zu 
beweiſen, daß der Turm nicht höher als etwa 10 Meter 
geweſen iſt und nur zwei Stodwerfe gehabt hat. 

Dieſe romanifche Kirche, in weldder nach Lipp. Regeiten 
795 im Jahre 1338 am Abend vor Marien Magdalenen 
Tage Ritter Hermann von Merfeld vor Graf Bernhard von 
Ravensberg auf einen Zehnten Verzicht geleijtet, hat un: 
gefähr drei Jahrhunderte beftanden. Als dann bei gewadjlener 
Bevölkerungszahl und gehobenem Wohlitande in ganz Weft- 
falen die Kirchen umgebaut oder durch ganz neue erjegt 
wurden, geihah das auch in Gütersloh, und zwar fing 
Gütersloh früher an als die Gemeinden in der Umgegend. 
Während nämlid das weltliche Herzebrod feine Kloſterkirche 
erit 1474, MWiedenbrüd 1502 die Egidienkirche gänzlih ums» 
baute und in Iſſelhorſt erit 1517, wie der nicht mehr vor: 
handene Sclußftein über der Thür des Turmes bejagte, 
der romaniſchen Kirche ein höherer Thurm vorgejeßt 
wurde, geſchah das legtere in Gütersloh jchon 1472. 
Dies bejagt die eben erwähnte Inſchrift, welche ſich unterhalb 
der Scieferfammer unter einer Heinen oben ſpitzbogig ge— 
ſchloſſenen Niſche befindet, die jeßt leer ift; dieſelbe lautet: 
Anno dni meceelxxij. Offenbar ift 1472 an dieſer Stelle 
unmittelbar da, wo das alte romaniſche Mauerwerk aufhört, 
angefangen zu bauen, und das zweite Stocdwerf zum teil, 
das. dritte faft ganz neu errichtet und der jchlanfe Helm 
aufgejegt; damals muß aud die unten an der Südſeite des 
Thurms befindliche jpigbogige Thür bergeftellt jein. In 
demielben Jahre wurde aud) an die Nordjeite des Turms 
und die Weſtwand des Schiffes ein jetzt nicht mehr vorhan— 


9 


denes Beinhaus angebaut; nach einer zuverläjiigen Über: 
lieferung, die auf den in den dreißiger Jahren verftorbenen 
Kaufmann Winkelhage zurüdgeht, welcher ein Alter von faft 
hundert Jahren erreicht hat, hat über der Thür des Bein: 
hauſes die Jahreszahl 1472 geitanden. 

Kad) dem Turm: und Beinhausbau ließ ſich die Ge: 
meinde einige Zeit Ruhe; erit 1513 machte man fih an den 
Neubau des Schiffes. Über diefen allein find genauere Nach— 
richten vorhanden. Im Königlichen Staatsardhiv zu Osna— 
brüd befindet jih ein aus drei Foliobogen vermittelft zwei: 
maliger Faltung der Länge nad bergeftelltes Heft, welches 
jedenfall$ den damaligen dem Namen nah unbefannten 
Paitor zum Berfafter hat; auf feinem erften Blatte fteht: 
Registrum computacionis perceptorum et expositorum, 
reddituum et proventuum ecclesie sancti Pancratii in 
Gutersloe, primo compilatum anno quingentesimo decimo 
quarto dominica prima adventus domini, computacione 
per templarios protunc facta de expositis et perceptis 
pro fabrica eccelesie etc. . sunt electi extunc ad emo- 
vendum, solvendum et singula pro utulitate ecclesie 
disponendum dieti Johan Westhederman, Johan Helwech, 
Johan Amelinck provisores. Zu Deutih: ‚Verzeichnis 
(der Berechnung) der Einnahmen und Ausgaben, der Ein: 
fünfte und Einnahmen der Kirche des h. Pankratius zu 
Gütersloh, zuerft aufgeftellt im Jahre 1514 am erjten Advent, 
nachdem die Berechnung dur die bamaligen Templirer auf: 
geſtellt war über Ausgaben und Einnahmen für den Bau 
der Kirche u. f. w. Erwählt jind damals zur Hebung (?) !) 
und Anordnung des zum Nugen der Kirche Nötigen Johann 
Weſthederman (heute Weftheermann) Johann Helmeg und 
Johann Ameling, Kirchenvorfteher.”” Der vorgenannte 1. Advent 


!) Emovere fehlt bei Du Gange, auch Diefenbady hat feine pafjende 
Bedeutung. 


1514 iſt nad) dem Anfange des Kirchenjahres gerechnet, fiel 
aljo um den 1. Dezember 1513, wie der Schreiber der 
Rechnungen auch zuerſt gejchrieben hatte, da er an die neue 
Jahreszahl noch nicht gewohnt war. 

Yeider ift dies Rechnungsbuch, das eine Reihe von Jahren 
umfaßt, in der eriten Zeit nachläſſig geführt, ſodaß wir über 
manches, was wir gern willen möchten, nicht unterrichtet 
werden; indeß kann man doc jagen, daß es über den Bau 
der Kirche mehr Licht verbreitet, al3 irgend eine Kirche der 
Umgegend beſitzt. Es führt neben den mitverzeichneten ge= 
wöhnlichen Einyahmen der Kirche, die aus Opfern und Pacht: 
geldern beitanden und zur Beftreitung der laufenden Be— 
dürfnitje dienten, auch außerordentlihe Einkünfte auf, 
die ojfenbar für den Kirchenbau bejtimmt gewejen find. 
So jteht 1516 die Schenkung eines Stüdes Landes auf dem 
Guttesmere (unbekannt) duch Hans Hellind, das verpachtet 
wurde, verzeichnet; ein 13 ſ. werter Rod wurde von dem 
Reitheger (Rehage) gegeben, 71/, ſ. „van eyner jterden‘ 
von ‚sorgen up den Diden (Teichen), 1 goltg. „van eynem 
perde’’ von Bapenjtrot, 1 goltgulden van Siydmau; 1517 
vermadtte VBosmar drei Kopmans(:Gulden) weniger 2 1. 
„van eyner ko“, die „Saldmanjche” (Saligmannide) 16 }. 
„van dem beiden” (Mantel); faft fämtlihe wohlhabenden 
Bauern gaben dies Jahr einen Goldgulden, jo Pawel to der 
Burheyde (Burenbeide), de meyer to jlebruge („to vnſes hoit— 
heren dad to offer‘), de rowenkemperſche (Roggenktamp), be 
jeysbrugeriche (Sehbrugger) „van eynem boden’, de meyeriche 
to pamwenftede 11/5 goltg., de retberichen (Hietbergiichen, 
nämlich Eigenbehörigen, heute Rebbesken geiprochen) 2 goltg. 
‚van junte faterinen wegen”, de wyckhorneſche (Widern) 
2. mard „vor eyn malck“ (Ring oder Spange). Schließlich 
wurde noch, wohl um die gemachten Auslagen zu bezahlen, 
im Herbit eine Kornſammlung veranitaltet, dabei brachte die 
Bauerjchaft Spechert (Sperard) 18, Nordhorn 13, Avenwedde 12, 


93 


Bavenitedt, Kattenitrot und Blankenhagen je ſechs Müdde 
Roggen auf (Sundern gab es damals noch nicht); und „den 
genen, de den rowen brachten’, wurde vom Paſtor für die 
reihe Gabe von 122 Scheffel auf Koſten der Sirde „4 1. 
in beer geſchenket“. Auch jpäter, namentlih 1522, finden 
ich noch Schenfungen und Bermächtniffe. 

Sp viel von den Einnahmen für den Kirchenbau. Über 
den Bau jelbjt und jeinen Fortgang finden fich gelegentliche 
Bemerkungen. So findet ſich gleih Ende 1513 die Ausgabe 
von 3 ſ. „als men dat junte Katerynen altar, den vot unde 
den fteyn, gelecht hadde“1); natürlich find die 3 ſ. bei einer 
angeitellten eierlichfeit ausgegeben. Ende 1514 ift 1 goltg. 
verzehrt, „do men den fteyn lechte vnd de beide mackede“; 
damal3 muß aljo nad der Bollendung der Gewölbe der 
Fußboden mit Steinen gepflaftert und das Geftühl gemacht 
jein. Dazu ftimmt, daß nah Weihnachten 1514 14 ſ. aus: 
gegeben werden, „gotten to loyden (Hoffen, Dachrinnen zu 
Löthen) vnd de kerken to ftoppen‘ (mit Schiefer zu deden)?). 
So ſcheint mit Ende 1514 der Bau?) mitfamt dem Dadhe, 
welches ein vom Turme an das Mittelichiff und den Chor 
bededendes, von zwei Querdächern gekreuztes Satteldad) ift, 
fertig gewejen zu fein. 1515 findet fich dann noch die Bes 
merkung: „dat fenfter, dat fteyt 8 golt gulden, dat iS ge 
beyden (geſammelt) mand fromen luden in dem keſpel vnde 
buten dem keſpel, des iS genomen van der ferfen 2 golt: 
gulden, dat ander (alio ſechs Goldgulden) iS gebeyden“. 


!) Diejer Altar der h. Katharina iſt außer dem Hauptaltar noch nad) 
dem dreißigjährigen Kriege vorhanden gewejen. 

2) Vgl. bei Echiller u. Lübben, Mittelmiederdeutjches Wörterbuch, aus 
Dortmund „twen leydederen, de kerke to jtoppen, gegeuen 7 jch.” 

°) Lübke a.a.D. ©. 288: „Das Langhaus zeigt die Anlage der Kirche 
zu Enger, nur mit etwas breiteren Seitenſchiffen; die Pfeiler find 
achtedig, die Uuerverbindungen breite Gurten, die Krenzrippen gotiſch 
profiliert, die Fenſter mit Fiſchblaſenmuſtern.“ 


94 


Ohne Zweifel iſt bier ein gemaltes Fenfter zu verftehen, das 
bis zum breißigjährigen Kriege bie Kirche geziert hat, da 
jogar nad dieſem den Wohlftand vernichtenden Kriege bie 
Gemeinde nicht die zerftörten Fenfter aus gewöhnlichem Glafe 
bergeitellt hat, wie die Glasicheiben mit Wappen des Abts 
von Marienfeld und des Droften Lüninf zu Rheda, ſowie 
dem Namen des Meier zur Langert beweifen, bie ſich auf 
dem Hofe Geifendrees in Avenwedde in einem Fenſter der 
Däle befinden und Reſte der alten Fenfter der Kirche find. 

Mit dem Kirchenbau hat die Gemeinde ihre Bauthätigfeit 
nicht abgeſchloſſen; denn aus dem Jahre 1516 findet ſich 
nah einer am Pankratiustage, dem 12. Mai, gemachten 
Ausgabe eine andere von 30 kopmans gulden für „vuchten 
dellen“, d. h. fichtene Bretter, und „16 f. vorterret vmme 
des jpiders willen”. Spieker heißen noch heute die zwei 
Stodwerke großen Häufer mit hohen Giebeln und überragen- 
dem zweiten Stod und Dachgeſchoſſe, welche auf dem 
Kirchhof ſeit 1624, wo die Erlaubnis zum Bebauen des 
Kirchhofs erteilt wurde, ftehen und von denen einzelne 
beftimmter Überlieferung und fchriftlichem Zeugniſſe zufolge 
den Meierhöfen des Kirchſpiels gehört haben. Sollte die Ge- 
meinde nahe der Kirche ein Gemeindehaus bejeffen haben, 
etwa die jpätere Vogtei, die an dem Punkte lag, wo bie 
Kirchſtraße an die Bleffenftätte_oder Berliner Straße ftöht? 
„ebenfalls ift im Mai 1516 eine Art Nichtfeft geweien, bei 
dem die 16 ſ. verzehrt find. Ferner findet ſich 1516 nad 
Fronleihnam der Vermerk „utgegeuen vor holt vnde tymmeren 
vnde Imytwerd vnde koſt vnde delle to den twen bonnen 
(d.h. Bühnen, jegt in Gütersloh Priechen genannt) 4 goltg.“ 
und „3N/a |. vor dat jlot vor deme ſpiker“. 1516 find aljo 
ſchon zwei Priechen in der Kirche gebaut, wahrſcheinlich, weil 
ſich die fertige Kirche für das Kirchſpiel als zu Hein erwies; 
mehr find auch jegt nicht vorhanden. Damit muß aber das 
Bauen der Gemeinde zu Ende gemwefen jein. Das beweift 


95 

der Umftand, daß 1517 zu Anfang fich nur eine Ausgabe 
von 3 |. 3 d. für Zinn zu der „gotte“ (Rinne) findet, auch, 
daß jpäter im Herbit eine Zahlung von 3 goltg. für Blei 
an Dtten Volmer als „olde jchult” bezeichnet wird. Noch 
deutlicher zeigt dies aber, daß in dieſem Jahre viel öfter 
als in den vorhergehenden gegebene Darlehen zurüdgezahlt 
werden, jo 10 goltg. an den Meyer to Slebruge (Schlede- 
brüd), 7 goltg. an den Meyer to Spechert, 1 goltg. an den 
Baftor, und 16 ſ. „olde ſchult an den ybruger (der auch 
jpäter noch etwas zurüderhält) van wyne“, den man ge 
trunfen bat, „do men de ferfentymer wygede“, d. h. das 
Kirchengebäude einweihte Wann dies gewejen, it leider 
nicht angegeben. Später finden fih an Ausgaben für den 
Bau nur noch 1519 gegen Weihnachten eine jolde von 51/2 
Goldgulden für. ;,de gotte, de dar licht, kopper, lon und vor: 
teret“ (Koftgeld), 1520 eine von I Markfür „Delle, Anfang 
1522 eine von 8 ſ. „vor delle vp den torne”. 

Bon der Einrihtung der Kirche find bisher nur die 
zwei Altäre und die zwei „Bonnen“ erwähnt. Von den 
legteren beiden muß, wie jet die eine an der Turmwand, 
die andere an der Nordſeite vor den Kirchenfenftern ange: 
bradt geweſen jein, da jo am menigiten Licht entzogen 
wurde, zumal da auf dem außer nah Dften nad) allen 
Seiten bochliegenden Kirchhof damals noch Feine Häufer 
ftanden, aljo an der Nordjeite der Kirche nicht das Licht, 
wie jegt wegnehmen fonnten. Sonft finden ih noch an 
Ausgaben für die Einrichtung der Kirche viermal von 1514 
bis 1522 eine foldhe von 4 ſ. „van dem vrwerde”, einmal mit 
dem Zuſatze „dem fefter”, jo dab alſo der Küjter wohl die 
Uhr hat aufziehen müſſen. (Ende des 17. „Jahrhunderts 
wird auch ein „Sonnenmijer erwähnt.) Zweimal finden 
jih Ausgaben „vor de flaſchen“, ein drittes Mal heikt es 
„vor de luttiken flaffchen”. Was jollte das gewejen fein? 
Zwei Gloden find vorhanden gewejen,; wiederholt fommt 


a 





„de luttike Elode” vor, einmal „de grote klocke“. Die Aus: 
gaben wurden meift für den „kleppel“, der oft „to malen’ 
war, gemacht und betrugen 5 bis 10 j.; einmal waren die 
Gänge und die Krampen herzuftellen. Auch eine Orgel hat 
e3 damals fchon in der Kirche gegeben. Anfang 1516 findet 
fi eine Ausgabe von xv ſ. „vor Iym vnde drat unde leyr 
(Leim, Draht und Leder) to dem orgelen“, Ende 1515 jchon 
eine „vor drat 2 ſ.“ umd 1520 „vor varwe, has (Harz) 
onde drat 4 ſ.“ Leder und Leim dienten zum Verkleben der 
Fugen und Ritzen namentli am Balge, Draht zur Über: 
leitung der durch das Niederdrüden der Taten hervorge- 
tufenen Bewegung zu den Verſchlüſſen der einzelnen Pfeifen. 

Die Handwerker, welde den Bau geführt haben, 
die Bezugsguellen der Materialien werden nie genannt; 
nur wird, wie erwähnt, Blei an Dtto Volmer bezahlt, und 
ein anderes Mal 6 f. an den „Smed to Reide“ (Rheda), 
der wohl, als in einer Stadt wohnend, bejjere Arbeit maden 
fonnte alg der Schmied oder die Schmiede im Dorfe Gütersloh. 
Sonft wird nur „dem ſmede“ gejagt, einmal ein „ſchevel— 
decker“ erwähnt, mehrere Perfonen, die Zahlungen empfangen, 
haben feine VBezeihnung ihres Berufes. Die Steinmetzen und 
Maurer mögen wohl einer wandernden Bauhütte angehört 
haben, die nad Vollendung des Gütersloher Baues der 
Kirche in Iſſelhorſt einen neuen Turm vorjegte, die innere 
Ginrihtung wird dagegen von Handwerkern des Dorfes 
Gütersloh beſchafft jein. 

Noch einiges muß hier erwähnt werden, was zwar nicht 
in dem „Regiſtrum“ vorkommt, zweifellos aber mit dem 
damaligen Bau des Schiffes zujammenhängt, nämlich die 
Wandgemälde des Chores, das Wandſchränkchen an der Nord: 
seite deſſelben und der Kanzelfuß. Die Wandgemälde 
find unter der Kalktünche der Chorwände auf den oberen 
Flächen derjelben neben den Fenftern in den jiebziger Jahren 
gefunden worden. Die Bilder wurden bald auf das Gut: 


97 


achten eines von der Kgl. Kommilfion für die Erhaltung 
ber Denkmäler, die darüber benahrichtigt war, gejandten 
Baumeiſters wieder übertündt; ihre Farben jollen nur mangel- 
haft erhalten gewejen jein. Die untere Ede eines der zwölf 
Apoitel, welche zu zweien auf die jehs Flächen der drei 
EChorjeiten gemalt find, Hatte jedoch, als ſie ſpäter wieder 
bloßgelegt wurde, noch friihe Farbe; die Buchſtaben des 
Namens uler dem Apoftel waren die jpätgotifchen. Bei der 
Erneuerung der Kirche iſt die Wiederheritellung von Fundiger 
Hand wünjchenswert. Das Saframentarium aus Sand: 
jtein gehauen, welches Lübke der Spätzeit des 15. Jahr: 
hunderts zufchreibt und „ein Fleineres, jchreinartiges” nennt, 
it in die Wand eingelafien und mit einer aus gefreuzten 
dünnen Eifenftäben bejtehenden Thür geichloffen; die Trag— 
bänder der Thür jind mit Nieten, deren Köpfe Nojen, da3 
Zeichen der Berjchwiegenheit, darjtellen, mit der Thür ver: 
bunden. Das Blattwerf an den Fialen, welche es oben an 
beiden Seiten umgeben, und dem Ejelsrüdenbogen, der ſich 
zwiihen den erjteren jpannt, ift nach jpätgotifcher Art reich; 
der Raum zwijchen dem Bogen und dem oberen geraden Abs 
Ihluß des Saframentariums ift mit Fiſchblaſen und Vierpäfien 
ausgefüllt, deren Maßwerk blau, rot und golden (lektere 
Farbe auf den jenkrechten Flächen) bemalt geweſen iſt, 
während das Laubwerk dunkelgrün gejtrihen war. Heute ift 
alles gleihmäßig blau übermalt. Der Kanzelfuß, jeden: 
fall bei der „Verſchönerung“ der Kirche um 1800 aus der 
Kirche gebracht, befindet jich jegt im Garten der eriten 
evangeliihen Pfarre. Er iſt aus Sandſtein gehauen und 
weilt in feinen Profilen und den in erhabener Arbeit aus: 
gehauenen Spigbogen, welche die Seiten zieren, ganz die 
pätgotiihen Formen der Zeit auf, in welder die Kirche er: 
baut it; ſein Grundriß bildet ein nicht ganz regelmäßiges 


XLVII. 2. 1 


98 


Achteck. ALS Kanzelfuß ift er daran zu erkennen, daß er 
an einer Seite nur roh behauen ift, aljo mit diefer an der 
Wand gejtanden hat, auch jeine Höhe anderen Zweden nicht 
entipricht und der Höhe des jegigen Kanzelfußes gleichfommt ; 
über den Verbleib der Kanzel ſelbſt ift nichts befannt. 

Diefen drei unzweifelhaft mit dem Kirchenbau von 1514 
oder kurz nad ihm entjtandenen Dingen muß wohl noch das 
Bild des hl. Panfratius, des Schußpatronen der Kirche, 
zugerechnet werden, weldes unter einer Überdahung an der 
Nordwand des Chores angebradt ijt und zwar weftlich des 
Feniters, da öſtlich defjelben das Sakramentarium in die 
Wand eingelafien it. Das Bild, aus Holz gehauen, zeigt 
gotiiche Formen; es ftellt einen jungen Nitter dar, der mit 
einem alles außer dem Kopfe bedeckenden Blattenharnijche 
gerüftet ift, wie fie feit dem 15. Jahrhundert üblich waren. 
Sept ift es ganz blau übergeftrichen. 

Endlich ift hiernoch der alte Taufjtein zu erwähnen, 
der in den Aufzeichnungen des älteften evangelifchen Kirchen: 
buches über Kirchenfigverfäufe von 1676 ab immer „die 
Taufe genannt und nach denjelben wie aud nad noch 
vorhandener Überlieferung nahe dem Eingange vom Turm 
her geitanden hat. Gr ilt ohne Zweifel auch gegen 1800, 
wo der jetige hölzerne Ständer für das QTaufbeden in bie 
Kirche gefommen ift, aus der Kirche geſchafft. Wenn er, 
was beitritten wird, der Stein geweſen ift, der lange unter 
dem Namen „de fünte” in dem Garten ber ehemaligen 
König’ihen Gaftwirtichaft gelegen haben fol, jo wäre das 
eine arge Entweihung des Steind geweien, aus welchem viele 
Gejchlechter des Kirchipield das Sakrament der h. Taufe 
empfangen haben. In der That aber heißt „fünte“) 
Taufſtein. 





) Bgl. Schiller-Lübben, Mittelniederdeutſches Wörterbuch unter vunte, 
ſchwediſch fonte. 


99 


An Grabfteinen ift nur ein einziger vorhanden; der: 
jelbe liegt in der Safriftei am Eingange in die Kirche. Nach 
dent Zeugnis des gegen Ende des breikigjährigen Krieges 
aus Gütersloh vertriebenen katholiſchen Baftors Sprenger in 
einem Briefe an den Bilhof von Osnabrüd ijt der Paſtor 
Degenerus Bolmar, der von 1568 bis 1605 Bajtor war 
und unter dem die Reformation eingeführt war, 1605 vor 
dem Hauptaltare feierlichit beerdigt worden. Ob aber der 
genannte Stein fein Xeichenitein ijt, muß dahin gejtellt bleiben, 
da von feiner Umſchrift nur wenige Striche erhalten jind, 
unter ihnen die Zahl 5. 


Hiermit ift aber auch alles, was vor dem dreigigjährigen 
Kriege vorhanden geweſen ift und von dem wir Kunde haben, 
erwähnt. Bon ihm it fait alles, was an Geftühl u. j. w. 
aus Holz gemadht war, während der wilden Stürme des 
Krieges zu Grunde gegangen; auch alle metallenen Geräte 
müſſen weggefommen fein und nur die Steine des Baues 
(außer etwa dem Pankratiusbilde und dem Altarjchnigmwert 
(vgl. weiter unten) ?) haben den Krieg überdauert. Aber 
noch im legten Jahrzehnt des Krieges hat die Erneuerung 
der Kircheneinrichtung begonnen Sn einer, wie es jcheint, 
für den Biſchof von Osnabrück zur Benugung für die Ber: 
handlungen in Münfter und Dsnabrüd entworfenen Dar: 
ftellung der Geſchichte des Kirchſpiels Gütersloh von der 
Reformationgzeit bis 1647 wird gejagt, der aus der Diöceje 
Hildesheim flammende und von dort durch die Kriegsunruhen 
vertriebene Prieſter Joachim Kinp fei einige Jahre nad) 1629 
Baftor zu Gütersloh geworden und bis zu feiner Rüdberu- 
fung in die Heimat im Jahre 1644 dajelbit geblieben. Auf 
fein Betreiben aljo ift um 1640 die Betglode, welde 
oben an der Spite de3 Turmes hängt, gegolien, wie Die 
Jahreszahl beiagt. Im Jahre 1640 ſelbſt erhielt die Kirche 


7° 


100 


auch eine Glode zum Läuten; diejelbe ift jetzt die mittlere 
der für das Geläute verwendeten Gloden und trägt die 
Inſchrift: 

Pancratius ist mein Nahme, 

mein Geluth sei Gott bequeme, 

de levendigen rope ich, 

de doden beschreye ich, 

Hagel und Donner breke ich, 

Joseph Michelin heft mich ghemact. 


A° 1640 


Sie ift mit Engeltöpfen, Füllhörnern und Blumen nad 
damaligem Gejchmade geziert. 

In derjelben Zeit muß auch das Geftühl erneuert fein; 
das mitten in der Kirche befindliche ift jo einfach und un- 
bequem (3. B. ohne alle Lehnen), daß feine Entftehung zu 
der Zeit des Krieges paßt. Die ältefte Jahreszahl, die ein- 
geichnitten ift, trägt der mittlere der drei Site, die ſich mit 
ihrer Rüdfeite an den Kanzelaufgang anlehnen und ihrer Lage 
wegen nicht zuerft hergeftellt fein werben; fie ift 1657. Die 
Site an der Südwand und dem jühlichen Teile der Oftwand 
find ſchon bequemer, werden aljo erft jpäter errichtet fein, 
noch jpäter die im Rokokoſtil verzierten Site vorn vor den 
Altarftufen in der Nordhälfte des Hauptſchiffs, die offenbar 
den Honoratioren ded Orts gehört haben; einer bderjelben 
trägt die Jahres 1711. Db die Site auf dem Chore, bie 
auch mehr Verzierung aufweiſen, noch fpäter hergeftellt jind, 
als ſchon alle zuerſt gelaffenen Gänge bis auf das äußerfte 
zuläflige Maß verſchmälert waren, muß bahin gejtellt bleiben; 
einige weijen allerdings auf die Zeit um 1800 Hin. 

Hier mögen gleich die Priechen mit erwähnt werben. 
Die jet vorhandenen, an der Turmfeite und nah Norden 


101 


vor den Fenjtern ber angebradt, ftammen nad) Bauart und 
den Inſchriften aus der Zeit von 1800; natürlich ift ihnen 
der fogenannte „Honnerwiem“ in der Nordweftede des Schiffs 
gleihalterig. In den Aufzeichnungen über Kirchenfigverfäufe 
wird im 17. Nahrhundert eine ‚neue Priehe oder Bühne‘ 
neben den an der Nord: und Turmſeite gelegenen genannt; 
follte diefe an der Sübfeite gelegen haben? „Kleppen“, d. 6. 
Ausziehlige, deren Sitbretter unter die der feiten Site zu 
beiden Seiten des Mittelganges gejchoben werden, werben 
ihon 1700 erwähnt und jind noch jekt vorhanden. Was 
die auch in den Aufzeichnungen erwähnten „Ziehlen“ und 
die „ZTuntelborg an dem großen Pfeiler” jind, ift nicht be: 
fannt. 

Zald nah der Errichtung des erften Geftühls und der 
Erneuerung des Kanzelkorbes, die auch nad) dem 30jährigen 
Kriege gefchehen zu fein fcheint, befam die Kirche neue, 
wenigftens zum Teil farbige Fenfter. Die ſchon erwähnten 
Reſte derielben tragen die Jahreszjahlen 1656 und 1659, 
noch andere Refte jollen fih auf der Wöſtevogtei befinden. 


1659 erhielt die Kirche einen neuen Kronleuchter, 
zierlih im Barodjtil aus Meſſing verfertigt. Er trägt die 
Inſchrift: „Johan Mars, Bürger und Handeldman der Stadt 
Hildesheimb, habt diefe Crone zur Ehre Gottes der evange: 
lichen Kirchen zu Güterslo, worin ich getaufft bin, verehrt 
A® 1659.” Der Schenker jtammte offenbar von dem Hofe 
Maaß, an der Dalfe bei Meier zu Pavenjtädt gelegen. Die 
Kirche war übrigens ſeit 1655 Simultankirche, und die Sn: 
ichrift hätte lauten müſſen: der evangeliichen Gemeinde. 

1673 jind die beiden jett noch vorhandenen höchſt 
bürftigen zinnernen Leuchter angejdhafft. 

1686 ift glaubwürbiger Überlieferung zufolge eine neu 
Drgel erworben, wenigſtens ein neues Drgelgehäufe gefertigt 


102 


Es hat wohl bis 1833 in der Kirche geitanden, wo das bis 
um 1880 vorhanden gewejene, gejchmadlos mit Urnen und 
Kränzen verzierte an jeine Stelle trat. 

1743 erhielt die Kirche einen zweiten mefjingenen 
Kronleudter; jeine Inschrift lautet: Jacob Northorn & 
Anna Maria Mumperow, auch Joan. Bartold M. zu 
(süterschlo genand Northorn und Anna NMaria Buxell 
Cwg. (jo!) dd. A. 1743. 

Ein dritter Kronleuchter trägt feine Inſchrift. 

1763 ift die jeßige fleinjte Glode gegoſſen. Ihre 
Inſchrift heißt: 

Concordia res parvae crescunt.!) 
Anna ift mein Nahme, 

mein Geleut jei Gott bequame. 

De Lebendigen beruffe ich, 

de Todten bejchreye ich, 

Hagel und Donner bredhe ich. 


M. B. 9. Fride. 1763, 


Sie ift alfo in Gütersloh von der der Lohmeier’ichen 
Glodengießerei voraufgegangenen Fride’ihen?) gegoflen. 
Nad 1800 ift bei Aufhebung des Stiftes Buftorf zu 
Paderborn die größte der jetzt vorhandenen drei Gloden 
gekauft. Ihre Inſchriften lauten: Vivos voco, mortuos 
plango, fulgura frango und Joh. de tremonia me 
fecit. 1484. 
Kurz nah 1800 ift dann auch der kunſtſchänderiſche 
Rationalismus in der Kirche thätig geweſen, und zwar durch 
) Wegen des Friedensſchluſſes? 


)) Bgl. u. a. Kunſt- und Geſchichtsdenkmäler der Provinz Weitfalen II, 
©. 156. 








103 


den damaligen Tath. Paftor Maybüicher. Bis dahin war der 
Altar nach der beitimmten Erinnerung einer vor einigen 
Jahren im hohen Alter verftorbenen Frau „ſo, wie der in 
der Altjtädter Kirche in Bielefeld”, d. h. er hatte ein altes 
aus Holz geihnigtes Bild, wie jie überall in den 
Kirhen der Umgegend gemejen find. Mayhbüſcher ließ an 
Stelle dejfelben den jest noch vorhandenen Altaraufbau her: 
ftellen, der mit den griechiſchen Säulen, dem dreiedigen Giebel 
und den Figuren, in weiß und gold geftrichen, ala er neu 
war, „wacker“ ausjah, aber doch recht geihmadlos ift. Auch 
die Altarſchranken und der hölzerne Fuß des Taufbedens 
nebit dem Dedel jind aus jener Zeit. 


Um 1850 ijt endlih an der nördlichen Hälfte der Dit: 
jeite des Schiffs eine von der Nordpriehe aus zu benubende 
Thür nebft fteinerner Treppe angebracht. 


Draußen finden fih an den Pfoſten der Thüren, be: 
ſonders an denen der Südſeite, die befannten, tief einge: 
ichnittenen Rillen, die nad) einigen von den an der Kirchthür 
früher aufgegängten eijernen Maßen, nad) anderen von dem 
Spiten der Griffel durh Schulkinder herrühren. 


Im ganzen bietet jegt die Kirche, die von 1860 an nad) 
Erbauung der neuen evangelifchen Kirche bis ungefähr 1880 
nicht viel benußt ift, Feinen angenehmen Anblid dar. Das 
Simultaneum, welches bisher in bderjelben bejtand, wurde 
dur Vertrag vom 17. November 1887!) aufgehoben und am 


4) Nach diefem Vertrage behält die katholische Gemeinde den in feiner 
Art merkwürdigen fteinernen Opferſtoch, der ſich in der „alten 
Kirche“ findet, und wird ihn im die neue hinübernehmen. Dieſer 
Opferſtock ift ein Monolyth, 67 cm lang und 58cm breit und hoch, 
von achtjeitiger prismatifcher Korm, in der Mitte etwas verfüngt, 
an beiden Enden mit jodelartigen Geſimſen. Oben in der Mitte ift 


104 


6. Mai 1889 der Bau der neuen katholiſchen Kirche be- 
gonnen. Nach deren Vollendung wird die „alte Kirche” in 
ben alleinigen Befit der evangelifchen Gemeinde treten und 
dann hoffentlich eine durchgreifende Erneuerung erfahren. 


eine Deffnung eingehauen von 30 cm Länge, 20 cm Breite und 
25 cm Tiefe, die mit einem ſtarken eijernen Verſchluß, eijernen 
Bändern und Ketten und vier jchweren Hängeichlöffern geſchloſſen 
war. Die Red. 


vi 


Zur 
Geſchichte des Kloſters Willebadeflen. 


Don 
3. Schröder, 


Seminar“ ;::r zu Paderborn. 


I 


Die nadhitehende Zujammenftellung von Einnahme und 
Ausgabe des Klofters ift nach einem Manufcript angefertigt, 
welches im Archiv des Freiherrn v. Wrede zu Willebadefjen 
beruht und die Auffchrift führt: „Beläge und Revenuen— 
Etat des Benediktiner-Nonnenklofters Willebadefjen im Diftrikt 
Hörter.” Dafjelbe beiteht aus einer großen Reihe von Re— 
vifionsprotofollen, fämmtlih von dem Kommiſſar Kuhfus 
unterzeichnet aus der Zeit der Aufhebung des Klofters. 

Das Klojter Willebadejjen wurde im Jahre 1149 ge: 
ftiftet und im Jahre 1810 aufgehoben. 


Einnahme. 


Th.) Gr. | BE. 
Tit. I. nn 


— 


Ex eleemosinaria zu Paderborn: 14Thlr. 
12 Schill. — 14 Thlr. 20 Gr. 45.9 14 | 11 | 
ı Unter dem Namen „Herbſtbedde“ aus ber) | 


to 





Twiſtenwieſe zu Peckelsheim Jährlich 

2 Thlr. 4 Schill. = 2 Thlr.6 Gr.2 PR?) 2 
3 | Von dem Mannlehn zu Vollmarsheim im) 

Diſtrikt Caſſel, beftehend „in einer Hube 

Landes in der Wettere‘‘®) | — 


— 


cA 


6 Unter dem Namen Flußgeld: 


7 An Zehnt⸗, Grunds, 


8 An Weinkauf und Grundgeld: 


9 An 





106 


| Thle. | Gr, 
An Hause, Hof: und Wiefegeld aus dein | 


Städthen Willebadeflen: 48 Thlr. | 

5 Schill. 10%/; Pf. — 48 Thlr. 10 Gr.t) 18 | "20 
An Wiejegeld und zwar: 

von Borlinahaufen (9 Rräjtantiarier) 

7 Thlr. 5 Mar. 6 Bf. 

von Altenheerje u; Küdelſen (2 Präft.)|| 

4 Mar. 4 PB. 

von Helmere (8 Bräftant.) 2 Thlr. « 

10 Mar. 4 Bf. | 

von Lichtenau u. Kleinenberg (8 Präft.) 

2 Thlr. 10 Mer. 5 Pf 

von Fölſen (7 Bräjtant.) 2 Thlr. 

29 Mar. 11/, PF.?) 


aus Nieheim (28 Bräft. )28 Thlr. 25Gr. 
31/5 Pf. | 


„Everſen (4 „ ) 1 AHl. 32 Gr. 
. 


2 ® Be 
1 Thlr. 2 Gr.fj 50 | 26 


„Oynhauſen (8 ,, 
5 Pf. 
)6 Thlr. 1 Gr. 
5 2.6) 

Wieſe- und Fuhr— 
Löwen und Ikenhauſen 
15 Schill. 

| 


‚„‚ Bergheim (8 ,, 


geldern aus 
3 Thlr. 


tn 
at 


aus Welda (12 Bräftant.) -3 Thlr. 
4 Schill. 8 Pf. = 3 Thlr. 8 Mer.]! 
aus Großeneder (9 Präft.) 18 Schill. 
79. = 31 Mor. 6 Pi. 
aus Brakel u. Herfte (9 Präſt.) 13 Schill. 
== 22 Mar. 2 

Triftgeldern von Großeneder — 
trift 5 Thlr., Rinderhude 6 Thlr.)) 








111 


10 Von einer ſichern Fundation von der 


Cämmerei zu Lichtenau 4 


11 Der Sälzer Plettenberg zu Salzkotten iſt 


| 


| 
verpflichtet, jährlich dem Klofter Ze | 


| Pt. 


to 


107 


| Thlr. Gr. 

| vv. 18 Mollen Salz; und 2 Dar. 
—4Pf. Dpfergeld zu entrichten — ®) 

12 Unter dem Namen Zinsgetreide werden 

die unveränderlichen Natwralgefälle, 

welche das Kloſter aus verſchiedenen 

Ortſchaften zu heben hat, verſtanden. 

Nach dem Generalregiſter kommen nad 

der Reduktion in Paderborner Maß 

jährlich ein: 

11Schffl.3 Spint 111/12 Becher Weizen 

| al Thlr. 
1490, — „33, Roggen 

a 24 Marki2176| 5 

403, — „ 21a „ Gerſte 





24 2 





| 4 20 Mgr. 

2840 „ 1... 2 „ Hafer 

| a 12 Mar. 9) 
3 An Hühnern und Eiern: 

aus Willebadejien 324 Hühner 3240 Gier 

„Aſſeln 6 „ 60 „ 

| u» Xömwen B, 120; ,, 

| „Herſte u 100 

„Welda —— 420, 

| Sa, 362 Hühmer a3 Mgr. und and) 

| 3940 Eier a 1: Pf, 19) 

14 Haus, Hof, Bflüges, Kornmähe- und 

Spanndienſte 1!) .36:).28 6810 

Außer den vorgedadten Dieniten muß | 

noch jeder Pferde haltende Einwohner) 








45 | 28 











in Willebadeffen jährlid einen Tag 
| Holz, was er jelbit hauen muß,‘ an- 
| fahren und einen Tag. pflügen. Im 
„gegenwärtigen Jahre’ (1810): betragen, 
ſolche 32. Nach Abzug der reichlichen! 
| Verpflegung fann man’ die 32 Holz— 
fuhren A 18 Gr. = 16 Thlr., die 32 
Prlugdienfte & 9 Gr. — 8 Thaler in) 
Summa anlegen zu | 24 | 











108 





quantum von 250 Rthlr. in Erbmeier: 
ftatt übertragen. 18 2350| — | — 


quantum von 400 Thlr. und an Na: 


turalien 

200 Pfd. Butter, 6 Fr pr. Thlr. = 

Thlr. 12 Gr. 

1 Tonne Käſe — — ⸗ 458 34 — 
1 Schwein =10 „ —„ 
2RKälbera 21a Thl..=5 „ — „ 

200 Eier = 7) 28 „ 

10 junge Hahnen = — „ 30 „ 

Dienftfuhren = 4, —, 
verpachtet. 14) 


3 | Das zwiichen Willebadeffen und Borling- 
haufen belegene Vorwerk Lake ift für 
ein jährlihes Pachtquantum von 
200 Thlr. in Geld und in Naturalien 
1 fettes Kalb — 2 Thlr. 18 Gr. 
30 Bid. Butter, 
6 Pfd. 1 Thlr. =5 „ —u 
' 6 Hühner, a4 Mar. — 24, 
120 Eier, a 1 Pf. rt Gr. 1 Ri: 
ferner an Berzinfung des Inventariiß 244 | 15 | 1 
20 Thlr. 12 Gr. 
für Erich's und Schmig’Wiefen 5 Thlr. 
10 Hühner 1 Thlr. 4 Gr. 
1 Schinken 1 Thlr. 12 Gr. 
für die Scherz's Wieſe 4 Thlr. | 
für eine Dienftfuhre 4 Thlr. 
verpachtet. 15) | 


109 





Thlr.| Sr. 
4 | Die Äder: und Wiefengründe des Klofters: 
gutes Land: 104 Morgen 19 [|Ruthen 

— 182 Thl. 24 Gr. — Pf. 

minder gutes Land: 149 M. 101 [R. 

— 203 Thlr. 22 Gr. 41/4 Pf. 

mittleres Land: 168 M. 78 []R. 

— 164 Thlr. 10 Gr. — Pf. 

ſchlechtes Land: 165 M. 9 IR. 

— 110 Thlr. 4 Gr. 3/, Pr. 


gute Wiefen: 72M. 54 [IR. 
a 9 Etr. pro Morgen 2 
mittlere Wieſen: 51 M.42[R. | Zw 
a 7 Etr. pro Morgen @a 
ſchlechte Wieſen: 132M.92]R. | * * 
a 5 Er. pro Morgen j 
Weiden: 189 M. 75 []R. & 18 Gr. 


3 Thlr. — 52 Thlr. 9 Gr. 


Summa 2174| 22 


Tit. IV. Mühlen. 


1 | Die auf dem Klofter Willebadefjen befind- 
lihe Mahlmühle wird bloß zur eigenen 90 
Wirthſchaft benugt. 

2 | Die Stabtmühle zu Willebadefjen ift für 
ein jährl. Pachtquantum von 80 Thlr. 
und in Naturalien: 

1 Schwein = 3 Thlr. — Gr. — Pr. 

6 Hühner = — ,„ Au—n 
60 Eier — 8 4, 
verpachtet. 

3 Die Waldmühle, 1/4 Stunde von dem 
Kloſter Willebadejien belegen, ijt für 
140 Thlr. verpadhtet. 


83 | 32 


140 | — 





4 Die Waterfeld’he Mühle beim Dorfe 
ynhaufen ift der Gemeinheit Oyn: 
baujen für 50 Thlr. jährlich verpachtet 
— Gonventionsgeld — 50 — — 
*) Außerdem muß alle 6 Jahre, wo 
eine neue Verpachtung vorgenommen 
wird, ein Weinkauf von 6 Thl. erlegt 
werden. 


Summa 293 32 | 4 
Tit. V. 3iegelei. 


Die über dem Vorwerk Lafe am Walde 
belegene Ziegelei, wobei an Feldern, 
Wieſen und Gärten 14 Morg. 1 Gart 
und 8 Ruth., ift für ein jährl. Pacht: 
quantum von 55 Thlr. preuß. Courant 
verpachtet. 55 — — 


Summa 55 — — 





Tit. VI. Teichfiſcherei. 


Das Klofter Willebadefjen bejigt an Filch:! 

teichen: 

den Bülheimer Kälberteich — 5M. SIR 
und Großen:Teid 

den Schafsſtall-Teich 

auf dem EleinenfDamm 

auf der Inſel 

die Pierdefampsteiche 
in Summa — 27M. 9 





| Tit. VOL . Zehnten. 


1 Ben Nah einem 30jähr. Durch— 
| Schmitt der gewejenen Kornpreije beträgt 
der Zehnten von 


111 





1. Welda 31 Thlr. 34 Gr. 1 Pf. 


2. Bergheim 62 
3. Herite 97- -,„ 
4. Hafenberg 160 , 
5. Nieheim 137 , 
6. Rörichsbuſch 5 ,, 
7. Sudheim 224 
8. Bülheim 47 ,, 
9. Abaren!6) 17 ,, 
10. Dringenberg 94 ,, 
11. Hohenfeld 84 , 
(Hagenfeld ?) 

12. Sudahl 6 „ 
13. Löwen 164 


2 | Blutzehnten, d. i. Entnahme des 10. 
Theiles der in Willebadefjen gezogenen 
Gänſe und Schweine, jährlich 

Summa 


Tit. VII. 


Die Hütungen und Triften des 
Klofters Willebadefjen erſtrecken jich auf 
alle jeine Waldungen und Grunditüde 
und die Schafhude in der Feldmark der 
Stadt Willebadefjen. Nach ökonomiſchen 
Grundjägen fünnen gehalten werden: 

35 Kühe a 21/ Thlr. = 81 Thlr.24 Gr. 


20denaäl ,„—=2 
20 Rinder I = 
40 Schweine a —183 
800 Schafe A 17 Gr. = 136 
Federvieh — 6 


24 
28 
28 
28 
25 
20 

6 
30 
19 
32 


14 
10 


”„ 


”„ 


vol | | „oe 
. 
. 


2 


”„ 


12 [Z 


Thlr. 1 BP. 


1136 4 
6 

114 4 

259 — 


Summa 259 — 


Tit. IX. Holzungen. 
Die zum Klofter Willebadefjen gehörenden 


Holzungen theilen fich in 


a) Privatholzungen: 2154 M. 26 [R. 


112 


Nah dem bei der im Jahre 1806 
geihehenen Vermeſſung angefertigten 
Holzbeftand-Regifter können jene Hol: 
zungen in den eriten 40 Jahren 659 
Malter Holz abwerfen. Hiervon gehen 
ab die Deputatholze: 

für Haberhaufen 90 Malt. 


„ Bülheim 45 „ 
„ Stadtmiühle 25 ,„;r216 
0 ale 40 ” 
„ Waldmühle 15 „ 
bleibt 444 Malter & 11/; Thlr. 592 


b) Gejammtholzungen mit dem Amt 


Hardehaufen, befteht in dem jog. Alten: 
holz, ungefähr 240 Morgen. „Es it 
äußerst jchlecht beftanden und kann 
daher der jährliche Nukungswerth für 
das Klofter Willebadefjen nicht höher 
als zu 30 Thlr. angenommen werden.’ 30 





Summa |622| — 


Tit.X. Zinſen von Aftiv-Rapitalien. 
Nach dem bejonders eingereichten Verzeich: 


niffe hat das Klofter an Aktiv-Kapitalien 
in Conventionsmünze 8159 Thlr. 7 Gr. 


6 Pf. Dann tragen die jährlichen Zinfen! 368 | 21 


„Dann find bei dem Klojter Willebadejien 


unter dem Namen Conventsfapitalien 
noch nad dem ebenfalls eingereichten 
Nachweiſe 1208 Thlr. 27 Gr. vorhanden, 
wovon die zeitige Priorin die Zinſen 
ad 58 Thlr. 9 Sor. 1 Pf. erhebt und 
folche unter die Gonventsmitglieder ver- 
theilt, welche ſolche durch abzuhaltende 
Memorien verdienen. Es ijt daher! | 
diefer Zinjenertrag umfomehr in dem 
Etat mwegzulajjen, als der zeitige Ad— 
miniftrator mit der Erhebung und Be: 
rechnung ſich nicht befaßt bat.’ 


6 


113 





hr] STB 
„Die Kapitalien find von den vormaligen 
Abtiffinnen zu Memorienftiftungen an: 
| gelegt und dem Konvent vermadt. nt vermadt. 1) 
\ 


Summa IJẽ 21 6 


Tit. XL Extraordinaria. 


„Unter diejem Titel fommt zu bemerfen: | 
daß der Herr von Bord zu Holghaujen 
| bei Nlieheim wegen eines unterhabenden 
Zehnten herkömmlich alle 10 Fahre, 
d. h. in dem, deſſen Zahl mit 4 fi 
entledigt, 1/4 oder 4 Maß Wein, jo gut! 
als er in Paderborn zu haben ift, an 
die Höjterliche Neceptur zu Nieheim ab: 
liefern muß. Da dieſer feit langen 
Sahren mit 3 Rthlr. bezahlt worden, 
jo wird denn der Ertrag mit 10 Gr. 
35/7, Pf. in Einnahme geftellt.” — 10 3845 
Summa | — | 10 |3%, 


Ausgabe. 





Tit. J. Öffentliche Abgaben. | 
1 | Klojter Willebadeffen hat an jchagpflich: 
tigen Grunditüden 
139 Morg. 105 []Ruth. Aderland, 
69 27 „ MWiefen, 
4 — „Weiden. 
Hiervon beträgt die einfache Schagung 
1 Thlr. 18 Gr. Und da jährlich über: 
haupt incl. Nebenihagungen 20 Schap: 
ungen ausgejchrieben werden, jo macht 


der Schaß.-Ertrag 30 — — 
2 Grundſteuer jährlich 91 132 
3 | Berjonaliteuer = 13/124 | 6 


XLVII. 2, 8 


114 


— — — — — — — — — — — 


4 
5 
6 


— 


Thlr.| Gr. | Pf. 
Conſumtionsſteuer jährlich 396 25 — 
Departemental: u. Cantonalſteuer „ 50 — — 
Salzgelder * 91316 


Summa |591 | 14 6 


Tit. ID. Bejondere Abgaben. 


An das Amt Dringenberg, Dienftgeld | 75| 2| 6 
An die ehemalige Hoflammer zu Neuhaus 


für Ochſenmaſt J—— 
An Zehnt⸗ u. Opfergeld nad) Dringenberg) 2 | 30 6 
eine Dienftfuhre nad) Dringenberg 21-1 — 


Summa | 94 | 33 5 


Tit. IH. NRatural-Abgaben. 


An das Domkapitel zu Paderborn: 
12 Schffl. Roggen & 24 Gr. = 8 Thlr. 
A „ Ser 412 —8 ne Ks 
2m. Ba a 5 | 
An das Stift zum Busdorf in Paderborn: 
12 Schffl. Weizen a 1Thlr. — 12 Thlr 
12 „ Roggena 24 Gr. — 8 „ 7 une 
16, Gefteas „—8 „| 
An das Stift zu Neuenbeerje: 
28 Schffl.Roggen A 24 Gr. — 18 Thlr. 
24 © 


7 
28 Schffl. Hafer a 12 Gr. —9 — 
12 Gr. 
An die Kirche zu Neuenheerſe: 
4 Schffl. Roggen, 4 Schffl. sl 3 
2 Pd. Wachs, 2 Schillinge ö 
An das Stift Corvey: 2 Pfd. Bade 11 — 


Summa | 79 3 3 


Trit: IV. 
Nevennen-Steuer. 1005| — | — 


Summa |1005| — | — 





19mm N 


115 


Thlr 
Tit. V. Gehälter. 
Das Gehalt des Adminiftrator3 im Con— 
vent 350 
Das Gehalt des Propftes 150 
Zum Gehalt des Paſtors 11 
Zum Gehalt des Kaplans 25 
Dem Küfter und Organiften: 
10 Schffl. Roggen = 8 Thlr. 12 Gr. 
10 „Gerſte = 6 Thlr. 8 Gr. 2Pf. 15 
zu jäen: 
2 Spint Zeinfamen = 1 Thlr. 12 Gr. 
Dem ehemaligen Sekretär 40 
Dem Höfterliden Syndikus 18) 12 
Summa | 603 
Tit. VI. Dienftlohn 
„jolange der Convent befteht”. 
Der Haushälterin 75 
Dem Gajtmeijter 16 
Dem Bäder und Brauer 21 
Der Convent3magd 10 
Der Küchenmagd 10 
Der Leinenmweberin 9 
Der Waſchhausmagd 9 
Summa 150 


Tit. VOL. Penſiousgelder der Convents- 
mitglieder. 


Die Conventsglieder haben beim Eintritt 
unter der Bedingung, daß ihnen jährlich 
die verabredeten Zinfen behufs Beitrei: 
tung Kleiner Bedürfniſſe gezahlt werden, 
gewille Kapitalien mitgebracht, welche 
nah dem Abiterben der Mitglieder dem 
Klofter anheimfallen follen. Dieſemnach 
erhält: 


16 
27 


el ıtı [81 


—8 


2 


J 


116 


— — —————— — — — — — — — — 














| Thir.| Gr. | Pi. 
die Abtiffin v. Anippenberg von einem 
| Gapitale vou 300 Thlr. = 15 Thlr. 
die Priorin Larens von 300 Thlr. 
| == 15 Thlr. | 
| Die Jungfrau Riſſe von 300 Thlr. 
— 15 Xhlr. 
| die Jungfrau Hensel von 100 Thlr. 
— 5 Thlr. 
die Jungfrau Meinau von 200 Thlr. 
— 8 Thlr. 
die Jungfrau Freitag von 200 Thlr. 
== 8 Thlr. 
die Jungfrau Jacobi von 300 Thlr. 
| 12 Ülr. 
die Jungfrau Schorlemer von 50 Thlr.( 
— 5 Thlr. 
die Jungfrau Schonlau von 200 Thlr. 
— 10 Thlr. 
die Jungfrau Waldeyer von 100 Thlr. 
| — 5 Thlr. 
| die Jungfrau Wiegand von 200 Thlr. 
| = 10 Tor. 
| die Jungfrau Serrari von 200 Thlr. 
| — 10 ltr. 
die Jungfrau Weltphalen von 200 Thlr.] | 
— 10 Thlr. | 
die Jungfrau Prüfen von 200 Thlr. | 
— 10 Thlr. | 
Sunma 138 — u 
Tit. VII. Memoriengelder 





| an die Geiſtlichen der Kloſterkirche zu | 
entrichten : 





| 

| 

1 !pro memoria fundatoris — 
2 pro memorta de Meinders 16 | 
3 | in festo S. Nicolai 





Summa | 22 | 18 


| 





117 





Thlr.| Gr. | Pr. 





Tit. IX. Almojen. 


An Almojen werden von Klojter Wille: 
badejjen jährlich verabreicht: 

am 31. December 6 Schill. Roggen zu 
Mehl gemahlen und vertheilt — 6 Thlr. 

am Seite trium Regum 3 Schffl. Roggen 
— Thlr. 

am Grünendonnerftag 3 Schiil. Weizen 
und 6 Schffl. Roggen zu Miden ver: 
baden = 10 Thlr. 18 Gr. 

täglich 20 Pfd. Brod an Arme vertheilt 
— 152 Thlr. 6 Gr. 

alle Samsdtage für drei Arme 18 Pfd. 
Brod = 19 Thlr. 18 Gr. 

an die 5 Perſonen im Armenhauje täg— 
lih a PBerjon 1 Maß Bier = 38 Thlr. 
1 Gr. 2 BE. 

täglih eine Portion Gemüje und Fleiſch 
an eine Arme — 20 Thlr. 10 Gr. 

alle Dienftage an eine Arme Gemüje 
und Fleiſch — 2 Thlr. 32 Gr. 

Summa |252| 13 
2|dem Kapuzinerkloiter in Brakel: 
1 Schffl. Winterfaat = 3 Thlr. — Gr. 


—* 


3 Roggen —3 —n 

3 „Gerſte —2 „18, 

1 fettes Schwein —12, —, 

1 fetter Sammel —3 „ —„ 

60 Stück Härinde = — „ 30, 32 1251| — 
10 Pfd. Stodid =1 „ 4, 

3 Stüd Labedan =— „ 27, 

24 Pfd. Butter —=4 „ —,„ 

12 „ Käſe =1l —,„ 

6 Brode = 18 , 


2 Schffl. nie == — — 


2 „ Gerſte — u A 
1 Spint Winterfjam.—= — „ 27, 515 | — 
4 Ph. Butte =1, —„ 


118 


4|den Minoriten zu Heritelle: | 


1 Schffl. Roggen, 4 Pfd. Butter 2 — — 
5 | dem Fe eg su Baderborn: 
1 Schffl. Roggen, 4 Pfd. Butter 2 — — 


6Auf den Proceſfionstag zu Scherfede an | 
den dortigen ‚Pfarrer: 

1 Spint Roggen = 9 Gr. — BP. 

1 E74 Gerite — 7 E73 3l/g 8 \ 
l  ,, Safer — 

l , NRaubfutter = 

Summa |295| 11 2 

Tit. X. Kirchennothwendigkeiten. 
Da die Pfarrkirche mit den erforderlichen 


„Nothwendigteiten“ von Seiten des | 
Klofters mit verjehen werden muß, ſo 





wurde nach einem ungefähren Übers: 
ihlage die Ausgabe folgendermaßen 











Erg | 


beftimmt: | 

lan Wein und Hoitien | Bl 
2 | jährlich 60 60 Pd. Wachs à 24 Gr. 40 — — 
3 ein Ohm Del I — — 
4 Weihrauch und Salz II — 
5 für Heine Nothwendigkeiten 7 — — 
6 | für Talglichter * — — 

— 7" Summa 1 — — 

| 


| Tit. XI. Unterhaltung der Gebäude. 


| 

| Die fänmtl. Kloftergebäubde ftehen zu 6400, | 

die Gebäude des Vorwerks Lake zu 400, | 

r Haberhaufen zu | 

600 Thlr. in der Feuerſocietät einge | | 

tragen.'®) Demnach zur Brandkaſſe 

| 1/50, — 24 Thlr. 246r. 148 
| Die Hevaratrkoften 1 1/g -) 

| 123 Thit. 12 Gr. 


Summa | 148 1481 — 





119 


Thlr. | 
Tit. XII. Yaijfivfapitalien. 


Klofter Willebadejien hat an Zinien zu 
zahlen: von 1300 Thlr. Gold Bu 55 
2 „ 9000 „  Gonv.:Gold | 
2500 „ Br. Courant 
Summa |533 


u a 2 
| 


| 
| 
| 


— 





“N 
J | # 


; Tit. XII. Abholung der Henergefälle. 





„An Erhebegebübren, Reiſekoſten und 
Fuhrlohn nah einem billigen Anſchlag 
ı incl. der verabreichten Errriichungen“ 256 


| Summa Er 





Tit. XIV. Stleidung. 


„Nah Berficherung der Abtiffin” be: 
| Tommen die Nonnen fowohl, wie die! 
| Laienſchweſtern beitinmte Kleidung und 
u: die Nonnen A jährlich 2 Hemden u. 
| 1 Betttud) — 6 Thlr., alle 2 Jahre zum | 

Habit 15 El. Camelot == 7 Thlr. 18 Gr., | 
| zur Schürze 4 Ellen fein. Camelot — | 
ı 2 Thlr. 8 Gr., zum Schleier 20 — | 
| jährlih 11 Thlr. 5 Gr. | 
Es ſind ind. Abtiſſin 14 Nonnen vor⸗ | 





| 
Fi 
j 
| 


—8 


| handen; macht alſo 1155| 


* 


die Laienſchweſtern: zu Hemden und 
Schürzen 21 Ellen Leinewand—3 Thlr. | 
24 Gr. und nod 10 Ellen Leinewand | 
— 1 Thlr. 6 Gr. für Schuhe 1 Thlr. | 
28 Ör., alle 2 Ser zum Habit 16 
Sun Sarte = 5 Thlr. 12 Gr., alfo 
—hlr. 24 Gr. __ BE 
9 Thlr. 10 Gr. 
Es jind 5 Laienjhweitern vorhanden; 
macht alſo 46 
Summa 202 





Gr. 





— 
RT 


N 
' 
| 


14 | 
12 | 
| 


nn 


120 


1) Diefe 14 Thlr. 12 Schill. „rühren von dem vom Biſchof Ferdi. 
nand geftifteten Memorien her und werden jährlich durd den zeitigen Re- 
ceptor in Conventiond-Münze abgeführt. Die 9 Sgr., welche mehr quittirt 
werden, find eine Remuneration, welche fich der Receptor für feine Mühe— 
waltung bisher zugeeignet hat.“ 


2) „Hergebraditer Maßen erhält der Gamerarius bei Überbringung 
des Geldes davon 4 Gr. zurüd.“ 


2) Vollmarsheim — Bolfmarjen. „Beim Ausjterben der männlichen 
Linie und beim Antritt einer neuen Abtiffin muß eine neue Belehrung 
vorgenommen werden, wovon außer 1 Thlr. Schreibgeld die Lehngebühren 
für die zeitige Abtiffin 6 Thlr. betragen. Die jährliche Lehnabgabe iſt 
urſprünglich Pfd. Wachs, wofür aber jeit langem auf Michaeltag 
8 Mariengrojchen entrichtet werden.” 


9 „Geht um Martini ein und muß auf dem Kloſter abgeliefert 
werden. Sie macht eine ftabile Intrade, indeffen nimmt ſolche zu, jobald 
ein neuer Anbau ftatt hat, wo danı der neue Anbauer zur jährlichen 
Präftation von 1 Schill. verpflichtet ift, und wird diefe Abgabe Haus— 
Ichilling genannt.” — Nach dem namentlich aufgeführten Regifter vertheilt 
fih die Summe von 48 Thlr. 10 Gr. auf 194 Präftantiarier. 


5) „Über Urjprung oder Entftehung diefer Abgabe find gar feine Nad)- 
richten vorhanden.“ 


°) „Über Entftehung und Urfprung hat man feine befriedigende Aus» 
funft erhalten können,” 


) „Wogegen der Commune Grokeneder die Schaftrift und Rinder: 
hude im jog. Alten Holze zugeftanden wird. Der zeitige Vorfteher zu 
Großeneder liefert diefe ftabile Pacht jährlih an das Klofter zu Wille 
badefjen ab.“ 


8) Auch Hier heit ed im Protokoll, daß man über die Entitehung 
feinen befriedigenden Aufſchluß erhalten habe, und es wird vermuthet, es 
verhalte fi, wie mit Gehrden, wohin der Plettenberg als „Lehnvaſall“ 
ebenfalls jährlich; eine gewiſſe Quantität Salz liefern müſſe. — Es fei 
indeffen bemerkt, dab ſchon im 18. Sahrh. Klofter Willebadejjen von 
Suether aus Störmede, Domherrn in Paderborn, ein Salzwerk in Salz. 
fotten für 10 Mark antaufte (Orig.Urkunde zu Willebadeflen). Ferner 
erflärt im Auguft 1407 der Propjt Reinhard Schele, die Priorin Mar- 
garethe und Convent des Klofterd Willebadefjen, dak der Inhaber ihrer 
Saline in Salzkotten auf Johannistag dem Klofter jährlich 18 Malter 


1231 
Salz geben müfje; der Propft oder Kämmerer erhalte auf Weihnachten 
drei „Rrojchen“. 


?) „Es finden ſich über die Rorngefälle befondere Lagerbücher, in 
welchen die Ab» und Zufchreibungen jährlich vorgenommen werden. Da 
in der Gegend, woher Getreide gehoben wird, durchgehends ſchlechtes Korn 
wächjet, jo ift natürlih, dak auch die Zinsgefälle von ſchlechter Qualität 
find.” — „Die Zindgefälle aus Willebadefjen, Altenheerje, Küdeljen (Kühljen), 
Neuenheerfe, Borlinghaujen, Helmern, Völſen, Yöwen, Ickenhauſen, Ochſen— 
dorff, Perdelsheim, Welda, Eifjen, Hohenweipel, Herite und Aſſeln müſſen 
von den Präjtantiariern zwiſchen Martini und Weihnachten auf dem 
Boden zu Willebadejjen abgeliefert und mit einem Willebadefjer Scheffel 
gemejjen werden.” 


„Bei der Ablieferung erhalten die Präftantiarier hergebrachter Maßen 
und zwar diejenigen aus Löwen, Ickenhauſen, Ochſendorff, Eiffen, Hohen: 
weipel, Herite und Afjeln pro Mann eine Mide, ein Stud Wurft oder 
Fleifch, eine Portion Gemüje aus dem Leute-Topf und eine Kanne Pier, 
und werden auf jeden Wagen zwei Mann gerechnet.“ 


„Die Heuergefälle von Lichtenau, Hadenbera und Holtheim werden 
auf Möfterliche Koften in Lichtenau erhoben, theils mit Willebadefjer, theils 
mit Lichtenauer Scheffeln gemefjen; desgl. die Kleinenberger in Kleinenberg 
mit Willebadefjer Scheffeln.” — „Die Gefälle aus Boldmarsheim und 
Warburg werden auf Koften des Klojtere zu Marburg gehoben. Die Ge 
fälle aus Voldmarsheim werden und zwar der Roggen in Warburger 
Maß, der Hafer in Warburger Kreuzmaß eingemeſſen. Da gewöhnlich zu 
Volckmarsheim fein Hafer wächlet, jo iſt bieher nachgegeben, dat 4 Scheffel 
Gerſte zu 6 Echeffel Hafer in Kreuzmaß abgeliefert werden können.” — 
„Jeder Präftantiarier aus Volckmarsheim erhält bei der Ablieferung zwei 
Mar. ftatt einer Mahlzeit." — „Die Getreivegefälle aus Brafel werden 
auf flöfterlihe Koften in Brafeler Mah zu Brakel gehoben.” — „Die 
KRorngefälle von Salzkotten werden auf Kojten des Kloſters in Salzkotten 
gehoben in Ealzkotter Maß.“ — „Die Korngefälle von Entrup, Everjen, 
Oynſen (Deyuhaufen), Nieheim und Bergheim werden auf Noften des 
Klofters auf dem NRecepturboden des Klofters zu Nieheim in Nieheimer 
Maß in Empfang genommen.“ 


„Im Allgemeinen wird noch bemerkt, das zu Willebadejjen drei Becher 
auf einen Spint und zu Nieheim acht Metzen auf einen Scheffel gerechnet 
werden.“ 


122 





Nach dem General-Regiſter mußte jährlich liefern: 





R oggen I Hafer 
en I 
= | & z3 * 
—5 = 537 
HdR 5 
— U, 
Willebadeffen 436| 3!2%, 1614| 2) 2%, 
Altenheerje | 28| 8/2. || 30| 3] 1% 
Kühlſen und Neuenheerie 81—! 7, 13| 3 25 
Borlinghauſen 163 2—96 —4 
Helmern 1126 30 3] 21% 
Fölſen 31 —214 5 2 — 
Lichtenau, Hakenberg und Holtheim 24|-| —ıı 4l| 2 1%, 
Löwen und Ikenhauſen 49 — — 60 — — 
Oſſendorf ssI—|ı — j 6 — — 
Welda 72 —2— | 72 — 
Eißen 19 21 —19 au — 
Summa ⁊ei] 3/1? ıı 320| 3 * 1%, 


„in Willebadeifer Maß; thut in Baderborner Maß 9. 52 2 Sam. 1 Spint 
1°/, Becher Roggen und 1609 Schffl. 3 Spint Becher Hafer.“ 


Hohenwepel: 46 Schffl. Roggen und 46 Schffl. Hafer 
Volkmarſen und Warburg: 72, 2 72 ä 
Summa 118 „ 118 


„thut in Paderborner Mah 147 Scäffl. 2 Spint Roggen und 
143 Schffl. 3 Spint %, Becher Hafer.“ 





























| Roggen Gerſte Hafer 

Sch. Sp. B. Sch. Sp. | B. Sch. Sp. B. 
Tr 
Brafel s8s — 2 |7| —| 2107| —| 2 
Hefte 0 0900| | 1 Alte An 
Sa. in Brafeler Mai | 36 | — | 2 ia! —-| 2|ln|—-|2 
in Paderborner Maß | 56 | 3 ei 62 | 1 |2%,| 72] 2|1% 
Begen Roggen || Gerite | Hafer 
sisleläisl s ISlslslälile 
_ SIESHE-AUKDIEN) 55 
| | 

Salztotten Een 36| 3j2%,,,\62| ıl2%,,|| 72 2lıy, 
Entrup — 4 U — |! 5| 1] 2 || 11] 3i— 
Everien 6! 31 3/71] 2! 1 142] 11 1 111051 21 8 
Deynhauſen — ——– 609 1] 1 [93] 3] 3 211 |— 
Nieheim 4 1661| — 78 3 1153; 2] 3 
Bergheim —-[-/4s!-] 8 |is4| 3] ı |ısi ı| 2 


123 


Affen: 21 Eh. Roggen, 42 Sch. Hafer. 

Lichtenau, Hafenberg u. Holtheim: 91 Ed. 2 Sp. Hafer. 

Porgentreih: 4 Ch. Roggen u. 4 Sch. Hafer = 5 Paderb. 
Nieheimer Mak : Paderborner = 12 : 13. 
Lichtenauer Maße: Paderborner = 5 : 6. 


10) „Diele Preftande iſt ſtabil und fann nur eine Vermehrung ein: 
treten, wenn zu Willebadefien ein neuer Anbau jtatt hat, wofür herge— 
bradhtermagen die SPreitanda mit 2 Hühnern und 20 Eiern beitimmt 
werden. Geht ein Haus ein, und wird die Hansjtätte nicht zum Garten 
oder ſonſt benüßt, jo wird das Preftandum nicht mehr entrichtet.“ 


21) „Sämmtliche (Dienftthuende) erhalten reichlihe Beköſtigung .. ., 
daß man in den frühen Jahren Schon die Idee gefaht hat, die Dienfte 
ganz eingehen zu laijen.“ 


2) „Es kann der Ertrag der von etwaigen neuen Bemeierungen auf 
fonımenden Laudemien nicht höher als zu 12 Thlr. 24 Gr. angejchlagen 
werden.“ 


13) ‚Pächtiger muß alle 12 Jahre gegen Crlegung von 24 Thlr. 
Meinfauf und 24 Gr. Schreibgebühren einen neuen Meierbrief einlöſen.“ 


2) ‚Alle 6 Jahre findet eine neue Bemeierung ftatt und muß 
Pächtiger dafür an Weinfauf 20 Thir. erlegen. Der Kulturbezirk diejes 
Vorwerkes iſt nach dem von dem preußiſchen Commiſſario gefertigten 
Specialanfchlag zu 637 Thlr. 22 Gr. 17/, Bf. angeihlagen.“ 


15) „Alle 6 Fahre ift ein Mendeljahr, d.h. es findet eine neue Ver: 
pachtung statt, und muß Pächtiger einen Weinfauf von 12 Thlr. zahlen. 
Der Kulturbezirf des Vorwerks Lake ift von preußiſcher Seite zu 357 Thlr. 
17 Gr. 17%, Pf. veranfchlagt. Übrigens ift befannt, dak die vorigen 
Pädtiger bei der Pacht von 200 Thlr. ihr Beſtehen nicht gehabt haben.“ 


1%, In dem zwiſchen Kloſter Willebadefjen und dem Pächter Hermann 
Hordemann abgejchlojjenen Pachtvertrage heift es in Nr. 14: „Soll der 
Conduktor alle Handelung mit den Juden |: weilen dadurd; nemeinlich 
ein ruin zu präjumiren:: | gäntzlich meiden.” — In Nr. 7: „Was den 
Albarer Zehnten betrifft, befommt der Pächter mit der Conductio incor- 
porirt vorbehaltlich, dat er davon alle Jahre gegen Martini zahlen wolle 
25 Ihlr. und alle Jahre 1 Thlr. Weinkauf.“ — Albaren lag öſtlich vom 
Vorwerk Yale am Hoddenberge. 


17) Nicht bloß Abtiffinnen, jondern auch andere Klojterfrauen und 
Yaien machten nachweislich dajelbit nicht wenige Memporienftiftungen. 


124 


”) „Das sub 1, 2, 3, 4, 6 aufgeführte Perjonale erhält auf denn 
Klojter völlig freie Station, d. h. freies Eſſen umd Trinken, Feuerung 
und Licht, Aufwartung, Wäſche und Wohnung. Der Küſter befommt 
freie Beköſtigung. — Die geiftlihen Perſonen erhalten noch jährlih ein 
jeder drei Heinder. — An hohen Feſt- und fonftigen Rekreationstagen 
wird den firchlichen Dienern eine ‘Portion Mein gereicht. — Der Baitor 
und Küfter müſſen zugleich den Pfarrgottespienft in der Pfarrfirche wahr: 
nehmen, wofür das Klofter vor unendlichen Sahren gewifje Grundſtücke, 
welche zur Fundation der Pfarrei gehörten, an fich genommen haben foll.“ 


9) Es fehlen Bülheim, Ziegelei. 


vo. 
Negeiten und Urkunden 
zur Geichichte der 
ehemaligen Benediktiner- Abtei Marienmünfter 


unter Berüdjichtigung der früher incorporierten 
Piarreien. 





Eriter Teil. 
Bon der Gründung bis zum Tode des Abts Georg LI. (1128--1518.) 


Gejammelt von 
Fr. X. Schrader, 


Pfarrer zu Natzungen, Kreis Warburg. 
— ————— — — 
(Fortſetzung.) 


Ar. 89. 
1304, Dezember 12. 


Albert und Günther, Grafen von Swalenberg, befunden, 
daß die Knappen Friedrih u. Konrad, Brüder, von Bader: 
born, Regelinde, ihre Schweiter u. Kunigunde, Friedrichs 
Frau, den von den Grafen zu Lehn gehenden Zehnten zu 
Malrede dem Kloiter Gehrden (ecclesie in Gerdene) ver: 
fauft haben. Graf Albert u. jeine Söhne Heinrid u. Albert, 
jowie Graf Günther, mit Einwilligung jeines Bruders Heinrich, 
entjagen allen ihren Rechten auf den Zehnten zu Gunften 
des Kloiters. 

Zeugen: Mauritius, Graf von Spiegelberg, Bodo, 
Edelherr von Homburg, Roland, Ritter von SHolthujen ; 
Heinrich von Ermmordeffen, Johannes von Eilinwordefjen 
(Eilmordeffen), Friedrid von Mmeſſen, Hermann von 
Eicherde, Knappen. 


Dat. Swalenberg in vigil. Lucie virg. 1304. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 61. 
deögl. zu Detmold fol. 31b und 32, 


126 


Diefe und die folgenden Nrn. 90 und 92 gehören bierber, 
weil der Zehnte zu Malrede im %. 1503 durch Taufchvertrag an 
Marienmünfter überging. Vergl. ferner über die Lage von Malrede 
die Bemerkungen zu Nr. 92. 


Nr. 90. 
1304. Dezember 12. 

Albert und Günther, Grafen von Smwalenberg, rejignieren 
dem Bilchofe Dtto von Paderborn das ius pheodale am 
Zehnten in Malrede, welcher von der Paderborner Kirche 
zu Zehn geht, und bitten, das Eigentum diejes Zehnten dem 
Klofter Gehrden zu übertragen. 

Dat. Swalenberg in vigil. Lucie virg. 1304. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 226. 
desgl. zu Detmold fol. 32. 


Nr. 91. 
1304. Dezember 19. 

Bertold von Ermwordejien, Knappe, verkauft mit Zu— 
ftimmung jeiner Brüder Heinrich und Gottfried, ſowie feiner 
Söhne Heinrih und Johannes, dem Propite und der Kirche 
zu Wilbodeffen eine Hufe mit dem Zehnten im Felde zu 
Honroden, 30 Morgen (iugera) enthaltend, für 18 Hörter’iche 
Markt. Sofern Roland oder Bertold, Brüder von Brejen- 
hoſen, oder jonjt jemand das Klofter rüdjichtlich der gekauften 
Hufe beläftigen follte, verpflichten ji die Brüder Bertold 
und Gottfried von Ermwordeſſen, Friedrih von Mmeſſen 
und Friedrihd von WBaderborn, Knappen, als Bürgen. 

Zeugen: Siegfried in Ermwordeſſen und Johannes in 
Pumeſſen, Plebane; Wernher Sumerfalf, Knappe; Johannes 
von Addeſſen, Bürger in Nyhem. — Die Ratleute von 
Nyhem tiegeln mit dem Stabtjiegel. 

Dat. 1304 in Sabbato ante nativitatem Domini. 

Siegel zerbrochen. 

Vom Original des Willebadefler Archivs im Beſitz des Frei— 
berrn von Wrede. 

Von tiefer Urkunde enthält da3 Millebadefjer Kopialbuch im 
Stadtarhiv zu Dortmund fol. 90 eine alte Überfegung, wo 
‚‚Mansus oder Hufe‘ mit „Buwehoff““, „Plebanus’ mit „Paſtor“ 
wiedergegeben it. 


127 


Diefe3 Document beweift, daß Ermwordeſſen, jet Erwitzen, 
bald nah 1300, wo das Dorf noch als Filiale von Nieheim be: 
zeichnet wird, jelbitändige Pfarrei geworden ijt, weil Siegfried als 
Pfarrer dajelbft in obiger Urk. ala Zeuge erjcheint. Die Pfarrei 
muß ebenjo, wie jpäter 1324 Nieheim, Bömbfen, Steinheim, Vörden 
u. Altenbergen, dem Kloſter Marienmünjter incorporiert geweſen 
jein, wenn aud die betreffende Urk. nicht mehr vorliegt; dafür 
jpricht der Umjtand, dab 1500 Abt Valentin diejelbe als Klojter: 
pfarrei (parochialem nostram ecclesiam) einem Alerifer ver: 
leiht. In der Folge iſt die Pfarrkirche eingegangen, und Ermiten 
gehört Schon geraume Feit ohne Kapelle al3 Filiale zu Pömbfen. 


Nr. 92. 
1305. April 10. 

Biihof Otto von Paderborn überträgt mit Zuftimmung 
des Domkapitels dem Kloſter (coenobio sive claustro) in 
Gerdene das Eigentum gewiſſer Güter in Malrede, welche 
einjt den Knappen von Paderborn gehört, aber der Propſt 
gedachten Kloſters erworben habe. 

Dat. 1305 in vigil. Palmarum. 

Kopialb, zu Grevenburg Nr. 62. 
deägl. zu Detmold fol. 32. 


Die genaue Yage von Malrede oder Malride läßt fich nicht 
mehr feſtſtellen. Sicher lag der Ort in ummittelbarer Nähe von 
Nieheim, da er ftet3 bezeichnet wird: „iuxta oder ante Nyhem“. 
Ob die Feldflur „Mallrich“ in der Nähe von Holzhaufen und nicht 
weit von Nieheim auf Malrede gedeutet werden darf? Oder follte 
der Alurname „Molmsgraben“, der bei Nieheim vorlommt, ich 
darauf beziehen? — Um 1036 (VIII. kal.Junii = 25. Mai) 
fommt Malrede als Vorwerk des Haupthofes Nieheim vor in der 
Reihe der Zehnten, womit Biſchof Meinwerk von Baderborn das 
von ihm neu gegründete Stift Busdorf an der Oſtſeite von Pader— 
born augjtattete.!) Viele Jahre blieb die Busdorflirhe im unge: 
ihmälerten Befite des Malreder Zehnten, bis Biſchof Simon J. 
(GE. 9. zur Lippe 1247— 1277), um feinen mehrfach finanziellen 
Bedrängnilien abzubelfen, ſich an demſelben vergriff. In einem 
Teftamente von 1277 erkennt er nämlih an, daß der Zehnte in 
Malrede der Busdorflirhe in Paderborn rechtlich zuftehe, und, was 


1) Bergl. Erhard, Reg. hist. Westf. I. Cod. dipl, Nr. 127, 


128 


er bisher von demfelben bezogen babe, unrechtmäßiger Weife von 
ibm erhoben fei.!) Später erhielt das Stift Busdorf den frühern 
Beſitz zurüd, weil Bifchof Theodorich (II. von Itter) am 22. November 
1315 befundet, daß aus feinem Haupthofe Malride bei Nieheim 
jährlih 10 Spilermolder Korn (triplicis frumenti) an das Kapitel 
zum Busdorf in Paderborn, dem die Xeiftung unrechtmäßig eine 
zeitlang vorenthalten, zu liefern feien.?) 

Ferner war das Klofter Willebadefien zu Malrede im 12. und 
13. Jahrhundert zu größerm Bejige gelangt. Evergis, Biſchof von 
Paderborn, beurkundet 1177 verichievene Schenkungen an gedadtes 
Frauenkloſter, namentlich die Übereignung der Güter, welde drei 
Brüder Rudolf, Johannes u. Albert zu MWatervelde als Lehn von 
ihm beſeſſen und zu Gunjten des Klofters refigniert haben, jowie außer: 
dem die Schenkung des Hauſes Malrede und eines dazu gehörenden 
Sundern bei Horn.?) 

Auch die Schwalenberger Grafen befaßen in Malrede den Zehnten 
als bijchöfliches Lehn, welcher durch Kauf in den Beſitz des Kloſters 
Willebadejjen überging. Nachſtehende Urkk. haben ſich über den 
Erwerb des Zehnten erhalten: 

Volquin, Graf in Sualenberg, bekundet, daß die Kirche zu 
Wilbodeſſen, vertreten durch Propſt Gerhard und Prior Heinrich, 
den Zehnten in Mittel: Malrede vom Ritter Ludolf von Elmering: 
bofen und Hildebold von Vinsbele für 23 Mark gekauft habe. Da 
Ludolf den Zehnten vom Nitter Ludolf von Hildenfem ala Lehn 
befaß, übertrug er ihm denjelben, letterer refignierte ihn dem Grafen 
von Schwalenberg als feinem Lehnsherrn. Diefer übermweijet den: 
jelben als Paderborner Zehn dem Bifchof Bernhard IV. (E. 9. zur 
Sippe 1228— 1247). 

Zeugen: Lambert, Pleban zu Sualenberg, Heinrich, Prieiter 
in Borhagent); Dietrid von Smwiginghofen und fein Sohn Johannes, 


2) Zeitjichrift Bd. 31b Seite 13 und 14. 

2) Dajelbit ©. 80. 

®) Erhard, Reg. hist, Westf. II. Cod. dipl. Nr. 391. — Watervelde 
lag bei Deynhaufen, weitlich von Nieheim; „die dortige Mühle wird 
heute die Watervelder Mühle genannt. ber die Yage von Horn 
vergl. die Bemerkung zu Nr. 88, 

*) Bordagen, wo id) — das ſpäter nach Falkenhagen verlegte 
Frauenkloſter befand, lag wahrſcheinlich eine Viertelſtunde nordöſtlich 
von Falkenhagen, wo ein „Berkenhagen“ benanntes Forſtgrundſtück 
vorkommt. Vergl. Zeitſchrift Bd. 40 b Seite 88 ff. — Swiginghoſen 
dürfte mit Wiginghoſen gleichbedeutend jein. 


129 


Johannes Dalvenfen, Warmund, Wernher Dalmingmworthe und 
Wernher, Wernhers Sohn, ſowie Heinrih Lofen. Act. 1242.1) 

Im folgenden Jahre am 14. Februar überträgt auch feiner: 
ſeits Bifhof Bernhard IV. mit Zuftimmung des Kapitels (con- 
sensu nostri conventus) der Kirche zu Wilbodefien das Eigen: 
tum des angefauften Zehnten in Mittel: Malride im Beifein der 
Zeugen: Jordan, Abt und Heinrih, Cuftos im Abdinghofflofter 
(st. Petri et Pauli) zu Paderborn, Prior Adolf zu Gerdene, 
Gerung, Canonicus, Albert, Kaplan und Gottſchalk, Priefter; aus 
dem Laienſtande: Bernhard, E. H. von Dede, Bertold von Brafel, 
Ludolf, Droft (dapifer), Hermann, Marfhall (von Dsdagefien), 
Ludolf von Dsdagefjen?), Hermann Spegel, Herbord, Schenk (pin- 
cerna), Bertold von Bilenhufen, Albert von Oſthem, Albero von 
Heritelle und Hermann, Sohn B.(ernhards) von Dfede. Act. 1243 
in palatio nostro Paderbornensi in die beati Valentini.?®) 

Der Bürgermeifter (magister burgensium) Gfbert und bie 
Ratleute in Stenhem befunden am 29. November 1278, dab vor 
ihnen Witwe Greta von Vreſenhuſen mit ihren Söhnen Lippold, 
bamaligem Stabtrichter, u. Herbold die Erklärung abgegeben, nad 
eingezogenen Erkundigungen hätten fie auf den Zehnten zu Unter: 
und Mittel-Malride bei Nihem (in decima Malride inferiore 
et medio apud Nihem), weswegen fie Propft u. Convent in 
Wilbodeſſen zeitweilig beläjtigt, feinen Anſpruch. — Zeugen: Her: 
mann, Pleban (Pfarrer zu Steinheim), Wasmod von Alfwinefjen, 
Ekehard Vivus, Heinrich von Gheren, Bernhard Voldemerine, Bern: 
hard Piſtor (Bäder), Heinrich von Alfwinefien, Hermann von Schunen ?), 
Johannes Blomberg, Heinrich von Kuddeflen, Bernhard von Meg: 
henberg (Meinberg), Lutbert Ghubelere, Lutbert Sutor (Schufter), 


2) Kopialb. des Kloſters Willebadeifen im Etadtarhiv zu Dortmund, 
fol. 34. Unvolljtändiges Regeft: Wilmans Weſtf. U.B. IV Nr. 315. 


*) Düdageifen, ſpäter Audaſſen, Audaren ift zwiſchen Germete (bei War- 
arg) und dem Waldegſchen Orte Weten zu ſuchen, wo eine Linde 
mm Yufterfeib die Lage angiebt. — Bon denen von Osdagejjen, die 
fi fortan nad ihrem Amte „Marjchalf“ nannten, fam Amt und 
Zehen um die Mitte des 15. Sahrh. an Ludolf von Vlechten, der es 
an Hermann m Spiegel (zu P elsheim) überließ. Bergl. Zeitichr. 
Bd. 37b ©. 189 ff. 
’) Wilmans — U.B. IV Nr. 318. 


*) „Schunen“ dürfte eine untergegangene Anfiedlung in der Steinheimer 
Teldmarf gewejen jein, wo ein Flurname „Schuine“ in der Nähe des 
ftädtiihen Waldes vorkommt. 


XLVII. 2. 9 


130 


Heinrih von Bilrebefe, Wernher Widemhovere !), Konrad von Pole 
und Wernher Hufinc. Act. et dat. Stenhem 1278 in vigilia 


Andree apostoli.?) 

Meitere Erwerbungen machte Klofter Willebabefien in Malrede, 
indem es 1348 von den Brüdern Johannes u. Udo Somerkalf 
die ihnen dafelbjt gehörenden Güter käuflich erwarb, nachdem zu 
diefer Veräußerung die Grafen von Schwalenberg als Lehnsherrn 
ihre Zuftimmung gegeben hatten. 

Heinrih, Edler Graf in Smwalenberghe u. fein Sohn Heinrich 
befunden am 28. April 1348, daß die Brüder Johannes u. Udo, 
Knappen gen. Somerfalf mit Einwilligung von Adele, des Johannes 
Frau, die Güter in Mallerde bei (juxta) Nyhem, melde fie von 
ihnen (den Grafen) zu Lehen getragen, dem Convente zu Wilbodeijen 
verfauft haben, nachdem diejelben ihnen zur Überweifung an das 
Klofter refigniert find. Die Grafen verzichten auf alles Eigentums— 
reht daran zu gunften gedachten Conventes auf Rat und mit Zu: 
ftimmung des E. 9. Konrad von Schonenberghe (nostri specialis 
amici). Dat. et act. in festo pasche 1348.) 

Nah erhaltener Zuftimmung des Lehnsherrn ftellen die Brüder 
Johannes u. Udo, Knappen gen. Somerkalf, ſowie Adele, des Jo— 
bannes Frau, die Berfaufsurfunde über die Güter in Mallerde bei 


ı) „Widemhovere” bezeichnet jedenfalls einen Meier oder Colon, welcher 
Pfarrländereien unter hatte, weil die zu Pfarrdotationen gehörenden 
Höfe „Widemhöfe“ heißen. Der Ausdrud findet feine Erklärung in 
„Widmen, zum Unterhalte der Kirche weihen“. Dafür jpridht, dal; 
u Steinheim, Nieheim und jonft nod in der Volksſprache das Pfarr- 
—* „Wime“ heißt. Es iſt nicht unmöglich, daß aus „Widemhovere“ 
ſich ſpäter der Familienname „Widemeyer“ oder „Wedemeyer“ gebildet 
hat. Zu dieſer Steinheimer Familie iſt jedenfalls zu rechnen: 
Johannes Wedemeyer, welcher um 1516 Canonicus am Stifte St. 
Anschar zu Bremen war und in dortiger Erzdiöceſe das Amt des 
— * und Officials bekleidete. Er hat ſich in ſeiner Vater— 
ſtadt Steinheim noch dadurch ein Andenken bewahrt, daß er am 
St. Gallentage (16. Oktober) 1519 den hl. Dreikönige-Altar mit 
400 fl. und feinen Erbländereien ausftattete. 

2) Kopialb. des Klofters Willebadejjen im Stadtardiv zu Dortmund 
ol. 34 


®) Original des Willebadefjer Arhivs im Befige des Freiherrn von 
Wrede; die Siegel der Schwalenberger Grajen und des E. H. von 
ne noch erhalten. — Die Beziehungen Konrade von 
Sconenberg zum Grafen Heinrich dem ältern von Schwalenberg finden 
darin ihre Erklärung, dat Heinrichs Gemahlin Elifabeth wahrjchein- 
lih eine Edle von Schonenbera und Schweiter Konrad: war. 
Bergl. Lipp. Reg. II Nr. 913 u. 927, 


131 


(iuxta) der Stadt Nieheim für das Klofter Willebadefien (religiosis 
personis camere seu conventui sanctimonialium ecclesie 
in Wilbodessen ord. sti Benedicti) am 29. Mai (in ascen- 
sione Dni) dejjelben Jahres aus.!) Insbeſondere erflärt noch 
Adela, Frau des Yohannes Somerkalf, am folgenden Tage vor 
Biihof Baldumwin von Paderborn, daß ihr an dem von ihrem 
Manne verkauften Hofe (curia) tho Mallrede Feine Nutnießung 
zuftehe. Zeugen: Konrad E. 9. von Gconenberghe, Diedrich, 
Dehant vom Busdorf (orientalis eccl. Paderborn.) und Konrad, 
Pleban in Driborgh. Dat. et act. 1348 crastino ascens. Dni.?) 


1) Dajelbit mit erhaltenem Siegel ded Johannes Somerfalf, ein links 
aufgerichteted Kalb zeigend. 


2) Daſelbſt; Siegel abgefallen. 


Im Anſchluſſe an die jchon mitgeteilten Urkunden über die Brüder 
Joh. und Udo Somerkalf mögen hier nod; aus dem Neuenheerjer Kopialb. 
im dortigen Pfarrarchiv einige Nachrichten über dieſelben Pla finden. 
Sie enthalten größtenteils Veräuferungen ihrer Befigungen bei Neuenheerje 
an das Stift. Udo Somerkalf, der 1352 und 1353 noch ald Knappe er- 
jcheint, widmete jich jpäter dem geiftlichen Stande und fommt 1573 bis 
1402, wo er zum legten Male fich findet, als Beneficiat zu Neuenheerje 
vor; 1414 war er ſchon tot. 


1352. Auguft 29. Die Prüder Johannes u. Udo Zomerfalf, Knappen, 
befunden, daß fie an „dat Oueregut“ zu Nygenherje, dad wieder eingelöft 
jei, nichts zu fordern haben. Zeugen: Heinrich von Wolde und Bertold 
von Driburg. 

Dat. decollat. st. Johannis bapt. 1352. 

Dr. im Kgl. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 52. 


1353. Januar 7. Die Brüder SGohannee u. Udo Somerkalf, 
Knappen, verfaufen mit Zuftimmung ihrer Schweiter, Bertrad, Adele, 
Sohannes Frau und Katharina, deren Tochter, ihre der in der Feld- 
marf des Dorfes (villae) Dedelinghufen, den Wald „Hachholt“, den Wald 
„Sundere”, defjen Hälfte der Abtijfin von Heerje zugehört, ferner die 
„Schotelhove”“ geheifene Hufe zwiſchen den Dörfern Oldenhirje und 
Ghunterjen, in der Feldmark „Dldeveld“, der Aebtijfin Se von 
Bentheim) und Kapitel zu Heerje, wovon fie diefe Güter um eine jährliche 
Leiftung hatten. Bürgen: die Kappen Bertold von Dryborgh und Heinrich 
von Nedere. 

Dat. 1553 fer. II post Epiphaniam, 

Dr. im Kgl. St. U. Münfter, Neuenheerfe Nr. 53. 


1373. März 21. Herbolt von Papenheyn, Knecht, ag feine 
Frau, Herbold u. Borchard, deren Söhne, Leneke, Ermgard u. Mechthild, 
deren Töchter, verfaufen einen Hof zu Senbefe von 4 Hufen, den Wernher 
von Albrofe bebaut, der Aebtijfin Sophie (Gräfin von Dldenburg) zu 
Heerje und dortigem Stifte für 102 Markt Warburger Pfennige. Deghe- 


9* 


132 


Ferner erwarben auch die Herren von Deynhaufen zu Malrede 
Beſitz. Cord Bofe, Noltes Sohn, Knappe, betundet nämlih am 
23. Mai 1416, daß er an Johannes den Alten von Oygenhuſen 
vier Hufen Landes, nämlich zwei zu Aldagefjen und zwei zu Lütlen: 
Mallerde, die Johann bereit? von Burchard von Oydinghujen ber 


dingeslude: Sohan van Katerbede, Udo Somercalf, Prieiter; Gord van 
Dinterborg, Knecht, Bode des Greven, Pürger zu Pekelſen. 
Dat. 1373 am finte Benedictus Daghe des helygen abbas. 
Dr. im Kgl. St.A. Münfter, Nenenheerje Nr. 72. 

1375. April 1. Udo, Breiter, u. a Knape, abeheten de 
Somerkelve, verfaufen mit Qulbord Adelen, ohannes rau, veir Dove 
Landes, „ahelegen to Swederjjen“, der Mebtijfin Sophie zu Heerie und 
ihrem Stifte, von derdie 4. Öove zu Lehn gehen, für 56 Marf Warburger 
Pfennige. Innerhalb der nächſten 24 Jahre wird jährlih Wiedertaur 
vorbehalten. Johannes Neynhildi, Archidiaconus (Seyntproveit nu thor tyt 
des Stoles to Brafle, fiegelt ald Zeuge. („Schwederjen” wüſt bei Niejen.) 

Dat. 1375. Dominica Laetare, 

Or. im Kal. St-A. Münfter, Nenenheerje Nr. 74. 

1380. Juni 80. Die Brüder Udo, Priefter und Johan Knecht, 
de Somerfelve, verkaufen niit Wulbord Adelen, Johannes Frau, 4 Hofe 
Sandes, gelegen thome groten Hagn, der Aebtiſſin Sophie zu Heerſe und 
ihrem Stifte, wovon fie diejelben zu Lehn hatten. 

Dat. 1380 in crastino Petri et Pauli beat. Apostol. 

Dr. im Kal. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 80. 


1381. November 10. Udo, Breiter, und Sohan, Knecht, Prodre 
de Somerkelve, verkaufen mit Zuftimmung Abdelens, Sohannes Frau, ihr 
But to Herje, das Somertalves Got geheifen, binnen deme Witbelde 
(Weihbild) mit Koten, Garden und Worden der Aebtilfin Sophie to 
Heerje und dortigem Stifte, wovon fie das Gut vor Mangot unterhatten, 
Zugleich befundet Adele, daß ihr feine Leibzucht oder jonjt Gedinge an 
demjelben zuſtehe. 

Dat. 1381 an inte Mertines Abende. 

Dr. im Kol. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 84. 


1387. Juli 13. Hermann, Graf zu Everjtein, jchentt zum Ban 
des Münſters zu Heerſe und der Kapelle unjerer lieben Frau zu Ryzele 
(Riejel bei Brakel) eine Kotſtede dajelbit, worauf Bertold Wyttelenge 
früher wohnte, die ihm vom verjtorbenen Borchard von Steinheim, ber 
fein Mann davon war, erledigt ift, während er die Kottitede vom Stifte 
zu Heerje in Mannjtatt hatte. Zeugen aus dem Klerus: Dtte Spegel, 
Ganonit zu Paderborn, Udo Eomerkalf, Prefter, Bertold von Corbede; 
Heyneman von Padbergh und Helmbert von Natezungen, Knappen. 

Dat. 1387 ipsa die b. Margarete V, 

Or. im Kol. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 89. 

1402. — 6. Johannes von NYſtorp (Iſtrup), Knappe, wohn- 
haft zu Brakel, giebt Bertholde von Corbeke, Kanonik im Busdorf zu 
Paderborn, die Macht, den halben Hofzehnten vom Jaddenhoeff im Kirdy- 


in Pfand babe, für die Pfandfumme vertauft habe. Dat. 1416 
Sabbatho pro festo ascens. Duni. — Ein Lehnbrief Biſchofs 
Simon (III, €. 9. zur Lippe) von Paderborn vom 15. März 
1482 für Burdard von Oyenhufjen führt die Ortſchaften in folgen: 
der Reihe auf: Aldagefien, Klein: DMallerde, Oſtorpe, Honroden, 
alle vor Nieheim gelegen. Da Aldagefien und Dftorpe in der Nähe 
von Grternbrof lagen und Honroden bei Holzhaujen an der Straße 
nah Brakel zu juchen fein dürfte, jo ift nicht unwaährſcheinlich, daß 
LüttensDiallerde in die Nähe von Holzhaufen, dahin, wo der Flur: 
name „Mallrich-Siek“ oder ‚„‚Meller:Sief‘’ vorlommt, zu verlegen ilt. 
Bergl. Oeynh. Reg. I Rr. 73 und 172. 


Nr. 93. 
1309. Februar 3. 

Hermanı, Graf von Pyrmont, feine Gemahlin Xut: 
gardis, Gottichalf, ihr Sohn, u. Hildebold, Hermanns Bruder, 
ichenfen der Kirche ste. Marie genitricis Dei in Monasterio 
das Eigentum aller Güter, welche Knappe Bertold, genannt 
Scoppen, von ihnen in u. außerhalb des Dorfes Eilbrachteſſen 
in Belig hat. 

Dat. 1309 in crastino purificat. b. M. virg. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr, 63. 
deögl. zu Detmold fol. I1b. 


Vergl. über Bertold Scoppen Bemerkung zu Ar. 71. 


Ipiel zu Yftorp, van Hern Gorde Remenjnidere, Breiter, Gorde, ſyme 
Sonne, unde eren Erwen, welchen er denjelben verichricehen hatte, zu ac 
Zeugen: Ude Sommertalff, Her Vertold von Sydincujen u. Her Zohan 
Syverdes, Priefter, belehnt zu Heerſe. 

Dat. 1402 in die b. Nycolay conf. 

Dr. im St.A. Münſter, Neuenheerſe Nr. 105. 

1414. Mai 13. Hadewigh (von Spiegelberg), Aebtiſſin zu 
Heerſe, Schentt twe Hove Yaudes in der Marfe to Swederjen de nu 
tor Tyt buwet Herman Brofies, de to Nyhuſen wonnet, die erledigt 
find van Dodes weghene jalighen Hern Uden Sommerfalves, Breiter, belenet 
in dem Stifte to Heerſe, ume Woldaet unde truwen Denft, den Her 
Udo dem Stifte ghedaen hevet, zu einer Memorie für denjelben up junte 
Serwatius Dag. 

Dat. 1414 ipso die b. Serwatii ep. 

Dr. im Kol. St.A. Münfter, Neuenheerje Nr. 113, 


134 


Nr. 94. 
1310. März 1. 

Ermegard, Witwe des Knappen Werner Sumerfalf, 
Bertold u. Werner, ihre Söhne, verkaufen dem Pleban 
(Pfarrer) Johannes in Pomeſſen ihre Hufe (mansus) in der 
Billa Emerife, welche vom Ritter Burchard von der Aſſeborch 
zu Lehn geht, für 10 Mark Hörterfche Denare und reiignieren 
fie dem Ritter zur Ueberweiſung (ad proprietandum) an bie 
gedachte Kirche. 

Zeugen: Borhard, Pleban in Holthufen,; Johannes 
von Eilmordeffen, Gottfried von Ermmordefien, Ritter. 
— Konrad und Albert von Addeſſen, Bürgermeifter (pro- 
consules), $ohannes von Merlhofien, Hermann Meje, Volg: 
win, Johannes Dormitor, Konrad (von) Herburg, Hermann 
Stenhus, Heinrich Crispus (Krufe), Diderih von Emerife 
und Bertold von Addeſſen, Ratleute (consules) in Nyhem 
fiegeln auf Bitten Ermgards u. ihrer Söhne. 

Dat. 1310. Dominica post Mathie. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 64. 
desgl. zu Detmold fol. 21. 

Gedr.: Ajjeburg. U.B. IL, 60. Nr. 673, 

Bergl. Nr. 95, 96 u. 99; Ztſchr. Bd. 32b ©. 120 u. 121. 

Werner Somerkalf (1300. Nr. 88), verheiratet mit Erme: 
gardis, hatte zwei in Urkk. von 1331 erwähnte Söhne, Berthold 
u. Werner, von denen erjiterer 1315 auch B. von Erdenemiſſe 
beißt. Berthold fommt noch 1341, 1343 und 1346 vor, 


Nr. 95. 
1310. März 1. 

Bordhard von der Aſſeborch, Nitter, übermweijet auf Ans 
trag Ermegards, Witwe des Knappen Werner Sumerfalf 
und deren Söhne Bertold und Werner die von ihm zu Lehen 
gehenden Hufe im Dorfe Emmerife der Kirche in Pomeſſen 
zum Gebraude des dortigen Pfarrer (plebani) mit Zus 
ftimmung Agnes, feiner Frau, u. feiner Kinder Bertold, 
Sohannes, Werner, Alheid, Ermgard u. Sophia, 

Dat. Dominica post Mathie 1310. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 65. 
deögl. zu Detmold fol. 21. 
Gedr.: Affeburg. U.B. II, 60. Nr. 674, 


135 


Kr. 96. 
1511. 

Johannes von Eylmwordeiien, Ritter; Johannes Holt- 
gravius dietus de Bodinchtorpe (Böfendorf), Gottfried von 
Ermwordeſſen, Knappen; Johannes u. Albert, Brüder von 
Addeſſen, u. Hermann von Horne, Bürger von Nim, befunden, 
daß der Pleban Johannes in Pomeſſen eine Hufe in Em: 
merfe, welche er früher von Ermegardis, Witwe Werners 
Somerkalf, u. ihren Söhnen Bertold u. Werner gefauft, den 
Kaufpreis dafür aus eignen Mitteln bezahlt und feiner Kirche 
geihenft habe. In ihrer Gegenwart habe er diefe Schenkung 
unter der Bedingung gemadt, er wolle für den Fall, daß er 
auf die Pfarrei verzichte, dennoch die Hufe auf Lebenszeit 
in Beſitz behalten, aber nach jeinem Tode jolle fie Eigentum 
der Kirche zu Pömbſen werden. 

Dat. 1311. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 66. 
deögl. zu Detmold fol. 22 u. 23. 


Nr. 97. 
1314. April 23. 

Günther, Graf von Schwalenberg, befundet,%daß Her: 
mann, genannt Schillingh, Meytildis feine Frau, Adolf, Jo: 
bannes, Hermann, Heinrih, Gerburg, Jutta, feine Kinder, 
die Hälfte feines Hofes (curie) im Dorfe Holthufen, welche 
diefer von ihm zu Lehn erhalten, der Kirche in Monasterio 
verkauft und ihm refigniert habe. Graf Günther genehmigt 
mit Einwilligung feiner Kinder Adolf u. Agnes den Verkauf 
und eignet die Hälfte obigen Hofes dem Caritaten:Amte im 
Klojter zu Münfter zu (officio caritatis eiusdem ecclesie 
in Monasterio). 

Zeugen: Patruus noster, dilectus comes Albertus de 
Sualenberg, Henricus comes et Albertus domicellus, filii 
eius; Florinus von Holthufen, Ritter; Hermann, Kaplan 
auf der Burg Sualenberg, Heinrich von Aınmefjen ‘und Her: 
mann von Dudenhufen. 

Dat. 1314 in die Georgii mart. gloriosi. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 68. 
deögl. zu Detmold fol. 26. 


136 


Nr. 98. 
1314. November 30. 


Die Grafen von Schwalenberg übertragen das Patronat 
der Kirche zu Sommerfell an das Kloſter Marienmünfter. 


Nos Albertus et Gunterus, comites et domini de 
Sualenbergh, cupimus et volumus ad communem omnium 
noticiam deportari, quod nos cum pleno assensu et con- 
sensu domini Henrici Hildessemensis ecclesie canonici, 
nostri domini Alberti!) comitis prelibati fratris, Henrici 
nostri filii, Elisabeth, uxoris sue et omnium heredum 
ipsorum videlicet Borchardi, Henrici, famulorum, Elisa- 
beth, Jutte, Ermegardis, Willice, Mechtildis et Alene, 
et Alberti nostri domini Alberti comitis premissi filii, 
necnon cum consensu Adolphi, nostri domini Gunteri 
comitis supradicti filii, et Agnese filie nostre, et cum 
quorum debuit et merito potuit esse voluntate omnia 
iura nostra etiam cum jiure patronatus, que hucusque 
in ecclesia ville Sommersilen habuimus et quovis modo 
habere dignoscebamur, ecclesie et conventui in Monasterio 
damus et dedimus, tradimus et tradidimus presencium 
sub noticia pure et penitus propter Deum et excellen- 
tissime Virginis Marie ob honorem et incontaminatam 
dilectionem, peticionemque honorabilis viri domini Her- 
mani, prepositi monasterii Gerdene, dicti de Mengerssen, 
in perpetuum sine contradictione et impeticione cuius- 
libet nostrum vel nostrorum quiete et pacifice possidenda: 
Et volumus iam premissa per quemlibet nostrum et 
nostrorum in futurum successorum grata et rata omni- 
mode observari, ita tamen quod quicunque plebanus pro 


1) Statt „Alberti“ dürfte vielleicht „Gunteri* richtiger ſein. Obſchon 
ſämtliche Kopialbüher — Original nicht mehr vorhanden — an diefer 
Stelle Alberti haben, jo haben wir doc; geglaubt, jtatt dejjen Gunteri 
eımendieren zu jollen, weil der Hildesheimer Domherr Heinridy nad: 
weislich der Sohn Adolfs ift und deshalb Günthers Bruder. Wollte 
man annehmen, daß „Alberti“ richtig wäre, To folgte daraus, daß 
es außer dem bereits um 1279 veritorbenen Heinrich, Bruder Adolfs 
und Alberts, uoc) einen zweiten Heinrich in jener Öeneration gegeben 
hätte. Cohn hat in feinen Stammtafeln — ——— auf Grund 
dieſer Urk. — einen zweiten Heinrich als Bruder Adolfs u. Alberts 
angenommen. 


tempore et ad tempus ab abbate et conventu in Munster 
in predictam ecclesiam Summersile fuerit institutus, de pen- 
sione, pro qua!) sepedictam ecclesiam convenerit seu 
sibi locatam noverit, perpetuo lumine ipsi ecclesie Mo- 
nasteriensi in honorem virginis gloriose sine aliqua con- 
tradictione et murmuracione gratanter providebit: et 
preterea si de predicta pensione ultra lumen aliquid 
superfuerit, hoc totum in tegminis melioracionem claustri 
in Monasterio et ecclesie fideliter convertetur. In cuius 
rei evidens testimonium sigilla nostrorum videlicet do- 
mini Alberti, domini Gunther et nostri domini Hinrici 
comitis, fili domini Alberti comitis suprascripti, sub 
quibus nos scilicet dominus Henricus canonicus Hildesshe- 
mensis et omnes, ut supra sumus tacti, recognoscimus 
presentia esse vera, presentibus sunt appensa. 


Testes: Dominus Conradus, plebanus in Sualenberg; 
Floreco miles dietus de Holthusen; Theodoricus de Bige, 
famulus, Bertoldus de Keminate et Lippoldus Longus, 
famuli, et alii quam plures fide digeni. Datum anno Do- 
mini millesimo trecentesimo XIII’, ipso die Andree 
apostoli. 


Nah dem Kopialb. zu Detmold fol. 28. 
deögl. zu Grevenburg Ar. 69. 


Nr. 99. 
1315. „uni 29. 

Ritter Burchard von der Ajjeborch befundet, daß am 
Tage Petri und Bauli der Prieiter Johannes, früher Pleban 
in PBumefjen, bei ihm fich bitter darüber beflagt, er werde 
von dem Sinappen B.(ertold) von Erdenemiſſen belältigt 
wegen einer Hufe, die er von diejem, jeiner Mutter und 
feinem Bruder gefauft habe; jett behaupte der Knappe 
Y.(ertold) von Erdenemiffen, daß ihm das Wiederfaufgrecht 
eingeräumt fei bezüglich der Hufe. Darauf erwidert Burchard 
von der Nijeborh, daß jener Verkauf in jeiner Gegenwart 
jtattgefunden, vom Vorbehalte des Wiederfaufs feine Rede 
gewejen und niemand außer ihm Lehnsherr der Hufe jei. 


1) Kopialb. G. fol. 1 hat „que sepedietam ecelesiam*, 


# 


138 


Zeugen: Die Pfarrer (plebani) B.(ertold) in Brafele 
und Helmic in Jftorpe; Heinrih von Ermwordeſſen, Ever: 
hard von Mengherſſen und Anton von Iſtorpe, Knappen. 

Dat. 1315, die quo supra. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 67. 
deögl. zu Detmold fol. 24 und 25. 
Gedr.: Affeburg. U⸗B. IL, 89 Nr. 754. 


Nr. 100, 
1317. September 14. 

Hermann, Graf zu Pyrmont, verkauft mit Einwilligung 
ſeines Bruder8 (domicelli) Hildebold, feiner Gattin Lut— 
gardis, Gottſchalk u. Hermann, feiner Söhne, der Kirche und 
dem Klofter zu Münfter bei Schwalenberg die zwei Zehnten 
in den Dörfern (villis) Eckwordeſſen und Alfwenefien, wofür 
Abt Hermann von Mengerjien die Kaufſumme bezahlt hat. 
Zeugen: Die plebani Ludolf von Dldenberge und Ludolf 
von Scydle (wahrſcheinlich Scydere); Hermann von Otterjen, 
Knappe. 

Dat. 1317 in exaltatione s. Crucis. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 146. 
deögl. zu Detmold fol. 14b. 

In diefer Urt, kommt Hermann von Pengerjien, auch ber 
Weife (Sapiens) genannt, zum erjten Male als Abt vor. Wer 
fein unmittelbarer Vorgänger war, läßt ſich nicht angeben. Alrad, 
der von 1290—1298 vorlommt und nur 10 Jahre regiert haben 
ſoll, kann es jchwerlich geweſen fein. 

Hermann wurde nach dem Tode des Propſtes Konrad, welcher 
von 1295 März 13— 1304 Juni 5 vorkommt, Propſt des Nonnen: 
kloſters Gehrden und ericheint als folder in den Jahren 1305 — 
1314 November 30, worauf ihm als Propft Johannes, genannt 
von Smwalenberg (ſchon 1315 und noch 1319 in exaltat, s. 
Crucis) folgte, 

Darnadh dürfte Hermann 1315 zum Abt von Marienmüniter 
gewählt fein, 

Vergl. das Gehrdener Kopialb. in Zeitihr. Bd. 39b ©. 6 ff. 
und Afjeburger U.B. Iu. II. — Eckwordeſſen foll in der Feldmark 
von Steinheim zu fuchen jein, feine Lage läßt ſich aber nicht mehr 
feſtſtellen. Alfweneſſen, Alleweneſſen oder Alvenjen, auch Lütlen: 
Steynhem (1470) genannt, kommt bis 1580 -vor und war um 


139 


1613 nicht mehr vorhanden. Der Drt lag in ber Feldmark von 
Steinheim zwiſchen der Stadt und dem Steinheimer Holje am fog. 
Berge. Die benachbarten frühern Waldparzellen „Stübbe“ und 
„Burholt“ bildeten die Mark des Dorfes. Die Vorbemerkungen 
im Kopialb. D. haben darüber folgendes: „In Alvensen sunt 
16 mansi, de quibus 12 nobis dant decimam, reliqui 4 
sunt liberi a decima. Silva Stübbe pertinet ad illam 
marchiam, item silva Burholt, et in illa Johannes Stock- 
fisch, adhuc plebanus in Steinheim (1461), usus est lignis 
quercinis.“ 
Vergl. Nr. 103, 104 u. 118. 


Nr. 101. 
1324. Februar 22. 

Bernhard (V.,E. H. zur Lippe), Biſchof von Paderborn 
genehmigt auf Bitte Abts Hermann von Marienmünfter Über: 
tragung von Burg und Stadt Vörden an das Stift jeitens 
des Klofters und incorporiert legterm die Pfarreien Nieheim, 
Pömbjen, Altenbergen, Steinheim und Börden. 


Bernhardus Dei gratia Paderbornensis ecclesie epis- 
copus salutem omnibus in perpetuum. Que coram nobis 
perpetuo duratura in memoria digna geruntur, ne per 
oblivionem tollantur, expedit, ut scripture testimonio 
posteris innotescant. Noverint igitur universi et preci- 
pue illi, quorum interest, quod Hermannus abbas et 
tetus conventus monasterii, dicti „Monasterium prope 
Swalenberge“ ordinis sancti Benedicti, nostre diocesis, 
provida deliberatione prehabita, considerantes statum 
terre sibi circumiacentis esse periculosum et bona sua 
temporalia iacere absque cultoribus miserabiliter desolata, 
nec adesse sibi temporales facultates, sine quibus cultus 
divinus libere exerceri non potest, unde fratribus de 
conventu victualia et cottidiana stipendia ministrentur. 
Et quod contra cottidianos predonum et invasorum loci 
illius insultus ultra subsistere non valent, nisi adsit eis 
temporalis dominii presidium opportunum: propter quod 
ad nos et ecclesiam nostram, de qua maxime bonum 
presumunt, fiducialiter confugientes, personas suas et 
omnia bona sua mundana per nexum colligationis in- 
dissolubilis nobis subdiderunt et firmiter astrinxerunt, 


140 


ut preter nos et successores nostros atque ecclesiam 
nostram nullum querere, requirere et assumere dominum, 
defensorem, advocatum aut tutorem valeant in perpetuum 
temporalem. Nosque et successores nostri atque ecclesia 
nostra abbatem et conventum de Monasterio et omnia 
bona eorum defendere atque tueri constanter tenebimur 
pro omnibus viribus nostris contra invasores et oppres- 
sores, quorumcunque dolo, fraude et negligentia penitus 
exclusis, ut sub alis protectionis nostre et successorum 
nostrorum pacis amenitate et rerum temporalium uber- 
tate, prout deus donaverit, securius perfruantur. Et sı 
occasione colligationis et subiectionis abbatis et conventus 
predictorum a comitibus de Swalenberge seu ab aliis 
quibuscunque, cuiuscunque simt conditionis, sexus aut 
status, impugnantur, opprimuntur vel inpetuntur, eos & 
talibus oppressionibus debemus iuxta omnem nostram 
possibilitatem defendere et efficaci defensionis subsidio 
preservare. Per hanc tamen colligationem nullum ius 
speciale in bonis predicti Monasterii nobis aut nostris 
sussessoribus acquiritur, ut in hominibus et bonis Mo- 
nasterii eiusdem aliquas petitiones facere vel quidquam 
temporalis commodi querere, petere vel exigere debea- 
mus, sed solam defensionem et conservationem hominum 
et bonorum Monasterii eiusdem, ut est dietum. Item 
predictus dominus abbas et totus conventus de Mo- 
nasterio post plures deliberationes et post diversos 
tractatus solemnes, qui in factis huiusmodi de juris 
precepto precedere et premitti debent, ex speciali dilec- 
tione et propter firmam spem, quibus circa nos et ec- 
clesiam nostram cum charitatis zelo moventur, pari voto, 
unanimi voluntate atque cum expresso consensu omnium 
illorum, quorum consensus ad hoc fuerat merito requi- 
rendus, donaverunt nobis, successoribus nostris et ec- 
clesie Paderbornensi donatione vera, perfecta atque in 
perpetuum valitura munitionem suam, videlicet castrum 
et opidum dietum „to demVorde“, cum omnibus suis 
iuribus, iurisdietionibus et specialiter cum alto iudicio, 
quod „gogerichte“ vulgariter dicitur, agris, campis, silvis, 
nemoribus, terris cultis et incultis, viis et inviis, aquis, 
aquarumque decursibus, piscinis, cum decimis et ceteris 


141 


pertinentiis universis, prout hec omnia comprehenduntur 
et includuntur sub metis, finibus, terminis seu limitibus 
inferius annotatis. 

Quod quidem castrum et munitionem abbas et con- 
ventus predicti in solo fundo proprio suo suis propriis 
sumptibus exstruxerunt, nihil iuris sibi retinentes seu 
reservantes ibidem, nisi solam ecclesiam in eodem opido 
constructam et quatucr mansos in campo a decima so- 
lutos, unam piscinam ante oppidum et unum molendinum, 
quod eidem piscine adiacet, que cum una area ad hoc 
convenienti ad dotem illius ecclesie iugiter permanebunt. 

Isti vero sunt limites et termini, in quibus conclu- 
duntur agri et cetera iura ad oppidum Vorde pertinentia, 
et incipiunt a via, qua itur de Brakle ad monasterium 
Munster prope Abbenborgh ascendendo ad piscinam cha- 
ritatum, piscina ipsa exclusa, et a piscina ipsa usque 
ad molendinum Snaghermollen, molendino excluso, et a 
molendino citra montem Sculenborgh, monte ipso incluso, 
et per medium vallis intra montem Sculenborgh et Mo- 
nasterium ascendendo ad viam, que dicitur Münsterwech, 
qua itur a Monasterio in villam Wenden per silvam 
dietam Mönsterholt, monte Hungherborg incluso, usque 
ad vias Scratwegen, et transeundo viam Scratwegen ad 
villam Wenden prope tyliam in sinistra parte ville, tylia 
in supercilio montis exclusa, et sic a villa Wenden di- 
recte procedendo ad viam, qua itur de Oldenborgh versus 
Huxariam et deinceps per paludem Woldessen ad locum, 
ubi terminatur Elwordessere Marke, et ab illa marka 
directe transeundo ad Oldenbergere Marke, piscina tamen 
Woldessen apud Monasterium remanebit, item ab Olden- 
bergere Marke ad locum dietum Swinessgrave et ab 
hoc eirculariter redeundo ad viam Brakelen, qua itur 
ad Monasterium prope Abbenborgh, de qua signa ter- 
minorum et limitum, ut supra scribitur, sumpserunt 
initium. 

Ex hac larga et devota donatione nobis et ecclesie 
nostre factaperpendere debent nostri successores, se ad 
protectionem dicti Monasterii et bonorum ipsius, etiamsi 
labores et expense eis in hoc accrescant, non frustra, 
sed ex debito obligari. 


142 


Nos etiam ut eandem liberalitatem gratitudine 
condigna perpendere et respicere dinoscamur de bene- 
placito, voluntate et consensu totius capituli nostri et 
nominatim domini Borchardi de Asseborch, loci illius 
archidiaconi, dotes ecclesiarum atque ecclesias in Nyhem 
et in Pomessen ac in Öldenberge et quatuor mansos 
ante opidum Nyhem sitos, nobis et ecclesie nostre per- 
tinentes a decima absolutos, et duas areas in Nyhem, 
quarum unam inhabitavit plebanus, et alteram eidem 
contiguam, que fuerat Hermanni de Horne, ut ex illis 
fiat una area dotalis, ab omni servitio et onere civitatis 
quitam et liberam, donamus donatione vera, perfecta et 
similiter in perpetuum valitura atque incorporamus cum 
omnibus suis iuribus et pertinentiis abbati et conventui 
de Monasterio supradicto, ut eedem ecclesie una cum 
ecclesia Stenhem et ecclesia in Vorde sint in potestate 
abbatis et conventus de Monasterio. Et quod abbas 
ecclesias suas per suos monachos, viros tamen idoneos 
ad suum beneplacitum ponendos et revocandos seu 
removendos ex causa dum viderit expedire, gubernari 
faciat, et fructus, proventus seu obventiones ab eisdem 
ecclesiis recipiat, ex quibus indigentiam fratrum sui con- 
ventus amplius relevare queat: iura tamen ligna rese- 
candi in Marke Oldenberge ad dotem ecclesie hactenus 
pertinentia, que „Echtwort“ in vulgo nuncupantur, nobis, 
nostris successoribus et ecclesie specialiter reservamus 
et ad munitionem Vorde volumus iugiter pertinere. 

Item de consilio et consensu capituli nostri cassa- 
mus et irritamus litteras predecessoris nostri super 
translatione facienda per abbatem et conventum pre- 
dictos de Monasterio ad oppidum Stenhem confectas, 
sed potius decernimus, ut in loco sue prime fundationis 
de cetero permaneant, ut loci illius fundatores sua spe 
et devoto proposito non frustrentur, qui congregationem 
monachorum ibidem instituerunt et ibidem permanere 
perpetuo decreverunt, ipsasque litteras declaramus de 
cetero nullius existere firmitatis eo salvo, quod ecclesia 
in Stenhem cum sua dote et ceteris pertinentiis incor- 
porata remaneat Monasterio supradicto, et abbas Mo- 
nasteri), qui pro tempore fuerit, per nos ac successores 


143 


nostros speciali quadam prerogativa honorari dinoscatut‘ 
Quotiescunque abbas Monasteriensis post electionem de 
se fectam confirmatus fuerit ab episcopo Paderbornensi, 
tunc curam animarum ecclesiarum in Stenhem et in 
Nyhem, in Pomesen, in Vorde et in Aldenberghe, que 
ab archidiacono loci hactenus tenebantur, recipere debet 
ab episcopo Paderbornensi, cui etiam de iuribus epis- 
copalibus, quantum ad ecclesias illas, integre respondebit. 
Nos etiam et successores nostri, qui collationes predic- 
tarum quinque ecclesiarum in potestatem abbatis Mo- 
nasteriensis et suorum successorum transtulimus, pro 
aliquali recompensa potestatem habebimus conferendi 
in Monasterio ex nunc et in perpetuum tertiam preben- 
dam, quam ibidem vacare contingit, persone tamen ydonee 
et ad regularem institutionem apte. Que quidem per- 
sona recipietur absque difficultate a fratribus conventus 
secundum consuetudinem, que circa monachos ibidem 
de novo receptos a retroactis temporibus esse dinoscitur 
obseryata. Quotiescunque vero abbas predictus in pre- 
fatis quinque ecclesiis seu in altera ipsarum novos rec- 
tores ponere decreverit, totiens destinabit eos ad loci 
archidiaconum, ut sibi solum quoad observantiam et 
executionem mandatorum suorum obedientiam repro- 
mittant. Ipse enim abbas seu confratres sui, qui pre- 
dietis ecclesiis presunt, archidiaconum loci vel eius sub- 
stitutum temporibus illis, dum synodis president et pre- 
sidere consueverunt archidiaconalibus, honorifice recipere 
et decenter procurare tenebuntur, sicut hactenus fieri 
est consuetum. Cum autem monachi illi, qui predictas 
regunt ecclesias, decedunt vel ad mandatum sui abbatis 
recedunt, loci archidiaconi iura illa, que communiter 
vocantur synodalia, et que a secularibus clericis dece- 
dentibus suis archidiaconis exhiberi consueverunt, dare 
et persolvere, cum monachi proprium non habeant, nulla- 
tenus tenebuntur, nec archidiaconus loci talia iura debet 
requirere seu petere ab iisdem, sed in recompensam 
istius emolumenti abbas Monasteriensis et eius successores 
archidiacono in Stenhem, qui pro tempore fuerit, unam 
marcam denariorum in Susato legalium in die b. Galli 
confessoris in Paderberne singulis annis futuris nomine 
pensionis annue presentabunt, 


144 


In signum etiam recognitionis huius donationis et 
liberalitatis per nos et ecclesiam nostram facte Monasterio 
supradicto de omnibus prenominatis quinque ecclesiis 
dabit abbas Monasteriensis capitulo nostro singulis annis 
in die b. Liborii confessoris viginti et quatuor libras 
cere, de qua fieri debent duo cerei magni, omni die ad 
missam in superiori choro ante altare b. Liborii post 
prefationem accendendi et nullatenus extinguendi tamdiu, 
quousque elevatio salutaris hostie et calicis cum omni 
reverentia plenius sit completa. Ut autem presentis or- 
dinationis perpetuus contractus fideliter et inviolabiliter 
observetur, presentes litteras desuper confectas conscribi 
et sigillorum utrarumque partium nostro scilicet et ca- 
pituli nostri et abbatis atque conventus de Monasterio 
parte ex altera appositione litteris presentibus sub una 
forma et tenore duplicatis ad perpetuam rei memoriam 
fecimus communiri. Nos vero Hermannus abbas et con- 
ventus de Monasterio prope Swalenberge, supradieti 
omnia et singula superius in presentibus litteris con- 
scripta recognoscimus esse vera et ad firmandam gesto- 
rum huiusmodi veritatem sigilla nostra presentibus 
duximus apponenda. Testes huius rei sunt: Ludolphus 
decanus ecclesie sanctorum Petri et Andree apostolorum 
Paderbornensis, Henricus decanus Nove ecclesie sancti 
Petri in Huxaria, Bertholdus plebanus in Brakle, Ly- 
borius notarius dieti domini Bernhardi episcopi, Ever- 
hardus de Mengersen, Ölricus de Nedere, famuli, et 
alii quam plures fide digni. Datum Paderborne anno 
Domini millesimo trecentesimo vigesimo quarto, in die 
beati Petri apostoli ad cathedram. 

Driginal im Staat3ardiv zu Münfter, Fürſt. Paderborn, mit 
den Siegeln des Biſchofs u. des Domkapitel, fowie de Abts u. 
Convents von Marienmünfter. Im Klojterardive war das Driginal 
verloren gegangen und nur noch aus Abfchriften befannt. Solche 
finden fih im 

KRopialb. zu Grevenburg Nr. 70 und 
beögl. zu Detmold fol. 15—17. 
Gebr.: Schaten, Apn. Paderb. II ad ann., nicht ganz 


correct, — danach: (Landrat v. Metternich) Beichreibung des Kreiſes 
Hörter (1870) I. Anhang S. 76. 


145 


Nr. 102. 
1328. Dezember 7. 


Bertold, Richter, Bertold von Addeſſen, Hermann Meyfe, 
Bürgermeifter (proconsules), Heinrih Kruſe, Konrad Borne- 
mann, Konrad von Addeſſen, Dietrich Losbefe, Hildebrand 
von Oynhuſen, Ludolf von Hörter, Gottſchalk Schilling, 
Konrad von Andepe, Heinrih von Emmerfe und Siegfried 
Godeking, Ratleute (consules) der Stadt Nyhem bezeugen, 
daß vor ihnen ihr Mitbürger Konrad von Ringeldeſſen mit 
Zuftimmung feiner Frau Kunigunde u. jeiner Söhne Konrad, 
Hermann u. Johannes dem Prieſter Hermann, Kapellan zu 
Smwalenberg, für ein Darlehen von 6 Mark Brafeler Denare 
(Pfennige) eine Rente von 6 Schillinge (solidi) Brafeler 
Denare aus feinem Beligtum zu Nyhem (de domo sua, de 
area, de hereditate sua infra oppidum Nyhem) und aus 
einem Garten außerhalb der Stadt vor dem Niedernthore 
(ante valvam inferiorem) verjchrieben habe, jährlich auf 
Michaeli zu bezahlen. 

Dat. 1328 in crastino Nicolai ep. et conf. 

Kopialb. zu Grevenburg = ‚rı. 

Vergl. Oeynh. Regeſt. I Nr. 

Da im Mittelalter die Er von Zinfen nicht erlaubt war, 
jo wandte man die üblihe Maßregel an, den Zinsbetrag in eine 
Jahresrente zu verwandeln, weldhe dem Gläubiger unter ber Be 
dingung des Rückkaufs vonfeiten des Schuldners verfauft wurde. 

Obige Pfandihaft wird jpäter in den Beſitz des Klofters ge: 
tommen jein, weshalb es ſich erflärt, daß diefe Urkunde in den 
Kopialbüchern vorlommt. 

Cine alte Randbemerfung im Kopialbuche bejagt: De illa 
domo nemini constat, sed de horto quodam ante illam 
valvam accipimus 6 gl., et illum nunc habet Hermannus 
Satsen. 


Nr. 103. 
1328. Dezember 20. 

Gottſchalk, (nobilis domicellus) Graf von Pyrmont, 
eröffnet den Knappen Konrad u. Ernit Brüdern, genannt 
Teden, aus der Urkunde feines veritorbenen Baters (Hermann) 
und aus einer Mitteilung feines Oheims (avunculi), des 
Grafen Heinrich von Swalenberg, habe er erjehen, daß das 


XLVII. 2, 10 


146 


Lehnrecht (iura pheodalia) am LZehnten zu Alveneffen dem 
Abte Hermanı von Mengherken in Mönfter gehört, weil 
dieſer dafjelbe von jeinem Vater gekauft habe. Deshalb er: 
Kart er die den Brüdern Teden gegebene Belehnung (collatio 
feodalis) für ungültig und meijet fie an den Abt; zugleich 
will er das aud) für feinen Bruder Hermann gewährleiften. 
Dat. in vigilia Thome 1328, 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 72. 
desgl. zu Detmold fol. 14b. 


Nr. 104. 
1329. Sanuar 7. 

Gottſchalk, (nobilis domicellus) Graf von Pyrmont, 
befundet, daß er den durch feinen Vater (Hermann) mit dem 
Abte Hermann von Mengerien zu Münſter iuxta Swalen- 
berge und dem dortigen Convente vollzogenen Verkauf der 
Behnten in den Dörfern Echmwordeffen und Alveneifen mit 
einer Curie in Alvenejjen genehmigt habe, nachdem aud) fein 
Dheim Graf Heinrih von Smwalenberg darüber Auskunft 
erteilt, und will das Klofter rüdjihtli obiger Güter nicht 
weiter beläjtigen, jowie auch für feinen Bruder (domicellus) 
Hermann volle (plenam et iustam warandiam) Gewähr 
leiften. 

Zeugen: Der Nitter Walter Poſt; die Knappen Ger: 
lag von Vespere und Heinrich von Uppenbrofe, Winand ge: 
nannt Löff und Johannes genannt Steder, Bürgermeifter 
(proconsules) in Lüde. 

Dat. in erastino epiphanie Dni 1329. 

Kopialb. zu Örevenburg Nr. 73. 
desgl. zu Detmold fol. 14. 


Nr. 105. 
1329. März 25. 

Florinus von Vreſenhuſen, Ritter, verfauft mit Zu— 
ftimmung des E. 9. Heinrich Grafen von Smalenberg zwei 
Hufen in der Feldmark von Dftorpe beim Dorfe Addefjen 
dem Abte und Gonvente s. Mar. virg. iuxta Swalenberg 
zu Münfter für 20 Mark Herforder Denare. Florin von 


147 


Vreſenhuſen und Heinrih, Graf von Swalenberg, von dem 
als Lehnsheren diefe Güter herrühren, ‚behalten fi das 
Wiederkaufsrecht für obige 20 Mark vor. 
Dat. in annuntiacione Marie virg. 1329. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 74. 
Bergl. Nr. 108 und 113. 


Nr. 106. 
1330. Mai 27 bis Juni 3. 


Simon (1.), €. 9. zur Lippe, vertaufcht dem Klofter zu 
Münftere drei Hufen Aderland bei Bredenborn gegen drei 
Hufen bei der Burg Oldenburg. 

Dat. 1330 infra octavam Pentecostes. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 75. 
deögl, zu Detmold fol. 15. 


Bergl. Lipp. Neg. III. Nr. 1514. 


Nr. 107. 
1330. Juni 25. 

Bertold, Abt des Kloſters s. Pauli (Abdinghof) zu 
Paderborn, befundet, daß der dortige Klofterbruder und Küfter 
Sohannes von Swalenberge, weldyer vom Abte und Gonvente 
zu Munſter bei Smalenberg den Niekbraud einer Curie im 
wüjten Dorfe Swiderbejjen habe, dieien an Amelung, Rektor 
der Altjitadt Wardberg, zu deſſen Lebzeiten abgetreten mit 
der Verpflichtung, die Zujtimmung vom Klojier Münſter 
einzubolen. 

Dat. 1330 in crastino nativ. bti Joannis bapt. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 76. 


Derjelbe Rektor Amelung kommt auch in bdemfelben Jahre 
März 7 als Zeuge vor in Urk. Biſch. Bernhard von Paderborn. - 
Aſſeb. U.B. IL, 158 Nr. 927. 


Nr. 108. 
1331. Dezember 15. 


Gerhard, Florentius u. Heinrich, Brüder, genannt Hagen: 
inidere, befennen, daß Ritter Florentius von Vreſenhuſen, 
ihr Verwandter (cognatus), mit ihrer Genehmigung dem, 


10* 


148 


Abte Hermann u. Eonvente der Kirche zu Mönfter 2 Hufen 
in Oftorpe verfauft habe. Weil fie fein eigenes Siegel haben, 
fiegeln Florentius Ritter von Holthufen !) und der Prieiter 
Konrad, Pleban in Holthufen, für fie. 
Dat. 1331 dominica post Lucie. 
Kopialb. D (1. 129) im Staatdardhiv zu Münfter fol. 23. 
deögl. zu Grevenburg Nr. 77, wo die Ausſteller der Urf. 
„Hagenfinde‘ heißen. 


Nr. 109. 

1332. 

Siegfried Boze, Knappe, befennt, er habe auf Lebens: 
zeit vom Abte u. Convente des Kloſters Münfter Güter im 
Dorfe Weldrinddorpe als Lehn erhalten mit der Verpflich> 
tung, einen „Kluten“ Fett zu liefern. 

Dat. 1332. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 78. 


Unter Meldrinddorp dürfte Wellentrup im Amte Schieber, 
Fürftent. Lippe, zu verftehen fein, wofür auch Walderingtorp vor: 
fonmmt. 

Die Stelle der Url: „pro quodam pacto scilicet uno 
cluede sepi“, vorausgefegt, daß fie richtig überliefert it, kann 
die Lieferung eines NKluten, großen Stüdes Fett oder Seife be 
deuten. 


Nr. 110. 
1332. Mpril 4. 


Ludolf von Ymmedeshufen, Knappe, verfauft mit Zu: 
ftimmung jeiner Butter, Heinrich jeines Bruders, einen Hof 


) Nachſtehende Mitteilung über den Ritter Florentius von Holthuſen 
möge hier Plaß finden. Durch Urkunde vom 3. April (im heiligen 
Paſchafeſte) 1328 jchenft er zur weitern Dotation der Pfarrei Holt: 
hufen drei Hufen Landes zu Addejjen. 

Gleichzeitig übergiebt Graf Heinrich von Schwalenberg mit Zur 
ſtimmung al Söhne Borchard, Heinricd und Widelind der Kirche 
zu Holthufen bei ee das Eigentumsreht an drei Hufen Landes 
zu Addeſſen, welche Ritter Klorentius von Holthuſen von ihm bisher 
zu a getragen, zum Belten des dortigen Kirchherrn. 

Dat. 1328 im heiligen Bajchafefte. (Nach alten Nachrichten des 
Pfarrarchivs Holzhaufen bei Nieheim.) 








149 


(curiam) in der Feldmark des Dorfes Hobrachteſſen, in der 
Nähe der Stadt Bredenborn gelegen, dem Abte u. Convente 
des Klofters Münftere für 12 Mark Brafeler Denare. Seine 
Berwandten Johannes und Konrad, Brüder von Wynthufen, 
Stnappen, fiegeln. 
Dat. in die Ambrosii 1332. 
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 79. 


„Immedeshuſen“ it jedenfall eine ältere Bezeichnung des 
GSeichlehtes von Imbſen. Vergl. Zeitihr. Bd. 44b ©. 154 fi. 


Nr. 111. 
1333. März 21. 

Johannes von Eilmordejen, Knappe, verkauft dem 
Klofter zu Monftere bei Swalenberg einen Wald, „Meynverſt“ 
genannt, und einen Hof (curiam) im Dorfe Erenwordeſſen, 
welde er vom Paderborner Bijchofe Bernhard zu Lehn ge: 
tragen. 

Dat. in die s. Benedicti abbatis 1333, 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 80. 
desgl. zu Detmold fol. 23. 

An „Meynverſt“ erinnert „„Maifirfte‘‘, früher Wald, jeyt Weide 

öjtlih von Pömbſen. 


Ar. 112. 
1333. Juni 26. 

Bernhard (V.), Biihof von ‘Baderborn, und Ruppert, 
Abt von Corvey, ſchließen mit Ritter Hermann von Bradle 
einen Vertrag, in welchem feitgejegt wird, daß legterm der 
vierte Teil der von Paderborn erbauten Burg Beverungen 
verbleiben und der dritte Teil der noch zu erbauenden Vor: 
burg mit dem Drittel der Gerichtsbarkeit und Oberherrlichkeit 
in der Vorburg zufallen jolle, jowie die Einnahmen von der 
Brüde, welche auf gemeinjame Koften über die Wejer jollte 
gebauet werden. 

Act. Bradle in Gegenwart der Äbte Engelhard von 
Helmmwordishujen und Hermann in Münſtere, der Pröpfte 
Diderich zu Marsberg und Arnold zu Wilbodefien, des Liborius 
von Vulbeke, Kanonikus zu Paderborn; der Ritter Gottſchalk 
von Padberg, Florefin von Holthujen, Herbold von Papen: 


150 


heim, Wernher von Brafle, Friedrih genannt Batefalt und 
Johannes gen. Juden; der Knappen Johannes und Konrad 
von Winthufen, Hermann von Dymele, Johannes von Ever— 
ften und Gerhard Selinctorp. 

Dat. 1333 ipso die Johannis et Pauli martirum. 


Driginal im Staatdardhive zu Münſter, Fürftent. Paderborn. 
Bergl.: Schaten, Ann. Paderb. II ad ann. und Ztidr. 
>. 29a ©. 11. 
Der Brüdenbau bei Beverungen über die Weſer fam nicht 
zur Ausführung. 


Nr. 113. 
1333. September 26. 

Hermann, Abt, und der Convent in Mönfter verpflichten 
ih, den Brüdern Gerhard, Slorentius und Heinrih, genannt 
Hagenichnidere, die Einlöfe der 2 Hufen in Oſtorpe bei der 
Stadt Nyhem, welche das Klofter vom Ritter Florentius von 
Breienhujen gekauft hat, gegen Zahlung von 6 Mark reinen 
Silbers zu geftatten. 

Dat. 1333 dominica ante Michaelis. 


Kopialb. D (1.129) im Staatsarchive zu Münfter fol. 41. 
desgl. zu Grevenburg Nr. 81, wo „Hagenfinde‘ ſteht wie 
Nr. 108. 


Nr. 114. 
1334. Suni 11. 

Arnold, Knappe, Sohn des Knappen Siegfried Bozen, 
befundet, daß er ein Haus in der Stadt (oppido) Breden— 
born, 2 Hufen in dortiger Feldmark und einen Fischteich beim 
Dorfe Kymbife vom Abte und Gonvente des Klofters von 
Münfter ald Burgmann in Belit habe, mit der Verpflichtung 
in der Stadt zu wohnen und nad feinen Kräften mit den 
übrigen Burgmännern diefelbe zu verteidigen. 

Dat. in die Barnabe apost. 1334. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 82. 


Nr. 115. 
1334. Juli 4. 
Heinrih, genannt Sesberahufen, Knappe, befennt, daf 
er 2 Hufen in der Feldmark Brochuſen und einen Filchteich, 


151 





„‚Saritatendyf” genannt, mit einem Haufe und Wort (area 
— Hof) in der Stadt Bredenborn vom Abte und Convente 
des Klofters zu Münfter fo lange bejite, als er die Ber: 
pflihtung übernehme, dort zu wohnen und die Stadt mit 
den übrigen Burgmännern zu verteidigen. 


Dat. in die Odelrici confess. 1334. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 83. 


Der Karitatendyf oder Snagerdyk mit der Schnagermühle lag 
auf balbem Wege zwiihen Marienmünfter und Bredenborn. Das 
Häuschen und die Heine Mühle wurde vor etwa 3—4 Jahren abs 
gebrochen, der Mühlenteich, früher Fiſchteich, ift verfumpft. 


Nr. 116. 
1354. 
Bernhard (V.), Biſchof von Paderborn, überträgt dem 
Klofter Marienmünfter die Kapelle in Bredenborn. 


Bemerkung de3 Abt? Heinrih Höliher am Anfange des 
Kopialb. D. 


Wie lange diefe Kapelle beitanden, darüber jteht nichts Be: 
jtimmtes feit. In der Folge muß fie eingegangen fein, und bildete 
die Stadt Bredenborn eine Filiale von Marienmüniter. Um 1652 
bauete die Gemeinde unter Zujtimmung des Abt3 Hermann Meyer 
und de3 Domkapitel zu Paderborn hauptſächlich durch die Be 
mübungen des dortigen domkapitulariihen Amtmanna Hermann 
MWidemeyer eine neue Kirche, welche Biichof Theodor Adolf v. d. Reck 
auf Allerheiligen 1656 einweibete. !) Derjelbe erhob Bredenborn 
zur jelbftändigen Pfarrei und übertrug mit Genehmigung des Kapitels 
die Verwaltung dem Abte des Kloſters, welcher die Seeljorge durch 
Mönde verjehen Tief. Die Bredenborner Nüirchenbücher nennen 


!) Vergl. ein Manufcript der VBereinsbibl. zu Paderborn mit dem Titel: 
Status ecclesiarum, parochiarum, sacellanatuum et beneficiorum 
in dioecesi Paderbornensi sub illustriss, et reverendiss. principe- 
episcopo Theodoro Adolpho 1656—1658. (Ex actis visitationis 
episcopalis Episcopi Theod. Adolphi 1656.) Bezüglich der Pfarrei 
Predenborn fteht darin bemerkt: Haec ecclesia parochialis in Brei- 
denborn, ante paucos annos aedificata, ab episcopo Theodoro 
Adolpho 1656 la 9bris in honorem $. Josephi et S. Agathae 
‚virg, et mart. consecrata est. Dedicationis dies proxima domi- 
nica ante festum omnium Sanctorum celebratur, 


152 


P. Jodocus Menne von 1652—1667 ala erjten Pfarrer. Zur 
Unterhaltung des Paſtors mußte ih die Gemeinde verpflichten, 
jährlih dem Kloſter 30 Thaler zu zahlen.!) 


Nr. 117. 
1335. Suni 27. 


Die Knappen Werner u. Konrad von der Xippe, Brüder, 
verkaufen dem Abte Hermann und dem Gonvente des Klojters 
zu Münfter ihren Zehnten im Dorfe Wulfferfen für 34 Marf 
reinen Silber8 und rejignieren dem Bilchofe Bernhard von 
Paderborn, von dem jie den Zehnten als Lehn erhalten, 
alles Recht daran. 

Zeugen: Florekin von Holthujen, Ritter; Friedrih von 
Paderborn und Johannes von Eilmordefjen, Knappen; Her: 
mann von Oynhuſen, Bürger (oppidanus) in Nyhem. 

Dat. 1335 V Kal. Jul. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 84. 

Vergl. Deynb. Regeſt. I Nr. 8. 

Wulferſen lag jüdlih von Holzhaufen. Dort gibts noch ein 
Wülfiſches Feld und auch Wülfiſche Teiche. Die Wülfiſchen Teiche 
liegen ungefähr 10 Minuten von Holzhauſen rechts an der von 
Holzhaufen nah Brakel führenden Strafe. Das Wülfiihe Held 
fängt nahe an diefen Zeichen an und zieht fich in jüdlicher Richtung 
nad Erwitzen Bin. 


Nr. 118. 
1336. Mai 6. 


Wernher von Brafele, Ritter, befundet, daß er, nachdent 
Knappe Konrad Tede mit feiner Frau Agnes unter Zuſtim— 
mung feiner Söhne Konrad u. Bertold, ſowie feines Bruders 
Ernſt u. deſſen Sohnes Bertold den vierten Theil des Zehnten 
zu Alvenefjen, welchen diefer von ihm zu Zehn erhalten, dem 
Abte Hermann der Kirche zu Münfter bei (prope) Smalen: 
berg und dortigem Gonvente verkauft habe, auf jein Recht 
an dem Zehnten zu Gunsten des Kloſters verzichte, jedoch 
habe fich diejes mit dem Grafen von Perremunt zu verftän- 


2) Vergl. ein Bifitationsprotofoll von 1686 in der Regijtratur dei Ge- 
neral-Vicariat3 zu Paderborn. 


153 


digen, von weldhem er (Mernher von Brafele) mit dem 
Zehnten belehnt jei. 
Dat. et act. fer. II ante fest. ascens. Domini 1336. 


Kopialb, zu Grevenburg Nr. 85. 
deögl. zu Detmold fol. 14. 


Bergl. Ztihr. Bd. 37b ©. 153. 


Nr. 119. 
1337. März 26. 


Papſt Benedikt XIL beauftragt die Äbte (Hermann) von 
Marienmünfter und (Bertold) von S. Pauli (Abdinghof) und 
den Domdechanten (Friedrich Graf von Rietberg) von Pader— 
born, nadhdem jest die Führung des Auguſtiner-Prozeſſes 
nah dem Rüdtritt zweier Auditoren auf den Auditor Wilhelm 
von Norwich, Arhidiacon in Norwich, päpftlichen Capellan, 
übergegangen ift, bie Zeugenverhöre vorzunehmen. 

Dat. Avignon w. 0. 

Vergl. Meinardus, U.B. des Stift und der Stadt Hameln, 
Nr. 31055. 228. 

Folgendes war die Veranlaflung zu diefem langdauernden Pro— 
zeife: Abt Heinrihgvon Fulda hatte im Einvernehmen mit Bifchof 
Ludwig von Minden im jahre 1326 den Auguftiner:Gremiten der 
Provinzen ThüringenTund Sachſen gejtattet, in der Stadt Hameln 
eine Niederlaffung zu gründen. Das Bonifatius:Stift und die Stadt 
waren mit der beabjichtigten Klojtergründung keineswegs einver: 
ftanden und ſuchten das Vorhaben in jeder Weife zu bindern. 
Zrogdem gelang es 1328 den Auguftinern zu Hameln ein am 
Neuen:Markte gelegenes Haus zu erwerben, und fie bezogen am 
15. Oktober deſſelben Jahres das Gebäude. Stift und Stadt be: 
tradhteten da3 ala Eingriff in ihre Rechte und erhoben beim päpit- 
lihen Hofe zu Avignon entjchiedenen Widerjprud. Es entwidelte 
fih nunmehr ein langjähriger Streit, welcher auf beiden Seiten mit 
großer Erbitterung geführt wurde und 1360 mit der Niederlage 
der Auguitiner-Gremiten endigte In der Folge wurden fie ge 
zwungen, die Stadt zu verlaflen und das von ihnen bis dahin be— 
ſeſſene Grunditüd am Neuen :Marfte an Stift und Stadt Hameln 
zurüdzugeben. — Das oben angezeigte U.B. des Stift$ u. der 
Stadt Hameln bietet von Nr. 223 ©. 149 bis Nr. 511 S. 388 
die nähern Nachweiſe. 


154 





Nr. 120. 
1337. Mai 13, 

Florekin von Holtdujen, Ritter, bekundet, vor ihm habe 
fein Vaſall Heinrih von Ymmefjen, Knappe, mit Einwilligung 
feiner Frau Agnes, feines Sohnes Hermann u. feiner übrigen 
Erben, befonders mit Zuftimmung Heinrichs von Seßbergh, 
Sohn Bertolds von Ermworhejjen, und der Brüder Siffried 
(Priefter), Gottfried u. Heinrih, Söhne weil. Gottfried von 
Ermwordeſſen, feine Hälfte des Hofes im Dorfe u. Feldmark 
von Ermwordeflen, jowie eine Hausjtätte (Wort, aream case) 
am dortigen Slirchhofe, welche ihm, dem Heinrich von Ym= 
meſſen, allein gehört, dem Abte Hermann u. dem GConvente 
des Klofters zu Mönfter bei Swalenberg für 20 Mark reinen 
Silbers wiederlöslich verkauft. Florefin von Holthufen giebt 
al3 Lehnsherr feine Zuftimmung und fiegelt; ferner fiegelt 
Hermann von Coven, Knappe, auf Bitten ſeines Schmwieger: 
johnes Heinrih von Ymmeifen, deſſen Frau, feiner Tochter, 
u. deffen Sohnes Hermann, ebenfo Heinrih von Seßbergh. 
Die Brüder Siffried (Prieiter), Gottfried u. Heinrih von 
Ermwordeſſen, welche obigen Hof mit Heinrich von Pmmeflen 
gemeinschaftlich beſitzen, laſſen durch ihren Lehnsherrn Florekin 
von Holthujen ſiegeln. 

Dat. 1337 in die sti Servacii. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 86. 
deögl. zu Detmold fol, 236. 


Unter Hermann von Coven ift der gleichnamige Afleburger 
Vaſall zu veritehen. Vergl. Aſſeb. U.:B. II, 168 Nr. 951. 


Diefe Urf. ijt für die Gefchichte der Adelöfamilien dadurd 
bemerfen&wert, daß jie eine in alter Zeit häufig vorkommende That: 
ſache abermal3 nachweiſt, wie Glieder einer und derfelben Familie 
mandmal einen andern Namen (bei Berheiratung mit Erbtöchtern 
oder Beſitzwechſel bisweilen jogar ein anderes Wappen) annehmen. 
Bon Heinrih von Seßbergh wird nämlich gleichzeitig geſagt, er ſei 
Sohn Bertold3 von Ermwordeſſen. In ähnlicher Weife könnte 
Bertold, welcher fihd 1315 (Nr. 99) von Erdenemiflen nennt, 
diejelbe Perfon mit dem 1310 (Nr. 94) vorkommenden Bertold 
Sumercalf, Wernerd Sohn, fein. Vergl. zum weitern Verſtändnis 
der Urk. noch Zeitichr. Bd. 32b S. 137 ff. 


155 


Nr. 121. 
1337. Dftober 3. 

Die Äbte von Marienmünfter und von St. Baul in 
Paderborn und der Domdechant dafelbit, als vom Apoftolijchen 
Stuhl verordnete Commifjare, fordern auf zur Zeugenver: 
nehmung nad Herford in der Auguſtiner-Prozeßſache gegen 
Hameln. 

Dat. w. o. 

D. Meinardus, U.B. des Stift? und der Stabt Hameln 
Nr. 318 ©. 234, 


Unterm 13. Dftober (III Idus Octob.) obigen Jahres fordern 
von Paderborn aus diefelben Äbte von Marienmünfter (prope 
Sualenbergh) und von St. Paul und der Domdechant zu Pader: 
born die Kanonifer der Kirche zu Herford auf, die General: und 
Provinzial:Prioren und den Convent der Auguftiner » Gremiten zu 
Herford oder deren Bevollmäcdtigte zur Gegenwart bei der Zeugnis 
ablegung der Hameler vor fie zu citieren. Daf. Nr, 321 ©. 236. 


Nr. 122. 
1537. Oktober 14. 


Der Abt des Klofters Marienmüniter bittet den Propſt 
(Helmbert) von Gorvey, ihn, da er wegen förperlicher Ge: 
brechen in Herford nit zugegen jein fünne, dort zu ver: 
treten. 

Dat. Schloß Bredenborn mw. 0. 

Dajelbit Nr. 322 5. 236. 


Der Propft von Gorvey nahm ſowohl am 29, Oktober bei 
dem zu Herford auf dem Kirchhofe (super ossali) abgehaltenen 
Zeugenverhör die Stelle des Abts von Marienmünfter ein, wie aud) 
zu Paderborn am 12. Juni 1338, al3 die Dokumente über die 
Zeugenausfagen an den päpftlihen Hof abgeihidt wurden. Dal. 
Nr. 330 ©. 239 und Nr. 339 ©. 257. | 


Nr. 123. 
1337. Dezember 31. 

Der Knappe Johann von Eilmordefjen befundet, daß er 
mit Einwilligung feiner Frau Drudefen u. feines Sohnes 
Johann alle feine Güter in und außerhalb des Dorfes (villa) 
Ermwordeſſen dem Abte Hermann von Mengerfien u. dem 


156 


Convente des Klojterd der Hl. Maria zu Münfter bei Swa— 
lenberg verkauft habe, und bittet feine Lehnsherrn, strenuos 
famulos et honestos domicellos Johann, Werner u. Bertold 
von der Aſſeborch, diejen Verkauf zu genehmigen. Die beiden 
ih verbürgenden Zeugen, Knappen Bertold Sommerfalf und 
Heinrich Seßbergh, verpflichten fi binnen 14 Tagen (infra 
proximam quindenam) zum Einlager in Brafle, jofern dem 
Verlaufe etwas entgegentreten jollte. 

Dat. et act. in vigilia circumeisionis Domini 1337. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 93. 
deögl. zu Detmold fol. 24, 


Gedr.: Affeburg. U.B. IL, 195 Nr. 998. 


Nr. 124. 
1338. Sanuar 7, 


* Die Knappen Johann, Werner u. Bertold von der 
Aſſeborgh erklären, ihr Vaſall, Knappe Johann von Eilwor- 
deſſen, habe mit ihrer Zuftimmung feine Güter im Dorfe u. 
der Feldmark zu Ermwordeſſen dem Abte Hermann von 
Mengherſſen u. Convente des Klofters der hl. Maria in Münſter 
bei Sualenberch verkauft; fie beitätigen den Verkauf u. ver: 
zichten als Lehnsheren auf ihr Eigentumsredht an den Gütern 
zuguniten des Kloiters. 

Dat. et act. in crastino epiphanie Domini 1338. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 87, 
desgl. zu Detmold fol. 246. 


Gedr.: Afjeburg. U.B. Il, 196 Nr. 1001. 


Nr. 125. 
1338. März 27. 

Gottfried und Arnold von Paderborne, Knappen, er: 
iterer mit Zuftimmung feiner Mutter Kunegunde u. jeiner 
Frau Adelheid, legterer mit Einwilligung jeiner Mutter Eli- 
jabeth, verpfänden an Abt u. Convent der hl. Maria zu 
Münfter bei Swalenberg 4 der, wovon einer neben der 
„Stenkule“ liegt, 2 nahe beim „Bokedyk“, der legte beim 


157 


„Beningholt“, zufammen 8 Morgen (iugera), für 7 Mark 
Marburger Münze. 
Dat. 1338 feria VI post annuntiationem ste Mar.V. 
Kopialb, zu Grevenburg Nr. 88. 
Vergl. Nr. 152. 
Diefe Felder lagen nah einer alten Bemerkung in der Breden: 
borner Flur, ebendajelbjit auch der ehemalige Wald ‚‚Benningholt‘. 


Kr. 126. 
1338. April 12—18. 

Theodericus von Alnhujen, Knappe, befennt unter dem 
Siegel Biſchofs Bernhard von Paderborn u. jeinem eignen, 
daß er mit feinen Söhnen Gerhard, Lipolt, Diderih u. 
Henric auf den Zehnten von Embrete, welchen jeine Vorfahren 
zu einem Altare in Pomeſſen gejchentt, auf die gegen ben 
Pleban (Pfarrer) Otto in Nime erhobenen ——— Ver⸗ 
zicht leiſte. 

Dat. 1338 infra octavam Pasche. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 89. 
desgl. zu Detmold fol, 21b. 

Alnhuſen ift Alhauſen, Pfarrei Pömbſen. Vergl. des weitern 
zum Verftändnis diefer ſowie der beiden Nrn. 148 u. 156 Ztichr. 
Bd. 32b ©. 121 ff u. 142 fi. 


Nr. 127. 
1338. Juli 31. 
Johannes von Dldenborgh bekundet, daß er vom Abte 
u. Convente der Kirche zu Münfter 2 Eurien, nämlich Drin— 
torpe und Steinrod, auf 4 Jahre unterhabe, u. daß diejelben 
dann an das Kloſter zurüdfallen jollen. 
Dat. 1338 in vigilia Petri apost. ad vincula. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 90. 
desgl. zu Detmold fol. 29 und fol. 32. 
Drintorp (wüſt) lag jedenfalld in der Nähe von Löwendorf, 
Pf. Marienmünfter, weil nah Urk. vom 2. Januar (achten Dag 
fünten Steffen des erjten Mertelers) 1525 die Grundjtüde des 
Ktloftergutes zu Drintorp von den Einwohnern zu Löwendorf bebauet 
wurden. — An die Lage von GSteinrod dürfte eine Waldparcelle 
„Steinrod‘ am weſtlichen Abhange des Köterberges erinnern, 


158 


Nr. 128. 
1338. Auguſt 15. 

Die Brüder Ludolf u. Heinrih von Jmmedeshufen, 
Knappen, verlaufen dem Abte Hermann u. dem Kapitel der 
Kirche der hl. Maria zu Münfter drei Hufen in der Billa 
Hobredhtefjen. 

Zeugen: Johannes von Wenthojen, Ritter; die Brüder 
‚Johannes u. Konrad von Wenthojen, Knappen. 

Dat. 1338 in festo assumpt. ste Marie. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 91. 
deögl. zu Detmold fol, 30. 
Bergl. die folgende Nr. u. Lipp. Reg. III Nr. 1516. 


Nr. 129. 
1338. Auguſt 18. 

Die Brüder Ludolf und Heinrih von Immedeshuſen, 
Knappen, rejignieren jene drei Hufen in der Villa Hobrech— 
teſſen, welche jie dem Abte des Kloſters der hl. Maria bei 
Swalenberge u. feinem Convente verkauft haben, der Abtiffin 
zu Heerſe als Lehnsherrin. 

Dat. 1338 fer, III post assumpt. ste Marie. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 92, 
desgl. zu Detmold fol. 30. 


Nr. 130. 
1339. Februar 17. 

Heinrih von Nedere und feine fratrueles, die Brüder 
Johannes und Didericd von Nedere, Knappen, Söhne weil. 
Heinrichs von Nedere, verlaufen dem Abte Hermann im 
Klofter zu Münjter bei Swalenberg u. dortigem Gonvente 
4 Hufen in der Feldmark von Aldageſſen bei Nhim, welche 
- von ihnen bislang Thurelen von Horne zu Zehn gehabt, für 
50 Mark reinen Silber8 mit den Rechte des Wiederfaufs. 

Dat. in quadragesima fer. IV. proxima ante domi- 
nicam, qua cantatur Reminiscere 1339. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 94. 
desgl. zu Detmold fol. 13b. 


159 


Aldagefien (wüſt) bei Nieheim in der Nähe des Gutes Ertern- 
brot, wo es in der Gemarkung Nieheim noch ein Aldeſſer oder 
Aldarer Feld giebt. Diejes war früher dem Rittergut Holzhaufen 
zehntpflichtig. 


Nr. 131. 
1339. April 9. 

Ermgard, Gemahlin des E. 9. (domicelli) Otto zur 
Lippe, will den Abt zu Müniter an feinen Einkünften aus 
der Dykmühle vor dem oppidum (Fleden) Schwalenberg 
nicht hindern, jondern ihre officiales et advocati anweiſen, 
dem SKlojter zu jeinen 4 Viertel Roggen auf Michaeli aus 
der Mühle zu verhelfen, bis die Abgabe für 31/, Mark Her: 
forder Pfenninge, welche der verjtorbene Priefter Hermann, 
Gapellan zu Schwalenberg, dem Klofter der hl. Maria zu 
Münfter vermadt hat, von diejem wiedergefauft wird. 

Dat. 1339 fer. VI post Quasimodo geniti et Am- 
brosii episc. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 95. 

Bergl. Lipp. Regeft. III Nr. 1518. 

In alten Zeiten wurde das Feſt des heil. Ambrofiu3 am 
4. April gefeiert. 


Nr. 132. 
1339. April 9. 

Ermgard, Gemahlin (nobilis conthoralis) des €. 9. 
Otto zur Kippe, beurfundet, daß fie dem Abte zu Münfter 
u. dortigem Gonvente 6 Mark Wardberger (Warburger) 
Pfennige, 100 Biertel (bipartite) Korn, nämlid 50 Biertel 
Roggen und 50 Viertel Hafer, ſchuldig jei, u. weijet dafür 
dem Kloster den halben Zehnten zu Sommerjel, die Zehnten 
in Rotlevefjen, Everjen u. Honroden an. Sofern dem Klofter 
beim Einfammeln des Zehnten von den Herrn zu Schwalen: 
berg ein Schaden entjtände, joll diejer erjegt werden. Außer: 
dem leiten die Knappen Heinrih von Wenthufen in Swa— 
lenberge u. Hermann von Ötrunfede Bürgjchaft und ver: 
pflichten jich innerhalb der nächſten 14 Tage zum Einlager 
zu Nyhem. 

Dat. 1339 fer. VI post Ambrosii. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 96. 
Vergl. Lipp. Regeit. IV Nr. 2502 und II Nr. 808, 


160 


Nr. 133. 
1339. Oktober 18. 

Hermann, Graf von Everftein, und deffen Sohn Dtto 
befunden, daß der (discretus et multe sapientie vir) Abt 
Hermann und der Convent des Klofters in Monjtere prope 
Sualenberg ihnen die Hälfte der Einkünfte in Korn u. Vieh 
jamt Hühnern u. Eiern von den Gütern in Drintorp, Steyn- 
rod, Mestorpe und Leverntorp auf ſechs Jahre übergeben 
haben mit der Verpflichtung, dieſe zu beſchützen u. zu ver- 
theidigen, jomwie den Bürgern zu Bredenborn ihre Holzbe- 
rehtigung daran zu laſſen. 

Dat. 1339 ipso die Luce evang. 


Kopialb, zu Grevenburg Nr. 97. 
deögl. zu Detmold fol. 29. 


Gedr.: v. Spilder, Gr. v. Everſtein, Urkb. Nr. 363 ©. 318. 


Leverntorp ijt Löwendorf in der Pf. Marienmünfter. — In 
Löwendorf und andern in deilen Umgebung am Fuße des Köter— 
bergeö belegenen, nunmehr meift wüjten Orten, war aud das Stift 
Corvey von alterher begütert. Unter VBerüdfihtigung der Tradit. 
Corb.!) ſcheint Duggun, fpäter Dungon oder Dungen, der Haupt: 
bof diefer Beſitzungen gewefen zu fein. Über die Lage diefes aus: 
gegangenen Ortes, in deſſen Nähe vielleicht gegen Ende des 16. 
Jahrh. das Dorf Hohehaus entitand, enthält das Marienmünfteriche 
Kopialb. D. die Bemertung: Dungen situm est inter Bremen 
(Bremerberg) et Eykholt (bei Bremerberg). 

Mit diefen Gütern waren die Grafen von Pyrmont beliehen, 
insbejondere hat nach dem Lehnsregiiter von 1360 Hermann, Graf 
von Veremunt, die Villa Dungen. Mit dem 15. Jahrh. find dann 
die Kannen zu Lügde in Belig dieſer Corvey'ſchen Befitungen ge 
fommen, anfangs als Afterlehne von den Pyrmonter Grafen. Zu 
diefen Lehnſtücken gehörte uriprünglid auch das Kirchenlehn zu 
Löwendorf, wie fih aus dem Lehnäreverfale des Grafen Morit 
von Pyrmont aus d. %. 1488 ergiebt. Dafelbit heißt es: „item 
villam in Levendorpe cum ecclesia ibidem dieta de Lan- 
genhagen“, jedoch wird in den Pyrmonter Lehnbriefen für bie 
Kannen regelmäßig das Kirchenlehen zu Löwendorf ausgeſchloſſen. 





1) Vergl. die Ausgabe von Wigand $ 139, Ztichr. Bd. 41b ©. 69 u. 
x rn 42b ©. 2 u. 3, fowie Wigand, Corvey'ſche Güterbeſitz 
>. 98 ff. 


161 


Die erfte urkundlihe Nachricht über dieſe Lehnsverhältniſſe 
rührt aus dem %. 1407, Juni 15 (in die Viti martyris). 
Heinrih, Graf von Pyrmont, belehnt die Kannen zu Lügde, nämlich 
die Brüder Bernhard, Heinrih, Hermann und Johann „to einem 
rechten Erve: Manlene mit dem ganten Dorpe to Leveringtorpe, 
‚‚uthgeicheiden dat Kerdlein.. . .“ mit der Webeme u. mit alle finer 
Tobeböring ..., u. mit dem gangen Dorpe to Dungen u. mit dem 
ganzen Dorpe to der Node u. dillen vorichreven Dorpe alle mit 
oren Tegenden, Gerichten u. Rechten, u. mit alle oren Tobe: 
boringen ... u, mit dem langen Hagen balff u. mit deme Dorpe 
to den Koten halff u. mit deme Tegeden halff darfelves over duſſe 
vorſchreven twe halve Dorpe u. mit oren Gerichten, Rechten u. 
Tobehoringen ... u. myt einem Meiger-Hove to Dendenhufen ?) 
mit veir Hove Landes u. mit einem Kothove darfelves mit alle 
oren Rechten u. Tobehoringen.“ 


Nah dem Tode des Grafen Morik von Pyrmont (+ 4. Mai 
1494), welder feine männlide Nachkommen hinterließ, ging Die 
Srafihaft auf die Grafen von Spiegelberg über u. bejtand unter 
ihnen das frühere Lehnsverhältnis der Kannen wegen der Löwen: 
dorfer Güter noch fort. Friedrich, Graf zu Spiegelberg, belehnt 
nämlihd om 24. Auguft (am thage Bartolomei) 1496 „Idell 
Kannen tho behoif ſines Vedderen Joet Kannen, von Lügde gebeten, 

. mit dem Dorpe tho Yeverintorpe‘” u. den übrigen vorhin ge: 
nannten Lehnsſtücken. 

Eine Urkunde?) vom 11. Juni (am Britage nad) Medardi) 
1535 erzählt weiter, daß zwiichen dem Abte Franz und dem Stift 
Corvey, fomwie der Stadt Hörter auf der einen, u. ... Johann u, 
Heinrih Kannen, Gevettern u. Brüdern auf der andern Seite, 
wegen Poſſeſſion u. Gerechtigkeit der Dörfer u. Wüſtenungen ... 
Aildenna, Dungen, Langenhagen ... der Kotten, fowie der dazu 


1) Staatsarchiv zu Münjter, Corveyer Lehnsakten Nr. 460. 

2) Dendenhujen (1535), Dennefhaufen (1557) lag auf der Höhe ded 
Kapenberges zwilchen Bremerberg u. Ovenhauſen. Die Flurbezeich— 
nungen im Walde: Dorpdentelfen, Denkeljtih (Denfhufer Stieg) er- 
innern an den Drt. Nod; 1589 war Dendelitich ein Dorf u. als 
Filiale nad) Altenbergen eingepfarrt. Bgl. Wigand, Corveyer Güter: 
beſitz ©. 83 ff. 

) Stadtarchiv zu Hörter Nr. 95. Die Urfunde hat mehrere durd 
Teuchtigfeit erlofchene Stellen, welche durch Punkte fenntlich gemacht 
find. Die drei Siegel der landgräflichen Commiſſarien fehlen. 


XLVII. 2, 11 


162 


gerodeten Ländereien halber u. in betreff alles beilen, was zwijchen 
Fürſtennaw u. Lebendorf belegen, jeit langer Zeit große Jrrung ge 
weſen. Meil Schiedäfreunde nicht? ausrichten konnten, bat ſich der 
Landgraf Philipp von Heflen auf Verwendung der WBarteien der 
Sade angenommen u. einigemal durch jeine Räte Befichtigung und 
Verhör der Sache thun laſſen. Es kam aber nichts zuftande, bes: 
halb fette der Landgraf auf Donnerdtag nah Medardi (10. Juni) 
abermals einen Tag an u. jhidte feine Räte Burchhard von Cramm 
zu Drindelnburgl (Drendelburg), Heinrih Meiſenbugk zur Lichtten: 
naw, beide Amtmänner u. den Doktor der Nechte Walter, welche 
auf dem Nathaufe zu Hörter die Sache vornahmen u. fanden, daß 
die Schnadlinie noch einmal müfle beritten werden. Die Schnab 
wird ron ihnen in der Weile feitgefett, wie es früher zwiſchen 
Corvey u, den Kannen geweſen ... Der Schnadezug erwähnt ge: 
legentlih die Kottenbreite und da Dörflein Kotten. Was auf der 
einen Seite nah Fürjtenau liegt, gehört dem Stifte, u. was auf 
der andern Seite nach Lebendorf zu gelegen ijt, den Kannen. Von 
dem auf der einen oder andern Seite Gerodeten foll der gebräuch— 
liche Zins entrichtet werden. Dagegen überlaffen die Kannen 1) 
an Eorvey den Hof zu Denelenhaufen mit ungefähr 4 Hufen Land. 
Da die ftreitig gewejenen Orte und Güter Eigentum de3 Stifte 
Gorvey u. von diefem den Grafen von Permunt verliehen u. nad 
deren Abjterben durch die Grafen von Spiegelberg, als deren Erben, 
binwieder an die Kannen zu Afterlehn verliehen worden, Corvey 
aber meint, daß dur das Abjterben der Grafen von Permunt bie 
Güter dem Stift frei heimgefallen jeien, jo fol u. will der Abt 
nunmehr den Grafen von Spiegelberg auf fein Anfuchen ſamt feinen 
Mannleibeslehenserben belehnen, u. die Kannen mögen im Befit des 
Afterlehens bleiben, Wenn aber die von Spiegelberg fonder Manns: 
erben mit Tode abgehen, jollen die Kannen das Lehen von Corvey 
empfangen, u. das Eigentum befjelben aljo dem Stift bleiben. Die 
Parteien geloben, daß hiermit aller Streit u. Unmillen auf ewig 
in Güte foll geichlichtet fein. 

Nah dem Ausfterben der Spiegelberger Grafen wurden bie 
Kannen von Korvey unmittelbar belehnt. Abt Dietrich von Corvey 
belehnt am 25. Auguft 1595 „zu einem rechten Erbmannlebhen 
Idell Kannen zum Bredenhope als den eldejten zum mitbehuef 


9 — a. a. O. hat hier ©. 84 noch den Zujag „to dem Breden- 
oipe“. 





163 


Jobſten u. Arendten jahligen Ludolfen, Wilhelm, Burchardten, fahligen 
Burchardten Sohnen, u, Dietherihen jahligen Dietherichs Sohn, alle 
Gevettern und Brüdern die Kannen, mit dem gangen Dorpe tho 
Leveringdorpe‘‘ und den übrigen in der Urk. von 1407 angege: 
benen Lehnsftüden. Außerdem enthalten die Corveyer Lehnsalten T) 
nod ein Gejuh des Jobſt Kanne vom 14. Januar 1598 an den 
Abt Dietrid um den lehneherrlihen Gonjens zur Beleibzüchtigung 
feiner Ehefrau mit feinem Hofe nebjt Zubehör in u. außerhalb 
Leimentorf. 

In den folgenden Lehnbriefen ?) kommt das Dorf Dungen als 
nicht mehr beitehend vor und tritt Hohehaus an defjen Stelle, außer: 
dem bezieht ſich das Lehn nur auf Lömwendorf, Hohehaus u. das 
nunmehr wüſte Dorf „tho dem Rode’. Die übrigen Ortſchaften 
müflen demnah um 1600 verihmwunden jein. 

Abt Dietrih belehnt am 24. Mai 1602 Yobiten Kannen als 
Älteften zu Mitbehuf Arendten feines Bruders mit dem gantzen 
Dorpe zu Levendorpe, ausbejheiden das Kirchenlehen mit der Wedem, 
mit dem gangen Dorfe zu Dungen, jo ifo das Hagehauß genannt, 
u. mit dem ganten Dorpe tho dem Node u. dieje vorgejchrebenen 
Dorpe alle mit iren Tegeden, Gerichten u. Rechten u. mit allen 
ihren Thobehorungen. 

In ähnliher Weile find die folgenden Lehnbriefe des Abt 
Henrih für Bernd, Yudolf Kannen zu Mitbehuef Dietrih, Mordian 
u. Raben gefammten Gebrüdern u. Vettern respective alle Kannen 
am Sonnabend vor Quasimodo geniti (21. April) 1618, fowie 
feitend des Abt? Arnold für Mordian Kannen am 30. September 
1643 außgefertigt. 

Im Jahre 1695 verkauften die Brüder von Kanne zu Bruch 
haufen Friedrih Mordian u. Johann Wilhelm, Dombderr zu Vader: 
born, unter Zujtimmung von Corvey u. mit Ginmwilligung der 
Kannen zu Meißen als mitbelehnte Vaſallen die Lömwendorfer Güter 
für 10000 Ihaler an den Paderborner Fürjtbifhof Hermann 
Merner Freiherr v. Wolff-Metternich, welcher fie zunächſt feinem 
Neffen Leopold Hieronymus, der von ihm auch die von denen von 
Amelunren erfauften Güter MWehrden, Amelunren u. Drente erhalten 
hatte, überließ und zu einem Fideicommiſſe conjtituierte. Gegen 


1) Staatsarchiv zu Münfter, Corvey’er Lehnsakten Nr. 460. 
*) v. Kanne'ſches Archiv Er Bruchhauſen, jetzt im Befige des Frhrn v, 
MWolff-Metternicd zu Wehrden. 


11* 


164 


biefen Verkauf u. die nachfolgende Belchnung für die Familie v. 
Molff:Metternih erhob Idel Yobit von Kanne zu Breitenbaupt 
Widerſpruch u. behauptete, in feinen Lehnrechten an den Gütern 
u. dem Geriht Lömwendorf benachteiligt zu jein. Mehrere Jahre 
dauerte der daraus entftandene Nechtöftreit, der jedoh nah dem 
Tode des Idel Jobſt von Kanne durch folgenden, am 5. Januar 
1699 zwiichen den Nerfäufern ber Güter, den Brüdern von Kanne 
zu Bruchhauſen u. dem Bormunde der Hanne’ichen Kinder zu Breiten: 
haupt Diedrich Adolf von Deynhaufen zu Eichholz, Paderborn'ſchen 
Droiten zu Steinheim, abgejchlofienen Vergleich beendigt wurde: 
Den Kanne’schen Erben zu Breitenhaupt bleibt ihr Recht am Gericht 
u. Gut Löwendorf gewahrt, fie jollen nah dem Ausſterben des 
Metternih’ihen Mannjtammes der Lehndfolge fähig fein, u. wird 
diejes künftig in den jedesmaligen Lehnbriefen ausdrüdlih bemerkt. 
Was in Folge des Vergleiht vom Jahre 1609 zwifchen den Kannen 
zu Lugde und den Kannen zu Breitenhaupt legtern an Korn, Geld 
u. ſonſtigen Renten aus dem Gerichte Löwendorf zufteht, Toll ihnen 
ungefchmälert bleiben, dagegen follen fie zu jedem Lehnfall bei der 
Corveyer Lehnskammer ein Drittel beitragen. Für den Fall, daß 
bei Kannen zu Breitenhaupt feine männliche lehnsfähige Perſon 
übrig ift, follen ihre bisherigen Renten u. Gefälle an gedadten 
Gütern an den Metternih’ihen Mannitamm übergehen. Beim Aus: 
jterben des Metternih’ihen Mannjtammes werden aber die Kannen 
zu Breitenhaupt nicht eher in den Beſitz ded Gutes u. Gerichts 
Löwendorf fommen, als bis fie die vom Fürftbifchofe zur Bezahlung 
der Schulden und Beljerung des Lehns aufgewenveten 4800 Thaler 
an die Metternich'ſchen Allodialerben bezahlt haben. Fürſtbiſchof 
Hermann Werner gab am 15. Januar 1699 zu diefem Vergleiche 
jeine Zuftimmung u. ebenjo am 14. April vefjelben Jahres der 
Abt Florenz von Corvey. Bis in unjer Jahrhundert hinein blieben 
die Freiherrn v. Wolff: Metternich zu Wehrden im Befige dieſer 
Güter. Im Jahre 1813 verkaufte der damalige Inhaber des 
Ritterfiges Landrat Philipp Frhr. von MolffrMetternih (zu fran: 
zöfifch-weitfälifcher Zeit Unterprefelt de3 Diſtrikts Hörter) da ganze 
Gut Löwendorf für 12400 Thaler an die Gemeinde, welche dem: 
nächſt die Grundjtüde u. Mühle wieder an die Bauern veräußerte, 
dagegen die Weide u. die 125 Dlorgen Wald ald Gemeindeeigen: 
tum behielt, 

In der Nähe von Löwendorf nach Fürſtenau bin liegt das 
Dörfhen Saumer, Nach Gorveyer Lehnsregijter von 1375 beſaß 


165 


Albert von VBoffejen den Zehnten uppe der Sunmere. Nah Urk.) 
vom 29. September (am Tage Michaelis archangeli) 1576 
verkauft das Stift Corvey, nämlich Neinhard Abt, Johannes Prior, 
Heinrih Senior u. Küfter, Adolf Kellner, an Johann Nevell, Bürger: 
meifter in Hörter u. lieben, deſſen Hausfrau, etliche Stiftsgüter 
an Zehnten, Meierhöfen, Heuer und Ländereien, wie fie ſchon deſſen 
Großvater Hermann Groven in Verjak gehabt, nämlich einen Teil 
des Nodzehnten vor Dttbergen, einen Meierhof zu Gobelheim, den 
itzo Henrih Engeln dafelbit adert, stem einen Zeil der Heuer 
u. des Zehnten uf der Samer u. Falkenflucht neben dem 
Beringkhujer (Brenkhauſen) Gute u. zwanzig halbe Vlorgen Landes 
vor Hörter gelegen, für 347 Goldgulden und 206 Thaler, welche 
das Stift früher als DVerfaggeld erhalten, jedoh mit dem Vorbe— 
halte, diefe Güter nad dem Tode des Käufers von — Erben für 
obige Summe wiedereinlöſen zu können. 


Für Löwendorf, Dungen (Hohehaus), Saumer u. andere Heine, 
nunmehr eingsgangene Ortichaften beftand eine gemeinfame Pfarr 
- Hirde. Dieie mag anfangs zu Langenhagen geitanden haben, muß 
aber ſchon frühzeitig nach Löwendorf verlegt jein. Nach dem Ardi- 
diafonatsregijter von 1251 ?) war Leverincthorp ein Pfarrdorf im 
Arhidialonat Steinheim. Abgeiehen von der Bemerkung über die 
Kirche zu Levendorpe im XLehsreverjale de3 Grafen Morig von 
Pyrmont von 1488, erwähnt aud) ein Registrum contributionis 
sedis Stenhem?) aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. die 
Piarrlirhe Lewentorpe, welche varin als die unbedeutendite Kirche 
des Archidiafonats zu dem Heinen Betrage von 2 Bielefelder 
Schillingen eingefhägt it. In der Folge bekam das nahe Kloiter 
Marienmüniter die Verwaltung der Pfarrei, Löwendorf mit den 
andern Ortichaften wurde Filiale der Klofterpfarrei, u. die Pfarr: 
güter gingen in den Klojterbejig über, wenngleich einige Pfarrrechte 
für Löwendorf vorläufig noch erhalten blieben. Nach einem Vilitations: 
protofol! von 1686) bejaß nämlih die dortige Kirche bis ins 
17. Jahrh. hinein einen bejondern Kirchhof oder Gottesader, der 


ı) Driginal im Staatsarhiv zu Münfter, Fürftentum Corvey. Die 
Urk. iſt cancelliert und trägt auf der Rückſeite den Vermerk über 
MWiedereinlöfung der betreffenden Beſitzungen. 


2) Wilmans, Weitf. U.B. IV Nr. 204. 
3) Vergl. Ztſchr. Bd. 32b ©. 144. 
*) desgl. Bemerkung 2 zu Nr. 116. 


166 





allerding® während des 30jährigen Krieges profaniert wurde und 
außer Gebraud kam. Der Status der alten Diöcefe Paderborn, 
unter dem Bijchofe Theodor Adolf beichrieben von 1656 — 1658 1), 
zählt Levendorf, Saumer und Hohenhauß zu den Filialen von 
Marienmünfter. Die Pfarrkirche, welche in der heutigen Kapelle 
ihren ältern Bejtandteilen nah gewiß nod erhalten it, war dem 
hl. Martyrer Patroclud geweiht, woraus man zu jchließen geneigt 
ift, alte Beziehungen zu Soejt anzunehmen. Nah frühern Nach: 
richten beſaß Löwendorf ein altes Bild des Heiligen in der Kirche, 
das hoch in Ehren jtand, aber nunmehr verihwunden ift. Dagegen 
bat die jetige Kapelle im J. 1866 einige Reliquien aus der Pa— 
troclifirhe zu Soeit erhalten, u. wird ſeitdem das Seit der Reliquien: 
übertragung alljährlih im September von der Gemeinde Lömwendorf 
als Firchlicher Feiertag begangen. 


Nr. 134. 
1339. Dezember 6. 

Bernhard (V.), Biſchof von Paderborn, ſchenkt mit Ein- 
willigung des Domkapitels dem Abte Hermann u. dem Con— 
vente de3 Kloſters der hl. Maria zu Münfter bei Sualenberg, 
welches 50 Mark reinen Silbers zur Erwerbung des Schlofjes 
Krufenburg u. Helmmorbeshufen (Helmershaufen) bergegeben, 
für ewige Zeiten eine Kornrente von 40 Viertel annone 
duplieis, nämlid 20 Viertel Roggen u. 20 Biertel Hafer 
Brafeler Gemäß vom Zehnten in Vörde. 

Dat. 1339 ipso die bti Nicolai epi. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 98. 
deögl. zu Detmold fol, 29. 


Im Auszuge bei v. Spilder, Grafen von Everftein, Urktundenb. 
Nr. 364. 


Nr. 155. 
1339. Dezember 13. 


Bernhard (V.), Biihof von Paderborn, bekundet unter 
Zuftimmung des Domlapitel3, daß er einverftanden, da durch 


2) Bergl. Bemerkung 1 zu Nr. 116. Bei der Pfarrei Marienmünfter 
iſt bemerft: „Sacellum unum est in pago Levendorf, cuius patro- 
nus S, Patroclus. Dedicationis dies servatur ipso die 8. Jacobi 
stil. vet, Est ibidem antiqua status S, Patrocli miraculosa, 


jeine Borgänger 6 Mark reinen Silbers an Einkünften, 
welche von der Precarie (Beede) in Nihem zu heben iind, 
dem Ritter Johann, den Kappen Johann u. Konrad, Brüdern 
von Wenthufen, für 66 Mark Silber verfauft waren, daß 
der Abt Hermann des Klojters Münjter bei Sualenberg diejen 
jene 6 Marf abfaufen u. dann jtatt 6 Mark jährlih nur 
5 Mark fordern wolle. 
Dat. 1339 ipso die Lucie virg. 


Bürgermeijter, Nat u. Gemeinheit der Stadt Nihem 
veriprechen, jährlich zwiichen Michaeli und Martini dem Abte 
und dem Gonvente des Klofters Münſter bei Sualenberg 5 
Mark reinen Silber als dauernde Verpflichtung zu zahlen. 

Dat. mw. o. 

Kopialb. zu Grevenburg Wr. 99. 
deögl. zu Detmold fol. 30. 

Vergl. die folgende Nr., wo das Kopialb, jtatt 66 Mark viel 

leiht unrichtig 60 Mark überliefert hat. 


Nr. 136. 
1340. Februar 10. 


Hermann Abt, Albert Prior u. der Convent des Aloſters 
im Mönjter der hl. Maria bei Sualenberg fommen überein, 
daß jie von den 5 Mark Silber, welche von Johann, Ritter, 
Sohann u. Konrad, Knappen, Brüdern von Wenthujen, 
mit Zuitimmung des Biſchofs Bernhard zu Paderborn für 
den Gonvent als jährliche Rente um 60(?) Mark Eil"-r 
erworben find, und die der Nat von Nihem bezahlen muß, 
dem SKlojterbruder Prieiter Diederih von Brafele jährlich 
eine Mark für erhaltene 121/4 Mark Silber geben wollen. 
Derjelbe Klofterbruder wünſcht, daß nach jeinem Tode der 
Garitatenmeilter für die Mark einen Jahrtag mit Meffen u. 
Vigilien für ihn abhalten Laffe. 

Dat. 1340 ipso die Scholastice virg., IV Idus Febr. 

Kopialb, zu Grevenburg Nr. 100. 


Ar. 137. 
1340. Duni 21. 
Heinrih, Propſt zu Gerdene, bekundet, daß er dem Abte 
Hermann zu Münfter 12 Mark ſchwere Wartberger (Warburger) 


168 


Denare u. 60 Biertel Roggen auf Michaeli bezahlen müſſe. 
Siffrid Boyfe (Boſe) u. Johannes von Boventorp verpflichten 
ih al3 Bürgen für Geld;ahlung u. Kornlieferung. 
Dat. 1340 ipso die Albani mart. 
Kopiald. zu Grevenburg Nr. 101. 


Nr. 138. 
1341. Sanuar 18. 

Ludolf und Heinrich, Brüder von Immedeshufen (Imbſen), 
Knappen, verfaufen dem Abte und dem Convente im Kloiter 
bei Swalenberg ihre Güter in Hemedilfen, welde von den 
Herrn (nobilibus) von der Afjeborch zu Lehn gehen. 

Dat. 1341 in die Prisce virg. 

Kopiald. zu Grevenburg Nr. 103. 
deögl. zu Detmold fol. 26b. 

Hemediffen iſt Hembſen bei Brakel. Bergl. Aljeburg. U.:B. 
II, 209 Nr. 1022. 


Nr. 139. 
1341. Januar 21. 


Sohannes, Werner u. Bertold von der Aſſeborch befunden, 
dag ihre Vaſallen, Yudolf u. Heinrih, Brüder von Immedes— 
huſen, Knappen, dem Abte Hermaun von Mengherken u. 
dem Gonvente zu Münſter bei Sualenberg eine Curtis im 
Dorfe (villa) Hemedeſſen u. 4 Hufen in dortiger Feldmark 
verkauft haben. Die Aſſeburger genehmigen als Lehnsherrn 
mit Einwilligung ihrer Erben, nämlich Bertold3, des obigen 
Bertold Sohn, den Verlauf. 

Zeugen: (Hermann) Dedant ecclesie (sancti Petri) 
Huxariensis; Konrad von Vlechtene, Heinrich von Wenthoſen 
(Burgmann) in Wörde (morans in Vorde) u. genannt Szeß— 
berg, Knappen; Heinrih Wien u. Johannes Weftenberg. 

Act. Brafle atque dat. in die ste Agnetis 1341. 

Kopiald. zu Grevenburg Nr. 102. 
deögl. zu Detmold fol. 26. 

Gedr.: Aifeburg. U.B. II, 209 Nr. 1023. Alte Randbe: 
merfung: Von diejer Curtis werden jährlich gegeben: 6 Viertel Hafer, 
3 Viertel Roggen und 3 Schillinge (solidi). 


169 


Nr. 140. 
1341. März 22. 

Boldewin (von Steinfurt), erwählter und beitätigter 
Biſchof von Paderborn, Otto Propft, Friedrih Dedant, u. 
das Kapitel befunden, daß jie mit dem Abte u. dem Convente 
des Klofters Münfter bei Sualenberg in derjelben Weile, 
wie früher Bilchof Bernhard (V.) wegen der Burg 
Vörden, einen Taufchvertrag wegen der Burg Bredenborn, 
welche das Klofter auf Veranlafiung Bernhards, aber aus 
nn Mitteln zu jeinem Schutze gebauet, abgeſchloſſen 
haben. 

Abt und Eonvent übergeben die Felte ihres Kloſters in 
Bredenborn mit allen Rechten, Gerichten, Zehnten u. Län— 
dereien mit einer Mühle und zwei Teihen vor der Purg u. 
zwei Teichen zu Marbede, ferner mit dem Dorfe Brochujen 
ohne den Zehnten, zugleich mit drei Wäldern, als dem it: 
brod, Frettholt und Bornholt, jedoch behalten jie ihrem 
Klofter das Steinhaus (domus lapidea) zu Bredenborn vor 
nebit einem angrenzenden Hofe, 6 zehntfreien Hufen, einer 
Miele beim Dorfe Brochujen, einem Walde genannt Bennind- 
holt, 7 Hufen Landes mit zwei Burgmwiejen, weldhe als Burg 
lehn die Burgmänner bejigen jollen. 

Dagegen überweijet der Biſchof obigem Abte und Con— 
vente den Zehnten zu Brungherien, ferner Yändereien „dat 
Ebrock“ gebeifen mit Zehnten nebſt jonitigen Einkünften u. 
ichließlich eine Mühle vor Nihem, die Brochujer Mühle ge: 
nannt. Zugleich wird das Kloſter entbunden von allen 
Sontributionen und Subfidien, zu melchen Kirchen, Klöfter 
und ver Didcejanklerus herangezogen werden, außer fie würden 
vom Papite oder dem Mainzer Erzbiichof (ala Metropolitan) 
auferlegt, jedoch ſoll dieje Befreiung nicht auf die Pfarrer 
(rectores) der incorporierten Kirchen ausgedehnt werden. 
Schließlich befreit der Biichof das Haus in Bredenborn von 
allen jtädtiichen Laſten. 

Dat. 1341 fer. V post Letare Hierusalem. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 104. 
deägl. zu Detmold fol. 17. 


Gebr. mit einigen Fehlern bei Schaten, ann. Il ad ann. 


Burg und Stadt Bredenborn wurde von den folgenden Biſchöfen 
nod mehr befetigt und blieb im Belige der Paderborner Kirche 


170 


bis auf Fürſtbiſchof Ferdinand von Bayern, welher durch Urkunde 
vom 19. Dezember 1618 Amthaus Brebenborn und die dortigen 
Güter mit der niedern Gerichtäbarkeit dem Domlapitel jchentte. 

Die einzelnen Ortöbezeichnungen, wie Marbede, Ajtbrod, Frett- 
bolt, Bornholt u. Bennindholt, werden bei Bredenborn zu ſuchen 
fein. Auf Brochujen oder Brochhuſen dürfte der Brofter (Broc: 
bujer):Berg hindeuten, eine Heine Erhöhung zwiſchen Bredenborn 
einerjeit3, Entrup und dem wüſten Hobreren anderjeitd, unweit des 
Beber: oder Beverbaches, der weiter der Emmer zufließt. Hier im 
Nähe, nah Nieheim zu lag die Vrochufer Mühle. Später im 16. 
Jahrh. kommt fie als Brocmühle bei Nieheim vor. Am 2. Februar 
(in festo purificationis virg. gloriose Marie) 1534 vers 
kaufte nämlih das Klofter Marienmüniter (Heinrih, Abt und Her: 
mann, Prior) dem Nate und der Gemeinheit zu Nihemb die „„Brod- 
möllen vor Nihemb gelegen, de uns von einem Herrn und Capittul 
tho Paderborn voregent in einer Bütenichop tho bejittende was over- 
gegeben’’, gegen eine jährliche Nente von drei Kopmansgülden, auf 
Lechtmiſſen zu zahlen.) — Möglicher Weiſe ift es diefelbe Mühle, 
welche heute als Brofer Mühle beim Gute Erternbrof im Betriebe 
ift. „Dat Ebrod’ iſt eine Feldflur bei Nieheim, welche fi nord: 
öftlih von der Stadt nad Everjen hinzieht. Abt Heinrih Hölicher 
bemerft am Anfange des Kopialb. D, quod Nihemenses dent 
annuam Hüram ex Ebrock centum modios hordei, sive 
agri sint steriles sive fertiles. 


Nr. 141. 
1341. Dezember 16. 


Boldomwin, Bilhof von Paderborn, befundet, daß Bertold 
Somerkalf, Knappe, dejjen Frau Hildeburg u. Bertold, ihr 
Sohn, dem Abte Hermann im Klofter zu Münfter und dem 
Convente dajelbit den Zehnten im Dorfe Erdenemifje, welcher 
vom Biſchof zu Lehn geht, verfauft haben, dab aber darauf 
von Heinrich, Ludolf und Bertold von Driborgh Anſpruch 
erhoben jei, dieje jedochnunmehr Verzicht geleitet Hätten. 

Zeugen: Werner Raveno von Calenberg, Raveno 
Herbold von Papenhem, Hermann von Galenberg, Ludolf 








) Vach einer Abjhrift in der Regijtratur des General-Vitariats zu 
Paderborn. 


171 


von Herife, Albero von Erflen, Ritter; Heinrich von dem 
MWolde, Siffrid genannt Borne, Johannes Holtgreve, So: 
bannes Hende, Knappen. 


Dat. 1341 dominica proxima Lucie virg. 


Kopialb, zu Grevenburg Rr. 105. 
desgl. zu Detmold fol. 20. 


Bergl. Nr. 150, 


Das Gefchleht von dem Wolde jtammt aus dem Ravensber—⸗ 
giſchen. Walburg, die legte Äbtijfin von Böddelen vor Ummand- 
lung in einen Convent von Auguftinerhorherrn, welche von 1390 
bis 1408 vorkommt, gehörte jenem Gejchlehte an. (Vergl. Aſſeb. 
U.B. II, 191, Nr. 990.) Diefe Urt. erwähnt Schaten in feinen 
Annalen zum gedadhten Jahre, um die Zeit der Weihe Balduin 
zum Bifchof zu bejtimmen, Er verlegt fie zwiihen Mär; 22 und 
Dezember 16, weil in erfterer Urt, (Nr. 140) Balduin „‚electus 
et confirmatus Epus”, in diefer (Nr. 141) dagegen „Pader- 
born. ecel. Epus“ heißt. Nunmehr fteht nad Aſſeburg. U.B. II, 
214, Nr. 1033 urkundlich feit, daß diefe Biſchofsweihe kurz nad 
dem 18. Auguft des %. 1341 in der Stiftskirche zu Herford u. 
wahricheinlih dur den Frater (Dominicaner?) Albert, Biſchof 
von Jlonium (Ykonensis) vorgenommen ift. 


Nr. 142. 
1342. Mai 9. 


Die Brüder Volmer u. Heinrich (Heino) von Werdere, 
Knappen, befennen, daß ihnen Abt und Kapitel in Müniter 
das Dorf Lüttefen : Bremen mit allen Rechten außer dem 
Zehnten ad defendendam et regendam eandem villam auf 
4 Jahre überlaften bat. Nah Ablauf derjelben fällt die 
Villa ans Klofter zurüd. 


Dat. 1342 ipso die ascens. Domini. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 106. 
deögl, zu Detmold fol. 31. 
Lüttefen:Bremen iſt gleichbedeutend mit Bremerberg, bat ent: 


weder einen Teil des jeigen Dorfes ausgemacht, oder doch in feiner 
Nähe gelegen. 


172 





Nr. 143. 
1342. Dezember 28. 

Boldowin (Balduin von Steinfurt), Biſchof von Bader: 
born, befundet, dab vor ihm Johannes von Schorlemer und 
jeine Frau Mechtild, jowie die Knappen „Johannes, Werner 
u. Bertold von der Aſſeborch, Boncilina, Werners Frau, 
u. Bertold der jüngere von der Ajjeborh, Sohn jenes Ber: 
told, dem Abte Hermann von Mengherjien u. dem Convente 
des Klofters der Hl. Jungfrau Maria zu Münfter bei Sua— 
lenberg den Didhof im Dorfe Wlechtene, welden Werner mit 
Gerechtigkeit u. Zubehör au Johannes von Scorlemer als 
Brautibag deſſen Frau Mechtilde (jeiner Tochter) gegeben, 
der von der Paderborner Kirche zu Lehn geht, für 60 Mark 
reinen Silber übertragen haben. Boldowin, Biſchof, Otto 
von Bentheim, Dompropit, Friedrich von Nedberghe (Bruder 
der Boncilina von der Aſſeburg, Werners Frau), Domdechant 
u. das Kapitel zu Paderborn genehmigen auf Bitten der 
Dbigen den Verkauf, indem jie den Hof frei an das Klofter 
abtreten, jowie aus dem Lehnsverbande entlaffen und jiegeln 
mit den Aſſeborchern. 

Zeugen: Konrad der Jüngere, Edler von Schonenbergh; 
Werner von Brafle u. Hermann von Salenbergh, Ritter; 
Helmic Tede genannt Sesberg, Heinrich von Mengherſſen u. 
Heinrich von Nedere, Sinappen. 

Dat. et act. sabbato infra festum nativitatis 
Christi 1342. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 107. 
deägl. zu Detmold fol. 19b. 

Gedr.: Affeburg. U.:B. II, 221 Nr. 1046. Wigands Archiv 
VI &.35. — ®ergl. Schaten, ann. Paderb. II ad ann. 

Dieſe Urk. zeigt, wie Edelherren u. Ritter bei Heiraten ihrer 
Töchter letztern als Heiratsgut jtatt einer Mitgift in Geld aud 
Güter abtraten. 


Nr. 144. 
1317 — 1342. 
Hermann, Abt, Everhard, Prior und das Kapitel der 
Kirche zu Müniter bei Swalenberg befennen, dag Albert gen. 
Sandeshere, Mechildis feine Frau u. Johannes ihr Sohn, 


173 


Bürger in Brafle, vom Klofter für 21 Mark Wardberger 
Denare eine jährlihe Rente von 21 Schillingen derjelben 
Währung, zahlbar aus dem Zehnten zu Seybete, gekauft 
haben. 

Undatiertes Bruchſtück im Kopialb. D fol. 22. 


Unter dem Abte Hermann ijt wahrſcheinlich Hermann von 
Mengerjen zu veritehen, und darum ift die Urkunde unter obige 
„Jahre eingereiht. Van könnte allerdings auch an den Abt Hermann 
denken, welcher 1371, April 18 mit einem Wrior Everhard vor: 
kommt. 


Nr. 145. 
1343. Juni 24. 

Bertold Sommercalf, Knappe, u. deſſen Sohn Bertold 
verpfänden dem Abte in Mönſter Pir 12 Mark reines Silber 
ihre Curie in Ermwordeilen, Die früher Xudolf von Zilen 
von ihnen bejap. 

Dat. 1343 in nativitate bti Joh. bapt. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 108. 

Alle bisherigen Urkunden find lateinisch abgefaßt, die folgenden 
find meilt deutih. Bei den ſpäter lateinifch gejchriebenen wird bie 
Bezeihnung der Sprache „(Lat.)“ hinzugefügt. 


Nr. 146. 
1343. Olktober 9. 

Konrad van Wlechtene, Knecht (Knappe), bekundet mit 
Eljeten jeiner Frau (von Wmmedeshufen), daß fie der 
„Junefrowen vam Hemmelrike to voren”, dem Abte Helmbracht 
van Münſter u. dem dortigen Convente 10 Mark Löthigen 
Silbers wardbergiicher „Wichte“ zu ihrem Seelenheile „in 
dat Ampt der Karitaten‘ gegeben u. ald Pfand ihren halben 
Hof zu Addeſſen, welcher Schirenbergh'ſche Hof heißt, gelegt 
haben. Das Kloſter joll dafür nad) beider Tode ein Be: 
gängnis mit Vigilien u. Meſſe halten. Den Erben fteht es 
frei, den Hof zu Addeſſen mit 10 Mark wieder einzulöfen. 

Konrad von Blechtene jiegelt und mit ihm Ludolf u. 
Heinrich Brüder von Ymmedeshuien, Knechte, dejien Schwäger 
u. Elſekens Brüder. 

Dat. 1343 in junte Dionys Dage. 


174 


Kopialb, zu Grevenburg Nr. 119, wo zuerſt die Jahreszahl 
1353 ftand, dann in „1343 verändert iſt. 

deögl. zu Detmold fol. 11b; D fol. 15 und G pag. 34 
u. 35, beide im Staatdardhiv zn Münfter, worin eben: 
falld das urjprünglide 1353 in „1343 umgeänbert ijt. 


Die andere Hälfte des Hofes erwarb das Klofter durch Urk. 
vom 6. Dezember 1361. Bergl. Nr. 168. 


Nr. 147. 
(1343.) 

Heinrih, Graf von Swalenberge, genehmigt als Lehns- 
herr, daß Konrad von Vlechtene, Knecht, den halben Hof zu 
Addeſſen, welcher „Schyrenberch” heißt, dem Klofter Diarien- 
miünfter verjegt. 

Undatiertes Brudftüd im Kopialb. zu Örevenburg Nr. 120. 


Nr. 148. 
1344. März 22. 

Theoderid von Alnhufen, Knappe, u. feine Söhne 
Gerhard, Diederih u. Heinrih, verjprechen dem Abte u. 
Convente der Kirche zu Münſter, daß der (des Eriteren) ab- 
wejende Sohn Lippold nad) feiner Rückkehr den Vertrag 
wegen des Zehnten zu Emmerde, wie er zwilchen ihnen und 
dem Kloſter feitgeiegt ilt, genehmigen jol. Würden ſie dem 
Stifte Paderborn feind, wollen jie ſich an den Kloftergütern 
bei Bolcmerien u. in Edhujen nicht vergreifen. 

Dat. feria II ante Palmas 1344. (Xat.) 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 109, 
beögl, zu Detmold fol. 22. 


Nr. 149, 
1345. Auguſt 1. 

Heinrih, Graf von Smwalenberge, beitätigt dem Abte 
Helmbert zu Müniter bei Smwalenberg alle dem Kloiter durch 
jeine Vorfahren u. deren Bajallen gemadten Schenkungen. 

Dat. 1345 ipso die ad vincula sti Petri. (Xat.) 

Nah einer Bemerkung des Jeſuiten Michael Strund in Lib. 
Var. VII war zu feiner Zeit das Original noch vorhanden u. 
batte die Jahreszahl 1345. Daran befand fih das Siegel mit 


mn mn — — m un 


ber Legende: Sigillum Henrici de Swalenberghe iunioris. 
Die Kopialbücher zu Grevenburg Nr. 121, ſowie zu Detmold fol. 
32b haben irrtümlih 1354. 


Nr. 150. 
1346. Dezember 1. 

Biihof Boldewin zu Paderborn bekundet, daß Volmer 
van der Driborgh, Knappe, mit Genehmigung jeiner Frau 
Feneken u. Hermann, Johann, Volmer u. Amelung, feiner 
Kinder, auf den Zehnten zu Erdenemiſſen, den er gegen das 
Klojter von Münfter bei Swalenberg beanjprudt, Verzicht 
geleiftet habe. 

Zeugen: Konrad (von Holthujen, Lipp. Regeſt. II 
Nr. 929), Kercher to dem Blomberghe, Konrad, Kercher to 
der Dryborch; Bertold u. Johann Somerkalfe, Knappen. 

Dat. 1346 des Vrigdages na junte Andreje des Apoſtels. 

Kopialbuch zu Grevenburg Nr. 110, 
deögl. zu Detmold fol. 20 b. 
Vergl. Gieferd, burg und Driburg S. 24 fi. 


Ar. 151. 
1348. uni 7. 

Hellembert, Abt, u. Convent im Klofter Münftere bei 
Smalenberge erklärt, er habe von Johannes (de Gothe), 
Pleban in Detmele, 24 Mark Hervorder Denare erhalten, 
und überweift ihm dafür auf Lebenszeit die Korn- u. Geld- 
einfünfte und 5 Hühner aus den Höfen (ex curtibus) und 
der Mühle in Byſenhuſen, die Geldrente, Tynspenninghe 
genannt, von den benachbarten Kotten (ex casis) am Ettelen: 
berge, 18 Denare aus dem Haufe Everhards in Barichufen 
und 13 Denare in Overnhufen. Nach deſſen Tode jollen die 
Kenten ans Klofter zurüdfallen; dagegen übernimmt legteres 
die Verpflichtung, für den Pleban Johannes, feinen Bruder 
Heinrich und den frühern Peban Johannes in Cappelle (1315) 
einen Jahrtag zu halten. 

Dat. 1348 in vigilia Penthecosten. (Lat.) 

Original im Staatdardhiv zu Münfter, Klofter Harbehauien, 
Siegel des Abts vorhanden, Gonventöfiegel abgefallen. 


176 


Byſenhuſen (Biefen), Gttelenberg (Nettelnberg bei Bieſen), 
Barihufen (Barkhauſen) und Overnhuſen (Obernhaufen) liegen 
fämmtlih bei Detmold. 


Nr. 152. 
1348. Oktober 9. 

Arnold von Raderborne, Knappe, befeunt, auf das Land 
vor Bredenborne, das die Knappen Friedrid von Paderborne, 
jelig, und Godevert von Paderborne, jein Sohn, dem Abte 
und Gonvente von Müniter, „dat bu Smalenberge lighet“, 
verjegt haben, Erinen Anſpruch erheben zu wollen. Für den 
Fall, daß Godevert v. P. das Land vom Kloſter einlöfte, 
will Arnold v. B. dem Abte Helmbradt bezahlen 8 Biertel 
Korn u. eine Mark MWartberger Pfennige. Als Bürgen ver: 
pflichten ji Arnold Boje u. Johann von Beahe, Knappen, 
binnen 14 Nächten zum Einlager in Nihem, jofern die Zahlung 
nicht geleijtet wird. 

Dat. 1348 des billigen Dages ſünte Dionyſius. 

Kopialb. zu Grevenburg Wir. 112, 


Nr. 153. 
1349, Februar 14. 

Bertold von Addeſſen, Hermann van Nim, Bürger: 
meilter; Arnold van der Brude, Konrad Bornid (Borning: 
hufen), Heinrich de Krufe (Crispus), Johann de Roade (Rufus), 
Friedrich van Paderborne, Heinrih Bornid (Borninghuſen), 
Hermann Ludekink, Hermann van Andere, Johann de Kolere 
u. Konrad Neinboldind, Natleute der Stadt Nym kommen 
mit dem Abt Helmbraht von Münfter dahin überein, daß 
fie einen in ihrer Stadt gelegenen Klofterhof in feinem da— 
maligen Umfange von den ftäbdtiichen Yajten „vor Schatte, 
vor Wachte” befreien. „Wer od, dat fie (das Kloſter) den 
julben Hof bemeygeren mwolden, fo jchollen je den Hof nicht 
danne mit eyneme Dieygere bemeygeren u. den Meyaere u. 
ſyn Geiynde, dat in finem Brode, Lone u. Arbeyde were, 
iholle wy (die Stadt) vorgedegedingen alje andere unſe 
Borger, wate Gode de filve Abt u. jyneme Meygere in deme 
Hove hedden, dat ere were, u. des Nachts darbinnen befclotten, 
dat jchal vryg ſyn; wat he dar aver en buten hedde, were 
he unje Borger, dar ſcholde he ung affdoen, alje andere unie 


177 


Börgere van ereme Wichbolder Gode plegen to doende. Were, 
dat je den Hof bemeygerden mit enem wertlifen Manne, de 
Schal Borger werden u. ſchal darme vryg ſyn, alje hyr vor 
geicreven fteyt, anne ſynen Schaden u. anne Roft.” Dafür 
zahlt der Abt an die Stadt Nieheim 9 Mark lötiges Silber. 
— Biſchof Boldwyn von Paderborn genehmigt den Vertrag. 
Zeugen: Ludolf van Herfje, Richter; Albert van dem 
Blomberghe u. Bertold de Vriggreve, Knappen. 
Dat. 1349 in funte Valentinus Daghe. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 113, wo fi die eingellams 
merten Stellen befinden. 
beögl. zu Detmold fol, 26b und 27. 


Bergl. Lipp. Regeſt. III Nr. 1523. 


Nr. 154. 
1349. Mai 30. 

Johann von Uppenbrod, Knappe, befennt, daß er einen 
Hof im Dorfe Brac, zwilchen Lügde u. Riichenau belegen, 
vom Abte Helmbradht u. deifen Convente zu Münſtere in 
rechte Meierftatt von Pfingiten an auf 10 Fahre empfangen 
u. gewonnen habe, dafür aber jährlih zu Michaeli dem Abte 
Helmbradt in das Kornhaus zu Münfter drei „Verdel“ Roggen 
u. drei „Verdel“ Hafer, mit des Kloſters Scheffel zu meſſen, 
liefern und bezahlen wolle. Neben dem Ausfteller fiegeln 
Konrad von Beghe, Ritter, u. Johann von Wetberghe, de 
Junghe, Knappe. 

Dat. 1349 des helighen Avendes vor der Hodtyt to 
Pinkeſten. 

Falkenhagener Kopialb. B zu Detmold, 
Kopialb,. zu Grevenburg Nr, 114. 

Bergl. Lipp. Regeit. II Nr. 919. 

Zur Lage des audgegangenen Dorfes Brac fei bemerkt, daß 
es zur Pfarrei Lügde gehörte. In Fallenhagener Urkunden wird es 
bezeichnet ald: „Brach in parochia Lügde“ (1290) und 
„Braler Belde yn dem Keröpel to Lude“ (1446). 


Nr. 155. 
1349. Zuli 9. 
Heinrih Zeysberg, Knappe, Elizabet, deſſen Frau u. 
Heinrich, ihr Sohn, verkaufen dem Klofter Wilbodefjen ihre 
XLVII. 2, 12 


178 


halbe Hufe (mansus) vor der Stadt Nyhem, auf dem „hoye 
Velde“ an der Emmer gelegen, die fie vom Klofter zu Lehn 
getragen; gleichzeitig entjagen jie allen Anſprüchen auf eine 
Hufe dafelbit, welche der Vater des Heinrich Zeysberg an 
das Kloſter verkauft hatte. 

Neben Heinrich Zeysberg fiegeln Johannes von Oygen— 
huſen, Officiatus in Smwalenberg, und Godfrid von Balborne 
(Baderborne), Knappen. Zeugen: Gyffrid von Volteſſen, 
Mönch in monasterio prope Swalenberg, 2ubert von Ho— 
breachteſſen und Heinrich von Oygenhojen. 

Dat. et act. 1349 in crastino sancti Kyliani (Lat.). 


Kopialb. des Klofters MWillebadefjen im Stadtardiv zu Dort: 
mund fol. 38b. 
Bergl. Oeynh. Regeſt. II Nr. 559. 


Nr. 156. 
IBusen 
Gert, Diderik u. Henric, Brüder van Allenhoffen, Knappen, 
befunden, daß „de Teghede to Emmerfe bynnen u. buten 
dem Dorpe mit deme Ochmen is des Stichtes van Muniter, 
dat gelegen iS by Swalenberge, u. horet tho der Kerken tho 
Pomeſſen“. Die genannten Brüder van Allenhoffen wollen 
fernerhin feinerlei Anſpruch auf den Zehnten erheben, jedoch 
follen in der Kirche zu Bömbjen wöchentlich zwei Meffen für 
die Familie von Allenhofjen u. jährlich einmal „Beghenckniſſe“ 
mit Vigilie und Mefje für die Veritorberen derjelben gehalten 
werden. Für den Fall, daß der van Allenhoffen „yenich 
Viand worde des Stichte8 van PBaderborne, de en fcal ... 
nenen Scaden deme ... Stichte van Münfter in ereme Gude, 
dat vor der Stad Volkmerſſen lycht u. tho Echofen, doen.“ 
Helmbradt Abbet to Münfter u. fein Convent geben eine 
Broderscop aller guden Werke den genannten Brüdern van 
Allenhoffen mit Vigilien u. Miffen, de fe bdeilhafftig follen 
werden im Klofter to Münfter life den Brüdern. 

Dat. 13.... 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 115. 
deögl. zu Detmold fol. 21. 


Das Datum diefer Urf. ijt verjtümmelt überliefert. Weil fie 
zu jolden aus den Jahren 1338 (Nr. 126) u. 1344 (Nr. 148) 


179 


gehört, hat man in den Kopialbücdern ſich dadurch zu helfen 
gefucht, daß ,,50° oder „L“ von fpäterer Hand hinzugefügt ift, 
um fie dem %. 1350 zu übermweijfen. E3 ijt auch verfucht worden, 
diefelben aus dem %. 1300 zu datieren, das letztere dürfte aber 
wegen de3 Zujammenhanges mit den Urkunden von 1338 u.1344 
nicht zuläflig fein. 


Nr. 157. 
1351. April 30. 

Sohann von Eyllewordefien (Eilverjen), Windele feine 
Frau, Johann jein Sohn, Knappen, Alheit, Ricze u. Ger: 
trud, feine Töchter, verkaufen dem Abte Hellmbrachte von 
Münfter u. dortigem Gonvente ihren Hof zu Entorpe, einen 
halben Hof zu Addeſſen, einen Kotten und „de Stede damede’ 
auf dem Kirchhofe zu Holthojen nebit einem Garten daſelbſt 
für 16 Mark Pfenninge u. 3 Schillinge nah Warburger 
MWehrung u. wollen auch wegen Hermanns von Eilleworbefjen 
rechte Bürgichaft leiften. 

Wernher, Bercolo (Bertold), Reynher u. Robbradt, 
Brüder von der Xippe, Anappen, verpflichten ſich als Bürgen 
auf Mahnung des Abts binnen 14 Nächten zum Einlager 
zu Nym, fofern die Kaufbedingungen nicht gehalten werden. 
MWiederlöje wird vorbehalten. 

Dat. 1351 des billigen Avendes ſunte Wolberge. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 116 vergliden mit Kopialb. 
D fol. 4 u. 5 und G Seite 31. 


Vergl. Lipp. Regeit. IV Nr. 2504. 


Nr. 158. 
1352. April 25. 

Albreht u. Wernder, Ritter, Hermann, Knappe, Brüder 
genannt von Brafele, Albrechts Tochter Lyſe, Wernhers Frau 
Drude, Hermanns Frau Ermgarde u. Hermanns Kinder 
Wernher u. Agnes verkaufen dem Abte Helmbradht zu Münfter 
by Swalenberge 4 Hufen Landes, gelegen auf dem Felde 
vor dem Slote to dem Bredenborne, die ihnen ledig geworden 
u. angejtorben jind von Konrad von Bredenborne u. deſſen 
Söhnen Konrad u. Ernit, für 30 Mark lötigen Silber. — 
Biſchof Boldewin von Paderborn als Lehnsherr von 3 Hufen 


12* 


180 


und Äbtiſſin Berlyfe von (Neuen-)Heerfe als Lehnsfrau einer 
Hufe genehmigen den Verkauf. 
Er Bur mweitern Sicherheit ftellen die Verkäufer dem Abt 
Helmbradt von Münfter folgende 6 Bürgen: Nolte und 
Siverd, Brüder de Bojen, Heinrich u. Diederich von Nedere, 
Heinrich von Mengerjen u. Konrad von Modekeſſen, Knappen, 
welche jich binnen 14 Nächten auf Mahnung des Abts zum 
Einlager in Nyme verpflichten. 
Dat. 1352 in jfünte Marcus Daghe des Evangeliften. 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 117. 
desgl. zu Detmold fol. 18b. 
Bergl. Ztſchr. Bd. 37b ©. 157 Nr. 227. 
Verlyſe oder Lyſa (Elifabeth), Gräfin von Bentheim, findet 
fih als Äbtiſſin von Neuenheerfe von 1339, in weldhem Jahre fie 
wol Übtiffin geworden, bis 1372. 


Nr. 159. 
1352. November 7. 

Bürgermeifter, Rat u. Gemeinheit der Stadt Bold'merfen 
befunden, daß fie auf jene Wiejen neben dem ftäbtifchen Teiche, 
genannt „Weſegraß“, welche fie gegen andere Wiejen dajelbit 
dem Abte u. dem Convente zu Münſter taufchweife übergeben, 
zu Gunften des Klofters Verzicht geleiftet. 

Dat, feria IV ante festum Martini autumnale 1352. 

(Lat.) 
Kopialb. zu Grevenburg Nr. 118. 
desgl. zu Detmold fol. 13b. 


Ar. 160. 
1354. Mai 3. 

Bor dem Grafen Hermann von PBerremunt, dem Bur: 
richter Wedekind Pippele u. dem Gogherichtere (Gograf) 
Bernhard Dejenberg im feierlichen Gerichte zu Lude (Lügde) 
unter Königsbanne überweilen Johannes von Hudenhuien 
u. dejjen Bruder Winand zugleih mit ihren Brüdern, von 
denen Bernhard Möndh in Münftere bei Swalen: 
berg iſt, nebjt den übrigen Verwandten dem Klofter Ma: 
rienfeld gemwifje Güter zu Lude, Lowenhuſen (Löwenſen) in 
ber Pfarrei Odestorpe (Oesdorf), Dldendorpe, ihren Wald 


181 


genannt das DVesperholt, Güter in Holthufen (bei Pyrmont) 
u. den Haghenting zu Bredenborn, indem zugleih Johanns 
Frau Adele auf ihre Leibzucht verzichtet. Dabei find zugegen 
geweien und fiegeln neben dem Grafen und den Ratleuten 
der Stadt Lude ftatt der beiden obigen mit Siegeln nicht ver- 
jehenen Richter: Bertold, Freigraf des E. H. Dtto zur Lippe, 
u. Hermann Wile, Richter der Altftadt Lemgo. 

Zeugen: Die Lügder Ratleute Bruno de Molendino, 
die Brüder Heinrih u. Florefin Nebod, Bernhard Kanne, 
Friedrih Vateſchilt, Eggerig Poſt u. Johann von Ubbenbrof, 
Knappen. 

Dat. et act. 1354 ipsa die Invencionis ste Crucis. 

(Lat.) 

Gedr.: v. Spilder, Geſch. der Gr. v. Everftein, Urkk. Nr. 375. 

Nah dem Original mit den 4 Siegeln. 


Bergl. Lipp. Negeft II Nr. 972. 


Nr. 161. 
1354. 

Dtto, E. H. zur Lippe, überweijet mit Genehmigung 
jeiner Gemahlin Ermgard dem Klofter Marienmüniter einen 
Baderborn’ihen Lehnzzehnten zu Lomwenjen (bei Pyrmont), 
nahdem joldher ihm von jeinem Lehnmanne Bernhard Kanne 
von Lügde aufgelafen. 

v. Spilder, Geh. der Gr. von Everftein S. 201. Regeſt, 
daraus Lipp. Regeit. II Nr. 986. 


Nr. 162. 
1355. Mai 22. 

Ludolf, Knappe, Sohn Hugo's von Elbesdorpe, verkauft 
dem Abt Helmbert von Beghe zu Münfter bei Smalenberg 
und dortigem Convente 7 Morgen (pecias seu iugera) 
Landes in der Feldmark des Dorfes Vinsbefe under deme 
Edholte mit dem Zehnten für 4 Malter Roggen u. behält 
fih den Rüdkauf innerhalb 6 Jahren vor, mwährenddem er 
das Klofter wegen eines Zehnten auf drei Adern nicht weiter 
beläjtigen will. Dagegen joll nah Ablauf der 6 Jahre, jo: 
fern die Einlöjung nicht ftattgefunden, dieſer Zehnte mit den 
7 verpfändeten Morgen dem Klofter ald Eigentum gehören. 


182 


Zeugen: Mbert genannt (von) Addeſſen, Convents- 
priefter zu Münfter (vergl. Nr. 165); Arnold ger. Bofe, 
Heinrih von Immeteshuſen, Knappen; Arnold gen. Brügge- 
man, Bürgermeifter (proconsul) in Nym. 

Dat. 1355 feria VI ante festum Pentecostes. (Lat.) 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 122, 


Nr. 163, 
1358. Sanuar 16. 

Helmbradt, Abbet zu Münfter by Smwalenberg u. dor— 
tiger Convent verfaufen eine halbe Mark lötigen Silbers 
ald Rente für 16 Mark Warburger Pfennige an ihren Con— 
ventsbroder Heinrih von Oyenhuſen und Eljefen Scattes 
finer Maghet, zahlbar für beider Lebzeiten aus dem Klofter- 
gute zu Volkmerſen. Nach ihrem Tode joll das Geld an das 
Garitaten:Amt des Klojters fallen u. für beide ein Jahrge— 
dechtnis mit PVigilien und Meſſen gehalten werben. 

Dat. 1358 ipso die Marcelli pap. et mart. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 123. 
Dergl. Deynhauf. Reg. I Nr. 16. 


Nr. 164. 
1358. Juli 25. 

Helmbradht, Abt zu Münfter, bekennt, daß der Convent 
aus dem Almojen-Amte des Klofters 10 Mark lötigen Silbers 
empfangen jolle, um damit von Johann von Oynhoffen u. 
feiner Frau Kunnefen die beiden verjegten Zehnten zu Brun- 
gerien u. im Ebrode einzulöjen. Neben dem Abt fiegeln 
Heinrih von Ymmedeshuſen und Albraht von Boffellen, 
Knechte. 

Dat. 1358 in die Jacobi apostoli. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 124. 
Vergl. Oeynhauſ. Reg. J Nr. 18. 


Nr. 165. 
1359. November 13. 
Helmbracht, Abt zu Münſter, befennt, daß er 6 lötige 
Mark weitfäliihen Silbers aus des Klofters Sefen-Ampte 
erhalten u. dem Papfte auf dejien Bitte gegeben, u. ver: 


183 


pflichtet fich, dafür aus dem Kloftergute zu Voldmerjen außer 

dem Bing, der ſchon darin fteht, auf drei Jahre alljährlich 

noch eine halbe Mark Silber dem Sekenmeſter Herrn Albracht 

von Addeſſen als Zinjen zu entrichten. Nach Ablauf der 

3 Jahre fol das entliehene Geld wieder bezahlt werden. 
Dat. 1359 ipso die Brictii epi. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 125. 


Nr. 166. 
1361. Mai 7. 

Helmbert van der Gnade Godes Abbet to Munftere 
under der Auldenburgh u. dortiger Convent kommen mit 
Alrad Bozen, Knappen, überein, daß der zeitige Kerchere to 
Nym jal olle Vridaghe beghan in Godesdenite Hern Eyvorde 
Bozen u. Vrowe Bredefen, jine Vrowe, den God ghnedigh 
ſy, uppe deme overjten Altare to Nym in der Kerken u. erer 
Kindere, wanner der weligh af ghinghe van Dodes weghene, 
u. denken der alle Sundaghe in deme ghemenen Bede. Dar 
umme Alrad vorenompt deme ſelven Kerchern heft ghemafet 
ver Schillingh Gheldes, up to borende alle Jar. — Abt u. 
Convent fiegeln. 

Dat. 1361 in crastina ascensionis Dni. 


Driginal im Staat3ardiv zu Münjter, Kloſter Hardehaufen- 
Beide Siegel erhalten. 
Letztes urkundlihe PVorlommen des Abt3 Helmbradht oder 
Helmbert. 


Nr. 167. 
1361. November 25. 

Wernher von Modekſen bekundet mit Gheſeke (Gertrud) 
feiner Frau u. Gerhard jeinem Sohne, daß er wegen Des 
Hofes, den Cord von Vlechtene u. er miteinander zu gleichen 
Teilen im Dorfe Addeſſen beſaßen, welcher Schyrenberges 
Hof heißt, von dem Cord von BVlechtene feine Hälfte dem 
Stifte zu Münfter „gesehen, niemal® Anſprüche gegen ba3 
Klofter erheben will 
a — dem Ausſteller ſiegelt noch Albracht von Boffeſſen, 

necht 


Dat. 1361 ipso die Katharine virg. et martyr. 


184 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 126, wo der Name der Fran 
W. v. Modekſen „Bele“ (Eliſabeth) heißt. 
desgl. zu Detmold fol. 12. 


Dergl. die folgende Nr. 


Das Nittergefchleht von Modekliſſen oder Modekſen bat feinen 
Namen von der ausgegangenen Dorfihaft Modekiſſen, die nordöjtlich 
von Brakel unweit von Hainhaufen lag. Das Moderer Holz im 
Befige der Stabt hält die alte Bezeihnung noch aufredt. 


Nr. 168. 
1361. Dezember 6. 

Werner von Modekſen, Knecht, Elske, feine Frau, Ghe— 
refen, fein Sohn, verpfänden dem Stichte van Münfter u. 
den Gonventusherrn darjulves in das Sefenampt ihren halben 
Hof zu Addeſſen, den fie mit den Herrn van Müniter ges 
meinfam bejigen, welcher der Schirenbergiiche Hof heißt, für 
4 lötige Mark meltfäliihen Silbers Warburger Wichte 
(Wehrung) und behalten fih Rückkauf auch von einer Wieje 
vor, die dem Kloſter verpfändet ilt. 

Bürgen find: Bernhard von Holthufen, Diederih von 
Nedere u. Friedrih von Ymmeſſen, Knechte. 

Dat. 1361 ipso die Nicolai conf. et pontif. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 127. 
desgl. zu Detmold fol. 12. 


Nr. 169. 
1362. Sanuar 25. 

Hilbold van Beveren, Knappe, bekennt, „dat ic hebbe 
upgeboret twe lodige Marck van den ſes lodigen Marken, 
de Wilkin (Wilhelm) unde ſyn echte Hußfrowe ... hadden 
mit dem Stichte van Munſter, de eck affgerechet hebbe dem 
Abte unde dem Stichte to Münſter ... 

Dat. 1362 in ſunte Pawelsdaghe, fo be befard word. 


Kopialb. zu Grevenburg Nr. 128. 


Nah dem Tagebuche des Abts Heinrih Schröder vom 3.1524 
enthielt die Mark Silber 8 rhein. Gulden, 


185 


Nr. 170. 
1365. Auguft 15. 

Johann de Zedeler, Freigraf des Edlen Junchern 
Simon (III.) zur Lippe u. geſchworener Gograf des Goge— 
richtes im Kirchſpiele zu Detmele, beurkundet, daß vor ihm, 
als er in einem gehegten Gogerichte zu Bizenhuſen geſeſſen, 
Johann, Berend, Hermann, Everd, Zegherd u. Brechteke, 
Hovemannes Söhne, bekannt, der Overhof (obere Hof) zu 
Bizenhuſen gehöre Henzeken van deme Rede, Bürger zu 
Lemego, daß dann zwei der Hovemannes Söhne, nämlich 
Brechteke und Berend, denſelben Hof von Henzeken van deme 
Rede auf fünf Jahre in Meierſtatt empfangen haben, und 
zwar in Gegenwart von Johann de Schwarte u. Heinrich 
van Dehem, Knappen; Johann van Hovediſſen, Bertram van 
Hilgenkerken u. Arnold Wendink, Borghermeſtere zu Lemego; 
den dortigen „RKRadmannen“ Johann de Schizelere u. Johann 
van deme Rede; dem Richter Detmar Rodembure, Nolte de 
Koſtere und anderen guten Leuten, „de dat Richte beſtanden 
und dat Ordele funden.“ Johann de Zedeler ſiegelt. 

Gheven 1365, tho unſer Vrowen Daghe, alzo ſe tho 
Hymele vor, gheheten tho Wortemyſſen (Krautweih). 

Original mit abgefallenem Siegel im Staatsarchiv zu Münſter, 
Kloſter Hardehauſen. 

Vergl. Lipp. Regeſt. II Nr. 1132. 

Dieſe und noch weitere Urkk. aus d. J. 1395 u. 1462 be 
ziehen fi auf die Kloftergüter zu Biefen. Vergl. Nr. 151. 


Nr. 171. 
1368. September 14. 

Heinrich von Imdeshuſen verfauft mit Zuftimmung feiner 
Frau u. feiner Söhne Ludolf u. Hermann den Hof zu Entorp 
mit zwei Hufen Landes an Johann von Oyenhujen den 
Ältern u. deffen Sohn Johann. 

Zeugen (Deghedinges Lüde): Herr Johann van Nyhm, 
Mönch zu Münfter, u. Albert van Boffeſſen. 

Dat. 1368 ipso die Exaltationis ste Crucis. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 129. 

Vergl. Deynhauf. Negeft. I Nr. 29. 


186 


Nr. 172. 
1370. Mai 23, 

Godeke von Baderborn, Knappe, verkauft feinen Hof zu 
Entorp mit Zubehör an Johann von Dyenhufen den Älteren 
u. deffen Sohn Johann u. will die Einwilligung des Abts 
von Corvey als Lehnsherrn erwirken. Bürgen find Die 
Knappen Nolte Bofe und Günther von Hedewigeſſen, welche 
auf Mahnung binnen 4 Wochen zu Nyhem einreiten wollen. 

Dat. 1370 in die ascensionis Dni. 

Kopialb. zu Grevenburg Nr. 130. 


Bergl. Deynhauf. Regeit. I Nr. 31. 


(Fortjeßung folgt.) 


—— — — —— — — — 


vn. 
Miscellen. 





1. Lage von Merfce. 


Wigand (Corveyſche Güterbefig, S. 121) und nad) ihm Andere 
fegen die Lage des ausgegangenen Merfche zwifchen Albaren und Stable 
(Kreid Hörter), wo noch eine Gegend die Maſch (Marjch) Heike. Dies 
ift jedoch unrichtig; Merſche hat vielmehr zwiſchen Stahle und Heinfen 
gelegen, unterhalb des Kickenſteins. Dort liegt auch das zu Stable gehörige 
große Feld, die Mafch genannt. Zwijchen Albaren und Stahle führt feine 
Barcelle diefen Namen, und es läßt ſich auch wohl wicht denfen, daß bei 
einer Entfernung von einer halben Stunde drei Dörfer gelegen haben 
follten. 

Marinmünfter. v. Heeßen. 


2. Lage von Scattenhufen. 


An diefen ausgegangenen Ort erinnert jet feine Flurbenennung mehr. 
Sowohl Giefers (Burg und Grafichaft Wewelsburg in Zeitichr. Bd. 22), 
als auch Kampſchulte (Almegau in Zeitfchr. Bd. 23) verzeichnen auf 
den ihren Abhandlungen beigegebenen Karten Scattenhufen ald am rechten 
Ufer der Alme zwijchen Wewelöburg und Brenfen gelegen. Jedoch der jehr 
lofalfundige Schr. Friedrich v. Brenken zu Erpernburg (+ 1867) verlegt 
Scattenhujen and linfe Ufer der Alme. Died geht auch unzweifelhaft 
aus dem Böddefer Urkundenbuch (im Befig des Frhr. v. Brenfen 
zu Wewer) hervor, wo Scattenhufer Grundftüde angrenzend genannt 
werden an den Helweg und andere noch bekannte Slurparcellen (Widbuſch, 
Espenbuſch 20). Der Ort hat demgemäß nörblid von Brenfen an der 
öftlihen Spite der Brenker Dark gelegen und war weftlich angrenzend 
an das ebenfalls ausgegangene Rameshufen. — Im Böddeker Urkunden- 
buche heißt es: 

Fol. 221: In Schattenhusen boven Brenken, quondam villa 
jam desolata, habet ecclesia Bodicensis unum mansum de officio 
Aldenbodiken, 

Fol. 289: To Scattenhusen dat aneval des groten hofs 9 morgen; 
dat aneval des lüttiken hoffs by der groten Iynden 1 vifgarde; item 3 mor- 
gen by der lüttiken veltreke; item 1 morgen de up den veltsant schut; 
item 1 vifgarde boven dem Helwege beneden den veltsande, item 
1 morgen dar entegen in dey oistsyden; item 1 sesgarde by den 
espenbusche tuschen dem widbusche unde Scattenhusen; item 1 sesgarde 
by dem widbusche beneden dem helwege; item 1 sesgarde boven den 


188 


brunshole unde dat schut over de slucht; item 2 morgen beneven 
den vlegenbusche; item 5 morgen beneven der drift, de beneven der 
langen reyne here geit; item 4 morgen beneden Scattenhusen by der 
doren reke; item 2 morgen schetz up den knik over up de langen 
reyne; item 1 sesgarde schut up de drift neden dar dey reyne wendet; 
item 5 morgen schetet up den groten hoff to Schattenhusen, 
Kirhborden. Mertens. 


3. Münzfund auf Baus Stodhaufen (Kr. Mefchede). 


Im Auguft ded Jahres 1888 wurden auf dem in der Nähe von 
Meichede belegenen Gute ded Herrn v. Stodhaufen mehrere alte Gold- 
mänzen gefunden. Sie tragen Wappen von Trierichen und Mainzer Erz- 
biichöfen und ftammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Eine derfelben 
zeigt auf dem Avers St. Johannes Baptift, eine andere das Pruftbild 
des hl. Petrus in einer halbkreisförmigen Nifche. Das Bild eines figenden 
Biſchofes auf gothiſchem Throne erkennt man auf einer dritten der Münzen. 

Weſtfäl. Merkur vom 31. Auguft 1888. 


4. Münzfund bei Neuenbeken (Kr. Paderborn). 


Am 27. März 1888 wurde bei Neuenbefen und zwar hinter der 
Glashütte im Strang, beim Ausroden eines Buchenftammes /, Fuß tief 
an einer Wurzel ein irdener Topf mit einer großen Anzahl Silbermüngen 
gefunden. Unter demjelben befinden fi) 182 Bracteaten, die übrigen 
Münzen gehören dem 12. bis 15. Jahrh. an und vertheilen ſich auf ver 
ſchiedene weftfälifche Territorien, darunter 64 Stück vom Münfterjchen 
Bifhof Ludwig I. von Heffen (1310—1857). Der Münzfund wurde 
von dem Alterthumsverein zu Paderborn erworben. 

Paderborn. Ahlemeper. 


5. Grabfund zu Berlar bei Ramsbed (Kr. Mefchede). 


Im Sommer ded Jahres 1884 ftieß man bei Aufräumung des hie 
figen alten Kapellenplages (die alte Kapelle, wahrjcheinlih noch zu dem 
‚ alten Rittergute gehörig, ift im Sommer 1883 wegen Baufälligfeit ab- 
gebrochen und der Bau einer neuen Kapelle auf einem anderen Plate 
vollendet worden) zufällig auf einen großen, majfiven Stein, auf welchem 
ein Doppel-Wappen und eine Injchrift zu jehen war. Aus leßterer waren 
noch deutlich die Worte zu entziffern: „Freiherr Dietrich v. Pletten. 
berg, gottfelig geftorben.” Das Doppel-Wappen führt die Namen 
„Walraven und Plettenberg.” Bemerkenswerth ift, dab ein von Dietrich 
v. Plettenberg ausgeſtelltes Shriftftüd aus dem Jahre 1668, weldes im 


189 


Beſitze eines hieſigen Grundbefigers ift, mit einem Siegel verſehen ift, in 
welchem 3 Buchſtaben fich finden, wovon einer mit dem Wappenbuchſtaben 
des Gteined übereinstimmt. Bei näherer Unterfuhung der Bauftätte fand 
man genau unter dem Steine ein Grab, in welchem ſich noch Theile 
des Sarges, verroftete Sargnägel, fowie Gebeine vorfanden. Man hat alfo 
wahrjcheinlih die Leichenaruft der freiherrlihen Familie Dietrich 
vd. Plettenberg aufgefunden. Daf die leßtere hierjelbft ein Landgut gehabt 
bat, bejagt oben erwähntes Schriftitüd. 
Weitfäl. Volksblatt 1884. Nr. 206. 


6. Grabfund bei Süddinfer (Kr. Hamm). 


Im Mai des Jahres 1884 fanden Wiefenarbeiter in der Nähe des 
Dorfes Suddinter beim Abtragen eines Hügeld einen Sarg mit dem 
Skelett eines in vollem Waffenſchmuck beigefegten Ritter. Auf dem 
Stelett lag ein breites, mit jtarfem Handgriff verjehened Schwert und 
neben bdemfelben der obere Theil einer Lanze. Das Schwertgehänge war 
mit Beichlägen von Bronceguß, mit ſchwerer Bergoldung und reich mit 
Almandinfteinen verjehen, welch' legtere von den Arbeitern beim Reinigen 
des Fundes zum größten Theile leider abgewajchen wurden und dadurd 
verloren gingen. Die Eijentheile waren vollitändig morſch. Nur die Lanzen- 
fpige ift gerettet worden. 

Weitfäl. Merkur vom $. Juni 1884. 


7. Die Todtenbäume (Einbaumfärge) von Rhynern (Kr. Hamm). 


Ueber diefe Todtenbäume, welche bei dem Erweiterungsbau der fathol. 
Kirche im Jahre 1871/72 ausgegraben wurden, haben bereit? Nordhoff 
(Kunſt- und Geſchichtsdenkmäler der Provinz Weftfalen, Kreis Hamm, 
©. 84) und nad ihm Landois und Vormann (Meitfäliihe Zodten- 
bäume und Baumfargmenihen, ©. 5) kurz berichtet. Ueber diefen Fund 
theile ich im Folgenden Näheres mit. 

Nachdem bereitd zwei übereinanderliegende Särge gewöhnlicher Art 
entfernt waren, ftieß der Spaten auf die Bäume. Der Dedel des erften 
wurde, weil die Arbeiter von einem jolchen Yunde feine Ahnung hatten, 
zerichlagen und zerhauen und das Ganze demnach in Stücken audgehoben. 
Als mir davon Mittheilung gemacht wurde, begab ich mich zur Stelle und 
gab Befehl, für den Fall, daß fich mehrere folcher Bäume finden follten, 
mich zu rufen. Das geſchah und die folgenden 5 oder 6 wurden nun 
möglichft jorgfältig zu Tage gebracht. Die Rinde derjelben war nod fo 
friich, ald wenn die Bäume erjt vor kurzem gefällt gewejen wären. Zwei 
waren ganz vollitändig erhalten, die übrigen mehr oder weniger vergpodert, 


190 


Die Dedel waren den Bäumen abgeipalten. Einige waren ganz, einige für 
Kopf, Hald und Rumpf bejonders audgehöhlt. Skelette oder auch nur 
Theile derjelben fanden ſich im feinem vor, ſchwarze Erde bededte der Länge 
nad) den Boden; nur in einem lag in der Kopfhöhle ein Convolut von 
fuchſigen Haaren, die anfangs noch elaftijch waren, aber, nachdem fie furze 
Beit der Luft ausgejeßt waren, in Staub zerfielen. Zwei Stämme lagen 
mit ihren Enden unter dem Fundamente des Kreuzflügeld der Kirche, die 
anderen jo nahe an dem Fundamente des Langſchiffes, daß fie stante 
ecclesia unmöglich dahin gebracht fein konnten, die Kirche muß nothwendig 
über fie hinweggebauet jein. Alle waren mindeſtens 7 bi 8 Fuß lang 
und fehr did, und lagen ftart 9 Fuß unter der Oberfläche des Kirchhofes. 
Nachdem diejelben längere Zeit, von den Vorübergehenden angeftaunt und 
bewundert, auf dem Plate gelegen hatten und durch den Sonnenbrand 
fehr geichädigt waren, wurden fie vom Kirchenvorftande den Armen im 
Armenhaufe zum Verbrennen geſchenkt. Man kannte eben ihren Werth nicht. 


Rhynern. Zerborg, 
Dechant. 


8. Urnenfund bei Weſternkotten. 


Aus einem Schreiben des Gutsbeſitzers Reinhard Jeſſe zu Weitern- 
fotten vom 15. Ian. 1884: 

In meinem Befige hatte ich bis vor zwei Jahren, ald die Separation 
ausgeführt wurde, ein Grundftüd, den fog. Roggenknapp, ſũdlich von der 
Chauſſee Erwitte-Eicdeloh in der Nähe der Weſternkotter Ziegelei belegen. 
Die Parcelle ift etwa 1 Morgen groß und liegt unmittelbar am alten 
Helwege und war früher von allen Seiten von einem alten Wege begrenzt. 
Dieſes Grundftüd wurde vor etwa 30 Jahren von den Zieglen als 
Lehmſtich benußt. Beim Ausftechen des Lehmes fanden fi) damals eine 
große Anzahl von Urnen. Ich erinmere mich noch fehr genau, daß in einer 
Urne eine Schnur von etwa 50 bis 60 Stüd aus Thon gebadener Perlen 
fich befand. Die Perlen waren theild von länglicher, theild von runder 
und ovaler Form und hatten verjchiedene Färbung, gelb, blau, roth ꝛc. 
Eine Urne mit ca. 20 Stüd von Perlen Habe id; vor mehreren Jahren 
meinem Neffen, dem Amtsrichter F. Kellerhoff, damals im Sierlohn, 
geichentt. Auch hatte man ein Schwert, über einer Urne liegend, aufgefunden. 
Leider iſt daffelbe von den Arbeitern zerjchlagen worden. Das Grundſtück 
ift in Folge der Separation auf den Frhrn. v. Papen-Lohe übergegangen. 


Ermitte. Ludw. Krufe. 


191 


. 9. Die fog. Burg zu Medebadı. 

Die fog. Burg zu Medebad; brannte im October des Jahres 1883 
ab. An diefes ältefte Wohnhaus der Stadt knüpfen ſich folgende hiſtoriſche 
Data. Am Ende des 17. Jahrhunderts, aljo vor ungefähr 200 Jahren, 
— ob und wie viel früher, bleibt im Dunkeln — umfaßte die Ringmauer 
unferer Stadt außer den bürgerlichen Sohlftätten zwei adelige Höfe, den 
einen weftlih von der Kirche, die Vurg, den andern öftlid von der 
Kirche, den Junkern-Hof. Das Haus auf dem Junkernhofe, welches 
früher dem Herm von Gogrebe und fodann dem Herm von Bourſcheid 
zu Heejen gehörte, brannte im Sabre 1789 ab; der Junkernplatz blieb un- 
bebaut liegen, bid er nad) dem großen Brande von 1844 in den Retablifje- 
mentöplan gezogen und mit Bürgerhäufern bebaut wurde. Das dazu ger 
börige Junkerngut wurde von dem Gerichtöjchreiber H. Lübbert erfauft 
und befindet ſich noch jeßt zum größten Theile in dem Befige der Nach- 
fommen dieſer jet bis auf zwei Augen audgeitorbenen Yamilie. Die 
„Burg“ fol um die Mitte des 17. Sahrhunderts, gleich nach dem 30jäh- 
rigen Kriege, von dem Herrn von Dorffeld, welcher feinen Wohnfig 
aus der gleichnamigen Feldflur in die Ringmaner der Stadt verlegte, erbaut 
fein. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war fie Eigenthum der 
Bamilie von Dalwigk — jegt Dalwigk-Lichtenfeld —, kam dann in den 
Beſitz ded Medebacher Gerichtöheren Sponier, dann der Familie Lübbert, 
der Yamilie Koefter und der Familie Poellmann, welche legtere vor 
einigen Tagen die rauchenden Trümmer zu verlaffen gezwungen wurde. 
Ein ganzes Jahrhundert lang nad dem Abzuge der adeligen Yamilie 
hat deren Befigthum als folches und dem Namen nad fi erhalten; — 
jegt hat die „Burg“ zu eriftiren aufgehört und wird nie wieder erjtehen, 

Weſtfäl. Volksblatt vom 18. October 1883. 


10. Nachrichten über Hexenproceſſe. 


Im ftädtifchen Archive zu Hörter befinden ſich 11 Akten über Heren- 
procefje aud den Jahren 1654 bi 1659, und zwar 1 vom 3. 1654, 
7 vom J. 1655, 2 vom J. 1656 und 1 vom 3. 1659. Neben 4 Männern 
handelt es fi um 4 Ehefrauen, 3 Wittwen und 3 ledige Frauenzimmer, 
welche wegen „Zauberei, Abfall von Gott und (bei den Weibern) gemachter 
Verbündniß und gepflogener Genoſſenſchaft mit dem leidigen Satan” an- 
geflagt find. 

Die Akten find ziemlich vollftändig; in einigen Fällen fehlen die 
Protocolle der „gütlichen Befragung”; die der peinlichen Verhöre liegen 
bis auf eine ſämmtlich vor. 


192 


Die Fragen in den Protofollen: Examine: find die allgemein befannten : 
ob Inquiſ. zaubern fünnen? wer es fie gelehrt, und an weldem Orte? 
welchergeſtalt? u. f. w. Die Geftändniffe erfolgten in den Panjen der 
Tortur. In 2 Fällen wird der vorhergegangenen Wafferprobe gedacht, „wobei 
Snculp. oben geſchwommen“. 

Die geftandenen Verbredjen beftehen in Vergiftung von Hühnern, 
Ziegen und anderem Vieh, auch Katzen, durch ein ſchwarzes Pulver, welches 
die Beichuldigten von anderen Weibern, die fie dad Zaubern gelehrt, oder 
vom Teufel erhalten haben. ine der Snculp. hat dad Pulver auf Brot 
an eine Bettlerin gegeben, doc) wicht erfahren, wie ed angefchlagen ift. 

Die Weiber find mit dem Satan („Gott behüte uns”) an abgelegenen 
Orten zuſammengekommen, haben fich mit ihm, der einmal auch „Müller“ 
geheißen, vermifcht, wobei es „kalt gefommen”, find mit ihm zu Tanze 
gegangen, der ’/, Stunde gedauert hat. Zu dem jchlafenden Ehemann Hat 
der Satan unterdeffen ein Scheit Holz ind Bett gelegt. In den Akten 
find Gutachten der juriftifchen Fakultäten Helmſtedt (8) und Rinteln (3) 
vorhanden, 2 fehlen. Sie lauten in 6 Fällen auf „Hinrichtung und Ab- 
ftrafung durch Feuer“, in dreien durch das Schwert. Das letzte Gutachten 
von Helmſtedt (Decan, Senior und ſämmtliche Doctores unterſchrieben, 
wie in ſämmtlichen) vom 28. April 1659 empfiehlt „den Weg der Juriften- 
facultät zu Rinteln vom 11. September 1657 innezuhalten und Inquifitin 
der Stadt und deren Gerichte ewig zu verweifen“. 

Bei den Proceßakten befinden ſich mehrfach Geſuche der Angehörigen 
von den Angejchuldigten um Freilaſſung oder Milderung der Strafe in 
Enthauptung; auch ein Bürger und Schuhmacher, Peter Engel, 40 jährig, 
bittet „ihm als gehorfamen Bürger ein Unbilliges nicht widerfahren zu 
laſſen“. Mit ihm ift jäuberlicher verfahren; nachdem 7 Zeugen gegen ihn 
audgefagt, wird bei der Suriftenfacultät in Helmftedt angefragt, „ob er 
mit fcharfer Frage zu verjuchen ſei?“ Sie räth, vorerft die gütlichen 
16 Fragen an ihn zu richten. Er wird der Wafferprobe unterworfen; 
darauf jcheint er gefoltert zu fein und geftanden zu haben. Er iſt mit dem 
Schwerte hingerichtet. 

Die Ehefrauen und Wittwen find ftet# mit ihrem Taufe und VBaters- 
namen genannt unter Hinzufügung von „Eheweib oder Wittwe des N. N.“ 

In den „articulirten peinlihen Anflagen“ wird zuweilen bemerkt, 
„wenn allenfalld ein Defensor auftreten und peinlich Angeklagte zu ver- 
teidigen gedächte, jo derjelbe durchaus zu befeſtigen“, aljo feitzufeßen. 
Die Urteile von „Burgermeifter und Rath der Stadt Hörter” ftehen auf 
Folioblättern und tragen das fleine Siegel; haben aber, wie alle Schriften 
in biefen Aften, keine Namensunterjchriften. 


193 


Sie erkennen den juriftifchen Gutachten entfprechend; einmal indeffen 
verjchärfen fie die Strafe aus Enthauptung in Verbrennung. 

Meiſtens finden fid) noch Milderungsurtheile auf Folioblättern, wonad) 
der Feuertod in Hinrichtung mit dem Schwerte verwandelt wird; doch foll 
in einem alle der Leichnam verbrannt, übrigens außerhalb des Kirchhofs 
ftattet werben. 

In den 5 Sahren von 1654—59 haben Bürgermeifter und Rath 
„wegen erlernter und befannter Zauberei“ 10 Todesurteile gefällt, wovon 
4 die Hinrichtung dur Feuer, 6 durd; Enthauptung anordnen; bezüglich 
einer auf der Folter „totwund gewordenen” Wittwe liegt fein Urteil vor; 
fie jcheint infolge der Folterung geftorben zu fein. Auch bezüglich des 
legten Falles, worin dad Gutachten der jur. Facultät Verweifung aus der 
Stadt anräth, fehlt das Urteil. 

Holzminden. Ziegemepyer, 
Herzogl. Oberförfter. 


11. Swei Handſchriften der Dombibliothef zu Trier. 


(Bol. Zeitſchr. für vaterländ. Gefchichte und Alterthumskunde 
Bd. 41, 1, ©. 137 ff.) 


1. Paderborner Adelsfamilien. 


Papier, saec, XVII, im Inder der Dombibliothet mit Nr. 198 
vermerkt. 

Die Handichrift enthält zumächft eine allgemeine Einleitung über die 
Entjtehung und Geſchichte des Adels, welcher Theil werthlos und nur ein 
Ertract aus den Jängft antiquirten deutſchen Geſchichtsbüchern ded vorigen 
Sahrhundertd mit ebenjo antiquirten Anfichten ift. Dann folgt in alpha- 
betiicher Abfolge die Reihe der ausgeftorbenen adlichen Familien des Hoch: . 
jtiftsd Paderborn, wobei der Familie von Büren befonders ausgiebige Rüd- 
ficht zugewandt ift. Die an die Namen der einzelnen Yamilien gefnüpften 
hiſtoriſchen Angaben find leider jämmtlicd ohne Quellenangabe, zum grö- 
heren Theil werthlos, werthvoll aber da, wo fie ſich als auszugsweiſe oder 
wörtlich gegebener Inhalt von verloren gegangenen oder zur Zeit noch un- 
belannten Urkunden fennzeichnen. — Es folgt dann eine Reihe von wört- 
lic) mitgetheilten, auf den Adel des Hochftiftd oder einzelne adliche Fa- 
milien bezüglicye Urkunden meift des 14., 15., 16., 17. und 18. Sahr- 
hunderts meift in niederdeutfcher Sprache (31 Stüd), von denen die Mehr- 
zahl nicht unwichtig zu fein jcheint. Beſonders interejfant fcheint mir davon 
Urk. Nr. 6: „Der Herrichaft Bühren Beihnadung mit denen Cöllnifchen“ 
von 1653, jowie Nr. 17 eine Ubjchrift einer angeblichen Urkunde des 
Erzbijchofs Engelbert von Eöln vom Jahre 1222. — Dann folgt eine 

XLVII. 2, 13 


194 

gelehrte Unterweifung: „Pro enodatione vocum, liber, nobilis, militis 
ministerialis etc. ohne allen Werth und eine annaliſtiſche Reihe von 
Namen Adlicher des Hochftiftes wiederum durchaus werthlos. — Dann 
„Origo comitum de Lippia etc.“ mit annaliftiichen Notizen über dieſe 
Bamilie, zu deren Beurtheilung es einer Bergleihung der Regeiten von 
Preuß und Faltmann bedarf. — Dann ein wichtiges Weistum über das 
Lehn⸗ und Erbrecht im Hochftift Paderborn, nachgewiefen an den Familien 
Deynhaufen, Harthaufen, Ajfeburg, Mengerfen, von der Lippe, Weitphalen, 
Spiegel (42, Seite fol.), verfaßt im Jahr 1552 mit dem Titel: „Ein 
wahrhafter Bericht, wie es ſich im Stifft Paderborn mit den Manlein- 
güdern undt pantichilling under dem adel hait thogedragen.“ — Dann 
fommen 2 Seiten thüringiiche Annalen mir unbefannten Urſprungo. — 
Schliehlih kommen Steuertabellen des Hodjitifts: a) „Eine einfache Ritter- 
ſchaft“ (d. i. Steuerfimplum für die Ritterihaft) mit den Anjägen für 
die einzelnen Adlichen des Hochitifts und einem Gejammtbetrage des ad» 
lihen Steuerfimplums von 756 Thl. 20 Egr. 7°, Pf. b) „Einnahme 
einer einfachen Landſchatzung“ mit den Anſätzen für die einzelnen Stadt- 
und Dorfgemeinden des Hochſtifts (Paderborn: 250, Salzkotten 150, 
Büren 110 etc.) mit einer Gejammthöhe von 5437 Thl. 7 Sgr. 3 Bf. 


2. Kalendar und Nefrolog des Klofters Falfenhagen. 


Unter den vom Paderborner Domdechanten Graf Chriitoph von Keijel- 
ſtadt herrührenden Handidyriften befindet ſich aud; ein im 15. Jahrhundert 
im Kloſter Kaltenhagen angefertigtes Kalendarium (Handidr. Nr. 94 fol.), 
welches zugleich als Nefrologium gedient hat. Jndeß jind die in diejes 
Netrologium bis in die 80er Jahre des 16. Fahrhunderts eingejchriebenen 
Namen mit einer einzigen Ausnahme ohne alle Wichtigkeit. Diele Aus— 
nahıne betrifft das Todesdatum eines Lippiſchen Grafen und es lautet die 
betreffende Einzeichnung: 

„VI Kl. Octobris (= 26. Sept.) anno domini 1536 obiit nobilis, dum 
vixit comes et dominus Simon de Lippia piissimus amicus et protector 
omnium religiosorum et potissime huius conventus: * 


Michtiger und intereffant aber find die auf dem legten Xlatte nieder: 
gefchriebenen annaliſtiſchen Aufzeihnungen, weldye mit Ausnahme der 
legten von einer einzigen Hand ſtammen. Ihr Wortlaut ift folgender: 


In dein jare Chrifti dujent verhundert twe unde dertich hebben de 
patres des hilligen crucesorden dat olde woeſte vorvallen cloſter Balfen- 
hagen angenomen, unde hadde up duſſe tydt woeſte gelegen XXVI jar 
unde hadde yn vortyden gemeit eyn juncferen clofter van Sanıte Berndes 


195 


orden. Unde de eddel Voldquinus greve thom Swalenberge hefft oth int 
gheſtychtyghet. 

Item in den jaren Chriſti duſent IIIIe ſewen unde vertich hebben de 
Bemen vor Soeſt gelegen. In dem ſulfften jaren unde tydt ſyndt od de 
Bemen getoghen dorch de herſcop van der Lyppe. Ock dorch de herſcop 
Swalenberge unde hebben berovet dat cloſter Valkenhagen, alſe an kelken, 
kettele, potte, kannen unde allerleyge huesgeraeth. Ock nemen ſe den prior 
alze her Johan Mackenborch vencklick un togen uth wente up hemmeth. 

Item in den jaren Chriſti duſent verhundert negen unde ſeventich 
up Sancte Dominicus dad) in dem myddage ys vorbrant dat cloſter Valken— 
hagen. Dorch ore egene vuer unde egene perſonen, alze kercke, belde, ſlaephus, 
bachus, alle korne unde meel, all jnwendich huesgerath, alle gaftfameren. 
Noch meer, dat men nycht ſcriven kan. 

In den jaren na Chriſti gheborth duſent verhunderth dre unde ſeventich 
up den dach Criſpini unde Criſpiniani ys gewigeth unde conſecreth int erſte 
de chor thon Valkenhagen dorch den werdigen unde erhafftigen her Johannem 
Thephalicenſem wigelbyſcop to Paderborne. 

In den jaren Chriſti duſent IIIIeLIXXXVII up den dad der elven 
dujent juncheren ys confecrethb unde gewygeth de ferde thom Valkehagen 
dor) den werdigen unde erhaftigen heren Johannem van Myeſſen wygel—⸗ 
byſcop tho Hildenfem unde Mynden. De ferdwigynge hefft fi dat convent 
beholden up veer fondage de mantzs octobris na gevalle des prelaten tho 
holdende. 

In den jaren Chriſti duſent viffhunderth dre unde dertich fabbato na 
pincla Petri nd reconfiliert thom Waltenhagen de crũceganck unde de ferdhof 

bynnen dem cerücegand unde vorth confecreet up nnge eyn kerckhoff, unde 
dopt vor dath gantje kaſpel dorch dem werdigen heren Johanne wigelbijchop 
tho Paderborne, unde vorth gejath de kerckmyſſe des gantſen keſpels, alie 
des eriten ſondages na Dyonifii to holdende, up alle des feipels dorpen. 

Item in den jaren na Chriiti gebort M.V. XXXIX hefft godt unfe 
Griftus here de werlde geitraffet dorch dure tyd forne halven, der feyn 
mynſche up erden gelevet hefft. Umme de tndt pajchen, pinrften unde Sohannie 
tho mydden jommer, hebben twe fchepel roggen gegulden ennen goltgulden, 
twe jchepel gariten eynen goltg., eyn,jchepel wyden eynen goltg., eynen 
ichepel bonen eynen goltg., all Ludeiche mathe, od Hoxerſche mate. In duffen 
tyden ys rogge dan Bremen de Weſer up gevorth in duſſe lant arther, 
of ynt lant to Heffen, dar al groet kummer broeth forns was. In dufjem 
jelfften jare wo boven ys dat forne tytlifen rype geworden, alze up dat 

feit Viſitationis Marie; up fancte Kylians dach wart de erite rogge 
gemegeth tom Balfenhagen; up Jakobs dad) all afgemenget, de menite 
yngevorth. 

13* 


196 


In den jaren Chrifti M.V.cXXXIX up den dad) der hilgen dre 
Konnige hefft god de here geitraffet de werlt dorch fne, water unde regen, 
fo dat alle water groeth unde kleyn ummeland her vor allen fteden, clofteren, 
vlecken unde dorpen groten jchaden deden an muren, dyfe, Hufen unde der 
gelifen. Bynnen Lude was ſunderlick groet vloth unde water, jo dat alle huſe 
ful water weren, jtoweden over de ferdhones muren bynnen der ftat. Bele 
foge, fwyne vordrunden. AN volt bynnen Lugede feten up oren balfen. 
Itlike brochten perde, foge, ſwyne, jchape all boven erden, fo dat unſprekelike 
moge unde jamer dar was. Godt helpe und alle! Gelifen was to Horer, 
Brakel, Nym, Stenem aljo an oren muren, greven unde dergelid. 

Anno domini 1540 in die Anne vidue insurgebat incendium 
grande circa horam quintam vesper, in civitate Embicensi, ita ut 
nichil remansit (!) nisi vestigia, quod nunquam in his regionibus auditum 
aut visum est. — 

Nachträglich ſei noch aus dem Nekrologium bemerkt, daß deffen Auf 
zeichnungen für den Sommer des Jahres 1555 das Auftreten einer Seuche 
melden, an welcher in wenigen Tagen 3 Mönche ded Kloſters ftarben. Die 
betreffenden Aufzeichnungen lauten: 

Juni 26: Obiit venerabilis pater prior Georgius Blomberg quondam 

supprior et procurator 1555: peste., 

Juni 28: Obiit frater Johan Lotten laicus jubilarius anno 

M.V,cLV: peste. 
Juli 3: Obiit frater Johannes Ottensteyn sacerdos sacrista anno 
1555 peste. 
Und ſchon zwei Tage jpäter folgt noch: 

Juli 5: Obiit broder Grande van Jppenbüren donatus et iubilarius 

anno domini vC,LV. — 

Schließlich gebe ich noch die jüngfte Notiz im Nekrologium, weil 
felbe vermuthlich den Zeitpunkt des Eindringen der Reformation andeutet: 

Anno 1589 16. die Martii. Reverendus et omni laude dignissimus 
Dominus Christophorus a Dart, ex nobilium genere in Geldria natus, 
conventualis Ruremundensis, pater et prior huius domus Falkenhag., 
cum loco huic per altquot annos summa cum laude et maximis 
laboribus praefuisset, ex hac lacrimarum valle pie et devote concessit 
in aulam coelestem, animam suam filio dei maximis suspiriis com- 
mendans, et 18. eiusdem cum multorum gemitu sepultus, Requiescat 
in pace, 

Trier. 9. DB. Sauerland. 


— — — — — —— 


IX. 


Chronif de3 Vereins 
für 


Geſchichte und Alterthumskunde 
Weſtfalens. 


(Abtheilung Paderborn.) 


Den Vorſtand des Vereins bildeten im verfloſſenen 
Jahre die Herren: 
Dr. Mertens, Caplan in Kirchborchen, Director. 
Rendant Ahlemeyer, Conſervator des Muſeums. 
Profeſſor Hermann Kotthoff, Sekretär. 
Banquier C. Spancken, Rendant. 
Poſtſekretär Stolte, Archivar und Bibliothekar. 
Von den Vereinsmitgliedern ſind ſeit Veröffentlichung 
des letzten Berichtes geſtorben die Herren: 
1. Holſcher, Superintendent, Horka (in Schleſien). 
2. Huckemann, Pfarrer, Schmallenberg. 
3. v. Kleinſorgen, Amtsgerichtsrath, Meſchede. 
4. Wasmuth, Domkapitular, Paderborn. 
5. Witkop, Amtmann, Brakel. 
Es traten aus die Herren: 
1. Bergmann, Oberförſter, Büren. 
2. Bonsmann, Pfarrer, Geſeke. 
3. Dr. Dürre, Gymnaſial-Director a. D., Wolfenbüttel. 
4. Dr. jur. Joſ. Engels, Aſſeſſor, Warburg. 
5. Wild. Engels, Eiſenbahn-Bureau-Aſſiſtent, ——— 
6. van Hees, Litterat, Iſerlohn. 
7. Schlüter, Landgerichtsrath, Paderborn. 
8. Wolff, Kreis-Schulinſpector, Brilon, 


198 


ALS neue Mitglieder wurden in den Verein aufge= 

nommen die Herren: 

1. Butterbrodt, Pfarrer, Kleinenberg. 

2. O. v. Daſſel, Lieutenant, Chemnip. 

3. Harjemwinfel, Juſtizrath, Wiedenbrüd. 

4. Wild. Hafen, stud. theol., Gejefe. 

5. Ant. Heiling, Nathsherr, Paderborn. 

6. Kork, Schulamtsfandidat, Warburg. 

7. Münſter, Paftor, Gejefe. 

8. Frhr. Guſtav v. Pappenheim, Nittmeifter a. D., 

Marburg (a. d. Lahn). 

9. Plugge, Caplan, Brafel. 

10. Schmidt, Landgerichtärath, Berlin. 

11. Schnittger, Neallehrer, Paderborn. 

12. Berjen, Gutsbejiger, Paderborn. 

13. Vüllers, Bergwerks-Director a. D., Paderborn. 
14. Ziegemeyer, Oberföriter, Holzminden. 

Die Mitgliederzahl beträgt 326. 

Die üblihen Sigungen während des Winter: 
ſemeſters erfreuten jich eine ſehr zahlreihen Beſuches. 
Folgende größere Vorträge wurden gehalten: 

am 23. Nov. v. %. von Herrn Director Dr. Mertens 
über: „Leben und Wirken von oh. Suibert 

Seiberg, zum Gedächtniß feines 100jährigen Ge: 

burtstages; 

am 12. San. d. J. von Herrn Gymnaiial= Director 
Dr. Hehelmann über: „Altweſtfäliſches Bruder: 
ſchafts- und Geſellſchaftsleben“; 

am 23. Jan. d. J. von Herrn Frhrn. v. Ledebur über: 

„Die Herrſcher de8.Bisthbums Paderborn, die 

Entwidelung ihrer füritliden Macht und ihre 

Stellung zu Kaijer, Reihb und Nadhbarn bis 

zum Ende des 13. Jahrhunderts’; 


199 


— * 


am 7. Febr. d. J. von Herrn Landgerichtsrath v. Detten 
über: „Land und Leute, Geſchichte und Zu— 
ſtände des Münſterlandes bis zur Zeit Karls des 
Großen;“ 
am 27. Febr. d. J. von Herrn Baurath Güldenpfennig 
über: „Baureſte aus kaärolingiſcher Zeit in Pader— 
born und die Bartholomäuskapelle daſelbſt“. 
Im Laufe dieſes Jahres wurde die Bibliothek, ſowie 
die Urkunden- und Handſchriftenſammlung des Vereins, welche 
bisher nothoürftig in einem Naume des Gollegiunisgebäudes 
untergebracht waren, in das alte ſtädtiſche Arhivgebäude 
übertragen. In demjelben hat die Stadt Paderborn drei jehr 
gelegene und geeignete Näume dem Verein vorläufig auf 
10 Jahre in zuvorlommenditer Weile unentgeltlich zur Ver: 
fügung geſtellt. Es ift dadurch möglich geworden, die Bibliothek 
neu zu ordnen und entiprechend aufzujtellen. Außerdem ift 
für diejelbe ein neuer nach Materien geordneter Katalog 
drudfertig hergeitellt, ausweis dejjen die Bibliothek ſich faſt 
um die Hälfte des in dem zuleßt gedrudten Katalog verzeich: 
neten Beitandes vermehrt hat. Insbeſondere wurden in diejem 
Jahre eine Neihe werthvoller Incunabeln und ein ſchönes 
Gremplar von Merian's Theatrum Europaeum erworben. 
E3 konnten nunmehr auch die Urfunden und Hand: 
ihriften in eimem eigenen und zwar heizbaren Zimmer 
untergebraht und geordnet und dadurch die Benußung der: 
jelben eigentlich erjt ermöglicht werden. Die Regeſtirung und 
Repertorijirung der Urkunden ift joweit vorgeichritten, daß 
das Generalrepertorium hofjentlih im Laufe des nächſten 
Jahres fertig geitellt werden kann. 60 Urkunden mit bejonders 
ganz prächtigen Siegeln aus dem 13. und 14. „Jahrhundert, 
das Baderborner Stift Bustorf betreffend, jind aus dem 
Nachlaß des verjtorbenen Domkapitular Barticher in dankens— 
wertheiter Weile dem Verein gejchenft worden. — Ferner 
hat es jich der Verein angelegen jein lajjen, genaue Ab: 


200 


ihriften von Handidriften, die für die Paderborner 
Geſchichte beſonders werthvoll und unentbehrlich find, herzu— 
ſtellen. So iſt in dieſem Jahre eine ſchöne Abſchrift der 
Relatio historica des Stadtſekretarius Günther vom J. 
1604, jet auf der Landesbibliothek zu Cafjel, und von 20 
ungedrudten, bie Berfafjungsverhältnijfe des Hochftifts Bader: 
born betreffenden Urkunden aus dem Provinzial-Archiv zu 
Münfter durch den Herrn Ardivar ſelbſt Hergeftellt worden. 

Dann führte die jehr mühjame Durchſicht der reponirten 
Bapiere auf dem hiejigen Rathhauje, welde durd 
die Zuvorfommenheit de3 Herrn Bürgermeilter Frankenberg 
dem Herrn Archivar ermöglicht wurde, zur Auffindung viel: 
fachen, für die Lokalgeſchichte jehr werthuollen Materials, jo 
eines Bürgerbuches vom Jahre 1571, ſämmtlicher Akten über 
ben ſog. Dörenhagener Krieg, zwölf für verloren gehaltener 
Stabtprotofollbücher aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges, 
fämmtlicher Zandtagsprotofolle des Hochſtifts jeit 1700 und 
Stadtrehnungen jeit 1614. — 

Für das Muſeum it dem Verein ein eigener, wenn 
auch noch ſehr beſchränkter Raum im hiefigen Königl. Land— 
gerichtögebäude eingeräumt worden. Für dafjelbe wurden 
u. 4. die Protrait3 jämmtlicher Paderborner Fürſtbiſchöfe 
von Hermann I. von Heſſen 1498 bis auf den legten Franz 
Egon von Fürftenberg (F 1825) gefammelt. — 

Aus dem Nachlaß des verftorbenen Gaplan Brand in 
Memelsburg find eine größere Anzahl von Original-Zeich— 
nungen alter Gebäulichkeiten und kirchlicher Kunſtgegenſtände, 
die der Vater des Verftorbenen vor beiläufig 50 Jahren 
mit großer Sorgfalt angefertigt hat, erworben worden. Es 
wird beabjihtigt, aus diejen eine Darjtellung von Anfichten 
der alten Befeitigungswerfe, Stadtthore, abgebrochener Kapellen 
und anderer Baurejte früherer Zeiten in und um Baderborn 
zu veröffentlichen. Die Zeichnungen kirchlicher Kunftgegenitände 
haben theilmeije jogar zur Wiederherbeifchaffung der bereits 


201 


verſchollenen Gegenftände, felbft aus weiter Ferne, geführt. 
Sp war der jo intereffante Tragaltar des Klofters 
Abdinghof aus dem 11. Jahrhundert, von Prof. 
Kayfer beichrieben und abgebildet im Organ für chriftliche 
Kunſt 1866, durch die Wogen des Kulturlampfes bereits 
nah Teutopolis, im Staate Illinois in Nordamerika, ver- 
Ihlagen. Es gelang dem Unterzeichneten, von einer Notiz 
auf der betreffenden Brand'ſchen Zeichnung ausgehend, diejem 
für die Kunftgefhichte fo werthvollen Stüd bis über den 
Ocean nachzufpüren und dasfelbe wieder herbeizufchaffen. Es 
wird nunmehr im Franziskanerkloſter zu Paderborn aufbewahrt, 
Den Bemühungen des Herrn PVereinsdirectord gelang es 
ferner den alten Zunfthumpen der Paderborner Bäder 
aus dem J. 1634 auf einer Berliner Kunftauction für bie 
hiefige Bäderinnung wieder zu ermwerben. 

Bei der von Herrn Brivatdocent Dr. Finke geleiteten 
Herausgabe des Weſtfäl. Urkundenbudhs kommen jekt Die 
Urkunden bes Bisthums Paderborn von 1251—1300 
zur Beröffentlihung. Wie früher, jo widmet fortwährend 
Herr Graf J. von Bocholtz-Aſſeburg zu Godelheim 
diejem Unternehmen in thätiger Weife jeine Unterftügung. 

Der Vereinsdirector und Herr Upothefer Rave 
in Nieheim jegten auch im legten Jahre ihre Lofalunter: 
juhungen im Gebiete der oberen Lippe und Ems und im 
angrenzenden Teutoburger Walde fort. Die mühjamen Nach— 
forihungen, die vielfah unterbroden werden mußten, 
find jegt der Hauptſache nach abgeſchloſſen und führten u. N. 
zur Feititellung einer römischen Straße von Bote zum Teutos 
burger Walde und zur Entdedung bisher unbekannter großer 
Gräberfelder. Das Ergebniß wird jpäter publicirt werden, 
jowie aud über die Nachgrabungen, welche jeitens des Vereins 
auf Beranlafjung des Herrn Schierenberg zu Frankfurt 
a. M. mit Genehmigung der Lippiſchen Behörden an den 
Erternfteinen vorgenommen find. 


202 


Der Bibliothet wurden auch im verfloffenen Jahre 
verihiedene Zuwendungen gemacht. Es ſchenkten die Erben 
des verftorbenen Superintendenten Holſcher zu Horka aus 
deſſen Bibliothef verjchiedene Schriften; Herr Graf 3. von 
Boholg:Ajjeburg zu Godelheim den 2. Band des von ihm 
verfaßten Aſſeburger Urkundenbuchs; Herr Amt$gericht2- 
tat) Bender in Siegen ein jehr wichtiges Gopiar vom 
Kloſter Graffhaft und andere auf diejes Ktlojter jich beziehende 
Papiere; Herr Banquier C. Spanden und Herr Land: 
gerichtsraty Schlüter in Paderborn eine große Anzahl Bücher, 
betreffend die Geihihte und das Rechtsweſen der Provinz 
Weitfalen; Herr G. A. B. Schierendberg in Jrauffurt a. M. 
verichiedene jeiner Schriften. Sodann erhielt die Bibliothek in 
Folge eines provinziellen Zuſchuſſes von 500 Mark, 
welche vorzugsmweije für den Bücheranfauf verwendet wurden, 
einen namhaften Zuwachs. 

Mit Freuden nimmt der Borjtand die Gelegenheit wahr, 
auch an diejer Stelle für die genannten und andermweitigen 
Bemühungen zur Körderung der Zwede des Vereins feinen 
verbindlishiten Dank auszufprechen. 


Profeſſor Hermann Kotthoff. 


203 


J- > —— 





Bericht über das Rechnungsjahr 1888 
(1. Oct. 1888 bis 1. Oct. 1889). 


Einnahmen. 
a) Beitand aus voriger Rechnung A 18,02 
b) Mitgliederbeiträge . . » . „ 1674 — 
ON SERIE a2. Se: re At 
A 1704,77 
Ausgaben. 


a) jür die Zeitihrift . . . .  c# 730,25 
b) „Inſerate und Drudiahen ,, 52,85 
c) ,, die Bibliothek und zwar 
1) für Anſchaffung von Büchern, 
Urkunden, Manufcripten „ 512,77 


2) „ Buchbinderarbeit . . „ 57,60 
3) „ Einrichtung d. mn 
raum 2... u 191,60 


4) , Berihiedenes . ». . .„„ 3778 

d) für dag Mujeum (Miethe) . .,„, 10— 
e) „Verwaltungskoſten an den 

Director und Ardivar . ,„ 100— 


A 1692,85 
Bleibt Beitand am 1. October 1889 AH 11,92 


Banquier C. Spancken. 


— 


Inhalt 


des ſiebenundvierzigſten Bandes. 





I. Abtheilung. 
eite 


ntergange der 
Gkbertinger 1263. Don Th. Reismann 


41 

. Boltsaberglaube im 15. Jahrh. Von Dr. Bram Zoftes. 85 
. Mönstersche Inquisitio, ein 1583 en Ipdile in 

Pahlmann. 98° 

. Die Stadt Warendorf im Kampfe gegen — und 


Münſter verbreitetes Buch. Von Cuſtos Dr 
Kaiſer. Von Dr. phil. Albert Westamp . 121 


. Eine weitfäliiche Pilgerfahrt nach dem h. Lande vom Jahre 


1519. Dlitgetheilt von Dr. Hoo 165 

A ——— aus der Bm und Eintr Bibliotfet Bon 

. Heinrich Finte . 209 

i Miscell en i ; . 228 

. Chronif des Vereind, (Abtheilung Müniter.) } . 397 

. Mitglieder-VBerzeihnig. (Abtheilung Münfter.) . ; . 237 

II. Abtheilung. 

. Die Spiegel - * tphalen'ſche Fehde. ine Epiſode aus der 
Gefchichte des weitfäliichen Adels = 15. Sahrhundert. Bon 
Leopold Grüe, Pfarrer zu Borgholz . 3 

. Auszüge aus dem Liber Anna — et Annotationum Con- 
ventus fl. Capucinorum Paderbornensium ab anno 1612. 
= etheilt von H. V. Sauerland . 33 

A des Amtes (Bürgermeijterei) Wethofen. Bon 
arrer Kudwig Neuhaus . 49 

hie Paderborner Urzeneitare von 1667 und der menfchliche 

Körper im Dienfte der ger Bon Euftos Dr. P. Bahl- 
mann . 73 

. Die „alte Kirche“ zu "Gütersloh. Bon Paul Eichoff, Gym: 
— zu Wandoebeck. 83 

. Zur Gejchichte des Klofters Willebadeffen. Don 3. Schröder, 
Seminarlehrer zu Paderborn . 105 
. Regeften und Urkunden zur Geſchichte der chemaligen Bene: 
diftiner-Abtei Marienmünfter unter Berüdfichtigung der früher 
incorporierten Pfarreien. Gejammelt von Fr. &. — 
Pfarrer zu — (Fortſetzung.) —— 126 
Miscellen . 187 


. Chronit des Vereins. (Abtheilung Paderborn.) . : j . 197 


— — 


. Die Anfänge der Stadt Münſter. Bon H. — Aſſeſſor a. D. 1 
Geſchichte der Grafſchaft Tekeneburg bis zum 








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