Skip to main content

Full text of "Die Elemente der Entwicklungslehre des Menschen und der Wirbeltiere"

See other formats


Digitized by Google 



DIE ELEMENTE 

BER 

ENTWICKLUNG SLEHKE 

DES S 

4 

ME.N8CHEN UND DER WIRBELTIERE. 

AMLEiTDNG UND &EPET1T0RIDM 

PÜR 

STÜDIERENUE UND ÄRZTE 

VON 

OSCAE HEllTWIG, 

0; ft, nKHTHHNM, MJUBROK DM AXATOMWOB'MOUMISCim nfmOfll DIR ONlVMITiT BBUir. 



ZWEITE AUt^AGfi. 
MIT 878 ABBILDUNGEN IM TEXT. 

• » • ' 

JENA. 

VERLAG VON GUSTAV FI8CHEB. 

I1MI4. 



Digitized by Google 



ÜberseUongsrecilt rorbeluilieii. 





• • • 




• • 


* ••• 


* A * 



• • • 

• • • • • 
•••••• 



PftMMBlw BofbvdidnMktrai Stophaa OübtA * 0«. In AUmilmtf . 



Digitized by Google 



H 57 



Vorwort 



JHc Entwickliuiici^gesdiiebte ist der wahre Licht- 
tri&gvr für Uot^rMisbauwii Uber ori;ani0ch« KArasr." 
C. B. V. Bawi t Obar jlDt«ricklung«gesch. dw fkn, 
Beobaebteiv und Beffexi«« (Bd. I, 8. 231). 



Wie in keinem Zoitrauin zuvor, bat der (iedanke der KntwickliiOß 
die Wissenst'liaft im 19. Jahrhundort beherrscht, nni ficfstf^n und 
nachhaltigsten aber die Biologie. Wie sind die Lehewe^n eatstaDden V 
Wie hat sieh ein bo hoch zusammengesetzter Organismus wie der 
Mensch, in welchem sehr zahlreiche Organe wie luich bestimmtem 
Pinn harmonisch zusammenwirken, auf nitiirlirlieni Wege gebildet V 
Solche und ähnliche Fragen sind das Losungswort in der biologischen 
WisitenRchaft der letzten 50 Jahre gewesen. Seit den Tagen, in welchen 
C. E. TOir Babr sein Meisterwerk, welchem ich das Motto zu meinem 
Vorwort entnommen habe, pesrbrielien hat, ist die Entwirklimp-lr lire 
ein Hauptfeld anatomischer Forschungen geworden ; durch die emsige 
nod auf sicheren Wegen nach bestimmten Zielen gerichtete Tätigkeit 
zahlreicher. vorzQglicher Forscher ist in einer kurzen Spanne Zeit ein 
WissensgebÄude entstanden, d.is einen Pliysinlngen des IH. .lahrhunderts, 
einen Kaller oder Caspar Fkiedkich WuLtr, wenn sie jetzt wieder 
unter den Lel>enden erschienen, mit Bewunderung erfüllen wtirde. 

Der dem Studium der Entwicklungsi>iozesse zu<,'ewandte Kifer 
der Forsrber hat mehr und mehr auch im Kreist Iri "studierenden 
und Ärzte ein lebhafteres Interesse für die Tatsachen und Theorien 
der Entwicklungslehre wachgerufen. Diesem Umstand glaube ich es 
nicht zum wenigsten zu verdanken, dafs im Laufe von 12 Jahren 
mein Lehrbuch der Kntwicklungsfrescbirlite des Mensrhen und der 
Wirbeltiere sechs Auf lagen erlebt hat (seitdem ist 1902 die siebente 
Auflage erschienen), und dafs es in die französische, englische, 
italienische und russische Sprache Qbert ratzen worden ist und in den 
beiden ersteren auch schon eine zweite Auflijie erlrl t liat 

Das Studium der Kntwickiungsgesehichtt' den Studierenden der 
Medizin und Naturwissenschaften noch mehr zu erleichtern und es 
soweit als möglich zu einem allgemeinen Bildungsmittel zu machen, 
ist die Aufgabe des vorliegendeo Buches, welcliem ich den Titel: 
„Eleniente der Fintwirklunjilehre" gegeben ]\n\n\ Hei der Neu- 
bcarb< itung der letzten Auihigen meines Lehrbuchs int mir innuer mehr 
zum BewulVtsein gekommen, dafs ich in ihm zwei nicht leicht zu 
vereinende Aufgaben zu verbinden ppsucht h:i1'i\ Einmal sollte es 
ein Hilfsmittel bei der Kricriiunfz der eutwicklungsgeschichtlicheu 
Disziplin für den Aufüuger, zugleich aber auch ein wissenschaftliches 
Buch sein, in welchem der Forscher sich einen tJberblick Ober den 
Stand der wissenschaftlichen Fragen und einen Einblick in neue Er- 
rungenschaften verschaffen konnte. Es wurde daher auch mit aus- 




Digitized by Googl 



IV 



Vorwort. 



fohrliehen Literaturttbernchten verseben. Daraus sind fttr mich zirei 

Schwierigkeiten erwachsen. Die eine bestand darin, l>ei der raschen 
Aufeiuauderfolgo der Aufla^ren don in der kurzen Zwischenzeit ein- 
getreteneu Krrungenschalten nach 2i,lleD Seiten gerecht zu werden» 
worüber ich mich schon in der 5. und G. Aufhige, in letzterer mit 
folgenden Worten ausgesprochen hahe: 

„Wie in den Natiirwis>on«chatten überhaupt, so inshesondero auch 
auf dem Gebiete der Entwicklungslehre wird so viel wissenschattlich 
gearbeitet, dars die Literatuir fortwährend im raschen ^'achsen be- 
griffen ist, und dafs in wenigen Jahren fast jedes Kapitel geringere 
oder einnri'ifcndere Veränderungen aufzuweisen hat. Daher sieht sich 
der Hi'iausgeber, weu« er deu Fort.^chritteu seiner Wissenschaft 
Rechnung tragen will^ fast Sehritt fttr Schritt in die Lage gebracht, 
bald eingreifendere, bald gt rinucre Verbesserungen an dieser oder 
jeupr Stelle ;i?i/nliringen , und lialiei wird er angesichts der grnfsen. 
in den verschitiieueu Kulturländern jährlich ersciicinendeu Literatur 
doch die unangenehme Empfindung nicht los, dafs es ohne einen 
unverhältnismftfsigen Aufwand von Zeit und Mühe nicht mOglich ist, 
allen auf einzelnen Gebieten erfolgten Fortscbritten in gleichem Mafse 
gerecht zu werden." 

Die zweite Schwierigkeit fand ich darin, l«ei dem Bestreben, die 
erste Aufgabe zu erfüllen, zugleich auch den Charakter eines Lehr- 
buchs für Studierende zu wahren. In dieser Hinsicht ;i1)er liatte ich 
den Eindruck, dals bei den im Laufe der Jahre notwendig gewordenen 
Veränderungen und Zusätzen auch manches Nebensächliche in das 
Lehrbuch mit aufgenommen, und dafs besonders sein Umfang Ober 
das für den Anfänger erwünschte Mals hinausgewachsen war. So 
reifte allmählich im Eiuveruehnu u mit dem Herrn Verleger der Eut- 
seblul^, den angefahrten Schwierigkeiten zu begegnen, indem ich die 
nicht gut zu verbindenden zwei Aufgaben voneinamh r loste durch 
getrennte Darstellung in zwei Lelirbücliern. vnn flcMvn das eine niclir 
aut die Interessen der Studierenden und Arzte, das andere mehr für die 
Anforderungen eines schon tiefer in den Gegenstand eingedrungenen 
Leperkreises l)erecbnet ist. 

Von d!es^'n Motiven geleitet, werde ich von jetzt ali neliin dem 
älteren, zurzeit in sechster (1902 in siebenter) Auflage vorliegenden 
Lehrbuch noch die »Elemente* herausgeben, welche zur Einfflhrung in 
das Gebiet der Entwicklungslehre dienen und nur ihre Hau)»ttatäacheD 
in kürzerer Fnrni zur Darstellung bringen sollen. Dank dem Entgegen- 
konjmen des Herrn Verlegers ist es mir trotz des von ihm festgesetzten 
niedrigen Preises für das Lehrbuch mi»glich gewesen, es mit einer 
reichen Auswahl von 3tt2 Figuren (den n Zahl in der zweiten Auflage 
auf :?7:! LrestieL'en i>f ) nus/ust;itten. welche das Verständniv der Ent- 
wicklungsprozesse sehr wesentlich erleichtern werden, .ledern Kapitel 
ist eine knapp zusanimengefalste Übersicht des Inhalts gewissermafsenln 
Form einzelner Thesen beigefügt worden, so «lafs sie als eine Art Repeti- 
torium dem Studiereniien fiu ilerlich und dalier willkommen sein werden. 

Und so gebe ich in «las neue .lahrhuuderl deu au seiner Schwelle 
.letzt erscheinenden „Elementen" den Wunsch mit auf den Weg, dafs 
sie das Licht entwicklungsgeschichtlicher Erkenntnis in immer weitere 
Kreise hineintragen mögen. 



Berlin, Oktober 189S». 



Oskar Hertwig. 




Digitized by Google 



Inhalt 

Erster Hnupttoil. 
Die AnfangsproKesse der Eiitwicklunif und dl«» ombryonalen EthUlloii. 



Krstes Kapitel. Si-Uf 

Die Natu r V o n E i - u D d Sa III >■ n /. !■ 1 1 c 1 

1. Die Ei/elle « 

a) Altcitlialp oder dotterarnip Kifr 7 

h) l oliilpcitliali' (tiU-r ilotterrci< In', itular lUnVrt'iizicrtc Eier .... 7 

t) ( <'iitri»l('titli!ilt' u(icr fi-iitral difffrciixit-rtc Kirr 12 

2. Die S;imcnla(li-ii \2 

l'cpetitoriuin 16 



Zweites Kapitel. 

Die Reifeerjtcheinungen von Ei- und Samenzelle und der Be- 

' f r II i-ji t u 11 p r II / >' Ts IS 

I. Die l{i-iti->'rsth> iriiingen. ... TS 

^ Der Bctiucbtiingspro/efa 24 

TT7i>etitorium 2^ 



Drittes K u ]) i t el. 

Der F» r !• h u n gspro xefs his zur Bildung der Keimhlaae 'M 

Kepetituriutn 44 



Viertes Kapitel. 

Ent w i r k 1 n n g sp h V s i olog ische The 0 ri en u n d Ex p e ri m en te . . . . 4() 

1. Idioiila>iii;>theorie 46 

'J. (i>'s( hici htlichc /fujnnu' mul raitlnMuymMiesi' 50 

■i. Broliacliriinijf II iinti Hyperiiin-ntc uIti ilie Hczifliiiiigen der .ynlage - 

snlistan/ zur ( ir^Mni^atinii des aiist;<'l>ilil>'tcii ( ifs(hi>|ifcs . . . . .". 51 

a) Die 'riifdiit' ilci- iirfianliiklfiKleii Keimlie/ii ke '. '. '. '. '. '. '. 7i\ 

h) Die Mosuiktbeurie ö4 

c) Die Theorie der Biogenesiw 5(? 



Fünftes Kapitel. 

I)ie i.ehrp von den K o i ni M a 1 1 e r n ■ . . : . . . - , . ül 

1 l>ie K eiinl)lattl)ililiiiin lieiiii .Aiiii'liioxui^ . - >'>\ 

2 nie Keiiiililattliililiiii^' l<ei den .v ni |iliitiien . >i',< 

.H. Die Ki'iinldattliilduii^^ hei den l'i'-clH'ii hl 

^ Die KeiniMatttiililiing liej Hepulien, \ ngeln und Saugetieren .... 86 

a) I>ie eisten Siadn ii l'ei Üeptilieii und X'uLM'ln >^>) 

Im Die /weite l'liase iler (iastnilatinn '.)4 

f> Weiiire liim aiidliingen der l'riniitivorgauc hei Reptilien, Vögeln 

Saugetieren 100 

Uepetitoriuni lOS 



Sechstes Kapitel. 

Die E n t y i r k 1 11 nir d er ür s cgme n te , die Entstehung von Binde - 

HU Ii s t a n 7 II n d l'. I u t . . 11.'^ 

a) l>ie I isi-gmente . . . ■ li:{ 

Ti) Die Kiitsteliimg dor Biixlesiihstanzeu 117 

c) Die Kiitsteliiiiig der (ietaNendnllielien niiil di's l!liile> IIS) 

TTepetUorium . 12M 



Inhalt 



Siebentes Kapitel. aalt» 



Bildung der äuTscren Körperform und des Dottersacks der 

Wirbeltiere, sowie der Kiliiillett der Ueiitilicn utid Vottd ■ |26 

1. l>ie HildiiiiB tlos Kiiiiiples durch Kiiilaltung der Keinihlatier zu Hohren 129 

2. l)ie VerweiiduTiff des aiir>ereml>rvi>nakn Hf/irks der Keinildätter /iinV 
Itnlti-rsark der l'i>cLe und y.ii den Kihaiiteii der Keptilieii iiml Vci'^ 1^2 

a) Der Dotlersack der Fisdie. . l'<2 

h) Die Eibüilen der Keptilien und Vögel 138 

Repetituiium . . . m 



Achtes Kapitel. 

1 ) i e K i h Ii II e n d e r S ii u ;r e t i e r c u 11 d d e s M e n s c h e n • HO 

l.. Die Saugetiere . ■ l4ü 

2. Die meiisi hiii lieii Kihulien IftO 

Repetitorium 170 



Zweiter Hauptteil. 

Neuntes Kapitel. 

Die Organe des inneren K e i ni Ii ! a 1 1 e s 175 

Das Darnirnlir mit seinen Anhallp^()l^gnIlen . . . . . . . . ■ . . . . . . 17.5 

I. Die lUldun^H'n der Offnungen des Darmkanals. — After, Mund, 

Sehlundspalten ■ ■ ■ . . ~ 175 



II. bonderunV des Dannrohrs in einzelne Absihuittc und Bildung der 

Gekröse ( Nlesentericn) 184 

III. Kntwieklnii^T der eiiizrlnen t^ri^^ane des Kinpcweiderohrs ... . 191 

A. /ahne, /unßp Titnsille und S^teieheldi ii-en 191 

B. Tliynius. Scliilddruse, Kehlkopf und Lunge ÜOO 

Ün.eber, l'ankreas etc. ■ 'J(H 

Repetitoriuni. 211 



Zehntes Kapitel. 

Die Organe des mittleren K e i rn Ii 1 a 1 1 e s . 216 

Muskulatur. Harn- und Hes( hiec htsorgane 216 

I. Die Kntwiekluny der w illkurli( hen Muskulatur. . . . ■ • • • . . 216 

II. Die Kntwirkiurip der Harn- und (ieschlcchtsorgane, der .Nebenniere 224 

lIT. Die Kntwickluns der Nebennieren 2')^ 

liepetitoriuin 26(.> 



Elftes Kapitel. 

Die Organe des aufi^eren Keimblattes 265 

I. A. Die Knlwicklun^ des Central .Nervensystem» 2t>a 

1. Die Knmi(klung des KiH kenniarks '<iti5 

2. Die Kiitwit kluii^; des (»ehirns 268 

B. Die Knm i< klnii|.' des peripiieren Xervcnsystems 28^ 

ÖT~Die Kntwifkluii^ des Syiiipatbi<U8 . . • '• • • 

II. Die Kiitw K klung tler .Siniiehorgune. Ange, Oehftr- und Ueruchsorgan 2v2 

A- Die P'nt wiiklunp des Auges . 2^-< 

B. Die hjitwuklum; des tiehörorgany ii^it 

Ü7 Die Kntwii kliuiij des (ieruclisorgans 1^18 

III. Die KlU^vi^■klullp der Haut und ihrer Nebenorgane 

Uepetitoriuni 'Hil 



Zwölftes Kapitel. 

Die Organe des Zwisrhenhlattcx oder Mesenchyms 836 

1. l)ie Kntwiekitinu des Blutgelarssystems i^i^ 

A. Die Kniw it kluiig des Herzens, des Herzbeutels und Zwerebtells. . iüi'^ 
' B. Die ersti n Kiitwi( khingf^zust.inile der grolsen Uetalse. Dotterkreis - 

lauf. Allantni^- und rUixeiil.trkie.shuit 354 

('. I>ie r»iw aiidliiii'jrti im Ht rehhtf des .Arteriensystems 857 

D. l niwandluiiu' im iJereiche des Veiiensvstems . '. i '. '. '. ~ '. '. .'^fil 

II. Die Kiitm. klmiL' des .Skeletts " ütV) 

A \. h., ,1^1 rlett 

1. Kntwii kliuiL' der Wirbelsaule neb.st Rippen und Brustbein . . . 369 

2. Das K,,),l.-k.>lett . ■ ■ 375 

B. Die l-liitvN i. klun^r des Kxtreniitatenskeletts :jü8 



Hepetitorimti • 406 

h'eiri'-ter .414 




Erster HauptteiL 

Die Anfangsprozesse der Entwicklung und 
die embryonalen Eihfillen. 



Erstes KapiteL 
Die Natui* von £i- und Samenzelle. 

Im 17. und 18. Jahrhundert herrschten noch die iinklarsten Vor» 

Stellunnen WhvY dns Wesen des tierisclien KutwicklungsprozrS!«e? Von 
den relifjiösen Do^iiueii ilirer Zeit luiwillkllrlich heeinrinfst, waren die 
bedeutend&teu Auatomen und rhy>iol<>gen mit wenigen Ausnahmeu 
der Ansicht, da(^ der Keim oder der erste Jugendzustand eines 
Orpanisinus nichts anderes als ein nnfserordentlich verkleinertes 
Miniatiirhild vom späteren ausgebildete?! Zustand darstelle. Im Ki 
sollten scliuu am Anfang seiner Entwicidung alle Organe wie im er- 
wachsenen Ge£cliö))i in derselben Zahl. Lage und Verbindung, nur in 
einem aiirsernnlentlicli viel kleineren Zustand vorbanden sein. Da es 
nun aber mit den \"ergrörsernn>isgläsern , welche Mdiun damals mIs 
Instrumente der Forschung in üebrauch gekommen waren, nicht mög- 
lich war, die zahlreichen vorausgesetzten Organe im Ei am Anfang 
seiner Entwicklnnp: 7.u «^ehen und nachzuweisen, uabni man zu der 
Hypothese seine Zutiucht. dais die einzelnen Teile, wie Nervpüvystem, 
Knochen, Drüsen etc., in den ersten Stadien der Entwicklung nicht 
nur aufserordentlieh klein, sondern dabei auch vollkommen durchsichtig 
seien. Demnach wlirdo der Fntwi(klnnprs])rozefs nichts anderes sein, 
als ein Auswachsen des schon vorhandenen Miniaturgeschftpfes zu 
seinem unendlich vergiölserten Ebenbilde, etwa in ilhnlicher Weise, 
wie das neugeborene Kind, bei dem ja schon alle Organe vorhanden 
sind, durch ihre Vergröfserung heranwäclT-t Dabei sollten die gröfser 
werdt'ntbn Teile auch allmählich ihre Durrli -i 'liti^'keit verlieren. 

Im sich den Vorgang verständlicher /.u. machen, wies man als 
erlftttterndes Beispiel auf die Entstehung einer PflanzenblQte aus ihrer 
Knospe bin. Wie in einer kleineu Knospe von den grünen, noch fest 
zusammeugeschloss<'nen Hüllblättern doch Ijereits alle Hlütenteile wie 
die Staubfäden und die gefärbten Kelchblätter eingehüllt werden, wie 

O. H*rt«f c, JH* ElmeBto d«r Eatwieklunnl*!"«. 2. Aull. 1 



Digitized by Google 



2 



Erstes Kapitel. 



diese Teile im Verborgenen wachsen und sich dann plötzlich znr 

Blüt*' ('ntfaltrn. !;n]ltPTi. ni( inte man, auch in der Tien^ntwickhin«; 
die (»ereits vorhandenen, aber unendlich kleinen und durchsichtigen 
Organe wachsen, sich allmählich enthalten und unserem Auge er- 
kennbar we rden. Auch die Entstehung eines Schmetterlings ans der 

Puppe pflegt'^ man zum Beweis heranzuziehen. 

In der Oeschichte der Wissenschaften wurde die eben skizzierte 
Auffassung vom Wesen des Entwicklungsprozesses als die Theorie der 
Evolution oder der Entfaltung bezeichnet. In den letzten Dezennien 
hierffVr der Name r "i f o r m a t i o n s t h e o r i e" mehr in Aufnahme 
gekommen. Denn im Gegensatz zu dem, was wir jetzt vom Eut- 
wickluugsprozefs kennen gelernt haben, ist ja das EigentOndiche der 
alten Lehre die Annahme, dafs im Keim schon allr späteren Organe 
und Bestandteile von Anfang an in ilutin siiiiteron Zustand vor- 
gebildet oder präformiert sind. Das Neuentstehen oder Werden ur- 
sprünglich nicht vorhandener Organe, was wir jetzt mit dem Begriff 
der Entwicklung eines Organismus als etwas Selbstverständliches ver- 
binden, wiirde vou dtMi AiihHnfxern dt-r Praforniation>t]ieurie fj^eleugnef. 
„Es gil)t kein Wenlen", heilst es in den Elementen der Thysiologie 
von Haller, „Kein Teil im Tierkftrper ist vor dem anderen gemacht 
worden, und alle sind zugleich erschaffen." Die alten Naturforscher 
wollt» ri liei ihrer Auffassmifj ' 1 ii'wii klungslehre gerade das nicht 
anerkennen, was uns bei diesem Mudium am meisten anzieht und 
interessiert, das Entstehen einer komplizierteren Organisation aus 
einer einfacheren, die Umwandlungen oder Metamorphosen, denen die 
Organe, indnm sie sich komplizieren, nach bestimmten, feststehenden 
Entwicklungsgesetzen unterliegen. 

Das Dogmatische und Irrige in der Präformationstheorie zuerst 
scharf angegriffen und den Grund für den grofsartigen Aufschwung, 
welchen die Entwicklungslehre in unserem Jahrhundert genommen hat, 
gelegt zu haben, ist das unsterbliche Verdienst von Caspar Eriedrich 
WoLFF. Noch ein jugendlicher Forscher, stellte er in seiner Doktor- 
dis.sert^ition 1759 der Theorie der Präformation die Theorie der 
Epigenrsi> entgegen, welche, rinc Zeitlanp von den ersten Autori- 
täten heftig befehdet, sich in unserem Jahrhundert die allgemeine 
Anerkennung durch die Wucht der Tatsachen errungen hat. Nach 
der Theorie der Epigenesis ist der Keim eine einfache, noch nicht 
aus fJriranen zu^^annnengesetzte '^tih-tnnz. welche sich erst im Laufe 
des Eulwickluiigsprozesses vermöge der ihr eigentümlichen Kräfte (Nisus 
formativus) nach und nach organisiert und vom Einfacheren zum 
Komplizierteren umwandelt. 

Ihre Hauptstütze hat die Theorie der Epigenesis in unserem Jahr- 
hundert durch die Zellenlehre erhalten, welche, ebenso wie für die 
Anatomie und Physi(dogie, auch für die Entwicklungslehre ein festes 
Fundament der Forschung geliefert hat. Durch sie wi>seu wir, dafe, 
wie die höheren Organismen Ven iniuungen zahlreicher Zellen, ebenso 
auch die Kein>e neuer Organi.smen nichts anderes als Zellen sind, 
welche sich zu gewissen Zeiten aus dem Verbände mit den übrigen 
loslösen, selbständig werden und unter geeigneten Bedingungen wieder 
zum Au>i:nngspunkt für einen neigen vielzellifren Organismus ihrer 
Art werden. Daher können Ei und Samenfaden selbstverständlicher- 
weise nicht den Bau des Organismus haben, von welchem sie sich als 
selbständig werdende Elementarteile ablösen, weil dieser ja aus vielen 



Digitized by Google 



Die Katar Von Ei> and Samenselle. 



3 



Zellen zusammengesetzt ist, die in dirscr und jener Weise diftereuziert 
und zu besonderen Organen verknüpft sind. 

Mit der ZeDennatur von Ei und Samenfaden und mit ihren be- 
sonderen Eigenschaften haben wir uns daher zunächst bekannt zu 
machen. 



1. Dir Kizolle. 




¥ig. 1. Unreifes Ei aus 
dem Eierstook eines Eohi- 

noderms (etwa JWOinal ver- 
priirscit). I)as ^rnf^e Keim- 
bia^^cheu zeißt in eiiu iii Netz- 
werk von Kaden, dem Kernneti, 
eio«n Keimfleck oderNudeolos. 



Das noch nicht in die Kutwici<lung eingetretene Ki (Fig. 1 ) ist 
die weitaus grölste Zelle des tieiischen Küipers, welche bei manchen 
Tierarten ganz gewaltige Dimensionen er- 
reicht und die andnoii Zellen dos Körpers 
um das Millionenlachc an (iewiclit und 
Umfang tibertritft. Al)er auch in letzterem 
Falle sind an ihm im wesentlichen nur 
dieselben Bestandteile wie an einer ge- 
wöhnlichen anderen Zelle zu unterscheiden: 
der Zelleniuhalt, der Zellenkern oder Nu- 
eleus und die Zellenmembran. Diese Be- 
standteile hat man zu einer Zrit, wo man 
die Zellennatur des ?aes nocli nicht er- 
kannt hatte, mit besoudereu, auch jetzt 
gebräuchlichen Namen belegt Den Zellen- 
inhalt bezeiclinetc man als Eid ott er oder 
Vitellus, den Kern als das Keim- 
bläschen (Vesicula germiuativa, Puk- 
uicib), die in ihm eingeschlossenen Kern- 
körperchen odt^ Nucleolen als Keim- 
flecke (Maculae gcnninativae. Waonkh). 

die Zellenmembrau endlich als Dotterhaut oder Membrana vitelliua. 

Der Dotter oder Vitellus Iftftt, gleich wie der Inhalt vieler 
Zellen, wieder zwei verschiedene Substanzen unterscheiden, 1) das 
eigentliche Protoplasma, jene oigen- 
tündiche, aus Proteiukorperu autge- 
baute Substanz, in welcher sich die 
Lebensjirozesse in erster Reihe ab- 
si)ielen . und 2) das Deuto])lasma 
(Van Benkde.n) oder Taraplasma 
(Kupfper). Mit diesem Namen werden 
chemische Stoffe zusammengefafst, 
welche vom l*rotoi)lasma meist deutlich 
optisch unterschieden und in Form 
kleinerer oder grörserer KOmer, Sehol- 
len, Plattchen, Kugeln, Kristalle etc. 
in die protoplasmatische (irundsub- 
stanz eingelagert sind (Fig. 2 u. 3). 
Sie können aus Fetten, aus Albu- 
minaten oder aus fiemischon von lei- 
den bestehen und stellen in i)hysio- 
logischer Hinsicht Reservestotic dar, 
welche als Nährmaterial beim Ent- 
wicklungsprozefs allmählich aufge- 
braucht werden. 




V.P 

Fi^. Schema eines Eies mit 
polständiKem Nahrungsdotter. 
Der Hildiiij^-il ' Mit bildet am ani- 
malen Pole AJ' eine Iveimscheibe 
k.9ch, in welcher das Keimblä^rhen 
A-./<einpt"srliI<)s>fn ist. Der Naliruiifis- 
dotter n.(i lüilt üea Übrigen Eirauiu 
nach den TegetatiTen Pol (VJP) 
zu aus. 



Digitized by Google 



4 Entet Kspild. 

Wenn die einzelnen Deutoplasmakorner eine beirächllicheie Gröfse 
erreichen und sehr reieUieli in das Ei abgelagert sind, so kann sehr 
häufig das Protoplasma d^rch sie ganz verdeckt werden. Es füllt 

dann die klein« n Lüc ken zwischen den dicht zusammengedrängten 
Dotterkugelu, Dotterplättcheu, Fetttropfen etc. wie der Mörtel zwischen 
den Steinen eines Mauerwerks aus und erscheint auf dem Durch- 
schnitt nur als ein zartes Netswerk, in dessen kleineren und gröfseren 
Masrhen die Einschlüsse liegen Nur an der Oberfläche des Eies ist 
stets das i'rotoplasnia als eine mehr oder weniger dicke, zusammen- 
hängende Rindenschicht vorhanden. * 

Das Deutoplasma ist es besonders, welches durch seine massen- 
hafte Al)lagerung die oben erwähnte, zuweilen so riesige Gröfse der 
Eizelle hervorruft und ihr im Unterschied zu allen übrigen Zelleu 
des Körpers ein charakteristisches Gepräge verleiht Denn die Ei- 
zelle, welche bei ihrer Entstehung im 
Kiei^^itock klein und vtm anderen Zellen 
kaum zu unterscheiden ist, bereitet 
sich gewissennalton auf ihre zukQnf tige 
Aul^he frühzeitig dadurch vor. dafs 
sie aus dem Blutkreislauf nährende 
Substanzen überihrenaugeublicklichen 
Bedarf an sieh zieht und als Reserve- 
stoffe in Iii rem Protoplasma auf- 
sjK'ichert. In den einzelnen Tierklassen 
geschieht es in sehr ungleichem Malse, 
bei Vögeln und Reptilien z. B. viel 
nii'hr als bei <lt n Säugetieren. Wenn 
dann später nach der Befruchtung die 
Eizelle ihre Entwicklung beginnt, wer- 
den die in fester Form al^elagerten 
Br • r\L-stofle allmfthlich \m den Stoff- 
wechselprozessen, die im Protoplasma 
vor sich gehen, in lösliche Modihka- 
tionen übergeführt und zur Ernährung und zum Wachstum der aktiven 
Zellenhestandteile. des Protojdasma und des Kerns verwandt. So kann 
(h r <]<■]] cTitw ickt liiilr Kmhrvo zu einer Zeit, wo er noch nicht von 
auiVcn te>ie 6ul»stanzeu als Sahruug aulnehmen kann, sich von den 
als mütterliche Mitgift im Dotter aufgespeicherten Reservestoffen er- 
nähren und sie für seinen Stoff- und Kraftwechsel verwerten. 

K e i ni M ä sch eu (Fig. 1 — i A- ^'i zeiizt gewöhnlich eine dem 
Umlaug «ie> Eies entsprechende Grölse, i.>t daher das grölste Kern- 
gebilde des tierischen Körpers und kann zuweilen, wie in den Eiern 
der Fische. Amphibien und Beptilien, solche Dimensionen erreichen» 
dar> e> x'hon niii uiibewurtm-teiii Auge erkannt und beim Zerzupfen 
dt s Ei» s mit Nadeln für sich i>oliert werden kann. Mau unterscheidet 
an ihm Ii eine flüssige Gnindsuhstanz als Kernsaft, 2) die Kem- 
meuihran. durch welche die mit Saft erfüllte Höhle gegen den Dotter 
ab<_'t'|.'n'i)/r wirrl. ;>) ein d- ii Kcinsaft durchsetzendes Netzwerk von 
feineu Fäden, die aus einer dem Protoplasma ähnlichen Substanz, dem 
Linin. bestehen. 4) das Chroniattn, eine der wichtigsten und charakte- 
ristischsten Sub.>tanzen des Kerns, welche sich duK h ihre Kiurenschaft, 
jT^i^i^v«' Fai ! -totb- wie Karmin. Iläniatoxylin. basisciie Anilinfarben, an 
sich zu ziehen, auszeichnet und in Form feiner Körnchen und Fäden 



Digitized by Google 




Fig. 3. Schema eines Sie« mit 
mittelständigem n'ab'rangsdot- 

ter. I'a- K'cii.iI I.im In n l.f, iiiimnt 
<li<- Mut»' iK - Nahi uiigsdottcr.s (u.d] 
da, wf Ii Imt v(hi einem Mantel von 
BilduDgsüotter(6^> eingehüllt wird. 



Die Natur von Ei- und Samenzelle. 



5 



meist auf dem Lininnetz abgelagert ist, 5) die Nucleoli oder Keini- 
rteckc, gröfsere ku^'Iige oder lappige Körpor einer Protelnsuhstanz, 
welche sich Ähnlich wie das Chroiuatin mit Farbstoffen verbindet. 
Ihre Anzahl ist je nach der (Iröfse des Keimbläschens und je nach 
drr Tierart eine sehr verschiedene. Wahrend kU^inore Keimbläschen 
kleiner Eier, z. B. der Säugetiere, gewöhnlicii nur einen einzigen 
Keimtleck besitzen, kann ihre Anzahl sich in anderen Fällen auf loo 
und mehr belaufen (Fig. 4), z. B. in den sehr grofsen Keimbläi«chen 
der PMsche. Amphibien und Reptilien. 

Bei vielen Tieren wird das Ei nur von einer feinen Hülle, der 
oben erwähnten Dotterhaut (Membrana viteliina) umgeben, welche 
einer Zellenmembran entspricht und vom rrotoplasnia des Eies zum 
Schutz nach aulVeu abgeschieden wird. In anderen Fällen gesellen sich 
jedoch zur Membrana viteliina noch andere Hüllen, zuweilen in grolserer 
Anzahl, hinzu. Sie , , 

werden am zweck- •* . 

niäfsigston nach ihrer 
Entstehungsweise in 
zwei Gruppen ein- 
geteilt, 1) in die 
primären Hüllen, 

welche von der Ei- - • 

Zelle selbst oder den ' ) 

sie umgebenden Fol- f 4, ' 

likelzellen gebildet W, " /* 

werden, und Ii) in die \« * 

sekundären Hüllen, * • 

welche häutig noch * . • ^ ; 

um das Ei, nachdem • ^ 

es aus dem Eier- 
stock ausgetreten ist, 
von der Wandung 
der Ausftthrwege des 
Geschlechtsaj^para- 
tes ausgeschieden 



• •• 



Kif;. 4. Kcimbläsohen eines 0,8 mm RrofBen 
£ioB von TiiiTKN nadi ( abnov und I^kuhu.n. I>ft> Ki 
zeigt die Kernniemliran, viele KeimHei-.ke, aus Linin tind 
('hroniatin gebildete KadtMi, die vielfach geschlanßolt und 
weiren ihres Aussehens mit einer KiaschenWürste ver- 
glichen worden sind. Hin StQck eines Fadens ist links 
ol)en stärker vererof^ert. 

werden. 

Im Tierreich bieten die Eier der zahllosen Tierarten bald ge- 
ringere, bald sehr auffällige Unterschiede voneinander dar, so dafs 
ein guter Kenner von einer ihm vorgelegten Eiart imstande sein 
würde, anzugeben, welcher Spezies sie angehört. Aulserordentlich 
verschieden ist in den einzelnen Klassen und Ordnungen ihre (iridse. 
Während die Eier bei den Säugetieren mit unbewaffnetem Auge kaum 
noch als kleine Pünktchen wahrgenommen werden können, erreichen 
sie l)ei den Vögeln im Vergleich hierzu ganz gewaltige Dimensionen, 
wie im P'idotter des Huhnes oder gar eines Straufsen. Auch ihre 
Form zeigt Verschiedenheiten; am häutigsten ist sie vollkommen 
kuglig (Fig. 1 u. T)), zuweilen aber auch oval oder zylindrisch. — 
Viele Verschiedenheiten können ferner die Hüllen darbieten in ihrer 
Zahl, in chennscher Beschaffenheit, in Konsistenz und Färbung: des- 
gleichen die Keimbläschen nach ihrer Grölse und Lage im Dotter 
und nach der charakteristischen Anordnung ihrer oben unterschiedenen 
Bestandteile. Besonders wichtig aber sind für den Embryologen die 
Verschiedenheiten, welche in den einzelnen Tierklassen der Dotter 



6 



Erstes Kapitel. 



darbietet nach der Menge, der Beschaffenheit und der Verteilung der 
in ihm abgelagerten Reservestoffe. Denn wie sich später zeigen wird, 
üben sie einen tiefgreifenden KinHufs auf den Verlauf der an die Be- 
fruchtung sich anschliefsenden Entwicklungsprozesse aus und bedingen 
nach den einzelnen Tierklassen verschiedene Arten des Furchungs- 
prozesses, der Keinibliltterbildung und der Gestaltung der Enibryonal- 




Fip. 5. Nahezu reifes Ei vom Menachen, fVisch dem noch lebens- 
warmen Eierstock entnommen. Aii^eu das Follikele|iithel, darunter die helle 
Zoiia pellucida, daim lolpt eine Riiulenschicht von Trotoplasnia, die nach innen 
in reicher mit I)eiiti»pia>ma aiis^restattetes l*roto]>labn]a üherj^eht. Links oben 
Keimbluscbcn mit Keimtleck. Nach Waldkykb. öÜO : 1. 



hüllen. Daher sei die folgende Auseinandersetzung gleich von vorn- 
herein der Beachtung und dem sorgsamen Studium des Lesers ganz 
besonders empfohlen. 

Je nach der Art und Weise, wie Protoplasma und Deutoplasnia 
(Reservestoffe) im Eirauui verteilt sind, ergeben sich drei sehr 
wichtige Modifikationen, auf Grund deren sich die Eier iu 
drei Gruppen einteilen und als alecithale, telolecithale und 
centrolecithale unterscheiden lassen. 



Google 



Die Natur Ton Ei« und Sftmenzelle. 



7 



a) Alocithaie oder dotteranne Eier (Fig. b). 

Die Kier dieser Gruppe enthalten nur wenipo Ro*<ervestoffe , die 
mehr oder miuder gleichmälsig im Eüaum verteilt i»iud ; intulgedeääeo 
sind sie auch entsprecheiMt klein und zuweilen mit nnhewaffnetem 
Auge aberhanpt nicht mehr wahrzunehmen. Unter den Wirbeltieren 

kommen aufser beim Aiiiithinxus nur Ihm den Sruijretirren und dem 
Meuschen derartige dotterarme Eier vor, deren Durchmesser hier im 
Durchschnitt nur 0.2 mm, beim Menschen sogar nur 0,17 mm betr&gt. 
Infolge ihrer Kleinheit sind sie verhAltnismai'sig spAt« erat im Jahre 
1827, durch Caki, Kknst v. Bakr entdeckt worden, nachdem man vor- 
her iu einem tibrigens leicht begreiflicheo Irrtum die viel gröl'serea 
Graaf sehen Blftschen des Eierstoclcs, in welchen die viel kleineren 
wahren Eier erst eingeschlossen sind, für die letzteren seihst gehalten 
hatte. (Man vergleiche das spätere Kapitel üher die Entwicklung 
des Kier.stockö.) Das kleine Keimbläscheu (Fig. ö) l)e8itzt einen ein- 
zigen giofsen Keimfleck. Um den Dotter, der bei manchen Säuge- 
tieren trotz der Kleinheit des Eies infolge stark glänzender, fett- 
haltii"'!' Hrservestoffe sehr trtllip, l>ei audtTeii dn^'cficn. vsie beim 
Meuschen, ganz durchsichtig ist, liegt eine ziemlich dicke UUlle, die 
Zona pellucida herum ; da sie noch innerhalb des Eierstocks von den 
Follikelzellen des Gka.\f sehen Bläschens ausgeschieden wird, muis sie 
zu den oben unterschiedenen primären EihüUen gf^eclmet werden. 
Bei starker Vergröfserung erscheint sie fein radiär gestreift; sie wird 
nämlich von zahlreichen Porenkanfllchen durchsetzt, in welche, solange 
das Ei im Ghaak sehen Bläschen verweilt, feinste Fortsätze der Kollikel- 
zelhnt. wnhisclieinlicli zum Zwerk der Kriiähning und des Wachstums 
des Dotters, eindringen und mit dem Kiplasma verschmelzen. Daher 
bleiben auch nach der Entleerung des P'jes aus dem geplatzten Gkaaf- 
schen Bläschen an der Ohei fläche >einer Zona pellucida noch iilngere 
Zeit 2- o Ln.tron von Follikel/elltu haften und werden, da sie mit 
ihren Längsdurciimessern in radiärer Richtung um das Ei herum an- 
geordnet sind, als seine Corona radiata liezeichnet. 

b) Telolaolthale od«r dettemlolio, polar dUterMiilerCe Btor (Fig. 2). 

In der zweiten Gruppe haben wir es mit gröfseren. zuweilen so- 
gar mit gewaltig grofsen Eiern zu tun, deren Umfang durch massen- 
hafte Aufspeit herung von Reservestoffen hervorjrernfen ist. Dabei 
ist ihre Aldageruug im Eiraum eine ungleichmälsige der Art, dais in 
der einen Hälfte der Eikugel sich mehr Deutoplasnm. in der anderen 
dagegen mehr Protoplasma vorfindet. Da nun dieses im allgemeinen 
wasserreicher ist un f ein geringeres spezitisches Gewicht besitzt als 
die in ihm eingelagerten, aus festerer Substanz bestehenden Reserve- 
stoffe, suchen derartig organisierte Eier stets eine ganz bestimmte 
Btthelage im Räume einzunehmen. Die schwerere Kugelhälfte, welche 
man gewöhnlich wegen ihres gröfseren Gehaltes an Dottereinschlfissen 
die vegetative nennt, wird nach abwärts, die leichtere Iliiltte, weiche 
auch die animale heifst , nach oben gekehrt. Eine Linie, welche 
die Mittelpunkte der vegetativen und der animalen Kugelhälften ver- 
bindet und sicli immer lotrecht tMnstellt, wird als E ia ch se. ihre beiden 
Endpunkte werden als aui maier und vegetativer Pol des Eies 
voneimiüder unterschieden. Der Schwerpunkt eines solchen Eies 



Digitized by G 



8 



Eriiles Kapitel. 



liegt nicht mehr zentral, sondern ist naeh dem vegetativen Pol zu ver- 
schohen. Daher ist die Bezeichnunjr polar differenzierte oder 
telolecithale Eier, d. h. Eier, bei denen die Dottereiubchlüsse 
nach den beiden ?o\ea m in iingleicher Weise verteilt sind , ganz 
passend p^ewählt. 

Es ist zwepkniafsifx . unter ihnen noch einmal eine Einteilung 
in zwei Untergruppen vorzunehmen, je nachdem der Unterschied 
zwischen animalem und vegetativem Eipol weniger oder sehirfer aus- 
geprä.L't ist. 

Zu der trstcii Abteilung gehören die Eier der Amphihipn . der 
CykloBtomen, der Gauoiden. Das Froschei z. B. läfst die polare Ditieren- 
zierang seines Inhaltes nur daran erkennen, dafe in der vegetativen 
Hälfte die fettglänzenden Dotterplättchen gröfser und sehr dicht zu- 
sammengcprefst sind, wi^hrcnd sie nach dem fnimnlen Pol zu kleiner 
werden, weiter auseinanderliegen und daher von reichlicherem Protu> 
plasma eingebaut sind. Infolgedessen biet^ aiieh beide H&lften 
in ihrem spezifischen Gewicht geringe Unterschiede dar, was sich 
geltend macht, wenn dir Frosrheirr in das Wasser gebracht werden. 
Denn dann kehrt sich regelmäl'sig — besonders rasch einige Zeit nach 
der Befruchtung — die animale Hälfte, als die leichtere, nach oben. 
Ül>ri^'<'ns sind animale und vegetative Hälfte heim Frosche! auch 
schon durch ein äufserliches ^Icrkmal lei<'lit voneinander zu unter- 
scheiden, da die erstere durch Pi^nuontkörnchen . die in der ober- 
flächlichsten Protoplasniarinde reichlich abgelagert sind , braun bis 
tiefschwarz gefärbt ist, während die letzt irc infolge fehlender (Raua 
esculenta) oder schwachor ausgeprägter Pii^iiuMitierung (Rana fusca) 
hfllgelb oder ;:rau aussieht. Aufser der bereits im Follikel gebildoteu. 
ziemlich brcitcu Zona radiata erhält das Froschei wahrend seiner 
Wanderung durch den Eileiter noch eine sekundäre Hülle, eine dicke, 
von DrUspii/ellcii dos Eileifers ausgeschiedene, klebrige, im Wasser 
aufserordeutlicli quellende ( lallertschicht. 

Die Eier der Amphibien etc. bilden gewissermalseu einen Über- 
gang von den dotterarmen (alecithalen) Eiern mit gleichmäßig ver> 
teiltiMi Keservr>t(iften zu der zweiten T'ntera1)teilun;z unserer zweiten 
(iruppe, zu den l'",iern der Selachier und Teli'ostier. der Keptilieu uml 
\ ogel. Die polare Differenzierung (Fig. 2) i^t hier dadurch noch eine 
schärfere geworden, dafs die Umgebung des animalen Poles Oberhaupt 
keine gröberen Dotterkörner als Einschlüsse mehr enthält und somit 
fast mir aus reinein Prutoiilasma besteht, in weiclies auch das Keim- 
l)liischeii (/. /*) zu liegen kommt. Nach dem Vorgang von iiKicHfcki 
hat man den protoplasmatischen, meist sehr kleinen Bezirk des Eies 
f/, sv7/i als den Bildungsdotter (Vitellus forma tivus) und 
den nbii'j't!. aulserordentlich viel voluminöseren Teil als den 
I\ u h 1 u u s d 0 1 1 e r (Vitellus ü u t r i t i v u s , n.d) bezeichnet. Die 
Naniengebung ist eine recht zutreffende, wie namentlich der weitere 
Vi-rlauf der Kntwickluntr b hren wird. Es bleiben uiUidich, wie hier 
im voraus ^Meicli an.i:edeutet werden mag, die Veränderungen, welche 
wir >päter als Furchungsprozefs kennen lernen werden, nur auf 
den Bildungsdotter beschränkt; er allein wird in Zellen zerlegt und 
liefert das ^Iaterial zum .\ufbau des Embryo, während der Nahrungs- 
dotter an diesen Entwicklungsprozessen selbst nicht teil nimmt, 
sondern nur allmählich verflüssigt und zur Ernälirung des Embryo 
aufgebraucht wird. 



Digltized by Google 



Die Matur von £i> and SamenseUe. 



9 




Der vom BildunoBdotter erfüllte Bezirk helfet wegen seiner Form 
gew5hnlieh auch die Keimscheibe (Fig. 2 k.sch u. Fig. Gj. Sie ist wegen 

ihres geringoreii spezifischrii Gowichts in jeder Lage des £ie8 stets 
nach oheu gekehrt; sie hreitet sich auf 
dem Nahrungsdotter gleichsam wie ein 
Oltropfeu auf dem Wasser aus. 

Als Heispiel eines polar differen- 
zierten Kies mit Keimsciieihe sei auf 
das Hühnerei, welches von jeher zu 
embryologisehen Untersuchungen mit Vor- 
liehe ))(Miiit/t worden ist, noch etwas ge- 
nauer eingegangen. 

Man niufs die Eizelle des Huhnes 
oder irgend eines anderen Vogels, um 
ein richti^ros Bild von ihrer Beschaffen- 
heit zu ^'ewinuen, noch im P'.ierstock 
aulsuchen in dem Augenblicke, wo sie 
ihr Wachstum vollendet hat und im Be- 
griff steht, sich aus dem Follikol abzu- 
lösen. Man lernt dann, dal's sich in dtMii 

traubentorungeu Eierstock nur der kuglige Eidotter, das sogenannte 
Oelbei, entwickelt, welches für sieh eine aufserordentlich grofee Zelle 

darstellt (Fig.»)), Das „Gelhei" wird von einem dünnen, aber ziemlich 
festen Ililutchcn, der Dotterhaut ((Ih). eingeschlossen, deren Verletzung 
ein Austlielseu des weichen, breiigeu Inhalts zur Folge hat. An letz- 
terem wird man bei genauerer Untersuchung einen kleinen, weifsliehen 

Fleck, die Keimscheihe (ksrli) (Discus proligerus, auch Hahnentritt od« r 
Narbe. Cicatricula. genannt), entdecken. Die Keinischeibe ist an der 
Eikugel stets nach oheu gekehrt, da sie aus der leichteren Substanz, 



Fig. 6. BiMll» (Bidotter) 

des Huhns aus dem Eierstock. 
k.sch Keiinsi ht'il»e, k\li Koiinlilus- 
«hen, ir.d \\t'ir-.t'r Dtttter, g.d 
gelber Dotter, dM Dotterhaut. 




Yi\S. 7. Durchsohnitt der Keimscheibe eines noch in der Kapsel ein- 
SMOhloBsenen reifen BierstookBeies, iia< h lUuroun. a BiiuI<-}:r\M'l»>ka])^oI des 
Eies; b Epithel der Kapsel, Mi dessen Innenseite auf dem Ei die Dotterliaut liegt; 
e kOmiire Substanz der Keimscheibe; nr.y weifeer Dotter, der unmerklich in die 
feink<iriii;:i' Snl)3tanz ilor Keiinsi licilif iilifiL'i'hf : x das von piiuT dnitlii liun Mem* 
bran umgebene, aber geschrumpfte ivvimbläscben; y ursprünglich vom Keim- 
blischen eingenommener, durch seine Schrumpfiing leer gewordener Raum. 



aus r.ildungsdotter besteht, einem feinkornigen Protoplasma mit kleinen 
Dotter kügelchen , an welchem sich der Furchungsprozel's allein voll- 
neht Sie liegt also immer am animalen Pol unmittelbar unter der 
Dotterhaut und hat etwa einen Durchmesser von 3 bis 4 mm. In 
der abgeplatteten Keimscheibe tindet sich auch das Keimbläschen 
(Fig. 0 k.h und Fig. 7 x)^ welches gleichfalls etwas abgeplattet und 
linsenförmig ist 

Die übrige Hauptmasse der Eizelle ist der Nahrungsdotter; er 
?ietzt sich aus zahlloseu Dotterkttgelchen zusammen, die durch geringe 
Spuren von Protoplasma, wie durch einen Kitt, verbunden werden. 



Djgitized by Copgle 



10 



Erstes Kapitel. 



Über seine feinere Struktur erhält man Aufschlufs durch dünne 
Durchschnitte, welche senkrecht zur Keinischeibe durch die gehärtete 
Dotterkugel anzufertigen sind. Man kann dann nach Verschieden- 
heiten der Färbung und der elementaren Zusammensetzung den 
weifsen und den gelben Nahrungsdotter unterscheiden 
(Fig. 0). Der weifse Dotter (tcd) ist nur in spärlicher Menge 
in der Eizelle vorhanden und stellt einen dünnen Überzug auf der 
ganzen ObeiHäche, die weifse Dotterrinde, her; zweitens sammelt er 
sich unter der Keimscheil)e , für welche er gleichsam ein Bett oder 
Polster bildet (pAM)EKScher Kern), in etwas gröfserer Menge an und 




Fig. 8. Dotterelemente aus dem Ei des Huhns, nach Balfocs. .-1 Gelber 
Dotter. Ii Weifscr Dotter. 



dringt drittens von hier aus in Form eines Zapfens in den gell»eu 
Dotter bis zum Zentrum der Kugel vor. wo er kolbenartig anschwillt 
(Latebra, I'uhkinjk). Beim Kochen des Eies gerinnt er weniger und 
bleibt weicher als der gelbe Dotter (gd). Dieser läfst in ge- 
ronnenem Zustand auf dem Durchschnitt eine Schichtung erkennen, 
indem er sich aus zahlreichen Kupelschalcn zusammensetzt, die um 
die Latebra herumgelegt sind. Auch in der Beschatfenheit ihrer 





Fig. 9. Schematischer liängsschnitt eines unbebrüteten Hühnereies. 
(Nach -Allks TMuMäu.N, etwas verändert.) h.l. Keinischeibe, ir.y. weifscr Dotter; 
derselbe besteht aus einer zentrak'ii, tlaschenfumiigcn .Masse und einer .Anzahl 
konzentrisch den gelben Dotter yy. umgebender Schichten; v.t. Dotterhaut; x. 
etwas tlüssige Kiweif>schicht. welche den Dotter unmittelbar umgibt; tc. Kiweifs, 
aus abwechselnd dichteren und flüssigeren Lagen zusammengesetzt; ch.l. Cbalazen 
(Hagelschnüre): a.ch. Luttkanimer am stumpfen Ende des Eies; sie ist einfach 
ein Zwischenraum zwischen den beiden Schichten der Schalenhaut; i.8.m. innere, 
a.m. äu&ere Schicht der Schalenhaut; s. .Schale. 



Google 



Die Natur ron EU und Samenaell«. 



11 



elementareo Teilchen sind beide ijotierartvu voneiuauder verschieden. 
Der gelbe Dotter besteht ans weicheo, dehnbaren RQgelchen (Fig. 8 Ä) 
von 25 bis Inn u Gröfse, die durch zahlreiche, feinste Körnchen ein 
punktiertes Aussehen erhalten. Die Kiemente des weifsen Dotters 
sind meist kleiner (Fig. 8jB), ebeufalU kuglig, schliefsen aber ein 
oder mehrere gröfbere, stark licbtbrecbende Kdmer ein. An der 
Grenze., zwiseheD beiden Dotterarten kommen Ktigelehen vor, die 
einen t'hcr^anj: vermitteln. 

Von dem so bebclialieuen Eierstocksei unterscheidet sich das 
nach anfsen abgelegte Hohnerei (Fig. 9) in seinem Aussehen. 
Dies rührt daher, dafs um dvn Eidotter, wenn er sich aus dem 
Ovarium ablöst und von dem Ausfüllt weg des w» iMichen Gescblcclits- 
apparates oder dem Eileiter aufgenommen wird, von den Wandungen 
des letzteren mehrere sekundäre UmhOlIungen, das Eiweil^ oder 
Albuinen, die Schalenhaut und die Kulkschale, abgelagert werden. Jeder 
der drei Teile wird in einem lusoiideren Abschnitt des Eileiters der 
Uenne gebildet. Der Eileiter zerlallt nämlich in vier Abschnitte: 1) in 
einen engen, flimmernden Anfangsteil, in welchen die aus dem Eier- 
stock ausgetretene Eizelle aiit;4<'notnniea wird, um von den daselbst 
angesammelten Samenfaden belruclittl z« werden: *2) in einen mit 
Längsfalten bedeckten, drüsigen Abschnitt, von welchem das Eiweils 
sezerniert und in dicker Schicht um den Dotter ausgebreitet wird; 
3) in einen etwas ausgeweiteten . mit kleiuen Zotten bedeckten Teil, 
dessen Zellen Kalk salze ausscheiden und so die Bildung der Kalk- 
schale veranlassen, 4) in einen engereu und kurzen Abschnitt, durch 
welchen das Ei bei der Ablage, ohne weiter verftndert zu werden, 
rasch hindurchtritt. 

Die vom Eileiter nacheinander gelieferten Umhüllungen haben 
folgende Beschatleuheit: 

Das Eiweifs oder Albumen (w.) stellt ein Gemisch mehrerer 
StotTe dar; es enthält uach chemischen Analysen 12 " o Eiweilsstoffe, 
l.."»" o Fett Ulli! inidere Extraktivstoffe, o,;, » o Salze (Chlorkalium, 
Cblornatrium , 6ulpliate und Phosphate), 8ü Wasser. Es umgibt 
in mehreren Schichten von wechselnder Konsistenz den Dotter. Eine 
ihm ziemlich dicht auflagernde Schicht ist fester und noch deswegen 
besonders bemerkenswert, weil sie sieh in zwei ei^jentümliche und aus 
^ehr dichter Eiweifssubstanz bestehende, spiralisch aufgerollte Stränge 
{chJ), die HagelschnQre oder Chalazen, fortsetzt, welche sich durch 
das Albumen hindurch zu dem stumpfen und zu dem spitzen Pole 
des Eies begeben. 

Das Eiweifs wird uach aulsen von der dünnen, aber festen, aus 
verfilzten Fasern zusammengesetzten Schalenhaut (sjh) (Mem- 
brana testae) eingeschlossen. Diese ist in zwei Lamellen zerlegbar, 
in <'ine ilursrre. dickere und festere und in eine df^nnere, glatte, innere 
Lamelle. Beide weichen am stumpfen Pole des Eies bald nach seiner 
Ablage auseinander und Schliefisen zwischen sich einen mit Luft ge- 
t Hilten Hohlraum ein (axh)f die L u f t k a m m e r . welche SNSh während 
der Bebrütunj? immer mehr vergröfsert und für die Atmung des sich 
entwickelnden Hühnchens von Bedeutung ist. 

Die Schale endlich oder Testa (.«.) legt sich an die Schalen- 
hant dicht an und besteht aus 2 *^/o einer organischen Grundlage, 
in welche OH V> Kn]ks;th'(> ;\bp:ela|.;ert sind. Sie ist porös, von kleinen 
Kanftlchen durchsetzt, durch welche die atmosphärische Luft in das 



Digitized by Google 



12 



£rste8 Kapitel. 



Innere des Eies eindringen kann. Die Porosität der Kalkschale 
ist fttr die normale Entwicklung des Eies ein unbedingtes Eifordemis, 

da mir bri innner crnfntfr Sauorstoffzufiihr die Lel>enspro7PS!j?e im 
Protoplasma sich abspieieu können. Man wird in kurzer Zeit den 
Tod des bebrfiteten Eies her? ormfen , wenn man die Porosität der 
Kalkschale daduirli vernichtet, dafe man ne mit Öl durchtränkt 
oder mit Firnis die Poren verschlielkt. 

c) Centrolecithale oder zentral dififerenziorte Eier (i'^ig. 3). 

Beispiele für die dritte Gruppe kommen im Stamme der Wirbel- 
tiere nirgends vor, lassen sich aber in vielen Klassen der Arthropoden, 
80 bei den Insekten, in reicher Auswahl finden. Auch hier ist eine 
schärfere Sonderung in einen Bildungsdotter (Fig. 3 h.d) (Vitellus 
formativus) und einen Naliriiniisdottei (n.d) (V. nntritivus) eingetreten, 
was sich namentlich wieder auf den weiteren Stadien der Entwicklung, 
wie schon beim Furchungsprozefs, in bedeutsamer Weise geltend macht. 
Im (legensatz zu den oben besprochenen polar differenzierten Eiern der 
Wirlieltiore mit Keimschcilie ist alior hier (Fig. 3) der BiMiHips<lotter 
gleiehmafsig au der ganzen Oberliäcbe des Eies angesiinimelt und 
umgibt als eine ringsum geschlossene, gleichmäfsig dicke, feinkörnige 
Rindenschicht den zentral gelegenen Nahrungsdotter. Das Ei ist also 
zentriil differenziert orlrr. wie man auch sagen kann, es besitzt 
anstatt eines pol ständigen einen mittels täodigenlsahr uugs- 
dotter* 

S« Die SamenfMen (Spennatosoeii), 

Wahrend die Eier die weitaus gröfsten Zellen des tierischen 

Körpers sind, die zuweilen ganz riesige Dimensionen erreichen, stellen 
die iiianiilii'hon (rpsclileclitsprodukte im Gegensat/ ifmi^n die aller- 
kleinsten Eienientarteile dar, die im Tierreich überhaupt beuhaditet 
werden. Infolge ihrer Kleinheit sind sie nur mit stärkeren Ver- 
gröfserungen in der Samentlüssigkeit aufzufinden und konnten daher 
auch erst zu einer Zeit entdeckt werden, in welcher mau die Kunst, 
VergröfserungsgUlser anzufertigen und zu mikroskopischen Unter- 
suchungen zu verwenden, erlernt hatte, Ihre Geschichte beginnt mit 
dem Jahre 1677. in welchem ein Schüler des berühmten Leeuwenhoek, 
der Student Hamm in Leiden, bei mikroslcopisi her Untersuchung der 
Samenflüssigkeit in ihr die sich lebhaft bewegenden Fäden siih und diese 
Beobachtung seinem auf dem Gebiete der Mikroskopie vielbewanderten 
Lehrer mitteilte, der sie weiter \erfolgte und in mehreren Aufsehen 
erregenden Schriften verött'entlirhte. Da die Entdeckung in eine Zeit 
fiel . in welciier das Dogma der Prilformationstlieorie (vgl. S. 1 ) all- 
gemein herrschte, hat sie alsbald zu einer interessanten, wissenschatt- 
lichi II 1 (dide \ eraidassung gegeben. Denn mit Rücksicht darauf, dafs 
bei allen holicren Tieren ein neues Gesrhöjjf nur durch die Ver- 
einigung der Zeugungsstoffe eines männlichen und eines weiblichen 
Individuums entsteht, konnte jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob 
die Eier, wie man früher glaubte, oder die neuentdeckten Samen- 
fadPTi die präformierten Miniatnranlajrcn der Tie^f sind. Lkkuwex- 
HOKK selbst regte sofort diese Streitfrage an, ludeui er das letztere 
behauptete und in dem £i nichts anderes als ein von der Mutter 



Digitized by Google 



Die Natur Ton £i- und SaneiiseUe, 



13 




geliefertes Nährmaterial erblicken wollte, iu welches er bei der Be- 
fruchtiing einen Samenfaden hineindrin^en und den geeigneten Boden 

fftr sein weiteres Wachstum finden hefs. So eiitstanclen die sich 
lange Zeit heftig befehdeten Schulen der Animalculisten unti der 
Ovisteu. Hierbei verstieg sich die durch Dogmen voreiugeuoniuieue 
Phantasie so weit, dafs einzelne Forscher mit starker VergrOrserung 
an dem Samenfaden die Körperform des späteren Geschöpfes zu 
erkennen und K()i)f, Kunipf, Schwanz und Extremitäten an ihm zu 
unterscheiden glaubten, ja sogar in wissenschaftlichen Werken die 
Samenftden als solche Pbantasiegeschöpfe ah> 
bildeten. So hat der HoUilnder Hahtsof.keh ( l(iO J) 
ein Schema eines menschliciien Samenfadens 
entworfen, iu dessen vorderen verdickten Teil er 
einen kleinen menschlichen Embryo mit grofsem 
Kopf, mit zusammengeschlagenen Armen und Bei- 
Den, umhüllt von einer Kihaut. eingezeichnet hat. 

Als später die durcli Lkeüwenhoek hervor- 
gerufene Streitfrage durch die Entdeckung von 
Eiern, die sich auch ohne Befruchtung auf dem 
Wege der Parthenogenese entwickeln, zu Gunsten 
des Kies entschieden schien, blieb mau lange 
Zeit iin unklaren darüber, was die fkdigen Ge- 
bilde im Samen eigentlich sind und was für eine 
Bolle sie bei der Befruchtung spielen. Noch 
in den ersten vier Jahrzehuten des 19. Jahr- 
hunderts hielt man sie Allgemein fOr seltotftndige 
parasitische Geschöpfe (Sperniatozoa) . den In- 
fusorien vergleichbar. Noch in .Ion. Mci.ii:rs 
Physiologie heifst es: „Ob die Samentierchen 
parasitische Tiere oder belebte Urteilchen des 
Tieres, in welchem sie vorkommen, sind, Iftfst 
sich für jetzt noch nicht mit Sicherheit beant- 
worten.** 

Die Entscheidung wurde durch das physio- 
logische Experiment und besonders durch ver- 
gleichende, histologische Untersncluingen des 
Samens und der Samenentwicklung (Spermato- 
genese) im Tierreich herbeigeführt. In ersterer 
Beziehung wurde durch Filtration des Samens 
(Si'ALLANZAM) festgestellt, dafs nicht die durch das Filter hin- 
durchgegangene Flüssigkeit, sondern der aus den Samenfäden be- 
stehende FiJterrOckstand das befruchtende Prinzip enthält. Die In- 
fusoriennatur der Samenfäden aber war widerlegt, als Kölliker 
zeigte, wie die Samenfäden aus besonderen Zellen des Hodens (der 
S})ermatoc>ten) durch eigentümliche Umwandlung entstehen. Wie 
die Eier, besitzen also auch die Samenfäden den Formwert von 
Zellen; jene sind die weiblichen, diese sind die männlichen Geschlechts- 
zellen. Daher mufs sich auch in der Organisation der Samenfäden 
ein Teil, welcher dem Zellenkern, und ein Teil, welcher dem Proto- 
plasmakOrper entspricht, nachweisen lassen. 

Für gewöhnlich sind an den tierischen Samenfäden, welche 
übrigens für jede Tierart geringe syipzinsche rnterscbiede in ihrer 
Gröl'se und Form darbieten, drei Abschnitte als Kopf, Mittelstück 



Fig. 10. Schema 
eines mensohliohen 
8amexifad0iia» nach 

HAVnOBKKB. 



u 



Ente« Kapitel 




I ( 



Cd. 



und Schwanz zu unterscheiden (Fig. 11). Es wird genügen, wenn 
wir uns iiierliei auf die Beschreibung der menschlichen Sauienfädeu 
allein beschränken. — Ihre Länge beträgt « twa 0,05 mm. Der 
vorderste Abschnitt, dor Kopf (Cp.). hat die Form eines ovalen 
Plättchens, das nach di in Vordeiende zu (P/.) etwa? dünner ist. V(»n 
dor Seite (.4) gesehen, gewinnt er eine gewisse Alnilichkeit mit einer 
plattgcNlrflckten Birne. In chemischer Hinsicht besteht er, wie mikro- 
chemische Reaktionen lehren, aus Chrnmatin. Der Kopf des Sainen- 

fadeus entspricht also dem Kern einer 
Zeile. Bewiesen wird dies durch Unter- 
suchungen, die bei anderen Tieren, na- 
mentlich 1)oi Salamandra maculata etc., 
über die .Spermatogenese angestellt wor- 
den sind und gelehrt haben, dafs der 
Kopf des Samenfadens direkt durch all- 
mählithe rni\vandlun<x aus dem Kern 
der Sanieubilduugszelle (Spenuatide) 
hervorgeht. 

Mit dem Kopf verbindet sieh durch 
einen kurzen als Mittel- mier Ver- 
bindungsstück ( Pr.) bezeichneten Teil 
der lange, iadenartige Anhang (Cd.), der 
protoplasmatischer Natnr ist und am 
besten einer Geilsel verfjlichen werden 
kann, da er kontraktile Eigenschaften 
besitzt und eigentümlich schlängelnde 
Bewegungen ausfuhrt« Terrnttge deren sich 
der Samenfaden mit ziemlicher Geschwin- 
digkeit in der Flüssiirkeit vorwärts l»e- 
wegt. Wenn der Kopf dem Kern, so 
entsprechen MittelstQck und Schwanz 
dem K6ri)er einer Ztlle; sie entwickeln 
sich beide aus dem Protoplasma der 
Spermatidc. \on verschiedenen Seiten 
hat man daher mit Recht die Samen- 
fäden als Flimmer- oder noch besser als 
Geifselzellen bezeichnet. 

Koch einige ph}>iologische Bemer- 
kungen mögen hier Platz finden. Im Ver- 
•jleicli zu anderen Zellen des tierischen 
Kötpers und namentlich im Vergleich zu 
den Eiern zeichueu sich die Sameafädea 
durch gröfsere Lebensdauer und Widerstandsfähigkeit ans, was für das 
Gelingen des Pefruchtungsprozesses in vielen Fällen von Wichtigkeit 
ist. Nach ihrer Lösung aus rleni Zellenverbande verweilen die reifen 
Samenfäden monatelang im Hoden und Samenleiter, ohne ihre be- 
frachtende Kraft einzubOfsen. Auch in die weiblichen Gesehlechtswege 
eingeführt, scheinen sie noch längere Zeit, beim Menschen vielleicht 
einige Wochen lang, lehensfähiir zu bleiben. Für mehrere Tiere ist 
dies mit Bestimmtheit nachweisbar. So ist von den Fledermäusen 
bekannt, dafs sich der Samen in der Gebärmutter des Weibchens 
während des ganzen Winters hindurch lebendig erhält, und vom Huhn 



L.Bpn 



B 



Fig. 11. Samenfäden vom 

Menschen. nai:h Ii. KtrziL». 
A l'rotilaiisicht. B Fliklieu- 
anacht Cp. Kopf, Pf- vorderer, 
dünner Teil dessellM-n (iVrl'ora- 
toriuiii). (V/. Scliwan/, iV. Ver- 
bindun|;sstüc-k dos Schwanzes 
(.Mittel stück). Am Schvaiiz (^rf.) 
kann man norli unterscheiden 
ein ilauptstück P.j>r. und ein 
Endstück (J'.<.X die sich an der 
Stt ll. LJ'.fir. i^gcneiaander ab- 
beizen. 



Digitized by Google 



Die Natur tos £i- und SameazeU«. 15 

weifs man, dafs es noch bis zum 18. Tage nach Entfernung des Hahns 
befruchtete Kier legen kann. 

Äufseren Eingriffen gegenüber erweist sieh der Samen sehr viel 
widerstandskrÄftiger als die Kizelle, die leicht geschädigt und ab- 
getötet wird. Wenn mau z. B. Samen gefrieren Uü'st und wieder 
auftaut, kehlt die Bewegung der Samenftden wieder. Viele Salze, wenn 
sie nicht in zu starker Konzentration angewandt werden, wirken nirht 
schndigend. Narkotika in starker Konzentration und bei liln.iierer 
Einwirkung maciieu die Fäden bewegungslos, ohne sie aber zunächst 
abzutöten; denn dureh Entfernung des schädigenden Mittels kann man 

12 




10 1 

Fig. 12. MenBclüiohe« lUakulat, halbachematiscli nach Waldbtu. Ver< 
grObenuig etw« 800. Die ErkUrang siebe im Text 

sie wiederbeleben. Alkalische Lösungen regen in starker Verdünnung 

dio Deweijnnf? der Samenfäden an, Säuren dagegen, auch wenn sie 
sehr Ycniiiniit sind, führen den Tod bcriiei. DcmjieiTi.^rs wächst auch 
in allen tierisciien Flüssigkeiten von allcalischer Keaktiou die Leb- 
haftigkeit der Bewegung, wfthrend sie in sauren Lasungen sehr bald 
erlischt. 

Der im Hoden bereitete Samen wird beim Menschen and den Säuge- 
tieren bei seinem Durchtritt diirrh die sehr langen Ableitnngswepe noch 
mit den Ausscheidungen des Nebenhodens, der Samenblasen, der I'rostata, 
der GowPBBSchen Drttsen und der Urethraldrfisen vermiBcht. Er stellt 

daher bei der ^akulation eine aus den verschiedenartigsten Bestandteilen 
zasammengesetzte Flfissi.;keit dar, die auf etwa HO Proz. Wasser 10 Proz. 
feste Substanz, £iweilsköri)er und Salze enthält. Bei mikroskopischer 



Digitized by Go< 



16 



Erstes Kapitel. 



Untersachniig Iftfist er zaiilreiehef ▼«rschiedene morphologische Element» 

erkennen, die für den im tipr hlichcn Samen in medizinischer Hinsicht von 
Bedeutung sind. Man tindct im menschlichen Ejakulat (Fig. 12) aurser 
den Samenfäden (4 u. 5) sehr beständig auftretende, runde, grofse Zellen 
mit Kernen und kleineren, rundlichen Einschlttssen nnd ähnliche Elemente 
ohne Kerne (1,1), die als Hodonzellen bezeichnet werden, dann Lympho- 
cyten (2,2) und zylindrische Zellen (6) mit und ohne l'igmentkomchen, 
ferner hyaline, kuglige Körper (8,8^, aus der Prostata stammende Lecithin- 
kdrper (7,7)« mitunter Amyloidkörper derselben Herkunft (14), Spcrroa- 
kristalle verschiedener Form f. 10. 11, 12, 13) und endlich eine Menpe 
kleiner Granula verdcbiedcner Art: FottkUgelcheu, Eiweifsgnmola , freie 
Pigmentköruchen. 

Die sogenannten Hodenzellen hält Waldeyer far abgestolsene Ept- 
thelien der Ilamröhrenschleimhaut. Die Spermakristalle, die von Böttcher 
entdeckt, auch oft als B«>TTCHEBSche Kristalle aufgeführt werden, treten 
erst im Samen bei seiner Abkühlung und Eintrocknung auf; sie sind das 
phosphorsMire Salz einer organischen Base, des Spennins, das in der 
Prostata gebildet wird nnd ragleicb ancli Ursache des eigeDtttmlichcn 
Spermageracbs hU 



Die wichtigsten Ergebuiä:»^ des ersten Kapitels fassen wir kurz 
dahin zusamuieu: 

1) Weibliche und mAnnliehe GeBchlechtsprodukte sind einfaehe 
Zellen. 

2) Die Samrnfi\(lcn sind Geifsclzellen vpr<?leirhl)ar. Sic scrzeu 
sieh meist, aus drei Abschnitten zusammen, aus dem Kopf, dem iMittel- 
stQck und dem kontraktilen Faden. 

■V) Der Samenfaden entwickelt sich aus einer Samenbilduugszelle 
(der h^peruHitide), und zwar rler Kopf aus dem Chroniatin (Nucleln) 
des Kernes; das Mittelstück und der kontraktile Faden legen sich in 
dem Protoplasma an. 

4) Die Eizelle lu stt lit aus dem Protoplasma und eingelagerten 
ReservestofFen oder Deutoidasma. 

ü) Menge und Verteilung der Keservestoffe in der Eizelle sind 
sehr verschiedenartig und üben den gröfsten EinflufB auf den Verlauf 
der ersten Entwickhinfisprnzesse aus. 

a) Die ReservestoHe (Deutoplasma) sind in geringerer Menge und 
gleichmilfsig im Protojilasma verteilt. 

b) Die Reservestoffe sind in grOfserer Masse vorhanden und in- 
folge UDgleicliiiiiirsiger Verteilung entweder an einem Pole 
des Kies oder in seiner Mitte dichter angelläuft. (Polständiges 
und mittel ständiges Deutoplasma.) 

c) An den polar differenzierten Eiern unterscheidet man den Pol 
mit reicherem Gehalt au i;r>ei v> Stoffen als vegetativen, den 
entjrefrengesetzten Pol als aiiinialeii. 

d) ]»ei polar differenzierten Kieru kann sich das am animalen Pole 
reichlicher vorhandene Protoplasma als Keimscheihe (Bil dungs* 
dntter) Schürfer von dt^m an I)eutoplasnia reicheren Abschnitt 
(N a h r u n g s d 0 1 1 er) absetzen. Am BiklunL'sdotter spielen 
sich allein die Entwicklungsprozesse ab, während sich der 
Nahrungsdotter im ganzen passiv verhält. 



Repetitorium zu Kapitel I. 




Digitized by Google 



Die 2fatar von Ei- and Suneni«!!«. 



17 



6) Die Eier kann man nach der Verteilung der Reservestoffe in 
ihrem Protoplasma in drei Haaptgnippen einteilen, wie folgendes 
Schema lehrt : 

I. Alecithale oder dotterarme Eier mit geringer Meuge vou gleich- 
mftfsig im Protoplasma verteilten Reservestoffen. (Amphioxus, 
Säugetiere. Mensch.) 

II. Telolecithalf oder dotterreiclie. polar differenzierte Eier. 

1) Polar differenzierte (telolecithale) Eier, bei denen animale 
und vegetative Eili&lfte allmählich ineinander übergehen. 
(Cyklostomen, Amphibien.) 

2) Polar differenzierte Eier, die sicli von der vorausgehenden 
Untergruppe dadurch untersclieiden, dals es bei ihnen noch 
zu einer schärferen Sonderung in Bildungsdotter (Keim- 
scheibe) und in Nahrungsdotter, in einen bei der Entwick- 
lung aktiven lind in einen passiven Teil fzeknnimen ist. 
(Polar differenzierte Eier mit Keimscheibe; Fische, Rep- 
tilien, Vögel.) 

III. Gentroledthale oder zentral differenzierte Eier mit mittel- 

stniuÜL'om NilTnni j^ lntti r fcentrolecithal) und ol)€rrtilchlich 
ausgebreitetem Biiduugsdotter (Keimhaut). (Arthropoden.) 



O. Hartwig, Um El*iiwBte d«r EntwleklungsUhra. 2. Aufl. 



2 



Digitized by Google 



Zweites Kapitel. 



Die Reifeerscheinungeii von Ei- und Samenzelle 
und der Befraehtnngsprozefs. 

1. Die Reifeerscheiuuiigeu. 

Eier, welche noch ein Keimbläsclien besitzen, müssen, ehe sie in 
den mit der Befruchtung beginnenden Entwickhingsprozefs eintreten 
können, zuvor noch eine Reihe von Veränderungen durchmachen, 
welche als die Reifeerscheinungen zusamniengefafst werden. 
Die Reifeerscheinuugen spielen sich an dem Keimbläschen ab, führen 
seinen Untergang herbei und enden mit der Bildung der sogenannten 
Polzellen. Sie beginnen , wie man an geeigneten lebenden Objekten, 
an kleinen durchsichtigen Eiern wirbelloser Tiere im Zusammenhang 
verfolgen kann, damit, dals das grofse Keimbläschen aus der Mitte 
des Eies weiter an die Ol)ertläche heranrückt und ein wenig ein- 
schrumpft, indem aus seinem Inhalt Kernsaft in den umgebenden 
Dotter austritt (Fig. 13 .^4). Die infolgedessen faltig gewordene 
Kernmemliran beginnt sich jetzt aufzulösen ; auch der Keimtleck — 
oder, wo ihrer zahlreichere vorhanden sind, die Keimtiecke — zerfallen 
in kleine Fragmente, die sich nach einiger Zeit ganz der weiteren 
Beobachtung entziehen. Das Ei ist indessen durch die vollständige 

A B 



-. X 

nti] ' 




sp 



Fig. 13. Ausschnitte aus Eiern von ÄBterias glacialis. 

Sie zeigen die Uückbildun^ des Keimbläschens {kh). In V'\%\\x A beginnt das- 
selbe zu schrumpfen, indem ein Protoplasmahocker (;r) mit einer Strahlung in seiu 
Inneres eindringt und die Membran daselbst auflöst. Der Keimtleck {kf) ist noch 
deutlich, aber in zwei Substanzen, Nuclein (>ju) und Paranudein (jmX gesondert. 

In 1- igur B ist das Keimbläschen [kh) ganz geschrumpft, seine Membran ist 
aufgelost, der Keimtleck (A/'l nur noch in kleinen Kesten vorbanden, in der 
Gegend des Protoplasmahiickers der Figur A ist eine Kemspindel («p) in Aus- 
bildung begrififen. 




Google 



Die EeifeencheiBunfeii von £i> n. Sunenselle u. d. Betaichtiiiigsprozelk. 19 

BückbilduDg des Keimbläschens keineswegs, wie es den Anschein hat, 
kernlos geworden; es hat nur eine Umwandlung des Kerns in der 

"Weise, welche überall im Pflanzen- und Tierreich als Vorbereitung 
zur Zellteilung eintritt, stattgefunden; denn wie man bei geeigneter 
Behandlung mit Reagentien leicht feststellen kann, ist aus einzelnen 
Bestandteilen des Keimbläschens (Fig. 13 B) wiliirend seiner Auf- 
lösung eine Kernspindel (sp) entstanden, über deren eij^enf ümliclie 
Zusammensetzung das Nähere in Lehrbüchern der Histologie nach- 
zusehen ist 

Die Kemspindel verfolgt hierauf den vom Keimbläschen schon 
vorher eingeschlagenen Weg noch weiter, bis sie mit ihrer Spitze an 
di»' Oberfläche des Dotters anstöfst, wo sie sich mit ihrer Längsachse 
in die Richtung eines Eiradius einstellt (Fig. 14 Jsp), Bald kann 
man an dieser Stelle bei kontinuierlieher Beobaelitung des lebenden 




Fig. 14. BUdnog der Folidlmi (BltditaagikSffpaNlMD) b«l Aat«riaa 

glacialis. 

In I- ig. / ist die Kernspindel »p an die Oberfläche des Kies gerückt. In 
Fig. II hat sich ein kleiner HOgel (rk^) gebiltftet. der die Hälfte der Spindel auf- 
nimmt. In Fif. III iet der Rüget zn einer Poltelle (rk^) ab^eschnfirt. Ans der 

Hälfte der früheren Spindel ist wieder eine zweite vollständige Spindel (tJlA ent- 
standen. In Fig. /r wölbt sich unter der ersten Polzelle ein zweiter Uttgel her* 
vor, der sich in Fig. V v.nr zweiten rolzelle (rJt') abgeschnQrt hat. Ans demSest 
der Spindel entwickelt sich der Eikern iek) in Fig. VL 

Eies wahrnehmen, dafs sich au der Dotterrinde ein kleiner Hügel 
emporwMbI, in welchen die Kemspindel selbst znr Hftlfte hineinrQekt. 

Der Hügel schnürt sich darauf (Fig. 14 IT rl-^) an seiner Basis ein 
und löst sich mit der Hälfte der Spindel vom Dotter als ein sehr 
kleines Kügelcheu ab, welches den Formwert einer Zelle besitzt, da 
68 ans Protoplasma und Kern besteht und nntor den charakteristischen 
Erscheinungen der Zell- und Kernteilung (Karyokinese) entstanden 
ist (Fig. 14 Illrk^ ). Allerdings unterscheidet sich der hier vorliegende 
Prozefs von einer gewöhnlichen Zellteilung dadurch, dafs die beiden 
Teilprodnkte von so außerordentlich ungleicher Grorse sind. Ge- 
nauer gesagt , haben wir es also mit jener Modifikation der Teilung 
zu tun, die als Zel lenknospung unterschieden und namentlich 
im Kreis der niederen Organismen ziemlich häutig beobaclitet wird. 



Digitized by Google 



20 



Zweites Kapitel. 



Bei der Reife des Eies wiederholt sich nun genau derselbe Vor- 
gaog noch einmal. An die erste schliefst sich an derselben Stelle 
eine zwcitp Zellenknospung an , nachdem sich die im Ei zurück- 
gebliebene Hälfte der Spindel wieder zu einer ganzen Spindel (Fig. 14 
III u. IV sj)) ergänzt oder umgewandelt hat, ohne zuvor wieder in 
das bläschenförmige Ruhestadium des Kerns eingetreten zu sein. 
Somit liegen jetzt auf der OberHäche des Eies zwei wiiiziu'e Ktlgelchen 
(Fig. 14 Vrk\ r/r), zuweilen auch ihrer drei, wenn, was häutig geschieht, 
die zuerst gebildete Zelleuknospe sich noch einmal in zwei Tochterzellen 
teilt; sie sind hier oft noeh zu einer Zeit, wo das befruchtete Ei 
l)ereits in einen Haufen von Zellen zerlegt ist , unverändert nach- 
zuweisen. Schon in der Mitte unseres .laln hundert s sind sie von 
Anatomen und Zoologen bei einigen Tierarten entdeckt und als 
Richtungskörper oder Po Iz eilen (corpuscules polaires) beschrieben 
worden. Den letzteren Xanien haben sie deswegen erhalten, weil sie 
bei Kiern , an denen ein animaler Toi zu unterscheiden ist, stets an 
diesem ihren Ursprung nehmen. 

Bei der Bildung der zweiten Polzelle ist die eine H&lfte der 
zweiten Kemspindel in sie mit Qbergegangen, die andere HftUte 



dl 




Fi(?. 15. Kig. 16. 



¥ig. 16. BeifoB Ei eines Eohinoderms. Es schlie&t im^Dotter den sehr 
kleinen boraogenen Eiken (db) ein. 800 mal veigrdftert 

Fig. 19. inmlitaBiRiaadmmBUratottkelaMltoldBodflnBS. SOOmalTergr. 

( V ( Je) ist in der Dotterrinde zurtic kgeblieben und wandelt sich hier 
iVIek) in einen sehr kleineu, leicht zu Ubersehenden, bläschenförmigen 
Kern um (Fig. 15 ek)^ welchen wir zum Unterschied Tom groCsen 
Keimbläschen als Eikern oder mit einem von VaM Bbuden her- 
rührenden Namen als weiblichen Vorkern (Pronucleus fenielle) 
bezeichnen wollen. Von seiner Bildungssteile in der Eirinde wandert 
er in der Regel bald wieder mehr in die Tiefe des Dotters, zuweilen 
sogar bis in die Mitte des Eies zurück. 

Der Eikern oder weibliche Vorkern darf mit dem Keimbläschen 
des unreifen Eies nicht verwechselt werden. Man vergleiche die bei 
derselben Vergröfserung gezeichneten Figuren, das unreife (Fig. 16) 
und das reife Ei (Fig. 15) eines Ecbinoderms. Das Keimbläschen ist 
von sehr ansehnlicher (irölse, der Eikern verschwindend klein. Am 
Keimbläschen unterscheidet mau einedeutlich entwickelte Kernmembran, 
ein Kemnetz und einen Keimfleck; der Eikern dagegen sieht im 




Digitized by Google 



Di« R«feench«iniiiifra von ISA- «. SMnetuellc n. d. Befrachtangsprowb. 21 

lebenden Zustand nahezu homogen aus, ist uhue KeiiuHecke und gegen 
das Protoplasma durch keine feete Membran abgegrenxt. Ahnliehe 
Unterschiede kt hren fiberall im Tierreich in der Beschaffenheit beider 

Kerngebilde wieder. 

Polzellen werden während der Reife des Eies bei allen Tier- 
arten ohne Ausnahme gebildet. Bei den ausgedehnten vergleichenden 

T^'ntersuchungen. die wir darüher besitzen, hat man die wichtige Be- 
obachtung gemacht, dai's part he no genetische Eier nur eine 
einzige Poizelle ausstofsen, während bei bef ruchtungs- 
bedfirftigen Eiern deren zwei oder drei nachgewiesen 
werd en . eine Tatsaclie, deren Krklänmg erst spater gegeben werden soll. 

In bezug auf (iie Zeit, welche zwischen Eireife und Befruchtung 
liegt, finden sich lluterscbiede zwischen einzelnen Abteilungen des 
Tierreichs. Wfthrend bei einigen die Reifung schon ganz abge- 
schlossen ist, ehe die Befruchtung erfolgt, fallen bei anderen beide 
Prozesse mehr oder minder zeitlich zusammen . wie bei den später 
noch zu besprechenden Nematoden. Bei den Säugetieren und wohl 
ebenso auch beim Mensehen rfickt das Keimblftschen , wie Unter* 
suchungen am Kaninchen und an der Maus ergeben haben, schon 
mehrere Wochen vor dem Platzen des Gkaaf sehen Bläschens an die 
Oberfläche des Eies empor ; zur Zeit des Follikelsprungs verschwindet 
es hier, und es bilden sich an der Stelle, wo es geschwunden ist, 
bald nach dem Austritt aus dem Ovarium der Eikern und ein oder 
2wei unter der Zona pellucida gelegene Polzellen aus. 

Was haben nun die mit so grofser Konstanz im Tierreich auf- 
tretenden Gebilde zu bedeuten? Dafe es wirkliche Zellen sind, wurde 
schon durch die Art ihrer Entstehung bewiesen. Wir haben jetzt 
noch weiter hinzuzufügen, dafs sie rudimentär gewordene oder Abortiv- 
eier vorstellen. Zu Gunsten solcher Ansicht lassen sich einmal ver- 
einzelte Beobachtungen anfohren, dafs bei einzelnen Wfirmem (Prosthe- 
ceraeus, Ascaris megalocephala) unter besonderen Umständen die 
erste Polzelle eine erhehliche Gröfse. fast wie der andere Teil des 
Eies, erreicht, wie dieser befruchtet wird und sich zu einem wirk- 
lichen Embryo entwickelt Auf diese Weise können in derselben 
Eisehaie Zwillinge entstehen. Einen zweiten Beweis liefert ein ge- 
nauerer Vergleich der hei der Ei- und Samenbildung sich abspielenden 
Prozesse. Dieselben lassen sich besonders leicht bei den Nematoden, 
zumal bei Ascaris megalocephala, vergleichend Oberschauen (Fig. 17 
und 18). 

Wenn wir das unreife Ei mit Keimbl;i?«rhpn. um es besonders zu 
charakterisieren, als Eimutterzelle (Uvocyte erster Ordnung) be- 
zeichnen, so können wir ein ihm entsprechendes Gebilde auch in der 
Spermatogenese als S a m e n m u 1 1 e r z e 1 le ( Siiermatocyte elfter Ord- 
nung) nachweisen. Die weitere Vergleicbung lehrt dann, dafs von 
der Ei- wie von der .Samenmutterzelle unter gleich eigentümlichen 
Veränderungen des Kerns zuerst zwei Tochterzellen und von diesen 
wieder vier Enkelzellen abstammen. Bei der Eibildung sind letztere in 
Orftfse verschieden, sie stellen das reife Ei und die zwei resp. drei 
winzigen Polzellen dar (Fig. 17 IV) \ bei der Spermatogenese sind alle 
▼ier Teilprodukte gleich grofs (Fig. 18 HIB, C), sie heirsen Sperma- 
tiden und wandeln sieh in vier befruchtungsf&hige Samenkörper um. 

Im Gegensatz zur Samenbildung, durch welche zahlreiche sehr 
kleine, bewegliche Zellen geliefert werden (siehe die auf S. 49 ge- 



Digitized by Google 



22 Zweites Kapitel. 

gebene Erklärung des Gegensatzes in der Gröfse zwischen Samen- 
faden und Ki), kommt es bei der Eibildung darauf an, dafs bei dem 
die Eireifc ausmachenden Teilungsprozefs sich eine Zelle des ge- 
samten Vorrats an Reservestoffen, welche die Mutterzelle ange- 



/ // /// 




Fig. 17. Schema für die Bildung der Polaellen und die Befruchtung 
des Eies von Ascaria megalooephala bivalens. 

1 Ei mit Ki'imbläsrhon (()(»cytc erster Ordnimgl und einem seiner Oberfläche 
aufsitzenden Sanienkörper. // Ei, bei welchem sich au.s dem Keimbläschen die 
erste l'olspindel gebiiu«'t hat und der Samenkörper in die Oberflache des Dotters 
eingedrungen ist. JJI Ei, bei welchem sich die erste l'olzelle gebildet hat. IV Ei, 
bei welchem sich die zweite Polzelle abgeschnürt und der Samenk()rper bis in die 
Mitte des Dotters gewandert ist. F Ei mit zwei Polzellen, mit Eikern und Samen- 
kem, in welrhem sich das Chromatin in je zwei Kernsegnienten angeordnet hat. 
VI Ei, in welchem sich die Kernspindel mit vier Kernsegmenten ausgebildet hat, 
von welchen zwei vom Eikern, zwei vom Samenkern abstammen. 



/ // /// 




Fig. 18. Schema für die Entstehung der Samenzellen aus einer Samen- 
mutterzelle von Ascaris megalooephala bivalens. 

I Teilung der Samenmtitter/.elle (Spermiitocyten ersterOrdnung) in zwei Samen- 
tochterzellen (Spermatocyten zweiter Ordnung). II Die beiden Samentochterz^llen 
(-1 u. H) bereiten sich gleich nach der ersten Teilung zu einer zweiten Teilung 
vor. III Die Samentochterzelle A teilt sich in zwei Samenenkelzellen (Spermatiden). 
H u. C zwei Samenenkelzellen (Spermatiden). Diese werden zu Samenkörpern 
oder Spenuatozoen. 



Google 



Die Reil!wnclieiniiii|eii von Ei- u. SmenMlle n. d. Befruchtimgsprosefr. 23 

gamroelt hat, bemächtigt, auf Kosten der anderen Teilprodukte, 
welche zu rodiment&reii Gebilden, su den Polzellen, werden. [Wer 

sich fttr diese wichtigen Prozesse näher interessiert . fiiulet eine 
eingehendere Darstellung in meinem Lehrbuch der Kntwicklungs- 
geschichte, VII. Aufl., S. 38. Auch vergleiche man die Erklärungen 
za Fig. 17 u. 18.] 

Der Vorgang, welcher uns durch die gegebene Deutung mor- 
phologisch verständlich geworden ist, hat aul'serdem noch eine hohe 
physiologische Bedeutung; er stellt nämlich eine besondere 
Vorbereitung für den sich anschliefsenden Akt der Be- 
fruchtung dar. Man ist hierauf zuerst durch das genaue Studiuni 
der Ei- und Samenreife und des Befruchtuugsprozesses beim Pferde- 
spulwurm, Ascaris megalocephala, aufmerksam geworden. 

Wie bekannt, besteht eine der wichtigsten Veränderungen des 
Zellenkerns, wenn er aus dem ruhenden Zustand in die Teilung tiber- 
geht, darin, dafs sich aus seiner chromatischen Substanz eine für jede 
Tierart geuau bestimmte Zahl vou Chromosomen oder Kerusegmenten 
hervorbildet Das geschieht nun auch 
bei der Ei- und Samenrcife im Kern 
der Ei- und der Sanienmutterzelle, 
aher iu eiuer überaus eigentümlichen 
Weise (Fig. 17 I u. Fig. 19 /). Nicht 
nur werden die Kernsegmente schon 
überaus frühzeitig angelegt, sondern 
sie treten dabei, was mau bei audereu 
Zellen nie gefunden hat, in Gruppen 
von je vier vereinigt auf, und zwar wie- 
der in einer für jede Tierart genau 
festgesetzten Zahl. Die sehr charak- 
teristische Anordnung, welche schon 
in den verschiedensten Abteihingen 
des Tierreichs nachgewiesen worden 
ist, hat den pttsseudeu ^ameu der 
«Vierergruppe* erhalten. Sie 
findet ihre Erklärung in den weiteren Vorgangen, durch welche 
sich die Teilungen bei den) I\eifej)rozef8 der Geschlechtspnxlukte 
von den gewöhnlichen KernteiiuDgeu unterscheiden. Denn bei einer 
gewöhnliehen Kernteilung wird die Gesamtzahl der Kemsegmente, 
nachdem eine Lftngsspaltung in Tochtersegmente vorausgegangen 
ist, in zwei gleiche Gruppen geteilt, die auseinanderweichen, sich 
bei der Zerlegung der Zelle auf die beiden Tochterzellen ver- 
teilen und die Grundlage für den jetzt folgenden blAsehenfömigen 
Ruhezustand des Kerns bilden. Beim Reifeprozefs dagegen werden 
die in einer Vierergrupi>e vereinigten Kernse'^mente gleich auf vier 
Zellen verteilt, vou denen jede nur ein Segment erhalt. (Vergl. 
Fig. 17, 18 u. 19 und die dazu gehörigen Figurenerklärungen.) Ks 
geschieht dies durch zwei Zellteilungen, die sich unmittelbar auf- 
einander folgen, ohne dafs zwischen zwei Teilungen der Kern in den 
bläschenförmigen Zustand der Kuhe übergeht, und ohne dais dabei 
eine erneute Spaltung der schon im Keimbläschen vorbereiteten 
Segmente eintritt. Anstatt halbiert, wie bei der gewöhnlichen Zellen- 
teilung, wird die Zahl der Kernsegmente und die Masse der Kern- 
subatanz, welche im Buhekern vou £i- und Samenmutterzelle vor- 




o o 



Htm 

m 



ct. 

»o'o Oo'*8 
oO o O o O 



o 
O 



0 

Fig. 19. Zwei Kerne von 
Samenmutterzellen von Asoaris 
m«0üoo«pli*U bivalass in Vor- 
benitdngtarTaiioiig. NachHcarwio. 



Digitized by Goqgle 



24 



Zweites EapiteL 



bereitet ist, infolge der zwei zusammengehörigen Teilungen ge- 
viertelt. E i K' 0 T- n u n (1 S a m e n k e r n besitzen d a h e r n u r d i e 
halbe Masse des Cbromatins (Nuclelns) und die halbe Zahl 
der Kernsegmente eines Normalkerns, wie er aus einer 
gewöhnlichen Teilung hervorgeht. Der bei der Reife der 
Gf^^chleclit-jirddukte ^tntrtiiidcndp , in seiner Art einzig dastehende 
Teilungspruzeis kann seinem Wesen nach mit einem von Weismann 
vorgeschlagenen Worte als Reduktionsteilung bezeichnet werden. 

Die Reduktion der Cbromatinmasse ist, wie wir im folgenden 
Abschnitt gleich sehen werden f^itie "^' n r be di n gung ftlr denBe- 
f rucbtuu gsprozel's; sie unterbleibt daher auch bei den partheuo- 
geuetisch sich entwickelnden Eiern, die nur einen Richtungskörper 
bilden (siehe S. 21). 

Genaueres Uber den fandamentalen Vorgang und andere sieb an« 

knüpfende Prolilcme findet sich: Lebrbaoli der Entwicklnnp?5p:eschichte. 
7. AuH., S. 38—44, femer: Die Zelle und die Gewebe, Bd. I, S. 202 bis 
25G, 280. 

2. Der Befimehtaiigqiraefb. 

Naclideni festgestellt worden war (siehe S. 12, 13), dafs die Samen- 
fTiden. wie die Eier, wirkliche Eleraentarbestandtrilo des tierisrhen 
Kör|)ers sind, konnte man doch lange Zeit nicht über die Rolle, welche 
sie beim Befruchtungsprozefs spielen, ins klare kommen. Dafs sie 
sich an die Oberfl&cbe der Bier, mit welchen sie zusammentraten, in 
gröfserer Anzahl ansetzen, war Irirht zu beobacliten; dagefi:en Idicb 
dunkel, was weiter geschiebt. Einige Forscher nahmen an, dalt* die 
Samenfkden schon durch den blofsen Kontakt das Ei befruchten sollen, 
indem sie Träger eines Stoffes seien, der durch die Dotterhaut hin- 
durchdringe und wie ein Ferment auf den Kiinhalt einwirke. Andere 
Forscher gaben an, in einigen Fällen iSanienfitden im Dotter selbst 
gesehen zu bal)en, und glaubten, dafs sie hier zerfielen und durch 
ihre Vermischung mit dem Ei seine Entwicklung anregten. Klarheit 
kam in die Befruchtungsielire indessen erst mit dem Jahre IST'), in 
welc''em es mir glückte, durch das Studium eines Oberaus geeigneten 
Objektes, nämlich der kleinen durchsichtigen Eier von Echiuodermen, 
den Befruchtungsprozefs sowohl während des Lebens von Anfang bis 
zu Ende in seinen Einzelheiten zu verfolgen als auch ;tn Icmiserviertem 
und gefärbtem Material das einzelne dann noch genauer lestzustelleu. 
Später ist eine weitere Vertiefung unseres Wissens besonders von 
El'. ^ AN Beneden durch <Ias Studium von Ascaris megalocephala, 
einem für den Binnenländer besonders • itipfehlenswerten , ebenfalls 
sehr geeigneten IJntersuchungsoiijekt, herbeigeführt worden. 

Als Befruchtuugsvorgang bezeichnet man die Vereinigung von 
Ei- und SamenzeUe. Dieselbe kann entweder in den Ausführwegen 
des weiblichen Geschlecht >apparntcs, im Eileiter, oder in der Gebär- 
mutter stattfinden, oder sie geht bei vielen Tierarten, die im Wasser 
leben, aulserhalb des Organismus vor sich, indem Eier vom Weibchen 
und gleichzeitig Samenfäden vom Männchen ins Wasser entleert 
werden, fiti ersteren F:tl] sjtricht man von einer inneren^ im letzteren 
Fall von einer äulseren Befruchtung. 

Eine innere Befruchtung kommt bei fast allen Wirbeltieren 
vor mit Ausnahme der meisten Fische und vieler Amphibien. Bei 



Digitized by Google 



Die Reifeerscbeinungen von Ei- u. Samenzelle u. d. Befrachtnngsprozefs. 25- 



dem Menschen and den Säugetieren treffen die beiderlei Geschlecht«- 

prodiikto in der Regel wohl im Aiifanjjsteil der Kiloitcr. in der soge- 
nannten Ampulle, zusammen, desgleichen hei den Vögeln im ersten 
der vier aui S. 11 unterschiedenen Abschnitte zu einer Zeit, wo der 
Dotter noch nicht von der EiweifthOlle und der Kalkschele nmschlossen 
worden ist. 

Die Äufsere Befruchtung ist die einfachere und ursprüng- 
lichere; sie tiuüet sich bei vielen im Wasser lebenden wirl>elioseu 
Tieren sowie gewöhnlich bei Fischen nnd Amphibien. I>er ganze 
Vitipanpf ist hier der Beobachtung viel mehr zugänglich. Denn der 
f^xperimentator hat es ja in seiner Hand, die Befruchtung künstlich 
auszuführen, was schon im 18. Jahrhundert durch ÖI'allanzam ge- 
schah; er kann so genau den Zeitpnnict bestimmen, in welchem Ei 
und Samen zusammentreffen sollen. Kr braucht nur von einem Weib- 
chen reife Eier in einem Uhrschillchen mit Wasser zu sammeln, des- 
gleichen in einem zweiten Uhrschillchen reifen Samen von einem 




Fig. 20. AtBfC lOMnw Abaeluiitte ywn WUaen von AateriM glaalalia. 

Nach Fol. 

Die Samenfildeii sind bereits in die Sehleimhfille, welche die Eier Überzieht, 

cinffpilninsrfn. In A beginnt sich eine Vorrasnnfr Rf'rlt'n den am weifcstr-n vor- 
gedrungenen Samenfaden zu erheben. In Ii sind Vurraiiiinp und Sanieuladeu zu- 
sammengetroffen. In C ist der Samenfaden in da» Ki «.ingt'dninKen. Es hat iicb 
jetst eme Dottermembran mit einer Jcraterförmigen üffiaung gebildet. 

Mftnnehen und dann beide in geeigneter Weise za mischen. .In dieser 
Al t wird die konstliche Befmcntung in der Fischzueht ftlr praktische 

Zwecke ausgeführt. 

Für eine wissenschaftliche Untersuchung ist die Auswahl eiuer 
geeigneten Tierart von grorser Bedeutung. Wie sich fast von selbst 
versteht, sind l^ere mit ^'rofsen. undurchsichtigen Eiern nicht zu 
empfehlen; dagegen sind soldie Arten fjeeignet. deren Eier so klein 
und durchsichtig sind, dals mau sie unter dem Mikroskop mit den 
stärksten Yergrtkfeernngen beobachten und jedes Fleckchen dabei 
durchmustern kann. Solche ganz vorzüglichen Untersuchungsobjekte 
t*ind nun pernde die oben erwähnt ( ii Eier von den meisten der im 
Meere lebenden Echinodermen , daher wir sie auch zum Ausgangs- 
pniÄt bei der Besehreibung des Befmchtungsproz^sses wählen wollen. 

Das reife Ei der Echinodermen ist schon früher (S. :V) beschrieben 
worden. Die sehr kleinen Samenl^lden (Fifj. '20 u. Jl A) bestehen, 
wie l)ei den meisten Tieren, 1) aus einem, einer Spitzkugel ähnlich 
aussehenden Kopf, der das Chromatin enthält, 2) aus einem kleinen, 



26 



Zweites KapiteL 




darauf folgenden Kügelchen, dem Mittelstück oder Halfi, und 8) ans 

eiueni feinen, kontraktilen Faden. 

Wenn in einem Tropfen Meerwasser auf dem Objektträger beiderlei 
Geschleehtsprodiikte susammengeliraeht werden, so setien sieh sofort 

viele Samenfäden an die Gallerthülle eines Eies an; von diesen be- 
fruchtet aber normalerweise nur ein einziger, und zwar der- 
jenige, welcher sich zuerst durch 
die pendelnden Bewegungen sei- 
nes Fadens der Eioberfli^clie ge- 
nähert hat. Wo er mit der 
Spitze seines Kopfes an diese 
anstOdit, erheM sieh das hyaline 
rrotoplasma, welches die Eirinde 
bildet, zu einem kleinen Hücker, 
dem Empfangnishügel (Fig. 20 
A n,S, Fig. 21 B u. (7). Hier 
bohrt sich der Kopf, getrieben 
von den pendelnden Bewegung« a 
des Fadens, in das £i hinein. 
Oleiehzeitig lOst sich während 
des Einbohrens des Samenfadens 
eine feine Membran (Fig. 20 (') 
von der ganzen Obertiäche des 
Dotters, vom EmpfUngnishQgel 
beginnend, ringsum ali und wird 
durch einen immer grölscr wer- 
denden Zwischenraum getrennt. 
Der Zwischenraum entsteht wahr^ 
scheinlich dadurch, dafs sieh in* 
folge der Befruchtung das Ei- 
plasma zusammenzieht und Flüs- 
sigkeit (wohl den nach dem 
Schwund des Keimbläschens ver- 
teilten Kernsaft) nach aufsen 
preist. Für den Befruchtungs- 
akt hat die Entstehung einer 
Dotterbaut insofern eine grofse 
B«Mleutuiig , als sie ein Ein- 
dringen anderer männlicher Ele* 
mente unmöglich macht. Von 
den anderen in der Gallerthülle 
hin und her schwingenden Samen- 
fäden gelangt jetzt kein einziger 
mehr in das befruchtete Ei hinein. 

Der fiufseren Kopulation 
der beiden Zellen schlielsen sich 




Fig. 21. Befrachtung des Xies -von 
BtrongylooentrotiM UvidiM (nach Wit- 
•om). A-E Vcrgr. 1200^ F, G Vorpr. COO. 

A Spermatozoon, n Kopf, vi Mittcl- 
stOck, Srhwanzfaden nur zum Teil abge- 
bildet. B /■■ Oberfliifhlicht' Eirinde mit 
einRedriiii;.'i Ht m Spermatozotm , weli hos 
tiiR' Drt'lnin^c tnn ISO" erl'illirt und um 
dessen Mittelstück sich Strahlung ent- 
wickelt F, G Allmlhliche Annftberung 
und Vereinipiing von Sjiermakern und Ei- 
kern, Zunahme der Strahlung. 



Vorgänge im Innern des Dotters 
an, welche als innerer Befmchtnngsakt zusammengefaM werden 

kftnnen. Pt r Faden hört zu schlagen auf und entzieht sich bald der 
Wahrnehmung, der Kopf aber dringt langsam weiter in den Dotter 
hinein (Fig. 21 B — F) und schwillt dabei durch Autnuhme vou Flüssig- 
keit allm&blich ZU einem kleinen Bläschen an (Fig. 21 G, Fig. 22, 23 sib), 
das man, da sein wesentlicher Bestandteil das Chromatin dee Samen* 




Dlgitized by Google 



Die Reifemcheionngen tos Ei- u. Samenzelle a. d. Befruchtangsprozeb. 27 

fadenkopfes ist, kurzweg als Sanicnkeni bezeichnen kann, wie er 
sich denn aucli in Kannin etc. sehr intensiv filrben läfst. Unmittel- 
bar vor ihm, an seiner nach der £imitte zu gerichteteu Seite (Fig. 21 
E n. F\ ist noch ein viel kleineres KOrperehen, welches sieh anOser- 
ordentlich schwer sicht])ar iiiarhen lilfst, nachgewiesen worden. Auf 
die Stelle, wo es im Ei liegt, wird die Aufmerksamkeit dos Beobachters 
am meisten dadurch gelenkt, dal's sich der Dotter iu radiären Bahnen 
anmordnen beginnt (Fig. 21— 2S) nnd eine aUm&hlich immer sch&rfBr 
ausgeprägte wid auf gröfsere Entfernung hin ausgedehnte Strahlenfigur 
(einen Stern) bildet. Das Körperchen leitet sich von dem Mittelstück 
des Samenfadens ab und hat, wie von Boveki zuerst klargestellt 
worden ist, beim Belrnehtungsprosefe die Aufgabe zu erfüllen , die 
beiden Centrosomen für die erste Teilspindel des Eies zu liefern. Es 




Fig. 22. Fig. 28. 



Fig. 22. BefVuohteteB Ei eines Seeigels. Nach Ukrtwiu. 

Der Kopf des eingedrungenen Samenfadens hat üch in den von einer I'roto- 
plMmastrahluDg eingesclilossenen Samenkera («ib) umgewandelt und igt dem Eikern 
(eh) entgcgcngerflekt 

Fig. 23. Beft-uohtetee Ei eines Seeigels. Nach Hkrtwio. 
Der Samenkem sk und der Eilcern ek sind nahe zusammengerackt nnd sind 
beide Ton ehier ProtoplMmutrablnng umgeben. 

kann daher als Controsoma des Samenkerns oder Spermacentrum (Fol) 
bezeichnet werden. Dal's es bald nach der Befruchtung von der Ober- 
flftche des Eies weiter entfernt ist als der Samenkem , erklärt sich 
daraus, dafs unmittelbar, nachdem der Samenfaden sich mit seiner 
Spitze in die Eirinde eingebohrt hat (Fig. 21 B — F). sich sein Kopf 
und Mittelstück zu drehen beginnen; infolgedessen kommt das Mittel- 
stOck oder das Spermacentrosom mehr naeh dem Mittelpunkt des 
Eies zu liegen. 

Jetzt beginnt ein interessantes I'hänomen das Auge des Beobach- 
ters zu fesseln (Fig. 22 u. 23 u. 21 jP, G). Ei- und Samenkern ziehen 
sich gleiehsam gegenseitig an nnd wandern mit wachsender Geschwin- 
digkeit durch den Dotter einander entgegen; der Samenkern (xh), 
dem seine Strahlung und dns in ihm eingeschlossene Zentralknrper- 
chen stets voranschreiten, verändert rascher seinen Ort, langsamer 
der Eikern (ek). Bald treffen sieh beide in der Mitte des Eies und 
werden hier zonftehst von einem körnchenfreien Protoplasmahof und 
nach aufsen von diesem von einer gemeinsamen Strahlung einge- 
schlossen (Sonnenstadium und Aureola von Fol). Im Laufe von 
20 Minuten verschmelzen darauf Ei- nnd Samenkem untereinander 
zum einfachen Keim- oder Furehungskern; erst legen sie sieh 



Dlgitlzed by Googk 



28 



Zweites Kapitel. 




dieht aneinander, platten sieh an der Bertthrungsfläche gegt^nscitig ab 
und verlieren dann ihre Abgrenzung gegeneinander unter Bildung 
eines gemeinsamen Kemraumes. In diesem ist die vom Samenfaden 
abstammende Suitstanz noch längere Zeit als eine abgesonderte, m 
Farbstoifen sich dunkler iinbibierende Chromatinmasse zu erkennen. 
Gleich nach der \ ereiuigung dr r l)eiden Kerne beginnt sieb das in 
ihrer unmittelbaren Nillie liegende Spermazentrum in die Länge zu 
strecken und sich iu zwei kleinste Körperchen zu teilen, welche aua- 
einanderrOdcen und, eingehüllt in je eine Protoplasmastrahlung, zu den 
Centrosomen der sich jetzt ausbildenden Kemteilungsfigur werden. 

Unsere Kenntnis der Befruchtung ist durch eine sehr wichtige 
Beolmchtung van Benedens am Pferdespulwurui noch wesentlich ge- 
fordert woiden, daher ein paar Worte darüber wohl am Platze sind. 

Die Eier von Ascaris megaloccpbala gehören zu den Objekten, 
welche nach einer voraus-zegangencn Begattung im Inneren des 

Uterus befruchtet werden (S. 24). und bei denen 
ferner der Prozefs der Eireife mit der Befruch- 
tung zeitlich zusammcnftUt (Fig. 17) Die reifen 
Samenkftrper (Fig. 24) weiclien in hohem Grade 
von der Gestalt ab, wclclie sie gewöhuiich im 
Tierreich hal)en; denn sie gleichen einem Kegel, 
Fi» 24 BameiikSr- ^^^^^ Spitzkugel , oder einem Fingerhute und 
per von AacariBme- liestehen F nus einem ki^rnigcn Prot0])la8ma. 
gaiocephaia nach das hier sogar einige Dottcrkonkremeute (/') 
Yak Henkukn. einschliefet, und 2) aus einem kleinen, kugeligen 

V* ^•'«J.LFiSljf Körper von Kerusubstanz welclier an der 
Anheftung am Ei er- t^sim (h) des Kegels in diis ProtopUisma em- 
folgt. f Fettglanzende gebettet ist. Durch Ausstrecken kurzer breiter 
Sabstam. FortBftbse an ihrer Basis können sie amöboide 

Bewegungen ausftlhren und sich an die Ober- 
fläche der anfangs menihranlosen Eier ansetzen (Fig. 17 I). Wo die 
Bertlhruug mil dem Ki zuerst stattfindet, bildet sich auch hier wieder 
wie bei den Kchinodermen ein besonderer Empfängnishagel aus. An 
diesem schiebt sich der Samenkörper, ohne dabei seine Gestalt aufr 
fallig zu verändern, langsam tiefer in den Dotter hinein (Fig. 17 //). 
bis er von ihm allseitig eingeschlossen ist. Gleichzeitig wird von der 
Eirinde eine feine Membran ausgeschieden. Jetzt erst spielen sieh 
am Keimbläschen die Reifeprozesse ab und werden die Polzellen ge- 
bildet (Fig. 17 III ~ IV). Die Veränderungen scbliefsen auch hier 
wieder damit ab, dafs aus der im Ei zurtlckbleibenden Hälfte der 
zweiten Kernspindel ein weiblicher Vorkem und aus der Chromatin- 
ku^'id des eingedrungeneu Samenkdrpers, walirend sein Protoplasma 
allmülilifh zerfällt und mit dem Dotter des Eies vermischt wird, der 
Saineukeru gebildet wird (Fig. 17 /F u. F). Beide Kerne ti-effen 
sich in der Mitte des Eies, ohne indessen miteinander zu verschmelzen. 
Eine liingere Buliepause folgt jetzt. Wenn hierauf die Vorbereitung 
zur 'T'^tpii Teilung des Eies beginnt, so wandelt sich das CiironuUiri 
im i'.i- wie IUI i>amenkeni, während beide noch voneinander getrennt 
sind , in einen feinen , vielfach gewundenen Faden um. Dann wird 
der Kernfaden in zwei gleich grol.se Schleifen, in die Kernsegmente 
(Chromosomen), abgeteilt (Fig. 17 TO- beiden Seiten dns Kem- 
I»aares treten zwei Centrosomen auf, welche wahrscheinlich durch Teilung 
vom Gentrosom des Samenkorns abstammen. Nach einiger Zeit ver- 



Digitized by Google 



Die ReifeencheinongeB von £t- a. SftmenseU« o. d. B«friicb(aii|tproseft. 29 



lieitii Li- und Samenkero ihre Abgieuzuiig gegeu den Dutter, in 
welchen die so frei gewordenen zwei Paar Kemsegmente unmittelbar zu 
liegen kommen und sich in der bekannten Weise auf der Obertiiiche 
und in der Mitte der sich jetzt gleichfalls deutlicher sonderudeu 
Spiudelfasem anordnen (Fig. 17 VI). 

Aus diesen Vorgängen sowie mehreren, schon frnher heschriebenen 
Tatsaclieu kennen wir vier wichtige Ergebnisse ziehen. 

l ) Ei- und Samcnkern besitzen die gleiche Masse von Chromafin, 
welche in jedem auf eine gleiche Zahl von Kemsegmenten verteilt ist. 

2) Beide Kerne ergänzen sich infolge ihrer Vereinigung bei der 
Befruchtung wieder zu einem Voll kerne, nachdem zuvor bei der 
BHfp von Ei- und Samenzelle die Masse des Chroraatins und die Zahl 
der Kerusegmcnte in jeder auf die Hälfte eines Ni)rmai- oder Voll- 
kems reduziert worden ist Oder in anderen Worten ausgedrOekt: 
Durch die Bildung zweier Polzellen beim unreifen Ki und durch die 
zweimalige, ohne dazwischentietende Ruhepause erfolgende Teilung 
der Samenmutterzellen wird in einfachster Weise verhindert, dafs 
dureh die im Befruehtungsakt erfolgende Verschmelzung zweier Kerne 
eine Snmmierung der Cliromatinmassc und der Kernsegmente auf das 
Doppelte des fttr die betreffende Tierart geltenden ^i'ormalmafses 
herbeigeführt wird. 

8) Parthenogenetische Eier erfahren keine Reduktion der Kern- 
Substanz, da !»ei ihnen die Bildunp^ der zweiten Polzelle unterbleibt 
(S. -1). j^ie bedürfen daher der Befruchtung nicht. 

4) Die Keruseguiente der ersten Teilspindel eines befruchteten 
Eies stammen zur einen H&lfte vom Eikern, zur anderen Hftlfte vom 
Sumenkeni ab, sie können daher als männliche und als weibliche 
unterschieden werden. Da nun im weiteren \ erlaufe hier wie auch 
sonst bei der Kernteilung die vier Segmeute sich der Länge nach 
spalten und dann nach den zwei Centrosomen zu auseinanderweiehenj 
bilden sich zwei Gruppen von vier Tochterschleifen . von denen zwei 
niftnnlicher und zwei weiblicher Herkunft sind. Je«ie (iruppe wandelt sich 
dann in den ruhenden Kern der Tochterzelle um. Damit ist der un- 
umstöMiche Beweis geführt, dafs jedem Toehterkem in jeder Eifaälfte, 
die durch den ersten Furchungsprozefs entsteht (s. Kapitel 3), genau 
die gleiche Menge Chromatin vom Eikern wie vom Samenkern zu- 
geführt wird. 

Bepetitorlam an B^pltal n. 

1) Das Keimbläschen rückt allmählich bei der Reifung an den 
animalen Pol des Eies empor und geht hierbei eine rackaehmtende 

Metamorphose ein (Rückbildung der Kernmembran und des Faden- 
netzes, Vermischung des Kernsaftes mit dem Protoplasma). 

2) Aus Bestandteilen des Keimbläschens (Kernsegmenten etc.) 
entwickelt sich eine Kemspindel (Polspindel oder Riehtungsspindel). 

3) Bei der Bildung der Polspindel ordnen sich die Chromo- 
someu de^ Keimblftschens in charakteristischer Weise in «Vierer- 
gruppe n** an. 

4) An der Stelle« wo die Spindel mit ihrem einen Ende an die 

Oberfläche des Dotters anstöfst, bilden sich durch einen sich zwei- 
mal wiederholenden Knospungsprozefs zwei Polzellen (Richtungs- 
körper j aus. 



Digitized by G( 



30 Zweites lUpitel. Die Beifeeneheioongen tou Ei- und Suneiuelle etc. 

5) Beim zweiten KnospungBprozelk bleibt die Hftlfle der Kera- 
Bpindel in der Dotterrinde Eiirftek nnd wandelt sich in den Eikern 

nm. Das Ei ist reif. 

Ü) Während der Bildung der Polzelleo werden die ner Chromo- 
somen jeder Yierergruppe so verteilt, dafs jede der drei Pdlzellen and 
das reife Ei ein Chromosom einer Vierergruppe erhält. 

7) Beim Reifcprozefs w'ud die chromatische Substanz des Keim- 
bläschens geviertelt (Heduktionsteilung), anstatt wie bei einer ge- 
wöbnlichen Zellteilung halbiert zu werden. 

8) Das reife Ei besitzt nur die Hälfte der ( hronuitischen Sub- 
stanz eines NormalV-erns zur Zeit dos blft^cbenfoi mi-i n Kuhezustandes. 

9) Bei Eiern, die sich parthenogcuetisch eutwickeiu (Arthropoden), 
wird gewöhnlich nur eine Polzelle gebildet. 

10) Entsprechende Veränderungen, wie an der Eizelle, gehen an 
der Samenzelle bei der Sj)ennatogenr8e vor sich, wie besonders 
deutlich bei Ascaris megalocephala nachzuweisen ist. 

11) Der Eireife Iftfst sich eine Samenreife gegenaberstellen. 

12) Bei der Befruchtung dringt in ein gesundes Ei nur ein einziger 
Samenfaden ein (Bildung eines Empfftngnishttgels, Abhebung der 
Dotterhaut). 

13) Der Kopf des Samenfadens verändert sich zu dem Samen- 
kern. Das s(^enannte Mittelstück wird zum Ccntrosom (Sperma- 
Zentrum), um welches sich die benachbarten Protoplasmateilenen in 
radiärer Richtung anordnen. 

14) Ei- nnd Samenkem wandern aufeinander zu und verschmelzen 
in der Kegel unmittelbar zu dem Furchungskem; l)el vielen Objekten 
erhalten sie sich längere Zeil cr'-trennt nebeneinander, um Sich erst 
später zusammen in die Furch ungsspiudel umzuwandeln. 

15) Ei- und Samenkem besitzen die gleiche Menge chromatifleher 
Substanz, welehe auf eine bei jeder Tierart genau bestimmte Anzahl 
von Chromosomen verteilt ist (Zahlengesetz der Chromosomen). 

Icij Die infolge des Keifeprozesses in ihrer chromatischen Sub- 
stanz reduzierten Kerne oder Halbkerne werden durch ihre Vereinigung 
bei der Befruchtung wieder zu Vollkerneu. 

17) Der Reifejirozefs Iflfst sieh daher als eine Vorbereitung für 
die nachfolgende Befruchtung bezeichnen. 

18) Die Belhichtung des Eies findet bei einem Teil der Tiere 
erst nach vollständigem Ablauf der Eireife statt, bei einem anderen 
Teil dagegen wird sie schon bei dem ersten Kintritf der Eireife ein- 
geleitet, so dai's beide Erscheinungsreihen ineinandergreifen. 

19) Befruehtungstheorie. Die Befruchtuog beruht auf der 
Kopulation zweier Zellkerne,* die von einer männlichen und einer 
weiblichen Zelle abstammen. 




Digitized by Google 



Drittes Kapitel. 



Der Furch luigsprozel's hin zur Bildung der Keimblase. 

Sofort nach der Befruclituiig hpfjiniit i:c\vöhnlich die Eizelle, wenn 
sie sich sonst unter jieeifineten Bedingungen befindet, in die Entwick- 
lung einzutreten (Fig. sie vermehrt sich durch Teilung iu 2, 4, 
8, 16, S2, 64 Tochterzellen und so fort in geometrischer Progression, 
bis ein kugliger Haufen vieler, immer kleiner werdender Teilstücke ent- 
standen ist. Die auf die Befruchtung folgende Vermehrung des Eies 
iu Embryoualzelleu nennt mau gewöhnlich anstatt Teilungsprozels, 




Fig. 25. Venohiedeoe Stadien des FurohungaprosesseB nach Gkobhbaub. 



was die richtigere Bezeichnmig wAre, mit einem Namen, der von den 

ersten Entdeckern des Vorganges, Pki^vost und Dumas, herrührt, 
den Furehungsprozefs, Die beiden französischen Forscher, welche 
die Entwicklung des Froscheies bei Lupenvergröfseruug untersuchten, 
glanbten nämlich, dafs infolge der Einwirkung der Samentlfissigkeit 
seine Oberfläche durch immer zahlreicher werdende Furchen in gröfsere 
und kleinere Bezirke zerlegt werde. Dafs die Furchen sich iu die 
Tiefe fortsetzen und die ganze Eisubstauz in Stücke trennen, dals 
diese Stücke Zellen sind, und dafs daher die ganze Anfangsperiode 
der Entwicklung in einer Vermehrung der einfachen Eizelle in iinnier 
zahlreicher werdende Torhterzellen besteht, wurde erst sehr allni.Uilieh 
infolge umfangreicherer Beubachtungeu und unter dem Eintiul's der 
sieh spAter Bahn brechenden Zellentbeorie erkannt Doch der von 
Dumas und Pk^vcst gebrauchte Name ist trotzdem geblieben, wie es 
in der biologischen Wissenschaft noch in vielen ähnlichen Fällen, 
z. B. auch mit dem Kamen „Zelle", geschehen ist. 

An dem Furehungs- oder richtiger Teilnngsprozeds des Eies 
kann man zwei Gruppen von Veränderungen untersclieiden, solche, die 
an dem Kern, und solche, die sich an dem Protoplasmakörper ab- 
spielen. Was die erstere betriiTt, so sei nur kurz erwähnt, dafs vor 



Digitized by Gtfpgle 



82 



Drittes Kapitel. 



der Teilung der bläscheoförmige Keru, wie es hei jeder ZellvermehruDg 
geschieht, in Karyokinese eintritt (s. hierüber die Lehrbücher der 
Histologie), dafs er sich in eine Spindel (Fig. 2ti) umwandelt un<l dafs 
hierl)ei in komplizierter Weise seine verschiedenen Substanzen |in 
zwei Hälften zerlegt werden, welche sich trennen, auseinanderrücken 

und zuletzt die Grundlage für zwei bläschenförmige 

Tochterkeme abgeben (Fig. 28). 




Ki?. 26. Fig. 27. Fig. 28 

Fig. 26. Kernflgur eines Sies von Stron^ylocentrotuB, 1 Stunde 20 Min. 
nath der Uefnuhtung. Kl mit liciigentipii lii-bandelt. Nach IIertwio. 

Fig. 27. Ei eines Seeigels im Moment der Teilung. 30mal vergr. Kine 
Ringl'urcho schneidet in den Dotter ein und haliiieit ihn in einer Ebene, welche 
rechtwinklig die Mitte der Kernachse und die Längsachse der Hanteltigur schneidet. 

Fig. 28. El eines Seeigels nach der Zweiteilung. In Jedem Teilprodukt ist 
ein bläschenförmiger Tochterkern entstanden. Die t^trahlige Anordnung des Proto- 
plasma beginnt undeutlich zu werden. Die Fig. 27 u. 28 sind nach dem lebenden 
Objekt gezeichnet. Nach Hkbtwio. 

An die komplizierte Zerlegung der Kernsubstanz schliefst sich 
alsdann die einfachere Teilung (les Protoplasmakörpers oder des 
Eidotters an. Zur Zeit, wo im Innern des Dotters sich die Kernspindel 
ausgebildet hat , und wo sich die Chromosomen in die zwei Tochter- 
gruppen getrennt halben, wird an der Oberfläche des Eies eine Riug- 
furche sichtbar (Fig. 27) entsprechend einer Ebene, welche man mitten 
durch die Kernspindel senkrecht zu ihrer Längsachse hindurchlegen 
kann. Die Ringfurche schneidet rasch tiefer in die Eisubstajiz ein 
und trennt sie in kurzer Zeit in zwei gleiche Hälften, von denen eine 
jede die Hälfte der Sjjindel mit einer Gruppe der Tochtersegraente 
enthält. 

(legen Ende der Durchschnürung grenzen die sich trennenden 
Eihälften nur noch an einer kleinen Stelle aneinander in der Gegend 
der Mitte der Kemspindel, welche zu allerletzt durchgeschnürt wird. 
Nach Be<'ndigung der Teilung al>er legen sie sich bald wieder mit 
ihren Teilungsflächen in ganzer Ausdehnung dicht aneinander und 
platten sich hier gegenseitig so ab, dai's eine jede nahezu einer Halb- 
kugel gleicht (Fig. 28). 

Bei kleineren, dotterarmen Eiern läfst sich während des zweiten 
und dritten Furchungsstadiums ein streng gesetzmäfsiges Ver- 
bal t e n in der Richtung, welche die sich bildenden 
Teilungs ebenen zueinander einhalten, leicht erkennen. Es 



1 



Google 



Der Fttrcbnngsproseft Us siir Mdoiig der KeimUMe. 



SS 



halbiert nftmlich stets die zweite Ebene die erste und schneidet sie 
rechtwinklig , die dritte Ebene aber steht wieder senkrecht auf deo 

beiden ersten und geht durch die Mitte der Achse hindurch, in welcher 
sie sich schneiden. "Wenn man nnn die Entkn dieser Achse als Pole 
des Eies betrachtet, so kann man die beiden ersteu Teilungsebeueo 
als meridionale, die dritte als eine äquatoriale bezeichnen. £s 
empfiehlt sich ferner, nach dem Vorschlag von GrOnroos und Sobotta 
auch noch andere Bezeichnungen der mathematischen Geographie zu 
entnehmen und Furchen, welche dem Äquator parallel verhiufeu und 
daher den Breitengraden der Erdkugel in ihrer Richtung entsprechen, 
Latitudinalf urchen zu nennen. Teilebenen endlich, welche der 
Oberfläche des Eies parallel L'rrichtet sind und demnach ein oU-v- 
fiftchlidi gelegenes von einem mehr zentral befindlichen Teilstück 
trennen, können tangentiale heiften. 

Die streng gesetzmftfaige und regelniäfsige Stellung', welche 
die drei ersten Teilebenen zueinander einhalten, wird dnrrls ein 
Wechselverhältnis bedingt, in weichem Kern und rrotoplusma zu- 
einander 'stehen. Hierbei sind folgende zwei Hegeln zu beachten: 
I) Die Teilungsebene halbiert stets rechtwinklig' die 
Achse der Spindel. 2) Die Achse der Kern Spindel steht 
wieder in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Form 
und Differenzierung des sie umhüllenden, protoplas- 
matischen Körpers, und zwar so, dafs die beiden Pole 
des Kerns sich in der Richtung der gröfsten Proto- 
plasmamassen einstellen. So kann z. B. in einer Kugel, in 
welcher das Protoplasma gleichmftrsig verteilt ist, die zentral ge- 
legene Spindel in der Richtung eines jeden Radius zu liegen kommen, 
in < ineni eiförmigen Protoplasmakörper rinfrepeTi mir in dtMii lAngsten 
Durchmesser. In einer kreisrunden Protoplasmascheilnj liegt die 
Kernachse parallel zur Oberfläche in einem beliebigen Durchmesser 
des Kreises, in einer ovalen Scheibe dagegen wieder nur im Iftngsten 
Durchrnes^pr. 

Um uuu nach diesen allgemeinen Bemerkungen auf unseren zu 
erklärenden Fall zurtlckzukommen, so bildet jede Tochterzelle, wenn 
die erste Teilung abgelaufen ist, eine Halbkugel. Nach unserer 
Regel kann die Tochterspindel sich nicht vertikal zur Grundfläche 
der Halbkugel stellen, sondern muls parallel zu ihr gerichtet sein, 
so dafs ein Zerfall in zwei Quadranten erfolgen mu(^. Hierauf mufs 
die Spindelachse wieder mit der Längsachse des Quadranten zusammen- 
fallen, wodurch dieser in zwei Oktanten zerlegt wird. 

Von dem eben geschilderten Teilungsvorgang gibt es einige 
wichtige Abweichungen, die zwar die feineren, auf den Kern sich 
beziehenden Vorgänge unbertlhrt lassen, aber die Form der Teil- 
Stficke betreffen , in wrkhe das Ei zerlegt wird. Die Ahweirhungen 
werden hervoigeruleu , wie jetzt im einzelneu noch genauer durch- 
geführt werden soll , durch den verschiedenen Gehalt der Eier an 
Keservestoffen und durch ihre frtlher beschriebene, verschiedenartige 
Verteilung. Man kann die hierdurch bediiiL'tf n Formen des Furchungs- 
prozesses, obwohl sie durch Übergänge verbunden sind, zweckmälsiger- 
weise in zwei Abteilungen und jede Abteilung in zwei Unterabteilungen 
sondern 

Zu fler ersten AbteiUinfr rechnet man solche Eier, welche dureh 
den Teiluugsprozefs vollständig zerlegt werden. Man be- 

U. Uertwtg, Di« Elemente der Entwicklun^^lohru. 2. Aull. 8 



Digitizc )OgIe 



Drittes Kapitel 



seiebnet daher die Teilung als eine totale und unterscheidet, je 

na ( Ii dem die Sttteke von gleicher oder von ungleicher GrGAe werden, 
als Unterarten eine äquale oder ^1 e i chmftfsige und*^e in- 
äquale oder ungleichmärsige Teilung. 

Der totalen stellt man die partielle Teilung gegenüber. 
Sie findet sich bei Eiern, welche mit sehr reichlichem Dottermaterial 
▼ersehen und daher von l)eträchtlicher Gröfse sind, iin(( l>ei welchen 
gleichzeitig die schon f ruber beschriebene Sonder ung in einen aus 
Bildungsdotter und in einen aus Nabrungsdotter bestehenden Teil 
deutlich eingetreten ist. Hier erfährt nun blofs der Bildungsdotter 
einen Zerkltiftungsprozefs . wahrend die Hauptmasse des Eies, der 
Nahrungsdotter, ungeteilt und von den embryonalen Eutwickluugs- 
Vorgängen im ganzen unberübrt bleibt; daher der Käme teilweise 
oder partielle Teilung. Sie zerfällt wieder in die beiden Unter* 
t y i> e n der d i s k o i d a 1 e n und der superficialen Teilung, 
je nachdem der Bildungsdotter als Scheibe dem ^ahrungsdotter auf- 
liegt oder den letzteren als dicke Rindenschicht unihQllt Rbvak 
hat die Eier, die sich total teilen, als holoblastische, dagegen 
die Eier mit partieller Teilung als meroblastische bezeichnet. 

Wir können daher folgendes Tei 

I. Typus. Totale Teilung ^ 

a) äquale „ 

b) inäquale „ 

II. Typus. Partielle „ ) 

a) diskoidale „ | meroblastische Eier 

b) superficiale « ) 



ungsschema aufstellen: 
holoblastische Eier 



Erster Typus. 

a) Die totale äquale Teilung. 

Der Tyi)ns der äqualen Teihuii,^ mit dcven Merkmalen wir schon 
in deji einleiteudeu Betrachtungen zu diesem Kapitel bekannt geworden 
sind (Fig. 25). ist am häufigsten bei den Wirbellosen anzutreffen. 
Unter den Wirbeltieren wird er nur beim Ami>hioxus und bei den 
Säugetieren beobaclitet. Da iiides^^en bei ilmen schon frOlizeiti'^ 
geringe Verschiedenheiten in der ürölse der Kmbryonalzellen hervor- 
treten, sind mehrere Forscher veranlafst worden, auch die Teilung 
des Eies von Amphioxus und den Säugetieren als inäquale zu bezeichnen. 
Wenn ich diesem Vorschlag nicht gefolgt bin. so geschah es aus dem 
Grunde, weil die Unterschiede zwüscheu den Zellen nur geringfügiger 
Art sind, weil der Kern in der Eizelle und ebenso in ihren Teil- 
stOcken noch zentral liegt, und weil die einzelnen Teilungsarten 
überhaupt nicht scharf abzugrenzen, sondern durch Übergänge Ter* 
bundeu sind. 

GewAhnlich bildet sich schon nach den ersten Teilungen im 
Innern des Keimes eine kleine Höhle aus dadurch , dafs die Zellen 

sich abrunden, ein weniir an'^einanderweichen niid Flüssifikeit nach 
innen absondern. Im weiteren Verlauf der Teilung beginnt die 
Keimhohle oder, wie sie frQber genannt wurde, die Furch ungshöhle 
sich mehr und mehr auszuweiten und bei Ainphioxus (Fig. 29) 
und den Sa n'jf^t leren «^o'jar von sehr ansehnlichen Dimensionen zu 
werden, wodurcii die Ubertiäche der ganzen Keimform natürlich in 
entsprechendem Mafse vergrößert wird. 



Digitized by Google 



Der Farchungapromlk bis snx BUdunf 4«r KeimbUw. 



35 



Man bat den aus dem £i durch Teilung enUtehenden Zellen- 
faaufen. Je nachdem ee sieb um die ersten oder spftteren Stadien 

handelt, als Maulbeerkugel (Morula) (Fig. 25, letztes Stadium) und 
als KeimMasf fBlastula) (Fig. 27) unterschieden. Von einer Morula 
(Fig. 2ö> .spricht man, solange die 
KeimhOhle noch nicht oder nur 
wenig ausgebildet ist, und solange 
die Embryonalzellen noch wenig 
zahlreich und daher ziemlich grol's 
sind, locker aneinandersebliefsen 
mu\ an der Oberfläche als kleine 
Htk ker, wie die Körnor einer Maul- 
beerfrucht, hervortreten. Dagegen 
nennt man die Keimform eine 
Blastula, sowie im weiteren Ver- 
lauf des Teilungsprozessps Her 
Hohlraum im Innern erheblich 
gröfser geworden ist und die Ober- 
fiftche wieder eine glattere 15e- 
5f1i!iffenhfiit erhalten lirtt. Sowie Fig.20. Keimbiasedes Amphioxus, 
nämlich die Zeilen zahheiclier und uach IUtschkk. kh Keimblasenhöhle, 
kleiner geworden sind, onlnen sie » animale, w vegetative Zellen, 
sich zu einer Schicht, wie neben- 
stehende Figur von der Keimblase des Amphioxus lehrt (Fig. 20), an 
der Oberflilclie an, schliefsen, wo sie seitlich aneinandergrenzen, fest 
zusammen und schneiden nach aul^n mit einer glatteo Oberfläche 
ab. Sie haben jetzt, wenn wir uns eines Ausdruckes bedienen wollen, 
welcher in der Histologie für eine derartige Zellenanordnung ge* 
braucht wird, ein Epithel gebildet. 

b) Die totale, i n il q u a 1 e T e 1 1 u n g. 

Die zweite Vorm der totalen Kiteilung wird unter den Wirbel- 
tieren bei den Cyklostomen, bei einzelnen Ganoiden (Stör) und bei 
den Amphibien angetroffen, deren Eier schon liotterreicher und grOfoer, 
€twa vom Umfang eines Hirsekorns eint^r Krbse. sind. 

Als Grundlage der Beschreibung möge das Ei des Frosches dienen, 
dessen Bau schon früher besprochen wurde. Bald nach der Ablage 
in das Wasser und nach eingetretener Befruchtung richtet sich seine 
pigmentierte oder aninialt' llnlfte unter Awf(iiieUung der Gallerthülle 
nach nhen, ^veil sie nielir Protoi)lasma und kleinere Dotterkügelcheu 
enthält und leichter als die vegetative Hälfte ist. Die Ungleichmäfsig- 
keit in der Verteilung der verschiedenen Dotterbestan(lteile bedingt 
auch rine veränderte Lafie des Furchungskerns. Während flieser in 
allen Füllen, in denen flie Reservestnffe prleichmälsig verteilt sind, 
eine zentrale Lage einnimmt, rückt er überall, wo sich das Ei aus 
einer an Dottermaterial reicheren und aus einer an Protoplasma 
reicheren Hälfti- zusammensetzt, in das Dereidi der letzteren hinein. 
Beim Froschei tindet man ihn daher in der pigmentierten, nach oben 
gelegenen Hemisphäre, 

Wenn sich hier der Kern zur Teilung anschickt, kann sieh seine 
Achse nicht mehr in jedem beliebigen Radius des Eies einstellen; 
infolge der ungleichmärsigen Verteilung des Protoplasma im Eiraum 

3* 




0 



Digitized by Google 



36 



Drittes Kapitel. 



Steht er unter dem Einflufs des protoplasmareicheren, pigmentierteo 
Teils des Eies, welcher wegen seiner geringeren spezifischen Schwere 
wie eine Kalotte dem an Dotterplilttchen reicheren Teil aufliegt und 
auf ihm horizontal ausgebreitet ist. In einer horizontalen Protoplasuia- 
scheibe aber kommt die Kernspindel nach den früher (S. 33) ange- 

f ebenen Regeln horizontal zu liegen {Vig. 30 sp)\ mithin mufs die 
eilungscljene sich in vertikaler Richtung bilden. Zuerst beginnt 
sich eine kleine Furche am aninialen Pole zu zeigen, weil dieser mehr 
unter dem Eintlufs der ihm genäherten Kernspindel steht und mehr 
Protoplasma enthillt, von welchem die Bewegungserscheinungen bei 



Vig. 80 u. 31. Schema der Teilung des Froacheies. 

Via. Erstes Teilunitsstadimn. Kig. 31 Drittes Teilungsütailium. Die vier 
Teilstücke des zwt-iten Teilnnps.jtu(liiims lu-ginnen durch eine Aquatorialfiirche in 
acht Stücke zu vorfallen. P Figmcntiertt' ObeiHache des Eies am aninialen l'ol: 
jtr protopluämatihcber, d dottcrreicber Teil dcü Eie»; Kemspindei. 

• 

der Teilung ausgehen. Die Furche vertieft sich langsam nach ab- 
wärts und schneidet nach dem vegetativen Pole zu durch. 

Durch den ersten Teilungsakt erhalten wir zwei Halbkugeln 
(Fig. 32, 2), von denen eine jede aus einem protoplasmareicheren, 
nach oben gerichteten und einem nach abwärts gekehrten, protoplasma- 
ärmeren Quadranten zusammeng«'setzt ist. Dadurch wird die Lage 
des Kerns, wenn er sich zur zweiten Teilung anschickt, wieder fest 
bestimmt. Den Kern haben wir nach der von uns oben aufgestellten 
Regel im protoplasmareicheren Quadranten aufzusuchen; zu seiner 
Längsachse mufs sich die Achse der Spindel parallel einstellen, sie 
mufs also horizontal zu liegen kommen. Die zweite Teilungsebene 
ist daher, wie die erste, lotrecht und schneidet sie rechtwinklig. 

Nach Ablauf der zweiten Teilung besteht das Amphibienei aus 
vier Quadranten (Fig. 32, 4), die durch vertikale Teilungsebenen von- 
einander getrennt sind und zwei ungleichwertige Pole besitzen, einen 
protoplasmareicheren, leichteren, nach oben gerichteten und einen dotter- 
reicheren, schwerereu. nach abwärts gekehrten. Beim äqual sich teilen- 
den Ei sahen wir, dafs auf dem dritten Teilungsstadium die Achse 
der Kemspindel sich parallel zur Längsachse des Quadranten einstellt. 
Das ist auch hier in einer etwas moditizierten Weise der Fall. Wegen 
des gröfseren Protoplasmareichtunis der oberen Hälfte des Quadranten 
kann die Spindel nicht wie bei dem äqual sich furchenden Ei in die 
Mitte zu liegen kommen, sondern mufs dem aninialen Pole des Eies 
mehr genähert sein (Fig. 31 .«7)). Ferner steht sie genau vertikal, da 
die vier Quadranten des Amphibieneies wegen der ungleichen Schwere 




Fig. ao. 



Fig. 31. 



Googl 



Der Farchaapproaefii bii snr Bildung der Keimblase. 37 

ihrer boideu Hälften im Kuume fest orientiert sind, iufolgedesseu 
nrofs jetzt die dritte Teilungsebeue eine horizontale 
werden, ferner niufs sie ob er Ii all» des Äquators der 
Eikut^el mehr oder minder nach ihrem animalen Pole zu geh'^eu 
seiu (Fig.32,»j. Die Teilproti ukte sind von sehr uu gle idier 
GrOfse und Beschaffenheit und sind der Grund, warum man 
diese Form der Furchung als eine inüqnale bezeichnet hat. Die vier 
nach oben gelegenen Segmente sind kleiner und dotterärmer, die 
vier unteren viel gröfser und dotterreicher; nach den Polen, denen 
sie zugekehrt sind, werden sie als animale und vegetative 
Zellen unterschieden. 

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird der Unterschied 
zwischen den aoimaleu und den vegetativen Zellen immer gröfser, da 
die Zellen um so rascher und häufiger sich teilen, je protoplasma- 
reicher sie sind. Auf dem vierten Stadium werden zuerst die vier oberen 



1 t 4 s 




Spffniente durch meridionale, vertikale Furchen in acht zerlegt, erst 
nach einiger Zeit zerlallen in derselben Weise auch die vier unteren, 
80 dafe jetzt das Ei aus acht kleineren und acht grOfseren Zellen zu- 
8ammen;^esetzt ist (Fig. 32, i«). Nach einer kurzen Rubei>ause teilen 
sieii al)erinals zuerst die acht oberen Sej^raente, und zwar jetzt durch 
eine latitudinale Furche, und etwas später zerlegt eine ähnliche 
Furche auch die acht unteren Segmente (Fig. 32,83). In gleicherweise 
zerfallen die 32 Segmente in 04 (Fig. 32, 64). Auf den nun folgenden 
Stadien werden die Teilungen in der animalen llälftr df i- Kikugel 
noch mehr als in der vegetativen beschleunigt. Wahrend die 32 
animalen Zellen durch zwei rasch aufeinanderfolgende Teilungen 
schon in 128 Sttlcke zerlegt sind, findet man in der unteren Hälfte 
noch ^^2 Zellen, die iu Vorbereitunfj zur Teilung begriffen sind. So 
kommt es, dals als Endresultat des ieilungspro/esses eine Morula 
mit ganz ungleichwertigen Hälften entsteht, mit einer nadi 
oben pelegenen, animalen Hälfte aus kleinen, pigmentierten Zellen und 
mit einer ve^ret iriven Hälfte aus grJ^rseren. dotterreichen, hellen Zellen. 

Im Hinblick auf den Verlauf der inäqualen Furchung und auf 
eine Reihe anderer Erscheinungen läfst sich ein zuerst von Bauour 
fonnnliertes Gesetz aufstellen, dafs die Schnelligkeit der Tei- 
lungen proportional ist der Konzentration des im '!'f>i- 
lungsstUck befindlichen Protoplasma. Protoplasmareiclie 



Digitized by 



38 



Drittes Kapitel. 



Zellen teilen sich rascher als Bolehe, die mit viel Dottermateral 

beladen sind. 

8chnii auf dem Stadium der Achtteiliinp ist eine ganz kleine 
Keimhöhle durch Auseiuauderweicheu der acht Stückt- entsUiudeu. Sie 

vergrdfBert sich von da an in 
gleichem Schritt mit der Ver- 
mehrung der ZelU'u. Infolge der 
ungleichen ürolüe der letzteren 
kommt sie aber hier im Unter- 
schied zu den i'uiual sich teilenden 
Eiern exzentrisch näher an den 
animalen Toi der Murula zu liegen. 
Dementsprechend ist dann spAter 
auch die Keimblase abgeändert 
(Fig. -i'-i). Ihre Wand , die ge- 
wöhnlich aus mehrereu Lagen von 
Zellen aufgebaut wird, zeigt wegen 
der sehr verschiedenen Gröfse der 
animalen und der vegetativen 
Zelleu eine sehr ungleiche Dicke. 
Am animalen Pole ist sie dflnn, 
am vegetativen dagegen so stark, 
dafs von hier <'in HiM-ker. der aus 
grossen Dotterzelleu zusammengesetzt ist, in die Keimblasenhuhle 
weit vorspringt, sie nicht unerheblich einengt und ihre exzentrische 
Lage bedingt. Auch die Keimblase ist polar differenziert und iniUiual 
entwickelt. Den dtlnnen Wandteil können wir als ihre Decke, den 
dicken Teil als ihren Boden bezeichnen. 

Zweiter T^pns. 

a) Die partielle diskoidale Teilung. 

Unter den Wirbeltieren kommt der jetzt zu besprechende , sehr 
abweichende Teilungstypus bei den Teleostiem, Selachiern. Reptilien 
und Vögeln vor. deren Eier, zum Teil wenigstens, die gröl'sten Dimen- 
sionen erreichen und den höchsten Liehalt au Deutoplasma aufweisen. 

FOr die Darstellung der diskoidalen Furchung bietet uns das 
Hühnerei ein klassisches Beispiel. An ihm läuft der gesamte 
Furchungsprozefs noch innerhalb der Eileiter in dem Zeitraum ab. 
in welchem der Dotter mit einer Eiweii'shUllc und einer Kalkschale 
umgeben wird; er ist ganz und gar auf die aus Bildungsdotter 
bestehende Keimscheibe beschränkt, 80 dafs der grölste Teil des Eies, 
welcher den Nahrungsdotter enthalt . ungeteilt bleibt und spi\ter in 
ein Anhängsel des Embryo, den sogeuauuteu Dottersack, eingeschlossen 
und allmählich als Nahrungsmaterial aufgebraudit wird. Wie beim 
Froschei die pigmentierte animale Hälfte, so schwimmt auch beim 
Hühnerei, man mag es wenden wie man uill. die Keimsclieibe oben- 
auf, da sie der leichtere Teil ist. W ie beiiu I roscbei die zwei ersten 
Teilungsebenen vertikale sind und am animalen Pole beginnen , so 
treten auch beim Hfihnerei (Fig. M) in der Mitte der Scheibe eine 
erste und eine zweite meridionale Furche auf. welche sich unter 
rechtem Winkel schneiden, und dringen von oben her in vertikaler 
Richtung in die Tiefe. Während aber beim Froschei die erste Tei- 




Fig. 83. KelmblaM von Triton 
tMniatoa. 

KeimblMenhöhle, dotterreichere 
ZeUen, n Randsone. 



Digitized by Google 



Der Furchungsprozcfs bis znr Bildung der Keimblase. 



39 



lungsebene bis zum eotgegengesetzteu Pole durchschneidet, teilt sie 
beim Hühnerei nur die Keimscheibe iu zwei gleiche Segmente, welche 
mit breiter Basis der ungeteilten Dottermasse aufsitzen und dadurch 
noch untereinander in SubsUinzverbindung stehen. Hierauf wird jedes 
der vier Segmente noch einmal von einer mehr in meridionaler Rich- 
tung verlaufenden Furche halbiert. Die so entstandenen Teilstücke 
entsprechen Kreisausschnitten, die im Zentrun» der Keimscheibe mit 
spitzen Enden zusammenstofsen und mit ihren breiten Kuden nach 
der Peripherie gewandt sind. Von jedem der Segmente wird dann 




Fig. S4. 



Fig. 35. 



Fig. 34. 
Segmenten. 

Fig. 



menten. Nach Köllikkr. 



Keimsoheibe eines Hühnereies aus dem Uterus mit vier 

Nllt'h KüLLIKKH. 

Keimsoheibe eines Hühnereies aus dem Uterus mit elf Seg- 



die Spitze durch eine dem Äquator der Eikugel i)arallel gerichtete, 
also latitudinale Furche abgetrennt , wodurch zentral gelegene, 
kleinere und gröfsere , periphere Teilstücke entstehen (Fig. :{')). 
Indem von nun an meridionale und latitudinale Furchen gewöhnlich 
alternierend auftreten, zerfilllt die Keimscheibe in immer zahlreichere 
Stücke, welche so angeordnet sind, 
dafs die kleineren im Zentrum 
der Scheibe, also unmittelbar am 
animalen Pole, die gröiseren nach 
der Peripherie zu liegen ( Fig. 30). 
Die letzteren werden als Uand- 
segmente bezeichnet; sie sind in 
der Peripherie von der ungeteilten 
Dottermasse nicht abgegrenzt. 
Voneinander werden sie durch frei 
auslaufende meridionale Furchen 
getrennt. Hire Anzahl im Um- 
kreis der Keimscheibe nimmt mit 
der fortschreitenden Furcliung 
kontinuierlich zu, indem die auf 
früheren Stadien greisen und 

wenigen Randsegmente durch t:<- oa i w • w^-». 

" Ca. Ä. 1 • 1- 1 rig.36. Keimsoheibe eines Huhner- 

immer neu auftretende meridionale eies aus demUterus mit vielen Rand- 
Furchen fortwährend ihrer Länge «egmenten. >ach Köllikkr. 




40 



Drittes Kn^Hel. 



nach halbiert werden (vergl. Fig. 35 u. 36). Dabei werdcu gloit h- 
zeiti? von ihren pohvärts gerichteten, spitzen Enden diircli latitudiiiale 
Furchen kleine Stücke abgetreuut, durch welche der von den liaud- 
Segmenten wie von einem Strahlenkranz eingeBchlossene kleinzellige 
Bezirk der Keimscheibe fortwährend an seinrai Rande einen neuen 
Zttwadis erhält und sich in der FlAche weiter ans])reitet. 

Eine eingehendere Besprechung verlangt jetzt noch das Ver- 
hältnis, in welchem die bisher nur nach der Oberüftcbenansieht be- 
schriebenen Furchungsstücke zu der darunter liegenden Dottermasse 
stehen. — Eine Zeitlang hängen die ersten 10 Segmente nach innen 
zu mit der tieferen, ungeteilten bchicht der Keimscheibe kontinuierlich 
zusammen; sie sind nur seitlich durch die an der Oberfl&che sicht- 
baren Furchen voneinander abgegrenzt Dies ändert sich erst vom 
fünften Teilstadinin an. In den kleineren zentralen Segmenten der 
Scheibe stellen sich jetzt die Kerne, bei ihrer Umwandlung in Spin- 
deln, in der Richtung des Eiradius ein , so dafs die Teilebenen sieh 
tangential zur OberllAche des Eies ausbilden und zwei Teil stücke 
voneinander sondern müssen, von welchen das eine nach auliien, 



Fig. 87. Di« Abfürohung der Kaimtolwib« eine« meroblmtlichm Bisa 
la 9inma SidMiaa dwrgMtoUt. 

d» Dottenynqrtium} «j» tn radialer Riehtimg eingeatdlte Spindel. 

das andere nach innen gelegen ist. Das erstere ist allein allseitig 
als Enibryonalzelle isoliert, das letztere dag^en hängt wieder an 

seiner Basis, wie vorher das ganze Segment, mit der ungeteilten 
Dotternuisse zusammen. Mit dem Auftreten tangentialer Teilebeuen 
beginnt die Keimscheibe zuerst in einem kleinen Bezirk des animalen 
Poles, dann \on hier in gröfserer Ausdehnung nach der Peripherie 
ZU zweischichtig und später mehrschichtig zu werden (Fig. 'M). 

Der ganze Vorgang, welcher für den Furchungsprozefs der Eier 
der Selachier, Reptilien und Vögel charakteristisch ist, läfst sich 
durch das ol)enstehende Schema, welches nach einem von Sobotta 
gegel>enen Beispiel von mir entworfen ist. recht ansriiaulich machen. 
Das Schema (Fig. 'M) gii)t einen Durchschnitt durch eine schon 
ziemlich weit altgefurchte Vogel -Keimscheibe. Links sieht man ein 
noch relativ greises Randsegment ia). welches mit der darunter 
liegenden Dotterschicht an seiner Basis zusammenhängt. Auf einem 
vorausgegangenen Stadium hat sich von dem Kandsegment, welches 
damals noch gröfser war und weiter zentral wärts begann, das Segment 
(d) durch eine latitudinale Furche abgetrennt, aber dal)ei den Zu- 
sammenhang mit (lern Dotter ebenfalls noch bewahrt. Durch 
meridionale latitudinale Furchen, die miteinander abwechseln, zerfällt 
es weiterhin in kleinere Stücke, etwa von der Form, wie es das mehr 
zentralw&rts gelegene und daher schon etwas ftltere Segment («) 




5ft d5 




Digitized by Google 



I>er Furehnnf^roMlfl bU xar Bildung der Keimblaie. 



41 



zeigt In diesem hat sich die Kernspindel in der Richtung des Ei- 
radius eingestellt, m dafs sie bald durch eine tangentiale Teilebeue 

in eine allseitig abgegrenzte obertlachliclie und eine darunter gele-jene 
Hälfte zerfallen wird, was in den mehr zentral gelegenen Zellen- 
reihen (d, e, I) sclum eingetreten ist. Durch Teilebeueu, die sich in 
den drei Richtungen des Raumes bald meridional, bald latitudinal, 
bald tangential voll/iclu ii. sind in den Bezirken fj—h noch kleinere 
Furchungszellen entstanden, welche jetzt in vier Schichten über- 
einander liegen. Dabei 
haben die untersten 
Stücke (von d—ff) immer 
mich , wie die Hand- 
segmeute, ihren Zusam- 
menbang mit dem Dotter 
bewahrt. 

Den l'rozefs. welcher 
dariu besteht, dafs sich 
bei der Teilung von Seg- 
menten, diean der unteren 
FlAche und am Rand ih r 
Keimscheibe liegen, Zei- 
len allmftblieh vom Dotter 
ganz abschnüren und zur 
Ver^inirserun^' dtM- Keim- 
Scheibe au ihrem Kunde 
und in ihrer Dicke bei- 
tragen, bat man als 
Kachfurchung oder 
verspätete Furchuug 
bezeichnet Sie dauert 

eine gewisse Zeit an und ,eg/™S^«SSSSr';S: uS^rJS^ 

hört wahrscheinlich erst Hu^fmanx. Vergr. :i5:l. 2f Bin BtOok dM Om- 

daun auf, wenn der Bil- cytium, starker virgröfsert. 

dungsdotter ganz in Aufsei- den grof>on Merotyten sieht man «wei 
7pllon '/Pilnirt iinrl flip n«*^^'' ^er oicht mit abgebildeten Keiniscbeibe vor- 
ige! lui /eilest unu aie springende Zellen, von denen es strittig ist, ob sie 
(.renze des i.rotoi)lasma- vom Dottersvncytiim. al.L-efnrcht werden oder se- 
aruien Nahrungsdotters kuudar mit ihm verbchmelzen. 

erreicht ist Jetzt kommt 

OS zu einer schftrferen Sonderung zwischen Keimsclicibo und Dotter- 
inaterial. Ferner bleilien l)oi den letzten in tangentialer Hichtuii;; 
erfolgenden Zellabschnüruugeu Kerue in gröfserer Anzahl in der 
Grenzschicht des unter der Keimseheibe ausgebreiteten Nahmngs- 
dotters zurück (Fig. 37 aS). Eingebettet in einen Hof von Proto- 
plasma (Fijz. •iH) sind sie von UrrKF.RT unter dem Namen der Mero- 
cyteu beschrieben worden. — \ ou ii. Vikcuow wird die unter dem 
zelligen Keim ausgebnsitete, mit Kernen versehene, oberfl&chliche 
Schicht des Kahrungsdotters als D ot t e r sy nc y t i u m bezeichnet und 
an ihm der zentrale Teil, weil er sich früher aburen/.t und gewöhnlich 
ärmer an Kernen ist, als zentrales Syncytium vou eiuem kernreicheren, 
an der Peripherie der Keimscheibe ausgebreiteten Rand syn cytium 
(Periblast, Agassiz und Whitman) unterschieden (Fig. 38 A u. B). 

Die im Syncytium eingeschlossenen Kerne vermehren sich noch 
eine Zeitlang durch direkte Teilung; dann erleiden sie im Dotter 




Digitized by G( 



42 



Drittes Kapitel. 



eigentümliche VerAndernngen in ihrer Struktur, erreiehen oft, be* 

sonders in dem Ei der Teleostier fFip. *18 B) eine nicht unbeträchtliche 
Oröise, werden stark gelappt und sclicineii nur noch einer amitotischen 
Vermehrung (Zikulek) fähig zu sein. An der Bildung der Keim- 
blatter, mithin auch an der Bildung des embryonalen Körpers, nehmen 
sie weiter keinen Anteil und haben wohl nur noch bei der Ver- 
arbeitung und Resorption des Dotters (H. Virckow) eine Rolle zu 
spielen. In dieser Weise stellt die Schicht, in welcher die Dotter- 
kerae liegen, das sogenannte Dottersyncytium, ein wichtiges Binde- 
glied zwischen dem g^urcbten Keim und dem ungefurchten Nahrungs- 
dotter her. 

Die oben eingehender beschriebene Nachfurchun^ und das sich 
später im Anschluß an sie ausbildende I)ottersyncytium (Periblast, 
Merocyten) sind Ersclieinungen , die in den meroblastischen Eiern 
durch die Übermächtige Ausbildung des Dottermaterials hervor- 
gerufen sind. 

Wenn wir am SehluHs des Absehnittes einen Vergleich zwischen 

der partiellen und der inäqualen Furchung anstellen , zu deren Be- 
srhreilniTig wir uns der Eier des Hühnchens und des Frosches bedient 
liabeu, so ist es nicht schwer, die erstere von der letzteren abzuleiten 
und eine Ursache für ihre Entstehung aufzufinden. Die Ursache ist 
dieselbe, welche auch die Entstehung der inäqualen aus der äqualen 
Furchung veranlafst hat; es ist die stärkere AnFanimliing von Deuto- 
plasma, die hiermit Hand in Hand gehende Ungleicliniäi'sigkeit in der 
Verteilung der Eisubstanzen und die Veränderung., in der Lage des 
Furchungskerns. Der beim Froschei noch in einem Ülx»rgangsstadium 
befindliche Differenzieriinfisprozefs ist beim Hühnerei (Fig. 0) zu 
Ende geführt. Die dort sclion am animalen Pole reichlicher ange- 
sammelte protoplasmatische Substanz bat sidi hier in noch höherem 
Grade konzentriert und hat sich damit zugleich als eine den Furchungs- 
kern einschliefsende Scheibe von dem Nahrungsdotter abgesetzt. Dieser, 
in ungeheurer Menge am entgegengesetzten i'ole angehäuft, ist 
infolge der Sonderung relativ arm an protoplasmatischer Substanz^ 
welche die LOcken zwischen den groften Dotterkugeln nur spärlich 
ausfüllt. 

Da nun beim Teilungsprozefs die Dewegungserscheinungen vom 
Protojdasma und vom Kern ausgehen, das Deutoplasma sich aber 
passiv verhält, so kann bei den meroblastischen Eiern die 
a k t i V e S u b s t a n z die passive nicht mehr b e w ä 1 1 i p e n und 
mit in Stücke zerlegen. Schon beim Froschei (Fig. u. 
macht sich ein Übergewicht des animalen Poles beim Furchungs- 
prozefs bemerkbar; in seinem Bereich liegt der Kern, treten die 
Strahlenfiguren des Profo]dnsTiin auf, fängt die erste und zweite Tei- 
luDgsebcue sich zu bilden an, während sie am vegetativen Pole zulet/t 
durchschneidet; femer laufen dort während der s])äteren Stadien die 
Teilungsprozesse rascher ab, sodafs ein Gegensatz zwischen kleineren, 
anininlen und grofseren, vegetativen Zellen entsteht (Fig. 32). Beim 
Hülmerei hat das Übergewicht des animalen Poles das Extrem er- 
reicht; die Sonderung in zwei Substanzen, die an dem Entwicklungs- 
prozeis in sehr ungleirheui Mafse beteiligt sind, in Bildungsdotter 
und Nalirungsdotter, ist aufdns schärfste diirebpeftthrt. Die Teilungs- 
furchen beginnen nicht nur am animalen Pole, sondern bleiben auch 
auf den an ihn angrenzenden Bezirk beschränkt (Fig. 34—37). Auf 




Digitized by Google 



Der FurchungsproieA bit «ir Bildnog der KeimblMe. 



43 




der einen Seite erlialten wir so eine Scheibe aus kleinen aniuialen 
Zellen (Fig. 87 n. dSJ), auf der anderen Seite eine mAchtige, ungeteilte 

Dotterniass(\ welche den vegetativen Zellen des Froschcies entspricht. 
Die in der l'eriplierie und unter der Keimscheibe zcr>treuten Dotter- 
kerue (Fig. U7 c/s u. •iSAu.ß) sind den Kernen der vegeta- 
tiven Zellen des 
Froscheies gleich- ^ 
wert i {?. 

Auch bei den mero- 
blastischen Eiern mit Keim- 
scheibe lllfst sich eine Art 
von Keiniblasenstadium 
UDterscheideu (Fig. 
Denn bald treten zwischen 
der untersten La<ze der 
Embrvonalzellen und dem 
zentralen Dottersyucy tium 
kleine, mit gelösten Albu- 
niinaten erfüllte Spalt- 
räume auf, tliefsen unter- 
einander zusammen und 

bilden je nach der Tierart eine bald kleinere, bald grOfsere Keim- 
höhle (7?). Die Blastula hat hier das Eigentümliche, dafs nur ein 
sehr kleiner Teil ihrer Wand, die Keimscheihe, aus Zellen besteht, 
w&hrend der übrige aul'serürdentiich verdickte Teil der Blasenwaod 
Kahrungsdotter ist Jener ist der Decke, dieser dem Boden der 
Froschkeimblase zu vergleichen. 

b) Die partielle, superficiale Teilung. 

Die zweite Unterart der partiellen Furchung wird im Stamm der 
Arthroj»oden hilutig beobachtet; sie tritt namentlich bei Eiern auf. bei 
denen eine zentral gelegene Masse von Nahrungsdutter von einer 
Rindenschieht von Bildungsdotter eingeschlossen ist. Mannigfache 
Variationen sind hier möglich, so wie sich auch ÜbergÄnge zur .l(^ualen 
und in&qualen Furchung finden. Wenn der Verlauf ein recht typiadier 



h'ig. 3.). MedlaaMhiiitt durch ein« K»liil> 
blase von Priatliinu. Nach ROcxbbt. 

B KeimblMenhOhle, dk Dotterkenie, kM Kehn- 
zeUen. 







Fig. 40. 8np«rfloial« Varohans dM Xnaaktsaeleft j|(Pi«rie omtMffiX 

Xarh BomiRTziiT. 

t Tcilunir des FurcLunKskr-rtiH. Ii Ileraufrürken der KeriM nir Bildong 
der Keituliai^t (Blastoderm). C Bildung der KeimhauL 



44 



Drittes K&piteL 



iBt, 80 liegt der Furchungskern, Ton «iner Protoplasmahfllle umgeben, 
in der Mitte des Eies im Nahrungsdotter; hier teilt er sich in zwei 
Tochterkerne. oliiie daT? « ine Teilung der Kizeiie auf dem Fufse folgt 
(Fig. 40). Die Tochterkerue teileu äich wieder in vier, diese in 8, lU, 
32 Kerne und so iveiter, w&hrend das Ei als Ganzes imm^ noch 
ungeteilt bleibt (Fig. 4u A). Später rücken die Kerne auseinander, 
wandern zum gröfsten Toil alliiiillilirii an die Oberflilche emiror und 
dringen in die protoplasmatiscbe Kiudenschicbt ein, wo sie sich in 

Sleichmäfsigen Abstftnden voneinander anordnen. Erst von diesem 
[oment an beginnt die Rindenschicht in so vieleZellen zu 
zerfallen, als Kerne in ihr liegen, während der Tiontrale 
Potter ungeteilt bleibt (Fig. 40 u. C). Letzterer ist dalier 

Slötzlich von einer aus kleinen Zellen gebildeten Blase oder einer 
[eimhaut eingeschlossen. Anstatt eines polständigen (telolecithalen) 
haben wir einen raittelstilndigeii f ' fMitrolr-rMthaleu) Dotter. In diesem 
bleiben, wie bei den meroblasti.^ciieu hieru der Wirbeltiere, einzelne 
Dotterkerne, in Protoplasma eingehtillt (Merocyten), zurück. 

Repetitorium zu Kapitel III. 

1) Die nächste Folge der Befruchtung ist der Teilungs- oder 
i- urciiuugsprozefs, durch welchen das Ei in eine in geometrischer 
Progression wachsende Zahl von Embryonalzellen zerlegt wird. 

2) Die Zerlegung des Eiinhalts in Teilsttkcke erfolgt ])ei den 
einzelnen Tierarten in einer verschiedenen Weise, was von der ur- 
sprünglichen Organisation der Eizelle, besonders von der Aiiorduuug 
und Verteilung des Protoplasma und des Deutoplasraa, abh&ngt 

S) Schema der verschiedenen Arten der Eiteilung: 
I. Totale Teilung. (Holoblastische Eier.) Die meist kleinen 
Eier enthalten eine geringe oder mäfsige Menge von Beservestoffen 
und zerfallen vollst iindig in Tochterzellen. 

Äquale Teilung. Sie findet sich bei Eiern mit geringem und 
gleichmäfsig verteiltem Deutoplasma (alecithal) ; durch den Teilungs- 
pro zefs entstehen im ganzen gleich grofse Teilstttcke (Amphioxus, 
Säugetiere). 

Inftquale Teilung. Sie tritt bei Eiern ein, bei denen Deuto- 
plasma reichlicher entwickelt und nach dem vegetativen Eipole zu 
konzentriert, der Furchungskern aber dem animalen . protoplasma- 
reicheren Pole genähert ist. Meist vom dritten Teilungsakte an werden 
die Segmente von ungleicher GrOÜBe (Gyklostomen, Amphibien). 

n. Partielle Teilung. (Meroblastische Eier.) Die oft selirgrofsen 
Eier enthalten betr t t tliche Mengen von Deutoplasma. Infolge seiner 
ungleichen Verteilung sondert sich der Eiinbalt in einen Bildungs- 
dotter, an dem sich der Teilungsprozefs allein vollzieht, und in eiueu 
Nah) ungsdotter, der ungeteilt bleibt und zum Wachstum der Organe 
aufgebraucht wird. 

Diskoida le Teilung. Sie tritt bei Eiern auf, die polar 
differenziert und dabei in eiueu am vegetativen Pol angesammelten 
(pol ständigen) Kahrungsdotter und in einen den animalen Pol ein- 
nehmenden Bildungsdotter gesondert sind. Der Teilungsprozefs bleibt 
allein auf den Hiltlungsdotter, die Keituf^cheibe, )>eschränkt nnd liefert 
eine Zellenscheibe (belachier, Teleustier, lieptiiieu, Vügel). 



Digitized by Google 



Der Furcbungsprozels bis zur Bildung der KeimbUse. 



45 



Superficiale Teilung. Sie findet sich bei Eiern mit mittel- 
st Andigem NahruDgsdotter. In typischen Fällen teilt sich allein der 
in der Mitte des Eies gelegene Kern zu wie<lerholten Malen. Die so 
eutstebendeu , zahlreichen Tochterkerne rUckeu in die den zentralen 
Nalirungsdotter einhQllende Protoplaamarinde, die darauf in so viele 
Stacke zerfallt, als Kerne in ihr liegen. Es entsteht eine Keimhaut 
(viele Arthropoden). 

4) Kier mit totaler Teilung werden als holoblastische , Eier mit 
partieller Teilung als meroblastische bezeichnet. 

5) Die Richtung und Stellung der ersten Teilungsebenen ist eine 
streng (resetzninfsige, in der Organisation der Zelle b^rflndete; sie 
wini durch folgende drei Momente bestimmt: 

Erstes Moment Die Teiiungsebene halbiert stets rechtwinklig 
die Achse des sich zur Teilung anschickenden Kerns. 

Zweites Moment. Die Lafie der Kernachse während der 
Teilung steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Form und Ditferen- 
zierung des umhüllenden Protoplasma. 

In einer Protoplasmakugel kann die Achse der zentral gelagerten 
Kernspindel in der Rielitung eines jeden Radius liegen, in einem ei- 
förmigen rrotoplasmaköruer dagegen nur in dem längsten Durchmesser. 
In einer kreisrunden Scheibe li^ die Kemachse parallel zur Obei^ 
tiiu lie in einem beliebigen Durclmiesser des Kreises, in einer ovalen 
Scheibe dagegen nur wieder im liliigsten Durchmesser. 

Drittes M u m e u t. Bei inäqual sich furchenden Eiern, die wegen 
Ihres ungleichmftiVig verteilten und polstftndigen Dottermaterials geo- 
zentrisch sind und daher eine bestimmte Gleichgewichtslage einnehmen, 
mn?«(Mi die l)ejden ersten Teilungsehenen vertikale und die dritte 
Teiiungsebene eine horizontale, oberhalb des Äquators der Eikugel 
gelegene sein. 

6) Während des Teilungsprozesses bildet sich zwischen den 
Embrvmtilzellen eine kleine, allmählich gröfser werdende Höhle (die 
Keimiiuiile oder Furchungshöble) aus. 

7) Die aus dem Teilungsprozeß der Eier zunAdist hervorgehenden 
Embryonal formen werden als Morula (Maulbeerkugel) und als Keim- 
blase (Blastula) bezeichnet. 

8) Die Morula geht der Blastula in der Entwicklung voraus, be- 
steht daher aus weniger zahlreichen und gröberen EmbryonalzelleUt 
die noch locker ancinandcrschliefsen , an der 01)erfläche als kleine 
Höcl<er wie di^ Körner einer Maulbeerfrucht, hervortreten und nach 
innen eine kleine Keim- oder Furchungshöble umschliefsen. 

9) Die Blastula enthalt einen grOfseren, durch Ausdehnung der 
Keimhöhle der Morula entstandenen Hohlraum und sc^t sidi aus 
zahlreicheren, sehr klein gewordenen Kndiryonalzellen zusammen, die 
zu einer Epithelmemban mit glatter Oberdäche verbunden sind. 

10) Entsprechend der verschiedenen ursprünglichen Organisation 
der Eier, des dadurch bedingten verschiedenen Verlaufs des Teilungs- 
prozesses (siehe Schema), bietet aucli (\:\'< Stadium der Morula und 
Blastula bei den einzelnen Eiarten charakteristische Modiiikationen dar. 



Digitized by Google 



Viertes Kapitel. 



Eutwicklungsphysiologisclie Tiieorieii und 

Experimente. 

1. IM« Idioplatmathemrie. 

An die in den ersten drei Kapiteln mitgeteilten Ergebnisse aus« 
gedehnter uod mühsamer Beohachtungen lassen sieh Betraehtungen und 

Experimente anreihen, durch welche man auf den vtt'BCfaiedensten 
Wegen in das Geheimnis der freschlechtlichen Zeugung und Ent- 
wicklung noch tiefer einzudringen versucht hat. 

Durch die Erkenntnis, dafs Ei und Samenfaden einfache Zellen 
der Tierarten f^ind, in deren Qeachlechtsorganen sie erzeugt werden, 
ist zwar die rrafoiiiiatioustheorie in ihrer alten Fassuiifr Piid^,'ültig 
beseitigt, nicht aber die wissenschaftliche Frage, deren Lösung sie 
geben sollte, selbst erklärt worden. Denn wenn auch das £i nieht 
der sfAtere Organismus en miniature ist, wie es die Präformistcn 
lehrten, so mufs es doch die wesentlielien I^rsncheii für seine Ent- 
stehung oder, wie mau sich gewöhnlich ausdrückt, die Anlagen für die 
Henrorbringung einer gans bestimmten Organismenart besitzen. Mit 
Ewingender Naturnotwendigkeit geht aus jeder Art von Eizelle immer 
nur ein Orjjanismns (Wr ^^leichen Art liervor. In dem Stoff der Kizelle 
Übertragt oder verer))t der Mutterorgauismus seine Eigenschalten 
dem Kind. Das gleiche gilt aber aueh von der Substanz des Samen- 
fadens. Denn das Kind erbt, ebenso wie von der Mutter, auch in- 
dividuelle, spe7if^^' )ie Ki^-onscliaften vom Vater. Am deutlichstni tritt 
dies bei der liasiardzeugung hervor, bei der Verbindung der Ge- 
sehlechtsprodukte von Individuen, die wegen Unterschieden in ihrer 
Oi^anisation vom Systematiker zu verschiedenen Varietiiten und Rassen 
einer Art oder m versolii« i 'nen Arten und Gattungen jrerechnet 
werden. Wenn ein Bastardpruclukt neben den Eigenschatten der Tier- 
art, welcher das Ei angehört, auch die diesem ganz fremden Eigen- 
schaften der zweiten Tierart, die als ^riiniichen bei der Zeugung 
mitgewirl<t liat. oft in sf'ltsnmer Konibinatioii zrvjt und liäufi;,' sogar 
die letzteren uocii scbärler als die ersteren hervortreten liti'st, so kann 
die Übertragung oder die Vererbung nur durch die so unendlich 
kleine Stoffmasse des Samenfadens geschehen sein. Ei- und Samen- 
zelle repräsentieren also in gleicher Weise die Anlagen für ein neues 
Individuum, welches zwischen seinen beiden Erzeugern in seinen 
Eigenschaften die Mitte hält, also ein Mischprodukt von beiden ist. 



Digltized by Google 



£iitwicklaiig8pliyaioloc(isGlie Theorien und Experimente. 



47 



Andere Überlegungen ergeben, dafs die Aulagesubstanz etwas 
anftorordentlicbKompHzici tcs seinmufo. So viele Millionen Terscbieden 

gestalteter Pflanzen- und Tierarten unsere Krde bevölkern, so viele 
Arten von Keimzellen gibt es. deren jede von der anderen in dem 
Ctiarakter ihrer Anlagesubstanz etwas verschieden sein mufs, da jede 
den Grund für die besonderen Eigenschaften ihrer Spezies in sich ein- 
schlieisen nnifs. auch wenn wir von diesen Dingen niclits wahrnehmen 
können. Ferner erwj\<:e man, um sich einen Be»rritt von den wunder- 
baren Eigenschalten der Anlageaubstanz zu machen, wie ein Säuge- 
tier in vielen 100000 Merkmalen von einem Vogel oder einer Eidechse 
verschieden ist; man erwi\ge. dafs auch innerhalb einer Tierart die 
einzelnen Individuen wieder durcli gcrin^'ttlgigere T'^ntersehiede von- 
einander abweichen , und dals alle diese gröfseren und geringeren 
zahllosen Merkmale, durch welche sich Individuen unterscheiden, 
durch die Keimzellen auf die nachfolgenden Geschlechter vererbt 
werden ! 

Durch solche (^berleguugeu werden wir zu der Annahme ge- 
drängt, dais jede Keimzelle ein hohes Mafo von Organisation besitzen 
mufs. welche für jede Orfzanismcnart eine verschiedene ist, ferner zu 
der Annr^hine. «lafs diese ( )rgamsation auf molekularem oder, um mit 
K.iG£u ZU reden, auf niizellarem Gebiete, daher jenseits der (i reuzen 
des fQr uns zur Zeit Wahrnehmbaren, liegen mufs; denn auch mit 
den stärksten Vergröfserunpen sind wir gepenwilrti;:; aufserstande, 
in ilen Anlai/esuhstanzen Verschiedenheiten aufzuhnden, welche uns 
als Erklarunji>gi und für die sich später entwickelnden Artunterschiede 
dienen könnten. 

Zu der Annahme, dafs beiderlei Geschlechtszellen in 
gleicher Weise durch eine hoch organisierte Anlage- 
^» übst au z die Eigenschaften beider Eltern auf das neu sich bildende 
Oesehöpf vererben, scheint die Tatsache in einem gewissen Wider- 
spruch zu stehen, dafs Eier und Sanienfliden an rJrnfse und Gewicht 
80 ungeheuer voneinander ahweiclieu und so ungleiche Ik'iträ^'e zur 
Substanzmassc liefern, aus der sich das kindliche Geschöpf entwickelt. 
8o betrftgt nach einer Sebfttzung von THum das Ei von Fucns an 
Masse so viel, wie 30—60000 Samenfilden derselben Art. Zwischen 
tierischen Geschlechtsprodukten aber sind die Unterschiede gewöhn- 
lich tausend- und millioneumal gröi'sere, z. B. zwischen dem Volum 
und Gewicht eines Eidotters vom Hnhn und des dazu gehörigen 
Samenelements. Die Wirkung der vom Vater gelieferten minimalen 
Suhstanzmenf^e mt^fste sich — so sollte man meinen -- gegenüber der 
Wirkung, die vun der uneudlichmal grölseren Stoffmasse des Eies 
ausgeht, gar keine Geltung verschaffen kOnnen. 

Der hier liegende Widerspruch verlangt eine nähere Erklihunp:; 
sie ergibt sich aus der Annahme, dafs die beiderlei Geschlechts- 
produkte aus Substanzen bestehen, die für die Vererbung elterlicher 
Eigenschaften von sehr ungleichem Wert sind, ans einer Substanz, 
welche Träger der erblichen Eigenschaften und in Ei- und Samenzelle 
in etwa äquivalenten Mengen vorhanden ist. und aus einer zweiten 
Substanz, welche für die Vererbung von Eigenschaften entweder von 
nur geringer oder gar keiner Bedeutung ist, und welche im Samen« 
faden fast ganz fehlt, dagegen im Ei in ungeheurer Menge angehäuft 
den oben hervorgehobenen Gröfsenunterschied bedingt. Die erstere 
bat ^'IGEU als Idioplasma, die letztere als Ernähruugs- 



Digitized by Goggle 



48 



Viertes Kapitel. 



plasma bezdelmet, olme indeflsen nfther anzugeben, in welchen Be- 
standteilen Ton £i> und Samenzellen wir sie m audien haben. 

Der ans theoretischen Erwitgungen entsprungenen, hei Na«.eli in 
der Luft schwebenden Hypothese läi'st sich indessen eine auf Tat- 
flachen beruhendd, festa jmsis verleihen (Oscar Hkrtwig, E. Stbas- 
bubgeb). Es gibt in der Tat in der reifen Ei- und Samenzelle eine 

minimale Menge von Substanz , welche den von der Hypntlievf ge- 
forderten Bedingungen entspricht und zugleich die wichtigste und 
aufiftlligste Rolle beim Befnichtungsprozefs spielt. Sie ist in den sich 
znm Keimkern verbindenden Kernen von Ei- und Samenzelle enthalten, 
Kernen, die etwa von gleichem Volum und Gewiclit siihI, Ix^sondei-s 
aber in ihrem Chromatin. Denn die früher (S. 29) mitgetejlten Be- 
obachtungen an Ascaris megalocephala (Van Benedkn) haben klar 
gelehrt, dafs sowohl der Samenkem als der Eikern aus zwei Kern- 
Segmenten (ChromosnnifMi) besteht, und dafs jeder von ihnen somit 
zum Aufbau des Keimkenis mit genau äquivalenten Stofiiuengen, der 
eine mit zwei männlichen, der andere mit zwei weiblichen Kern- 
Segmenten, beiträgt. 

Dafs die J^ellkcrne das Idioplasma oder — wie wir mit einem 
deutschen Namen auch sagen können — die Anlagesubstanz 
oder die Erbmasse bergen, dafür sprechen aufserdem noch zwei 
andere sehr wichtige Beobachtungen. Wie schon früher mitgeteilt, 
spalten sieli die zwei männlichen und die zwei weiM: l en Chromosomen 
des Keinikerns der Länge nach in zwei Tochtersegmeute , die nach 
den beiden Polen der Kernspindel auseinanderweichen und, wenn das 
Ki sich in zwei Tochterzellen teilt, die Grundlage für ihre Kerne 
))ilden. Den beiden ersten Teil])rodukten des Eies wird 
daher durch den komplizierten Proze Ts der Kary o k inese 
genau die gleiche Menge Chromatin vom Eikern wie 
vom Samen kern zugeftthrt. Es läfst sich annehmen, dafli • 
durch die weitereu Kernteilungen die vütf rliche und die mütterliche 
Erbmasse, welche sich durch Waclistum vermehrt, auch si)äter auf 
die nacheinander entstelieutieu Zellgenerationen in äquivalenten 
Mengen verteilt werden. Die zweite^ Beobachtung betrifft die so 
eigentümlichen Reifungsvorgänge der Ei- und Samenzelle, durch 
welche, wie wir uns früher nusdrtickten. eine Reduktion der Chro- 
matinmasse auf die IliUftc eines Normalkerns herbeigeführt wird. 
Wir sahen hierin eine Vorbereitung für den Befruch- 
tungspro zefs, duieli welchen verhindert werden soll, 
dafs nicht hei jeder neuen Zeugung eine fortgesetzte 
Summicru]ig zweier Erbmassen stattfindet. „Wenn bei 
joder Fortpflanzung durch Befruchtung", bemerkt NiOELi. „das Vo- 
lumen des irgendwie litschaffeneu Idioplasma sich verdoppelte, so 
wOnfen nach nicht sehr zahlreichen Generationen die Idioplasnia- 
korper so sehr anwachsen, dafs sie selbst eiuzeln nicht mehr in einem 
Spermatozoon Platz fänden." 

In d i e s e r We i s e erhalten e i u e R e i h e sehr a u f f a 11 i g e r 
Tatsachen, welche heim Studium des Zeugunt.'spro- 
zesses gewonnen worden sind, durch die Hypothese, 
dafs die Erbmasse in den Kernen der Geschlechtszellen 
eingeschlossen sei, ihre einheitliche Krklflrung. 

Wenn Ei- und Samenzellen äquivalente Menden von Idioplasma 
besitzen, so muls die gewaltige Gröfse der erstereu auf einer Au- 



Digitized by Google 



Entwteklmigsiibyftiologitdie Tlieori«ii und Experiment«. 49 



Sammlung nicht idioplasmatisL'her Suhstaüzeii luTuhea. Dafs zu 
diesen in erster lleihe die im Ei aufgespeiclierteu Ileservestoffe ge- 
hören, die später als Ndhrmaterialien allmfthlieh aufgebraucht werden, 
dflrfte wohl von keiner Seite anjzeforhtrn werden. 

Indessen lälst sich noch die Frage aufwerfen, wie es kommt, dafs 
sich zwischen (ieu im Refruchtuugsakt zuhauimeutreteuden zwei Zellen 
so auffilllige Unterschiede in ihrer Gröfse und Form ausgehildet 
haben V Hier dürfte folgendes zur Orientierung dienen. Bei der 
Bildung eines entwicklungsfähigen Keimes, der durch Vereinigung 
zweier Zellen entsteht, kommen zwei iMomente iu Betracht, die mit- 
einander konkurrieren und in einem Gegensatz zueinander stehen. 
Erstens müssen die Zellen, deftn Erbmassen sich zu einer gemiscliten 
Anlagpsubstanz vereinigen, selber in der Lage sein, sich aufzusuchen 
und zu verbiüden. Zweitens aber i&t es auch von Wichtigkeit, dafs, 
wenn sieh der Entwicklungsprozers eines Organismus in einem kurx 
bemessenen Zeitraum abspielen soll, gleich von Anfang an viel ent- 
wicklungsfähige Substanz vorlianden ist und nicht erst auf dem zeit- 
raubenden Umweg der Ltualu uug von den sich bildenden und differon- 
sierenden Embryonalzellen selbst herbeigeschaflt zu werden hrauebt 
Um dem ersten Zweck zu genügen. mCisH'n die Geschlechtszellen be- 
weglich und daher aktiv sein; für deTi zweiten Zweck dagegen müssen 
sie entwicklungsfähig© Sui)staiiz ansammeln, sie müssen daher an 
GrOfse zunehmen, was naturgemftrs eine Beeintrftehtigung ihrer Be- 
weglichkeit zur Folge hat. Die Natur hat beide Zwecke erreicht, 
indem sie Eigenschaften, die in einem Körper unvereinbar, weil 
gegensätzlich zueinander sind, nach dem Trinzip der Arbeitsteilung 
auf die beiden aum IBtefruchtungsakt sich verbindenden Zellen verteilt 
hat. Sie hat die eine Zelle beweglich, aktiv, befruchtend, d. h. männ- 
lich, die andere Zelle dagegen passiv und enipfangeivl, d. h. weiblich 
gemacht. Die weibliche Zelle hat die Aufgabe übernuamien, ft\r die 
Substanzen zu sor^^en, welehe zur Erafthrung und Vermehrung des 
Zellprotoplasma bei einem raschen Ablauf der Entwicklungsprozesse 
erforderlich sind. Sie hat daher im Eierstock Dottermaterial, Reserve- 
stoffe für die Zukunft, in sich aufgespeichert und ist dementsprechend 
grof^ und unbeweglich geworden. Da nun aber zum Zustandekommen 
eines Entwicklungsprozesses noch die Vereinigung mit einer zweiten 
Zelle eines anderen Individuums erforderlich ist, ruhende Kftrper 
sich aber nicht vereinigen ki^unen, so hat sich zur Losung dieser 
zweiten Aufgabe der milnnliche Elementarteil entsprechend verftndert 
Er bat sich zum Zweck der Fortbewegung und um die Vereinigung 
mit der ruhenden Eizelle ermöglichen, in einen kontraktilen Faden 
umgebildet und, je voUkouimener er seiner Aufga)>e augepafst ist, 
um so mehr aller Substanzen voUstftndig entledigt, welche, wie z. B. 
das Dottermaterial oder selbst das Protoplasma, diesem Hauptzweck 
hinderlich sind. Dabei hat er zugleich auch eine Form angenommen, 
weiche für den Durchtritt durch die Hüllen, mit welchen sich das 
Ei zum Schutz umgibt, und fQr das Einbohren in den Dotter die 
zweck niäfsigste ist. 

Für die Richtigkeit unserer Auffassung sprechen vor allen Dingen 
die Verhältnisse im Pflanzenreiche. Man tindet niederste PHanzen, 
bei denen die beiden kopulierenden Geschlechtszellen ganz gleich- 
artig, nämlich klein und l>eweglich, sind, und andere verwandte Arten, 
bei welchen sich eine allmählich erfolgende Differenzierung in der 

O. Hartwig, Die Element« der EntwicklungsUhn. i, Aull. 4 



Digitized by 



50 



Viertes Kapitel. 



Weise beobachten Iftfet, dafs die eine Zelle grOfser, dotterreicher und 

unbeweglich, die andere dagegen kleiner und beweglicher wird. Hier- 
mit hängt dann in selbstverständlicher Weise zusammen, dafs jetzt das 
ruhende Ei von der scbwärmendeu Zelle aufgesucht werden mufs. Von 
den so gesclilechtltch differenxierten Zellelementen IcOnnen wir die 
Ausdrücke „männlich und weiblich** auf die in ihnen enthaltenen 
Kerne tibertragen, auch wenn sie an Masse ihrer Substanz eiii;ui'1pr 
äquivalent sind. Kur dürfen wir unter der Bezeichnung inäuuiicüer 
und weiblicher Kern nichts anderes verstellen als einen Kern, der 
von einer n&nnlichen oder von einer weibliehen Zelle abstammt. 

2. tieselüeclitliclie Zeiisii]ig''iiiid Parthenogenefle. 

Dafs die geschlechtliche Zeugung bei der Erlialtuug des organi- 
sehen Lebens eine sehr grofse Rolle spielt, läfst sich schon aus ihrer 
auf&erordentlich weiten Verbreitung im ganzen Organibmenreicb 
sebliersen. Denn selbst im Lebenscyklns niederster einzelliger Orga- 
nismen, bei Infusorien, Rhizopoden,Greganiien. Coccidien, bei niedersten 
Algen und I^ilzen wird s'w flnroh gründliche üntersuchunjren immer 
Mutiger nachgewiesen. Worin indessen ihre wesentliche ikdeutung 
besteht, welche Vorteile sie vor der nngesehlechtlichmi Zeugung dar- 
bietet, bleibt nach wie vor in tiefes Dunkel gehttllt Ans gewissen 
Erscheinungen der Inzucht und der Bastardhefruchtung, verglichen 
mit der Normalbefruchtung, scheint hervorzugehen, dafs das Zeuguugs- 
produkt am besten gedeiht, wenn die zeugenden Individuen und in- 
folgedessen auch ihre Geschleehtssellen unbedeutend in ihrer KonsU- 
tntion oder Organisation voneinander verschieden sind. Mit Darwin 
konute man dann den Nutzen der Befruchtung in der «Vermischung 
der unbedeutend verschiedenen physiologischen Elemente unbedeutend 
verschiedener Individuen** erblicken oder mit Spencer den «Haupt- 
zweck der geschlechtlichen Zeugung: darin suchen, eine neue Ent- 
wicklung durch Zerstörung des annähernden Gleichgewichts herbei- 
zufahren, auf welchem die Molekflle der elterlichen Organismen an> 
gekommen sind". Doch solche Erklärungen sind so unbwtimmter und 
allgemeiner Art. da Ts sie keine besondere Befriedigung gewähren. 

Ebenso müssen wir die Antwort auf eine Frage schuldig bleii;eu, 
warum in manchen TierBtammen die geschlechtliche Zeugung für die 
Erhaltung des Lebens zu einer absoluten Notwendigkeit geworden 
ist. wahrend in anderen wieder geschlechtliche und iH)<i(»sf')i]f'rhrlirhe 
Zeugungsweise nebeneinander oder miteinander altennereud auftreten 
und in manchen Fallen sogar ungeschlechtliche Zeugung allein aus- 
reicht. Besonders r.^t.selhaft aber ist das Vorkommen dar Jungfern- 
zeugung oder Parthenogenese im Stamm so hochorganisierter 
Tiere wie der Arthropoden. Unter Parthenogenese versteht man die 
Erscheinung, da(^ Eizellen, auch ohne befruchtet worden zu sein, 
sich zu neuen Geschöpfen zu entwickeln imstande sind, wie es bei 
Aphiden. hei Bienen, hei niiuiclien Krebsarten etc. beobachtet worden 
ist. Von groiscm Interesse ist ein Unterschied, welcher sich zwischen 
parthenogenetischen und befruchtungsbedürftigen Eiern wahrnehmen 
läfst, wenn auch durch ihn nicht erklärt wird, wodurch in manchen 
Tierahteilnngen die Eier die Fähigkeit zu parthcnogenetischcr Ktit- 
wicklung erworben habeu und auf welcher Organisation sie beruht. 
Gewöhnlieh uAmlich wird bei ihnen nur eine Polzelle gebildet. Die 



Digitized by Google 



Entwickluagvikhjrsiologiiche Theorien and Experinenle. 



51 



Bildung der zweiten Polzelle, durch welche bei befruehtungsbedttrftigeo 
Eiern die Reduktion der Anlagesubstanz auf die Hfttfte bewirkt «ürd« 

unterbleibt. Bei der rartlieiiogenese hat ja eine Reduktion, die eine 
nachfolgende Befruchtung gewissermafsen voraussetzt, keinen Zweck 
mehr, und sie unterbleibt, weil das Ki nach seiner Organisation oder 
nach der Besebaffenheit seiner Anlagesubstanz niefat mehr befmehtungs- 
bedürftig ist. 

Als nicht spruchreif ist endlich noch die Frage nach den T^rsachen 
zu bezeichnen, durch welche bei den getrennt geschlechtlichen Tieren 
die Anlagesubstanz bestinmit wird, hier zur weiblichen, dort zur 
männlichen Form zu werden. Bei vielen Arten geschieht dies nach 
einem nur in sehr engen Grenzen schwankenden ZahlenverliUltnis, 
beim Menschen z. B. in der Weise, dafs nach statistischen Berech- 
nungen auf 100 Mädchen 106,3 Knaben geboren werden. Viele haltlose 
Hypothesen sind bis in jtlngste Zeit auf diesem Gebiete, zumal in 
bezug auf den Menschen, aufgestellt worden. 

Beobachtungen und Experimente iiticr die Beziehungen 
der Anlagesubstanz zur Orgauisatioii des ausgebildeten 

OeNchopfeM. 

Wenn die Prftforniationstheorie in ihrer alten Fassung auch als 
beseitigt anzusehen ist, so hat es doch zu keiner Zeit an Versuchen 
gefehlt, festzustellen, ob es möglich sei, gesetzmäfsige Beziehungen 
zwischiMi der Organisation des Heinums am Anfang der Entwicklung 
und der Organisation des ausgebildeten Geschöpfes ausfindig zu 
machen. Dafs nmu bei solchen Bestrebungen sein Augenmerk fast 
ausschtiefklich der Eizelle zuwandte, läfst sich insofern begreifen, weil 
diese vorwiegend das Baumaterial für den enihnonalen Körper liefert, 
mufs aber, vou einem höheren Erkenntnisstaudpunkt aus, schon von 
vornherein zum mindesten als ein einseitiger Versuch bezeichnet 
werden; denn wie in der Eizelle ist aueh im Samenfaden die Anlage- 
Substanz (Idioi)lasnia) enthalten, so dafs dieselben Fragen, wie an die 
Eizelle, auch an den Samenfaden zu richten wAren. Drei verschiedene 
Theorien sind in den letzten drei Jahrzehnten Uber die Beziehungen 
der Anlagesubstanz zur Organisation des ausgebildeten Geschöpfes 
aufgestellt worden: 1) die .Tlieorie der organbildenden Keimbezirke, 
2) die Mosaik- und Keimplasmatheorie und 3) die Theorie der 
Biogenesis. 

a) Die Theorie der organbüdenden Keimbeslrke. 

Schon nielireren Beobachtern ist e/6 aufgefallen, dafs die ersten 
Teilehencn., durch weldip das Ei in zwei, vier und acht Zellen zer- 
fällt, bei einzelneu Tierarten mehr oder minder genau mit den drei 
Hftuptebenen Qbereinstimmen , welche man durch den Körper der 
bilateralsymmetrischen Tiere hindurchlegt (Nematoden-, Ascidien-, 
Amphibieneier). In manchen Fullen stimmt die ei-ste. in .Mi h ri-n 
Fällen wieder die zweite Teilebene mit der Medianebene des werdenden 
Embryo annähernd ikberdn. Bei manchen Tierarten ist es sogar 
mdglieh, noch vor der ersten Teilung dem Ei anzusehen, 
wie spute r der F, nihryn in ihm orientiert sein wird. So 
wird die Längsachse von ovalen oder längsgestreckteu Eiern auch 

4* 



Digitized by 



52 



Yieites KapiteL 



Biets zur Läugi>ac)iHe des Embryo, und zuweilen läfst sich bei ihnen 
auB kleineren Unterschieden in der Suhstanzverteilnng, in der Pigmen> 

tieruDg und aus andereu Merkmalen bestiDinu n. an welclie Seite der 
Längsachse das Kopf- und das Schwanzende zu liegen konimen werden, 
und femer, welche Flächen des Eies sich zur embryonalen RUcken- 
uiid Bauchfl&ehe gestalten werden. 

Für das Hühnerei kann man sop;ar, ohne die Kalkschale zu 
öffnen, narh einer aus vielen Erfahrungen gezogenen Eegel mit 
grofser Wahrscheinlichkeit angeben, was für eine Lage der sich ent- 
wickelnde Embryo einnehmen wird. Wenn man ein Ei so vor sieh 
hinlegt, dafs der stuni)ife Pol nach links, der spitze nach rechts sieht, 
80 zerlegt eine die beiden Eipole verbindende Linie die Keimscheibe 
in eine dem Beobachter zugekehrte Hälfte, welche zum hinteren Ende 
des Embryo wird, nnd in eine vordere, nun Kopfende sich ent- 
wickelnde Hälfte. Schon während des Furchungsprozesses zeigen 
beide Hälften unterscheidende Merkmale. Denn vorn verläuft die 
Furchung an der Keimscheibe etwas langsamer als hinten. Dort findet 
man daher gröfsere, hier kleinere und zahlreichere Embryonalzellen. 

Aus derartigen Wahrnehmungen und an sie geknüpften Betracht 
tungen ist die Auffassung ents])rungen, dafs „es auf dem Wege rück- 
läutiger Verfolgung gelingen müsse, am befruchteten oder seihst am 
unbefmchteten Ei, also in einer Periode maogelnder, morphologischer 
Gliederung, den Ort für die Anlage eines jeden Organs räumlieh zu 
bestimmen", dafs es organbildeude Keimbezirke gehen mt^sse. 

Es läfst sich indessen leicht zeigen, dafs die Erscheinungen, 
welche zum Prinzip der organbildenden Keimbezirke die Veranlassung 
gegeben haben, sich in anderer Weise erklären lassen. 

Wie sehon auf S. Ti ii. dargelegt wurde, setzt sich die reife 
Eizelle, besonders wenn sie eine beträchtliche Gröfse erreicht, aus 
verschiedenartigen Substanzen von ungleichem spezifischen Gewicht 
und von sehr verschiedenem Wert für die Lebensprozesse, aus Proto- 
plasma und aus Dottereinschlüssen, zusammen. Srlinn während ihres 
Wachstums im Eierstock, hauptsächlich aber während der letzten 
Stadien der Reife und der Befruchtung werden die verschiedenen 
Substanzen ihrer Schwere nach im Eiraume ungleich verteilt Die 
Eizellen erhalten dadurch eine für die einzelnen Tierklassen eigen- 
tümliche Organisation, die mau als polare Diflereuzierung bezeichnet 
hat. Da infolgedessen ihr Schwerpunkt exzentrisch zu liegen kommt, 
müssen die Eier, sofern nicht andere Momente der Schwerkraft eot» 
gegeuwirken, eine feste Ruhelage im Räume einzunehmen suchen, 
derart, dafs sie ihre aus leichterer Substanz bestehende Fläche (die 
animale Polseite) nach oben, die entgegengesetzte, schwerere (vege- 
tative) Flache nach unten richten. 

Aufser dieser polaren Differenziening bildet sich bei manchen 
Eizellen zugleich noch eine bilateral-symmetrische Organisation aus, 
indem die Substanzen von ungleicher Schwere und verschiedenem 
physiologischen Wert sich zu beiden Seiten einer Symmetrieebene 
gleichmfU'sig verteilen. Da die Symmetrieebene sich stets der Schwere 
nach senkrecht einstellen wird, kommt ihr auch noch die Bedeutung 
einer Gleicbgewichtsebene zu. Alles das sind Eigenschaften, wie sie 
ebensogut an jeder anderen Zelle, die sich mit NAhrmaterialien reich 
versorgt, eintreten können. 

Die in der Form des Eies und in der Differenzierung 



Digitized by Google 



Entwicklaagspliysiolofitche Theorien and Expevimente. 53 



seines Inhalti) j^egebenen V'e rh äl t u is se Ubeu nun auf 
eine ganze Reihe von Entwicklungsprozessen, am meistea 
aber auf die ersten SfaditMi. einen scnr eingreifenden, ge- 
wiss er ma fsen ric Ilten den Einfluls aus. 

Krstens bestimmen sie die mit einem hohen Grad von Gesetz- 
miilsi^'keit auftretenden Richtungen der ersten Teilebenen der Eiselle. 
So Itildet sich z. B. in einem ovalen Ei die erste Ti ilebene nach 
Kegeln, die auf S. entwickelt wurden, fast ausnahmslos senkrecht 
und rechtwinklig zur Liingsachse aus und entspricht so einer Quer- 
ebene des spfttoren embryonalen Körpers; die zweite Teilebene aber, 
weicht' die erste wieder reehwiiiklig schneiden innfs, filllt mit der 
Medianeheiie annähernd zusammen. Bei einer kugelij?en. aber 
bilateral - symmetrisch organisierten Eizelle wird bei der Teilung die 
Kemspindel gewöhnlieh so eingestellt, dafö die erste Teilebene mit 
der Symmetrieebene zusamnienfilllt. 

In ähnlicher Weise ist zweitens die Form der Eizelle und 
die verschiedenartige Differenzierung ihres Inhaltes 
auch bestimmend fOr besondere Merkmale späterer Embryonalstadien: 
der Keiinblase rfr. Denn während des Furchungsprozesses sind die 
einzigen StolTteilchen, welche eine Zunahme und zugleich eine Ver- 
lagerung im Kiraum erfahren, die Kernsubstanzen. Sie ändern die 
Lage, well nach jeder Teilung die Toehterkeme in entgegengesetzter 
Richtung auseiiinnderrttcken, als ob sie sich wie die gleichnaniip:en 
Pole zweier "Magnete gegenseitig abstielsen. Hiervon abgesehen, wird 
durch die Zerlegung der grol'sen Eizelle in immer kleiner werdende 
Tocbterzellen die von vornherein gegebene r&umliche Verteilung der 
Stoffteile von verschiedener Schwere und von verschiedenem Wert im 
ganzen wenig geändert I^nher sind die nach unten gelaf^erten Zellen 
auch auf späteren Eutwickiungsstadien reicher an Dottermaterial, 
die nach oben gelegenen dagegen reicher an Protoplasma. Damit 
hangt gleichzeitig noch ein linterschied in ihrer Gröfse zusammen, da 
protoplasmareiche Zellen sich rascher teilen als protoplasmaärmere; 
infolgedessen mttssen sich verschiedene Bezirke ungleich grol'ser und 
mit verschiedener Geschwindigkeit sich vennehrender Zellen ausbilden. 

Wenn nun durch die ersten Entwicklungsprozesse weder die 
Form des Eies nocli nuh durch die Zerlegung in immer zahlreichere 
Zellen die ursprUugiicii gegebene, ungleiche Verteilung ihrer ver- 
schiedenen Substanzen verftndert wird, so mu(^ das ungefurchte Ri 
und die aus ihr hervorgehende Keimblase in beiden Beziehungen 
Übereinstimmungen aufweisen. Ein ovales Ei liefert eine ovale Kcim- 
blase, ein kugelig polar differenziertes und eventuell bilateral-synmte- 
trisches Ei seht in eine Keimblase mit denselben Eigenschaften aber. 
Un gefurchtes Ei undKeirablase müssen daher annähernd 
auch dieselbe Symmetrie- und Gleichgewichtsebene 
besitzen, da es für dieses Verhältnis gleichgQltig ist, ob die durch 
ihre Schwere unterschiedenen Substanzen den Raum einer einzigen 
grofsen Zelle erfüllen oder auf den Inhalt vieler Zellen verteilt sind. 
Die Form der Keimblase und die ihr vom Ei überkommene, ungleiche 
Massen Verteilung ihrer Substanzen muls naturgemäfs auch wieder 
auf die nftchstanschlieftenden Entwicklungsstadien von Einflufb sein, 
so dafs es nicht wundernehmen kann, wenn auch diese sich in 
ein^ ni gewissen Grade gemäfs der ersten Organisation der Eizelle im 
Eiraum orientiert zeigen. 



Digitizediby Google 



54 



Vieziet Kapitel. 



In diesem Sinne läfst sich das eben befruchtete £i ge- 
wissermarBen als eine Form bezeiehneiL, weleher sieh der 

■wer de 11 de Embryo, liesonders auf den Anfangsstadien 
der Entwicklung, in vielfacher Beziehung n ti ]i a s s e n 
UiuTs. Hierdurch erklären sich aui die cmfacliste und naturgemärseste 
Wcdse die ErseheinuDgen, welche zu der Aufstellung des Prinzips der 
organhildenden Keiniliezirke die Veranlassung gegeben ha1)en. Sie 
lassen sich somit nicht mehr als Beweis für die Anschauung ver- 
werten, dafs schon im ungeteilten £i die Organisation des Embryo 
in „organbildenden Keimbesirken* angelegt m. Übrigens Iftfot sich 
die Richtigkeit dieses Standpunktes nodi auf manchen anderen Wegen 
erweisen. Man kann mit fein zugeschärfter Nadel die befruchtete 
Eizelle mancher Tiere anstechen, so dafs ein Teil ihres Inhaltes aus- 
lauft; man kann bei grorsen Eiern (Frosch, Axolotl) auch den Inhalt 
(lurcheinanderrfiliren ; es entwickelt sicli doch in vielen Fällen ein 
normaler Embryo; was nicht mc^giich wäre, wenn das Ei in organ* 
bildende Bezirke ditierenziert würe. 

Aus alledem ergibt sieh die Gültigkeit des Lehrsatzes: Des un- 
entwickelte Ei hat keine andere Organisation als die 
einer Zelle; es ist von der Organisation des aus ihm 
entstehenden vielzelligen Tierkörpers ebenso verschie- 
den, wie jede andere Zelle des fertigen Tieres. Zellen» 
Organisation und Organisation des vielzelligen Tieres 
sind keine vergleichbaren Bildungen. 



Während das „Prinzip der orcanbildenden Keimbezirke" die An- 
lagen in dem Frotoplasmakörper der i*^izelle räumlich verteilt, geht 
die Mosaik- und Keimplasmatheorie von der auf S. 48 erörterten 
Annahme aus, dafs die Kerne der Ei- und Samenzelle die Träger der 
Anlagesuhstanz seien, und dafs diese im Laufe des Entwicklungs- 
prozesses qualitativ ungleich auf die späteren Zellen verteilt 
werde und bierdureh ibreVerscbiedenheiten hervorrufe. DieAuseinander- 
legung des Idioplasma in ungleicbwertige Anlagekomplexe soll schon 
mit den ersten Teilungen der Eizelle ihren Anfang nehmen, Dem- 
gemäfs wird die Übereinstimmung, welche die drei ersten Furchungs- 
ebenen mancher Eier und die drei Hauptebenen des Körpers der 
bilateral - symmetrischen Tiere in ihrer Richtung mehr oder minder 
zeigen, dahin interpr»>titTt. dafs durch die ersten Kernteilungen sowohl 
die verschiedenen liiUiuugsmaterialien, als auch die diflerenzierendeu 
und gestaltenden Krftfte für die einzelnen KOrperregionen vonein- 
ander gesondert worden seien. Wenn man nach der ersten oder 
zweiten Teilung eine Zelle zerstört, so können nach der Mosaik- 
theorie die tLbrig bleibenden sich nur zu einem bestimmten ^tUck 
des Embryo entwickeln, da sie nur mit Stoff und Kraft zur Er- 
zeugung eines Teilstttcks infolge qualitativ ungleicher Kern- 
teilung ausgestattet und so von vornherein nur für eine ganz be- 
stimmte Aufgabe im Entwicklungsplan spezifiziert sind. Bei Zerstörung 
einer der beiden ersten Furchunp kugeln mufe aus dem Oberlebenden 
Rest eine linke oder rechte Körperh&lfte (Hemiembryo lateralis), 
bei Zerstönm? der zwei vorderen oder der zwei hinteren Teilstücke 
des Vierzelleusladiums mufs sich eine Schwanzhälfte oder eine Kopf- 



b) Die Mosaiictheorie. 




Digitized by Google 



Entvicklungaphysiolc^tebe Theorien und Experimente. 



55 



hftlfte entwickeln (Hemienibryo posterior und anterior) etc. So 
wird denn der Entwicklungsprozeis der einzelnen Regionen und Organe 
drs Körpers, 'vie der Name der Theorie besagt, zu oiner Mosaik- 
arbeit, da jede Furchungszelle sich unabhängig von der anderen ver- 
möge besonderer, nur ihr zukommender Eigenschaften und KrAfte zu 
dem, was sie wird, entwickelt. 

HitM-'jMLM'Ti Va\H sich schon von rein theoretischen Gesichtspunkten 
aus cm schwerwic^^ender Einwand erheben. Teilung einer Zelle 
ist Fortpflanzung eines Organismus. Auf dem Wege 
der Fortpflanzung aber werden, wie das ganze Orga- 
nismenreich lehrt, liieEifrensc haften der Art von einer 
Generation auf die andere mit groiser Zähigkeit über- 
liefert. Eine heterogene Zeugung, wie man einmal glaubte, d. h. 
eine Zeugung, bei welcher eine Art unvermittelt plotzlieh eine von 
ihr ganz verschiedene Art hervnrln jitjt. kommt in der ganzen Natur 
nicht vor. Also kann he» der Teilung einer Zelle ihre 
Anlagesubstanz und, wenn diese im Kern enthalten ist, 
die Kernsubstanz nur erbgleich geteilt werden. Eine 
( ilnnitileiche Teilung, wie sie von der Mosaik- und Keimplasma- 
thecine angenommen wird, ist eine den Tatsachen der Zeugung zu- 
widerlaufende Annahme. 

Die Mosaiktbeorie wird al>er auch noch direkt durch zwei Reihen 
von Experimenten widerlegt. Einmal kann man durch äufscre Ein- 

frifTe, durch Kompression des Kies in versrhiedenen Riclitungen seine 
orm und hierdurcli auch den Furchuiigsprozels derart al)Ändern, 
dafs die Teilebenen ganz andere Richtungen als beim normalen Ent- 
wicklungsverlauf einschlagen. Infolgedessen werden auch bei jeder 
Teilung die neu entstandenen Tochterkeme mit uaiiz verschiedenen 
liaumteileii von Dottersubstanz in Verbindung ^eiaacht. Trotzdem 
entstehen auch aus solchen Eiern normale Embiyonen mit regelrecht 
gelagerten Organen, was nicht möglich sein würde, wenn die Mosaik- 
theorie recht hftttp. dafs durch den Furrhungsjirozefs die einzelnen 
Embryoualzelleu mit qualitativ verseliiedeneu Kernsubstinzen inluigo 
erbnngleicher Teilung ausgerastet und dadurch zu bestimmten Aiä- 
gabeii ?(']ion im voraus bestimmt oder spezifiziert wtlnlen. Denn aus 
einem „ilureheinander gewürfelten Material von Kernen" müfsteu nach 
jener Theorie die absonderlichsten Mifsbildungen hervorgehen. 

Noch Überzeugender sind die Ergebnisse einer zweiten Reihe von 
Experimenten. Durch ver^(■llie(lene Eingriffe sind die ersten Teil- 
stücke Kiern geei!.:net( r Tierartui : tichinodernien. Ascidien, Me- 
dusen. Aiii^iiioxus, Amphibien) entweder j^anz oder wenigstens teil- 
weise voneinander getrennt und nach der Trennung für sich weiter 
gezüchtet worden. T'nd siehe da, jedes TeilstOck entwickelt sieh in 
derselben "Weise weiter . wie das ganze Ei sich entwickelt haben 
würde: nach Ablauf des Furchungsprozesses entsteht eine normale 
Keimblase, aus dieser eine Gastnila, und aus dieser gehen wieder die 
folgenden Kmbryonalformen hervor, die, abgesehen von ihrer ge- 
ringeren Gröfse, vollkommen den einzelnen Entwicklungsstadien des 
ganzen Eies gleichen. So zeigt uns Fig. 41 vier nur durch ihre 
GrOfse unterschiedene Gastrulae von Amphioxus. Von ihnen hat Ä 
aus einem ganzen Ei, B aus einer durcli Schütteln getrennten Hälfte 
des Zweizellenstadinm*^. C aus einem Viertelstück und D souar aus 
einem AcbtelstQck das ganzen Eies seinen Ursprung genommen. 



Digit^ed by Google 



5G Viertes Kapitel. EntwicklungsphysioL Theorien und Experimeote. 



Zuweilen kommt es auch vor, dafs durch den Eingriflf die Teil- 
stücke nicht vollkommen voneiuauder isoliert werden. Aus solchen 
Eiern entstehen dann Doppel- und Mehrfachmilsbüdungen, d. h. zwei 

oder drei Embryonen« welche 
an dieser oder jener Stelle 
ihrer Körper bald in gröfserer, 
bald in geringerer Ausdehnung 
wie die bekannten siameBischeD 
Zwillinge zusammenhängen. 

Aus alledem geht hervor, 
dafs weder „die Theorie der 
organbildenden Keimbezirice* 
noch die Mosaik- und Keim- 
plasmatheorie sich aufrecht 
erhalten lassen, die letzteren 
nicht, weil durch die suecessiT 
sich folgenden erbgleichen 
Teilungen der hefnichteten Eizelle alle Embryonalzellen die Erbmasse 
oder die Anlage zum Ganzen überliefert erhalten. Jede Embryonal- 
zelle kann 8i<ä unter geeigneten Bedingungen, wenn nicht andere 
Verhaltnisse hindernd im Wege stehen , wieder zu einem zusammen- 
gesetzten Organismus ihrer Art entwickeln. 

Hier setzt mit ihrer Erklärung 

o) die Xbeoiie der Biogeneais 

ein. Ob sieh eine Embryonalzelle nur zu einem Teil 

eines Embryo oder für sich allein zu einem ganzen 
Embryo oder zu einem Stt)ck einer Meh rfachbil duiip: 
entwickelt, hängt von gewissen äulseren Bedingungen, 
n&mlich davon ab, ob sie sieh unter dem Einflul^ von 
anderen Embryonalzellen befindet, mit denen sie zu 
einem zusammengesetzten Ganzen, einem Aggregat, 
vereint ist, oder ob sie sich, vom Ganzen abgelöst, far 
sich allein entwickelt. 

Wer sich für diese schwierigen und fundamentalen Fragen tiefer 
interessiert, findet sie im zweiten Burh meiner allpemeinen Anatomie 
und Physiologie der Zelle und der Gewebe ausführlicher dargestellt 
und kritisch erörtert 




Fig. 41. Normftle und TstlgmstrulM 

Ton Amphloxus. Nach Wilson-. 

A Au- dem ganzen Ei; B aus eiuer ein- 
zigen, künstlii'}) isolierten Zelle des zwei- 
geteilten, C des viergeteiitei) , D des acht- 
geteilten Eies gecfichtete Oaetnila. 



DIgitized by Google 



Füiiiteb Kapitel. 

IHe Lehre von den Keimblättern. 

Im dritten Kapitel wurde der Verlauf des Teiluugsprozesaes des 
Eies bis zur Entstehung der Keimblase verfolgt. Die Embryonal- 
zellen, die auf den Anfungsstadieu der Teilung meist locker neben- 
einanderliegen , haben sich mit ihren OberHächeu fester und inniger 
zusammengefügt und so ein Epithel gebildet, wenn wir uns der 
Einteilung der Gewebe in der Histologie bedienen wollen. In der 
Entwicklungslehre nennt man die im Anschlufs an den 
Furchungsprozefs entstehende Epithelmembran ein 
Keimblatt und fafst das Studium der Veränderungen, die sich an 
ihm in der nächsten Periode abspielen nnd den Gegenstand unseres 
fünften Kapitels ausmacheni unter dem Namen der wichtigen »Keim- 
blätter lehre" zusammen. 

£in neues Prinzip tritt von jetzt in der Entwicklung formbildend 
in Wirksamkeit« das Prinzip des ungleichen Wachstums« wie wir es 
mit W. His kurzweg bezeichnen wollen. Während in der abgelaufenen 
Periode die in raschem Rhythmus sich wiederholende, mehr oder 
minder gleichmäfsige Vermehrung der Embryonalzelien der 
henrortretende Charakterzug war, bilden sieh jetzt nach ihrem festeren 
Zusammeoscblufs zu einer Epithelmembran oder zu einem Keimblatt 
in diesem nach einem bestimmten Gesetz verteilte und in l)estimiiitor 
Weise abgegrenzte Bezirke ungleichen Wachstums aus und weiden 
die Ursache, daft in dem bis j/^ast, mehr gleichförmigen Zellenmaterial 
gröfsere und kleinere Zellenkompleze voneinander deutlicher unter- 
scheidbar werden, eine besondere, ihnen eigenttimliche Form nnd 
Lage erhalten und die Anlage besonderer Organe darstellen. Fassen 
wir daher das wichtige Prinzip des ungleichen Wachstums 
gleich noch nfther in das Auge. 

Wenn in einer Zellenmembran die einzelnen Elementarteile sich 
gleichmäfsig zu teilen fortfahren, so wird entweder eine Ver- 
dickung oder eine Gröflsenzunahme der Ifembran in der FIftche die 
Folge davon sein. Das erstere ^tt ein, wenn die Teilungsebenen 
(}pv Zollon .(er OberHilclie der Membran gleich gerirlit«»f sind, rln« 
letztere, wenn sie vertikal zu ihr stehen. Bei der (irölsenzumihiae 
in der FIftche werden die ursprünglich vorhandenen Zellen durch das 
Einschieben neuer Tochterzellen gleichmärsig und allmählich ausein- 
andergedrfingt , da sie ja weich und dehnbar und nur durch eine 
weiche Kittsubstanz verbunden sind. Nehmen wir nun an, dals ein 
solches Wadistnm bei der Keimblase während ihrer weiteren Ent- 



Digitized by Google 



58 



Ffknftes KapiteL 



wieklilog allein stattfinde, so könnte nichts anderes aus ihr entstehen, 

als eine nur immer gröfser und (liVlcor wfM flende Hohlkugel von Zellen. 

Anders gestaltet sich die Wirkung eiues ungleichen Flächen- 
wachBtnms« Wenn in der Mitte einer Membran eine Zellengruppe 
allein sich zu wiederholten Malen in kurzer Zeit durch vertikale 
Ebenen teilt, so wird sie plötzlich eine viel gröfsoro oiioiHiklie fttr 
sich in Anspruch nehmen müssen und wird iiilolgedessen einen 
energischen wachstamsdruek anf (Ke Zellen der Umgelning ausüben 
und sie auseinanderzudrAngeu versuchen. In diesem Falle aber wird 
ein Auseinanderweichen der benachbarten Zellen, wie beim langsamen 
und gleichmärsig verteilten, interstitiellen Wachstum, nicht möglich 
sein; denn es wird die sich passiv verhaltende Umgehung gleichsam 
einen festen Rahmen , wie His sicli ausgedrückt hat , um den sich 
(IrhTiendt'u Teil bilden, der infolge beschleunigten Wachstums eine 
groisere Obertläcbe für sich beansprucht. Er mufs sicli mithin in 
anderer Weise Platz schaffen und seine Oberfläche dadurch vergröfsem, 
dafs er aus dem Niveau des passiven Teils nach der einen oder 
anderen PJ-^htuu^^ heraustritt und eine Falte hervorruft. I.(>t/tPre 
wird bicii noch weiter vergrursurii und über das ursprüngliche isiveau 
weiter erheben, wenn die lebhafteren Zellteilungsprozesse in ihr an- 
dauern. So ist jetzt durch ungleiches Wachstum aus der ursprünglich 
L'lriciiartigen ZelU inntMiihran ein neuer, fttr sich untersdieidbarer 
Xeil oder ein hesoiuleres Organ entstanden. 

An dem die Keiniblasenwand bildenden Keimblatt, sowie an allen 
späteren, von ihm sich ableitenden Epithelmembranen sind zwei ver» 
schiedene Fl&chen zu unterscheiden, eine inn ro. der Keimhöhle zu- 
gekehrte Oberriäche oder die Basis 
« * dcsEpithels und eine nach aufsea 

gerichtete, freie ( ) b e r f 1 a c h e. Na- 
türlich können die durch beschleunigtes 
Wachstum in Wucherung geratenen 
Zellgruppen sich entweder in dieser 
oder in jener Richtung Platz schaffen. 
Fir Bchema dMrBQdnng Treten sie an der Basalseite des 
des HörbiäsehenB. Epithels aus dem Niveau der übrigen 

. "^"^l^fJ^'TA Hörbläscheii, heraus, so bezeichnet man den Yor- 
ist und mitdemftuftetMiKrfaiblatt K^''^-' der Entwicklungsgeschichte 
iiorli (Im ch i liuMi soliden Epithel- als eine E i ti s t ü 1 p n n u oder In- 
Btiel z«sanimenliängt. v a g i n a t i o n ; ^esciiieiii das Wachs- 

tum dagegen Uber die freie Oberfläche 
hinaus, so haben wir es mit einer Ausstülpung zu tun. Die Ein- 
und Ausstül]»iiTipen l<r)nrien die verschiedensten Formen und Dimen- 
sionen annehmen und eine Fülle vf)n Gestalten erzeugen, zumal an 
jedem hervorwachsenden , besonderen Teil infolge ungleichen Wachs- 
tums immer wieder neue Strecken, die lebhafter als ihre Umgebung 
wuchern, entstehen können. 

Durch Kinstülpung bilden sich im Laufe der Entwicklun«! aus 
den Keimhlftttern Siicke (Fig. 42) oder, wenn das Wachstum in der 
Längsrichtung immer weiter vor sich geht, Schläuche, Röhren und 
Kanüle (Fig. 4:S). Indem letztere wiedrr ])al(l liier, bald da seitliche 
Röhren treiben, können sfhliefslich auf das reichste baumfrinni^ ver- 
zweigte Kanalsysteme zustande kommen. Wenn ferner die Einstülpung 
an der Epithelmembran Iftngs einer Linie auftritt, sehen wir eine 
Rinne sich bilden. ^ 




Digitized by Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



59 



Nicht minder wichtig für die tierische Fonnenbildung sind die 
von der freien Fhlche aus erfolgenden Ausstülpungsprozesse, die 
ebenfalls sehr mannigfacher Art werden können (Fig. 44). Bei 
"Wucherung eines kleinen, kreisförmigen Bezirks einer Zellenmembran 
entstehen zapfenförmige Erhebungen, verschieden gestaltete Papillen 
oder Zotten ; und wie Röhren zu einem verzweigten Röhrensystem 
werden, so können auch wieder die Zotten, indem lokale Wuche- 
rungen an ihnen das Hervorsprossen von Seitenästen zweiter, dritter 
und vierter Ordnung veranlassen, sich in die kompliziertesten Zotten- 




Fig. 4Ü. Fig. 44. 

Fig. 48. Schema der Drüsenbildung. 

1 Kinfacbe tuhulöse Druse, 2 verzweigte tubulöse DrQse, 3 verzweigte tubu- 
löse Drüse mit netzförmigen Verbindungen; 4 u. 5 einfache alveoläre Drüse, 
a Ausführgang, db Drüsenbläschen ; 0 verzweigte alveoläre Drüse. 

Fig. 44. Bohema der Papillen- und ZottenbUdung. 
a Einfache Papille, b verästelte Papille oder Zottenbüschel, c einfache Papille, 
deren Bindegewebsgi undstock in drei Spitzen ausläiifL 

büschel umwandeln. Wenn die Ausstülpung längs einer Linie erfolgt, 
bilden sich mit dem freien Rande nach aufsen gerichtete Kämme 
oder Faltenblatter. 

Fast alle embryonalen Vorgänge, mit denen wir uns auf den 
folgenden Blättern bekannt zu machen haben, beruhen auf solchen, 
in der verschiedensten Weise erfolgenden Aus- und Einstülpungen. 
Dadurch erhält das embryonale Zellenmaterial auf kleinem Raum eine 
sehr beträchtliche OberHächenentwicklung und eine Sonderung in zahl- 
reiche Bezirke. Aus einfachen Keimblasen gehen so schlielslich die 
kompliziertesten Formgebilde hervor, die zahllosen verschiedenen 
Arten der wirbellosen Tiere und Wirbeltiere. Vom Standpunkt des 
Enibryologen aus lassen sich dieselben definieren als Körper, auf- 
gebaut aus Epithellamellen, die durch häutig wiederholte und nach 
einem bestimmten Plan und in bestimmter Folge ausgeführte Ein- 
und Ausstülpungen und Faltenbilduugen der verschiedensten Art eine 
verwickelte äulsere Fläche und ein noch komjdizierteres inneres 
Höhleusystem gewonnen haben. 

Zu dem eben kurz erläuterten Hauptmittel tierischer Form- 
bildung gesellen sich noch einige andere Hilfsmittel von mehr unter- 
geordneter Bedeutung: 1) Verschmelzung und Trennung von Epithel- 



60 



Fünftes Kapitel. 



lamellen und 2) Bildung eines Zwischengewebes oder Mesenchyms 
zwischen den epithelialen Grenzblättern. 

Verschmelzungs- und Trennungsprozesse greifen in die Entwick- 
lung der verschiedensten Organe mit ein; dadurch werden rinnen- 
förmige Einsenkungen zu Röhren, Grübchen und Schläuche werden 
zu Bläschen und abgeschlossenen Säcken. Immer bietet sich dabei 
dem Beobachter ein ähnlicher Hergang dar (Fig. 45— 48). Die Falten- 
ränder (Fig. 45/), welche eine rinnenförmige Einstülpung (ii») be- 
grenzen, wachsen einander so lange entgegen, bis sie sich längs einer 
Linie treffen, sich fest aneinanderlegen und an der Berührungs- 
stelle — der Nahtlinie, wie man sie genannt hat (Fig. 46«) — 
untereinander verschmelzen. Jede Falte setzt sich aus zwei Blättern 
zusammen, die am Faltenrand ineinander umbiegen, aus einem inneren 
Blatt (Fig. 45 i). das die Wand der Rinne bildet, und aus einem 




Fig. 47. Fig. 48. 

Fig. 45 — 48, Vier Schemata, um die Umwandlung einer rinnenformi- 
gen Anlage su einem Rohr, die dabei stattfindende Nahtblldang und 
Abschnürung zu erläutern. 

Bi lUnnc im Querschnitt, lio Rohr im (Querschnitt, a äufseres, i inneres Blatt 
der Falte des äufseren K('imi)latte8, /" Firste der Falte, an welcher äufseres in 
inneres Faltenblatt umbiegt, n Naht der linken mit der rechten Firste, • Rest 
der Nahtstelle am äufseren Keimblatt. 

äufseren Blatt (a), das auf die Körperoberfläche sich fortsetzt und 
am Faltenrand in das erstere umbiegt. Längs der Nahtlinie (Fig. 40 n) 
geht nun die Verwachsung der Faltenränder in der Weise vor sich, 
dafs sich die gleichnamigen Blätter der linken und der rechten Seite — 
also äufseres mit äufserem und inneres mit innerem Blatt — ver- 
binden. So kommt ein breiter intermediärer Substanzstreifen («) zu- 
stande, in dessen Länge das durch Verwachsung der Rinnenränder 
entstandene Rohr noch fest mit der äufseren epithelialen Begrenzungs- 
schicht des Körpers zusammenhängt. Im weiteren Verlauf findet 
dann noch eine vollständige Trennung statt dadurch, dafs der anfangs 
breite intermediäre Substanzstreifen (Fig. 47 ») schmäler wird und 
schliefslich durchreifst (Fig. 48), wobei ein Teil von ihm sich dem 
äufseren Blatt (*), der andere Teil der Wand des Rohres anschliefst. 
So greifen bei der Nahtbilduug Verschmelzungs- und Trennungs- 
prozesse fast gleichzeitig ineinander, ein Vorgang, der sich auch bei 
anderen Einstülpungen vielfach wiederholt. Wenn z. B. ein Grübchen 



Google 



Die Lehn von den Keimbl&ttMik 



61 



(Fig. 42) {liuch Vorwachsen und Verschmelzen der EinstülpunL'srilnder 
sich zu einem Bläschen schliefst, so bleibt dies an der Yerwaclisunffs- 
stelle TorflbergeheDd mit dem ättfeeren Epithelblatt ebenfallB dundi 
♦'ineti internicdiaren Substanzstreifen — einen Stiel — in Zusammen- 
hang. Auch hier tritt dann im weiteren Verlauf eine Abtrennung oder, 
wie der Terminus teebnicus gewöhnlich heifst, eine Abscbuttrung ein, 
indem der Stiel des BlAsehens sich versehmälert und zuletzt durchrelTflt. 
In dieser Weise werden zu verschiedenen Zeiten der Entwicklung aus 
den epithelialen Grenzlamellen, wenn sich noch _ Ahschnttning* zur 
Einstülpung hinzugesellt, allseitig geschlossene und in die Tiefe unter 
die Oberfläche Tenenkte, röhrenförmige und blftsehenfftrmige Organe 
gebildet, wie Nervenrohr, Ohrlabyrinth, Auge, Schilddrüse etc. 

Der Verschmeizungsprozefs zwischen den Berührungspunkten 
epithelialer Gebilde gestattet indessen noch mehrere weitere Varia« 
tionen. Von EpithelrOhren, die in reichem Mafee baumförmig ver- 
ästelt sind, können Seitenzweige, wo sie sich treffen, sich aneinander- 
legen und an den Berührungspunkten ver-^clHiielzen, was bei manchen 
Arten von zusammengesetzten tubuluseu ijrüi>eu geschieht (Fig. 43 s). 
Indem an der VerlOtungsstelle die zentral gelegenen Zellen auz- 
einanderweichen, treten die Röhrchen in offene Verbindung miteinander. 
Aus einem baumförniig veräf^telten kann so allmdhlich ein netzförmiges 
Köhrensystem hervorgehen (Fig. 43 b). Die Verwachsung kann endlich 
noch in grftfserer Ausdehnung stattfinden, wenn die einander zöge- 
wandten Flächen einer eingestülpten Membran sich mehr oder minder 
vollständig fest aneinanderlegen und sich so verbinden, dafs sie eine 
einzige Zellenmembran herstellen. Solches geschieht z. ß. beim Ver- 
schluOi der embryonalen Kiemenspalten, bei der Bildung der drei 
halbzirkelförmigen KnniUe des Gehörorgans oder bei der Verlötung 
der sich berührenden FliUhen seröser Höhlen. 

Ein weiterer, für die embryonale Gestaltung sehr wichtiger 
Prozefs. welcher wegen seiner Eigenart von den Faltungen epitheHuer 
Lamellen für sich als etwas Besonderes unterschieden weraen muft, 
ist die Bildung eines Zwischengewebes oder Mesenchyms. 
Mesenchym entsteht dadurch, dals von der Basaltiäche der Epithel- 
lamellen in die zwischen ihnen gelegenen Räume und Spalten, welche 
von der KeimblasenhOhle abstammen, eine sehr wasserreiche, gallertige 
Griindsubstanz abgeschieden wird, und dals dann aus bestimmten 
Bezirken der Keimblätter einzelne Zellen einwandern, welche aus 
dem epithelialen Verbände sich frei und selbetäodig machen. Bei 
den einzelnen Tierstämmen wird das Mesenchym zu sehr verschiedenem 
Zeiten der embryonalen Entwicklung gebildet, bei den Echinodermen 
z. B. schon auf dem Keimblasenstadium (Fig. 49 A). Es wird bei 
ihnen zuerst in den Hohlraum der Keimblase (A) eine homogene, 
weiche Substanz, der Gallertkem von den Epithelzellen aus- 

geschieden. In ihn wandern dann aus einem kleinen Bezirk des 
Epithels mehrere Zellen (Fig. 49 Bm) ein , indem sie ihren epithe- 
lialen Charakter Torlieren und nach Art von Lymphkörperchen Fort- 
sätze ausstrecken. Sie verbreiten sich bald als Wanderzellen überall 
in f]rv Gallerte. Bei den Wirbeltieren geschieht die Mesenciiym- 
biliiung erst auf späteren Stadien, wenn schon die Zahl der Keim- 
bl&tter sich durch Faltenbildung auf zwei und vier erhöht hat. 

Da wir unter einem Keimblatt nach unserer oben gegebenen 
Definition eine Lage von epithelial angeordneten, eine Obertlache be- 



Digitized by G( 



02 



Fünftes Kapitel. 



gienzenden Embiyonalzellen verstehen, mufs das in histologischer 
Hinsicht so grundverschiedene Gallertgewebe von den Keimblättern 
als etwas Besonderes unterschieden werden. 

f Einmal gebildet, wächst das Mesenchym als selbständiges Gewebe 
weiter, indem die auf einem bestimmten Entwicklungsstadium zuerst 
in die Gallerte eingewanderten Zellen, die man auch die Mesen- 
chym keime nennen kann, sich durch Teilung ununterbrochen ver- 
vielfÄltigen. Bei seinem Wachstum dringt es in alle Ltlcken hinein, 
welche entstehen, wenn die beiden Grenzblätter durch Faltenbildung 
und Ausstülpung die kompliziertesten Formen annehmen; es gibt 
überall eine Unterlage und Stütze für die aufliegenden Epithelzellen 




Fig. 49. Zwei Entwicklungsstadien von Holothuria tubuloaa, im 
optischen Querschnitt. (Narh Sklbmka.) 

A Keimhlasc am Ende der Furchung. B Gastrulastadium. 

mr Mikropyle, (I Chorion, s.c P'urchungshohle, in welche frühzeitig Gallerte 
als Gallertkern abgeschieden wird, hl Keimblatt (Hlastoderm); rp äufseres, hy inneres 
Keimblatt, ms vom inneren Keimblatt abstammende, amöboide Zellen, ae Urdarm. 



ab. Hierbei können einzelne Mesenchymzellen auch ihren ursprüng- 
lichen histologischen Charakter als einfache Ernährungszellen der 
Zwischensubstanz verändern. Indem sie hier und da auf ihrer Olier- 
fläche kontraktile Substanz abscheiden, werden sie, wie bei manchen 
Tierstämmen gut zu beobachten ist, zu glatten Muskelzellen. 

In unserer allgemeinen Übersicht über die jetzt folgenden Stadien 
der Entwicklung ist neben dem Prinzip des ungleichen Wachstums 
als ein zweites Eutwicklungspriuzip von fundamentaler Bedeutung 
noch die physiologische Arbeitsteilung und die mit ihr zu- 
sammenhängende histologische Di ff e r e n z i e r u n g zu besprechen. 
In demselben Mafse, als die immer zahlreicher werdenden Embryonal- 
zellen räumlich in einzelne Gruppen und Bezirke verteilt werden, 
nehmen sie allmählich auch ein verschiedenes Aussehen an; sie gehen, 
wie man sich ausdrückt, eine histologische Differenzierung ein; dort 
werden sie zu Drüsenzellen, hier zu Muskclzelleu unigewandelt, andere 
differenzieren sich zu Nerven- und Sinneszellen, andere zu Geschlechts- 
zellen etc.; die in gleicher Art differenzierten Zellen liegen meist 
gruppenweise zusammen und stellen ein besonderes Gewebe dar. 

In der histologischen Differenzierung, die sich während der Ent- 
wicklung allmählich vollzieht, findet eine im Aggregat der ursprünglich 



Google 



Die Lelm von den Keimblittem. 



63 



gleichen Embryonalzellen eintretende pb>siologiäclie Arbeitsteilung 
einen für xaa sichtbaren Ausdruck. Um dies zu verstehen , mOssen 
mr im Auge behalten, dafs sich das Leben aller organischen Körper 
in einer Summe verschiedener Verrichtungen oder Funktionen Hufsert. 
Die Organismen nehmen Stoffe von aufsen in sich auf, wobei sie das 
Brauchbare ihrem Körper einverleiben und das Unbrauchbare ent- 
fernen (Funktion der Ernfthrung und des StotTweebsels); sie kötmen 
die Form ihres Körpers durcli Zu*^;MniMon/iptmTi'j und Ausdehnung 
verändern (Funktion der Bewegung) ; sie sind in der Lage, auf Äufsere 
Reize zu reagieren (Funktion der Erregbarkeit); sie l^sitzeu endlich 
die l iiliigkeit, neue Ciebilde ihresgleichen zu erzeugen (Fonktion 
der Fortpflanzung). i ilon Tiicflrrs!teii vielzeniirrn Organismen ver- 
richten noch alle einzelnen Teiie lu gleicher Weise die aufgeführten« 
fflr das organische Leben notwendigen Funktionen; je höher ausgebildet 
aber ein Organismus wird, um so mehr seheo wir, dafs seine eiuEelnen 
Zellen sich in die Aufgaben des Lebens teilen, dafs einige vorzup:8- 
weise da.s Geschäft der Ernährung, andere der iJewegung, andere der 
Reizbarkeit und wieder andere das Geschäft der Fortpflanzung über- 
nehmen, und dafs mit dieser Arbeitsteilung zugleich ein höherer 
Grad der VoUkommenlieit. mit welcher die einzelnen Funktidn^n nus- 
geftthrt werden, verbunden ist. Zur Verrichtung einer besünderen 
Arbeitsleistung bildet sich jede Zelle, gleichsam wie ein selbsttätiger 
Werkmeister, auch ihre twaoodereB Arbeitsinstrumente aus, Inter« 
cellularsu])Stanzcn, W(f e^ /n stützen und Ot träne miteinander zu ver- 
binden gilt, kontraktile !• ibrillen zu energischer Bewegung, Leitungs- 
bahnen zur Reizfortpflanzung etc. So werden die Embryonalzellen 
zu den mannigfachen Arten von Gewebszellen. 

Das weitere Studium der Entwicklungsgeschichte umfafst also, 
wie die einleiteuden Betrachtungen gelehrt haben, zwei Seiten: die 
eine Seite ist das Studium der Formbildung, die zweite 
das Studium der histologischen Differenzierung. Bei 
den höheren Organismen vollzieht sich die Formbildung 
hauptsächlich in den Anfangsstadien, die histologische 
Differenzierung in den Eudstadien der Entwicklung. 



Da die Lehre von den Keimblätteni eines der schwierigsten 
Kapitel der Entwicklungslehre und zur Zeit noch reich an wider- 
«pieehenden Beobachtungen und Deutungen ist, so mufs hier be- 
sonders daran erinnert werden, dafs in den „Elementen" es nur darauf 
ankommen kann, die Punkte, in denen unserer Ansicht nach das Wesen 
der Keimblattbildung bei den Wirbeltieren beruht, in das rechte Licht 
zu setzen. 

Zur besseren Orientierung über die wt itf reu Geschehnisse sei gleich 
vorausgeschickt, dafs der Prozefs der Keiiiihlattbildunp: sich in zwei 
I'basen zerlegen lüist. lu der ersten Phase yeht aus der Keimblase 
«ine sehr charakteristische Embryonalform hervor, die Gnstrula oder 
Darmlarve, deren Leibeswand aus zwei Keimhlf^ttern nnfgebaut ist. 
Ilire Kntstehung wird ;ils G as t r u 1 a t i nn liezei(dinet. Noch ehe 
diese ganz zu Ende gelahrt ist, begiuut schou die zweite Phase, in 
manchen Fällen früher, in anderen später einzutreten; zwischen die 
beiden ersten Keimblätter schieben sieh noch zwei weitere, die sngp- 
oannteu mittleren hinein« In der ersten Phase wird also der Keim 



Digitized by Google 



64 



Fflaftea KapiteL 



zwei-, in der nächsten dann v i e r blätterig. Die Art und Weise, 
vie sich beide Prozesse abspielen, zeigt in den einzelnen Wirbeltier- 
klassen je nach der ersten Organisation des Eies, von welcher ja 

wieder die iicsoiKlere Art des Furchungsprozesses und die besondere 
Bescliaffeuheit der Keimblase bedingt wird, gleichfalls sehr tief- 
greifende Modifikationen. Wir beginnen mit den einfacheren Ver- 
bältoisBen, die beim Aniphioxus uud bei den Amphibien beobachtet 
werden, und gehen dann zu den schwerer zu verstehenden Befunden 
Über, welche Fische, Reptilien, Vögel und Säugetiere darbieten. 



1. Die Keiniblattbilduug beim Aniphioxus. 

Wie schon früher gezeigt wurde, wird beim Amphioxus die Keim- 
blase Ton CylinderzeUen begrenzt, die zu einem einsehicbtigen Epithel 

fest Zusammensehl iefsen (Fig. 50). An einer Stelle, welche als vege- 
tativer Pol ( VF) bezeichnet werden kann, sind die Zellen {^ä) etwas 

AP 




VF 

Fig. 80. Fig. 51. 

Fig. 50. Keimblase des Amphioxna lanoeolatus. Nach }lAT»cBn. 
KeimblaseiUiöhle, <u «nimala, er Tegetative Zelleo. AJ* aninuder, FP vege- 
tativer Pol. 

Vlff. •''>I. Qaatrula des Amphioxus lanceolatus. Nach IIatschick. 
ak uufseres Keimblatt, ik inneres Keimblatt, u Lrmund, uil Lrdarm. 



gröfser und durch eingelagerte Dotterkömehen trüber. An dieser 

Stelle nimmt der Prozefs der Gastrulabildung seinen Anfang. Die 
vegetative FlAche beginnt sich zunächst abzudachen und nach der 
Mitte der Kugel einzubuchten. Dann wird die Grube tiefer und tiefer, 
wiUirend die KeimblasenhOhle in demselben Mafse sich verkleinert. 
Schliel'slieh legt sich der einpesttllpte Teil (Fig. 51 >k) unter voU- 
stilndi^er Verdrängung der Biuuenhuhle an die Innentiäche des ent- 
gegengesetzten, nicht eingestülpten Teiles ak der Keimblase an. Ala 
Fuilresultat ist aus der Kugel mit einfacher Wand ein becherförmiger 
Keim mit doppelten Wandungen, die Gastrula, entstanden. 

Die neu gebildete Höhle, welche sich von der Einsttllpung her- 
leitet und nicht mit der KeimblasenhOhle, welche durch sie verdrängt 
worden ist. verwechselt werden darf, ist der Urd arm («</), ihre 
ÖlTuuug nach aufsen der Urmund (§»). Urdarm und Urmund sind 



Digitized by Google 



Die Lehre toh den Keimblftttcni. 



05 



nicht dem Darmrohr und dem Munde des ausj^ewachsenen Tieres 
gleichwertig. Zwar liefert der erstere die Grundlage zum Darmrohr, 
l&fBt aber aufser ihm noch eine Anzahl anderer Organe, wie (iie spiltcTO 
P.rust- uihI I.eibeshöhle . aus sich hervorgeheu. Üie zukUiiftiuic Be- 
stimmung des Hohlraumes wird daher besser durch die liezeii linuiüx 
„Darmleibeshöhle oder Coelenteron" ausgedrückt. Der l' r- 
mund endlich ist bei den Wirbeltieren nur eiu vergängliches Ge- 
bilde; er schliefst sich s|iilti'r und versehwindet mit Ausnahme eines 
Restes, der zum After wird, wähi-end der bleibende oder sekun- 
däre Mund ganz neu gebildet wird. 

Die beiden Zellenschichten des Bechers, welche am Rande des 
Urmundes ineinander umbiegen, lieifsen die beiden i)ri mären 
Keimblätter und werden nach ihrer Lage als das äufsere {(ik) und 
&ls das innere {ik) unterschieden. Während bei der Kuimblasö die 
einzelnen Zellen voneinander noch wenig verschieden sind, beginnt 
mit dem Prozefs der Gastrulabildnng sich eine Arheitsteilinif,' zwischen 
den beiden Keimblättern geltend zu macheu, was bei den liei herum- 
schwimmenden Larven wirbelloser Tiere zu erkennen ist. Das 
Äufsere Keimblatt (rtA) (auch Ektoblast oder Ek toderm 
genannt) dient als Körperbedeckung, ist zufileiih Orpan der Empfin- 
dung und vermittelt in «lern Falle, wo sich Flimmern auf den Zellen 
entwickeln, wie beim Amphioxus, die Fortbewegung. Das innere 
Keimblatt {ik) (Entoblast o lc r Entodetn)) kleidet die Darmleibes- 
höhle aus und besorgt die Nahrungsaufnahme. Beide Zellschichten 
stehen somit in einem GeL'ensatz zueinander in Hiuidick sowohl auf 
ihre Lage, als auch auf ihre Funktion, da eine jede eine besondere 
Aufgabe fibernommen hat. In dieser Hinsieht sind sie von C. E. v. Baer 
als die beiden T^r- und Primiti vor^^ ui c des tierischen Körpers 
bezeichnet worden. Auf jedes von ihnen ist eine ganz bestimmte 
Summe der definitiven Organe des Körpers zurückzuführen: Das 
ftufsere Keimblatt liefert den epithelialen Überzug des KOrpers, die 
Ki)iilermis mit Drtlsen und Haaren, die Anlage des Nervensystems 
und die funktionell wichtigsten Teile der Sinnesorgane; deswegen 
legten ihm die alteren Embryologen den Namen des Hautsinnesblattes 
bei. Das innere Keimblatt dagegen wandelt sieh in die ttbrigen Organe 
des Körpers um, in den Darm mit den Drosen, in die T>eibcshöhle, 
in die Muskeln etc.; es sondert sieli (iemnach in die weitaus ftber- 
wiegende Masse des Körpers und hat wahrend der Entwicklung die 
meisten und einschneidendsten Metamorphosen durehsumachen. 

Am Anfang hat die Gastrula vom Amphio.xus die Form einer 
dachen, ovalen Schüssel, welche man aus Fifr. 51 leicht herstellen 
kann, wenn mau sich die zwischen A und H gelegene Sti'ecke der 
Becherwand entfernt denkt. Ebenso ist der Urmund oval und an- 
sehnlich weit, wird aber iiald enger und enger und stellt schliefslich 
ein ganz kleines, unscheinbares Loch dar. Als solches erhält er sich 
längere Zeit und wird, während der Embryo stark in die Länge zu 
wachsen beginnt, immer an seinem hinteren Ende vorgefunden, wo 
er an der Rttckenfläche frei ausmündet. 

Wie der Verschlufs des Urmundes zustande kommt, ist eine seit 
mehreren Jahren lebhaft diskutierte Frage. Namentlich handelt es sich 
darum, su entscheiden, ob er konzentrisch oder exzentrisch erfolgt. 

Konzentrisch ist der Verschlufs, wenn sich der Urmundrand in 
seinem ganzen Umfang gleichninfsig zusammenzieht, so dafs die 

(>. Hortwig, Die Elenieute der Kiitwicklntigslvliru. 2. Aufl. 5 



Digitized by 



6t> 



Fanftes Kapitel. 



fcpäteie kleine Öftuung etwa der Mitte der ur!>i»rüugliclieii Ausdehnung 
eotspricht. Mit der BezeichDung eines exzcntriscli erfolgenden Urmund- 
Schlussi's dagegen verliindet man di»' folgende Voistelliii)?: 

THf VorkliMiioniiii: des weiten L riiniiifles ^eht von einer üauz l>e- 
ötininiien .Stelle aus, welche dem Koyteude des späteren Knihryo 
entspricht. Die links und rechts hiervon gelegenen Zellen des Randes, 
an welchem sich das üufsere in das iniuMo Kciinhlatt umschlägt, 
wachsen einander entgegen und vereinigen sicli allmählich in einer 
Linie, welche mit der Mediaueheue des Emhryo zusamuienfiUlt. Es 
schliefst sich also der Urmimd von vorn nach hinten bis auf einen 
kleiiit n liest, welcher sein hinterster oder kaudaler Abschnitt ist. In 
Fig. öl z, B. ist nach dieser Theorie die Verkleinerung dos rrmundes 
dadurch zustande gekommen, dafs sich die zwischen A und i> ge- 
leg«tee Strecke der Becherwand in der angegebenen Weise nen gebildet 
hat. Dnrch Verwachsung (Konkrescenz) des Urmundramles ontstfht 
die Kückengegend des Emhryo. aus welcher sich Chorda. Nervciiruhr 
und Ursegmeute entwickeln. Ks liegt auf der Hand, dals, je nachdem 
man einen konzentrischen oder einen exzentrischen Verschlnfs des 
T'rnmndes aiminimt, die Achsen der Onstrula zu den spateren Haupt- 
achsen des wunulörniig gewordenen Embryo eine sehr verschiedene 
Orientierung erhalten. 

Eine Entscheidung Ober die aufgeworfene Frage ist beim Amphioxns 
sehr schwer zu treffen, doch liegt hei den ttbrigen Wirbeltieren »'ine 
Reihe von Tatsachen vor, welche sich zu Gunsten eines exzentrisch 
erfolgenden Urmundschlusses verwerten lassen. 

Nach Beendigung der Gastrulation treten beim Amphioxus wie 
bei allen übrigen Wirbeltieren gleichzeitig Veränderun^ren an mehroron 
{Stellen des Körpers ein, deren l^trachtinifr. da die Prozesse auf das 
unmittelbarste ineinandergreifen, nicht getrennt für sich vorgenommen 
werden kann. Vier neue Hauptorgane des WirbeltierkOrpers werden 
jetzt ancrelegt: 1) die beiden mittleren KeiiiiMättei . welche die Leibes- 
höhle zwisclien sich einschlielVn . '2) das Darmdrüsenblatt, welches 
den sekundsireu Darm der Wirbeltiere auskleidet, 3) die Grundlage 
des Achsenskeletts, die Chorda dorsalis oder die Rockensaite, 4) das 
centrale Nervensystem. WiUirend das letztere aus dem HnutsinnesMatt 
stanunt, nelimen die drei übrigen aus dem primären inneren Keimblatt 
ihren Ursprung?. 

Die Anlage des Gentralnervensysteros entsteht in der Weise, dafe 

die Zollendes äufseren Keiiiiblattes in der Kürkengegend (Fig. 52 wj>) 
entspreclu^nd einem :St reifen, welcher meiner Ansicht nach durch Ver- 
schmelzung deä Urmundrandes gebildet ist, au Höhe zunehmen, zu 
langen Cylindern werden und sich als Medullär- oder Nervenplatte (mp) 
abgrenzen lassen. Durch Einfaltung geht hierauf aus ihr eine Rinne 
liei vrir, welche die Decke des Urdarms als Leiste ich) nach abwärts 
driiugt. 

Dann findet an den Stellen, wo die Rander der Rinne in den 

kleinzelligen Teil tle< .nnt'seren Keimblattes oder in das Hornblatt (hh) 
übergehen, eine Kontiiiuität^trennung statt, und es wächst nun das 
Hornblatt von beiden Seiten über die gekrümmte Nervenplatte her- 
über, bis seine beiden Hälften sich in der Mittellinie treffen und ver« 
srlniM !/, II. So entsteht am Rücken des FiUdtryo (Fig. u. 54) ein 
Kanal, dessen untere Wand von der gekrümmten Medullarplatte (m;>). 
dessen obere Wand von der darüber gewacliseneu Epidermis (ak) 




Digitized by Google 



Die Lehre von dtm Keimblltteni. 



67 



hergestellt wird. Krst auf einem späten n Stadium wandelt sicli beim 
Alttpbiuxus die unter der Epidermis gelegene Medullarplatte. indem 
ihre Rftnder sich zusammeDneigen und verwachsen, zu einem Nerven- 
rohr um (Fig. •*»*> u). Die sich differenzirrende Anla-if des Nerven- 
systems erstreckt sich so weit auf das hintere Ende des Kniliryo, dal's 
der hier gelegene liest des Lrmundes nuch in ihr Bereich füllt und 
bei dem Verschlurs des Nervenrohres in sein hinteres Ende mit auf* 
genommen wird. Auf diese Weise geschieht es. dals jetzt Nervenrohr 
und Darmrohr am hinteren Ende lies Embryo kontinuierlich durch 
Vermittlung des Urmuudes ineinander Ubergehen (Fig. ÖG cn) und zu- 
sammen einen aus zwei Schenkeln bestehenden Kanal bilden, dessen 
Form sich einem Ht Ik i \ri uleichen Iftfst. Der obere, das Nervenrohr 
darstell»Mi(le Sclimkel mundet am vorderen Ende eine Zi'itlanjr nach 
aulseu. Die Luibiegungsstelle der beiden Schenkel des Hebers oder 
der Urmundteil, welcher die Verbindung zwischen Nervenrohr und 



Fig. 52. Querschnitt von einem Amphioxus-Embryo , bei welchem 
■loh das eri<te Urseß^inont bildet. Nach Hatüciikk. 

ak, ik, mk uui^vre», inneres, mittleres Keimblatt, kb Uorublatt, mp Medullär- 
platte, ch Chorda, * Ausstülpung der Urdarmhöble. 

Fig. 53. Qaenohnltt von einem Amptaioztte-Bmlnpyo, an wrtehem 

daa fünfte Ursegment In Bildunf; begriffen ist. X u Ii H vts. hkk 

ak, ik, mk Ankeras, iuneres, mittleres Keimblatt, »qi Medullarplatte, dt Chorda, 
dk Damhfthle, Ih Leibeshdble. 

Darmrohr vermittelt, heifst Canalis neurentericus ( Fig. 50 m)« 
eine Bildung, weldie uns auch in der Entwicklung der Übrigen 
Wirbeltiere wieder begegnen wird. 

Mit dem Nervenrohr entwickeln sich gleichzeitig die beiden 
mittleren Keimblätter und die Chorda der salis (Fii:. .'.2 u :,:\). 
Am vorderen Ende des Knihrvo entstehen au der Decke (b > I rdarins 
dicht beieinander zwei kleine .Ausstülpungen, die Leibessacke (mk). 
we\dw zu beiden Seiten der gekrümmten Medullarrinne nach oben 
und seitwärts wachsen. Sie vergröfsem sich langsam dadurch, dafs 
sich der Aussttll|>nn'-r<iM o/i |V vom vorderen auf das hintere Ende der 
Larve fortsetzt und schlielslich den Urmund erreicht. Die zwischen 
ihnen befindliche schmale, sie trennende, von den zwei Sternen • be- 
grenzte Strecke der Urdarmwandung , welche unter der Mitte der 
Medullarrinne gelegen ist, stellt die Anlage der Chorda (ch) dar. 




Fig. 52. 



Fig. 58. 



5* 



68 



Fünftes Kapitel. 



Das primilre iunere Keimblatt hat sich also jetzt in 
drei versehiedene Teile gesondert: 1) in die Cbordaanlage 
(ch), 2) in die Zellen (»nft), welche die beiden Leibessiu ko 
(Ih) ausl<leiflen und das mittl cre K oi ni 1)1 a 1 1 darstellen, 
und 3) in den übrig bleibenden Teil, welcher, zur Um- 
grenzung des späteren Darmes (dh) bestimmt, nunmehr 
als Darmdr Usenblatt («A) zu bezeichnen ist. 

Die sich anschliefsendcn Entwicklungsprozesse hal)en den Zweck, 
die noch zusummeuhängendeu Teile durch AbschuUruug und Ver- 
wachsung voneinander zu isolieren und gesonderte Hohlrftume zu 
bilden. Die Abschnflrungsprozesse beginnen am vorderen Ende des 
Embryo und setzen sich von hier nacli dem oilenen Rest des Urmundes 
fort. Zuerst vertieleu sich die Leibessücke (Fig. 53 Ih) und verlieren 
den Zusammenhang mit dem ttbrigen Hohlraum (dh), indem sich die 
ihren Eingang begrenzenden Zellen dicht aneinanderlegen (Fig. Ö4). 
Dadurch grenzt der Rand des Darmdrfisenblattes (ik) unmittelbar an 



Fig. 54. Querschnitt durch oinon Amphlozu-Xmliryo mit fünf wohl 

ausgebildeten Ursegmenten. Nuch IIatschkk. 

iik, il; ink äiirneres, inneres, mittleres Keimblatt, iHp MednllarpUtte, <ft Chorda, 

rf/i Darmhohle, Ih Leihesh<ihle. 

Fig. 55. Querschnitt durch die Mitte des Körpers eines .Amphioxus- 
Bmbryo mit elf Ursegmentoa. N<i< h IIats« hkk. 

tüi, ik, mk äulseres, inneres, mittleres Keimblatt, dh Darmböhle, n Nenren- 
rohr, u$ Ursegment, Chorda, Ä Leibeshöble. 

den Rand der Chordaanlage (ch). Letztere ist mittlerweile auch 
Verjlnderunt:en eiiigeL'nngen ; die i)lattenf()rmige .Nnlape hat >\vh dureli 
Erhebung ihrer 8eitenrander so gekrümmt, dafs eine tiele. nach ab- 
wärts geöffnete Chorda rinne entstanden ist. SpIVter legen sich die 
Seitenwinde der Rinne dicht aneinander und ^'clien in einen soliden 
Zelleiistab über, der vorül)ergehend die Decke des sekundären Darines 
verschliersen hilft und an ihr als eine leistenartige Verdickung er- 
scheint. Dann trennt sich (Fig. öö) der Zellenstab (ch) von der Darm- 
anlage ab; diese schliefst sich jetzt erst vollständig zu einem Rohr, 
indem ihre in Fiji. ö:? mit einciii Stern * bezeichneten Ränder unter 
der C1)or<la einander eutgegeuwachseu und in einer medianen ü&ht 
verschmelzen. 

Das Endresultat aller dieser \'(>ri^.inge zeigt uns der Querschnitt 
Fig. .'».'). Der ursprünglich vorlKnidcne ri flariii hat sich in drei I'iiunie 
gesondert, in den ventral gelegenen, bleibenden Darm {tih) und in die 




Fig. M. 



Fig. 55. 



Digitized by Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



69 



donal- und lateralwftrts von ihm befindlichen, sich mehr und mehr 
TergrOrsernden beiden Leibesaäeke Oh). Dazwischen hat sich noch 
die Chorda (ch) einpcschoben. an weklio unten (Wv Darm, ohvw clas 
Nervenrohr (») augreiizt. Die durch AlischnUruug vuui Unlariu sich 
fiondemden Zellen, die in den Figuren 52—55 dunkler schattiert sind 
und flie Leibeshöhle (th) einachliersoii, bilden das mittlere Keimblatt 
(;;//.). Sein dem ihifseren Keimblatt anliejiender Toll (Fi;:. :>.">) ÜliVt 
sich als das parietiile Mittelblatt (//'A '), sein an Merveuruiir, Churda 
and Darm angrenzender Teil als das viscerale Mittelblatt (mik*) unter- 
scheiden. 

Da der eVien dargestellte Sonderungsprnzefs , wie schon erwähnt 
wurde, am vordereu Ende des Embryo beginnt und vuu hier sich 
Schritt fÜrSehrittnaeh 

dem hinteren Ende dh «fi » «tft mk en 

langsam ausbreitet, 
kann man bei Durch- 
musterung einer Serie 
von Schnitten die \ t r 
schiedenen TTnil)il- 
dungsstadieu an ein 
und demselben Ob- 
jekte verfolgen. 

Bei der Heschrei- 
bung habe ich die 
Verhältnisse so dar- 
gestellt . als ob zwei 
einfache Leibessacke 
zu l^eiden Seiten des 
Darmrohres beim Am- 
phioxus entstanden 
seien. Indessen sind 
die Vorgänge komplizierter, da beim Embryo (Fig. 50) die Leibes- 
säcke, während sie sieh nach hinten vergrödsem, in ihrem vorderen 
Alischnitt bereits weitere Veränderungen erleiden und durch aber- 
malige Einfaltungen in einzelne, hintereinander gelegene Abteilungen, 
in die Ursegmeute (u«), zerfallen. Ich begnüge mich mit diesem 
Hinweise, da ich aus didaktisehmi ßrflnden auf die Entwicklung der 
Ursegmente erst in einem folgenden Kapitel eingehen werde. 



V 




H 



Fip. 'i;. Optischer Längssohnitt durch einen 
Amphioxu8-£mbryo mit fünf Uraegmenten. Isach 
IIatscukk. 

V vorderog, //'hinteres Ende. >/.•, mk innerfiS» mitt« 
leres Keimblatt, dh DarmhuLle, n Xervenruhr,ei»Caiiali8 
neurentericiu,««* erstes UriegmeDtttMAUnegnientböhle. 



2. Die Keimblattbildmig bei den Amphibien. 

• 

An der inäqualen Keimblase der Amphibien (Fig. 33i wird der 
ring^rmige Bezirk, an weUliem ihre dünne Decke in den dicken Boden 
fibergeht, als die Kandzuue bezeichnet. Au einer kleineu Stelle 
derselben, welche bei normaler Lage des Eies immer nach abwärts 
gekehrt ist. beginnt sicli eine Einstülpung auszubilden. Bei F^etrach- 
tnng des Kies ven der Ohertlclche macht sich eine kleine, scharf be- 
grenzte, i^ichelformige , später sich vergrör^ernde und dann wie eiu 
Hufeisen gekrtimmte Rinne bemerkbar (Fig. 59 C n. A u), welche auf 
ihrer einen Seite durch kleine, beim Frosch schwarz pigmentierte 
Zellen, auf der anderen Seite durch grofse. Iielle F.leinente begrenzt 
wird. Die Rinne entspricht dem Urmund; denn wie eiu Durchschnitt 
lehrt (Fig. 57), stülpen sich an ihrem kleinzelligen, pigmentierten Rand, 



Digitizedjpy Google 



70 



Fünftes Kapitel. 



11 



welchen wir die vordere oder dorsale Urmundlippe (dl) nennen wollen^ 
klciiu'. <1<M K(Miiil)l;isend('cke angehörige Zellen, dagegen an (U'm 
anderen uupiguientierteu Rand, der hinteren oder ventralen Urmund- 
lippe (r/), die dotterreiehen Ele- 

f.liif^-'3f'^>V'^ '"^'^^^ ^^^^ vegetativen Hälfte in 

ivxvJV., '.,':''^..^. -1. jjj^j, KoiniMase hinein. 

Der so entstehende Lrdarm {ud} 
ist erst eng und spaltfttrmig und 

tritt ncboii der noch ansehnlichen 
Kciniblasenhöhlo (Ih in den 
Hintergrund. Später ändert sich 
das GröfsenverhAltnis immer 
mehr zu seinen Gunsten, indem 
er sifh (MitsprecluMul (irm innner 
reichlicher eingestülpt werden- 
den Zellenmaterial nach vorn 
zu einem weiten Sack ausdehnt 
und dalici die KciTiiM.ist'nhiihle 
schlielslich v<dlstju)dig verdrängt 
(Fig. 58). Die an der vorderen 
Urmundlippe einwandernden 
kleinen Z» Den bilden die Decke 
des Urdarnis, während an seinen 
Boden die grofsen Zellen der 




Fip. 57. Län|3:8durchBohnitt duroh 
eine Kuimi luse von Triton mit be- 
ginnender QastruiaeiDstülpuDg. 

ffXr, %k tn&eres, inneres Keimblatt; 

/7i Koiinlilasenhithle : «'/ rrdarni; u Ur- 
muud; dz Dotterzelleu; c//, t\ dorsale, 
ventrale Lippe des Urdarms. 



vegetativen Keiroblasenhftlfte zu 
liegen komnirn. Lotzt( re oder die ganze r>fitterniassr ist am Schlufs 
des EiustUlpungsprozesses in das Innere der Gastrula aufgenommen 
und nach aul'sen von den kleinen Zellen der animalen Hftlfte der 

Keimblase vollständig umwachsen 
worden. Daher sieht jetzt beim 
Frosch die gesamte Obertiäche 
des Keimes, da hier die kleinen 
Zellen stark pigmentiert sind, 
dunkelschwarz aus, mit Aus- 
nahme einer etwa stecknadelko]»f- 
grofsen Stelle, die dem Urmund 
entspricht. Hier nämlich ragt 
ein Teil der hellen Dottermasse 
aus dem Urdarm nach aufsen 
hervor und verschliefst den Ein- 
gang zu ihm gleichsam Kie ein 
rfroj)f ((/); daher er auch den 
Namen des RiiscoNischen Dotter- 
pfropfes führt. 

Von den beiden KeimblAttem 
derOastrula verdünnt sich spntor 
das äulsere beim Wassersala- 
mander zu einer einfachen Lage rcgelniäl'sig angeordneter, cylin- 
drischer Zellen, beim Frosch dagegen wird es von zwei bis drei Lagen 
kleiner, zum Teil kultischer, stark pigmentierter Elemente geliildet. 
Das innere Keimblatt besteht an (b'r Decke des Urdarms gleichfalls 
aus kleinen (beim Frosch pigmeuthaltigeu) Zellen, au der anderen 
Seite aus den gro(Ven Dotterzellen, die, in vielen Lagen zusammen- 




Mb 



I'ivr. ''>'^. Län^Bschnitt durch eine 
G8 8ti*ula von Triton. 

«A\ dz, dl, rl, ud wie in I'ig. 57, 
d Dotterpfropf, ntk mittleres Keimblatt. 



Digitized by Google 



Die Lehre von den Keimbl&ttern. 



71 



gehäuft, einen weit in den Urdarm hineinsprinprenrlon und ihn zura 
Teil ausfulleudeu Httgel bediogeiu Hierdurch niuis die üastrula der 
Amphibien wieder im Waswr eine bestimmte Ruhelage eionehmen, 
da die Dotterniasse als der schwerere Teil sich immer am tiefsten 
einstellt (Fijr. 58). 

Der Keim der Amphibien ist jetzt schon ein vollständig bilateral 
symmetrischer Körper. Die durch den Dotter yerdickte Wand der 
Gastrola wird zur Bauchseite des späteren Tieres, die ent^ie gengesetzte, 
nach oben gerichtete Wand oder die Decke des Urdanns wird zum 
Kacken. Der Urmund bezeichnet uns, wie sich weiterhin ergeben 
wird, das hintere Ende« und der entgegengesetzte Teil den Kopf. 
Es lassen »ich also durch die Gastrula eiin' Längsachse, eine dorso- 
ventralo und eine 'inorc Arlise hindurchlegen, die den späteren 
Achüeu des Tieres ent&preclien. 

In den Gastrulationsprocefs und namentlicb in die dabei am Ur- 
mund eintretenden Verftndeningen lassen sieh noch weitere wichtige 
Kiiihlicke gewinnen, wenn man die «renaiipro Booluiclitun«: der V.T\t- 
wickluug mit einem Experiment verbindet, welches uns zugleich ein 
wertvolles Beweismaterial fttr die Lehre vom exzentrl^eh erfolgenden 
Urmundverschlufe liefert. 

P>oschpier wordrn sogleich nach der Befruchtung auf eine hori- 
zontale Glasplatte gebracht, auf welcher sie bald eine normale Stellung 
einnehmen und das schwerere weifse Dutterfeld nach abwftrtft kehren. 
Sie werden hierauf in geeigneter Weise durch Auflc^^on rlner zweiten 
Glaspbtte ein klein wenip: platt rrpdrttckt und zugleich in ilncr T.aee 
lestgebaiten , Eiugrille, durch welche die weitere Entwicklung nicht 
gehemmt wird, sofern man nur mit einiger Vorsicht verfilhrt. 

An einem derartig fixierten Ei kann man die Entwicklung des 
Urmundos von seinem ersten Auftreten an kontinuierlich verfolgen, 
indem man von Zeit zu Zeit die nach unten gelegene Fläche, an der 
sich die fraglichen Entwicklungsprozesse abspielen, nach oben kehrt 
und unter dem Mikroskop untersucht. Auch kann man seine ursprüng- 
lii he und seine spätere Lage genau bezeichnen, indem man mit Tusche 
Marken auf der Glasplatte anbringt. 

Mit Hilfe der angegebenen Versuchsanordnung innst sich fest- 
atellen, dafs sich die kleine Urmundrinne vom Ort ihres ersten Ur- 
sjirnnL'-^ nach links und rechts weiter ausdehnt, im BoLjen der Hand- 
zone Gönts folgend und das Dotterfeld umfassend (Fig. 59 C u. A). 
Bald gewinnt sie die charakteristische Form eines Hufeisens. Während 
nun die freien Fanden desselben fortfahren, sich durch weitere Aus- 
dehnung' der Einstülpnnjr iiiu h hinten zu vergrcilsern , !i:it inn h der 
zuerst entstandene mittlere Teil der Rinne seine Lage verändert. 
Der durch eine pigmentierte Linie sich absetzende l»mschlagsrand 
des äufseren in das innere Keimblatt oder die vordere l'rmundlippe 
MMclist alhni'ihlich von vorn nach hinten üher das weifse Di'>tterfeld 
hinüber. Dabei dehnen sich die Enden der liul* isentörmigen Rinne 
gleichfalls immer mehr nach hinten aus, vereinigen sich schliefslich 
an dem hinteren Rande des Dotterfeldes vis-A-vis der Stelle, wo die 
erste Urmundrinne entstanden war. und schlielVii das Hufeisen zu 
einem Ring. Anfangs ist der letztere noch weit, so dai's ein ansehn- 
licher Teil des Dotterfeldes als Rüscom scher Pfropf von anl'sen zu 
sehen ist. Später wird er immer enger, indem die von vorn nach 
hinten sich vollziehende Überwachsung des Dotterfeldes ihren Fort- 



Digltized by Google 



72 



Fünftes Kapitel. 



gang nimmt (Fig. 50 D); noch später wandelt er sich in einen kaum 
wahriu'hnihanMi Spalt um (Fig. .V.»^), der mit der Liingsachse des 
Kmhryo zusammenfilllt. 

Aus diesen Beobachtungen folgt, dafs der sichelförmige Urmund 
vom ersten Orte seiner Entstehung aus sich entlang dem Kande des 
Dotterfeldes vergröfsert und über die ganze untere FlSchi' des Eies 
allmilhlicli herllberwandert. Der eiste Ort entspricht dem Kopf-, der 
letztere dem Schwanzende des Embryo, wie el)enfalls die Beobachtung 
am fixierten lebenden F.i lehrt. Man vergleiche das jüngere Stadium A 
mit dem Alteren Stadium B (Fig. .'>0). Denn nur in geringer Ent- 
fernung vor der zuerst gebildeten Urmundrinne {A u) legt sich der 

vordere (juere Hirnwulst (ß) im 
weiteren Verlauf der Entwicklung 
an, der zum Hing geschlossene und 
schliel'slich in eine feine Längsspalte 
umgewandelte Urmund {B u) da- 
gegen läfst in seiner Umgebung als- 
bald die Schwauzknospe entstehen 
und wird mit seinem hintersten 
Abschnitt schliefslich zur Bildung 
des Afters verwandt. (Näheres hier- 
über in Kapitel IX.) Zwischen den 
so als Kopf- und Schwänzende ge- 
nauer bestimmten Punkten ist an 
der unteren Fläche des fixierten Eies 
der Teil der Gastrulawand gebildet 
worden, welcher zum Rücken des 
Embryo wird (Fig. .')!> B)\ denn es 
legen sich hier nach kurzer Zeit als 
Verlängerung des queren Hirn- 
wulstes nach hinten die MeduUar- 
wülste an. auf welche nachher noch 
genauer eingegangen werden wird. 
Wenn die schon früher für den 
Amphioxus entwickelte Ansicht das 
Rechte getrotten hat, ist der Rücken 
durch eine von vorn nach hinten 
exzentrisch erfolgende Verwachsung der Urmundränder entstanden. 
Die Linie, wo die Verwachsung stattgefunden hat, läfst sich, wie mir 
scheint, auch später noch an einer feinen, von vorn nach hinten 
zum Urnmndrest verlaufenden Furche, der sofienannten Rückenrinne 
(Fig. öf B), erkennen, zu deren Seiten dann etwas sjiäter die Medullar- 
wülste hervortreten. 

In der Umgebung der Urmundränder bald nach ihrer ersten An- 
lage sowie später in der Umgebung der Rückeurinne spielen sich 
die wichtigsten Entwicklungsprozesse ab, nehmen die mittleren Keim- 
blätter, die Chorda und das Nervenrolir ihren Ursi)rung, wobei sich 
wieder zwischen den Amphibien und dem Amphioxus die wichtigsten 
Vergleichsi)unkte und Homologien ergeben. 

Ehe noch die riastrulati(m zum Abschlufs gelangt ist. gewisser- 
malsen in ein«M- zweiten Phase derselben, wie auf S. gesagt wurde, 
schiebt sicii in der l ingebung des zum Ring geschlossenen Unnundes 
eine Masse kleiner i)olygonaler Zellen in den Spalt zwischen äufsereni 



Google 




Fig. 59. Zwei Proacheier auf 
zwei verschiedenen Bntwicklungrs- 
stadien. 1.4 iinil C am lti-<.Miin der 
(iastrulation, Ii und J) am Aitschliifs 
dfrsellx*!!.) Sie wiirdt'ii liakl iiarh der 
]ii*fruchtiing 7.\vi.schen hori/.untalen 
<ihi8|)latten koiniiriiniert und dadiircli 
in ihrer Lage fixiert. 

B älrercs Stadiuni von A, D ältcreB 
Stadium von C, u l'rniund, * Kopfende, 
-f- spateres hintere.s Knde des Eies. 



l>ic Lehre von den Keimblättern. 



78 



KeimMatt und DarmdrOsenblatt hinein und erzeugt zwischon beiden 
eine neue trennende Mittelschicht, den MesoMast. Den Bej,Mnn dieses 
Vorgangs zeigt uns Fig. 00, ein Frontalscluiitt durch eine dastruhi 
vom Axolotl, ein sclion illteres Stadium die ?'ig. <'>1. ein Durchschnitt 
durch einen Tritonenibryo mit schwach ausgeprJigter Rückenrinne, 
dessen Urmund sich schon in einen kleinen l.ftngsspalt uinge- 
waudelt hat. 

Seiner Entstehung gemäls geht das mittlere Keimblatt in der 
Umgebung des Urmundes nach aulsen in das äulsere KeimMatt, nach 
innen in das Darmdrllsenldatt über. Wir wollen diese Übergangs- 
stellen als rrmundlippen und ürdarmlippen bezeichnen. Zwischen 
beide Lippenbildungen dringt bald mehr, bald minder deutlich, bald 
mehr, babl minder weit ein schmaler Spalt (Fig. 61) vom Urdarm in 
das mittlere Keimblatt 
hinein und zerlegt es in 
ein viscerales (mA-) 
und ein parietales Blatt 
(/oA 'i. Wenn wir uns die 
Spalte noch tiefer in den 
Me.^oblast verliingert 
denken, so erhalten wir 
eine in Fig. «»3 darge- 
stellte Grundform, von 
welcher sich die Ent- 
wicklung des mittleren 
Keimblattes der Wirbel- 
tiere ableiten und an 
welcher sie sich leicht ver- 
ständlich machen lAfst. 
Die mittleren Keimbliltter 
sind, wie beim Amphioxus, als die Wandungen von Taschen, die durch 
Ausstülpung entstanden sind, aufzufassen. Dir Hohlraum {Ui) ist die 
Leil>eshfthle , die mit dem Urdarm in der Umgebung des Urmundes 
zusammenhängt. Dire W^andung lilsst sich einteilen in ein parietales 
DIatt m/i') uud in ein die Dottermasse überziehendes viscerales 
Blatt {ni/c-}. Ersteres schhlgt sich am Urmund in das äulsere Keim- 
blatt um, letzteres geht in die Dottermasse oder in das sekundäre 
innere Keimblatt über. Es ist eine in der Entwicklung häutig zu 
beobachtende Erscheinung, dafs Falteubildungen eines Keimblattes 
längere Zeit keine Höhle erkennen lassen, die erst später hervortritt. 
Man spricht in solchen Fällen von geschlossenen Falten, das 
heifst Falten, deren beide Blätter dicht aufeinanderliegen. 

Wenn diese Ansicht richtig ist. dann sind auch bei den Am|)hil)ien 
die mittleren Keimblätter, wie beim Amphioxus, auf Urdarni- 
divertikel zurückzuführen. Ein Unterschied zwischen Amphioxus 
und den Amphibi»^n besteht vornehmlich in der Zeit, in welcher sich 
die Urdarmdivertikel anlegen. Bei Amjihioxus ist die (lastrulation 
beendet, bevor die Coelomtaschen auftreten, die sich demgemäfs hier 
deutlich durch Faltenbildung der Urdarmwand entwickeln Bei den 
Amphibien, wie überhaupt bei allen übrigen Wirbeltieren, ist infolge 
des langsameren, durch den Dottergehalt des Eies bedingten Al)- 
laufes (1er Gastrulation diese noch in vollem Gange zur Zeit, wo sich 
schon die Leibessäcke aus einem Zellenmaterial bilden, das auch v<m 




Vifi. TiO. Frontalschnitt durch eine Oaatrula 
vom Axolotl vom Stadium VHI, nach liKACHKT. 

Urmund (bhistopo -is,. .-1 l rdarm. A'aufseres, 
// inneres, 31 mittleres, Keimblatt. 



74 



Fünfkea Kapitel. 



außen nach innen pinwandert. So erscheint jetzt die Entwicklung 
der mittleren KeinihliUter gewisserniafsen als eine zweite Phase der 
Gaftrulation. In der ersten Phase werden hauptsächlich die Dotter- 
zellen, welche zur Begrenzung des sekundAren Darms dienen, in der 
zweiten Phase kleinere Zellen, die aus der Gegend der aninialen 
HiUfte der Keinihlase stammen, eingestülpt derart, dafs sie sich vom 
seitlichen und hinteren Rand des Urmundes aus, also in einen« liall)- 
bogen, der kopfwärts offen ist, in den Spalt zwischen dem zuerst ein- 
gestülpten Dottermaterial und dem äufseren Keimblatt hinf inschit^ben. 

Bei dem Tritonenibryo, dem der Durchschnitt (Fig. Gl; ent- 
nommen ist, sowie überhaupt bei älteren Amphibieuemhryonen, deren 
Urniund sicli schon zu einem kleinen Ring oder Spalt verengert hat, 
ist das mittlere KoiiiiMatt auch noch in einer vor dem rrmund ge- 
legenen Strecke ausgebreitet [und bietet hier Befunde (Fig. ü2) dar 




Fig. 61. Qaeraohnltt dnroh den Urmand etnee Ihnbryo 7011 Triton 

mit Bchwach ausgeprägter Rückonrinne. 

Fig. (}2. Querschnitt durch dio Qegend etwas vor dem Urmund von 
daiDMlben Embryo wie in Flg. 61. 

fi^-, ik iiiifstTcs, inneres Keimblatt, »»lA', mk* parietnle und viscerale Lamelle 
des mittleren Keimblattes, Unnund, ds Dotlericelleo, dp Dotterpfropf, dh Dann- 
höhle, dt Chordaanlage, !>, F doraal, ventr^ 

die dem vom Amphioxus beschriebenen in vieler Beziehung gleichen. 
Eb ist in zwei Hftlften zerlegt durch einen sclimalen, vor dem Ur- 
mund gelegenen Streifen der Rückenwand , der nur aus zwei Keim- 
blättern besteht, aus (lern ilufscren Keimblatt (nl-), das sich hier zur 
Nervenpiatte venlickt. und aus einer unter ihr ausgebreiteten ein- 
fachen Lage von Gylinderzellen (eh), welche der Gbordaanlage von 
Amphioxus entspricht. Beiderseits von der Chordaanlage ist das 
mittb're Keimblatt {nik^, anzntretien , indem es die beiden pri- 

mären Keimblatter trennt. Ks besteht aus zwei Lagen kleiner, 
rundlicher Elemente, von denen die ftuCsere (mit>) eich in die 
Chi)r(ia:inlage {rh) fortsetzt, die innere Lage ml-) Anschlufs an das 
Darniilnisenblatt (// ) tiiulet. welches mit freiem Rand liiürs und rechts 
von der Chordaanlage aufhört. 

Wenn wir uns vorstellen, dafs in der Figur 62 die beiden Zellen- 
lagen, aus denen die mittleren Keimblätter links und rechts von der 



Dlgitized by Google 



Die Lehre von den KeimblHttern» 



75 



Chordaanlage bestehen, durch einen Spalt, wie in dem Umkreis des 
Urnuindes (Kig. (i.'i). getrennt seien, so erhalten wir das in Figur (»4 
dargestellte Schema. Mit dem l'rdarm sind links und rechts von 
der Chorda an den mit zwei Sternchen (*) l>ezeichneten Stellen zwei 
Aussackungen verbunden, die Coelomsftcke (//»), welche sich nach 
hinten in die den Urmund ringförmig umgehende Tasche fortsetzen. 
Das viscerale, mittlere Keimblatt mit dem anliegenden Danndrüsen- 
blatt , in welche es sich zu beiden Seiten der Cliordaanlage (*) um- 
schlägt, bildet eine Art Seheidewand, welche als Urdarmfalte be- 
zeichnet werden kann und den Urdarm in drei RiUime zerlegt , in 
den bleibenden oder sekundären Darm mIIi ^ und in die beiden Leibes- 
höhlen (/A). Das Schema ist leicht auf den Querschnitt durch einen 
Amphioxus-Embryo (Fig. h^) zurttckzuführen, wenn wir uns bei ihm 
au der ventralen Seite das einfache Epithel durch Dotteransammlung 




Fig. Kig. CA. 



Zwei Schemata für die Entwicklung der mittleren Keimblätter und 
der Leibeshöhle bei den Wirbeltieren. 

Fig. Querschnitt durch den Urmund eines Embryo; Fig. 64 etwas 
vor dem Urmund. 

M rriiiiind, u(l Fnlarni, Ih Leiheshtthlr, tUi Harinhohle, */ Dotter, nk äiifseres 
Keimblatt, wA', mk^ parietale und viscerale Lamelle des mittleren Keimblattes, 
mp Medullarplatte, ch Cliordaanlage. 

verdickt und die beiden kleinen Leibessäcke {Ih) eine gröfsere Strecke 
weit nach abwärts zwischen Dottermasse und äufseres Keimblatt 
hineingewachsen denken. 

Bei den Am|>hibien läfst sich also das mittlere Keimblatt mit 
den Gegenden, in welchen es mit dem Darmdrüsenblatt längere Zeit 
zusammenhängt, wie uns die (ieschichte seiner Entstehung gelehrt 
hat, in zwei Abschnitte zerlegen: in einen Abschnitt, der sich zu 
beiden Seiten der Chorda ausbreitet, und in einen zweiten, der den 
Urmund umgibt. Der eine kann als parachordaler oder gast raier, 
der andere als peristomaler Mesoblast bezeichnet werden. Doch 
kon)mt dieser Unterscheidung nur eine topographische, keine tiefere 
genetische Bedeutung zu. Denn da nach unserer, schon früher (S. 
u. 72) besprochenen Ansicht sich der Urmund von vorn nach hinten 
schliefst, und da sich die Chorda im Bereich der Nahtlinie bildet, so 
ist klar, dafs ursprünglich der parachordale Mesoblast ebenfalls durch 
Einfaltung an den Urmundrändern entstanden ist, zur Zeit, als sie 



76 



i- unftes Kapitei. 



sich noch nicht in der Nahtlinie verbunden hatten. Oder in anderen 
Worten: ein mittleres Keimblatt, welches auf jniiperen Entwiclchinprs- 
stadien peristomal liegt, wird auf vorgerückteren Stadien parachordal 
oder gastraL Bei den Wirbeltieren entsteht das mittlere Keimblatt 
Oberhaupt nur dnreh Einfaltung in der Umgebung der Urmundrftnder. 

Der Leser wird die Umwandlung des peristomalen in den 
paracliordalen Mesublast sich leicht verständlich macheu könneu« 
wenn er in den Figuren 61 und 63 sich die Rftnder der beiden Ur* 
mundlippen zusammenlegen, verschmelzen und in der auf S. 00 he- 
schriel)enen Weise noch weiter umwandeln Iflfst. Es wird so das 
eine (Fig. <>3) iu das andere Schema (Fig. 64; übergeführt. 

Im Laufe der weiteren Entwicklung wird an den Stellen, wo 
jetzt noch ein Zusammenhang zwischen Mesoderm-, Chorda- und 
Darmanlnfie besteht, später eine jollstnndip^e Sonderung derselben 
herbeigeführt. Hierbei tritt die Übereinstimmung mit. den beim 
Amphiozus erhaltenen Befunden noch schftrfer hervor. 

Der Sonderuiifisprozers wird hei Triton zunächst dadurch ein- 
fjeloitet. dufs sich die Chordaplatte einkrümmt und znrChordn- 
rinne wird (Fig. tiö ch). ludern sie sich hierbei au ihren Rändern 
kontinttierlicb in die parietale Lage des mittleren Keimblattes (mk*) 
fortsetzt, entstehen an der Decke des Urdarms die beiden kleinen 
Chordafalten, welche die Rinne zwischen sich fassen. Mit ihren freien 
Rändern stofsen sie dicht an den Umschlagsrand, an welchem die 
viscerale Lamelle des mittleren Keimblattes (mk*) in das Darm- 
drfisenblatt (ih) umbiegt und die Darmfalte bildet. Man vergleiche 
hiermit das entspre» lifvid- Stadium vom Amphioxus (Fig. 53). 

Auf einem uäeb:»U(jlgendeu Stadium (Fig. (iti), in welchem sich 
die verdickte, aus langen Cyltnderzellen bestehende Medullarplatte 
deutlich von den kleiner gewordenen, kubischen Elementen des Horn- 
blattes absetzt, beginnt sich das mittlere Keimblatt an der Ein- 
stülpungsstelle von seiner Umgebung abzuschnüren; die parietale 
Lftmelle löst sich von der Chordaanlage, desgleichen die viscerale 
Lamelle vom Darmdrüsenblatt ab, uiul beide verschmelzen hierauf 
mit ihre!» abpjelösten Rändern untereinander. Durch diesen Vorjrnng 
ist die Anlage des Leibessackes oder des mittleren Keimblattes nach 
allen Seiten eine in sich abgeschlossene und von der Umgebung ge- 
trennte. Gleichzeitig haben sich Cliordaanlage (ch) und Darmdrüsen- 
blatt (ik) ebenfiills wieder wie auf dem Durchschnitt durch einen 
Amphioxus -Kmbryo (Fig. 54) mit ihren freien Rändern aneinander- 
gelegt, so daf^ erstere wie eine Verdickung des Darmdrfiseublattes 
erseheint und noch eine Zeitlang an der oberen Begrenzung des 
Darms teilnimmt. 

Auch dieses Stadium verändert sich rasch durch einen zweiten 
Sondernngsprozefs. Die zu einem soliden Stab umgebildete Chorda- 
anlage wird nach und nach von der Begrenzung de& Darms aus- 
geschlossen fFig. HT). dadurcli. dals unter ihr die aus irrofsen Dotter- 
zellen zusammengesetzten Hälften des DarmdrUsenblattes (ik) einander 
entgegenwachsen und in einer medianen Naht verschmelzen (siehe 
Amphioxus, Fig. 55). 

S c h 1 VI fs des bleibenden Darms au der R c k e n s- e i te , 
Abschnüruug der beiden Leibessäcke vom inneren Keim- 
blatt und Entstehung der Chorda dorsalis sind somit 
bei den Amphibien, wie beim Amphioxus Prozesse, die 



Digitized by Google 



Die Lehre von den Keinibliittcrn. 



77 



a uf (las innigte ineinandergreifen. Auch iiier beginnt 
die Abschnürung der genannten Teile am Kopfende des 
Embryo und schreitet langsam nach hinten fort. Am 
hinteren Ende aller Wirbeltier-Embryonen aber bleibt 
noch lange Zeit eine Neubildungszone bestehen, durch 
deren Vermittlung das Längenwachstum des Körpers 
bewirkt wird. 




ch 



Vif. H5 — f)7. Drei Queraohnitte aus einer Sohnittaerie durch einen 
Triton-Embryo, an welchem die Medullarwülste hervorautreten beginnen. 
Die ^chiiitto illustrieren die Kiitwirklung der Chorda aus der Chordaanlage und 
die Abschnürung der beiden Hältten des mittleren Keimblattes. 

ak, ik, mk\ wiA'* wie oben, mp Medullar])latte, mf Medullarfalten, ch Chorda, 
Ih Leibeshuhle. 

Jetzt tritt auch bald der Zeitpunkt ein , auf welchem bei den 
Embryonen der Tritonen die Leibeshöhle sichtbar wird. Denn nachdem 
die Abschnürung der oben namhaft gemachten Orgaue vollendet ist, 
weichen die beiden mittleren Keimblätter am Kopfende des Embryo und 
zu beiden Seiten der Chorda (Fig. 08) auseinander und lassen eine linke 
und eine rechte Leibeshöhle (Enterocoel) hervortreten, welche auf den 



78 



Fünftes Kapitcl.j 



vorhergehenden Stadien nach meiner Auffassung nur wegen <ler innigen 
gegenseitigen Berührung ihrer Wandungen nicht zu erkennen war. 

Noch ein Wort über die erste Anlage des Centrainervensystems 
bei den Amphibien. Wie gastral von <ler Nahtlinie der Urmundnlnder 
die Chorda, so entsteht nach aulsen von ihr die Nervenplatte. Links 
und rechts von der Kückenrinne, welche die ursprüngliche Lage der 
Nahtlinie auch noch sjulter andeutet (Fig. 59 B), verdickt sich das 
Äufsere Keimblatt längs zweier schmaler Streifen , indem die Zellen 
sich in die Länge strecken und cylindrisch werden (Fig. 05—07); es 




Vif^. C>8. Querschnitt durch ein Ei von Triton, dessen Medullarfurche 
dem Verschlurs nahe ist. 

ViK. ''>9. Querschnitt durch ein Ei von Triton mit geschlossenem 
Nervenrohr und wohlentwickelten Ursegmenten. 

»n/" Medullailalten , mp Mediillarplattf , n Xerveiirohr, ch Chorda, ej) Kpi- 
deniiis oder lloniblutt , mk mittleres Keimblatt, rwA' parietales, mk* visierales 
Mittelblatt, iuuen's Keimblatt, ush I rsegmeiithohle. 



grenzt sich scharf am Hornblatt ab, in dessen Bereich die Zellen 
kubisch bleiben oder sich mehr abplatten. Die aus zwei Hälften deut- 
lich zusammengesetzte MeduUarplatte wftchst rascher als ihre Um- 
gebung und krümmt sich hiüri)ei zu einer tlaciien Rinne, der Medullar- 
furche, ein. Diese wird allmählich tiefer. Die Ränder der MeduUar- 
platte, an welchen sie sich an das dünne Hornblatt fortsetzt, hel)eK 
sich allmälilit'li deutlicher über die Oberfläche des Kies empor und 
bilden die für diese Periode charakteristischen Medullarfalten oder 
Medullarwülste (Fig. 08 mf). Später wachsen diese einander entgegen 
und legen sich so zusammen, dals die Furche zu einer Röhre wird, 
<lie durch einen engen Längsspalt vorübergehend noch nach aufsen 




Die Lehre von den Keimblitteni. 



79 



fieöffnet ist. Schlierslich schwindet auch der Spalt (Fig. (ü' . tlic 
Kandel- der Falten verwachsen ganz; das geschlossene Medullarrohr 
<n) löst sich hierbei in der auf S. «5<> besprochenen Weise längs der 
Verwaclisiuigsstclle odtM" Naht von der ZelhMinieinliran . von ilor es 
ursjirünglit'li ein liest andteil gewesen ist, Vüüstüudig ab und wird zu 
einem ganz selbstiUidi^en Organ {u}. 

Hierbei kommt es auch bei den Amphibien ebenso wie beim 
Anipbioxus zur Bildung eines Canjilis neurentericus. Die beiden 
Hälften der Medullar- 

Slatte und später die 
tedttUarwOlste um- 
wachsen. \v( iin sie sich 
v«m vorn nach hinten 
vergröfsern , den Uest 
des Urmiindes; da nun 
zuletzt auch in dieser 
Gegend die Mediillar- 
rinue sich zum Kohr 
schliefst, mufo sieb der 
T^'rniund in letzteres 
ötTnen und zu der als 
Caualis ueureutericus 
bekannten, schon beim 
Ami)hioxus (Fig. riii) ]>e- 
schriebeuen Verbindung 
zwischen Darm und 
Centraikanal des RQckenmarks werden, welche auf dem nebenstehen- 
deu Lilugs durchschnitt durch einen älteren Embryo von Bombinator 
(Fig. 70 nv) auf das deutlichste zu sehen ist. (Genaueres hierüber in 
dem Kapitel IX.) 



Für die Lehre vom exzentrisch erfolgenden rrmundversclilufs 
liefern Mifsbildungen , die sich liei den Amphibien leicht gewinnen 
lassen, eiu schwer ins Gewicht lullendes lieweismaterial ; daher sei 
hier auf dasselbe in aller Karze noch etwas nfther eingegangen. 
Durch künstliche Eingriffe kann man es erreichen, dafs bei Frosch- 
eiern zwar der eine Teil der Gastrulation, das Einwandern (Invagina- 
tiüu) von Zelleumaterial, vor sich ^eht, dagegen infolge eiuer gewissen 
SchAdigung des Eies der exzentrische Verschlufs des Urmundes ent- 
yreder ganz oder teihvei>e unterbleibt. Unter diesen Umständen 
bilden die rrmundriuider i'inen grol'seii Bing, der das ganze Dotter- 
feld einschliefst und gleichsam als einen enorm entwickelten Husconi- 
8chen Dotterpfropf von aufeen sichtbar bleiben läfst. Trotz der Hem- 
mung des Urmundschlusses. durch welche die ganze Bückengegend 
des Embryo nicht ziistande gekommen ist. gehen die Difterenzierunijs- 
prozesse in dem Zellenmaterial der Urmumlniuder, welche den Kucken 
durch ihre Verwachsung hfttten bilden sollen, weiter vor sich; nur 
entsteht jetzt auf der rechten und linken Seite des Unnuudringes 
eine halbe Medullarplatte, eine halbe Chordaanlage, nur eine Beihe 
von Ursegmeuteu, über deren Bildung erst das sechste Kapitel 
handelt. 

Eine derartige, für die Biclitigkeit der Urmundtheorie überaus be- 
weiskräftige Hemmungsmü'sbildung, welche übrigens zuweilen auch 




Fitr. 70. liänffBclurchschnitt durch einen 
älteren Embryo vom Boaibinator. Nach Gottl. 

m Mund, an After, / LeJuir, nv Caiialis neuren- 
tericuSf MC MedttlUrrolir, d» Chorda, pn Zirbeldrase. 



Digitized by Google 



80 



Fünftes Kapitel. 



im Freien j;esaiiinielte Froscheier zeigen, ist in den Fig. 71 u. 72 ab- 
gebildet. Fip. 71 gibt eine Ansicht des ganzen uiilsgebihleten Frosch- 
Knibryo. Man kann an dem ovalen, eine tiach«' Schüssel darstellenden 
Gebilde Kopf- und Schwanzende (k u. nr) deutlich unterscheiden. Au 
erstereni ist der vorderste Teil der von dicken Medullarwülsteu um- 
gebenen Ilirnplatte entstanden, an deren hinterem Rand eine VAu- 
senkung in die Kopfdarmhöhle führt (M). Hinter ihr ist die ganze 
Ilückengegend durch einen Schlitz geöftnet. durch welchen der Nah- 
ruugsdotter nach aufsen hervorsieht. Rings umschlossen wird der 
grofse, den olTen gebliebenen Urmund ausfüllende Dotterpfrojif vom 
Urmundrand u/r), der die Hirnwülste nach hinten weiter fortsetzt 
und selbst stark verdickt ist, weil er sich schon in verschiedene 
Organe differenziert hat. Denn wie der Querschnitt (Fig. 72) lehrt, 
welcher etwa durch die Mitte des in Fig. 71 abgebildeten Embryo 
hindurchgelegt ist, betindet sich der Urmundrand schon auf einem 
weit vorgeschrittenen Embryonalstadium; er hat sich in eine halbe 




Kig. 71. Fig. 72. 



Fig. 71. Mifsgebildeter Prosch-Embryo mit hocbgradiger Urmund- 
spalte. vom Rücken aus gesehen. 

k Kopf, kil Eiiifjang in die Kopfdarmhöhle, «r l'rmuudrand. ar Afterrinne, 
d Kingang in den Knddarm. 

Fig. 72. Querschnitt durch das hintere Drittel des Rumpfes der in 
Fig. 71 abgebildeten Mifsbildung. 

»i;* .Medtillar])latte, r Verbindungsstelle der Mcdullarplattc mit dem Dotter, 
ch Chorda, mk mittleres Keimlilatt. 

.MeduUarplatte (tnp), in Chorda {ch), mittleres Keimblatt (ml) und 
Ui-segmente gesondert. 

Zu Gunsten unserer Urmundtheorie spricht ferner noch in hohem 
Malse die Beobachtung, dafs Hemmungsmifsbildungen des Frosches, 
welche die in den Fig. 71 u. 72 abgebildete, hochgradige Urmund- 
spalte zeigen, sich nachträglich noch in nahezu normale Embryonen 
umbilden können. F.s wachsen ihre getrennten Organhillften nach- 
träglich noch in der Weise, wie es bei normalem Verlauf die Urmund- 
rilnder tun , ül)er das Dotterfeld von links und rechts nach der 
Medianebene hinüber und beginnen allmilhlich von vorn nach hinten 
zu verschmelzen, linke mit rechter RückenmarksiWllfte , linke mit 
rechter Chordaliälfte. 

Solche zur Norm zurückkehrende ftltere Miisbildungen sind in 
den Figuren 7:i und 74 in einer Totalansicht und auf einem Quer- 
schnitt abgebildet. In Figur 73 ist das Kopfende und der der Brust- 
region etwa entsjirechende Abschnitt des Rumpfes im ganzen normal 
gebildet, dagegen zeigt sich noch in der liegend der Lenden- und 



Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



81 



Sacralregion eine Spaltung der dorsalen Achsenor^rane und eine 
Öffnung, die einen runden Dotterpfropf einschliefst und sich schon 
dadurch deutlich als erhalten gebliebener Rest des Urmundes (Blasto- 
porus) zu erkennen gibt. Ein Querschnitt etwas vor dem I rmund- 
rest (Fig. 74) zeigt, dafs die Anlagen von Chorda- und Nervenrohr 
noch doppelte sind, aber im Vergleich zum Querschnitt durch ein 
früheres Stadium (Fig. 72) schon näher nach der Medianelx^ne des 
Rückens zusammengetreten sind. Hierbei hat sich jede der in Fig. 72 
zusammengekrümmten halben Mcdullarplatten für sich zu einem Rohr 
geschlossen. Wenn man die Schnittserie, welcher die Fig. 74 ent- 

Fig. 73. Ältere Mifs- 
bildung von Rana fusca 
mit Urmundapalte vor 
dem Schwanzende, nach 
Hkriwio. 

k' Kopf, d Dotterpfropf, 
ur Lrmundrand, ar After- 
rinne, n Naht. 

Kifr. 74. Querschnitt 
durch eine ältere MLTs- 
bildunfc von Rana fuaca 
mit Urmundapalte et- 
was vor dem Dotter- 
pfropf, nach Hektwic. 
rh Chorda, d Dann, 




mr 




Fig. 73. 



Fig. 74. 



zwischen beiden RUckenmarkshälften (mr). 



US Ursi'gnient, icf) Wolff scher Gang, v Verbindung 



nommen ist, weiter kopfwärts verfolgt, so sieht man die doppelten 
Anlagen von Chorda und Rückenmark immer nslher aneinanderrücken, 
bis sie sich berühren und schliefslich zu einem einfachen Chordastrang 
und einem einfachen Nervenrohr verschmelzen. 

Ähnliche Mifsbildangen . wie sie bei Froscheiem beobachtet sind, 
kommen auch bei Fischen (Forellen) und bei höheren Wirbeltieren 
(Hühnchen), zuweilen selbst beim Menschen, vor und sind hier unter 
dem Namen Spina bifida bekannt. Sie sind von um .so gnifserem Interesse, 
als sie, wie oben gezeigt wurde, auf der gehemmten Entwicklung eines der 
ältesten und primitivsten Organe des Wirbeltierkörpers , des Urmundes, 
beruhen, numlich auf dem Ausbleiben seines normalen Verschlusses. 



3. Die Keimblattbildung bei deu Fischen. 

Die eigentümliche, für die meroblastischen Eier beschriebene 
Zusammensetzung der Keiniblase (S. 4-3, Fig. 39) 1) aus einem zelligen 
Abschnitt der Wand, welcher der Decke der Amphibienblastula ver- 
gleichbar ist, und 2) aus einem nicht in Zellen zerlegten, zuweilen 
aufserordentlich mächtig entwickelten Nahrungsdotter ruft natur- 
gemilfs auch in der Art und W^eise, wie sich die Keimblätter anlegen, 
erhebliche Modifikationen hervor. Der Nahrungsdotter verhält sich 
in der weiteren Entwicklung rein ])a8siv; er wird allniiililich flüssig 
gemacht und zur Ernährung der Zellen des Keims bei seinem raschen 
Wachstum verwandt. Einzig und allein an dem in Zellen zerlegten 
Abschnitt der Keimblasenwand spielen sich die weiteren Bildungs- 
prozesse ab. Dieselben sind bei den Fischen, besonders aber bei den 
Selachiern, noch am leichtesten zu verstehen und von den für 

U. U«rtwig, Die Eluineute der EntwicklungHleliro. i. Aull. 6 



82 



Fünftes Kapitel. 



die Amphibien beschriebeuen Verhältnissen al)zuleiten. Sie führen 
nach drei Dichtungen zu folgenden Veränderungen: 

1) Der zellige Keim beginnt sich Schritt für Schritt weiter in 
der Fläche auszubreiten, dal)ei wird er in zwei, später in vier Keim- 
blätter gesondert. In den Anfangsstadien dieser Umbildung liegt er 

als Scheibe mit scharf abgesetzten Rändern 
dem Nahruugsdotter auf (Fig. 7')). Während 
in einem kleineu Bezirk der Scheil)e die 
Primitivorgane des Embryo, Nervenrohr, 
Chorda, Ursegmente u. s. w., angelegt 
werden, wachsen die am Rande stark ver- 
dünnten Keimblätter immer mehr über deu 
Nahrungsdotter herüber und hüllen ihn 
schliefslich allseitig ein. 2) Die Entwick- 
lung der Keimblätter vollzieht sich in der 
Weise, dafs es am hinteren Rande des 
zelligen Keims zu einer Einstülpung kommt, 
die zur Anlage des inneren Keimblattes 
führt. Somit wandelt sich auch hier die 
Blastula zu einer Gastrula um. Hieran 
schliefst sich in kurzer Zeit die Einstülpung 
der mittleren Keimblätter an. 3) Wie bei 
den Amphibieneiern findet auch hier, von 
dem zuerst entstandenen Teil des Urmundes 
ausgehend, eine exzentrisch von vorn nach 
hinten fortschreitende Verwachsung der 
linken mit der rechten Hälfte seines Randes 
statt und bildet sich in dieser Weise der 
dorsale Embryonalbezirk aus, in welchem 
weiterhin Chorda, Nervenrohr und Ur- 
segmente angelegt werden. 

Zu dieser kurzen Übersicht sind noch 
einige erläuternde Bemerkungen hinzu- 
zufügen. Schon bei Betrachtung der Ober- 
tläche sowie an Durchschnitten (Fig. 7i») 
kann man an dem sich vergröfsernden 
Keim, der gleichsam wie ein l'hrglas über 
der Keinil)lasenh(ihle (B) mit seinen Rändern 
dem Nabrungsdotter aufliegt, bald zwei 




Fig. 75. Ei von Scyllium 
oanicula mit einem zelli- 
gen Keim , der schon in 
zwei Keimblätter geson- 
dert ist und am hinteren 
Randbezirk die erste An- 
läge der Medullarplatte 
zeig^. Photugrumin des ana- 
tomisch-biologischen Instituts 
nach einem I'ruparat des 
Herrn Jablunowbki. 




Kit;. Medianschnitt durch eine Keimblase von Fristiurus, an 

welcher die QustruiaeinBtülpung beginnt. Nach Huokert. 

ud Erste Anlage des Urdarnis, B Kcimblasenhnhlo, dk Dotterkeme, /// fein- 
körniger l>otter, gd grubkorniger Dotter, F vorderer, //hinterer Rand der Keinihlase. 



Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



83 



Bezirke unterscheiden, einen vorderen Bezirk ( V). der dünner und dalier 
durchsichtiger ist, und einen hinteren Bezirk (H), der zellenreicher 
ist, dunkler erscheint und einen dickeren Rand hesitzt. der sich bald 
durch eine tiefere Rinne vom Nahruugsdotter schilrfer abgrenzt. 
Vom hinteren verdickten Rande geht die Entwicklung des inneren 
Keimblattes aus; es bildet sich an ihm, wie der Durchschnitt zeigt, 
zuerst eine kleine Einstülpung (ud) aus, die sich allmilhlich weiter 
vertieft (Fig. 77). Der hintere Teil des Keims ist infolgedessen eine 
Strecke weit zweiblätterig geworden. Zwischen dem eingestülpten 
oder unteren Keimblatt und dem Nahrungsdotter ist ein enger ürdarm 



tk ms en ek dl 




d9 d9 

Fig. 77. Mediansohnitt durch die in Fig. 79 abgebildete Keimhaut. 
Nach ZiKOLKR. 

ek Aufseres Keimblatt, en inneres Keimblatt, ud Urdarm, ds Dottersyncytium, 
dl dorsale L'rmundlippe, ms Mesenchym. 



entstanden, der mehr und mehr die Keimblasenhöhle verdrängt (Fig. 77 
ud). Der hintere Rand der Scheibe, an welchem sich die Einstülpung 
von dem Punkt, wo sie begonnen hat. zu beiden Seiten Schritt für 
Schritt weiter ausdehnt, und an welchem sich das äufsere (ek) in 
das innere Keimblatt {en) umschlägt (Fig. 77 dl), entspricht demnach 




Fig. 78. Querschnitt durch den in Fig. 70 abgebildeten Selachier- 
keim entsprechend der Linie sch. Nach Zikolbr. 

ak Aufseres, ik^ inneres Keimblatt (('hordaentoblastX ik* innere» Keimblatt, 
mk mittleres Keimblatt, •* Mesodennbildiingsrinne, von welcher das mittlere Keim- 
blatt einwächst. 

der vorderen Urmundlippe der Amphibiengastrula (Fig. .57 dl). Die 
l'rmundrinne bildet einen mit der Konkavität nach vorn gerichteten 
Halbbogen. 

Auch in der .Entstehung des mittleren Keimblattes läfst sich ein 
hoher Grad der Übereinstimmung mit dem Verlauf der (iastrulation 
bei den Amphibien feststellen. Denn ])ald nach der ersten Anlage 
des kopfwärts gerichteten Urdarnisäckchens beginnt auch schon das 
mittlere Keimblatt aufzutreten, an welchem wir im weiteren Verlauf 
ebenfalls einen peristomalen un<i einen gastraleu Abschnitt unter- 
scheiden können. An dem verdickten Urniundrand (Fig. 78) wächst 
eine kompakte kleinzellige Masse (wjA) in den Raum zwischen den 

6* 



84 



Fünftes Kapitel. 



beiden priniüren Keimblättern hinein längs einer tiefen Rinne (*), 
welcher man den Kamen Coelonibucht oder Mesodermbildungsrinne 
gegeben hat. Sie entspricht dem Spalt, welcher bei den Amphibien 
in der Umgebung des Blastoporus in dns mittlere Keimblatt eindringt 
und die früher unterschiedene Urmundlippe von der Darmlippe trennt 
(Fig. Gl und Text auf S. 73). Denken wir uns auf dem Durchschnitt 
die kompakte Zellenmasse, welche das mittlere Keimblatt vorstellt, 
in zwei Blätter gespalten, so erhalten wir zwei nach dem Umiund- 
rand sich öffnende Taschen, welche den beiden Leibessäcken (Fig. 03 
Ih) in dem für die Amphibien entworfenen Schema gleichen. Wir 
können uns das letztere so abändern, dafs es für die Verhältnisse bei 
den Selachieru ungefähr dienen kann , wenn wir uns den Dotter 
kolossal vermehrt, den Urmund zum höchsten (Irade ausgedehnt und 
den nicht aus Dotterzellen bestehenden Teil des Keimes flach über 
dem Dotter ausgebreitet denken. 

Auch bei den Selachiern läfst sich eine Reihe von Befunden zu 
. Gunsten der Ansicht verwerten, dafs am hinteren Rande des scheiben- 
förmigen Keimes bei seiner Ausbreitung in 




Fig. 79. Fig. >*0. 

Fig. 79. Oberflächenbild der vom Dotter abgehobenen Keimhaut 
eines Selachiers (Torpedo ocellata). Nach Zieuler. 

kh Keimblascnholile, mk Stelle, bis zu welcher am hinteren Ilande sich mitt- 
leres Keimblatt bildet, rk Kandkerbe, k Kopfende, querer Hirnwulst. 

Fig. 80. A, B, C Schemata, um die Verschmelzung der linken mit 
der rechten Hälfte des Urmundrandes in einer Itängsnaht bu zeigen, wo- 
durch die Rücken gegend des £!mbryo entsteht, in der sich die Aohsen- 
organe anlegen. 

Mit punktierten Kreislinien ist die zunehmende Gröfse der Keim.scheibe im 
Laufe der Entwicklung angedeutet. Die dunkelschwnrzen Linien bezeichnen den 
Urniundrand und den aus Verschmelzung seiner linken und rechten Hälfte ent- 
stehenden Zellenstreifen, aus dem sich dann Chorda, Nervenrohr, Ursegmentc sondern. 



der rechten Hälfte des Urmundrandes vor sich geht, von der Stelle be- 
ginnend, wo die erste Einstülpung aufgetreten ist. Schon bei Betrach- 
tung des Selachierkeimes von der Fläche ist eine charakteristische Ein- 
ziehung seines Randes zu erkennen, die unter dem Nauien der Rand- 
kerbe bekannt ist (Fig. 70 rÄ). In geringer Entfernung von ihr wird 
frühzeitig schon der vorderste Abschnitt der Nervenplatte als querer 
Himwulst (Fig. 70 u. Fig. 7.j) angelegt, entsiirechend den früher l»e- 
schriebenen Verhältnissen l)ei den Amphibien ( S. 72, Fig. r)0). Nach- 
dem so eine bestimmte Stelle des Keims als Kojifende zu erkennen 
ist, geht das weitere Wachstum des pjnbryo in der Weise weiter vor 
sich, dafs an den zuerst diflerenzierten Kopfabschnitt des Rumpfes 
Hand in Hand mit der Flächeuausbreilung der Keimscheibe sich die 



Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



85 



nächstfolgenden Abschnitte suceessive angliedern, zuerst die Hals-, 
dann die Brust-, die Lenden- und zuletzt die Schwanzregion, wobei 
der Abstand zwischen dem zuerst entstandenen queren Hirnwulst 
und der Randkerbe ein immer grölserer wird. Um zu veranschaulichen, 
wie bei diesem Wachstum eine von vorn nach hinten fortschreitende 
Verwachsung der links und der rechts von der Randkerbe gelegenen 
Hälfte des Urmundrandes vor sich geht, diene das vorstehende 
Schema (I'ig. 80), dessen beigedruckte Erklärung nachzulesen ist. In 
der so entstandenen, vorn vom Hiruwulst, hinten von der Randkerbe 
begrenzten Rttckengegen<l des Embryo sondern sich allmählich die 
einzelnen Achsenorgane, Nervenrohr, Chorda und zur Seite der letz- 
teren der gastrale oder parachordale Mesoblast, und zwar finden sich 
nach vorn immer die älteren, nach liinten die jüngeren Entwicklungs- 
i-tadien der betreffenden Organe, da, wie schon früher gesagt, die 
hinteren Teile sich erst später angliedern. 

Da vom Rande des scheibenförmigen Keims nur der hintere Ab- 
schnitt zur Bildung der Achsenorgane des Embryo in Beziehung 

»M/' wir 




Fig. 81. Querschnitt durch eine Embryonalanlage von Pristiurus 
melanostomuB (Stadiuni B von Balfol-b) aus der vorderen Hälfte. Nach Kabl. 

ak, ik, mk Aufsercs, inneres, mittleres Keimblatt, mk, »hA' peristomaler und 
caistraler Mesoblast, m/'Medullarfalte, tur Medullarrinne, ul L'rmumflipne, ** Coeloni- 
bucht oder Mesodermursprungsrinne, tl Dotter, dk Ootterkerue, ch Uhordaanlage. 

steht, habe ich ihn als den emhryobildenden und als Urmundrand 
bezeichnet und von ihm den vorderen A])schnitt, welcher bei seiner 
Ausbreitung in der Fläche nur den Nahrungsdotter mit dünneu Zell- 
schichten überzieht, als den Umwachsungsrand unterschieden. 

Eine Reihe von Querschnitten durch die Rückengegend liefert 
genau dieselben Bilder, welche wir schon bei der Entwicklung des 
Amphioxus und der Amphibien kennen gelernt haben. (Man ver- 
gleiche die Figuren 81 und 82 mit den Figuren «)2. tio — (10 vom 
Triton und den Figuren 52 — 55 vom Amphioxus.) Links und rechts 
von der Medianebene, wo auf einem früheren Stadium die Verwachsung 
der Urmundränder stattgefunden hat, besteht die Rückeugegend 
(Fig. 81) nur aus zwei Keimblättern, von denen jetzt das äuisere 
die zur Rinne umgewandelte Nervenplatte (>"r), das innere die Chorda- 
anlage (ch) geliefert hat. Zu beiden Seiten von diesen Anlagen Im^- 
ginnt der Keim dreiblätterig zu werden, indem an der mit einem 



86 



F&Bftes KapiteL 



Doppelstern bezeichneten Stelle mittleres Keimblatt cgastraler oder 
parachordaler Mesoblast) zwischen die beiden primären KeimblAtter 
hineinwächst. Die Stelle ist wieder mit einer tiefen Rinne verseluMi, 
welche der Coelonihuclit am Urmundrand entspricht, von welcher sich 
der peristomule Mesoblast entwickelt (Fig. 81 ** niÄ). Parachordale 
und peristomale Coelombucht gehen wie die von ihnen entspringenden 
Abfidinitte des mittlere Keimblattes beiderseits von der Randkerhe 

ineinander tiber. Auch dies Verhältnis 
spricht, abgesehen davon, dals man im 
Gronde der Randkerbe tatälehlieh eine 
Nahtstelle nachweisen kann, fttr die Rich- 
tigkeit der Lehre, dafs die Urmundränder 
von vom nach hinten verschmelzen. (Ur- 
mtmdtheorie.) 

Auf spateren Stadien wandelt sich die 
Nervenrinne in der bekannten Weise (siehe 
S. 78) zum Kohr um; die Chordaanlage 
wird zur stabfftnnigen Chorda (Fig. 82 cA) 
und wird vom Darmdrfisenblatt (ik) unter- 
wachsen; das mittlere Keimblatt (mk) löst 
sich aus dem Zusammenhang, der in Fig. 81 
an der mit einem Doppelsten bezdehneten Stelle mit der Chordaanlage 
und dem DarmdrOsenblatt bestanden hatte. 



4. Die Kelmblatibildmig M BeptUlen, Yftgelii lud SingetleM« 

a) Die ersten Stadien bei BeptUien tmd Vögeln. 

Bei den grol'sen, dotterreichen £iem der Reptilien und Vögel ist 
gerade iu den ersten Stadien die Untersuchung des Keimes mit be- 
ponderen teehnischen Schwierigkeiten verknüpft. Immerhin weisen 
auch hier manche Befunde darauf hin, dafs die Entwickluuj? des 
imu ren Keimblattes im wesentlichen nach demselben Prinzip wie bei 
den Amphibien und Selachiem vor sich geht, was bei dem jetzigen 
Stand der gesamten Keimblattfrage auch kaum anders zu er- 
warten ist. 

Wenn sich der zellige Keim beim weiteren Fortgang der Kiit- 
wicklung auf dem Nahrungsdotter in der Flüche mehr auszubreiten 
beginnt, wird seine Mitte dünner und durchsichtiger; unter ihr ent- 
steht durch VertlOssifiung des Dotters eine kleine Höhlung. Man 
kann jetzt bei Betrachtung von der Fläche (Fig. wie am scheiben- 
förmigen Keim l)ei den Fischen ein mittleres, kreisförmiges, etwas 
helleres Feld, iie Area pellucida oder den hellen FVuchthof der älteren 
Autoren (/»/ ), und einen tr{il)ereii. ringförmigen Rand, die Area opaca 
oder den dunkeln Fruchthof ((// ), unterscheiden. Die Unterschiede 
werden noch deutlicher, wenn man die Keimscheibe vom Dotter ab- 
präpariert und in physiologischer Kochsalzlösung betrachtet. Die 
weiteren Vorgänge sind bei den Reptilien leichter als bei den Vögeln 
und Säugetieren zu verfolgen und zu deuten. Man sieht bei ihnen 
in der Mitte der Keimliuul und des hellen Fruchthofs eine etwas 
weniger durchsichtige Stelle auftreten, welche bei Untersuchung des 
vom Dotter abgelösten Keimes auf schwarzem Grund weifslich erscheint 
(Fig. 84) und als das Embryonalschild {sch) unterschieden wird. 




Fi'_' Querschnitt daroh 
dieEmbryonalanlageeines 
Belaohiers. Nach Balpouk. 

ak, tA-, mk Aurseres, inneres, 
mittleresKeimblattiCÄChord«, 
wjf MedollMTplatte. 



Digitized by Google 



Die Lehre von den KeimbhUtern. 



87 



Es ist dadurch entstanden , dafs in seinem Bereich die zum Epithel 
zusammengefügten Zellen der Keimhaut höher geworden sind, erst 
kubisch, später cylindrisch, während umgekehrt in der Peripherie die 
Zellen sich immer mehr ahgetlacht haben und dementsprechend durch- 
sichtiger erscheinen. Bald ist an dem ovalen Schild auch ein 
vorderer und ein hinterer Rand zu erkennen, indem an letzterem 
sich eine kleine, weifs erscheinende Stelle als ein nach hinten ge- 
richteter Vorsprung absetzt, der sogenannte Primitivknoten (Mkhnert) 
oder die Primitivplatte (Will), der Ausgangsjjunkt und das Zentrum 
für alle weiteren Bildungsvorgänge (Fig. S4pr). 

Schon in dieser Lage des Primitivknotens als des zukünftigen 
Bildungscentrums ist ein sehr wichtiger Unterschied in der Keim- 
blattbildung der Reptilien, an welche sich die Vögel und Säugetiere 
anknüpfen lassen, gegenüber der Keimblattbildung in den meroblasti- 
schen Eiern der Elasmobranchier und Teleostier gegeben. Denn 
während bei diesen die Prozesse, 
die zur Ausbildung des embryonalen 
Körjters führen, vom Rand der Keim- 
haut aus ihren Ursprung nehmen, 



Fig. 83. Fig. 84. 

Fip. 83. Keimhaut eines WasBervogels, Haliplana, mit dunklem und 
hellem Fruohthof (<// ii. hf) und mit der ersten Andeutung des Frimitiv- 
Btreifens (/>r). Nach SciiAinN8t.Ai«D. 

Fig. 84. Embryonalsohild mit Primitivplatte vom Embryo von 
Ltaoerta mur. Nach Wii.t.. 

seh EmbryonalBchiUl, ;>r Primitivplatte. 

spielen sie sich in den jetzt zu untersuchenden Klassen der Wirbel- 
tiere mehr oder minder annähernd iji ihrer Mitte ab. Infolge- 
dessen ist in ersterem Fall das hintere Ende des Embryos bis zur 
Zeit, wo die Schwanzknospe auftritt, immer mit dem Rande der 
Keimhaut verbunden: der Embryo entwickelt sich, wie man das Ver- 
hältnis kurz ausdrücken kann, randständig, und zwar, wie wir 
gesehen haben, unter Beteiligung des Zellenmaterials des Randes, 
welcher zugleich die Unnundlippe darstellt. Im zweiten Fall spielt 
bei der Entwicklung des Embryo der Rand der Keimhaut gar keine 
Rolle und besitzt überhaupt andere Eigenschaften als bei den Elasmo- 
branchiern und den Teleostiern, bei denen er in grofser Ausdehnung 
zum Urmundrand wird. Der Embryo bildet sich, um das Verhältnis 
wieder durch ein Schlagwort zu bezeichnen, mittelständig. 

Von der Primitivplatte geht die Entwicklung des inneren Keim- 
blattes aus. In ihrem Bereich ist, im Unterschied zum Embryonal - 
Schild mit seinen hohen Cylinderzellen, die Trübung durch eine erheb- 
liche Wucherung der Zellen hervorgerufen worden, wodurch ein dicker 




88 



Fftaftes KaplteL 



Knoten teils fester, teils locker verbuudeuci Elemente zustande 
kommt. Im Anschluls hieran haben sich die in der Keimhöhle zer- 
streuten Botteneellen zu einer zweiten Sebieht unter der Decke der 
Keimblase, unter den Cylinderzellen des Schildes, zusammengefügt; 
sie sind meist abgeplattet, von verschiedener Form und Gröfse und 
hängen meist nur locker untereinander zusammen. Sie stellen das 
neugebildete innere Keimblatt dar, velcbes von Kcpma als Paradenn 
oder Dotterblatt, von van Beneden als Lecithophor beschrieben worden 
ist (Fi?, sr,). 

Ahnlich vrie bei den Keptilien liegen die Verhältnisse bei deu 
YOgeln, obwohl bei ibnen eine Primitivplatte nicbt zu erkennen ist. 
Gleich nach der Ablage besteht die Keimhaut vom Huhn, auf dem 
Durchschnitt untersucht, aus mehreren Zellenlagen, die sich in ihrer 
Beschaffenheit vooeinauder unterscheiden. Die oberflächlichen 
Zellen sind zu einer festen Epithelmembran untereinander verbunden, 
sie sind kubisch oder cylindriseh und im Bereich des bellen Frucbt- 



Fig. 85. Mediansohnitt durch eine Keimhaut mit Frimitivplatte von 
Laoerta maimli*. Nach Wkloun. 

pf PrimitiTplatte, di dorsale Urmundlippe. 

hofes durch einen feineu 8i>alt von den tieferen Zellenlagen getreunt, 
dagegen im Randbezirk des dunkeln Fniehthofes von ihnen nicht 
abzugrenzen. Die darunter gelegenen Zellen zeigen ein minder be- 
ständiges Verhalten und liegen, je mehr das Ei in seiner Entwick- 
lung zurück ist, um so lockerer und unregelmäfsiger in kleinen Gruppen 
und Strängen zusammen, die eine Art Netzwerk bilden. In der Mitte 
der Area pellucida ist die untere Schicht dünner und breitet sich über 
einer kleinen Höhle aus, die sie vom weilten Dotter des l^vNDERSchen 
Kerns trennt und Keimhöhle oder subgermiuale ilühle heifst. Auch 
in ihr finden sieh vereinzelte runde Furchuugskugeln, zum Teil un- 
mittelbar auf dem weifsen Dotterboden, der selbst eine Anzahl Kerne 
einschliefst und das centrale Dottersyncytium Vincnows darstellt. Nach 
dem Raudbezirk (Area opaca) zu wird die untere Schicht, besonders 
entsprechend dem späteren hinteren Band, dicker und liegt unmittel- 
bar dem weifsen Dotter auf, welcher mit seinen eingestreuten Kernen 
ein peripheres Dottersyneytiuin ausmacht. Man hat den gesamten, 
etwas verdickten, zelligen Rand der Keimhaut Raudwulst (Göttjj) 
oder Eeimwulst (KGlueer), bourellet blastodennique (Duval) genannt 
Der so beschalTene Keim ist meiner Ansicht nach noch nicht 
'/weihlrittrifT. wie vielfach ang''n'nemen wird, er befindet sirh erst am 
Ende des blastulastadiumi»; es entspricht die obertlächliche festgefügte 
Schicht kubischer Zellen der Decke der Keimblase , der enge Spalt 
unter ihr der Furchungs- resp. Keimblasenhöhle, und die locker 
auf i\<^w\ weif ' i: wlrn verstreuten vegetativen Zellen lassen sich 
dem Roden der Kenuhiase vergleichen. Ein inneres Keimblatt ist 
erst von dem Zeitpunkt an vorhanden, wenn sich die zuvor locker 
verteilten und meist kugeligen Zellen unter starker Abplattung su 



pr 





Digitized by Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



8P 



einer wirklichen Membran fester zusaiinnenjieordnct haben. Zuweilen 
nimmt diese IJniwandlunK schon vor der Bebrütung iliren Anfang, in 
den meisten Filllen ist sie ihre erste Folge. 

An Längsschnitten (Fig. 80 u. 87) findet man dann im hinteren 
Bereich des hellen Fruchthofes unter der obertläclilichen Schicht 
cylindrischer Zellen, der ursprünglichen Decke der Keimblase, die jetzt 
zum iUifseren Keimblatt geworden ist, durch einen scharfen Spalt 
von ihm getrennt, ein di^nnes Häutchen abgeidatteter Zellen, das 
Entoderm. Es hängt nach hinten mit dem liier dicker gewordenen 
Randwulst zusammen, in einer Gegend, welche sich etwa der Primitiv- 
platte der Reptilien würde vergleichen lassen, während es nach vom 
zu und etwas seitwärts mit freiem unregelmälsigem Rand aufhört. 
Im vorderen Bereich des hellen Fruchtliofes breitet sich daher das 



a** ak ik 




Kig. ÖT. 



Vig. 86. Sagittaler Durchschnitt durch die Keimhaut des Hühnchens, 
einige Stunden nach Boginn der Bebrütung. Nach Heutwig. 

Fig. 87. Ein Stück der Keimhaut von Fig. 86, aus dem Bezirk, wo 
das innere Blatt mit freiem Rand aufhört; stürker vergrorsert. Nach IIkrtwio. 

«Ä". tA- Aufseres und inneres Keiniltlatt, r: isuberte vegetative Zellen, ak^ Be- 
zirk des uufseren Keimblattes, unter welchem da» innere noch fehlt. 

äufsere Keimblatt bis zum vorderen Randwulst unmittelbar über einer 
Höhle aus, welche man als Keimblasenhöhle bezeichnen und nach 
hinten in die Urdarmhöhle verfolgen kann. Wie auf früheren Stadien 
sind in den Höhlen und auf dem Dotterboden noch einzelne runde 
Embr}'onalzellen zerstreut, die allmählich an Zahl abnehmen und zum 
Wachstum des unteren Keimblattes aufgebraucht werden, l'nter 
ihnen befinden sich auch einzelne, nur aus Dotter be.stehende, gröfsere 
und kleinere Kugeln, die Megasphären von His, die nichts anderes 
als vom Dotter abgelöste Ballen sind und zur Ernährung der Zellen 
der Keimblätter dienen. Nach längerer Dauer der Bebrütuiig dehnt 
sich das innere Keimblatt mit seinem freien Rand weiter nach vom 
und seitlich aus und verschmilzt dann zuletzt auch hier mit dem 
Randwulst, wodurch seine Bildung ihren Abschlul's tindct (Fig. 88). 

Wie aus dieser Darstellung hervorgeht, gleicht die Art und Weise, 
wie sich hei Reptilien und Vögeln das innere Keimblatt anlegt, sehr 
wenig den bisher beschriebenen Formen der Gastrulation beim Ani- 
phioxus, l)ei den Amphibien und Fischen. Von einer wirklichen Ein- 
stülpung i.st keine Spur mehr nachzuwei>en. Es läfst sich am besten 



90 



Fünftes Kapitel. 



der Vorgang als eine Unter wachsung der Decke der Keimblase 
durch die zerstreuten vegetativen Zellen und feste Vereinigung der- 
selben zu einem inneren Keimblatt dehuieren. Auf die Frage, inwieweit 
dieser Vorgang von den unprnnglichen Verhältnissen durch Nachweis 
von Übergangsformen ableitbar ist und als eine stark abgeänderte 
Moditikation der (lastrulation gedeutet werden kann, hier eine Ant- 
wort zu geben, würde uns zu weit fuhren. Genaueres tiudet sich 
hierüber in der 7. Auflage des Lehiimehs und im Handbuch der 
vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre (S. 824 u. 859). 

Ebenso schwierig als bei den Vögeln ist die Entwicklung 
des inneren Keimblattes bei den Säugetieren auf die 
Gastrulation der übrigen Wirbeltiere zurückzuführen. Das bei den 
Untersuchungen am meisten benutste Objekt, welches wir auch 
unserer Darstellung zugrunde legen wollen , ist gewöhnlich das 
Kaninchen gewesen; aulserdem sind noch Fledermaus, Maulwurf, 
Schwein, Schaf, Igel, Beuteltiere etc. untersucht worden. Wahrend 

das Ei der Säugetiere im 
Eileiter durch <\\e Flimmer- 
bewegung des Epithels lang- 
sam nach der Gebärmutter 
hingetrieben wird, ist es durch 
den Furchungsprozefs in einen 
kugeligen Haufen kleiner 
Zellen zerfallen 25). 
Darauf entsteht in seinem 
Innern durch Abscheid ung 
von Flüssigkeit eine kleine 
spaltförmige Höhle (Fig. 8d kb). 
Der Keim ist somit in das 
Blasen- oder Blastulastidiuni 
eingetreten. Die Wand der 
Keimblasü oder Vesicuia blastoderniica wird, wie schon seit Bischoffs 
Arbeiten bekannt ist, aus einer einzigen Lage mosaikartig angeord- 
neter, polygonaler Zellen gebildet, einen kleinen Bezirk ausgenommen. 
Hier ist die Wand wie bei der Keimblase der Amphibien durch einen 
Haufen etwas körnchenreicherer und dunklerer Zellen * verdickt, 
welche einen in die Keimblasenhdhle vorspringenden Höcker bedingen. 

Für die weitere Entwicklung der Silugetiere ist nun vor allem 
der Umstand besonders charakteristisch, dals sich die Keimblase bei 
ihnen, wie bei keinem anderen Wirbeltier, durch Zunahme von 
Flüssigkeit, die viel Eiweirs enthült und bei Zusatz von Alkohol 
körnig gerinnt, aul^rordentlich vergröfsert (Fig. 9(0 und bald einen 
Durchmesser von 1 mm gewinnt. Natürlich ist bei diesen Wachstums- 
vorgängen auch die Zona pellucida verändert und zu einem 
dünnen Hüutchen ausgedehnt worden. Ihr liegt eine schon von den 
Wandungen des Eileiters ausgeschiedene Gallerte auf. Die Wand 
der Keimblase ist an den 1 nim grofsen Eiern vom Kaninchen sehr 
dünn geworden. Die in einlacher Schicht angeordneten, mosaikartigen 
Zellen haben sieh stark abgeplattet Auch der in die Keimblasen- 
hühle vorspringende Zellenhöcker hat sich umgewandelt und Sich 
mehr und mehr in die Fläche zu einer scheibenfiirniigen Platte aus- 
gebreitet, welche sich mit zugeschärftem Rande allmählich in den 
verdünnten Wandteil der Keimblase fortsetzt. An der Platte spielen 



Digitized by Google 




F]>. 88. DaroliaeltatttdiirehdraBMDid 

der Keimhaut eines sechs Stunden !)•- 
brütaten Hühnereies. Nach Dwau 

ofe Aoftent Keimblatt, dg DoCtermlle, 
dk DotCerkerne, du DotterwalL 




Die Lehre von den KoimMattcra. 91 

sich, wie au der Keinischeibe der Reptilien und Vögel, die weiteren 
Entwicklungsprozesse in erster Linie ab. Ihre oberHilchlichsten Zellen 
sind zu dünnen Schtippchen abgeplattet, wie sie auch sonst die Wand 
der Blase bilden; ihre anderen, zwei- bis dreifach übereinanderge- 
lagerten Elemente dagegen sind gröfser und protoplasmareicher. 

Bis hierher befindet sich das Ei der Säugetiere noch auf dem 
Keimblasenstadium; es besteht überall aus einem einzigen Keimblatt. 
Zwei Keimblätter treten erst an Eiern auf, die schon mehr als 1 mm 
Durchmesser besitzen und etwa fünf Tage alt sind. An der Stelle, wo 
früher die Zellenplatte lag, ist jetzt bei Betrachtung von der Fläche 
(Fig. 91) ein weifslicher Fleck zu sehen, der anfangs rund, später 
oval und birnenförmig wird. Er entspricht dem Embryonalschild 
der Reptilien (Area embryoualis, E mbry onalf leck Köllikers) und 



Fig. 89. Keim- 
blase eines Ka- 
ninoheneies. Nach 
£. VAH Bkxkukn. 

f Eiweifshülle, zp 
Zona pellucida, tc 
auseinfacherZellen- 
lage aufgebaute 
Wand der Keim- 
liIaseJrftFurchungs- 
hohle, die sich all- 
mählich zur Keim- 
blasenhöhle erwei- 
tert. * Haufen von 
Embryonalzellen. 



ist daher mit demselben Namen belegt worden. Er besteht aus zwei 
durch einen deutlichen Spalt getrennten und voneinander ablösbaren 
Keimblättern (Fig. 92). Von diesen ist das innere Keimblatt (// ) eine 
einzige Lage stark abgeplatteter Zellen. Das äufsere Keimblatt (ak) 
dagegen ist erheblich dicker und verursacht dadurch «las dunklere 
Aussehen des Teils der Blasenwand, welcher den Schild bildet; es 
ist aus zwei Zellenlagen zusammengesetzt : 1 ) aus einer tieferen Lage 
kubischer oder rundlicher, grofserer B]lemente und 2) aus einer ober- 
flächlichen Lage vereinzelter , platter Zellen , die von Räuber zuerst 
genauer beschrieben worden sind und nach ihm als R.\i'BERsche 
Schicht bezeichnet werden. Nach den Rändern des Schildes zu 
verdünnt sich das äufsere Blatt, wird einschichtig und setzt sich in 
die abgeplatteten, grofsen Elemente fort, die wir schon auf dem Keim- 
blasenstadium den gröfsten Teil der Blasenwand haben allein aus- 
machen sehen. Das innere Keimblatt ist anfänglich nur an einem 
kleinen Teil der Blasenwand, am Schild und in seiner nächsten Um- 
gebung, entwickelt; es hört mit einem gezackten Rande frei auf; hier 
tinden sich locker aneinandergrenzende, amöboide Zellen. 




92 



Fünftes Kapitel. 



die durch ihre \ erinehrung und Ortsveräuderung wohl das Weiter- 
wachstum des Blattes hediugen. Dieses breitet sich nämlich an den 
Älteren Eiern von dem Schild nach dem entgegengesetzten Eipol lang- 
sam aus, wodurch nach und nach die ganze Keimblase zweibliUterig 
wird. Während dies geschieht, gehen auch Veränderungen an dem 
oval gewordenen und etwas vergröiserten Schild vor sich. Die 



Fig. 90. Altere Keimblase eines Kaninchens. Nach E. van Pexkuk.n. 

tp Zona pelluoida, »/• einfache, noch mehr als in Fig. 89 verdünnte. Wand 
der Keimblase. * Haufen der Knibryonalzeilen von Fig. 89, abgeplattet zu einer 
Scheibe, die den abgeplatteten Zellen der HIasenwand anliegt. 

Fig. 91. Ein Btüok Keimhaut mit Embryonalsohiid von einem Hundeei 
16 Tage nach der letzten Begattung von der Fläche gesehen. Naih Bo.nnkt. 
k Handkerbe. 

RAUBEKsche Schicht verschwindet, die unter ihr gelegenen, kubischen 
oder kugeligen Zellen sind cyliudrisch geworden und schliefsen noch 
dichter zusammen. Beide primären Keimblätter sind jetzt nur ein- 
schichtig. 

Zur Illustration dieser Verhältnisse dienen auch die l)eiden fol- 
genden Figuren . welche ein sieben Tage altes Kaninchenei in zwei 



Fig. 92. Schnitt durch den Embryonalschild eines Kaninohenkeims, 
fünf Tage nach der Empfängnis. Naeh Koi.likkr. 

ak, ik .^ufseres und inneres Keimblatt, rz lUcuKnüche Deckschicht. 



verschiedenen Ansichten darstellen. Bei Betrachtung von oben 
(Fig. W) ist der jetzt oval gewordene Schild loq) zu sehen. Bei 
seitlicher Ansicht (Fig.*.>4) kann nmn drei Bezirke an der Keim- 
blase unterscheiden: 1) den Schild (ng). 2) einen die obere Hälfte 
der Blase einnehmenden und bis zur Linie gc reichenden Bezirk, in 
weU hen« die Wand noch zweiiilätterig ist, aber die Zellen des äufseren 




Fig. 90. 



Fig. 91. 




, Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



und inneren Keimblattes stark abgeplattet sind, und 3) einen nach 
abwärts von der Linie ge gelegenen Abschnitt, wo (iie Blasenwand 
nur von dem äufseren Keimblatt gebildet wird. 

Es erhebt sich jetzt die wichtige Frage, in welcher Weise sich 
bei den Säugetieren die zweiblätterige aus der einblätterigen Anlage 
entwickelt. Nach der Kleinheit des Eies, nach dem Verlauf des 
Furchungsprozesses und nach der Beschaffenheit der Keimblase, die 
eine grofse, mit Flüssigkeit erfüllte Höhle einschliefst und nur von 
einer dünnen Zellenlage umgrenzt wird, liefse sich erwarten, dals die 
Gastrulabildung in ähnlicher Weise wie beim Amphioxus vor sich 
gehen und die eine Hälfte der Blasenwand gegen die andere zum 
Becher eingestülpt werden mttfste. Das ist nun aber keineswegs der 
Fall. Vielmehr deuten alle bekannt gewordenen Erscheinungen darauf 
hin, dafs die Eier der Säugetiere hinsichtlich ihrer Keimblattbildung 
sich mehr an die grofsen, dotterreichen Eier der Reptilien und Vögel 
unmittelbar anschliefsen. 



P'ig. 93 u. 94. Keime des Kaninchens von sieben Tagen ohne äuTsere 
Eihaut, Länge 4,4 mm. Nach Köllikkr. 10 mal vergrofsert. 
Fig. 93 von oben. Fig. 94 von der Seite gesehen. 

ag Embryonalschild (Area embryonalis); ge die Stelle, bis zu welcher die 
Blasenwand doppclblütterig ist 

Dieser Umstand sowie auch noch manche anderen Verhältnisse, 
die im achten Kapitel ausführlicher besprochen werden sollen, lassen 
die .Annahme als notwendig erscheinen, dals die Säuger von Tieren 
abstammen, welche grofse, dotterreiche Eier besessen haben und ovipar 
gewesen sind. Ihre Eier haben demnach aus später (Kap. VIII) noch 
genauer zu erörternden Gründen ihren Dottergehalt zum grölsten Teil 
wieder eingebüfst; sie sind nicht ursprünglich dotterann, sondern sind 
erst nachträglich wieder dotterann geworden; ihre (iastrulatiou kann 
daher auch nicht mehr nach dem ursprünglichen und einfachen Typus 
eines Amphioxuseies verlaufen. Sie ist ebenso wie bei den Reptilien 
und Vögeln aufserordentlich modifiziert. Auch hierüber ist das Nähere 
in meinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte und im Handbuch 
Bd. I S. 0()7 nachzulesen. 

Als Eigentündichkeit für mehrere Ordnungen der Säugetiere 
(z. B. für Wiederkäuer, Schweine u. dgl.) ist noch zu erwähnen, dals 




Fig. 93. 



Fig. 94. 



94 



Fanftes Kapitel. 



ihre Vesicula hlastoderraica frühzeitig zu einem aufserordentlich langen 
und feinen Schlauch auswächst, der sieb in den Hörnern des Uterus 
hicnrnis einhettot. Kin solcher ist vom Schaf in Fig. 95 auf zwei 
Drittel verkleinert dargestellt, nach einem Präparat von Bonket, 




Fi^. 95. T.anger Eisc hlauch des Schafes, 12 Tage 2 Stunden nach dMT 
Bagattung herauspräpariert i auf zwei Drittel Terkleinert. Mach Bokmkt. 

E Embryonalsdiildt N bUseiiKrtige Enreitenmg dea Sehlaachea an aeinen 
luaden. 



welches 12 Tage nach der Begattung aus dem Uterushom isoliert 
wurde. Der sehr kleine Smbryonalschild iE) ist in der Mitte des 
Schlauches zu sehen. 



b) die zweite Phase der Gastrulation. 

Die zweite Phase der Keimblattbilduug ist bei den Amnioten 
ausgezeichnet durch eine lebhafte Wucherung des ftufteren Keim- 
blattes , welche das Material zur Anlage der Chorda und des mitt- 
leren Keimblattes liefert. Hierbei kommt es hei den Reptilien zu 
einer Einstülpung, die seit ihrer Entdeckung durch Kupffeb lange 
Zeit fOr die Gastrulatasche gehalten und der Gastralböhle des 
Amphioxus und der Amphibien verglichen worden ist. Obgleich die 
Ähnlichkeit eine «^ehr grofse ist, mufs der Vergleich doch als ein 
irriger bezeichnet werden, da die Zellen, welche einwachsen und die 
Einstülpungshöhle begrenzen, nicht zur Auskleidung des Dannraumes 
dienen , also nicht das DarmdrQsenblatt liefern , welches ja auf der 
ersten Phase der Gastrulation schon < ntstanden ist (Paraderm von 
Kupffek). Vielmehr läfst sich die eingestülpte Zellmasse allein der 
Wucherung vergleichen, welche bei den Amphibien auf der zweiten 
Phase der Keimblattbildung in der Umgebung des Blasto]>orus und 
bei den Elasmobranchiern vom Urmundrand mi<- ischen die prininnMi 
Keimblätter hineinwächst und als eine geschlossene Falte, als eme 
Coelomtasche, gedeutet worden ist. Die Einstülpungshöhle der Rep- 
tilien entspricht mithin nur dem unter der Ghordaanlage gelegeneu 
Hohlraum und den Spalten, die sich von hier und vom Urmundrand 
zwischen beide BiiUter des Mesoblasts hineinsenken. Daher habe ich 
mit Rücksicht auf die spätere Verwendung des Zellenmaterials die 
Einstülpung bei den Reptilien als Mesodermsftckchen bezeichnet. 

Wir lernen liier einen interessanten Untersrhied in der Bildung 
der Keimbliitter zwischen niederen und liolieren Wirbeltieren kennen. 
Während bei dem Amphioxus, den Cyklostomen, Ganoiden und Amphi- 
bien, den Elasmobranchiern und Teleostiem der Charakter der Ein* 
stulpnn^' dfutlicli bei der Entwirklnng des inneren Keimblattes, 
weiii-ei und stärker modifiziert beim mittleren Keimblatt hervortritt, 
isl das Umgekehrte bei den Reptilien der Fall. 

Der Tatbestand selbst ist folgender: An der Primitivplatte, die 
sdioii (il>eii (S. 87) als das Centruni für alle weiteren Bildungs- 
vorgäuge bezeichnet wurde, entsteht später in der gewucherten Zellen- 



Dlgltized by Google 



Die Lehre von den Keimhiättern. 



95 




masse. mit welcher das schon vorhandene Danndrüseublatt zusanmien- 
hilngt, eine kleine Grube, die sich mehr und mehr zu einem Blind- 
sack vertieft (Fig. OO). Das Mesodermsäckchen (Fig. 97) wächst in 
den Spaltraum zwischen die beiden schon vorhandenen primären 
Keimblätter, sie auseinander drängend, hinein, wobei sein ge- 
schlossenes Ende nach vorn gerichtet ist. Seine Öffnung auf der 
Priniitivplatte (Fig. 9<)) stellt längere Zeit einen queren Spalt dar, 
der von einer vorderen und hinteren Lippe begrenzt wird. Die 
vordere Lippe (F'ig. 07) ist schärfer 
ausgeprägt und springt nach aufsen 
stärker als die hintere Lippe vor, welche 
sich ohne schärfere Abgrenzung in der 
Primitivplatte verliert. Später krümmt 
sich die vordere Lippe halbmondförmig 
mit nach hinten gerichteter Konkavität, 
sie wird hufeisenförmig und umfafst 
einen kleinen nach aufsen vorspringen- 
den Höcker, welcher sich dem Rusconi- 
schen Dotterpfropf vergleichen läfst. 
Die üflfnung des Säckchens entspricht 
dem Urmund der Amphibien zur Zeit, 
wo sich in seinem Umkreis das mitt- 
lere Keimblatt anlegt, also auf der 
zweiten Phase der Gastrulation ; sie 
kann daher in dieser Beschränkung 
als der Urmund der Reptilien in 
späterer Zeit bezeichnet werden. 

Am Mesodermsäckchen der Repti- 
lien, für welche die Natter als Vertreter 
gewählt ist, sind noch folgende Einzel- 
heiten und Veränderungen festzustellen, worüber uns Längs- und Quer- 
schnitte unterrichten (Fig. 97 u. 98). Ein medianer Streifen seiner Decke 
(Fig. 97), welcher durch einen schmalen Spalt vom Cylinderepithel des 
Embryonalschildes getrennt wird, ist sehr dick und aus länglichen cylin- 
drischen Zellen zusammengesetzt, er entspricht der Chordaanlage der 
bisher besi»rochenen Wirbeltiere (Fig. 53,()'2, 81 ch). Der Boden ist nach 
vom verdünnt und besteht aus platten Zollen, während er sich nach 
hinten verdickt und in die Priniitivplatte übergeht. Aus den seitlichen 
Wandungen des Mesodermsäckchens sind, wie man am besten an 



Kig. 96. Oberfiäohenbild der 
Keimhaut der Natter mit brei- 
ter Urmundspalte. Nach 
Hkrtwiu. 




Fig. 97. Längsschnitt durch eine Keimhaut der Natter mit grofBem 
Mesodermsäckchen kurz vor dem Durchbruch seines Bodens. Nadi IIektwio. 



96 



Kilnftes Kapitel. 



Querschnitten sieht (Fig. 98). solide Zellniassen, die mittleren Keim- 
blätter in den Spaltraum zwischen innerem und iUifserem Keimblatt 
links und rechts von der Chordaanlage hinein^'cwachsen und sitzen 
ihm wie zwei Flügel an. die sich nach ihrem Hand hin allmilhlich ver- 
dünnen. Von den Grenzblatteni überall durch einen Spalt getrennt, 
können sie nur aus der Wand <li's Mesodermsiickchens ihren Ursprung 
genommen haben. Sic entsprechen dem parachordalen oder gastralen 
Mesoblast der Amphibien und Fische. Aber auch der jicristomale 
Teil fehlt nicht, wie ein Durchschnitt etwas hinter der vorderen 
Urmundlippe zeigt (Fig. 09). 

Auch an den seitlichen Urmundlipj»en, die das vordere Knde der 
Primitivjilatte zwischen sich fassen, sieht man ebenfalls zwei Mesoderm- 
riügel. die noch etwas weniger stark entwickelt sind, sich zwischen 
die Grenzblätter hineinschiel»en. 



Zwei Querachnittü durch das Mesodormsäckohen einer Natter, deren 
Keim sich etwa auf dem in Fig. 96 abgebildeten Stadium befindet. Nai'h 
i Iertwio. 

Fifj. 98. Querschnitt in gerineer Entfernung vor der vorderen Ur- 
mundlippe. — l'i^'. 9!». Querschnitt hinter der vorderen Urmundlippe. 

r/i ("liMrilaaiiluge, d OuttiT, */., tnl: iiinncs und mittleres iveimblatt. ms Muhle 
des Mesodertnsjirkchens , m/ «zeitliche l'rinuiidli]i|io. um Hoden des Mesoderm- 
srtckchens, mp Mednllarplatte. 

Ehe wir die weiteren Schicksale des Mesodermsäckchens l)ei den 
Reptilien verfolgen, sei vorher noch auf die entsprechenden Bildungen 
bei Vi^geln und Säugetieren eingegangen. .\uch bei diesen entstehen 
in einem beschränkten medianen Bezirk . welcher der Primitivplatte 
der Reptilien en t. «spricht , aber schmäler und dafür viel länger ist, 
Wucherungen des äulseren Keimblattes und liefern eine seiner unteren 
Fläche ansitzende leistenförmige Verdickung;. Die Leiste ist in der 
Embryologie der V(><rel und Saugetiere schon seit langer Zeit unter 
dem Namen des IMimitivstreitens bekannt und viel besprochen worden. 

Sowohl bei den Vögeln (P'ig. l<»o) als bei den Säugetieren 
(Fig. 1<»I) entsteht der I'rimitivstreifen im hinteren Bereich des hellen 
Fruchthofes, er fällt in seiner lüchtung mit der späteren Median- 
ebene des Embryo zu^amme^. ist etwa 1 mm hing und M,2 mm breit. 




Fig. 99. 



um 





, Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



97 



hfl Flächenbetrachtung der abgelösten und auf hellem Grund aus- 
gebreiteten Keimhaut (Fig. lUO u. 101) erscheint er als ein trüberer, 
weil zellenreicherer Streifen, auf dessen Oberfläche, besonders in der 
vorderen Hälfte, bald mehr bald minder deutlich die Primitivrinne 
eingegniben ist. Das vordere Ende des Streifens ist l)esonders bei 
den Säugetieren zum Primitiv- 
oder IIensen sehen Knoten ver- 
dickt, in welchem die Primitiv- 
rinne sich häutig tiefer einsenkt 
und die Priuiitivgrube bildet. 
Auch das hintere Ende zeigt 




Fig. 100. Fig. 101. 

Fig. 100. Keimhaut vom Wasservogel Haliplana mit weiter ent- 
wiokeltem Primitivstrelfen {pr). Nach ScuAfiNSLAND. 

s >icbelfuriiuge Vorljrcitt'rung oder Eiidwulst, hf. df hellpr und 'dunkler 
Frufhthof. 

Fig. 101. Embryonalsohild mit Primitivstreifen vom Hundeei. Nach 

Ho.NJIItT. 

Primitiv-dlKusKxscberjKnoten, ck Caudalknoten oder Kndwulst, ach Grenze 
'^nibryonalscbild. 

sich in vielen Fällen zu einer sichelförmigen Figur, dem End- oder 
Caudahvulst (cÄ) verbreitert. 

Der Primitivstreifen ist, wie Querdurchschnitte durch Keime von 
Vögeln (Fig. 102) und Säugetieren (Fig. 103) lehren, einzig und allein 

»(/■ ir pr 




Fig. 102. Querschnitt durch den Primitivstreifen einer Keimhaut des 
Hühnchens nach sehn Stunden Bebrütung. Narb Hkrtwiu. 

ak, ik AuTserfs und iniuTes Keimblatt, pr rrimitivrinne, m- /ellenwucberung, 
mf MesodermHügfl, d Dotter. 

durch eine lebhafte Wucherung im äulseron Keimblatt, die längs der 
axialen Mittellinie stattfindet und sehr zahlreiche Kernteilungstiguren 
zeigt, hervorgerufen worden. Die neugebildeten Elemente scheiden 
aus dem Niveau des äufseren Keimblattes an seiner unteren Fläche 
aus und treten, wie sich aus der Form d<'r Zellen schliel'sen läfst, 
durch amöboide Bewegungen in den Spaltrainn zwischen den beiden 
Grenzblättern hinein, eine Leiste bildend, dem W'ucherungs- 

O. Hertwig, Di» Kleniente <ler F^ntwicklnng^lehre. J. Aull. 7 



98 



Fünftes Kapitel. 



prozefs ist das innere Keimblatt {II) niclit in der geringsten Weise 
beteiligt, da es. eine einfache Lage aulscrordentlich abgeiilatteter 
Zellen ]>il(icnd. überall durch einen Spalt vom Primitivstreifen deut- 
lich getrennt ist. 

^♦Wie bei den Keptilien die rriniitivplatte und das Mesoderm- 
silckchen, ist der Primitivstreifen der Vögel und Säugetiere, sowie 




Fig. 10-1 Querschnitt durch den Primitivstreifen eines Kaninchens 
6 Tage 18 Stunden nach der Begattung. Nitch Kollikkii. 
liezeichnuniri'n wio in Fig. 102. 

eine gleich noch /u beschreibende als Kopffortsatz bekannte Ver- 
längerung dessell)en nach vorn, der Ursj)rungsort des mittleren Keim- 
blattes. \Vie dort, dringen auch hier die durch Wucherung sich noch 
weiter vermehrenden Zellen in den Spalt zwischen den beiden Grenz- 



ak pr tr 



mf 




1 ig. 1U4. Querschnitt durch einen Primitivstreifen eines Hühner- 
ketmes, der weiter entwickelt ist als in Fig. 102, gleichfalls nach 10 Stun- 
den Bebrütung. Na< h IIkhtwi«». 

He/.t>ichiiung wie in l'ig. 1Ü2. 

blättern hinein und liefern zwei tlügelförmige Anhänge zu beiden 
Seiten des Priniitivstreifens (Fig. 1<>1). Von ihrem centralen Ursprung 
aus dehnen sich die beiden Mes(»(U'rniHügid . je ältere Stadien mau 
untersucht, immer weiter in der Peripherie aus (Fig. 105); sie er- 




Fig. lOö. Querschnitt 
durch den Primitivknoton 
eines 7 Tage 3 Stunden 
alten Kaninchenkoimes. 
Nadi lUuL. 



reichen bald die Grenze zwischen hellem und dunklem Fruchthof 
und driuiziii von da in den pj'reich des letzteren hinein, wo sie in 
eiiu'U dünnen IJand auslaufen. Das so entstandene mittlere Keim- 
blatt winl später kompakter und zellenreicht-r. und da es. abgesehen 
vom Primitivstreifen. rlurcli einen Spalt von den ( i renzblättern in 
dieser Periode seiner F.nt wickluiig scliarf gi'tnMiiit ist, kann es von 
ihnen auch kein Zellenniaterial zu seintMii Wachstum l)eziehen. 



Digitized by Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



Bald nach seiner Entstehung entwickelt sich am Priniitivstreifen, 
wie schon erwähnt, der Kopffortsatz desselben, ein Gebilde, von dem 
sich nachweisen lilfst, dals es dem Mesodermsückchen der Reptilien 





Fig. KXS. Frimitivstreifen mit kurzem Kopffortsatz einer 26 Stunden 
bebrüteten Keimhaut vom Hühnchen. Nach Uertwiu. 

Fig. 107. Keimhaut vom Sperling mit weit entwickeltem Frimitiv- 
streifen und Kopffortsatz. Nach ScuAuiNäLA.ND. 

df, hf Dunkler und heller Fruchthof, pr Priniitivrinne des I'rimitivstreifens, 
Icf sein Kopffortsatz, hk lIicNSEsscher Knoten''mit rriinitivgrube, « Sichel. 

homolog ist. Bei Betrachtung der ausjiebreiteten Keimhaut von der 
Oberfläche fällt auf etwas späteren Stadien sowohl bei Keimen von 
Vögeln (Fig. lu»i u. lo7) wie von Säuge- 
tieren (Fig. 108) ein dunklerer Streifen 
auf. der vom Hensen sehen Knoten aus 
eine Strecke weit nach vorn in das 
Embryonalschild hineinreicht. Auf 
Querschnitten bei einem Säugetier, dem 
Kaninchen, untersucht, liefert er den 
in Fig. lOU abgebildeten Befufid. Ein 
dickerer Zellstraug geht zu beiden 
Seiten in zwei dünnere Zellplatten 
über, welche die Fortsetzung der vom 
Primitivstreifen entspringenden Meso- 
dermtlügel nach vorn sind. Vom Quer- 
schnitt durch den Priniitivstreifen selbst 

Fig. 108. Embryonalanlaf^e vom Kanin- 
chen. Nach E. VA.N Be.NicubN. 

pr Priniitivstreifen, kf Kopffortsatz, hk 
IIenhkh scher Knoten, pg l'ritnitirgrube. 




A— kf 



hk 
1^ 



pr 



100 



Fünftes Kapitel. 



ist das Bild nur dadurch verschieden, dafs der Kopffortsatz durch eine 
glatte Kontur vom iiulseren Keimblatt scharf abgetrennt ist und daher 
vom HKNSKNschen Knoten aus frei in den Spaltraum zwischen den 
Grenzblättern vorragt. Vom Mesodernisnckchen der Reptilien unter- 
scheidet sich der Querschnitt durch den Kopffortsatz des Kaninchens 
auf den ersten Blick sehr wesentlich datlurch . dafs ihm jede Spur 
einer Höhlung fehlt. Dort liegt ein hohler, hier ein kompakter Zell- 
strang vor. Wie wenig aber derartige Unterschiede ins Gewicht 



denen auch bei Säugetieren rler Koi)ffortsatz eine freilich sehr enge 
Höhle besitzt, die an der Grube des Primitivknotens nach aufsen 
mündet und gewöhnlich als Chordakanal beschrieben wird. Ein 
solcher ist z. B. beim Meerschweinchen und Schaf, noch deutlicher 
aber bei der Fledermaus vorhanden. Von einem Längsschnitt durch 
ilenselben hat uns vax Bknkdkn «lie nebenstehende .Abbildung gegeben, 
welciie mit dem Längsschnitt durch das .Mesodermsäckchen der Natter 
in hohem Grade üi>ereinstinnnt. 



V"i^. 110. Medianschnitt durch den Chordakanal eines Keimes von 
Vespertilio murinus vor seiner Eröffnung. Na<li K. van Keni^dk.n. 

WS. Viinlerc ofliump in einer (^lUTsjjalti.' Iit'stohonti , J).F. rriinitivstreifen, 
il.O. hintere Oftniniu an »ItT IVimitivv'rubf, <'h (.'hordapiatte. 

Den besten Beweis aber fiU* die Hichtigkeit der Ansicht, dafs 
die I'rimitivplatte und das Mc^rxlernisäckchen der Beptilien einerseits, 
der l'rimitivstreifen und der KoptTortsatz der V()jiel und Säugetiere 
andererseits homologe (iebilde sind, liffert «las Studium ilirer weiteren 
Kntwickhing, die in auffälligen I-'.inzelheiten ganz frappante Über- 
einstimmungen aufweist. 

ci Weitere Umwandlungen der Primitivorgane bei Reptilien, Vögeln 

und Säugetieren. 

Bei den Beptilien tritt Itald nai'li der Anlage des Mesoderm- 
säckchens ein Stadium ein. ant weklieni seine Bodenplatte längs 
eines Streifens in der Me<lianeben<' mit dem <lllnnen inneren Keim- 
blatt verwächst. Hierauf entsttOu-n an der Verwachsungsstelle in 
gröl'serer Auzalil spaliarti^e Durrbbrecbungen . die sich allmählich 



Fig. 109. Querschnitt durch den Kopffort- 
satz eines 7 Tage 3 Stunden alten Kaninchen- 
koimes. welchem auch die Fig. 106 angehört. 
.Naih 11 ABl. 




fallen und wie leicht in 
der Entwicklung Höh- 
lungen in Taschen und 
Ausstülpungen verloren 
gehen , das zeigt sich 
auch hier wieder. Denn 
die vergleichende Ent- 
wicklungsgeschichte hat 
uns ujit mehreren Fällen 
bekannt gemacht , in 




V 



Digitized by Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



101 



erweitern, bis eine einzige grofse DurchbruchsöflFuung unter Resorption 
der Zellbrücken zustande gekommen ist. Das Mesodermsäckchen hat 
sich demnach jetzt in den unter dem DarmdrUsenl)latt gelegenen 
Kaum, in die Urdarmhöhle, geöffnet. Fig. III stellt eine vom 
Dotter abpräparierte Keimhaut vom Gecko dar, an welcher man bei 
Betrachtung von der unteren Fläche die zahlreichen Durchbruch- 
stellen am Boden des Mesodermsäckchens 
und die noch stehengebliebenen, zum 
Netz verbundenen Zellstränge erblickt, 
die aber später auch noch schwinden. 

In die durch den Durchbruch hervor- 
gerufenen Veränderungen geben uns 
auch die Fig. 112 und 11:3, ein Median- 
schnitt und ein Querschnitt durch das 
eröffnete Mesodermsäckchen der Natter, 
einen guten Einblick. Durch den Schwund 
der Bodenplatte ist jetzt die Chorda- 
anlage an die Decke des Urdarms zu 
liegen gekommen, und hinten geht sie 
in die vordere Urmundlippe über, unter 
welcher die Primitivplatte liegt, durch 
einen Kanal getrennt, der von aulsen 
in den Urdarm führt. Er entspricht 
dem Canalis neurentericus, wenn s|)äter 
sich die Nervenplatte zum Rohr schliefst 
und daliei, wie beim Amphioxus (Fig. 56) 
etc., den Rest des Urmundes in sich 
aufnimmt. Der Querschnitt liefert nach 
der Eröffnung ebenfalls ein ähnliches 

Bild, wie wir es von den niederen Wirbeltieren schon kennen. Bei«ler- 
seits von der unter der Nervenplatte und an der Decke des Urdarms 
gelegenen Chordaanlage entspringt das mittlere Keimblatt und geht 

pr um ul 




Kig. III. Vom Dotter ab- 
gehobene Keimhaut vom 
Qecko, in der Ansicht von 
unten. Nach Will, 

oe Diinh Durchbruch ent- 
standene Utfnungen im Boden 
des Mesodermsäckchens, st 
stehengebliebene Zellstränse, 
cn untere Wand des Canalis 
neurentericus. 




cn 



Fig. 112. liängSBchnitt duroh daa Mesodermsäckchen der Natter, 
an deren Boden der Durohbruch erfolgt ist. Nach Hertwio. 

pr Primitivi>latte, die nach vorn in den Boden des Mesodermsäckchens über- 
geht, rb strangft^rniige Reste des Bodens, udf l'rdaruifalte, rh Chordaanlage, 
ul vordere Urmundlippe, mp Medullarplatte , ms H*ihle des Mesodermsäckchens, 
um Urmund, ik inneres Keimblatt. 



an seinem Ursprung links und rechts von drr Durchbruchstelle des 
Säckchens durch die beiden Urdarmfalten (udf) in das Darnidrüsen- 
blatt über. Das Verhältnis der Primitivanlagen zu einander ist 
genau dasselbe, wie wir es in den Fig. 53, 02, 81 kenneu ge- 
lernt haben. 



102 



Fünftes Kapitel. 



Was die entsprechenden Vorgänge bei .den Vögeln und Säuge- 
tieren l)etrifft, so ist als erster Punkt der Übereinstimmung hervor- 
zuheben, dals auch bei ihnen sich eine Verwachsung mit dem inneren 
Keimblatt ausbildet. Dieselbe erfolgt zuerst im Bereich des Hensen- 
schen Knotens und dehnt sich nach vom über den ganzen Kopf- 
fortsatz und nach hinten auf eine bald gröfsere, bald kleinere Fläche 
des Primitivstreifens aus. So ergeben sich die Durchschnittsbilder, 




tulf ch ik mk 



Fig. 113. QuerBchnitt durch das Mesodermsäckohen der Natter an 
der Stelle, wo der Durohbruoh in den Urdarm erfolget ist. Nach Hertwio. 
lA-, mk Inneres tinil mittleres Keimblatt, ch Chordaanlage, udf Urdanufaltcn. 

wie sie in den Fig. 114 und 115 vom Utlhnchen, in Fig. 116 
vom Kaninchen dargestellt sind. Fig. 114 und 116 zeigen die Ver- 
schmelzung am Knoten , in dessen Bereich , ebenso wie am vorderen 
Ende des Primitivstreifens, alle drei Keimblätter fest untereinander 
zusammenhängen. Fig. 115 dagegen lehrt, wie am Kopffortsatz 
nur eine Verwachsung mit dem Darmdrttsenblatt besteht, dagegen 



pn Pf 




Fig. 114. Querschnitt durch den HensenBchen Knoten eines Hühner- 
keimes nach 21 Stunden Bebrütung. Nach IIkktwio. 

Fig. 11'). Querschnitt durch den Kopffortsatz desselben Keimes wie 
in Fig. 114. 

iik, ik, vik Anfsere». inneres und mittleres Keimblatt, j)f \ pf linke nnd rechte, 
die I'rimitivriune liegrenzende Primitivfalte, kf Koptfi.rtsatz, inj> Mediillarplalte, 
rf Dotter, <}h Darmhohle, i/i Mega>i)hareu. 



Digitized bv di. 



Die Lehre von deo Keimblatteiu. 



103 



das ftuAere Keimblatt jetzt durch einen Spalt abgetrennt ist, wie in 
der entsprechenden Gf^Tiul (Fig...ll:i) h»^i den IN-ptilien. 

Eine /weite sehr wichtige Übereinstinuiiunj: mit den Vurgiingeu 
\iei den Keptiiien ist das so charakteristische Auftreten von einer 
oder mehreren ÖiTnungen an bestimmten Stellen der Keimblätter. 
Am gröfsten ist die Übereiiistiiimmng in den FillbMi. wo sich ein 
Chordakanal im Kopffortsatz, wie beim Meerscliweinchen. dem Schaf 
und der Fledermaus, entwickelt hat Ein Pendant zu Fig. III vom 
Gecko liefert Fig. 117, die untere Ansieht eines glatt ausgebreiteten £m- 
brvonalschildes vom Meerschweinchen 
mit Priinitivstreifen (;>/ ) und Kopffort- 
satz. Dieser läl'st eine Anzahl hinter- 
einander gelegener, grOfterer und klei- 
nerer, heller Flecken (o'— o') erkennen, 
welche nichts anderes als Öffnungen 
sind, die durch Durchbruch am Boden 
des Chordakanals entstanden sind. 

Ebenso entspricht dem Median- 
schnitt durch das eröffnete Mesoderm- 





Fig. 116. Fig. 117. 

Fig. IIG. Querschnitt durch den PrinÜttTkllOtm «iliea KAninohen- 
keime« mit fünf Ursegmenten. Mach Rabl. 

Fif. 117. SrnbiToiuklsobild vom Metrtoliweinohcin mit FrimltlT- 

Btreifen (pr) und Kopffortsatz, in welchem eine Reihe von E!v6flhlUlg01l 
o\ o", o* dea Cbordakanals entstanden sind. Mach Libbkrküh». 
dt Csttdalknoten. 

säckcheu der Natter (Fig. 112) der Medianschuitt durch einen er- 
öffneten Chordakanal, irie ihn tax Beneden von einem älteren Keim 
der Fledermaus abgebildet bat (Fig. 118). Der Durchbruch des Bodens, 




Fig. 118. MedianBohnitt durch den in grofser Ausdehnung eröffneten 
CShordalcannl emos Koimes von Vespertilio murinus. Naih van Uknkdex. 

CA'. Ntureutt'iischer Kanal, C. vorderer persistierender Teil des (Jhorda- 
kanals, Pr. Primitivi^treifen, V.8. vordere Öfltoung, H.O, hintere Öffnung des 
ursprfinglichen Chordakanal». 

der auf einem jüngeren Stadium (Fig. HO) noch ganz erhalten ist, 
hat sich fast in der gesamten Lilnge vollzogen und nur noch zwei 
Brtlcken stehen gelassen, ein Stück des I5od»'n< am vonlfroii F.iide, 
wo er uoch geraume Zeit bestehen bleibt, und ein hinteres btUck, 



104 



Fünftes Kapitel. 



welches wie beim Gecko einen Fortsatz des Priuiitivstreifens nach 
vorn bildet. Die Ausmüudung des Chordakanals nach aufsen, die am 
HENSENSchen Knoten schon an jüngeren Keimen besteht, stellt nach 
erfolgtem Durchbruch (Fig. 118) eine Verbindung zwischen Urdarm 
und der Oberfläche der Medullarplatte , später der MeduUarrinne, 
schliefslich der Höhle am hinterm Ende des Nervenrohrs her und 
kann daher jetzt als Canalis neurcntericus bezeichnet werden. 

In den Fällen, in denen ein Chordakanal fehlt, kommt es wenigstens 
stets an einer Stelle in einem frtlheren oder späteren Entwicklungs- 
stadium zu einer Durchbruchsöffnung und zwar am ÜENSENschen 
Knoten, von dem schon erwähnt wurde, dafs sich in ihm gewöhnlich 
die Priuiitivriuue zu einer Grube vertieft (Fig. 119). Indem ihr Boden 



einreifst, entsteht ein Kanal (cn), der ebenfalls als Canalis neurentericus 
bezeichnet werden mufs, da er später, wenn die Primitivrinne {pr) 
von den Medullarfalten umwachsen wird, die charakteristische Ver- 
bindung zwischen Nerven- und Darmrohr herstellt (Fig. 119). Ein 
solcher ist auch von einem sehr jungen menschlichen Embryo be- 
obachtet worden (GrafSPEK). Die schuhsohlenartige Embryonalanlage 
(Fig. 120) zeigt eine offene MeduUarrinne und an ihrem hintei-en 
Ende einen kurzen Primitivstreifen (pr) mit HENSENschen Knoten, der 
von einem Kanal durchbohrt ist. Derselbe ist sogar auffallend weit, 
wie der nebenstehende Querschnitt (Fig. 121) lehrt. 

Wenn wir zum Schlufs nocli in einigen Sützen das Verhältnis 
der Keimblattbildung zwischen den Amnioten und amnionlosen Wirbel- 
tieren erörtern, so hat die vergleichende Entwicklungsgeschichte zu 
dem Ergebnis geführt, dals die Primitivplatte der Reptilien und die 
an ihren vorderem Ende gelegene Öffnung, sowie der Primitivstreifeu • 
der V(>gel und Säugetiere dem Urmund der niederen Wirbeltiere 
entsprechen. Allerdings sind starke Modihkationen namentlich dadurch 




i"' nicht überzogener Teil 



des Dotterentoderms, 
wir Medullarvülste, mkh 
Mesodermhömer, nü:f 
mesodermfreier Bezirk 
der Keimhaut, aus dem 
das I'roamnion entsteht. 



cn Canalis neurenteri- 
cus (Primitivgrube), pr 
Primitivrinne, g Gefäfs- 
anlagen, ein vom mitt- 
leren Keimblatt noch 



Fig. 119. Keimhaut 
von Diamedea mit 
sieben Paar TJneg- 
menten , Qefäfahof, 
Medullarrinne and 




Google 



Die Lehre von den Keimbiuttern. 



105 



eingetreten, dafs dfir Urmund bis auf unbedeutende Öffnungen durch 
Verwachsung geschlossen ist. 

Infolgedessen ist die Priniitivrinne von einem gewissen Zeitjmnkt 
ihrer Ausbildung an die einzige Stelle in der Keimhaut der Amnioten, 
in deren Bereich alle drei Keimblätter, wenn auch 
nur in geringerer Ausdehnung, längs eines schmalen 
Streifens untereinander verschmolzen sind und sich 
als gesonderte Lagen 
nicht unterscheiden las- 
sen, während sie seitwärts 
davon durch einen Spalt 
deutlich getrennt sind. 

Zur Veranschaulichung dieses 
wichtigen Verhältnisses sollen 
drei lehrreiche Querschnitte durch 
die Primitivrinne von Embryonen 
der Säugetiere und des Menschen 
dienen. An der tief einschneiden- 
<len Priniitivrinne einer Em- 
bryonalanlage des Kaninchens 
(Fig. 122 pr) hängen alle drei 
Keimblätter eine Strecke weit 
untereinamler durch eine gemein- 
same Zellenmasse zusammen. 
Dabei kann man mit ziemlicher 
Deutlichkeit bemerken, wie das 
Äufsere Keimblatt (ak) an der 
Primitivfalte (u/) in das parietale 
Mittelblatt (mAr') umbiegt, wäh- 
rend das viscerale Mittelblatt 
{mk^) in das einschichtige Darm- 
drüsenblatt (/7.) übergeht. 
Zwischen den Primitivfalten oder 
Urmundlippen (ul) ist sogar bei 
Embrj'onen von Kaninchen und 
Fledermäusen eine dem Dotter- 
pfropf der Amphibien ent- 
sprechende Bildung (Fig. 12:3 <0 
beobachtet worden. 




Fig. 120. Dorsalansicht einer 
menBchlichen schuhsohlenartigen 
Embryonalanlage mitDottersack. Das 
Amnion geöffnet, l.üngc - min. Nach 
Graf Spkb. 

a Amnion, hat Bauchstiel, cn äufsere 
Mündung des Caiialis iieurentericus , d-- 
I>ottersack, mr Medullarrinnc, pr Primitiv- 
streifen. 



Wik --- ' ' ij-j 





Fig. 121. Querschnitt durch den Canalis neurentericus des in Fig. 120 
abgebildeten menschlichen Embryos. Nach (iraf Spkk. 
ak, ik, nik Auräcres, innere» und mittleres Keimblatt. 



106 



Kiiiiltes Kapitel, 



Es ist nun gewils von lu»heiii. allgenieiuem Interesse, dafs auch 
die Untersuchung eines aulVerordentlich jungen menschlichen Keims 
durcli (inif Si'KE ein Querschnitts})il(l (Fig. 124» geliefert hat. welches 
der vom Kaninchen mitgeteilten Abhilduug zum Verwechseln ähnlich 
ist. Man sieht dort eine tief einschneidende Primitivrinne und an der 
leicht kenntlichen Urmundliinie iul) den Umschlag des Uul'seren Keim- 



i>r itl 




■X' 



l'ig. 122. Quer- 
schnitt durch die 

Primitivrinne 
(Urmund) eines 
Kanin chenkeima. 
N ach E. V. büNEiiKN. 

ak,ik\mk A unseres, 
inneres, mittleres 
KeiiiiMatt. mjA', mk' 
{larietalo. viscerale 
Lamelle des mitt- 
leren Keimblattes, 
h/ seitliche Urmiind- 
lippe, j>r Frimitiv- 
rinne. 



Fig. 123. Querschnitt durch die Primitivrinne des Kaninchens mit 
Dotterpfropf zwischen den beiden seitlichen Urmundlippen («/). Xarh 

( ARILS. 

<ik .\iifsere>, //. inneres, mk niittliTf-» Ki-iniblatt. 



mk^ ul j>r 




Kig. 124. Quer- 
schnitt durch die 

Primitivrinne 
eines mensch- 
lichen Keims in 
der Gef^end des 
Canalis neurenteri- 
cus i}>r\. Nach 
(iraf SpKK. 

liczeirlnmng wie 
in Kiü. 122. 



Mattes iiil) in das jiarietale Mittellilatt mtP). Von diesem ist das 
viscerale Mitttdidatt eine Strecke wi'it gut ^.'esondert ; es geht unter 
der l'riiiiiti\ rinne in das iimi'n' Keimldatt iihei'. woliei die Umschlags- 
riinih'r Iteidi r Seiten utit«'H'inan<l«'r zu dt-r d«'n B<»den der Primitiv- 
rinne hildeiiden Zelleiimasse verwachsen sind. 

Wenn wir in dem lie^'onnenen Vergleich weiter fortfahren, so 
entsjjrei lien Mesodermsäek* lim der li'ejttilien und Ko])ffortsat/ der 
Vogel und Siiugetiore dem F.mitryonalgeldet der aniiiionlosen Wirbel- 



Google 



Die Lehre von deu Keimblättern. 



107 



tiere, das vor dein Urinund an der Decke des Urdarms gelegen die 

Chordaaiilage etc. lii^fort. 

Schnitte durch die Gegend vor der Primitiv rinne, auf ver- 
schiedenen Stadien der Entwicklung untersucht, liefern daher ent- 
sprechende Befunde, wie Schnitte vor dem Urmunde beim Am- 
phioxus (Fig. r>ii_53), den Amphibien (Fig. 62—66), Selactaiern 
(Fig. 78, 79) etc. 

Längs einessch malen, inderMediauebenegelegenen 
Streifens, dort vor demUrmund, hier Tor derPrimitiv- 
rinne, wird die Embryonal an läge nur von zwei Keini- 
blflttern gebildet, von welchen das untere zur Chorda 
zu werden bestimmt ist. Zu beiden Seiten dieses Be- 
zirks geht bei allen Wirbeltieren die zweibl&tterige 
in eine d rei bl ä tt e r i l' o Anlage tlber. indem auf das obere 
Keimblatt das mittlere und auf dieses das Darnidrüsenblatt folgt. 

So gleicht z. B. Fig. 12Ö vom Kaninchen in ganz uuffiilliger Weise 
der Fig» 62 vom Triton. Sie zeigt uns die Cnordaanlage (ch) als 




Fig. 125. Querschnitt durch die Embryonalanlage eines Kaninchens. 
Nach E. VAS Bkneukn. 

ak^ ikf nüi Äulseres, inneres und mittleres Keimblatt, mk^t mk* parietale und 
▼iacerale Lamelle des mittleren Keimblatteit ^ Chorda. 

eine einfiiche Schicht von c\ iindrischen Zellen , links und rechts be- 
grenzt vom mittleren und vom inneren Keimblatt. Das mittlere 
Keimblatt besteht aus einer parietalen («//.') und einer visceralen 
(mk*) Lage platter Zellen, von denen die erstere in die Chordaanlage 
übergeht, die letztere an {lern mit einem Stern bezeichneten Rand 
der Urdarmfalte in das ai)gei)Iattete. einschichtige Kjjitjiel des Darm- 
drtisenblattes {ik) umbiegt. Die Undnegungsstelle springt sogar, wie 
bei den Amphibien, deutlich als Lippe in den Urdarm vor. Von 
diesen Verbindungen zur Seite der Chordaanlage abgesehen, ist das 
mittlere Keini))latt von den Grenzbl&ttem fiberall durch einen Spalt- 
raum scharf abgesondert. 

Wie bei den Amnionlosen können wir auch hei den Amnioten 
zwei Abschnitte am mittleren Keimblatt bald nach seiner ersten 
Anlage unterscheiden, einen jitMistonialen Abschnitt, der in der T'm- 
gebung von rriniitivplatte und l'riniitivstreifen entsteht, und einen 
parachordalen Abschnitt, der sich zu beiden Seiten vom Mesoderm- 
Bftckchen der Reptilien und dem Ko]iffort8atz der Vögel und Säuge- 
tiere ausbreitet. 

Aus Tatsachen endlich, deren Beschreibung und aus Gründen, 
deren Erörterung uns hier zu weit fuhren würde, ergibt sich noch 



Oigitized by 



108 



Fünftes Kapitel. 



zwischen Aiunionlosen und Amnioten die dritte wichtige Cber- 
einstimniung, dafs die vordere Körperregion hei jenen durch Ver- 
wachsung der Urniundränder, hei diesen durch die Umwandlung von 
Primitivplatte und Priuiitivstreifen in die Länge wächst. Dabei wird 
längere Zeit durch das Eigenwachstum von Primitivplatte und 
Primitivstreifen der an seinem vorderen Ende in der Gegend des 
HENSKNschen Knotens durch Umwandlung eintretende Verlust immer 
wieder ersetzt. Daher findet man hei Embryonen auf den verschiedensten 
Stadien, auf dem Stadium der Medullarplatte, der Medullarrinne 

und des schon zum Teil ge- 
schlossenen Nervenrohrs 
(Fig. 120, 127, 128) hinter 
der verschieden weit diffe- 
renzierten Anlage des Cen- 
tral nervensystems immer 
noch einen ansehnlichen 
Primitivstreifen (resp. Pri- 
mitivplatte) vor. Erst von 
einem bestimmten Stadium 
an nimmt der Primitiv- 
streifen an Länge rapid ah, 
zur Zeit, wo erindas Nerven- 
rohr durchUniwachsungein- 
geschlossen wird ; schliefs- 
lich wird er beim Längen- 
wachstume des Rumpfes 
und Schwanzes aufgebraucht 
bis auf einen geringen End- 
abschnitt, der zum After 
wird. Bei diesen Vorgängen 
wird peristomaler in para- 
chordalen Mesoblast um- 
gewandelt. 

Wie auf noch weiter vorgerückten Stadien der Entwicklung hei 
Reptilien. Vögeln und Säugetieren sich die Nervenplatte zum Nerven- 
rohr, die Chordaanlage zur Chorda umwandelt und wie das mittlere 
Keimblatt sich aus seinen median gelegenen Verbindungen löst, braucht 
hier im einzelnen nicht genauer beschrieben zu werden, da alle diese 
Vorgänge sich im wesentlichen in der schon früher dargestellten 
Weise (S. 76) vollziehen. 





Fig. 126. 

Fig. 126— 12>^. Drei verBchieden alte 
Hühnerembryonen zur Illustrierung; des 
Verhältnisses zwischen Frimitivrinne und 
der vor ihr gelegenen Körperregion, in 
welcher die Anlage des Centralnerven- 
systems an Länge immer mehr zunimmt. 
Nach Kkiuel uiul Abraham. 



Bepetitorium zu Kapitel V. 

A. Die Keimblase. 

1) Aus dem Haufen der Furchungszellen (Maulbeerkugel, Morula) 
entwickelt sich bei allen Wirbeltieren eine Keimblase (Blastula) mit 
einer Keimblasenhöhle (Blastocoel). 

2) Es gibt bei den Wirbeltieren vier verschiedene Arten von 
Keimblascn. je nach dem Gehalt an Dotter und nach der Verteilung 
desselben. 

a) Reim Amphioxus ist die Keimblasenhöhle sehr grofs, 
und ihre Wand besteht aus einer einzigen Lage annähernd gleich 
grofser cvlindrischer Zellen. 



, Google 



Die Lehre von den Keimblättern. 



109 



b) Bei Cyk)ostomen und Amphibien ist die Keimblasenhöhle 

HTiir, (lif oino Ilälfte der Blasenwand ist <\i\un und aus nnor oder 
mehreren Lageu kleiner Zellen zusammengesetzt, die andere Hillffp 
ist erheblich verdickt und aus grofsen, vielfach übereinander ge- 
schichteten Dotterzellen gebildet. 

c) Bei Fischen, Reptilien und Vögeln (meroblastische Eier) 
ist die Keimhlasenliöhle verschwindend klein und spaltförmig, 
Nur ihre Decke oder ihre dorsale Wand besteht aus epithelartig 
zusammengefügten Zellen, ihr Boden oder ihre ventrale Wand 
dagegen besteht teils au" In'ker zusammenhängenden Zellen, 
teils au'j der nicht in Zellni z rffillfnicn Dottennasse, die sowohl 
ceutrui ais in der Nühe Uei> keiniüuaUundes Dutterkerne ein- 
sehliefet (centrales und peripheres Dottersyneytium). 

d) Bei SiUigetieren ist die Keimblasenhöhle sehr pcräumig, 
mit eiweifshaltiger Flüssigkeit erfüllt: ihre Wand setzt sich aus 
einer einzigen Lage stark abge]>latteter, hexa^onaler Zellen zu- 
sammen, mit Ausnahme einer kleinen, verdickten Stelle, wo 
gröfsere Zellen, mehrfach tlbereinander geschichtet, ein^i nach 
innen vorspringenden UOgel bedingen. 

B. Die erste Phase der Keimblattbild uug, die Gastrula 

mit zwei Keimblftttern. 

1) Aus der Keimblase entwickelt sich durch Einstülpung eines 
Teiles ihrer Oberflftche eine zweiblfttterige Form, die Becherlarve 
oder CUutmia. 

2) Die beiden Laiiii llpn des Dop])elbechcrs sind das ilnfsere und 
das innnere Keimblatt (Ektohh\st. Eutoblast, Ektoderm, Entotlerni) ; 
der die beiden Blätter trennende Spaltraum ist die obliterierte Keim- 
blasenhöhle; der durch die Einstalpung entstandene Hohlraum ist 
die Urdarmhöhle, seine Öffnung nacli aufsen der Drmund. (filasto- 
porus, Prostoma. Sichelrinnc, rriniitivrinne.) 

:l) Den vier Arten von Keimblaseu entsprechen vier Arten von 
Becherlarveu. 

a) Beim Amphiozus ist der Urdarm weit und jedes Keimblatt 
aus einer einfachen Lage cylindrischer Zellen aufgebaut 

b) Bei Cyklostomen und Amphibien sammelt sich an der 
ventralen Wand des Trdarms im inneren Keimblatt die Masse 
der Dotterzellen an und bedingt einen Vorsprung, durch welchen 
der TIrdarm zu einem Spalt eingeengt wird. 

c) Bei Fischen, Reptilien nntl Vögeln bleibt anfangs die 
Bildung zweier Blatter auf die Keimhaut beschrünkt , da der 
ungeteilte Dotter sich we^en seines betrj^ cht liehen Volumens nicht 
einstülpen läfst. Die Keimhaut wird zweibliltterig, indem bei 
den Fischen von einer Stelle ihres Randes aus eine Einfaltung 
und ein Einwachsen von Zellen erfolgt; bei T{ei)lilien und Vögfln 
erfolgt die Bildung des inneren Blattes unabhäTii/iL' vom Rand 
der Keimhaut und in einiger Entfernung von iinu, ohne nach- 
weisbare Einstülpung, durch Unterwacnsung der Keimblasen« 
decke durch Dotterzellen. Der Dotter erhillt erst sehr langsam 
und spät ringsum eine zellige Begrenzung, indem er vom Hände 
der Keiiuhaut umwachseu wird. 



Digitized by Com^Ie 



110 



FüDttes Kapitel. 



d) Bei den Säugetieren entwickelt sieb das innere Keimblatt 
von der verdickten Stelle der Keimhiase, dein Furchuiigskugelrest. 
aus. Am Anfang seiner Kntwickhing hört das innere Keimblatt 
nach unten mit einem freien Rande auf, so dafs der Urdarm 
ventralwärts eine Zeitlang nur vom ftufsereD Keimblatt abge- 
s^chlossen wird, eine Eigentümlichkeit, die sich auf die Verhält- 
nisse bei Reptilien und X'ögeln zurückführen lälst, wenn wir uns 
bei ihnen das Dottermaterial , ehe es vom inneren Keimblatt 
vollständig umwachsen ist, geschwuttden denken. 

4) Bei den Wirbeltieren zeigt die Becberlarve eine scharf aus- 
geprägte, bilaterale Symmetrie, so dafs man späteres Kojjf- und 
Schwanzende, spiltere Rücken- und Bauchseite des Körpers leicht 
unterscheiden kann. Der Urmund (Sichel- und Primitivrinne) be- 
zeichnet das Sehwanzende. Die Bauchseite ist gekennzeichnet als der 
Oit. nn welchen das gefurchte oder nicht gefurchte Dottermaterial 
zu liegen kommt. 

Q). Die zweite Phase der K e i ni h 1 ii 1 1 Ii il d u ng, mittleres 

Keimblatt und Leibeshohle. 

1) Beim Amphioxus entwickeln sich die mittleren Keimblätter, 
welche die Leib^höhle einsebliefsen, als sackartige Ausstfilpungen 

(Coelomtaschen) an der Decke des rrdarms zu beiden Seiten von 
der Chordaanlage. Dadurch wird das primäre innere Keimblatt 
beim Amphioxus gesondert in drei Bezirke: 

a> in die epitheliale Auskleidung des bleibenden Darm- 
rohrs (sekundftres inneres Keimblatt oder DarmdrQsenblatt); 

b) in die epitheliale Auskleidung der LeibeshOhle oder das 
mittlere Keimblatt, an weMiem ein parietales und ein viscerales 
Blatt zu unterscheiden sind; 

c) in die Anlage der Chorda. 

2) liei den Cyklostomeu, Amphibien, P^lasmobranchiern wachsen 
solide Zellmassen als Anlage des mittleren Keimblattes zwischen 
äufseres und inneres Keimblatt hinrin. und zwar: 

a) in der Umgebung der offenen Urmundstrecke als peristo- 

maier Mcsoblast; 

b) von hier nacli vorn an der Decke des Urdarms in ge- 
ringer Entfernung von der Medianebene zu beiden Seiten der 

Chordaanlage als gastraler oder parachordaler Mesoblast 

• 5) Die soliden Mesoblastan lagen sind als geschlossene Epithel- 
faltt-n zu beurteilen, die. wenn man sie sich geöffnet denkt. Cnelnm- 
taschcu bilden, vergleichbar den Coelomtaschen des Amphioxus. Die 
mittleren Keimblfttter sind daher als die Epithelwandungen der Leibes» 
höhle aufzufassen. 

1) Der itai a( liordale ist aus dem peristomalen Mesoblast hervor- 
gegangen, wenn die Theorie richtig ist, dais von seiner ersten Anlage 
an der Urmund sich durch Verwachsung seiner Rftnder von vom 
nach hinten schlieist und dafo die Chordaanlage aus der inneren 
EpithelHäche der Verwachsungsnaht der Urmundlippen abstammt. 

•'1 \on der peristomalen und parachordalen Ursprungslinie breiten 
sich die mittleren Keimblätter nach vorn und ventralwärts aus. 



Digitized by Googl 



Die Lehre von deu Keim blättern. 



III 



6) Bei den Reptilien entsteht das mittlere Keimblatt au8 der 

Primitividiitte. die sich zu oinor (^rube vertieft und nacli vorn zu als 
Mesodeniisiickchen zwischen Kuibryonalscliild und Darmdiüsenbhitt 
hineinwächst; es läfst einen peristouialen und einen paracbordaleu 
Abschnitt QDterseheiden, von denen der entere in der Umgebung der 
prulienfönnipr vertieften rriniitivplatte , der letztere aus den Seiten 
des Mesodeinisäckchens horvorwilchst. 

7) Bei den Vögeln und bHugetieren entsteht das mittlere Keim- 
blatt: 1) aus dem Priniitivstreifen, der durch Wucherung des äufseren 
Keimblattes entsteht llKNSKsscher Knoten . Primitivrinne, Caudal- 

knoten). 2) aus dem Kopff 1 1 ;itx. der dur(h rnnvaiidlung aus dem 
vorderen Ende des Primitivstreifens hervorgeht. — (Peristomaler und 
parachordaler Mesoblast.) 

8) Primitivstreifen und Kopffortsatz sind homolog der Primitiv- 
platte und dem Mesodermsäckchen der Reptilien, wie denn hier 
und da im Kopffortsatz noch ein Hohlraum als Chordakanal vor- 
gefunden wird. 

9) Das Mesodennsäckcheu der Reptilien und der Primitivstreifeu 
der Vögel verwachsen mit ihrer unteren Flftche Iftngs eines Streifens 
mit dem Darmdrüscnblatt, worauf sich an der Nahtstelle Durch- 
Ttrechungen bilden (Eröffnung des Mesodermsäckchens und des Chorda- 
kanals). 

lu) Primitivplatte der lieptilien und i riniitivstreifen der Vögel 
und Säugetiere mit ihrer Primitivgrube und Priraitivrinne entsprechen 
dem rrmund der aninionldsen Wirbeltiere und sind als geschlossener 
Urraund zu denteu. Die in ihrem Bereich sp.lter eintretenden Durch- 
brechungen sind daher als Wiedererö£fuung der geschiosseneu Urmund- 
spalte zu deuten (besonders auch der Canalis neurentericus). 

11) Während bei ihrer ersten Anlair*} mittleres Keimblatt, Chorda- 
anlage, Danndrfisenblatt bei allen Wirlielt leren sowohl ]>enstomal als 
parachordal kontinuierlich zusammenhäogeu, trennen sie sich später 
voneinander durch Abschuürung. 

Erstens, die Leibessäcke lOsen sich von der Chordaanlage 

und dem Darmdrüsenblatt ab, wobei die frei werdenden Ränder 

des i>arietalen und des visceralen Mittelblattes verwachsen. 

Zweitens, die Chordaanlage krl\mmt sich zur Chordarinue 
ein, und diese geht in einen soliden Stab über, der sich vom 
Darmdmsenblatt vollständig isoliert 

Drittens, das Darmdrflsenblatt schliefet sich mit einer dorsalen 

Naht zu einem Rohr. 

12) Die Kntwicklnnp der drei Anlagen, wie überhaupt ver- 
schiedener anderer Organe, beginnt am Kopfende der Kmbryonal- 
anlage und schreitet von hier nach dem Urmund zu fort, an Wehdem 
noch längere Zeit eine fortgesetzte Neubildung der Teile und eine 
Zunahme im Längenwachstum des Körpers stattfindet. 

Der Urmund nimmt anfangs die pnnze Rückenfläche der 
Embryonalanlage ein ; er iieginut sich aber sehr früh schon von vorn 
nach hinten in einer Längsnaht zu scbliefsen, während er sieh gleich- 
zeitig noch nach hinten durch Zuwachs vergröfsert. Der Abstand des 
offen bleibenden Urmund restes vom Kojifende wird daher allmählich, 
je älter der Kmbryo wird, um so gröfser. 



Digitized by Google 



112 



FOnftes KapiteL Die Lehre von den KeimblAtteni. 



14) Der Urmund (Primitivrlone) bildet sich auf späteren Ötadien 
der Entwicklung durch VerseUufä seiner R&nder ganz zurttck und 

geht mit Ausnahme des Afters in kein Organ des Erwachsenen Uber. 
(Genaueres hierüber sielie im II. Teil des Lehrbuchs.) 

15) Vor (lein Schwund wird der Unnuud (Primitivrinne) von den 
Medullarwülsteu um wachsen und in den Endabschnitt des Nerven- 
rohrs mit aufgenommen, wodurch eine direkte Verbindung zwischen 

Nerven- und Darmrohr hergestellt wird, der Canalis neurentericus. 
Durch Verschlufs desselben erfol^^t spilter die Trennung der beiden 
längere Zeit untereinander konununizierenden Organe. 




Digitized by Goc^^lj: 



Sechstes Kapitel. 



Die Entvieklang der Ursegmente« die Entstehiug 
von Bindesnbstanz und Blut. 

^ach der Bildung der mittleren Keimblätter spielen sich an der 
Kinbryonalanlage der Wirbeltiere zwei wichtige Prozesse ab. Der 

eine Prozel's führt zu einer Gliederung der mittleren Keimblätter in 
die beiden Seitenplatten und in zwei links und rechts von der Chorda 
gelegene Keihen würfelförmiger Körper, der Ursegmente, welche 
man frOher auch weniger passend die Urwirbel genannt hat. Der 
andere Prozefs, der »ich etwa zur selben Zeit, wenigstens bei den 
höheren Wirbeltieren, voll/ielit, führt zur Entstchuug von Anlagen, 
aus welchen sich die Stutzsubstanzen und das Blut der Wirbeltiere 
ableiten lassen. 

a) Die Uniegmeiite. 

Was zuerst die Ursegmentbildung betrifft, so fällt sie beim 
Amphioxus mit der ersten Anlage des mittleren Keimblattes, mehr 
als bei den übrigen Wirbeltieren, zeitlich zusammen und läfst deut- 
lich erkennen, dafs sie auf einem Faltungsprozefs beruht, der sich 
vielfach in der gleichen Weise wiederholt. Sowie nämlich links und 
rechts von der Cliordaanlajre sidi die Coelonitaschen aus dem Uriliu ni 
anlegen (Fig. beginnt auch schon in geringer Entfeniuog vom 
Kopfende ihre Wand eine zur Längsachse des Embryo quergestellte 
Falte zu bilden, welche von oben und von der Seite her in die 
Leibeshöhle nach abwärts w.nchst : in derselben Weise (Fig. ')(;) ent- 
steht alsbald jederseits in geringer Entfernung hinter der ersten eine 
zweite, hinter der zweiten eine dritte, vierte Querfalte und so fort 
in demselben Mafse, als sich der embryonale Körper in die Lftnge 
streckt und sich die Anlage des mittleren Keimblattes durch Fort- 
schreiten der Aussackun|4 nach dem Urmund zu verprörsfrt. So 
wird gleich bei ihrer ersten Anlage jede Leibestasche beim Aiupliioxus 
in eine Reihe kleiner, hintereinander gelegener Sftckchen zerlegt. 

Bei dem in Fi^'. öt; darpestellten Embryo las«;en sicli jedrrseits 
fünf Ursegmente zählen, denen sieli bei weiterem Wachstum von 
hinten her immer neue anschliei'sen. Denn der Ausstülpungsprozel's 
geht an d«r mit mk bezeichneten Stelle nach dem Urmund zu noch 
weiter und lilfst durch (^uerfaltung eine anselmliche Menge von 
IJrsegmenten aus sirh hervorgehen . deren Zahl hei einer nur 
24 Stunden alten Larve schon auf 17 Paar gestiegen ist. Die Ur- 

O. Hartwig, Ow BlamtBte der EntwleUangilehi«. i. Aull. 8 



Digitized by Google 



114 



Sechstes Kapitel. 




I 



Segmente sind symmetrisch zu beiden Seiten von Nervenrohr und 
Chorda angeordnet (Fig. 129); am Anfanf; zcigon sie noch eine 
Öffnung, durch welche ihr Hohlraum {tish) mit dem Darmraum in 
Verbindung stellt. Ahbald aber beginnen sieh diese Öffnungen nach' 
einander zu schliersen, indem ihre Ränder einander entgegen- und 
zusammenwachsen, und zwar in derselben Reihenfolge, in der die 
Abgliederung der Teile von vorn nach hinten erfolgt ist. Dabei 
dehnen sich die Uraegmente (Fig. 55) allmfthlich unter Vermehrung 
und Gestaltsverftnderung ihrer Zellen sowohl dorsal- als ventralwftrts 
aus. Nach oben wachsen sie mehr und mehr zur Seit»' tlos Nerven- 
rohrs empor, das sich mittlerweile vou seinem Mutterbodeu, dem 
Hufseren Keimblatt, ganz abgelöst hat. Nach abwärts schieben sie 

sich zwischen sekundären Darm und äufseres 
Keimblatt hinein. Schliefslicli wäre gleich 
hier auch zu erwähnen, dals auf einem noch 
späteren Stadium, wie auf der rechten Seite 
der Fig. 55 zu sehen ist, die dorsalen Ab- 
schnitte der Ursegmente sidi von den ven- 
tralen abschnüren. Die erstereu liefern unter 
dem Verlust ihrer Höhlung die quergestreifte 
Muskulatur des Körpers, aus den Hohl- 
rftumen der letzteren alx i leitet sich die 
eigentliche ungegliederte Leibeshöhle her. 
indem die trennenden Scheidewände sich 
verdünnen, einreifsen und schwinden. 

Ähnliche Vorgänge vollziehen sich in 
etwas veränderter Weise bei den Übrigen 
Wirbeltieren. 

Bei den Amphibien (Tritonen) (Fig. 68 
u. CO) verdickt sich das mittlere Keimblatt, 
dessen Zellen zu langen Cylindern aus- 
waehsen, zu beiden Seiten von der Chorda (cA) 
und von der Anlage des Centrainervensystems 
{ii>p\ welche sieh zu dieser Zeit zu einer 
Rinne zusamineiijxt'krünmit hat; hierbei 
tritt in dem verdickten Teil durch Aus- 
einanderweichen der visceralen und parietalen Lamelle ein Hohl- 
raum (ush) hervor, um welchen die Cylinderzellen als Epithel an- 
geordnet sind. Man unterscheidet die median gelegenen, verdickten 
Teile der mittleren Keimblätter als die Ur segmentplatten von 
den seitlichen Teilen oder den Seitenplatten, in deren Bereich 
die Zellen niedriger sind. Während nun beim .\iiii)liinxus der Prozefs 
<ler Segmentierung sich auf da? <je*^amte mittlere Keimblatt ausdehnt, 
ergreift er bei den Amphibien und ebenso bei allen übrigen Wirbel- 
tieren nur die Hrsegmentplatten , Iftfst dagegen die Seitenplatten 
unberührt. Hif s» _]nentierung beginnt am Ko])fende und sdireitet 
langsam nacli bluten fort: ?ie vollzieht sich in der Weise dsifs die 
an Nervenrohr und Chorda angrenzende Epithellamelle sieh in kleine 
Querfalten erhebt, die, durch gleich grofse Abstände voneinander ge- 
trennt, in die Höhlung der Ursegmentplatte hineinwachsen und die 
Entstehung kleiner, hintereinander gelegener Sitrkchen veranlassen 
tFig. li-iM). Bald darauf schnürt sich noch jedes Säckchen vou den 
Seiteuplatten ab (Fig. GS u. W). Man trifft daher jetzt sowohl an 



Fig. 129. Firmtateohnitt 

eines Amphioxus -Em- 
bryo mit neun Paar ür- 
segmenten beiderseits 
der Chord» {Vh). lisch 
Hatccbsk. 

Dt Kntodiriiisiickchen. 
MF ungegliederte Meso- 
dermfsUe» Unk Ursegment* 
höhl«. 





Digitized by Google 



EntirickluDg der Uraegmente, Entstehung Ton Üinde$ub»tanz u. Blut. 115 



Qaer- als Frontalselmitten links nnd rechts von Chorda und Nerven* 
robr kubische, von Cylinderzellen ausgekleidete Blftschen. welche von 
ihrer Umgebung überall durch einen Sfialtraum abgegrenzt sind und 
in ihrem luuern eine kleine Ursegmeuthühle, ein Derivat der Leibes- 
höhle, einsehliersen. 

Unter den Wirbeltieren, die sich aus meroblastischen Eiern ent- 
wickeln . zeigen die Selachier den ursprünglichen Modus der Ur- 
segmeutbilduDg am deutlichsten, ludern 
die parietalen und die visceralen Lamellen 
des mittleren Keimblattes auseinander- 
weichen, bildet sich jederseits eine deut- 
liche Leibeshöhle aus (Fig. 133). Ihr dor- 
saler, an das Nervenrohr angrenzender Ab- 
schnitt (mp) erhalt verdickte Wandungen 
und ents|)richt der oben unterschiedenen 
Ursegmentplatte, die sich gleichzeitig mit 
dem Deutlichwerden der Leibeshöhle in die 
Ursegmeute zu gliedern beginnt. Im vor- 
deren Abschnitt des Kmhrvo wird eine 
Reihe von queren Teilungslinien bemerk- 
bar, deren Zahl nach rückwärts kontinuier- 
lich zunimmt. Längere Zeit hängen die 
Höhlungen der durch die Querfurchen von- 
einander getrennten IJrsegmente noch mit 
der gemeinsaineu Leibeshuhle ventralwärts 

durch enge Öffnungen zusammen. Mao kann daher die vorliegenden 

Befunde auch so darstellen, dafs die Leibeshöhle nach dem Rücken des 
Embryo zu mit einer Keihe hintereinander gelegener, sackartiger 



Äff. 




Yiff. VM. Querschnitt durch die Büttkttiigttcaiid eiaM Bflluurambfjo 

TOn 46 Stunden. Nach üalkouk. 

Der Schnitt zeigt das mittlere Kciinlilatt ttilwoibo gesondert üi das l'r- 
segmeni (Pe) aod die Seitenplatte, welche die Leibeshohlu (pp) zwischen sich falkt. 

Me Medullarrobr, Pv t^rse^ment, So Rumpf platte. Sp Darinplatte, pp Leibes- 
höhlo, >/> ( linrda, .1 iiursen s Keimblatt, C inneres Keimblatt, oo Aorta, v Blat- 
gefafs, H'd WuLk-rscher üuug. 

Ausstttlpnngen besetst ist. Spftter schnüren sieh die Ursegmente 
(Fig. LM inp) von der Leiboshöhle ab. wobei sich ihre verdickten 
Wandungen aneioauderlegeu und die Ursegmenthöhle zum Schwund 

bringen. 

Wahrend bei den Selachiem noch deutlich hervortritt, dalh die 
Bildung der Ursepniente auf Faltuni? und Abschntlrung beruht, ist 
dieser Prozefs bei den Reptilien, Vögeln und Säugetieren bis zur 

8* 




Fig. 180. Frontslsohnitt 
durch den Rücken eine« 
Tritonembryo mit ausge- 
bildeten Ursefcmenten. 

Man sieht zu beiden Seiten 
der Chorda (ch) die Urseg- 
mente iii.o) mit ihren Urseg* 
meutliuhleu (us/i). 



Digitized by Google 



Sechstes Kapitel. 



Unkenntlichkeit verwischt; es läfst sich dies einfach darauf zurück- 
führen, dafs die beiden Lamellen des mittleren Keimblattes längere 
Zeit fest aufeinandergeprefst bleiben und erst spät auseinander- 
zuweichen beginnen, und dals sie aus mehreren Lagen kleiner Zellen 
zusammengesetzt sind. Der Faltungs- und Abschnürungs- 
prozefs erscheint hier als Spaltung einer soliden Zel- 
lenplatte in kleine kubische 
Stücke. 

Der au Chorda und Nerven- 
rohr angrenzende Teil des mittleren 
Keinddattes bildet an dem Durch- 
schnitt durch einen Hühnerembryo 
(Fig. 131) eine aus vielen kleinen 
Zellen bestehende kompakte Masse 
(Pr), die, solange sie nicht in 
einzelne Stücke gegliedert ist, als 
Ursegmentplatte bezeichnet wird. 
In unserer Figur hängt sie seitwärts 
noch durch eine dünne Zellen- 
brücke mit d<*n Seitenplatten zu- 
sammen, in deren Bereich die mitt- 
leren Keimblätter dünner und durch 
einen Spalt, die Leibeshöhle, von- 
einander getrennt sind. Bei Be- 
trachtung der Keimhaut von der 
Fläche erscheint die Gegend der 
Ursegmentplatten, wie im hinteren 
Abschnitte des neun Tage alten 
Kaninchenembryo (Fig. I:t2) zu 
sehen ist, dunkler als die Gegend 
der Seitenplatten, so dafs man beide 
voneinander als Stammzone (atz} 
und als Parietalzone (pz) unter- 
schieden hat. 

Die Entwicklung der Urseg- 
niente macht sich beim Hühnchen 
am Anfang des zweiten T;iges der 
Bebrütung, beim Kaninchen etwa 
am achten Tage bemerkbar. In der 
Stammzone, in einiger Entfernung 
vor der Primitivrinue, etwa in der 
Mitte der Embryonalanlage und 
links und rechts von der Chorda 
und dem Nervenrohr, treten helle, 
quere Streifen auf (Fig. Hfl, 127. 
128, 132). Querspalten, durch welche 
die ITrscgmentplatten in die kleinen 




Fig. 182. Kaninohenembryo 
des neunten Tages, von der Rücken- 
seite gesehen. Nach KOi.i.iKKn. 
21 fach vergr. 

Mun untiTschcidet die Stamnizonc 
(üU) und die l'arictni/one (i>^). In der 
ersteren huhen sich acht l'nar Ur- 
segmente zur Seite der Chorda und 
des Nerven roh rs angelegt. 

ap Heller Fruchthof, rf Klicken- 
furche, rh Vorderhirn, ab Augenhlasen, 
inh Mittelhirn, hh Hinterhirn, mr Vr- 
i>egment, «/• Stanimzoiie, Parietal- 
zone, /» Herz, ph Pericardialteil der 
l.eibeshöhle, vd durchschimmernder 
Kand der vorderen Darmpforte, nf Am- 
nionfalte, ro Vena oinphaloiiiesenterica. 



und soliden, kubischen Ursegmente 
(vir oder uft) abgeteilt werden. Später entwickelt sich in jedem Ur- 
segmeiit. wahrscheinlich unter Ausscheidung von Flüssigkeit, wie hei 
den .\mphibien und Selachiern. ein kleiner Hohlraum, um welchen 
sich die Zellen in radiärer IJichtung herum gruppieren (Fig. 137 /ms). 
Auch hier steht er anfänglich wie bei den Selachiern mit der Leibes- 



, Google 



Entwicklang der Uraegmente, Entitehnng von Binderabstant u. Blut 117 

hßhle seitwärts iu Zusuniiuenliaug, bis sich das Ursegment vullHtündig 
ahgeschnOrt hat. 

Von dem bisher lirtraehteten Gliederungsprozefs wird l>ei den 
Wirbeltieren aufser der Huinpfiogion noch ein Teil der Koptre^iinn 
der Kiubryoualaulage betrotteu. ^lan mufs daher einerseits von Kopf- 
und aDdererseils von Rumiifsegmenten sprechen. Zahl und Be- 
schaffenheit der ersteren ist noch Gegenstand von Gontroversen. 

b) Die Entstehnng der Bindesabstanxeo. 

Wie schon in der Einleitung zum fünften Kapitel iiervorgehoben 
wurde, entwickelt -irb frühzeitig zwisrlien den vier Keimblättern, die 
ihren histologischen Eiiieoschaftennach als Epilhelgewebe zul»ezeichnen 
sind, ein Zwischengewebe oder Mesenchym, das einen vom 
Epithel sehr abweichenden histologischen Charakter trilgt und sich 
später in die zahlreichen und verschiedenen Arten der Stüt /Substanzen, 
in taseri^'es liinde^'ewebe (iu Sehnen, Bänder, Fascien, faserige Häute), 
in Knorpel, Knochen, Lymphgewel« usw. differenziert. Unter den 
Wirbeltieren sind wohl die geeignetsten Objekte, um seine erste 
Entstehung zu beobachten, die Selachiereuiltrynnen . bei denen Mes- 
enchym sowohl sehr frühzeitig als auch sehr reichlich gebildet wird. 
6t;m Ursprung geht von verschiedenen Steilen aus, besonders aber ist 
das mittlere Keimblatt der unstreitig wichtigste Mutterboden, und 
kommen hier wieder in erster Reihe die Ursegmente in Betracht. 
Zur Zeit, wo diese not h mit den Seitenplatten nach abwärts zusaranien- 
häugeu und iu ihnen die Leibeshöhle sichtbar wird, tritt eine Zellen- 
wucherung an ihrem der Ghorda zugekehrten Abschnitt auf, der ge- 
wöhnlich als Skierotom bezeichnet wird, im Gegensatz zum anderen 
Teil, dem Myotom. Von hier aus scheiden dann Zellen in greiser 
Anzahl (Fig. VSi sk) einzeln aus dem epithelialen Verbände aus, ent- 
fernen sieh durch aktive Bewegungen von ihrem Ursprungsorte, wie 
die Mesenchymzellen bei wirbellosen Tieren, und breiten sich in dem 
Zwischenraum aus, der auf fler einen Seite von der inneren Wand (mp) 
des Ursegraents, auf der anderen Seite von Chonia ich) und Nerveu- 
rohr (nr) begrenzt wird. — Bei ihrem Auftreten werden die amö- 
boiden Zellen nur durch geringe Mengen von ZwiNfhensnbstan/ geti ennt; 
sie nehmen an Zahl rasch zu und drängen dadurch Chorda, Nerven- 
rohr und Ursegmente bald weiter auseinander (Fig. 134). Hierl>ei 
Mihwindet sehr frOh die segmentale Anordnung, welche die Wucherungen 
bei ihrem allerersten Auftreten erkennen lassen, indem sie bei ihrer 
Ausbreitung 7a\ einer /u<:nnmenhangenden Schicht zusamnientliefsen. 

Das zu beiden Seiten von der Chorda aus dem mittleren Keim- 
blatt hervorwuchernde Mesenchym gibt die Grundlage für das 
gesamte Achsenskelett ab; es liefert das .skelettbildende (skeleto- 
gene) Gewebe, indem die linker- und rechterseits entstandenen Massen 
sich entgegenwaehsen untl verschmelzen. "Wie die Fig. \'M zeigt, 
schiebt sich das Mesenchym (<?/ ) dorsal und ventral um die Chorda (ch) 
herum und umhüllt sie allerseits mit einer immer dicker werdenden 
bindepewebi^'en Scheide. In «lerselben Weise hliefst es riiiL-uni das 
Nervt nrohr (wr) ein und bildet die Membrana reuniens superiur der 
alteren Embryologen, die Grundlage, aus der sich späterhin die binde- 
gewebigen Hollen des Nervenrohrs und die Wirbelbogen mit ihrem 
Bandapparat diflferenxieren. 



Dlgitized by Google 



118 Sedistet Kipitol. 

Äliiiliclie Verhültuisse wie bei den Selacbiern lasseu sich auch 
bei den Reptilien, Vögeln und Säugetieren beobachten. Die Ur- 

segniente, welche unprOnglich solid sind, bekommen bald eine kleine 

Hfthle (Kifj. 1:^7), um welche herum die Zellen zu einem geschlossenen 
Epithel angeordnet sind. Dann beginnt ein nach unten und medial 
gelegener Teil der Ursegmentwandung aufserordeotlich lebhaft zu 
wucliern und embryonale Bindesu])Stanz zu liefern, die sich in der 
oben bescbriebeiHMi Weise um Chorda und Nervenrohr ausbreitet. 
Aus dem nicht mit iu Wucherung gerateoeu, dorsal und lateral ge- 




I'i«. l"-^. Fi?. 1:^4. 

l'ig. l'V-i u. l'.ii. Schemata von Querschnitten durch jüngere and ältex« 
Selachierembryonen zur Veranachauliohunc der Entwi aklnwy dftr haopt- 
Bäohliohsten Produkte des mittleren Keimblatt«!. Mit einigen Abindemngen 

mich WiJHK. 

11- !:'' Querschnitt durch die Qogond der Vomiere von einem 
£mbryo , bei welchem die Muakelsegmente (mp) im Begriff etehen, eieli 
absuBchnüren. 

l ij ]'M. Querschnitt durch einen etwas älteren Anbiyo, bei Wdldieai 

Bich die Muakelsegmente eben abgeachniirt haben. 

/'» XervcDrohr, eh Cliorda, ao Aorta, teh subrhordaler Stranf» "»J» Mogkel- 

jilatt»' d«'s I rseffnients, tr \\ »chstumszone. an wflrhcr die Muskelplattp in die 
Cuti>plntt«> ii/i) iiniliit'frt. «/< ('iitis])latte. vh Verllilu^llngs^t^ick dos rrsepnu'nts niil 
der l.<'il»«'>linlilf. Ulis wcirlifiii >icli n. a. dir rrniiTciikanaliliPii (1H4 id) piitwiikeln, 
.<:/• skrlc'tnpi'nos (irvM-lto. da> durrli Wucht-runfi aus der medianen Wand des Ver^ 
bindiin<^sstruk(>s ri, fiitstcht , rn Vomiere, wt' parietales, «tl!* viseeraiee Mittel» 
Matt, ans dt-rcn Waiidiinjfoii sich Mtsrntli\ ni entwickelt, 1h Lcibeshöhlf, ftfc Bann- 
drüspnhlalt, h II«. Iii. • de> l ix-irments, itk l rniLTcnkanalthen. ans dem Verbindung«* 
>\.\Hk rli des Sdienia i:*:'. t iitstandiii. k/.' Stelle, wo sich das ('rnierenkii milchen 
vom l IM LMni nt ahgelo.st hat, ug tmiereosane, mit dem sich links das Umieren* 
kanalclH'H xerlnindcn hat. tr Verbindung des Umiereakanilchen« mit der Leibes- 
linhir . Ni.'n ntri« litei K </" v>. u„s^ Hesenchym, das ans dem parietalen and vis- 

ccralcn Mitiellilalt cnt>taiidon ist. 



legenen Teil des Ursegmentes (Fig. 137 m\ das sp&terhin seine 
Höhlung nrieder einbttfst, geht vorzugsweise die Anlage der Rumpf- 



Digitized by Google 



Entwicktuflf der Unegnentef Entstcbniig von BindesubsUnz u. Blut. 119 

muskulatur hervor. Dieser Teil wird daher jeUt als M uskelplatte 

{ins) «nlerscliiedeii. 

Eine Entstohung vod Mesenchym findet aufser an den Ursegmenten 
jinch an drei anderen Stellen dfs mittleren Keimblattes statt, am 
Darnifaserblatt , am Hautfaserblatt und endlich noch an derjenigen 
Wand der Ursegmente, welche der Epidermis zugekehrt ist und den 
Namen der Cutisplatte von Raul empfangen hat. Die Verbaltnisse 
sind auch hier wieder am besten bei den Selachicrn zu verfolsxen. 
Vom Dai-mfaserblatt , das auf frühen Stadien teils aus kubischen, 
teils aus cylindrischen Zellen «osammengesetet ist (Fig. i:^3 mk ), 
wandern einzelne Zellen aus und verbreiten sich auf der Ol»ertlj\che 
des Darnidrüsenblattes; sie finden si<h an Stellen, wo weit und breit 
kein Üetäfs zu bemerken ist. Sie liefern das immer reichlicher 
werdende Darmmesenchvm. welches sich später teils in Bindegewebe, 
teils in die glatten Muskelzellen der Tunicu nuiscularis umwandelt 
(Fig. 134 wr.<?2). Ähnliches wiederholt sioli am Hautfa5^er!>hitt. Aus- 
wandernde Zellen erzeugen zwischen Epithel der Leibeshuhle und der 
Epidermis eine Zwischenschicht von Mescnchymzellen (Fig. 133 mls , 
Fig. 134 «e«»). Ein wichtiger Ort für die Erzeugung von Bmde- 
gewebe ist eiullidi mich die Cutisplatte, H, h <]\r :ni die Epidermis 
angrenzende Kpithelschi« ht des ursprünglichen l i segmcut«s(Fig.l33rp). 
Der i'rozels erfolgt hier spater, als an den anderen namhaft gemachten 
Orten, und beginnt mit einer lebhaften Zellenwuchening, die allmählich 
zu einer vollständigen Aufli^sun^j der Kpithellamelle f{\hrt. „Die Auf- 
lösung geht," wie Kabl bemerkt, „in der Weise vor sich, dals die 
Zellen, die bisher einen epithelialen Charakter zeigten, sich von- 
einander trennen und dadurch ihren epithelialen Charakter verlieren/ 
Von diesem Teil des Mesenchyms ist wahrscheinlich die Lederiiaut 
abzuleiten. 



c) Die EutKtehmig der GefarHeiidothelien und des Itlutes. 

Die Frage nach dem Ursprung d»M in d»'r Überschrift aufgeführten 
Gewebe ist eine der uuklarsteu auf dem Gebiete der vergleichenden 
Entwicklungsgeschichte. Gerade die Forscher, welche in jüngster Zeit 
mit den zuverlässigsten Methoden den Gegenstand auf/uklnren ver- 
sucht haben, stehen nicht an, die l'nsicherheit in der Deutung der 
sich ihnen darbietenden Befunde herzorzuhebcn. Selbst das nietierste 
Wirbeltier, das sich durch die gröfsere Einfachheit seines Baues und 
durch leichtere Verständlichkeit aller Entwicklungsprnzes>^^o ans/( i( Imef. 
der Amphioxus Innceolatus, hat uns Viei dieser Frage im Sticlie gelas.seu. 
Auf die einantler widersprechenden strittigen Deobachtungen einzu- 
gehen, liegt aufterhnlb der Aufgabe der „Elemente der Entwicklungs- 
lehre". Wir beschränken uns daher auf folgende Angaben: 

Eine grofse Rolle in der Frnge nach dem Ursprung des Blutes 
spielt der dunkle Fruchthof der meroblastischen Eier. 
In ihm treten schon am Ende des ersten Tages der Bebrotung die 
Anlagen von Blutgefälsen unmitten>ar auf dem Darmdri^senblatt auf 
und vereinigen sirh nlsl»ald in einem den hellen Fruchthof zunächst 
uiugebendeu Bezirk zu einem besonderen (jefilfshof, der Area 
vasculosa. 

Die ersten Anlagen sind einzelne Zellenhaufeu , deren Herkunft 
noch strittig ist iFig. 119 sie ordnen sich bald zu cylindrisciien 



Digitizedby ^ ^le 



120 



Sechstes Kapitel. 



oder unrepelmäfsig begrenzten Strängen an, die sich untereinander 
zu einem engmaschigen Netzwerk verbinden (Fig. 13.">). In den Lücken 
des Netzes finden siel» andere (iruppen von Zellen, welche später zu 
embryouahMn Bindegewebe werden und die Substanz in sein (Fig. 



135 m) der Autoren darstellen. 




m 



Fig. I:t5. Ein Stück des Oefära- 
hofes eines Hühnerembryo, bei wel- 
chem 12 Urwirbel entwickelt sind. 
Nacli DiasK. 

Man sieht das Xotz der dunkler 
schattierten Hlutbahnen (/;), in denen die 
Hlutinseln (i) liegen. Die hellen liUckcii 
(»0 iir. Gefafsnetz, dessen Wand von Kn- 
dothi'l/cllcn (vM gfhildet wird, sind die 
aus (iaIlertgewL'hc bestehenden Suiistanz- 
inseln. 



Am Anfang des zweiten Tages der 
Bebrütung werden die soliden 
Gefälsanlagen um so deutlicher, 
je mehr sie sich nach aufsen 
durch eine besondere Wandung 
abgrenzen (Fig. 135 g^, Fig. 13(i 
(fw) und je mehr sie in ihrem 
Innern einen Hohlraum erhalteu. 
Die Gefäfswand entwickelt sich 
aus den ol)erHilchlichsten Zellen 
der Stränge und ist in den ersten 
Tagen der Bebrütung aus einer 
einzigen Schicht ganz abgeplatte- 
ter, polygonaler Elemente zu- 
sammengesetzt, daher man die 
ersten (iefäfse des Embryo aurh 
vielfach als Endothel roh reu 
bezeichnet hat. 

Der Hohlraum der Gefäfse 
bildet sich wahrscheinlich in der 
Weise, dafs aus der Umgebung 
Flüssigkeit in die ursprünglich 
soliden Stränge eindringt und 
das Blutplasma liefert, und dals 
dadurch die Zellen auseinander- 
und zur Seite gedrängt werden. 
Letztere stellen dann hie und da 
Verdickungen der Wand dar; es 
ragen Hügel locker verbundener, 
kugeliger Zellen in die Flüssig- 
keitsräume hinein (Fig. 135/). Die 
eben wegsam werdenden Gefäfse 
sind infolgedessen sehr unregel- 
mälsig iKJschaffen, indem enge 
und weitere, oft mit Aus- 
sackungen versehene Stellen al>- 
wecliscln (Fig. 135). und indem 
bald die (iefäfse ganz ausgehöhlte 
und mit Flüssigkeit gefüllte En- 
dothelröiiren darstellen, bald 
durch die verschieden gestalteten, 
von der Wand vorspringenden 
Zellenaggregate noch mehr oder 
minder unwegsam sind. Die 
Zellenaggregate selbst sind nichts 
anden'S als die Bil dungs herde 



der geformten Best an «1- 
teile des Blutes. Es werden die kugeligen, kleinen, kernhaltigen 
Zellen, welche noch dunkle Dotterkörnchen einschlielsen. zuerst durch 




, Google 



Entvieklmig der Unegmente, Entstehung ron Bindesabstnnz u. Blat 121 



Auflösung der letzteren liumogeuer, danu nehmen sie, indem sich in 
ihnen Blutfarbstoff bildet, eine schwach gelbliehe Farbe an, die all* 
mihlieh intensiver wird. 

Wenn man zu diosor Zeit eine vom Dotter nli^'elöstc Keimhaut 
Ijetrachtet, so zeigt sich die Z<»ne. in welcher die Bluthilduug statt- 
findet, mit mehr oder minder intensiv blutrot fjefärbteu Flecken be- 
deckt, welche teils rundlich, teils länglich, teils verästelt sind und 
als die Blutpunkte oder Bin tinsein der Keinihaut bekannt sind 
(Fig. 119 q. l'i') /). Von diesen Bilduugsherden lösen sich nun die 
oberHitclilichen Zi llen ab und geraten als isolierte, rote Blutkör|iercheu 
in die Blutflüssigkeit hinein. Hier vermehren sie sich, ebenso wie in 
den Blutinseln, durch Teilung, wobei ihr Kern sich in die bekannten 
Spiiidelti^'ureu umwandelt. T e i 1 u n g t' n von B I ii t z e 1 1 e n sind beim 
Hühnchen bis zum sechsten Tage der Bebrütuug in grolser Anzahl 
ZU beobachten, während sie späterhin seltener werden und dann ganz 
verschwinden, .Vuch bei den Silugetieren und beim Menschen 
(Fol) besitzen die ersten embryonaleu Blutkörperchen, 
welche, wie bei den anderen Wirbeltieren, zu dieser 




Fig. 1:^6. Querschnitt durch ein Stück des Oefäfshofes. Nach I>iä8K. 

ak Äufeeres, ik inneres Keimblatt, mk^ parietale, mk* viscerale Lamelle des 
mittleren Keimblattes, Ih au&erembryonale Leibeshöhle, gtc GefUswand, aus 
EndothelieUen gebildet, M Biutaellen, g Gefftfte. 



Zeit mit einem echten Z e 1 1 e n k e r n versehen sind, das 
Vermögen der Teilung: — In demselben Mafse, als sich noch 
weiter Blutkörperchen von ihnen ablösen, werden die Blutpunkte immer 
kleiner un<l srbwiiiden endlich '_'anz; dit' ('lefalse aber enthalten dann 
ohne Ausnahme anstatt einer hejU>n Flüssigkeit rotes, an geformten 
Bestandteilen reiches Blut (Fij^. VM hJ). 

Weiterhin gehen in den sogenannten Subst anzinseln (Fig. 135 mi) 
Veränderungen vor sich, welche zur Entstehung embryonaler 
Bindesubstanz führen. Die zuerst kujreli^ien Zellen rücken unter 
Ausscheidung einer homogenen Zwischensubstanz weiter auseinander, 
sie werden sternförmig (Fig. 137 sp) und strecken Fortsatze aus. mit 
welchen sie sich zu einem in der Gallerte überall verbreiteten Netz- 
werk verbinden : andere legen sich den Kndotbelröhren der Gefälse an. 

In iUiulicher Weise wie bei den Ueptilieu und Vögeln entwickelt 
sich auch bei den Säugetieren in einem Bezirk des mittleren Keim« 
Mattes, welches an den hellen Fruchthof angrenzt, ein besonderer Ge- 
fiU'shof. in dessen Bezirk sich ähnliche Ver&uderuugen, wie die eben 
beschriebenen, verfolgen lassen. 

Nach . Yollendeter Gefftfs- und Blutbildung ist der Bezirk des 
dunkeln Fruchthofes, in welchem die eben geschilderten Prozesse 



Sechstes Kapitel. 



stattgefunden haben, bei allen meroblastischen Eiern , sowie bei den 
Eiern der Säugetiere nach aufsen scharf abgegrenzt (Fig. 110). Es 
hört nämlich das dichte Netz der Blutgefill'se nach aulsen mit einem 
breiten, einen Kreis beschreil>enden Randsinus (V'ena oder Sinus 
terminalis) plötzlich auf. Nach aufsen von dem Sinus terminalis 
bildet sich auf dem Dotter kein Blut mehr und kein Blutgefäfs. Wohl 
aber breiten sich hier die beiden priniilren Keimblätter lateralwärts 
noch weiter über den Dotter aus, bis sie ihn ganz umwachsen haben. 
Wir müssen daher jetzt am dunkeln Fruchthof (Fig. 142, 143) zwei 
ringförmige Bezirke unterscheiden, den Gefäfshof (gh) und den 
Dotter huf {dJt), die Area vasculosa und die Area vitellina. 



sp^. spe 




Fig. l'H. Querschnitt durch den Rumpf eines Bntenembryo mit un- 
gefähr 24 ürsegmenten. Na( h B alkol u. 

Man sieht die vier ursprünglichen Keimblätter und die aus ihnen entstandenen 
Organe durch geringe Mengen ernbryonnler, sternförmige Zellen enthaltender Hinde- 
Kubstan/, in welcher /ugleirli die (iefafsanlagen eingeschlossen sind, voneinander 
getrennt. 

Olli Amnion, «o Ilautfaserblatt . sp Darmfaserblatt, ird WoLFFScher Gang, 
st IJrnierenkantklchen, cav Kardinal vene, m.s .Muskelpiatte, fp.g SpinalgaDglion, 
ttp.c Rückenmark, rh Chorda, no Aorta, Inj innen-s Keimblatt. 

Da aufserdem der helle Fruchthof nach wie vor zu erkennen ist, da 
er nur von wenigen, zum Emhryo führenden Hauptgefäfsstäinnien 
durchsetzt wird, so wird der embryonale Körper im ganzen von drei 
Zonen ()d«'r Höfen des aufserembryoiialeu Teiles der Keimblätter 
umschlossen. 

Wir haben bisher die Blutbildung im dunkeln Fruchthof verfolgt. 
Wie entstehen nun aber die (iefilfse im embryonalen Körper seihst? 
Auch hier ist die Unsicherheit unseres augenblicklichen Wissens 
hervorzulieben. sowie die Verschiedenartigkeit der darüber gemachten 
Angaben. Nach Tlntersuchungen an Selachierembryonen, die wohl 



Digitized by G 



Entwicklong der Unegmente, Entttehaag von Bindesttbsttns a. Nnt. 12S 

mit liie (ieoipnetsten Objekte fi^r die Krfnrschiinp der Genese von Blut 
und Blutgefälseu sind, euUstehen die letzteieu eUjüso wie das llciz- 
säckchen im Bereich des Mesenehyms aus Reihen von Zellen, die teils 
liifkeior, teils dichter zusammenliegen (Uückert, Mayer). Die Zellen- 
ketten höhlen sich im Innern aus und wandeln sich dabei zur endo- 
thelialen Gefilfswand um. Dagegen i:»t die Abstammung der geials- 
bildenden Zellen von den KeiniblAttern noch nicht mit voller Sicherheit 
zu beantworten. Die ersten Gefilfse waclisen, nachdem sie einmal an- 
gelegt sind, selbstÄndii? weiter und geben durch eine Art von Sprossung 
immer neuen Seitenästeu den Ursprung. Man beobachtet, dals von 
der Wand der bereits ausgehöhlten Geflllfee solide« dOnne Sprosse aus- 
gehen, die von spindelförmigen Zellen gebildet werden und mit anderen 
sich durch Queräste zu einem Netzwerk verbinden. Die jtingsten und 
feinsten dieser Sprosse bestehen nur aus wenigen aneinandergereihten 
Zellen oder selbst nur aus einer einzigen Zelle, die als Höcker dem 
Endothelrohr aufsitzt und sich in einen langen Protoplasmafaden aus- 
zieht. In die soliden Sprosse erstreckt sich hierauf von den bereits 
fertig gestellten Gefäfsen aus eiue kleine Aussackung hinein, die sich 
allinfthlich verlängert und dabei zu einem Rohr ausweitet, dessen 
Wand von den auseinandergedrilngten Zellen der Anlage herjxestellt 
wird. Kine Pildnnjr von Blutkörperchen findet hierbei nicht mehr 
Statt Alle Zellen der bprosse werden lUr die Gefäfswaud aufgebraucht. 
Indem aus den so entstandenen Gefiirsen wieder neue Sprosse hervor- 
wachsen und so fort, breiten sich die Gefnfsanlagen Oberall in den 
Lücken zwischen den Keimblättern und den aus ihnen durch Ab- 
ächnQruug hervorgegangenen Organen aus. 



Bepetitorium zu Kapitel VI. 
1. Segmentierung der mittleren Keimblätter. 

1) Bei den Wirbeltieren sondern sich die mittleren Keimblätter 
durch Faltuugs- und Ab.selmüruugsprozesse in nieinerc Anla^^en. 

2) Der Souderungsprozefs im mittleren Keimblatt zeigt zwei 
Modifikationen. - 

a) Beim Amphioxus gliedern sich die mittleren Keimblätter gleich 
bei ihrem ersten Auftreten voll st And ig in hintereinander- 

gelegene Ursegmente. 

Später erst zerfällt jedes Ursegment in einen doräaieu 
Abschnitt und einen ventralen Abschnitt. 

Die dorsalen A1>schnitte (eigentliche Ursegmente) liefern 
die quergestreifte Muskulatur des Rumpfes. 

Die ventralen Segnieute bilden die Leibeshöhle . welche 
anfangs segmentiert ist, später unter Schwuud der Scheide- 
wände ein einheitlicher Uohlrauui wird. 

b) Bei allen flbrigen Wirbeltieren sondern sich die Anlagen der 
mittleren Keimblätter zuerst in einen dorsalen und in einen 
ventralen Abschnitt, in Ursegmentplatten und Seiteiii)latten 

Die Seitenplatten bleiben unsegmentiert. Die in ihnen 
durch Auseinanderweichen des parietalen und des visceralen 
Mittelblattes sichtbar werdende Leibeshöhle ist in jeder Körper- 
hftlfte von Anfang an ein einheitlicher Raum. 



Dlgitized by Google 



SeebsteB Kapitel. 



Die Ursegueutplatten werden allein seguieutiert 
und aterfallen in dJe bintoreinaiider gelegenen Ursegmente, 
8) Die Segmentieniog der mittleren KeimblAtter erstreekt sidi 
4kuch auf die Kopfregion des Embiyo. Man unterscheidet daher: 

a) K 0 p f s e g u) e u t e , dereTi Anzahl in den einzelnen Wirbeltier» 

klaüseo eine strittige ist. 

b) Rumpfsegmente, deren Zahl während der Entwicklung am 
hinteren Rumpfende eine bestandige Vermehrung erfthrt. 

2. Entwicklung von Bindesubatanz und Blut. 

1) Aufser den vier Keimblättern, welche epitheliale Lamellen 
darstellen, entwickeln sich bei den Wirbeltieren noch besondere Keime 
für die Stützsubstanze!? nmt das Blut, die Mesenchymkeime , die in 
ihrer Gesamtheit das Zwisclienblatt liefern. 

2) Die Mesenchymkeime entstehen dadurch, dafs Zellen aus dem 
epithelialen Verbände der KeimblAtter ausscheiden und als Wander- 
zellen in den Spaltraum zwischen den vier Keimblättern (den Rest 

der Keimblasenhöhle) eindringen und in ihm sieh ausbreiten. 

3) Keimblätter und Mesenchymkeime ( Zwisciieublatt) zeigen in 
der Art ihrer Entstehung einen Gegensatz; erstere entwickeln sich 
durch Faltungen der KeimUasenwand, letztere durch Auswanderung 
isolierter Zellen aus bestimmten Bezirken der Keimblätter. 

1) Mesencliyiiil^eime entstehen aus der Wand der T'rspgmente. 
aus der Cuti8|)latte, aus einzelnen Stellen der visceralen und der 
parietalen Lamelle des mittleren Keimblattes, wahrscheinlich auch noch 
an anderen Stellen, wie z. B. vom vorderen Keimrand aus. 

5) Bluiliei^fse entwickeln sich sowohl im embryonalen Körper 
selbst in einer noch näher festzustellenden Weise, als auch im Bereich 
des dunkeln Fruchthofs der meroblastischen Eier. 

(5) Die Herkunft der Zellen, aus denen im dunkeln Fruchthof 
Oeftfse und Blut entstehen, ist zur Zeit eine strittige. 

7) Bei der Gefafsbildung im dunkeln Fruchthef sind folgende 

Erscheinungen zu beachten. 

a) Die Embryonalzellen des Zwischenhlattes ordnen sich 

1) zu einem Netzwerk von Strängen und 

2) zu den Substanzinseln an. 

b) Aus (len Zellsträngen entwickelt sich unter Absonderung von 
Blutflüssigkeit die Knd(»thelw;nid der jniiniti vcn Blutgei^fae 
und ihr zelliger Inhalt, die Blutkörperchen (BUitinseln). 

c) Die Rubstanzinseln werden zu embryonaler Bindesuhstanz. 

d) Der Öl t. du welchem zuerst im dunkeln Fruchthof Blutgefäfse 
und Bindesuhstanz entstehen, grenzt sich nach aufseu durch 
ein Kiuggefäls, Siiiu.s teiniinalis. scharf ab. 

e) Da nach Entwicklung des Zwischenhlattes das äufsere und das 
innere Keimhlatt sich Uber den Dotter weiter ausbreiten, wird 
der embryonale K<)rper von drei Höfen umgeben: 

1) von dem hellen Fruehthof, 

2) von dem durch den Ringsinus begrenzten (iefäfshof. 
'3) von dem mit dem Umwachsungsrand aufhörenden 

Dotterhof. 



Dlgitized by Googl 



Eotwicklung üer Irsegmente. Entstehung von biadesubiitanz u. BluU 12^ 

8) Die roteil Blutkörperchen aller Wirbeltiere besitzen in den 
frühestf'Ti Stadien der Entwicklung das Vcnnöfjpn, sich dun Ii Teilung 
zu veriiieiiien. Die roten Blutkötpercbeu der Säugetiere babeu zu 
dieser Zeit einen Kern. 

9) Die beifolgende Tabelle gibt einen Überblick Aber die Ab- 
stammung der einzelnen Organe und Gewebe von den Keimblftttern. 

I. Aurseres K('iint>latt. 

Kpiderrais, Haare. Nügel . Kpithel der Hautdrüsen, centrales und 
peripheres Nervensystem, Epithel der Sinnesorgane, die Linse. 

II. Primireg innere« Keimblatt. 

1) D a rill (1 r n sc 11 bla tt oder sckundiircs inneres Keim- 
blatt. Epithel des Darmkanals und seiner Drüsen, £pithel 

der Harnblase. 

2) Chordaanlage. 

3) Die mittleren Keimbtfttter. 

a) Ursegmente. rgestreifte, willkttriiche Muskulatur dea 
KOrjiers. Teile des Mosenebyms. 

b) Öeitenplatteu. Epithel der rieuroperitonealhöhle, die Ge- 
sehleebtasellen und epithelialen Bestandteile derGeschlechts- 
<irüsen und ihrer Ausführwege. Epithel der Niere und der 
Harnleiter. Teile des Mesencbyms. 

c) Mesenchymkeime. Gruppe der Bindesubstauzen, GefÜlfse 
und Blut, lymphoide Orgaue, glatte, nicht willkQrliehe 
Muskulatur. 



Siebeutes Kapitel, 



Bildung der änfsereii Körperform und des Dotter- 
8aek8 der Wirbeltiere, sowie der EiliüUeii der Reptilien 

und \'Ögel. 

Nachdem wir in den vornusjnfefjanponcii Kapit^^ln rlic Keimblätter 
der Wirbeltiere und ihre ersten wicljtigen Sonderuugen in Nerven- 
rohr. Chorda, Ursegmente, sowie die Entstehung von Blut und Binde- 
gewebe untersucht haben, wird unBcre nftchste Aufgabe Bein, uns mit 
(ler Entwicklung der Rufseren Körperformen und, was 
damit in unmittelbarem ZusomTiirnhang steht, mit der Entwick- 
lung embryonaler Ä n h a n g s g e b i 1 d e bekannt zu macheu. 

Zwischen niederen und höheren Wirbeltieren herrscht in dieser 
Beziehung eine ganz aufserordentliche Versrliiodenlieit. Wenn der 
Embryo eines Amphioxus die ersten Entwjr khmgsjirozesse durch- 
gemacht hat, so streckt er sich in die Lange und zeigt schon im 
grofsen und ganzen die wurm- oder tischartige Gestalt des er- 
wachsenen Tieres .T < niehr wir aber in der Wirbeltierreihe empor- 
steigen, um 80 uuähuliclicr werden die Embryonen dem ausgebildeten 
Tiere, wenn sie sich auf dem entsprccheudcu Ausbikluugsstadiuui 
des Amphiozus-Embryo befinden; sie nehmen jetzt sehr sonderbare 
und fremdartige Oesf alten an, indem sie von eigentümlichen Hüllen 
umschlossen und mit verschiedenen, später wieder schwindenden An- 
hängen versehen werden. 

In erster Linie läHst sich diese Verschiedenheit auf die mehr 
oder minder g r o Ts e Ansammlung von X a h r u n g s d o 1 1 e r 
zurückftlhren , welclien wir schon in den vorausgegangenen Kapiteln 
einen so grolseu EinHufs auf alle Entwicklungsprozesse haben aus- 
üben sehen. Der Nahrungsdotter hat fQr den werdenden Organismus 
eine zweifache Bedeutung. In physiologischer Hinsicht ist 
er eine reiche Kraftquelle, welche es allein ermöglicht . dafs sirli die 
Entwicklung in ununterbrochener Folge abspielt, ohne dai's der schon 
hoch organisierte Embryo von auÜBen Nahrung aufzunehmen braucht 
In morphologischer Hinsicht dagegen >pielt der Dotter die 
Holle eines Tiallasfes. welcher in di'' fi'ri'1:te und freie Entwicklung 
derjenigen Organe, welche mit semer Autnabme und Verarbeitung 
betraut sind, hemmend und umgestaltend eingreift. Sehon gleich am 
Anfang der Entwicklung konnten wir sehen . wie durch seine Ad- 
wesenheit der Furchung«proze fs und die Bildung der Keimblätter 
verlangsamt, abgeändert uu«l in gewisser Beziehung geradezu gestört 
werden. Desgleichen werden wir auch wieder im folgenden zu zeigen 



Dlgltized by Googl 



Bildung der äusseren Körperforin, des Dottersacks der Wirbeitiere etc. 127 

haben, wie die normale Gestaltung des Darmkanals und des Leibes 
infolge der Anwe^' nhrit des Dotters nur nach uncl nach auf Um" 
wegen erzielt werdou kann. 

In zweiter Linie wird bei den Wirbeltieren die grofse Ter- 
scbiedenheit, welche uns die Embryonen darbieten, durch das Medium, 
in welchem sich die Eier entwickeln, hervorgerufen. Eier, wolcho in 
das Wasser entleert werden, wie es bei den wasserliewohuenden Wirbel- 
tieren meist geschieht, entwickeln sich in einer einfacheren und 
direkteren Weise als Eier, die. mit festen Schalen versehen, an das 
I ahf^ele^^t werden, oder als Eier, die in der Geb&rmutter bis zur 
Gehurt tles Embryo eingeschlossen üiud. 

In den beiden letzteren Fallen wird der sich bildende Organismus 
erst auf Ix'deutenden Umwegen zu seinem Ziele geführt. Denn neben 
i\en bleibenden Organen entwickeln sich gleiclizeitif;; auch solche, 
welche für das uacbembryonale Leben keine Bedeutung haben, welche 
aber während des Eilebens teils dem zarten und weichen, leicht zu 
beschädigenden Körper als HfiUen zum Schutz, teils zur Atmung 
«nd teils zur N ah run p sau f nähme dionen. I)iese werden am 
Ende des embryonalen Lebens entweder rückgel)!Met odt r bei der 
Geburt als nutzlose und bedeutungslose Gebilde aiigeworleu. Du sie 
sieh aber aus den KeimblatterD entwiciceln, inttssen sie auch fOglieh 
als zu dem werdenden Orjianismus unmittelbar hinzugehörig und als 
seine E ml) r \ o n a lo rgaue aufgefafst und in dieser Weise auch bei 
der Fürml>ei>cbreibung behandelt werden. 

Das umfangreiche Material, welches hier wieder zu bewftitigen 
ist, will ich in zwei Teile gruppiert vorführen. 

Im ersten Teil wollen wir untersuchen, wie der Embryo das 
Hindernis, welches ihm durch die Anwesenheit des Dotters gesetzt 
Ist, Qberwindet und eine dem definitiven Zustand entsprechende Form 
gewinnt. 

Im zweiten und zugleich umfanfrreicheren Teil haben wir uns 
dann noch mit den embryonalen HuUbilduugen und Anhangsorganen, 
die verscbiedenen Zwecken dienen, eingehender zu beschäftigen. 



Die Ansammlung von Dottermaterial greift in den Gang der Ent- 
wicklung am wenigsten störend bei den Amphibien ein. Sie stehen 
daher zwischen dem Amphioxus mit direkter Entwicklung und den 
übrigen "Wirbeltieren gleicbsam in der Mitte und vermitteln /wischen 
ihnen einen Übergang. Der Dotter nimmt bei den Amphibien an 
dem Furchungsprozefs mit teil; nach seinem Abschlufs findet er 
sich der Hauptmasse nach in den grofsen Dotterzellen angehäuft, 
welche den Boden der Keiniblase bilden (Fi-,'. ."'.:!); bei der Gastrulation 
wird er in die Urdarmhöhle mit aufgenomuieu , welche er fast ganz 
ausfüllt (Fig. 57 u. 58): nach Abschnünmg der Leibessflcke liegen 
die grofsen Dotterzellen in ähnlicher Weise in der Tcntralen Wand 
des eigentlichen Darmes (Fig. LiH i/k). Hier werden sie teils auf- 
geb>st und zum Wachstum der übrigen Körperteile verwandt, teil? 
nehmeu sie direkt au der Bildung des Epithels der ventralen Darin- 
wand teil. 

Infolge der Anwesenheit des grnfsen Ilaufi ns der Dotterzellen 
gewinnt der Amphibienembryo zu einer Zeit, wo die Aniphioxuslarve 
schon langgestreckt und tischartig geworden ist, eine uuiormliche Be- 



Digitized by Google 



128 



.Siebentes Kapitel. 



schaffenheit. Der auf dem Gastrulastadium kugelige Körper wird 
später durch Streckung eiförmig. Darauf beginnen sich an den beiden 
Knden seiner Längsachse Kopf- und Schwanzende als kleine Höcker 
abzusetzen (Fig. 13B u. 70). Der zwischen ihnen gelegene mittlere 

oder Rumpfteil wird an seiner 
dorsalen Partie, in welcher Ner- 
venrohr, Chorda und Ursegmente 
entwickelt sind, etwas einge- 
krümmt, so dafs Kopf- und 
Srhwanzhöcker durch eine kon- 
kave Linie verbunden werden. 
Die ventrale Hälfte des Kumpfes 
ist dagegen in hohem Mafse auf- 
getrieben und bruchsackartig 
nach unten und seitlich hervor- 
gewölbt, da sie mit Dotterzellen 
angeftlllt ist. Man nennt die 
Auftreibung daher auch den 
Dottersack. 

Im weiteren Fortgang der 
Entwicklung nimmt der Embryo 
immer mehr eine fischähnliche 
(nstalt HU. Das vordere und 
namentlich das hintere Ende des 
Körpers wächst stärker in die 




Fig. l-'K Sohematiaoher Längs- 
Bohnitt durch einen Embryo des 
Frosches. Nach Göttk, aus Üalfuur. 

«f Nervenrolir, x Konimiinikation des- 
selben mit rrmund und Darmkanal a/, yk 
Dotterzrllen, m niittlcrcH Keimblatt. Der 
Einfachheit wegen ist das äußere Keimblatt 
nur als «'inreibige Zellenschicbt dargestellt. 




Länge. Die Mitte des Rumpfes 
wird dünner; denn der Dottersack wird nnt dem Verbrauch des 
Dotterniaterials kleiner und schwindet sehliefslich ganz, wobei seine 
Wandungen in die ventrale Darm- und Bauch wand aufgenonnnen werden. 

Die Stör un gen im normalen Verlauf der Entwicklung 
werden in demselbem Mafse gröfser. als der Dotter an 

Menge zunimmt, was bei den me- 
roblastischen Eiern der Fische» 
Reptilien und Vögel der Fall ist. 
Der Dotter zerfällt nicht mehr in einen 
Haufen von Dotterzellen , wie bei den 
Amphibien, er ist am Furchungsprozefs 
nur in einem geringen Malse beteiligt, 
insofern Kerne in die dem Keim anliegende 
Dotterschicht hineingeraten und . von 
Protoplasma umgeben, sich durch Teilung 
weiter vermehren. Die Gastrulaform ist 
bis zur l'nkenntlichkeit abgeändert; nur 
ein kleiner Teil ihrer Rückentläche besteht 
aus Zellen , die zu den zwei primäre» 
Keimblättern angeordnet sind (Fig. 75. 77): 
die liauchseite dagegen , an welcher sich 
bei den Amphibien die Dotterzellen vor- 
finden, ist ungefurchte Dottermasse. So 
erhalten wir den eigentümlichen Befund, 
dafs sich bei den genannten Wirbeltieren 
der Embryo . wenn wir den Dotter als 
nicht zum Köriter gehörig iHjtrachten 



Fii;;. 139. Schomatischer 
Durchschnitt durch ein 
Hühnerei am Anfang des 
zweiten Brüttages. 

Die drei Keimbhitter. das 
auf>ere ak , das niittlcrc mk, 
das innere ik, sind libt-r 
dem Nahruncsdotter auspr- 
breitet. Das mittlere Blatt endet 
an der punktierten Linie st mit 
dem Sinns terminalis. welcher 
den (iefafshof abgrenzt, «r l'm- 
wachsun^Nrand. 



, Googl 



1 



Bildung der äuikereu Korperfonu, des Dottersacks der Wirbeltiere etc. X29 



wollen, aus flaeh auBgebreiteten Blftttern anstatt ans einer Beeher- 

form zu entwickeln scheint (Fig. 75 und 139). Ferner sehen wir 
noch mehr, als es schon bei den Amphibien der Fall ist, einen 
scharfen Gegensatz zwischen Kücken- und Bauchflache des Eies 
wfthrend der Entwicklung durchgeführt. An erBteier bilden sieh 
zunilchst allein alle wichtigen Organanlagen, das Nervensystem, die 
Chorda, die Ursegmente (Fig. VM), während an der Bauchseite nur 
wenige und geringfügige Veränderungen zu bemerken sind. Die Ver- 
ftnderangen besteben hanptsftehlicb darin, dalb die Keimbl&tter sich 
venti alwärts ausbreiten, aber die Dottenaas^e berftberwacbsen (Fig. 142 
bis 145) und um sie einen geschlossenen, ans mehreren Schichten be- 
stehenden Sack bersteUeo. Die Umwachsung des ungeteilten Dotters 
durch die Keimblltter vollaieht sieb im ganzen sehr langsam: sie 
beansprucht um so mehr Zeit^ je massenhaft i las angesammelte 
DntTrrmaterial ist; so ^ird sie /. B. hn t]en Vögeln er^t auf einer 
sehr späten Kiitwicklungsstufe beendet, wo der Embryo schon eine 
hohe Ausbildung erreicht hat (Fig. 145). 

Man hat bei den merobUurtisehen Eiern den Teil der Keimblätter, 
an welchem die ersten Organanlagen (Nervenrohr, Chorda, Ur- 
segmeute etc.) auftreten, als embryouaien Bezirk von dem 
Qbri gen oder dem aufserembryonalen Bezirk unterschieden. Die 
Unterscheidung ist eine zweckmäfsige und notwendige; die Namen 
, embryonal und aufserembryonar aber hätten passendere sein können, 
da ja seihst verstilndlicherweise alles, was aus der Eizelle hervorgeht, 
also auch das, was der aur^sereuibiyiiuale Bezirk liefert, zum Embryo 
hinzugerechnet werden mufs. 

Somit entsteht jetzt für uns eine do|)pelte Aufgal e erstens zu 
untersuchen, wie sich im Phubryonalhezirk aus den Hach ausge- 
breiteten Keimblättern der Wirbeltierkörper mit Kopf- und Schwanz- 
ende entwickelt, und zweitens die Verftnderungen zu beschreiben, 
welehe der aufserembryonafe Bezirk eingeht 

1. Die Bildung des fioinpfeH durch £iiifaltung der Keimbl&tter 

zu R4)hreii. 

Um uns die Beschreibung zu erleichtern, wollen wir das aufsere 
Keimblatt und das ihm anliegende Hautfaserblatt mit eiuem tarnen, 
als Rumpfplatte. und ebenso das Darmdrflsenblatt und das Darm« 
faserblatt zusammen als Darm platte bezeichnen. Aus der Rumpf- 
platte bildet sich durch Einfaltung das Rumpfrohr oder die Rumpf- 
wand des Körpers, aus der Darmplatte eut&teht in gleicherweise das 
Darmrohr. Beim Hähnchen läfst sich der FrozeTs der Einfaltung 
in den ersten Tagen der Bebrfltung in allen Einzelheiten leicht 
verfolgen. 

Am frühesten beginnt sich — beim Hühnchen am Anfang des 
zweiten Brottages -~ der Kopf anzulegen, indem in geringer Ent- 
femang vom vorderen Ende der Nervenrinne die Rumpfplatte eine 
quer verlaufende, kleine Falte schlriL't . deren Firste nach abwärts 
gekehrt ist (Fig. 140 kf). An der Obtrtiäche der Keimhaut ruft die 
Kupf falte, wie sie in den LehrbQchern bezei^net wird, eine die 
Embryonalanlage von vom her abgrenzende halbmondförmige Furche 
(V\ii. ll^) — die Grenzrinne von His — hervor. Der abgefrrenzte 
Bezirk heilst der Kopfhöcker. In derselben Weise faltet sich die 

O. Ucrtwig, Die Eloment« der Entwicklungslehre. -2. Anit. 9 



Digitized by Google 



130 



Siebentes Kapitel. 



Rumpfplatte (Fig. 187 so) bald darauf links und rechts Ton der Anlage 

des Rückenmarks in {xeringer Entfernung von fler Medianebene zu 
den Seitenfalteu ein, die an der Oherriäche sich ebenfalls wieder 
in den seitUchen Grenzrinnen luarkiereu i^Fig. 119). Am spätesteu 
endlieh lieginnt dae bintere Ende des Embryo sieb als Schwanz- 
h (Ick er (Fig. 140) abzusetzen dadurch, dafs die Seitenfalten am 
bintcrr II Ende des Primirivitreifens umbiegen und sich in der hall>- 
niuuülurmigen , mit der Konkavität nach vorn gerichteten Schwanz- 
falte vereinigen, welcher an der Oberfl&che die bintere Grenzrinne 
entspricht. Infolge dieser Einfaltungen der Rumpf platte ist ein 
kleiner Teil der Keiniblfttter, der allein für die Bildung des bleiben- 
den Korj[)ers beansprucht wird, durch einen rings geschlossenen 
Grenzgraben vom aufserembryonalen, viel umfangreicberen Bezirk 
getrennt, der zur Bildung von Dottersack und Eihftuten dient. 

Zur Vermeidung von Mifsverstrinduissen sei noch darauf auf- 
merksam gemacht, dafs wie vordere, seitliche und hintere Grenz- 
rinnen zusammen 
einen einzigen Ring- 
graben bilden , so 

auch Kopf-, 
Schwans- und Sei- 
te nfalten, wenn sie 
sich deutlicher aus- 
prägen, alle inein- 
ander fibergehen 
und so nur Teile 
einer einzigen 
Falte sind, welche 
die Embryonal- 
anlage ringsum ein- 
schliefst. Indem die 
Falten sich ver- 
giüläeru, legen sich 
ihre zuerst nach a1)wrirts gerichteten Firsten derart um, dafs sie sieh 
alle der Mitte des Kinbryonalbezirks zuwenden, wachsen hier von vom 
und hinten, von links und rechts einander entgegen und nähern sich 
schliefslich in einem kleinen Bezirk, welcher etwa der Mitte der 
embryonalen Bauchflaehe entsi)richt und an dem Medianschnitt dnrch 
diese Gegend (V'ig. 143) durch eine ringförmige Linie (hn) bezeichnet 
ist. Es kommt so ein kleiner, wurmartiger Körper zustande, welcher 
(lern aufserembryonalen Bezirk der Keimhaut von oben auliiegt und 
mit ihm durch einen hohlen Stiel (hn) verbunden ist Der Stiel be- 
zeichnet die Stelle, an welcher die von allen Seiten aufeinander zu 
wachsenden Kaltonräuder zusammengetroffen sind, alier eine voll- 
ständige Abschnüruug des embryonalen Bezirks vom auiserembryo- 
nalen unterblieben ist. 

Wer sich den Vorgang, der fttr das Verständnis d('r tierischen 
Fornibilduti'i überaus wichtig ist. noch klarer und verständlicher 
machen will, tue dies mit Hüte eines leicht herzustellenden Modelles. 
Er breite ttber den Bocken seiner auf einem Tisch ausgestreckten 
linken Hand ein Tuch, welches die Keinihaut darstellen soll, flach 
aus. dann falte er mit der rechten Hand das Tuch ein, indem er es 
um die bpitzen der linken Finger ein wenig nach unten herumschlägt. 



kh Hl vaf 




Fig. 140. 8oh«inatl8oher Uedlansohnitt durch 
•Inm VoKeiembtgro mr Srl&ateruig der Kopf- und 

Amaio nb ild ung. 

(d, ik- Aiirst-rf 'u:,l iiincrt's Kciiiililait, ch t'horda, 
h Herzaaltwc, hb Hirnblascn, kd Kopfdarmhöble, A/ Kopf- 

nr Kervenrohr, «.dtpf vordere Darmpforte, 9j»f vordere 
Amiüon£alte. 



Digitized by Googl 



Bilduag der äu(seren Körperform, des Dottersacks der Wirbeltiere etc. 131 

Die künstlich gebildete Falte entspricht der oben beschriekmen Kopf- 
falte. T)if Fingerspitzen, welclie Hnrrh den riiischlafi des Tuches eine 
untere Bedeckung empfangen liahen und nach anfsen über das sonst 
glatt ausgebreitete Tuch hervorateheu., siud dem Kopihöcker zu ver- 
gleieheD. Ferner können wir uns das Rfickwärtswachsen der Kopf- 
falle dadurch veranschaulichen, dafs wir das Tucli n(»ch weiter Uber 
die untere Fläche der Finger nach der Handwurzel zu einstülpen. 
In derselben Weise schlage man das Tucli auch noch um die Seiten- 
rftnder der Hand herum und schiebe die so kfinstlich hervorgerufene 
halbringfönuige Falte, die an der Handwurzel eine Unterbrechung 
aeigt, bis zur Mitte des Handtellers vor. Dann stellt das Tuch rings 
um die tiaud eine ruhreiifuraiige Scheide dar, die au einer Stelle 
durch einen Verbindungsstrang mit dem glatt ausgebreiteten Reste 
des Tuches zusammenhi\ngt. 

Ein fllmlicher Vorgang, wie der äufscrlich sichtbare, eben be- 
schriebene t altuugsprozei's, durch welchen die Seiten- und die Bauch- 
wand des Körpers aus der blattförmigen Anlage gebildet wird, spielt 
sich gleichzeitig im Innern des Embryo an der Darmplatte ab. An 
ihr entwickeln sich, wie an der Rumpfplatte, eine vordere, eine hintere 
und zwei seitliche Darmfalten. Zuerst faltet sich zur Zeit, wo der 
Kopf sich sondert (Fig. 140), auch die diesem Abschnitt entsprechende 
Darmplatte 2U einer Röhre, der sogenannten Kopfdarm höhle 
(Jcfl), zusammen. Derselbe Vorgang wiederholt sich am dritten Tage 
der BebrUtung am hinteren Ende der Embryonalanlage, an welchem 
der Schwanzteil (Fig. 146) sichtbar wird und durch Einfaltuog der 
Darmplatte die Becken- und Schwanzdarmhöhle angelegt 
wird. Beide Darniteile sind ursprünglich nach aufsen oder nach der 
KörperoliertiÄche zu blind geschlossen. Am Kopf fehlt noch eine 
Mundöffnung, am hinteren Leibesende ein After. Wenn man dagegen 
den Fruchthof mit dem in Ausbildung begriffenen Embryo vom DN>tt^ 
abhebt und von der unteren Seite her betraclitet, so zeigen der 
vordere und der hintere Abschnitt des Darmkauais eine ÖiTnung 
<Fig. 140 v.dpf und 14(5), durch welche man von der Dotter- 
seite her in die nach aufsen abgeschlossenen Höhlen hineinsehen 
kann. Die eine Öffnung wird als die vordere, die andere als 
die hintere Darmpforte oder der hintere Darmeiugaug 
bezeichnet. 

Zwischen beiden Pforten bleibt noch längere Zeit der mittlere 
Abschnitt des Darmkanals als blattförmige Anlage bestehen. Indem 
sich diese dann etwas nach abwi^rts einhie-jt (Vi'j. }'M u, 142), ent- 
steht unter der Chorda dorsalis eiue Dänin iiuie U'ic- H2 rfr), die 
swisehen Kopf- und Beckeudarmhöhle liegt. Durch stärkeres Hervor- 
treten der seitlichen Darmfalten ((ff) wird die Hinne immer tiefer und 
wird endlich dadurch, dafs die Faltenriltider sich von vorn, von hinten 
und von beiden Seiten nähern, in derselben Weise wie die ilumpt- 
wand zum Rohr geschlossen. Nur an einer kleineb Stelle, welche in 
Fig. 14:?— 14.') durch die ringförmige I/uiie <bi bezeichnet ist. wird der 
Faltungs- und Abschnürungsprozefs nicht zu Ende geführt; es bleibt 
hier das Darmrohr wieder mit dem aufserembryonalen Teil der 
Darmplatte, welcher den Dotter einsehliefstf durch einen hohlen Stiel 
in Yerbiudang. 



9» 



Digitized by Google 



132 



Siebentes Kapitel. 



2. Die Verwendung deK aafNerembryonalen Bezirks der Keim- 
blätter zum Bottersacli der FiKche und zu den Eihäuten der 

Reptilien und Vögel. 



Der aufserenibryonale Bezirk der Eihäute liefert bei den Fischen 
nur einen Sack, der zur Aufnahme des Dotters dient. So zeigt uns 
Fig. 141 den Embryo eines Selachiers, der durch Einfaltung der Keira- 
bliltter aus dem in Fig. 75 dargestellten scheibenförmigen Stadium in 
der für das Hühnchen beschriebenen Weise entstanden ist, während 
der gröfsere Teil des Eies zu einem grofsen Dottersack geworden ist, 
der mit der Mitte des Bauches durch einen längeren Stiel verbunden 
ist. Von hier bieten uns die Teleostier Übergänge zu einem Zustand, 
in welchem der' Dottersack wie bei den Amphibien sich vom Mittel- 
darm nicht durch einen Stiel absetzt, sondern nur eine weite Aus- 
buchtung desselben und der Bauchwand darstellt. 

Sehen wir uns den Bau des Dottersacks jetzt noch genauer 
an. Wie schon oben bemerkt, breiten sich alle vier Keiniblätter nach- 



• ringsum ein enger Spalt- 

Fig. 141. Älterer Embryo eines Hai- >"aum aus, für welchen der 

flacheB (PristiuruB) Nach Baufour. Nanje „aufserembryonale 
A'wKiiibrvo.f/s Dottersack, Stiel des Dotter- Leibeshöhle" oder Keim- 
sacks. Ol- Alteria viteliina, it Vena vitellina. b 1 a se n c oe 1 om (Höhle dcs 



besten jmssen würde; er trennt die Umhüllung des Dotters in zwei 
Platten, von welchen die innere die unmittelbare F<»rtsetzung des 
Darmrohrs, die äulVere dagegen die Fortsetzung der Rumpfwand ist. 
(ienau genommen, haben wir daher um den Dotter eine doppelte Sack- 
bildung vor uns, die wir als Da rmdottersack und Haut dotter- 
sack unterscheiden können. Jener ist nichts anderes als eine bruch- 
sackartige Ausstülpung des Darmrohrs, dieser der Rumpfwand. 

Es wurde schon erwähnt, dal's die Abschnürung des Dottersacks 
vom embryonalen Körper eine sehr verschiedenartige sein und so weit 
gehen kann, dafs der Zusammenhang zwischen beiden nur noch durch 
einen dünneu Stiel (Fig. 141 .<?/) unterhalten wird. Eine genauere 
rntersucliung zeigt im letzteren Fall den Stiel wieder aus zwei engen, 
ineinander gesteckten Röhren zusammengesetzt, von denen die äufsere 
den Hautdottersack mit (h>r Bauchwand und die innere den Darra- 
dottersack mit dem Dannrolir verbindet. Die erstere nennt man den 
Hautstiel, die letztere den Dannstiel oder Dottergang, Ductus vitello- 



a) Der Dottersaok der Fische. 



ar 




einander um die ungeteilte 
Dottermasse der meroblasti- 
schen Eier aus. Wie nun 
im embryonalen Körper die 
beiden mittleren Keim- 
blätter auseinanderweichen 
unddieLeiheshöhle zwischen 
sich hervortreten lassen, so 
geschieht es später auch im 
aufserembryonalen Bezirk. 
Im Bereich des mittleren 
Keimblattes bildet sich 



Blastoderms Köllikkr) am 




, Google 



Bildung der inlsereii Ki^rperfotiii, dM DottarsAck» der Wirbeltiere eie. 133 



intestinalis. Die Ansatzstelle des Hautstiels in der Mitte der eiiibryo- 
ualcD Bauchtiäche heifst der Hautnabel; die entsprechende Ansatz- 
Stelle des Darmstiels am Darm der Darmnabel. 

Selilierslicli hat der Dottersack bei den Fischen dasselbe Schicksal 
wie bei den Amjjhibien. Er wird selbst in dem extremen Fall wie bei 
den Selachieru noch zur Bildung der Darm- und Leibeswand benutzt. 
Er scbrunipft. je mehr sein Inhalt TerflOssigt und aufgesaugt wird. 
Der Darmdottersack wird dann^ wenn er ganz klein geworden ist, in 
die l eibeshöhle eingezogen und dient endlich zum Versclilufs de« 
l)armual>els, ebenso wie der Hautdottersack bei seinem Schwund den 
Hautnabel zuschlieftt 

b) Sie Blhfillea der BeptfUea und VSg^ 

Zu dem Dottersack, der schon bei den Amphibien und Fischen 
auftritt^ gesellen sich bei den Reptilien und Vögeln noch drei weitere 
embryonale Anhangsgebilde hinzu: 1) <ias Schaf liautehen oder Amnion, 
2; die seröse Halle und 3) der Harnsack oder die AUautois. Unserer 
Darstellung sollen besonders wieder die Verhältnisse beim Hahnchen 
zur Grundlage dienen. 

Amnion und seröse Hülle sind ihrem Ursprung nach auf den 
aufserembryoualen Bezirk der Keimbhitter und zwar auf den Teil 
zurQckzufOhren , welcher bei den Fischen zum Hautdottersack ver- 
wandt wini. Sie entstehen abermals aus Falten, welche, um den 
noch kleinen Kmbryo herumwachsend, eine dopjjelte Umhüllung für 
ihn lieÜM U. Schon zur Zeit, wo man ani vordereu Ende der Erabryonal- 
aulage (Fig. 14(l) die halbkreisförmige Kopffalte wahrnimmt, durch 
deren Wachstum der Kopf des Embryo sich sondert, tritt bereits in 
geringer Kutfernung vor ihr die vordere Amn ionfalte (rdf) auf 
in einem Bezirk, in welchem das mittlere Keimblatt am Anfang der 
Entwicklung fehlt, so dafs äufseres und inneres Grenzhlait hier 
direkt zusammenstoßen. Beide sind daher auch gleichmftf^ig an der 
Bildung der vorderen AmnionfaUe oder de> Proamniou beteiligt 
(Fig. 140). Wahrend nun die Kojjffulte (/./ ) mit ihrem T'msrhlajisrand 
nach dem Dotter vordringt, erhebt sich, durch die Grou/riune vou 
ihr getrennt, die vordere Amnionfalte (vaf) in entgegengesetzter 
■Richtung nach aufsen tU>er das Kiveau der Keimhnnt. Sich ziemlich 
rasch verf-M(>(srrnd, wächst sie, indem sie sich mit ihrer Firste nach 
rückwärts umlegt, kapuzeuartig über den Kopf herüber und bedeckt 
schon am Ende des zweiten Brfittages seinen vordersten Teil wie 
ein dünner, durchsichtiger Schleier und wird die Kopfscheide genannt 
(Fig. 14:3 vaf). 

Auf einem etwas späteren Madium entwickeln sich am Schwanz- 
ende und zu beiden Seiten des Embryo die hintere und die seit» 
liehen Amnion falten und hier zwar an Stellen, wo flberall 
mittleres Keimblatt angelegt und in Haut- und Darmfaserblatt ge- 
trennt ist Sie nehmen daher auch hier aliein durch Einfaltuug des 
äufseren Keimblattes und des ihm dicht anliegenden Hautfaserblattes 
ihren Ursprung. 

Die hintere Falte ist zur Zeit, wo der Kopf schon von dem 
schleierartigen Hauiciien überzogen ist, noch sehr unscheinbar, sie ver- 
größert silä laugsam und legt sich hierbei Uber das hintere KOrper- 
ende als Sehwanzscbeide herOher (Flg, 14G ant und Fig. 143 haf). 



Digltized by Google 



134 Siebentel KftpiteL 

Die seitlichen Amnionfalten erbebeu sich nach aul'seu vou 
den seitlichen Grenzrinnen (Fig. 137 mn und Fig. 142 af) in entgegen- 
gesetzter Richtung als die Seitenfalten, durch deren Umschlag die 

Seiten- und I^auchwand des Knihryo ihren T"^rsprung nimmt. Sie ent- 
ferueu sich dadurch mit ihrer Firste mehr uml mehr von der Darm- 
platte (Fig. 137 sp), die auf dem Dotter ausgebreitet liegen bleibt. Hiei^ 
durch nimmt der aufserembryonale Teil der Leibeshöhle (Fig. 142 Ih*) 
oder das Keimblasencoelom in der T^nifzeluing des Embryo an Aus- 
dehnung zu. Wenn die seitlichen Anmiunfalten bis zur Rückeutiäche 
des Embryo emporgewachsen sind (Fig. 142 af), beginnen sie sieh nüt 
ihren Rftndern medianwiirts umzuschlagen und um den Rnmftf die 
sogenannten Seitenscheiden zu bilden. 

Da die mit besonderen Nameo belegten Falten des Amnion, wenn 
sie sich in voller £DtwickIuDg befinden, ineinander Obergehen und 




Fig. 142-145. Sohematisofae Quer- und liSngsdoralieoluiitfee dnroli 
das Hminerei auf ▼enehiedenen Stadien der Bebrütun?. 

Der Embryo ist im Verhältnis zum Nahrungsdotter der Deutlichkeit wegen 
viel sa grofe dargestellt. 

Fig. 142 u. 143. Quer- und Iiängsdurohsohnitt durch ein Hühnerei 
mit weit entwickelten Amnionfalten am dritten Taffe der Babrfttoac. 

Fig. 144. Längsdurchsehnitt dorob ein Hühnerei mit geschlosaanem 
Amnionaaok Uih), serSspr Hülle (S), Allantois [al) und Dottersaok (dfi) am 
Anfknt; dea fünften Brüttages. 

Flg. 145. Liängadurohschnitt doroh ein Hülmeret am siebenten Brüttaa. 

In allen Figuren ist der Rackeii des Embiro daakeluhiran, der Dann hdl; 
der Nahriiiifrsdottor durch vertikale Linien achrafflert; in allen Figuren gelten 
diesellien Bo/eic hniiiitfen : 

ak AnrMTi s Ivt-iiiihlatt, af Amnionfalte, raf, hat', saf vordere, hintere, teil* 
liebe Aninionlultu, A Amnion, oft Amnionböhle, al Allantois. dr Darmrinnei 
dg Dottergang, df Darmfalten, dn Dannnabel, dh Dotterhof (Area vitellina) swischen 
den punktierten Linien st und Mr; d-t I)ntfer>;iik , '//i (;enir>liof, hn Hautnahel. 
ik inneres Keimblatt, //* Leibesböhle, embi yonaler, //*- aurserembryonaler Teil 
derselben (K«imblaseuc(»eloni), tnk mittleres Keimidatt, ink^ .seine parietale, mk* 
seine viscerale Lamelle, y Nervenrohr, S seröse Uulle, sl Sinus tarmlttalis, Auftere 
Begrenzung de« Ocf&bhofes gh (Aren ▼ascnlosa), ur Umwadwongimnd, Qrenie 
er den Nanrungsdotter umwachsenden Keimblitter. 



Digitized by Google 



BUdung der Aaberen Kdrperfomi, des Dott^rsMks der Wirbelttore etc. 135 

nur Abschuitte einer einlieitiiciieu Kiugfalte sind, wird schlielslich 
der Embryo ringBom wie von einem hoben Wall umseblosaen. Bei 

weiterer Ver^Tfifsorung neigen dann die AmuionsrheideTi von vom 
und hinten, von links und rechts über dem Rücken des Embryo zu- 
sammen (Fig. 142 — 144 a/, vaf^ haf)^ treffen sich mit ihren Rändern 
in der Medianebene und Terwaehsen dort untereinander lAngs einer 
Linie, der Amnionnaht, die sich von vorn nncli rückwärts schliefst. 
Nur an einer kleint^n Stelle, nahe dem Schwänzende, unterbleibt l&ngere 
Zeit der Verschiuls und erhält sich eine kleine ÖlTnung. 

Die Yerwaehanng der Amnionfalten erfolgt genau in dersetben 
Weise, wie es auf Seite 60 (Fijr. 45 — 4S) im allgemeinen beschrieben 
worden ist. Jede Falte (Fig. 142 u. 14:{) besteht aus zwei Blättern, 
einem inneren und einem äiH'sereD, die am Umschlagsrand ineinander 
fibergeben und durch einen 8]>alt getrennt werden, welcher ein Teil 
der aufserembryonalen Leibeshöhle ist. In der Amnionnaht ver- 
schmelzen die entsprechenden Faltenhlftttf'v beider Seiten: gleichzeitig 
gebt damit Hand in Hand eine Lostreunung der inneren von den 
ftuilseren Bllttem (Fig. 144). Über dem Rücken des Embryo sind 
infolgedessen jezt zwei Hüllen, eine innere und eine äufsere, 
das Amnion (>4)und die seröse Hülle (S). entstand e n. Das 
Amnion ist ein Produkt der inneren Faltenblätter (Fig. 144 cUt), Ks 
bildet um den Embryo in der ersten Zeit nach seiner Entstehung 
einen dicht anliegenden Sack, der nur eine sehr kleine, mit Flüssigkeit 
erfüllte AnmionhöhU' rinschliefst. Die seröse Hülle, die sich von 
den äufseren Faltenblatteru herleitet, liegt dem Amnionsack als ein 
sehr zartes und durchsichtiges Häutchen dicht an und schliefst ihn 
von aufsen ein (Fig. 144 u. 145 S). 

Was das weitere Verhalten der lieiden Hüllen betrilTt, so bleibt 
der Amnionsack bis zum Ende der embryonalen Entwicklung mit 
einer kleineu Stelle am Bauch des Embryo, die der Hautnabel heifst, 
in Verbindung. In den Fig. 143—14.5 ist diese Stelle durch eine 
ringfönrii?:o Linie ihn) kt nntlich gemacht. Iiier setzen sich die pri- 
mitiven Schichten der liumpfwand in entsprechende Schichten <les 
Amnion fort, so z. B. die Epidermis des Korpers in eine Epithellagc, 
welche die Amnionhöhle auskleidet. Der Hautnabel der Reptilien 
und Vögel entspricht daher dem gleichnamigen Gebilde der Fisch- 
embryonen (Fig. 141 .<fO, an welchem ja auch <icr Hautdottersack mit 
seiner stielförmigeu Verlängerung in die Bauchwand übergeht. Wie 
bei den Fischen umschliel^t er (Fig. 143 A») eine ÖflTnung, welehe 
den im Embryo gelegenen Teil der Leilieshöhle (Jh ') mit dem aufser- 
embryonalen, zwischen den Eibüllen hetindlichcn Teil (Ih^) verbindet. 
Ferner tritt durch die Öffnung der am embryonalen Darm befestigte 
Stiel des Dottersacka oder der Dottergang hindureh, der in den oben 
genannten Figuren durch den kleinen Ring (dn) bezeichnet ist. 

Durch Ausscheiden einer eiweilshaltiirfMi. salzigen Flüssigkeit, des 
Liquor amnii« vergrölsert sich der Amnionsack mit jedem Tage der 
Bebrfitung. Gleichseitig wird seine Wandung kontraktil. In seinem 
Hautfaserblatt bilden sich einzelne Zellen zu kontraktilen Fasern aus, 
die beim Hühnchen vom fünften Tatip der Bebrütung an rhythmische 
Bewegungen veranlassen. Man kann die Kontraktionen, etwa lo in 
der Minute, bei unverletzter Eischale beobachten, wenn man die Eier 
gegen eine helle Lichtquelle hftlt und sieh dabei des von Pbstbr 
konatruierten Ooekops bedient. 



136 SMbeates KapiteL 

Die seröse U ii 1 1 e (6') eine ▼oUkommen durchsichtige, leicht 
/erreifshare Membran, welche der Dotterhaut oder Membrana vitellina 
tVst anliegt. Sie besteht aus zwei dünnen Zellblättem, welche ihren 
Ursprunj!; von dem ilufseren Keimblatt und dem parietalen Mittelblatt 
herleiten. AI» eine gesonderte Bildung ist die seröse Hülle auiänglich 
(Fig. 144) nur im Bereich des Amnion und des Embryo vorhanden, 
soweit als sich die Leibeshöhle im mittleren Keimblatt gebildet hat. 
Sie vergröfsert sich dann in demselben Mafse, als der Dotter um- 
wachsen wird und der Gefäl'shof sich nach abwArts ausdehnt (Fig. 14ö). 
Parietales und viscerales Mitlelblatt weichen mehr und mehr aus- 
einander, bis schliefslich (beim Hühnchen gegen Ende der Bebrtttung) 
eine Trennung im ganzen Umfang der Dotterkugel erfolgt ist. 

lu Zusammenhang damit verändert sich auch die Wand des Dotter- 
sacks. Während sie am Anfang der Umwachsung 'eine Strecke weit 
von allen Keimblättern gebildet wird, setzt sie sich nach Ablösung 
der serösen Hülle nur noch aus dem DarmdrQsenblatt und dem vis- 
ceralen Mittelblatt zusammen. 

Während die Entwicklung des Amnion noch vor sieh geht, bildet 
sich bei den Reptilien und VOgeln ein nicht minder wichtiges embryo- 
nales Organ, die Al- 
lautois oder der 
Harnsack. Er hat 
zwei verschiedene 
Funktionen gleich- 
zeitig zu erfüllen. 
Einmal dient er, wie 
schon sein Name sagt, 
zur Aufnahme der 

Ausscheidungspro- 
dukte, welche während 
des Embryonallebens 
von Niere und Urnierc 
geliefert werden, und 
zweitens ist er noch 
vermöge seines Blut- 
gefÄfsreicbtums und 
der oberHächlichen 
Lage, welche er erhält, 
das wichtigste embryo- 
nale Atmungsorgan. 
Der Harnsack nimmt 
aus dem letzten Teil 
des Eiiddarms, der später als Kloake bezeichnet wird, seinen Ursprung 
und ist liior in seiner (<rsten Anlage beim Hühnchen schon am Ende 
des zweiten Tages nacb/uweiscn , zu einer Zeit, wo die Wandungen 
des Enddarnis noch in Entwicklung begrideu sind. Er erscheint hier 
als eine kleine, blindsackartige Ausbuchtung (ol) an der vorderen 
Wand der Darmplatte (hy). (Fig. 14:i u. Fig. 140 al) 

Die Ausstülpung ist nach innen vom Darmdrüsenblatt ausgekleidet, 
nach aussen von einer Wucherung des Darmfaserblattes überzogen. 
Sie vergröftort sieh rasch zu einer Blase, die in die Leibeshöhle hinein- 
wiU'bst (Fig. 143 al). Hierbei erweitert sich das blinde Ende, während 
der Auf angsteil, der in den Enddarm abergeht, sich verengt und zu 



Digitized by Google 




V\g. 146. Schematiaoher IiiiigBSOlillltt durch 
das Jffinterende eines Hühnerambtyo sur Salt 
dar BUdong der Allantois. Nach Balfodr. 

Der Schnitt zeigt, dak das Nennenrohr sp.c an 
seinen Ende mit dem Enddarm jmi.^ durch einen 
CantKs neurentericus n.e zusammenEftnKL Der letztere 
geht (lurtli den Rest des I'riiiiiti\ sticifens /^r, welcher 
nach der Ventralseite umgeschlagen ist. ep Aufseres 
Keimblatt, ch Chorda, iby Darmdrüsenblatt, aJ Allantois, 
me mittleres Keimblatt, an die Stelle, wo der After 
entstehen wird,am Amnion, «oHautplatte, sp Dui mplatte. 



BUdnng der Ao&eren Körpeifonn, des Dottentdi« der Wirbeltiere etc. 137 

eiDem hohlen Stiel, dem Harngang oder ITncbus , verlängei*t. Am 
Tieiten Tage ist der Hanisack so vorgröfsert, dafs er in der embryo- 
nalen Leibeshöhlo keinen Platz mehr findet und sich tlah r in ihren 
aurserembryooaleu Teil zwisclieu Diiriiii>tiei und Uautstiel hmeiudrAngt 
(Fig. 144 al). Er gelangt so in den Raum zwischen Dottersack (ckj 
QOil Amnion (A\ trifft dann auf die Innenfläche der serösen Hülle (8) 
und breitet sich unter ihr auf eine weite Strecke, und zwar Ober die 
rechte Seite des embryonalen Körpers aus (Fig. 145). 

Hin i( btlich der weiteren Schicksale der Eihüllen beim 
U Ii I) n c h e u mögen sich hier noch einige kurze Bemerkungen an* 

sdiliei'sen. 

In dem Zeitraum vom fünften bis zum elften Tage, also etwa bis 
zur "Mitte der liehrtitunp, treten an dem Dottersack, dem Amnion, 
der Allantois etc. folfzende Veräuderung<*n ein: 

In der Wand des Duttersacks, der noch eine ansehnliche Gröfse 
beibehftlt, breitet sieb in der frQber geschilderten Weise der Gefltrshof 
über gröfserc Strecken aus. Am siebenten Tage bedeckt er etwa zwei 
Drittel (Fig. 145), am zehnten Tage drei Viertel desselben, wobei die 
Grenzvene undeutlich wird und die scharfe Abgrenzung gegen den 
gef&felosen Abschnitt aufhOrt. Der Inhalt des Dotteraaeks ist durch 
chemische Veränderung des Dotters verflüssigt worden. Von seiner 
Oberfläche hat sich die seröse Hülle (5^), soweit sich der Gefälshof 
ausgedehnt hat, durch Vergröfserung der aufserembryonalen Leibes- 
hOhle abgehoben. In den Zwischenraum ist gleichzeitig der Harnsack 
(Fig. 145 al) hineingewachsen. Dieser hat sich bis zum zehnten Tage 
60 sehr vergröfsert, dafs er nur einen kleinen Teil vom Dnttersack 
und Amnion unbedeckt läi'st. ^eine sackartige Beschatfeuhett hat er 
jetzt mehr verloren. Denn zwischen seinem äufteren Blatt, welches 
fast ftberall der inneren FlAche der s^ttaen Hülle dicht anliegt, und 
seinem inneren Blatt, welches an Amnion und Dottersack angrenzt, 
findet sich nur ein unbedeutender, mitüarnwassererfüUterZwischenraum. 

Der Hamsaek ist ferner zu dieser Zeit ein sehr blutgeftftreiehes 
Oi|^D geworden und wird von den Nabelgefitfsen gespeist, die uns in 
einem spateren Artikel tlber das Blutgefilfssystem noch einmal be- 
schäftigen werden. Am dichtesten ist das Blutgefäfsnetz in seinem 
äufseren Blatte, welches sich an der Oberfläche des Eies ausbreitet; 
ea dient hier zur Unterhaltung des embryonalen Atmungsprozesses, 
penn von dem oberflächlich zirkulierenden Blute wird Kohlensaure 
abgegeben und Sauerstoff aufgenommen, teils direkt durch die Ei- 
schale, teils aus der am stumpfen Pole des Eies befindlichen Luft- 
kamniOT (Fig. 0 a ch), welcher ein grofser Teil des Harnsacks anliegt. 
Aufser zur Respiration dient endlich der Harnsack auch noch zur 
Kesorption des Eiweifses, welches während der Bebrütung 
immer mehr eingedickt und am spitzen Pole des Eies zu einem Klumpen 
zusammengedrängt wird. Er umwftchst und httUt es in einen Sack 
ein, dfs « n epitheliale Oberfläche von der serösen Hülle abstammt, 
die vou dem wuchernden Harnsack mit ausgestülpt worden ist. An 
der Innenfläche des Eiweifssackes (H. Vircuow) entwickeln sich blut- 
geffefsreiche Zotten, welche sich in das Eiweifs hineinseDken und von 
DuvAL, der zuerst auf diese VcrhiUtnisse aufmerksam gemacht hat, 
als Placenta beschriebeu worden sind. 



Digitized by Google 



138 



Sieben««» KapiteL 



Auch die Luftkammer hat während der Bebrututig Verfinde- 
rungeo erlitten und sich durch Auseinanderweichen der beiden Btfttter 
der Scbalcnhaut, in welclie sie eiugeschlossen ist (Fig. 9), iiiiti r Luft- 
aufnahme ausgedehnt. Das Amnion endlich, welches am Anfang 
Feiner Kntstt-hung dem Embryo dicht anliegt, bat sich vergröfsert 
und ist EU einem mit AmnionwaMer stark gefüllten Saeke gewoiden 
(Fig. 14.' Seine schon ohen beschriebenen rhythmischen Zusammen- 
ziehuugen werden am ach ton Tage am lebhaftesten und kräftigsten 
und nehmen von da bib zum Kmie der BebrütuDg an Häufigkeit und 
Stftrke ab. 

Infolge aller dieser Wachstunisvorgänge beansprucht der Enibnio 

mit Anhängen jetzt einen viel gröfseren Kftiini als am Anfang dt r 
Bcbrtltung. Kr gewinnt ihn dadurch, dafs das den Dotter uingei)t'nde 
Eiweifs oder Alhumeu sich erheblich vermindert, iudem namentlich 
seine flossigen Bestandteile teils durch Verdunstung nach aufsen, teils 
auch durch Kesor|ition von Seiten des Embryo schwinden. Die Dotter- 
haut ist bei der \'ergrorserung zerrissen worden. 

In einem zweiten Zeitraum, der vom 11. bis zum 21. Tage oder 
bis zum Ausschlüpfen des Hühnchens reicht, wird der Dottersack 
infolge der stärkeren Aufsaugung seines Inhaltes mehr und mehr 
schlaff, so dafs sich seine Wand in Falten zu b"jen beginnt. Von der 
serösen Hülle wird er jetzt, da sich die aulsercmbryonale Leibeshfthle 
rings um ihn ausgedehnt hat, vollständig abgelöst und hierauf durch 
Verkürzung des Darrastiels näher an die Bauch wand herangezogen. 
Am 19. Tage der Be1)rntung beginnt er durch den sehr eng gewordenen 
Hautnal)el in die Bauchhöhle selbst hineinzuschlüpfen. wobei er während 
des Durchtritts durch die Bauchwaud Sanduhrform annimmt. Hier 
wird er zum Verscblofe der Darmwand mit verbraucht. 

Eine Rfickbiklung erlllhrt das Amnion , insofern die Flüssigkeit 
abnimmt und fast ganz schwindet, bis die Membran wieder dicht dem 
embryonalen Körper anliegt. Auch das Eiweifs wird fast vollständig 
aufgebraucht mr der Hamsack fAhrt zu wuchern fort und wächst 
schliefdich an der ganzen Innenfläche der serösen Hülle so vollständig 
herum, dafs seine Ränder sich treffen und untereinander zu einem 
den Embryo und das Amnion vollständig eiuschliefsenden Sack ver- 
scbmelzen. Mit der serösen HOlle verklebt er so fest, dafs seine Los- 
trennung nicht mehr gelingen will* 

Das Harn wasser nimmt gi^en Ende der Bebrütung gleichfalls 
ab und ist zuletzt, wie das Amnionwasser, ganz geschwunden. In- 
foigedesseu gibt es in der AUantois Niederschläge von Harnsalzen, die 
immer massenhafter werden. 

Amnion und Hamsack bilden sich schlief^lich vollständig zurück. 

Indem das Hühnchen kurze Zeit vor dem Ausschlüpfen die es be- 
deckenden Hüllen mit dem Schnabel durchstöfst, fängt es an, die in 
der grölser gewordenen Luftkammer enthaltene Luft direkt einzu- 
atmen. Eine Folge davon ist, dafs im Harnsack der Blutkreislauf 
sich verlangsamt und endlidi ganz aufhört. Die zuführenden Nabel- 
pefäfse ol)liferier('n. Amnion und AUantois sterten ab, trocknen ein, 
lösen sich dann vom Hautnabel ab, der sich am letzten Tage vor dem 
Ausschlüpfen schliefst, und werden,, wenn das Kfichelchen die Eischale 
verlällst, mit dieser als dürftige Überreste abgestreift. 



Digitized by Google 



Bildttnf der Anfeeren Kaiperfonni des Dottenaeka der Wiriieltiere etc. 139 



Bepetitorium bu Kapitel VII. 

1) B^i Wirbeltieren, deren Eier wenig Dotter enthalten, nimmt 
der Embryo nach Ausbildung der Keimblätter eine gestreckte, fisch- 
Dmliche Gestalt an. 

2) In (lotterreichen Eiern liefert nur ein kleiner Bezirk der Keini- 
hliitter, die Erabryonalanlage, den Wirheltiorkörper; der weitaus 
gröfsere, aufserembryonale Bezirk wird zur Bildung von einem Dotter- 
saelc und von EihatlenOetstereB nur bei Reptilien und Vögeln) irenrandt. 

3) Die einzelnen Blätter der Embryonalanlage schnüren sich vom 
aufserembryonalen Bezirk ab und falten sich hierbei zu Röhren ein, 
die Rumpfplatte zur Rumpfwand, die Darmplatte zum Darmrohr 
(Kopffalte, Schwanzfalte, Seitenfalten, Darmrinne, Darmfalte). 

4) Mit den beiden Röhren bleibt der anfserembryonale Bezirk der 
Keimblätter durch stidnrti^'e Verbindunirfii in Zusammenhang. 

5) Bei Fischen entsteht aus dem auiserembryonaleu Bezirk der 
Keimblätter der Dottersack. Er ist aus zwei durch eine Fortsetzung 
der ( lubryonalen LeibeshCble getrennten Sficken« dem Darm- und dem 
Haut-Dottersack, zusammengesetzt. 

^) Die Stelle, an welcher sich der Haut dottersack mit einer stiel- 
artigtn Verlängerung an die embryonale Baucbwand ansetzt, heifstder 
Hautnabel, die entsprechende Ansatzstelle des Darmdottersacks in der 
Mitte des Darmrohrs der Darranabel. 

7) Bei Fischen wird der Dottersack nach Resorption des Dotter- 
materials unter Schrumpfuugserst^heinuugeu zum Verschluls des Darm- 
und des Haut-Nabels aufgebraucht. 

8) Bei Reptilien und Vögeln sinkt der Embryo während seiner 
Entwicklung in den unter ihm liegenden, flüssiger gewordenen Dotter 
eiu und wfrd von Faltungen des auiserembryonaleu Bezirks der Rum|>l- 
platte, von den vorderen, hinteren und seitliehen Amnionfalten, ein- 
gehfillt (Kopfscheide, Schwanzscheide, Seitenscheiden). 

9) Infolge des Faltungsprozesses entstehen zwei Säcke um den 
embryonalen Körper, das Amnion und die seröse Hülle. 

10) Das Amnion ist am Hautnabel mit dem Bauch des Embryo 
verbunden. 

11) Der Hautnabel umschliefst eine üflfnunp. durch welche der 
embryonale und der aulserembryonale Teil der Leibeshöhle in Ver- 
bindung stehen. 

12) Durch den Hautnabel tritt der Stiel des Dottersacks durch, 
um sich am Darmnalxd an den Darm anzusetzen. 

13) Aus der ventralen Wand der letzten Strecke des Enddarms 
(Kloake) stQlpt sich der Hamsack hervor, wftchst als eine gestielte 
Blase 1) in die Lei])eshöhle und 2) durch den Hautnabel in ihren 
a^^se^eTn^rv()nalen Teil )>nMtet sich hier zwischen Amnion und seröser 
Hülle ringsum aus uud tuugiert vermöge seines Blutgefiii'sreichtums 
als Atmungsorgan. 

14) Am Ende der embryonalen Entwicklung schlüpft der immer 
kleiner werdende Dottersack nach Verbrauch des Dotters durch den 
uUenen Hautnabel in die Leibeshöhle uud wird zum Verschlufs des 
Darmnabels verwandt. 

15) Amnion, seröse Hülle und der aus dem embryonalen Körper 
herausgewucherte Teil des Harnsacks werden am Hautnabel, der sich 
schiie&t, als nutzlose Gebilde abgestofseo. 



Achtes Kapitel. 

Die EihfiUen der Sängetiere und des Menschen. 

1. Die Säiifiretiere. 

In ilircu frühesten Eutwicklungsstadieii zeigen die Eihäute der 
Säugetiere mit depjeoigeu der Reptilien und Yügel eine aufserordeot- 
liche ÜbereiDstimmung (Fig. 147). Wir finden einen Dottersack mit 
reiehem GeAfenetz iUV)^ ein Amnion (am), eine seröse HuUe (ss) 

und eine Allantois 
{ALC)\ wir hndcu, 
dafe sich der Embryo 
in derselben Weise wie 
dort niis einem kldnen 
Üezirk der Keimblase 
entwickelt nnd in der- 
selben Weise von dem 

anfseremhryonalen 
Bezirk abschnürt, mit 
dein er nur durch einen 
Darm- und einen Haut- 
stiel in Verbindung 
bleibt. 

Die Übereinstim- 
mung ist eine auf* 
fällige und rojzt zu 
weiterem Nafliiltnkt'n 
au, wenn wir iu Be- 
tracht ziehen, dafb die 
namhaft gemachten 
Entwicklungsprozesse 
in erster Linie durch 
die Ansammlung von 
Dottorniaterial in den 
Eiern der Reptilien 
und Vögel hervor- 
gerufen werden, und 
dal's die Eier der niei>trii SjUij:etiere des Dotters so f^ni wie ganz 
ontlu'hn'ii, von sehr geringer Grftfse .sind, eine totale Furchung durch- 
uiachoii und in allen diesen Beziehungen mehr deu Eiern des 
Amphioxus gleichen. 

Warum erleidet nun der SUugetierkeim trotzdem Metamorphosen, 
die iu anderen Fällen nur Folge der Dotteransainuilung sind V Warum 




Fig. 147. Schema der «hiutd «ÜIM 8&llg»> 

tierea. Nach Tl'h.nj^u. 



pc Zona pelluciila mit Zotten (Prochorion), sz seröse 
UQII«, E ftuiseres KeimbUtt des Embryo, am Amnion, 
AC AmnionliOhle, M mittlereB Keimblatt desEabno, 

/7 inneres Keimblatt di --i llicn, UV Dottersack (Vesic* 
umbilicalis), ALC Alluntois^hühle, al Allautois. 



Digitized by Googl 



Die EihUllen der Säugetiere uuU des« Menschen. 



141 



eotwielEelt sich ein Dottenaek, der keinen Dotter enthält, mit aineni 

Blutjrcfrtrs^v^tera, das zur Dotterresorption bpstimmt ist ^ Zur Er 
klJlrung ilifser Verhaltnisse müssen wir zu einer Hypothese unsere 
ZuHucht nehmen, auf welche schon bei Besprechung der Keimblatt- 
bildniig der SAugetiere hingewiesen wnrde und welche sich etwa so 
formulieren und begründen läfst: 

DieÖäufier müssen von Tieren abstammen, welche 
grofse, dotterreiche Eier besessen haben, ovipar ge- 
weaen sind, und bei denen sich infolgedessen die em- 
bryonalen Hollen in gleicher Weise wie hei Reptilien 
und Vögeln entwiclcelt haben. Bei ihnen müssen die 
Kier erst nachträglich ihren Dottergehult wieder ein- 
gebfifst haben, und zwar von dem Zeitpunkt an, als sie niebt 
mehr nach aufsen abgelegt. Rondern in der Gebärmutter entwickelt 
wurden. Denn hiermit war für den werdenden Keim eine neue und 
ergiebigere, weil unbeschränkte (Quelle der Ernährung gefunden in 
Snbstanxei, die von den Wandungen der Gebftrmutter ausgeschieden 
wurden. Es bedurfte daher nicht mehr der Mitgift des Dotters. Die 
Hüllbildungen aber, die durch den Dottergehalt der Eier ursprünglich 
ins Dasein gerufen worden waren, haben sich erhalten, weil sie auch 
noch in mancher anderen Beziehung von Nutzen waren, und weil sie 
unter Wechsel ihrer Funktion in den Dienst der Ernährung durch 
die Gebärmutter traten und dementsprechende Abänderungen er- 
fuhren. 

Zu Gunsten dieser Hypothese können drei Tatsachen angefohrt 
werden. Erstens sind bei den niedersten Säugetierklassen, wie bei 
ficn ^Monotrenien und Beuteltieren, die Eier noch gröfser als bei den 
Piacentaltieren ; sie zeichneu sich durch einen stärkereu Gehalt an 
Dotter ans und bilden in dieser Beziehung zu denjenigen der Reptilien 
und Vögel einen Übergang. Zweitens ist beobachtet worden, dafs 
die Mft?ietreme?i fEcliidna und Ornithorhynchns) , die niedrigste Ab- 
teilung der Säugetiere, wie die Reptilien und die Vögel eieriegend 
sind. Drittens verharren die Eihäute bei den Beuteltieren, welche 
nächst den Monotremen als die am tiefsten stehenden Säugetiere auf- 
zufassen sind, (»IrAohl flir Kritwickhin? in der ( leltiuiinitter vor sich 
geht, dauernd in emem Zustande, der deoigenigen der Vögel und 
Reptilien ähnlich ist. Der in ein weites Amnion eingehüllte Embryo 
besitzt einen sehr grofsen und gefäfsreichen Dottersack. der bis an 
di(> seröse Membran heranreicht, ferner eine kleine Allantoisund eine 
seröse Membran. Letztere liegt der Uteruswand dicht an. ohne aber 
mit ihr enger verbunden zu sein. Nach Resorption des Dotters werden 
daher wahrscheinlich Substanzen, welche von der Gebärmutter ab- 
gesondert werden, durch das Rintgefäfsnetz des Dottersacks auf- 
genommen. So beginnt zwar eine Art intra-uteriner Eniftltnin«,' sich 
bei den Beuteltieren auszubilden, sonst aber liegt der Kmiji}u mit 
seinen Hullen in der Höhle der Gebärmutter, wie der Vogel- oder 
Rcptilienembryo mit seinen Hüllen in der festen Eischale. 

Bei der Pcscliipihuag der Eihüllen werden wir die Verhältnisse 
beim Kaninchen zugrunde legen, weil seine Entwicklungsgeschichte 
am besten untersucht ist, und werden dann, um uns das Verständni» 
für den Bau der menschlichen Placenta zu erleichtern, in einer 
kurzen Skizze /eigen . wie sich in der Klasse <ler Säugetiere engere 
anatomisch-physiologische Beziehungen zwischen der Schleimhaut der 



Dlgitized Google 



142 



Achtes Kapitel. 



Gebärmutter und den embryonalen Hüllen in verschiedener Weise 
herausbilden. 

Wenn beim Kaninchen das in die Gebärmutter gelangte Ei sich 
hierselbst zu der schon früher beschriebenen Keimblase umgewandelt 
hat, ist es noch von der Zona pellucida eingehüllt. Diese ist mittler- 
weile zu einem dünnen Häutchen (Prochorion), welches später zerstört 
wird, ausgedehnt worden. Die Keimblase nimmt an Ausdehnung 
rasch zu und wächst vom fünften bis siel)enten Tage etwa von 1,5 mm 

auf 5 mm Gröfse heran. Infolge ihrer Grofsen- 
*;»^^^^ zunähme legt sich das Prochorion der Innen- 

'''^^^^^^^ fläche der Gebärmutter am siebenten und 
^Q^^B^^ achten Tage so innig an, dafs es immer 
JWmKKtlKmW schwieriger und zuletzt unmöglich wird, die 
f^W^^^^^W' YAer ohne Verletzung abzulösen. Denn beim 

Zerreifsen des mit den Uteruswandungen ver- 
klebten Prochorion wird gewöhlich die ihm 
dicht anliegende, dünne Keimbinse beschädigt 
und eröffnet, worauf sie unter AusHiefsen ihres 
Inhalts zusammenfällt. Auch ihr Inhalt hat 
Veränderungen erlitten, welche die Unter- 
suchung erschweren; er hat an Konsistenz so 
WJfi« w zugenommen, dafs er der Dicke des Hühner- 

mwL fi eiweilses fast gleichkommt. 
1 IWÄ— Während des Festsetzens vergröfsert sich 

die Embryonalanlage und nimmt , während 
sie ursprünglich rund war. eine immer mehr 
gestreckte Form an. Sie wird am siebenten 
Tage oval (Fig. 108), dann birnförmig und 
gewinnt am achten Tage eine sohlenartige 
Gestalt, wobei sie bis zu einer Länge von 
S.-j mm heranwächst (Fig. 148). 

Wie schon in den vorausgegangenen Ka- 
piteln beschrieben wurde, breitet sich in dieser 
Zeit das mittlere Keimblatt in der F^mbryonal- 
anlage aus, bildet sich die Medullarfurchc 
(Fig. 148 r/), die Chorda, eine Anzahl von 
t'rsegmenten , erscheint am achten Tage die 
erste Anlage von Gefälsen und Blut im Gefäfs- 
hof. An> neunten und zehnten Tage faltet sich 
die Enibryonalanlage zum embryonalen Körper 
zusammen und schnürt sich vom übrigen Teil 
der Keimblase ab , aus welcher sich gleich- 
zeitig verschiedene Eihäute zu entwickeln l>e- 
ginnen. Alle diese Vorgänge sind bei den Säugetieren in ihren Anfangs- 
stadien dieselben wie bei den Reptilien und Vögeln, so dafs wir uns bei 
ihrer Beschreibung kurz fassen können. Zur Veranschaulichung mögen 
die schematischen Zeichnungen dienen, welche von Köllikfr entworfen, 
in vielen Lehrbüchern Aufnahme gefunden haben (Fig. 149, 1 — 5). 

Schema 1 zeigt uns eine Keimblase, die beim Kaninchen etwa dem 
siebenten bis achten Tage entsprechen würde. Nach aulsen ist sie noch 
von <ler sehr verdünnten Dotterhaut (r/) eingeschlossen, die jetzt auch 
Prochorion genannt wird, da sich auf ihrer Aufsentlftche bei manchen 
Säugetieren EiweifsHocken und -zottchen aus der von der Uterus- 




Fig. 148. Embryonal- 
anlage vom Kaninchen 
von neun Tagen mit 
einem Teil des hellen 
Pruchthofes. Nach Köl- 

LIKKK. 

ap, ao Heller, dunkler 
Fnu hthof, /•', h", h'" Me- 
dullarjjlatte in der (legend 
der ersten, zweiten, dritten 
Mirnblase, »tz Stanimzone. 
f)rParietalzone.r/'Hücken- 
furche, pr rriniitivstreil'en. 



Google 



Die £ilittU«n der Säugetiei^e und des Measchen. 



143 



Bcbleimliaut ausgesehiedenen FlOssigkeit Diedergesehlagen haben. Das 

iDDere Keimblatt (/), das an riner nur wenig jüngeren Keiinblase. wie 
sie in Fig. 94 dargestellt ist, uur bis zur Linie ge reicht und noch 
ein Drittel ihrer Innentläche unbedeckt läfst, ist jetzt ganz bis zum 
vegetativen Pole heramgewachsen. Das mittlere Keimblatt (m) ist in 
voller Entwicklung begriffen und nimmt etwa den vierten Teil der 

Fig. 149. Fünf aohe- 
matlsoha Pigar«a aar 
DaMtoltanff der Ihit- 

wtoklung der fötalen 
Xihüllea eines Säuge- 
tieres Nach KöLLIKKR. 

In den Figuren 1—4 
ist der Embrjo im 
Lüii^'sdardiecliiutt dar» 
Bestellt 

T) Ei mit Zone pello- 

rifla, Keitnblase, 

Fniehthof und Eni- 

brvonalanlage. 
2) £i, an dem sich der 

Dottersack und da» 

A TT)<iion m bilden be- 

uiunen. 
8) Ei, in welchem dun h 

Verwachsung der 

Amnionfalten der 

Amnionsack und die 

seröse Hülle gebildet 

werden und die Al- 

Inntoie eich anlegt. 
4) Ei mit serOser HQUe, 

die Zotten entwickelt 

bat. mit gröfsercr 

Allantois und mit 

einem lämbryOi an 

welchem Mund- «ad 

Afteröflfnung ent' 

Standen sind, 
fi) Sehematiecbe Dar« 

stcilang eines noch 

jungen menschlichen 

Eies, bei dem sich 

die UefarsM-hieht der 

Allantois^ i iii»;s an die 

seröse Hülle ange- 
legt hat und in ihre 

Zfittcn hinein trewaeh- 

sen i?>t. Die seröse 

Halle tührt von da 

an den Namen Clin- 

rion. Der Hohlraum 

diT Allantois ist \ er- 

kümmert, der Dottersack ist sehr klein geworden, die Amnionhöhle io Zu- 
nahme begriffen. 

d Dotteniaut fZona pellut idi» iV Zftttchen derselben, «A seröse Hülle, ch Cho- 
rion, dtz Chüiionzotten, um Amnion, As, j*a Kopf- und Schwanzfalte des Amnion. 
<i Aulseres Keimblatt, a' dasselbe vom aufserembryonalen Bezirk der Keimblase, 
M mittleres Keimblatt, m' dasselbe vom an&ereoDbrronalen Besirk, dd inneres 
Keimblatt, • dasselbe im auberembryonalen Beeirlc, af GeflUbbof, sf Sinus termi« 
nalis. kh Hfihle der Keimblasr. die später zur Höhle de? Dnttcrsacks ds wird, 
<it/ Stiel des» Dotter«<acks (nntterizant;), al Allantois. e Kmbrvo, r Kaum zwischen 
Cborion und Amnion; aii^crembryonaler Teil der Leilie>h<dile, mit eiweilsrei^er 
Flossiglteit erfikllt, vi ventrale Leibeswand, A/i PericardiaUioble. 




Digitized by Goo 



144 



Aelites Kapitel. 



Blasenwand ein. Ein kleiner Abschnitt dieser dreiblätterigen Region 
enthfllt die Embryonabmlage, die sich etwa auf dem Eotwicklungs- 
statlium befinden würde, welches wir bei der Ansiebt von der Fläche 
in der Fig. 108 vor uns haben. 

Bei (loni in Schema 2 abgebildeten, schon viel weiter ent- 
wir'kpUon Kiiihrvo (f»eim Kaninrhen etwa am neunten Tage) hat sich 
das uiiUiere Keimblatt über den dritten Teil der Keimblase aus- 
gebreitet und schliefet jetzt eine deutlich sichtbare LeibeshöUe ein, 
indem parietales und viscerales Mittelblatt sowohl im embryonalen 
als auch im äiif^erembryonalen Bezirk auseinandergewichen sind. 
Es reicht bis zu lier mit st bezeichneten Stelle, an welcher sich als 
ftufsere Grenze des nnn deutlich ansgeprägten Geftfehofes der Sinns 
terminalis befindet. Die Embryonalanla^'e ist in Abschnürung von der 
Keimblase begriffen. Kopf- und Schwanzende des Embryo haben sich 
durch Faltung der einzelnen Blätter in derselben Weise wie beim 
HQhnchen vom hellen Fruehthof abgehoben. Wie dort ist eine Kopf- 
und eine Beckend armhöhle entstanden mit einer vorderen und einer 
hinteren Darmpforte, von welchen jede nach der H5hle des Dotter- 
sacks geöffnet ist Zu derselben Zeit erfolgt die Kut Wicklung des 
Amnion. An dem schematischen Durehsehnitt sieht man, dal^ die 
aoAerembryonale Leibeshöhle sehr weit geworden ist, mlvm sich tias 
äufsere Keimblatt mit dem fest anliegenden parietalen Mittelt)latt in 
der Umgebung des Embryo in die Höbe gehoben und sich in Falten 
(jb u. ss) gelegt hat. Über den Kopf hat sieh die vordere (ks\ aber 
den Schwanz die hintere Amnionfalte (ss) herQbergeschlagen. 

Auf dem dritten Schema haben sich die Amnionfalten stjirk ver- 
gröfsert und sind einander über dem Kücken des Embryo bis zur 
gegenseitigen Berührung ihrer Bänder eutgegengewachflen. Das ftufsere 
Blatt der Amnionfalten, das in der Fig. 3 an der Nahtstelle noch mit 
dem Amnionsack zusammenhängt, später aber sich von diesem ganz 
ablöst, stellt wie beim Hühnchen die seröse liülie dar. Diese tritt 
als selbständige Bildung zuerst in der Umgebung des Embryo auf, 
wahrend sie weiter nach abwftrts nodi mit dem Darmdrfisenblatt fest 
verbunden ist und mit ihm zns.unTnen die hier nur zweiblätterige 
Wand der nrsprt^nglichen Keiinldase ausmacht. Aul'serdem läft uns 
das dritte iSchema noch die erste Anlage des Ilamsacks (al) erkenueu, 
der in der schon früher l)eschriebenen Weise (S. 13()) aus der vor- 
deren Wand des llinterdarms hervorwächst und beim Kaninchen schon 
am neunten Tage als eine kleine, gestielte, sehr gefäfsreicbe Blase 
bemerkt wird. 

Das vierte Schema zeigt uns die Entwicklung der EihOllen viel 

weiter gediehen. Das Prochorion ist durch AiT^fhMmnnfr der [jatizon 
Keiinhlase gesprengt worden und als besondere Hülle nicht mehr nach- 
weisbar. Was wir nach aufsen erblicken, ist die seröse Hülle, die 
sieh in auffallender Weise verändert hat Sie hat sich erstens vom 
Amnion vollständig abgelöst; doch ist hierbei zu bemerken, dafs sich 
bei einigen Saugetieren und namentlich auch beim ATt tischen ein 
Verbindungsstiel zwischen beiden Hüllen au der Amuiuunaht lange 
Zeit erhftlt. Zweitens ist die ser&se Hülle fiberall vom Dottersad^ 
getrennt und umgibt als eine dünne Blase lose den Embryo mit 
seinen übrigen Hüllen. Es ist dieser Zustand dadurch herbeigeführt 
worden, dals das mittlere Keimblatt, das in Fig. 3 nur die eine Hälfte 
der ursprünglichen Keimblase umwachsen hatte, sich nunmehr auch 



Digltized by Google 



Die Eiliflllen d«r Singetiere und des Menseben. 



145 



noch Uber die andere ilaUto ausgebreitet hat uud iu seiue beiden 
Bl&tter auseinandergewiehen ist Dadurch hat sich die Wand des 

aufserenibryonalen Teils (ier Keimblase nun vollständig wie beim 
Hühnchen in einen i\ufsereu Sack, die serftse Hülle, und in den durch 
die Leil^eshöhle von ihr getrennten Dottersack gespalten. Der 
letstere (<fo), anf dessen ganzer Oberfläche sich jetzt die DottergeAfee 
ausbreiten , ist erheblich kleiner geworden und geht durch einen 
längeren, dünneren Stiel, den Dottergang (<//;), in den embryonalen 
Darm über. Der Amuiunsack (am) hat sich vergröi'sert und mit 
Flttssigkeit, dem Liquor amnii, erfallt Seine Wandungen setzen sich 
am Baudinabel in die Bauchwand des Embryo fort Die Allantois 
(ol) ist zu einer blutgef&fsreichen, birnförmigen Blase geworden, die 
zwischen Darmstiel 
und Bauchnabel 
hindurch in die Lei- 
l)eshühle der Keini- 
blase (Keimblasen- 
coelom) und bis zur 
serösen H ü I le heran- 
gewuchert ist. 

Besser als das 
Schema (Fig. 149,4) 
gewahrt uns die Ab- 
l)ildungeinesHunde- 
enibryo von ^öTagen 
(Fig. lüO) einen 
Einblick in den Zu- 
samnienbang der 
beiden blutgefäls- 
führendeu Silcke, 
der Allantois und 
des Dottersacks, 
mit dem Darmkanal. 
Der Embryo ist aus 
dem Chorion und 
dem A mnion heraus* 
genommen. Die vor- 
dere Bauch wand ist 
zum Teil entfernt 
und dadurch der 
Haiitnabel zerstört 
wurden , der um 
diese Zeit schon 
aemlich eng gewor- 
den ist. Der jetzt in ganzer Länge zu erblickende Darmkanal hat 
sich schon überall zu einem Kohr {d) geschlossen; etwa in seiner 
Mitte geht er vermittelst eines kurzen Dottergangs in den Dotter« 
sack (<&) Ober, der bei der Pr-iparation aufgeschnitten worden ist. 
Ganz am Ende des Daniikanals setzt sich die Allantois {al) mit 
einer stielartigen Verengerung an. 

Bis zu diesem Stadium liegt die Übereinstimmung in der Ent- 
wicklung der Eihüllen bei Siiu^( tit it-n. Vögeln und Reptilien klar 
zutage. Von jetzt ab aber wird der Entwicklungsgang bei den Säuge- 

U. Uertwig, Die Elemitnte der Entwioklungalebn. i. AuA. 10 




Fig. 150. Smbryo eise« Höndes von 86 T»mii. 

Smil vergrölsert, gestreckt und von Torn gesehen. Nach 
Bischoff. 

d Darmruhr, ds Dottersack, al Allantui», Harnsack, 
tm Umiere, I die beiden Leberlappen mit dem Lumen der 
Venaomphaloraesentericadaswisciien, re,A« vordere, hintere 
Extremität, h Hert, m Mund, a« Auge, g GeruchsgrQbchen. 



146 



Achte» Kapitel. 



tieren immer mehr ein abweichender, indem ein Teil der Eih&ute 

in nähere Bezieh uiifzen zu der Schleimhaut der Gebär- 
mutter tritt und sich zum Ersatz ftlr den Ausfall des 
Dotters zu einem Ernähruugsorgan für den £mbryo 
umwandelt. 

Die interessanten Einrichtungen, welche zur intra-uterinen Er- 
nährung dienen, lassen drei verschiedene o d i f ikat ionen 
unterscheiden, nach denen man die Säugetiere in drei 
Gruyipen einteilen kann. 

In der ersten Gr up pe , zu der nur die Monotrenien und die 
Beuteltiere ir« hören, sind die EihttUen im allgemeinen ähnlich wie 
bei den Keptiln-n und Vögeln beschaffen. Die äufserste seröse Ei- 
hülle 1:5t glaLL, dadurch, duis sie sich hei den Beuteltieren der blut- 
geftfereiehen Uteruaschleimhant fest anlegt , nimmt sie aus ihr ver- 
mittelst grofser. blasenartig gewordener Kpithelzellen (Selbmia) Er- 
nährungsstotie auf und gibt sie an den Kmbryo ab. 

lu der zweiten Gruppe wird eine YervuHkommuuug in der 
intra-uterinen Ernährung dadurch herbeigeführt, dafli die eeiOse Hfitle 
sieh zu einer Zottenhaut oder einem Chorion umwandelt. Sie wird 
mit Biutgefäi^en versorgt, indem die Aliantois au sie herantritt und 
mit ihrer Bindegewebsschicbt, welche die Ausbreitung der Nabelgefäfse 
enthält, an ihrer Innenfläche rings herum wuchert. Zweitens beginnt 
sie in Falten und Zotten (Fig. 149* u. auszuwachsen, in welche 
alsbald auch biutgefäisführende Fortsätze der Bindegewebsschicht ein- 
dringen. Drittens verbinden sich die Schleimhaut der Gebärmutter 
und das Chorion inniger und fester untereinander; auch die Schleim- 
haut vergröfsert ihre Oberflache und erhält Gruben und Vertiefungen, 
in welche die Zotten hineingreifen. Alle diese Veränderungen haben 
keinen anderen Zweck, als den Stoffwechsel zwischen mütterlichen 
und kindlichen Geweben tu erleichtern und m einem recht ausgiebigen 
zu machen. 

Derartig beschaffene Kihäute treffen wir }m den Schweinearten, 
den Perissodaktylen, Hippoputamidae, T^iopoiieu, Traguliden, Sirenen 
und Getaceen. Beim Sienwein, das uns als Beispiel dienen soll, ist 

die Eiblase in Anpassung an die Form der Gebärmutter, wie schon 

auf Seite 04 erwähnt wurde, in einen spindelförmigen Srhljiiich um- 
gewandelt. Dementsprechend sind auch die inneren embryonalen An- 
hänge, wie Dottersack und Aliantois, in zwei lange Zipfel ausgezogen. 
Auf der ganzen Oberfläche des Chorion haben sich, mit Ausnahme 
der beiden Zipfel des Scblauchs, Rcih'Mi vftn sehr gefafsreichen Wülsten 
gebildet, die strahlenförmig von einzelneu glatten, runden Flecken der 
Membran ausgehen und auf ihrem Rande noch mit kleineren, ein- 
fachen Papillen bedeckt sind. Den Erhabenheiten und ^'ertiefungen 
des Chorion entsprechend, finden sich auch auf der Schleimhaut der 
Gebärmutter ilhnliche kreisförmige, glatte Stellen, die noch insofern 
bemerkenwert sind, als auf ihnen allein die schlauchförmigen Uterin- 
drtksen zur Ausmflndung gelangen. Bei der Geburt lösen sich die in- 
einandergepafston Rerührungstliulicn voneinander ab. ohne dafs in 
der SchUiniliaut der ( ii l>:n niutter Substanzverluste entstehen. 

lu der dritten Gruppe hat sich zum Zweck der intra-uterinen 
Ernährung aus einem oder mehreren Abschnitten des Ghorion ein 
besonderes Organ, die Placenta oder der Mutterkuchen, entwickelt. 
Während auf einem Teil der Chorionobertläche die Zotten verkümmern 



Digitized by Google 



Die Eihüllen der Säugetiere und des Menschen. 



147 



und nur spärliche Blutgeföfse vorhandoD sind, wuchern an anderen 
Teilen die Zotten mit ihren Blutgefäfsen um so mächtiger und ])cdecken 
sich mit zahlreichen, verzweigten SeitenHsten; gleichzeitig gehen sie 
innigere Beziehungen mit der Schleimhaut der Gebärmutter ein. Diese 
ist überall, wo sie an die Zottenbüschel anstöfst, stark verdickt, sehr 
blutgefäfsreich und in lebhafter Wucherung begriffen. Sie schliefet 
zahlreiche, verzweigte, gröfsere und kleinere Hohlräume ein, in welche 
die Chorionzotten genau hineinpassen. 




Fig. 151. Frucbtsack vom Schaf. Nacli O. Schultzk. 

Der Embryo ist 1) in den ihm dirht anlifgenden Amnionsack . 2) in den 
Chorionsaclt einge.schlossen, in dessen Wand viele Blutgefafse verlaufen und sieh 
zu den zahlreichen im C'horion ent'^tandenen. ftUalen Kotyledonen begeben. 

Das Ganze nennt man eine Placenta. und man unterscheidet 
an ihr den mit Zotten bedeckten Teil des Chorion als 
Placenta foetalis und den mit ihr verbundenen und ihr 
angepafsten Teil der Uterusschleimhaut als Placenta 
uterina. Beide zusammen bilden ein Organ zur Ernährung des 
Embryo. Im einzelnen zeigt die Placentabildung nicht unerhebliche 
Modiiikationen. 

Einen besonderen Typus stellen die Wiederkäuer (Fig. l.M) 
dar, deren Eiblase wie beim Schwein in zwei Zipfel ausgezogen ist. 

10» 



148 



Achtes Kapitel. 



An ihrem Chorion haben sich sehr viele kleine, fötale Placenten, die 
man hier Kotyledonen nennt, entwickelt. Ihre Zahl ist hei den ein- 
zelnen Arten eine sehr schwankende, ü(> bis 100 bei dem Schaf und 
der Kuh , nur 5 bis b Itei dem Reh. Sie sind mit entsprechenden 
Verdickungen der Gebilrmutterschleimhaut (Fig. 152), den Placentae 
uterinae oder Karunkeln (C). verbunden, doch nur in lockerer Weise, 
so dals schon ein leichter Zug genügt, um eine Trennung herbei- 
zuführen und die Chorionzotten (C*) aus den zu ihrer Aufnahme 
dienenden Gruben, wie die Finger aus dem Handschuh, herauszuziehen. 
Einen solchen Befund zeigt uns Fig. 152, ein au« der Gebürmutter- 
wand (u) herausgeschnittenes Stück mit einer Karuukel (C) und dem 
ihr anhaftenden fötalen Teil des Kotyledon (C^) und einem Stück 
Chorion (Ch). Kindliche und mütterliche Teile sind durch den Zug 
teilweise voneinander getrennt. An der Placenta uterina ge- 
wahrt man zahlreiche kleine Grübchen, an der Plac«nta foet^ilis (C'-) 

die dicht zusammen- 
gedrilngten, baumartig 
verzweigten Chorion- 
zotten, die aus den 
Grübchen herausgelöst 
sind. Kindliche und 
mütterliche Gewebe 
grenzen in dem Mutter- 
kuchen unmittelbar an- 
einander. Sowohl die 
Zotten wie die Grüb- 
chen der Schleimhaut 
sind von Epithel über- 
zogen. Die Epithelzellen 
der Uterusschleimhaut 
entwickeln in ihrem 
Innern Fett- und Ei- 
weifskörnchen; sie zer- 
fallen zum Teil und 
tragen dadurch zur Ent- 
stehung einer milchigen 
Flüssigkeit l>ei. der so- 
genannten Uterinmilch, 
welche sich aus der 
Placenta uterina ausi)ressen lafst und zur Ernährung des Fötus 
(Embryotrophe nach Bonnkt) dient. Zu beachten ist auch, dafs bei 
den W iederkäuern die Uterindrüsen nur in der Schleimhaut zwischen 
den Kotyledonen zur Ausmündung gelangen. 

Bei allen übrigen Saugetieren, denen eine Placenta zukommt, 
wird die Durchwachsung kindlicher und mütterlicher Gewebe eine noch 
innigere. Gleichzeitig entwickelt sich hierbei ein so fester Zusammen- 
hang, dafs jetzt eine Ablösung des Chorion ohne Verletzung 
der Schleimhaut der Gebärmutter nicht möglich ist. 
Bei der Geburt wird daher eine mehr oder ni inder be- 
trächtliche, oberflächliche Schicht von der Schleim- 
haut der Gebärmutter mit abgestofsen. Den abgestofseneu 
Teil bezeichnet man als d ie hinfällige Haut oder die Decidua. 
Man fafst nun nach dem Vorschlag von Hlxley alle Säugetiere, bei 




V\k- 152. Einaelner, aus der Uterus wand 
herauBgeschnittener Kotyledon einer Kuh, die 
fötalen (^") und mütterlichen Teile (('•) halb 
voneinander abgelöst. Nach Colin, aus Hai.fulr. 

tt Gebärmutter, mütttTÜcher Teil des Koty- 
ledon oder Karunkel (Placenta uterina). Ch Chorion 
des Kmbryo, C fötaler Teil des Kotyledon (L'borion 
frondosurn oder IMarenta foetulis). 



, Google 



Die EihQllcn der Säugetiere und des Mensrhen. 



14«» 



denen sich infolge der besonderen Entwicklung des Mutterkuchens 
eine solche Haut bildet, als Maninialia deciduata oder kurzweg als 
Deciduata zusammen und stellt ihnen die übrigen Säugetiere, mit 
deren Placentabildung wir uns soeben beschilftigt haben, als die In- 
deciduata gegentlber. 

Nach dem Vorschlag von Strahl empfiehlt es sich, auch die ver- 
schiedenen Placentarformen, je nachdem nur ein lockerer, leicht lös- 
barer, oder ein festerer Zusammenhang zwischen den kindlichen und 
mtltterlichen Bestandteilen besteht, in Halb- und Vollplacenten ein- 
zuteilen (Semiplacenta und Tlacenta vera). Bei der Semiplacenta 
werden „inter oder post partum mütterliche Gefäfse nicht erötinet 
oder ausgeschaltet"; bei der Placenta vera dagegen treten infolge 
der innigeren Durchwachsung und der dadurch herbeigeführten Ver- 
änderung der embryonalen und mütterlichen Gewebe Gefilfszerreifsungen 
und Blutungen während der Geburt ein, und erfährt die Schleimhaut 
der Gebärmutter teilweise Zerstörungen. 

Bei den Säugetieren mit einer Decidua und einer VoUplacenta 
haben wir an dieser wieder zwei Untertypen zu unterscheiden, 
einen ringförmigen und einen scheibenförmigen Typus 
oder eine Placenta zouaria und eine Placenta discoidea. 




Fig. 153. Chorionsack einer Füchsin mit Placenta zonaria von aufaen. 
Nat. Gri>fse. Nach Strahl. 

Die Placenta zonaria findet sich bei den Raubtieren. Die 
Eiblase besitzt hier gewöhnlich eine tonnenförmige Gestalt (Fig. 153). 
Mit Ausnahme der beiden Pole , die eine glatte Obertläche Ix'halten. 
ist das Chorion in einer gürtelförmigen Zone mit zahlreichen ver- 
ästelten Zotten bedeckt. Dadurch , dals sie sich in die verdickte 
Schleimhaut der Gebärmutter in verschiedenen Richtungen hineinsenken, 
entsteht auf Durchschnitten das Bild einer unre gelmä l'sigen 
D u r c h f 1 e c h t u n g. 

Die Epithelzellen des Uterus werden, wo sie an die Zotten an- 
grenzen, verändert und zu einem kernreichen Syncytium um- 
gewandelt, welches eine Grenze zwischen den Zotten und den 
mütterlichen Blutgefäfsen bildet, die sich zu Hohl- 
räumen drei- bis viermal so weit als die fötalen Ka- 
pillaren ausgedehnt haben. Die Ausweitung der mütterlichen 
Blutbahn ist für die Placentabildung l)ei den Deciduaten im Gegensatz 
zu derjenigen der Indeciduaten bedeutungsvoll. 

Die zweite Form, die scheibenförmige Placenta. ist den 
Nagetieren, <leu lu.sectivoren, den Fledermäusen und HalbatTen, den 
Affen und dem Menschen eigentümlich. Hier ist der zur Placenta- 



150 



Achtes Kapitel. 



bildung verwandte Teil der ChoriuuuberHäche kleiu; zum Ausgleich 
hierftkr aber sind die Zottenbäume am krftftigsten entwickelt; die 
Verbindung zwisehen Placenta uterina und Placenta foetalis ist die 
innigste; die mütterlichen Bluträume sind, beim Affen und beim 
Menschen wenigstens, so kolossal wie sonst nirgends ausgeweitet, so 
dafo dieChorionzotten in siedirekt kineingeBenktza sein und unmittelbar 
von mütterlichem Blut umspült zu werden scheinen. 

Da wir uns gleich mit der menschlichen Placenta. welche diesem 
Typus angehört, ausfulu lieber beschäftigen werden, mOgen einstweilen 
die wenigen Bemerkungen genügen. 

Ich schliefse den Abschnitt mit einem Hinweis auf die hohe 
systematische Bedcutunf? der embryonalen Anhanffsorpane, deren Ver- 
schiedenheiten MiLNE-EnwAHDä, Owen und Uuxley zu einer Einteilung 
der Wirbeltiere benutzt haben, wie sie in § 6 des Repetitorium zu 
Kapitel VIII aufgestellt sind. 

2. Die menschlichen Eihflllen. 

Die Erforschung der ersten Entwicklungsstadien des Menschen, 
die sich in den vier Anfangswocheu der Schwangerschaft vollziehen, 
ist mit aufiMrordentlichen Schwierigkeiten verbunden. Nur sehr aus- 
nahmsweise gelangt der Embryologe in den Besitz junger menschlicher 
Eier, sei es. dafs sie l)ei einer Sektion oder Operation in der Gebär- 
mutter gefunden wurden, oder dafs sie als Fehlgeburten in die Hände 
eines Arztes gerieten. In letzterem Falle sind die Eier oftmals schon 
lAngere Zeit abgestorben gewesen und infolgedessen in Zersetzung 
begriffen. Endlich verlangt die gute Konservierung und genaue Unter- 
suchung der kleineu und zarten Objekte einen nicht geringen Grad 

von Geschieklieh» 
keit. So erklärt es 
sich, dafs wir über 
den Befruchtungs- 
und FnrchungsprO" 
zefs . die Keim- 
blfttterbildnng. die 
erste Anlage der 
Körperform , der 
Eihttllen und einer 
grofsen Anzahl von 
Organen nur we- 
nige, den Mensehen 
betreffende Be- 
obachtungen bf sit- 
zen. Hier sind wir 
auf SehlQsse ange* 
wiesen, die sich aus 
der Entwicklung 
anderer Säugetiere 
ergeben. So neh- 
men wir an, dafii 
dit' Bofruchtung 
normalerweise in 
dem erweiterten 
Anfangsteil der Ei- 




Fig. 154. Uterus ftravidus des Mensohen, auf 
Aoht Tage OravidltStsBelt gesohatst. Von vorn 
eröffnet. Na<h Lkopuik. 

Die Stelle, an welcher die Ftucbtblase sit/.t, ist als 
kleines, rundes Feld kenntlich. 



Digitized by Google 



Die Eiht'iUen der Säugetiere und des Menschen. 



151 



leiter stattfindet, dafs hier Sameofäden, die sich vielleicht tage- und 
wochenlang in den weiblichen Geschlechtsorganen lebend erhalten, 
das aus dem Eierstock austretende Ei erwarten , dafs letzteres be- 
reits gefurcht in die Höhle der Gebärmutter eintritt, sich in der 
Schleimhaut festsetzt und in den ersten Wochen der Schwangerschaft 
Keimblätter, die äufsere Körperform und die Eihüllen nach den ftlr 
die Säugetiere bekannten Regeln bildet. 

Einige Anhaltspunkte gewinnen wir erst vom Ende der zweiten 
Woche an. In der Literatur findet sich eine von Jahr zu Jahr sich 
mehrende Anzahl von Keimblasen beschrieben, die meist von Fehl- 
geburten herrühren, 5— (> mm im Durchmesser haben und deren Alter 
man auf 10 — 15 Tage geschätzt hat. Auf sie gestützt, können wir 
zwei Tatsachen als sicherstehend betrachten. 

Erstens. Am Ende der zweiten Woche liegt \die Keimblase 
nicht mehr frei in der Höhle der Gebärmutter, sondern ist in eine 




Fig. 155. Schwangerer Uterus einer Mehrgebärenden, welche sich 
am 40. Tage der Schwangerschaft getötet hat. Nach Costk. Durch Kr- 
öiTnung der vorderen Wand ist die Fruchtkapsel freigelegt. Das zur Kntwicklung 

Selangte Ei entstammt einem GiuAPschen Bliiscbcn des linken Eierstocks. Denn 
ieser ist infolge der Entwicklung eines wahren gelben Körpers (Corpus luteum 
verum) im Vergleich zum rechten Eierstock stark vergröfsert. 

besondere, durch Wucherung der Schleimhaut entstandene Kapsel 
eingeschlossen. Über ihre Entstehung haben im Laufe der letzten 
Jahre sich die Ansichten wesentlich geändert. Früher nahm man 
allgemein an, dafs das Ei bei seinem Eintritt in die Gebärmutter sich 
in eine Vertiefung der gewulsteten und in der Umbildung zur Decidua 
begriffenen Schleimhaut einbettet, dafs die Räuder der Grube hierauf 
um die Keimblase rings herum wachsen und untereinander zu einer 
geschlossenen Fruchtkai)sel verschmelzen. Als Ort der Verschmelzung 
deutete man eine der Anheftung gegenüberliegende Stelle , die als 
Narbe bezeichnet worden ist und der Gefilise entbehrt, während solche 
ebenso wie die Uterindrüsen im übrigen Teil der herumgewucherten 
Schleimhaut vorkommen. 

Zu einem anderen Ergebnis haben die neueren Untersuchungen 
von Peters geführt, welcher Gelegenheit hatte, ein nur wenige Tage 



152 



Achtes Kapitel. 



altes menschliches Ei in dem gut konservierten Uterus einer Selhst- 
niörderin hald nach dem Tode zu heobachten. Nach seiner Ansicht 
zerstört das Ei an der Stelle, wo es der Uterusschleinihaut anliegt, 
ihr Epithel und dringt dadurch in das unterliegende Bindegewebe 
etwas hinein. Dabei soll sich der an der Einbettungsstelle l)efindliche 
Rand der Schleimhaut, welcher nach der Gebänuutterhöhle zu noch 
von Epithel überzogen ist, sich verdicken und über das Ei herüber- 
schieben. Somit ist Peters im grofsen und ganzen zu derselben Auf- 
fassung wie Graf Spee durch seine sorgfältige Untersuchung der 
Implantation des Eies vom Meerschweinchen gelangt. Nach Graf 
Spee geschieht die Einbettung in der Weise, „dals das Epithel zwischen 
Ei und Biudegcwel)€ des Uterus vergeht, und dafs das Ei in das 
subepitheliale Bindegewebe hineingelangt," also in eine Bindegewebs- 
höhle zu liegen kommt. 




Fig. 156. Das in Fig. 156 abgebildete Präparat nach ErSffliung der 
Fruchtkapsel. Nach Costk. Man sieht jetzt den eingeschlossenen Enihr}'o mit 
seinen Ilülicn, von welchen das Chorion durch einen Kreuzschnitt geöffnet und 
in vier Zipfeln zur Seite geschlagen ist. Der linke Eierstock mit seinem gelben 
Körper ist durch einen Liingsschnitt halbiert und in seine beiden Hälften uu>- 
cinandergeklappt worden. Man sieht den Hohlraum des GsAArschen Bläschens 
durch Wucherungen seiner Wand wieder ausgefüllt. 

Eine gute Vorstellung von dem Aussehen der Fruchtkapsel auf 
einem etwas weiter vorgerückten Stadium gibt uns eine lehrreiche 
Abbildung des französischen Embryologen Coste (Fig. 155). Sie zeigt 
uns den von vorn her weit geöflneteu Uterus einer .Mehrgebärenden, 
welche etwa am 40. Tage ihrer Schwangerschaft Selbstmord begangen 
hatte. An seiner hinteren Wand und in der Gegend des Fundus springt 
ein starker Höcker hervor, die Fruchtkapsel . auf deren einer Seite 
die Eiiiniüiidungsstelle des linken Eileiters in die (iebärmutterböhle 
zu sehen ist. Die Schleimhaut der Gebärmutter ist reichlich von 
weiten Blutgefäfsen durchzogen , welche sich auf die Fruchtkapsel 
fortsetzen und nur an ihrer vorderen Wand einen kleinen Bezirk frei- 
lassen, welcher der oben erwähnten Narbe entspricht. In der Kap.sel 



Die £iliaiieii der Sftugetiere und des Menscheo. 



153 



liegt der 40 Tage alte Embryo mit seinen Hollen lose eingeschlossen, 
wie Fig. 150 lehrt, welche nach demselben Präparat gezeichnet ist, 
nachden) durch eineu zirkulären Schnitt die vonlere Wand geöffnet und 
<ler so gebildete Lappen nach dem Cervicalkanal zurückgeschlagen war. 

Wahrend bei den Säugetieren nur der Teil der Gebftrmutter- 
«chleinihaut, \s elcher zur PlaeentebildnDg beiträgt, abgestofsen wird, 
findet beim Mt nsclien eine viel ausjrebreitetere Abstofsiinjj der ober- 
flächlichf^ten Schicht, uünilich an der ganzen Innenfläche der Uterus- 
böble statt. Mau bezeichnet audi hier dea sich ablösenden Teil als 
hinfällige Haut oder Decidua und nnterseheidet an ihr drei Be- 
zirke (Fig. 157), den um die EiblaFe herumgeschlagenen Teil als 
Decidua reflexa (rfr), den Teil, welcher den Grund dor Grube 
bildet, in der sich das Ei festgesetzt hat, als Decidua bcrotina 
und den fibrigen Teil als Decidua vera (du). In der 
D. reflexa lernen wir eine Bildung kennen, welche in dieser voll- 
ständigen Weise nur dem Menschen und den Affen zukommt, 
während Autuügeeiner 
solchen sieh auch in 
anderen Abteilungen, 
wie z. B. bei den 
Carnivoren, finden. Da 
die Fruchtkapsel an- 
fangs die Höhle der 
Gebärmutter nicht 
vollständig ausfüllt, 
bleibt zwischen der 
D. refle? u un 1 D. vera 
ein mit Schleim er* 
füUter Raum ttbhg. 

Ein zweites und 
in mancher Hinsicht 
auffälliges Ergebnis 
ist, dafs schon bei 
sehr jungen und klei- 
nen Keimblaseu, wie 

n]\p fiiTifie in Über- schwangere men»chliche Qebarmutter mit darin 
emstiiiiuiender Weise li«geiidaia Embryo. Nach Lokokt (aus Balkour). 
lehren, ein wohl- ol Allantoisstiel, ii& Nabelbläschen, am Amnion, 

entwickeltes und '''' f'^^rion, th Dtiidua scrntina, <Iu Decidua vera, 
rottenrPipboR '^r Decidua reHexa, / Eileiter, c Cervix uteri, u Uteni», 
zoTTenreicnts ^ PUcont« foetalii, ^ Zotten des Charion 

Chorion angeietrt ist. Ueve. 
Die fast über (iie ganze 

Oberfläche des Eies verbreiteten 'Zotten erreichen eine Länge von 

1 mm und stellen teils einfach cylindri rlie Erhebungen dar, teils 
sind sie schon mit seitlichen Ästen besetzt. Mit der Decidua sind 
sie an keiner Stelle Verwachaungen eingegangen. Wie das Chorion 
selbet, bestehen sie aus swei Schichten, aus einer oberflächlichen, von 
der serösen Hülle abstammenden Epithellage, und ma einer Schii ht 
von embryonalem Gallertgewebe, welches sich in die Aclisc der Zotten 
hinein erstreckt und schon hie und da auch Blutgetalse zu fuhren scheint. 

Leider haben wir durch Untersuchung dieser jüngsten aller mensch- 
li« hen Keimblasen über die im Innern des Chorion gelegenen Gebilde, 
aber die abrigen Eihäute und die Embryonalanlage selbst nichts oder 




Fig. 157. Sohematischer Schnitt durch die 



Digitized by google 



154 



Achtes KapiteL 



nur wenig erffthren. Denn ihr Inhalt ist meist pathologisch verftndert 
oder zernillpn und zur Untersuchung ungeeignet. Erst von etwas 
älteren Keimblasen haben wir auch hierüber genaueren Aufschiui's 
erhalten. Zu unserer Darstellung im Lehrbuch wollen wir den von 
C08IB nach Tortrefflichen Abbüdnngen l)e8chriebenen berOhmt ge- 
wordenen menschlichen Embryo von 15—18 Tagen wflhlen (Fig. 158). 
obwohl seitdem noch etwas jüngere, gut erhaltene Embryonen, wie 
2. B. der von Graf Spek beschriebene (vergl. Fig. 120), aufgefunden und 
genau untersucht worden sind. 

In Fig. l'S ist (Ut Embryo mit seinen EihtUlen aus der Frucht- 
kapsel nach tSpaltuug der Decidua retlexa ganz herausgenommen. Die 
HUiHorste, an die D. reflexa angrenzende, aber mit ihr zu dieser Zeit 
nur lose verbundene totale Eihaut, das Chorion, ist durch einen Kreuz- 
schnitt geöffnet . und 
seine vier Lappen ^ind 
nach allen Seiten weit 
auseinandergeschlagen. 
Seine Aufsenfläche ist 
Uberall mit kleinen, 
dicht gedrängt neben- 
einanderstehenden 
Zöttchen bedeckt, wel- 
che schon nielirfach 
Seiteuilstcheu gebildet 
haben. 

Das Chorion um- 
schliel'st zu dieser Zeit 
noch einen relativ an- 
sehnlichen Hohlraum, 
das Keimblasencoelom 
(siehe S. 1:^2, 145), wel- 
ches vom Embryo mit 
seinem Amnion und 
Dottersack nur zum 
Teil ausgefüllt wird. 

Fig. 1.5«. Menschlicher jBmbsyD ron 1» bis Besonders zu beachten 
18 Tagen in seinen Hüllen. CoiTS. Die aber 18t an unserem 

äur^i i i ihiiie. das (Jhorion, ist geöffnet and aus» Präparat eine eigentüm- 
cinandci geschlagen. üche Verhindunp. wel- 

che bei menschhcheu 

Embryonen zwischen ihrem hinteren Ende und dem Ghorion durch 
einen kurzen, dicken Strang, den Bauchstiel (His), in gana 

charakterist isclicr Weise Ii eierest eilt wird. 

Eine stärkere \ ergiul^erung des Kuibryo mit seinem Bauchstiel, 
der am Ansatz am Chorion abg;etrennt ist, gibt Fig. 159. Das Nerven- 
rohr ist geschlossen; der Leib ist deutlich segmentiert (t*s); der Kopf 
lilfst die Visceralhögen (rh) erkennen ; hinter ihnen liegt in der Hals- 
gegend das Herz als ein <S'-fÖrmig gewundener Schlauch; die Darm- 
anlage ist zum allergrölsten Teil noch nicht zum Rohr geschlossen, 
sondern hängt noch in weiter Ausdehnung mit dem grofsen Dottersack 
{(Js) zusammen, in dessen Wand sich mehrere Vasa omphalo-mesenterica 
ausbreiten. 

Was endlich den Bauch stiel {bst) betrifft, so nimmt er ein 




Digitized by Google 



Die Eihullen der Säugetiere und des Menschen. 



155 



am' 
bst 

Sch 

UM 

'Ig 

da 





rb 
h 

am 



wenig vor dem Schwanzende (sch) von der Bauchseite seinen Ursprung, 
Er besteht einmal aus einem Strang von Gallertgewebe, welches von 
der Beckendarmhöhle ausgeht, zweitens aus einem kleinen Epithel- 
kanal, der durch Ausstülpung des Darmdrüsenblattes entstanden ist 
und der allerdings viel gröl'seren, blasenförmigen Allantois der Säuge- 
tiere entspricht, sowie drittens aus den AllantoisgeHlfsen , die vom 
Embryo zum Chorion ihren Weg nehmen und sich an ihm mit vielen 
Ästchen ausbreiten. Endlich setzt sich auf den Bauchstiel auch noch 
das Amnion fort, welches sich nach hinten in einen feinen Zipfel {am ') 
verlängert und so unmittelbar bis an die Innenfläche des Chorion 
heranreicht. 

Der Bauch st iel ist eine für den menschlichen Embryo eigen- 
tümliche Bildung, deren Entstehung, wie der CosTEsche Embryo zu 
lehren scheint, in erster Reihe mit einer etwas abweichen- 
den Bildung des 
Amnion zusam- 
menhängt. Aus dem 
Umstand, dafs es nach 
hinten zipfelförmig 
(Fig. 159 rtm*) ausge- 
zogen ist und mit der 
Spitze bis an das Cho- 
rion heranreicht, geht 
hervor, dafs sein Ver- 
schlufs beim mensch- 
lichen Embryo ganz 
am hinteren Ende des 
Körpers stattfindet 
und dafs dabei gleich- 
zeitig an der Ver- 
schlufsstelle sich eine 
Verbindung mit dem 
Chorion dauernd er- 
hält. 

In zweiter Reihe 
beteiligt sich an der 
Bildung des Bauch- 
stiels die Allantois, 
deren etwas abwei- 
chende Entwicklung 
beim Menschen viel- 
leicht mit der eben 
erwähnten Eigentüm- 
lichkeit in der Bildung 

des Amnion zusammenhängt. Während bei den Säugetieren die 
Allantois (Fig. 147 «/) eine grofse, gestielte Blase darstellt , die aus 
dem Bauchnabel hervorwuchert, bis sie sich an die seröse Hülle (sz) 
anlegt und ihr nebst Bindegewebe die Nabelgefälse zuführt, kommt 
es beim Menschen zu keinerZeit zur Entwicklung einer 
frei aus der Leibes höhle heraushängenden Allantois- 
blase; sie ist von Anfang au und später ein unscheinbares Gebilde» 
das in den Baucbstiel eingeschlossen ist. Denn der letztere besteht, 
wie Querdurchschnitte lehren: 1) aus der zipfelförmigen Verlängerung 



Fig. 159. Menschlicher Embryo der Fig. 168 
von 16—18 Tagen, mit Dottersaok, Amnion und 
Baucbstiel, vom Chorion abgetri-nnt und etwas 
stäriier vergrofsert. Nach C'ostk, au« Hi8 (Mensch- 
liche Kinhiyonen). 

His hat das untere K<)n)erendo gegen das Original 
etwas gedreht, um das in Costkb Fig. 4 von links her 
dargestellte Korperende zur Anschauung zu bringen. 
Das Chorion iHt abgetrennt bei am', am Amnion, 
am' die in einen Zipfel verlängerte An.xatzstelle des 
Amnion an das Chorion. bst Baurhstiel, Seh Schwanz- 
ende, US l'rsegmente, d/j Dottergefäfse. ds Dottersack. 
h Herz, rb Visceralbogen. 



156 



Achtes Kapitel 



des Amnion , 2) unterhalb derselben aus reichlich entwickeltem, 
embryonalem Bindegewebe, 3) aus der Allsntoisanlage, die nur einen 
sehr enjjpn . von Kpitli«^! uusj^ekleidcten Gang darstellt . 4) aus den 
Nabelgetäfsen , von welchen die Arterien dem AUantoisgang dicJlt 
anliegen, während die Venen näher dem Aniuiou verlaufen. 

Die Frage, wie diese Teile entstanden Bind, können wir im Hin- 
blick auf die bei anderen Sau^'etieren bekannt gewordenen Verhält- 
nisse wohl dahin beantworten; Sehr frühzeitig, wenn der Enddann 
sich eben anzulegen beginnt, entsteht an seiner ventralen Seite als 
Anlage der Allantois ein sellenreicher Hi>drer, der nur eine kleine 
Ausstülpung des DarmdrUsenblattes einschliefst. Der Allantoishöcker 
wächst aber nicht frei, wie bei den ftbrigen Säugetieren (Fig. 1 17 nl), 
in die Leibeshöhle hinein, sondern wuchert an der ventralen Bauch- 
wand und von ihrer Umschlagsstelle in das Amnion an der ventralen 
Wand des letzteren (Fig. 159 am^) bis zur Anheftungsstelle am Chorion 
hin. Die Au^'^tnlpung des Darmdrüsenblattes verlriTiirert sich hierbei 
zum engen AUantoisgang; eine mächtige iiiudegewe 1)8 Wucherung führt 
die Mabelge!&fi»e mit sieh zum Chorion heran, brdtet sieb dann in der 
bekannten Weise an seiner lunenilftebe aus und dringt in die Zotten 
der serOsen Hülle hinein. 

Es benutzt also die Allantois bei ihrer Entwicklung, anstatt frei 
an die seröse Holle heranzuwachsen, die schon vorhandene VerUndung, 
welche zwischen ihr und dem Embryo durch das zipfelfOrraig ver- 
längerte Amnion {ain'^) hergestellt wird. Dieser Entwicklungsmodus 
aber läfst sich vielleicht daraus herleilen, dafs das hintere Ende des 
Embryo beim Menschen, wie die Fig. 158 und 159 zeigen, durch die 
Nahtstelle des Amnion dicht an der serösen Hülle fixiert ist, wodurch 
die Allantois bis zu dieser nur eine kurze Strecke zu wuchern hat. 

Während die ersten Anfänge der menschlichen Entwicklung viel- 
fach noch iu Dunkel gehüllt sind, besitzen wir befriedigendere Ein- 
blicke in die Veränderungen, welche die embryonalen Hüllbildungen 
beim Menschen von der dritten Woche an erleiden. Wir betracliten 
der Reilie nach: 1) das Chorion, 2) das Amnion, ;V) den Dottersack, 
alsdaua 4) die von der Schleimhaut der Gebärmutter gelieferten 
Deciduae, endlich 5) den Mutterkuchen und 6) die Nabelschnur. 

1. Bas Chorion ist in den ersten Wochen der Schwsui gerschaft 
fast auf seiner ganzen Oberfläche mit Zotten bedeckt (Fig. i4i>*cAi', 
S. 143 und Fig. 158) und mit Endftsten der Nabelgefäfse versehen. 
Nachdem sein Wachstum eine Zeitlang gleichmäfsig fortgeschritten 
ist, beginnen vom Anfang des dritten Monats an sich T^uterschietlc 
auszubilden zwischen dem Teil, welcher der Uteruswaud. die zur 
Decidua serotina wird, direkt anliegt, und zwischen dem flbrigen 
gröfseren Toll , welcher von der Decidua retlcxa umwachsen worden 
ist (Fig. 1">7) Während an diesem die Zotten (z) in ihrem W'achs- 
tum einen Stillstand erfahren, nehmen sie an jenem aufserordentlich 
an GröHse zu und gestalten sich 2U langen und an ihrer Basis dicken, 
haumartig verzweigten Gebilden (z), die weit Ober die Oberfläche der 
sie tragenden Mcmliran, zu Büseb»'lu vereint, hervoi-springen nnd in 
Gruben der mütterlichen Schleimhaut (ds) hineinwachsen. Man unter- 
scheidet daher diesen Teil, mit dem wir uns bei Untersuchung der 
reifen Placenta noch genauer beschäftigen wi idon. als Chorion 
frondosum von dem übrigen Abschnitt, dem Chorion laeve 




Digitized by Googl 



Die Eihiitlen der äftugeticre und des Menschen. 



157 



oder dem glatten Chorion. Der Ausdruck „^liUtes Chorion" ist. 
streng genommen, nicht p;anz zutreflfend. Von den iiiifan^s lil i r ill 
entwickelten Zöttchen bleiben auch später einige auf dem Clionou . 
laeve erhalten, namentlich in der Umgebung des Mutterkuchens. Sie 
wuchern in die Decidua retlexA hinein, eine feste Verbindung mit ihr 
bewerkstelligend (Fig. l.">7). 

Gleichzeitig hat sich noch ein zweiter (iegensatz zwischen Chorion 
frondosum und Chorion laeve ausgchildct. Im Bereich des ietztereu 
beginnen die von den Arteriae umbilicales abstammenden Blutgefilfse 
mehr und mehr zu verkümmern, während ersteres immer reicher mit 
Blut ^'efä Isen versorgt wird und schlielslich allein die Endausbreitung 
der Arteriae umbilicales trägt. So wird der eine Abschnitt gefäfs- 
leer, der andere aulterordentlieh g«f&ft»reieh und Ernährungsorgan 
des Embryo. 

In histologischer Hinsicht besteht das Chorion laeve, das bei 
Betrachtung von der Fläche dünn und durchscheinend ist, 1) aus 
einer Membran von Gallertgewebe, das sich spftter in fötales Binde« 
geweite umwandelt, und 2) aus einer Epitheldeeke , welche mit der 
ursprünglichen serösen Halle identisch ist. 

2* Das Amnion (am) liegt gleich nach seiner Entstehung der 
Oberfläche des Embryo (Fi-!;. loS, ir.f>) dicht auf; der von ihm ge- 
bildete Sack dehnt sich aber bald, indem sich Liquor amnii in seiner 
Höhle ansainmeit (Fig. 149*^), in weit stärkerem Mal'se aus als bei 
anderen Säugetieren und fflllt schlierslich die ganze Ei- 
blase aus, sich Oberall der Innenwand des Chorion (ch) 
dicht anschmiegend (Fig. 1 07). Seine Wand ist ziemlich fltinu 
und durchscheinend und besteht wieder, wie das Chorion, aus einer 
Epithel- und einer Bindegewebsschicht. Bas Epithel, aus dem äufteren 
Keimblatt hervorgegangen, kleidet die Amnionhöhle von innen aus 
und geht am Hautnabel in die Epidermis des Kiithrvo nlier: an der 
Übergangsstelle ist es geschichtet, sonst eine einfache Lage von 
PMasterzellen. Die Bindegewebsschicht ist dOnn und hängt am Nabel 
mit der Lederhaut zusammen. 

Das Amnion- oder Fruchtwasser ist shwach alkalisch und 
enthält etwa 1 feste Bestandteile, unter weklien Eiweifs, Harn- 
stoflF und Traubenzucker gefunden werden. Seine Menge ist im^ 
sechsten Monat der Schwangerschaft am bedeutendsten und beträgt 
oft nicht wenijrer als 1 kfi. liierauf nimmt es bis zur Geburt 
etwa um die Hälfte in demselhcn Mal'se ab, als der Embryo durch 
ein stärkeres Wachstum mehr Kaum für sich beansprucht. Unter 
abnormen Verhältnissen kann die Ausscheidung des Fruchtwassers 
eine noch bedeutendere werden und zu einer Art Wassersucht des 
Amnion oder zum Hydramnion fuhren. 

S. Der Dotteraack (das Nabelblä sehen. Vestcula umbilicalis) 

schlägt beim Mensrhen eine entj^e^rengesetzte Kntwicklunfzsriehtunq; 
als das Amnion ein; während die^(^^ sieh innner mehr vergrölsert,, 
schrumpft er zu einem der Beobachluu^ sich ieictit entziehenden Ge- 
bilde zusammen. Bei den menschlichen Früchten der zweiten und 
dritten Woche (Fig. 158, 159) füllt er (ds) die Keimblase etwas mehr 
als zur Ilillfte aus und ist von dem noch als Kinne vorhandenen Darm 
nicht abgegrenzt. An etwas älteren Embryonen (Fig. 1(30) ist er ein 



Digitized by Google 



158 



Achtes Kapitel. 



ziemlich ansehnliches, ovales Blilschen, das durch einen kurzen, dicken 
Stiel oder Dottergang mit der Mitte der jetzt zum Rohr umge- 
wandelten Darmanlage verbunden ist. Durch die Vasa omphalo- 
mesenterica wird er mit Blut versorgt. In der sechsten Woche 
(Fig. 15(3) ist der Dottergang oder Ductus omphaloentericus zu einem 
langen, dünnen Rohr ausgewachsen, welches früher oder später seinen 
Hohlraum verliert und sich zu einem soliden Epithelstrang umgestaltet. 
Ihm sitzt das kleine Nabelbläschen , welches von jetzt ab, zumal im 
Vergleich zu dem stark wachsenden Embryo, immer unscheinbarer 
wird, als eiförmiges Gebilde an (Fig. 157 nh). Da jetzt das Amnion 
infolge stärkerer Ansammlung von Flüssigkeit die ganze Keimblase 
ausfüllt (Fig. 157), hat es den Dottergang und den Allantoisstrang (al) 
gemeinsam eingehüllt und gleichsam mit einer Scheide (Amnion- 
scheide) umgeben. Das so entstandene Gebilde, der Nabelstrang, 
Funiculus umbilicalis, stellt jetzt die einzige Verbindung dar zwischen 



Fig. 160. Menachlicher Embryo aus der vierten Woche. Geschenk 
des Herrn Prof. Vkit. 

dem in der Amnionflüssigkeit frei schwimmenden Embryo und der 
Wand der Keimblase. Seine Anheftung an letzterer fällt stets zu- 
sammen mit der Stelle, an welcher sich der Mutterkuchen entwickelt. 

Das Nabelbläschen ist durch die Vergröfserung des Amnion ganz 
an die Oberfläche der Keimblase gedrängt, wo es zwischen Amnion {am) 
und Choriou (ch) in einiger Entfernung von der Ansatzstelle des 
Nabelstranges eingeschlossen ist. Hier erhält es sich bis zur Zeit 
der Geburt, wenn auch in einem ganz rudimentären Zustand und ist 
nur bei sorgsamer Untersuchung gewöhnlich mehrere Centimeter vom 
Rande der IMacenta entfernt aufzufinden. Im längsten Durchmesser 
mifst es nur 8—10 mm. 

4. Die Deciduae oder hinfälligen Eihäute nehmen ihre 
Entstehung aus der Schleimhaut der Gebärmutter, die 
ihre Struktur während der Schwangerschaft in einem sehr hohen 
(trade verändert. 

Die normale, unveränderte Schleimhaut stellt eine etwa 1 mm 
dicke, weiche Schicht dar, welche der Muskulatur (M) der Gebär- 





, Google 



Die EihUllen der Säugetiere und des Menschen. 



159 



Vera nimmt mit dem Beginn der 
an Dicke zu, bis sie 1 cm und 



Ght 



mutter, da hier eine Subniucosa fehlt, unmittelbar und un ver- 
schiebbar aufsitzt (Fig. 161). Sie wird von zahlreichen tubulösen 
Uterindrüsen (Glandulae utriculares, GLu) durchsetzt, die mit 
kleinen ÖlTnungen an der OberHilche beginnen und dicht beieinander 
in geschlängeltem Verlaufe bis zur Muskulatur (3/) gerade herabziehen, 
um daselbst häufig dichotom geteilt zu enden. Schleimhaut und 
Drtisen werden von flimmernden Cylinderzellen ausgekleidet. Das die 
Drüsen trennende Bindegewebe ist aufserordentlich reich an Zellen, 
die teils spindelförmig, teils rundlich sind. 

Vom Beginn der Schwangerschaft an erleidet die Schleimhaut 
sehr tief eingreifende Verilnderungen, die jedes einzelne Gewebe be- 
treffen und nach den Regionen, die schon früher als Decidua vera. 
D. reflexa und D. serotina unterschieden wurden, etwas verschieden 
ausfallen. 

In dem Bereich der Decidua 
Schwangerschaft die Schleimhaut 
darüber mifst, und zwar bis zu 
der Zeit, wo das wachsende Ei 
sich den Wandungen der Gebar- 
mutter vollständig anlegt , also 
ungefähr bis zum Ende des fünften 
Monats. Von da an beginnt ge- 
wissermafsen ein zweites Sta- 
dium, in welchem sie sich wie- 
der unter dem Druck der wach- 
senden Frucht verdünnt und 
schliefslich nur noch 1 -2 mm 
dick ist. Hierbei verändern sich 
sowohl die Drüsen als auch das 
Drüsenzwischengewebe. 

Im e r s t e n S t a d i u m v e r - 
gröfsern sich die Uterin- 
drüsen, die anfangs gleich- 
mäfsig dicke Röhren sind, und 
weiten sich namentlich in ihrer 
mittleren und unteren Partie aus 
(Fig. 1<>2); während sie nach ihrer 

Ausmündung zu geradgestreckt und mehr in die Länge gezogen sind, 
legen sie sich mehr nach abwärts in spirale Windungen , die mit 
Buchten und Aussackungen bedeckt werden. Auf einem Durchschnitt 
kann man daher jetzt zwei Schichten an der Decidua vera unter- 
scheiden: 1) eine äufsere, kompaktere und zellenreichere Schicht ( C), 
und 2) eine tiefere, ampulläre und spongiöse Schicht (-S)>). In der 
kompakten Schicht sieht man die Drüsen als geradgestreckte, parallel 
verlaufende Kanäle. Infolge einer stärkeren Wucherung des Zwisclien- 
gewebes sind sie weiter auseinandergerückt; an der Oberfläche l>e- 
ginnen sie mit erweiterten, trichterförmigen (i r ü b c Ii e n (tr), 
daher die Oberfläche einer von der Muskulatur abgezogenen Schleim- 
haut wie siebförroig durchbrochen aussieht. 

In der spongiöson Schicht (.S')<) stöfst man auf zahlreiche, 
übereinander gelagerte, uuregelmälsige , buchtige Hohlräume (<///), 
deren Weite bis zur Mitte der Schwangerschaft beständig zunimmt 
und die schliefslich nur noch durch dünne Sejiten und Balken des 



M 




Fig. 161. Querschnitt durch die 
Bohleimhaut der Qebärmutter. Nach 

KtTKDHAT und KMiKLMANN. 

(il.u Uterindrüsen, M Muskelschicht 
der (icltarmutter. 



100 



Achtes Kapitel. 




tr 



Sp 



.1/ 




Gruodgewebes getrennt sind. Daa 
Bild erklilrt sich aus dem Umstände, 
dafs die Drüsen sich in ihren mitt- 
leren Teilen stark geschlängelt und 
huchtig erweitert haben. Das 
fliuimerndeCylinderepithel 
von der Schleimhaut der Gebar- 
mutter schwindet nach und nach an 
der Oberfläche vollständig; auch in 
den Drüsen erleidet es tiefgreifende 
Veränderungen. In den ersten Mo- 
naten werden noch alle Hohlräume 
von ihm überzogen, was bei ihrer 
Vergröfserung eine lebhafte Zell- 
vermehrung voraussetzt. Dabei 
gehen die ursprünglich langen Cy- 
linderzellen teils in kleine, würfel- 
förmige, teils in breite, platte Ge- 
bilde über; eine Ausnahme machen 
die an die Muskelhaut angrenzen- 
den Drüsenabschnitte, in welchen 
die Zellen mehr oder minder bis 
zum Ende der Schwangerschaft ihre 
normale Gestalt bewahren und 
später zur Regeneration der Epitbel- 
decke der Uterusschleimhaut dienen. 
Im vierten und fünften Monat findet 
man noch alle Hohlräume bis zu 
den Drüsenraündungen von einem 
schmalen Saume würfliger bis 
platter Epithelzellen ausgekleidet. 

In» Zwischendrüsengewebe gehen 
gleichfalls im ersten Stadium leb- 
hafte Wucherungsprozesse, nament- 
lich in der oberen kompakten Schicht, 
vor sich. Es bilden sich in dieser 
30—40 n grofse, kugelige Gebilde» 
die von FriedlXnder Decidua- 
zellen genannt worden sind (Fig. 
108). Sie liegen an manchen Stellen 
so dicht beieinander, dafs sie in- 
folgedessen und wegen ihrer Form 
einem Epithel sehr ähnlich aus- 
sehen. In der spongiösen Schicht 
finden sie sich gleichfalls, werden 
aber in den Balken und Septen 
mehr längsgestreckt und spiudelig. 



Fig. 162. Querschnitt durch die Schleimhaut einer (Jebärmutter am 
Beginn der Sohwangersohaft. Xacli Klnukat und Enoelmank. 

r Kompakte Schicht. Sp spongiöse Schicht, 3/ Muskulatur der Gi'bar- 
mutter. tr trichterförmige Ausmlindung der Uterindriisen, e erweiterte Stelle, 
<lh durch Schlängelung und .\u.«ibuchtung der wuchernden Drüsen entstandene 
Ampulle. 



Die Eibftllen der Siugetiere nnd des Meuchen. 



161 



Im zweiten Stadium, in welchem dio Decidiia vera 
vom sechsten Monat ab erheblich dünner wird und 
durch den Druck der wachsenden Frucht von 1 em bis 
£tt 2 mm Durchmesser allmählich abnimmt, gehen in 

den einzelnen oben angeführten Teilen mancherlei 
Kückbilduugsprozesse vor sich. Die Drüseumündungen, 
welche die siebfftrmige Beschaffenheit der Innenfläche der Decidua 
bedingten, worden immer schwerer zu erkennen und verstreichen 
scliliefslich vollständig. Die innere kompakte Schicht niinnit 
eine gleichmäl'sige. dichte, lamellöse Beschailfenheit an, da durch den 
Druck die in ihr gelegenen Drüsenhohlräume vollständig zusammen- 
gepresst werden und dann unter Schwund ihres Epithels verlüthen. 
In der spnngiöson Schicht ideiben die Drüsenhohlräume erhalten, 
werden aber infolge des Druckes in Spalträume umgewandelt, die zur 
Wand der Gebärmutter parallel gestellt und durch Scheidewände ge- 
trennt sind, die im Verh&ltnis zu frühe- 
ren Monaten der Schwangerschaft sich 
noch sehr verschniächtigt haben. Die 
an die kompakte Schicht angrenzenden 
DrOseorftume haben ihr Epithel Ter- 
loren oder zeigen Zellentrüiiinier und 
eine von feinen Körnchen durchsetzte, 
schleimige Masse; nach der Muskulatur 
der Gebärmutter zu besitzen sie dagegen 
noch ein gut erhaltenes, kurz^lindrisches 
bis würfelförmiges Ejjithel. 

Die Decidua reflexa bietet 
in ihrem Bau groTse Überein- 
stimmung mit der Decidua vera 
dar. 

Mach Untersuchungen von Seduwick 
MwoT beginnt sie schon vom zweiten 
Monat an infolge einer hyalinen De- 
generation zu zerfallen. Der Zerfall ist 
im dritten Munat beträchtlich fortge- 
schritten und fQhrt im sechsten und sie- 
benten Monat zu einem vollstilndigen 
Schwund durch ]U'S(m ption. 

Der dritte Abschnitt der L'terusschleimhaut oder die Deciduu 
serotina «rfthrt mit ihren Drttsen in den ersten Monaten der 
Schwangerschaft Ibniiche Veränderungen wie die D. vera. Durch 
innige Vereinigung mit dem Chorion trondosum wandelt sie sicli zu 
einem Emährungsorgan für den Embryo, zu dem Mutterkuchen oder 
der Placenta, um. — 

In das Verhalten der FruchtMaM' zu der Wandung der Gebär- 
mutter gibt einen lehrreichen Einblick Fig. l'il. ein Durchschnitt 
«lurch die menschliche Gebilrniutter im fünften Monat der Schwanger- 
schaft nach Strahl. Die Figur zeigt, wie jetzt schon der Amnion- 
sack sich so stark ausgedehnt hat, dafs er das Keimblasencoelom 
ganz verdrüngt hat. überall dem Cliorion dicht anliegt und auch die 
schon länger gewordene Nnbclschnur einscheidet, wie ferner Chorion. 
Decidua retiexa und vera überall ohne trennenden Spalt aneinander- 
grenzen und so gewissermaßen eine Membran bilden, wie endlieh 

O« H«rtwir. Di* BlMiwnta d«r EBtwieklttJi(«l*hiw. 2. And. 11 




I'ig. 168. DooldaM«llni 
aus der Decidua vera des 
MesBOhen im s weiten Monat. 
Sehnittprikparat nach H. Stbabl. 



Oigitized 



162 



Achtes Kapitel. 



ein Abschnitt der Oebftrinuttersohleinihaut mit dem angrenzenden 
ChorioD zum IMaceiitarbezirk umgewandelt ist. 

5. Die Placeiita ist ein sehr blutgefälsreiches , sich schwammig 
oder teigig anfühlenjles. scheibeuförnnges (iebilde, das auf dem Höhe- 
punkt seiner Entwicklung 15—20 cm im Durchmesser mifst, 3—4 cm 
dick ist und etwas mehr als ')(>«) g wiegt. Ihre, dem Kmbryo zuge- 
kehrte Fläche ist konkav (Fig. 157) und, da sie einen Überzug vom 
Amnion (am) besitzt, vollkommen glatt; dagegen ist die der üterus- 
wand konvex aufsitzende Flftche nach ihrer Ablösung bei der Geburt 
uneben und wird durch tiefe Furchen in einzelne Lappen oder 
Kotyledonen zerlegt (Fig. 105). 




Fig. 164. Sa- 
gittalsohnitt 

durch einen 

Uterus gT&- 
vidus vom 
Menschen 

aus dem fünf- 
ten Monat. 
Verkleinert. 

Nach Strahl. 

P Placenta. 



Der normale Sitz der Placenta ist in der Mehrzahl der Falle am 
Grunde der (iebiirmutter (am Fundus uteri), wo sie bald mehr nach 
iler linken, bald mehr nach der rechten Seite zu entwickelt ist. In- 
folgedessen kann durch sie entweder die eine oder die andere Aus- 
imindung des Fileiters zuj;<'deckt uud verschlossen werden. (Vergl. 
Fig. 155.) In selteneren Fallen ist die IMacentu, anstatt am Grunde, 
weiter nach al)wärt> nach dem inneren Mutterniund zu mit der Wand 
der GebiUniutter verbunden. Fs rtihrt dies daher, da fs das befruchtete 
Fi, wenn es aus dem Eileiter in die (leharmutterhöhle gelangt, 
infolge al»ni>rmer Verhüll nisse weiter nach abwärts herabsinkt, anstatt 
sich ^ileich an der Schb'iniliaut festzusetzen. Zuweilen tindet die 
.\nheftung erst ganz unten in unmittelbarer Nähe des inneren Mutter- 
mundes statt, den sjiftter die IMacenta teilweise oder ganz verschliefst. 
Diese Anomalie ist als Placenta praevia (lateralis oder centralis) 




Digitized by Google 



Die EihUllen der Säugetiere und des Menschen. 



bekannt und stellt ein gefährliches Vorkommnis dar, weil der regel- 
rechte Verlauf der Geburt gestört wird. 

Bei der Untersuchung der feineren Struktur der Placenta, die auf 
gröfsere Schwierigkeiten stöfst, da sie ein sehr weiches und von zahl- 
reichen, weiten Blutrilunien durchsetztes Organ ist, gehen wir am 
besten von ihrer Zusammensetzung aus zwei Teilen aus, aus einem 
Teil (Placenta foetalis), der von Seiten des Embryo, und einem anderen 
Teil (PI. uterina), der von selten der Mutter geliefert wird. 

Die Placenta foetalis ist der mit verzweigten Zotten reich 
bedeckte Teil des Chorion (Chorion frondosum) (Fig. KJO Ch). Die 
Zotten {z) erheben sich, zu grölseren Büscheln oder Kotyledonen ver- 
eint, von der derben iMembraua cborii (m); sie besteben 1) aus 



Fig. 165. 
Ablösangs- 
fläohe einer 
reifen 
mensoh- 
liohen Pla- 
centa. Nach 
Sthahl. 
VergröCsert 
etwa Vt. 




gröfseren Hauptstftmmen (Z), die in gerader Richtung von der Mem- 
brana chorii ausgehen und sich mit ihren Enden (AM in die gegenüber- 
liegende Placenta uterina einsenken und fest verbinden, und 2) aus 
zahlreichen, unter rechtem oder spitzem Winkel nach allen Seiten 
entspringenden Nebenftsten (/*), die ihrerseits wieder mit feinen 
Zweigen bedeckt sind. Auch von diesen ist ein kleiner Teil (//-) mit 
seinen Entlen mit dem (iewehe der Placenta uterina verwachsen 
(Lanohäns), so dafs eine Trennung des kindlichen und des mütter- 
lichen Anteils nur durch gewaltsame Zerreilsung bewerkstelligt werden 
kann. Daher hat Köllikek in passender Weise die Verzweigungen 
der Chorionzotten in Haft wurzeln (/< h') und in freie Aus- 
läufer (/') untcrschiedtMi. 

Zu jedem Chorionbüumchen begii)t sich von den in der Membrana 
chorii verlaufenden Teilästen der Nabelarterie (Art. umbilicalis) ein 
Gefäfs, das sich, der Verzweigung des Bäumchens entsprechend, in 
feinere Äste auflöst; die aus diesen hervorgehenden Kapillarnetze 

11* 



Achtes Kapitel. 



sind ganz oberflächlich unter dem Zottenepithel gelegen. Aus ihnen 
sammelt sich das Blut in abführende GefiUse. die sich zu einem aus 
dem Chorionböumcheu wieder austretenden, einfachen Ilauptstamm 
verbinden. Somit ist das üefftfssystem der Placenta foetalis 
ein vollkommen abgeschlossenes. Eine direkte Vermischung 
von kindlichem und mütterlichem Blut kann in keiner Weise statt- 
finden; dagegen ist die Vorbedingung zu einem leichten Austausch 
flüssiger und gasförmiger Blutbestaudteile durch die ganz ober- 
flachliche Lage der dünnwandigen und sehr weiten Kapillaren gegeben. 

Über das Epithel der Membrana chorii und der Zot- 
ten stinunen alle neueren Beobachter darin überein. dafs man an 
ihm zwei Schichten mit Deutlichkeit unterscheiden kann (Fig. 107): 
1) eine der Zottengallerte und der bindegewebigen Membrana chorii 




Fip. 166. Sohematisoher Querschnitt durch die mensobliche Plaoenta 
aus der Mitte des fünften Monats. Nach Lkopuld. 

Auf die Muskulatur der (K-baniiutter (Mi folgt die spoiigiöse Schicht der 
l>ecidua serotina {xjA in welcher hei der üeburt die Abtrennung der l'lacenta an 
der mit zwei Strichen bezeichneten Trennungslinie vor sich geht; daran schlief>t 
sich die kompakte Schicht, welche ab l'lacenta uterina bei der Geburt abgestoßen 
wird. Sie besteht aus der liasalpintte (Winkleh) Bp, * Schlufsplatte, i inler- 
villösen blutr&umen, Id den zufahrenden Arterien, r dem Randsiuus. In die 
Placenta uterina ist die Placenta foetalis bineingewachben , bestehend aus der 
Mt-mbrnna chorii (>n) und den von ihr ausgehenden Zotten (Z), an denen man die 
llaftwurzeln [h\ h^) und die freien .\u.slaufer if) unterscheidet. Das Chorion ist 
nach innen nocli vom Amnion {A) überzogen. 

unmittelbar aufliegende Zellenschicht (Lanohans), in welcher sich ein- 
zelne Zellindividuen abgrenzen lassen, und welche wir kurzweg und 
ausschlielslich als das Chorion- und Zottenepithel (cht) be- 
zeichnen wollen, und 2) eine vielkernige, protoplasmatische Schicht 
(.<»/). In (lieser sind getrennte Zellen auf keine Weise zur Anschauung 
zu bringen. Es kann daher als das Cborion- und Zotten- 
syncytium (sy) vom Zottenepithel unterschieden werden. Es hat 
die Neigung, sich in Osmiumsilure und FMrbstofl"i'n intensiver als das 
Epithel zu färben. In ihm linden sich kleinere und stärker granulierte 
Kerne als im Epithel, ferner aber auch Vakuolen. In allen diesen 



Googl 



Die EOtOllen der SingetUre aad des Heatdieii. 



165 



,An den Zotten wird die Epithel- 



Eigenschaften fjleiclit Has Zottensyncytiuni aufsrronlontlich der viel- 
kernigen Protoplasmaschicht, in welche l>ei manchen Säugetieren sich 
das Epithel der Gebännutterschleiuibaut umwaudelt, weuD sich ihm 
die Keimblase anlagert und dabei das Chorion fest und dauernd mit 
ihm verlöthet (Sifjahl, Lpsebrink. Selenka etc.). Beide Kjiithelschichten 
setzen sich beim Menschen wie bei S&ugetieren ziemlich scharf gegen- 
einauilcr ab. 

Schon bei vier Wochen alten menschlichen Eiern ist der doppel* 
schichtige Überzug des Chorion und seiner Zotten deutlich vorhanden. 
In späteren Monaten erfillirt er henierkenswerte Veründerun^en, die 
iu den einzelnen Bezirken, an der Basalplatte des Choriou irondosum, 
am Chorion laeve und an den Zotten verschieden ausfallen. Was zu- 
erst die tiefere Schicht oder das Chorionepithel betriflFt, so ver- 
dickt es sich im Bereich der Basalplatte des Chorion frondosum zu 
einzelnen, uuregelmärsigen ilerdeu, während es dazwischen zu einer 
einfachen Zellenlage verdünnt ist. 
schiebt nach dem ersten Monat 
immer unansehnlicher und ist naeh 
dem vierten Monat nur uuch au 
wenigen isolierten Herden, den von 
Lancuans und Kastschknko sorg- 
filitiu besclirienenen Zellknoten, vor- 
handen'' (MiNUT). Am Choriou laeve 
endlieh bleibt es in ganzer Aus- 
dehnung und in einer Dicke von 
2 — 3 Zellenlagen erhalten. Die 
äuf^ere Schicht oder das C h o r i o u- 
syncytium steht in seiner Aus- 
breitung xum Epithel meist in einem 
Gegensatz. "NVo dieses am besten 
entwickelt ist. wird es rückgebildet, 
und umgekehrt. So fehlt im Bereich 
des Chorion laeve vom siebenten 
Monat an jede Spur von einem Syn- 
cytiuni. an den Zotten da^e^eii 
bildet es eiuen kontinuierlichen 
Überzug, in welchem sich hier und 
da besondere Verdickungen, die so- 
genannten Prolifeniti()iisni>eln, aus- 
bilden. An vielen Stelleu ist es einer merkwürdigen Metamorphose 
unterworfen; es wandelt sich in eine hyaline. eigentQmlich glänzende 
Substanz um, die von zahlreichen Spalten und LQcken durchsetzt wird 
und daher von Lanühans den Namen „kanalisiertes Fibrin* erhalten 
hat. :Seine Menge nimmt mit dem Alter der Placenta zu. 

Lagen kanalisierten Fibrins, dessen Entstehung übrigens von 
manchen Autoren auf einen Niederschlag von Fibrin aus der Blutbahn 
der infervillö^en Uilume zurückgeführt wird, timlen sich sowohl an der 
Obertlache der Zotten als auch au der Basalplatte des Chorion frondosum. 
Eine Vorstellung von der eigentfimlichen Bildung gibt die Fig. 168, 
welche der Entwicklungsgeschichte von Sedu. Mikot entnommen ist. — 

Der zweite Hauptbestandteil des Mutterkuciiens, die IMacenta 
uterina, entwickelt sich aus dem als Üecidua serotina unterschiedenen 
Teil der Uterusschleinihaut. Sie löst sich bei der Geburt, wie der ent- 




1 ig. 1()7. Querschnitt duroh 
eine Chorionaotte des in Fig. 100 
abgobildeten meii»ohlio2i«ii JBm- 

7 (Jnllrrtfrewebr. r/^r ('Iioridin'iiithpl. 
sy Syncytiuiu, s Zackclien an der Ober- 
fläche des Syncytinnit M Blutgeafo- 
kapillaren. 



Digitized by Google 



Achtes Kapitel. 



sprechende Teil der Decidua vera, von der Innenfläche der Gebärmutter 
iin der in Fi?. 1«)<> anjfegebeneu Trennungslinie ab, indem die dünnen 
Bindegewebssepten der unter ihr gelegenen, spongiösen Schicht ein- 
leifsen. Sie bildet alsdann eine dünne Membran von nur 0,5—1 mm 
Dicke, die Basalplatte Winki.kks (Fig. lOü BF), und stellt einen voll- 
ständigen i lierzug über <ler IMacenta foetalis her, welche durch sie 
unseren Blicken bei der Lösung der Eihäute entzogen wird. Am Bande 
geht sie unmittelbar in die Dec. vera und reflexa Ober. 

Ihre der Gebärmutter zugewandte Fläche wird durch tiefe 
Furchen (Fig. B»5) in einzelne Abteilungen zerlegt. Den Furchen ent- 




Kig. 16<S. Placentales Chorion von einem siebenmonatliohen Fötus. 
QuerKchnitt durch das Ektodcrm und den angrenzenden Teil des Stroma. Vergr. 
44-'>mal. Naih Skdu. Minot. 

mra Mesodermales Stroma, c Zellcnscbicht, fb Fibrinscbicbt, ep Reste des 
Epithels. 

Sprechend nehmen von der entgegengesetzten Fläche der Membran 
stärkere und schwächere bindegewebige Scheidewände, die Septa 
placentae (Fig. l^T, S. \'):\\, ihren Ihsprung und dringen zwischen 
die Chorionliäumchen (Fig. l.'>7 ^) iiinein; sie vereinigen innner eine 
kleine Anzahl derselben zu einem Büschel oder einem Kotyledon. 
Denken wir uns die Kotyledonen vollständig herausgelöst, so würde 
an der Placenta uterina eine ihnen entsprechende Anzahl von unregel- 
niälVigen Fächern entstehen. Dieselben sind noch durch feinere, von 
der .Membran und »len Sopten ausgehende Biudegewebswucherungen 



Google 



Die iahlillen der Sftagetiere und des Mentcheo. 



107 



in kl»MTiPT r und weniger tiefe Abteiluupen zerlegt. Die Septen reichen 
in der Mute der Placenta mit ihrem Kiinde nicht bis zum Ursprung 
der Zotteuhäumchen heran, wohl aber ist dies in einem schmalen, 
peripheren Besirtt der Fall, wo sie unmittelbar an die Membrana 
rhorii (Fig. in«! m) austofsen und sich unter ihr zu einer dünnen und 
fest anliegenden, von den Ursprtlngen der Zotten durchbohrten 
Membran verbinden, der Schlu Isplatte * (Winklkr), [Decidua 
plaeentalis Bubchoria1i8(K0LLiKBB), suhehorialer SeblufBringl Waudeter)]. 

Das bindegewebige Gertist der Placenta uterina besitzt im all- 
gemeinen die Eigen?rhaften der kompakten, zellenreichen Schicht der 
Decidua vera und retiexa, zeigt aber eine Verschiedenheit in dem 
Auftreten einer ganx besonderen Zellenform« der sogenannten 
Riesen Zellen. Es sind dies grofse, graugelb ersdieinende Proto- 
plasmaschollen mit 10 — 40 Kernen . die im ftlnften Monat sich zu 
entwickeln beginnen und in der Nachgeburt in grofsen Mengen ge- 
funden werden; teils liegen sie hier in der Basalplatte, teils in den 
Septen , gewöhnlich in unmittelbarer Nachbarschaft der grofseti Ge- 
fäfse; sie kommen aber auch vereinzelt in der sponpiösen Schicht 
der Decidua serotina und selbst zwischen den angrenzenden Muskel- 
bOndeln der Gebärmutter vor. 

Die gröfsten Schwierigkeiten bei der Untersuchung der Placenta 
uterina bereiten ihre Bliithahnen. Zahlreiche Arterienstämme (Fig. 
160 hl) treten durch die Muskelhaut der Gebärmutter hindurch und 
gelangen durch die spongiöse Schicht in die Basalplatte der Placenta 
uterina, wo sie ihre Muskelschicht verlieren und. nur noch von 
Endothel .-uisgekleidete, weite Röhren darstellen Au^ Hör T^asalplatte 
dringen sie. si)irale Windungen beschreibend, in die Septa placentae 
eiu. Von hier lastien sie sich als geschlossene Gefäfse nicht weiter 
verfolgen; ein Übergang in Capillaren findet an keiner 
stelle statt. Dagegen läfst sicli der "Nachweis fdliren, dafs sie 
durch Öffnungen in den Septen ihr Blut in ein Lückensystem zwischen 
den Choriuubäuuicheu oder in die intervillösen oder intra- 
placentalen Rftnme (t) ergiersen. Letztere werden begrenzt auf der 
einen Seite von der Membrana chorii (w) mit ihren Zotten f~). auf der 
iuidereu Seite von der Basaliilatte mit ihren Septen. Die intervillösen 
Räume werden zusammen auch als der Placentarraum bezeichnet. 

Aus dem Placentarraum wird das Blut in weite Venenstftmme 
aufgenommen , die ebenfalls nichts anderes als nur von Endothel 
ausgekleidete Röhren sind. Dieselben sind zu einem Netzwerk in 
der Basalplatte der Placenta uterina, besonders in der Mitte eines 
Kotyledon, ausgebreitet und besitzen hier ebenfalls direkt in die 
intervillösen Räume führende Öffnungen. Am Rande der Placenta 
Illingen si^ untereinander zusammen und erzeugen dadurch den 
Kandsiuus (Fig. 10<i *) oder den ringförmigen Sinus der 
Placenta. Derselbe darf jedoch nicht als ein gleichförmig weites 
Gefäfs. sondern mul^ als ein System verbundener, unregelmftfsiger 
Hohlräume aufgefafst werden. 

Vermöge der beschriebenen Einrichtung werden die Choriunzotlen 
direkt vom mfltterliehen Bbit umspolt. Dabei ist die Btutbewegung, 
wie sich aus dem Vorgetragenen schon ersehen läfst , infolge der 
l>eträchtlichen Er\Y('iterung der Blutbahn eine verlangsamte und eine 
unregelmftrsige, entsprechend der Gestaltung der intervillösen Räume 
Im allgemeinen stellt, wie Buhn hervorhebt, jeder Kotyledon ein be- 



Dlgitized by Google 



168 



AelitM Kapitel, 



sondprps Sti ömungsgebiet des mütterlichen Blutes dar. So viele 
KotyieiluiKü die geborene Placenta zeigt, so viele Strömungsgebiete 
sind vorhanden. Nur nach unten ^egen die Membran des Chorion 
zu liaugen die StrOmungsgebiete der einzelnen Kotyledonen miteinander 
zusammen. 

In der feineren Anafoiiiie und Entwickiun*j;sgcscliiclile der Placenta 
sind CS besonders zwei Kraj^'eii , über welche seit .Tahrzelinfen bis in die 
neueste Zeit die Auüichteu der Forscher weit auseiuttudergeheu. Die eine 
Frage betriiFt die Entatefanng des Ghorion- und Zottentyncytiams , ob «s 
kindlichen oder mütterlichen Ursprungs, d. h. ein Umwandlongsprodakt 
des ('horion- und Zottenepithels oder des Kpitlicls der Uternsschleimhaut, 
ist. Die andere Frage betrifft die Herkunft der intervillösen Räume, die 
von manchen Forsebem als die sehr stark sn Kavemen aasgeweiteten 
Kapillaren der mütterlichen Schleimhaut , von anderen als ein Spaltraum 
aafgefafst werden . welcher bei der Aneinanderlagerung von Chorion und 
Decidoa serotina gleich anfangs entsteht und später durch Blat von er- 
öffneten Geftben erfttllt wird. Nftberes Aber diese Streitfragen findet der 
Leser in Hertwigs Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, VIL Aufl. 1902, 
S. 815 — 321, und in dem Artikel Strahls, Die EmbryonalhtlUen der Sänper 
and die Placenta, im Handbuch der vergleichenden und experimentelieu 
Entwicklungslehre, Bd. I, 1902. 

r». Die NabelHchnor (F u n i c u I u s ii m h i Ii c a Ii s) stellt die Ver- 
hiuttiing zwischen dem Mutterkuchen und dem embryonalen Körper 
her (Fig. 157). Sie ist ein Strang, etwa so dick wie der kleine Finger 
(11—13 mm), und erreicht die beträchtliche Länge von 50 — (50 cm. 

Fast immer zeigt sie eine sehr ausgeprägte Spirale Drehung, die, 
vom £mbr>u aus gerechnet, in der Begel von links nach rechts ver- 
Iftuft Häufig sind knotenartige Verdickungen der Nabelschnur, die 

eiiit' doppelte Ursache haben können. Meist beruhen sie auf einer hier 
iniii stärker erfolf-'tPTi Kiitwirkltnit!; der gallertigen Grundsubstanz 
(falsthe Knoten), fceitener t>ind sie durch eine Verschlingung der 
Schnur in der Weise entstanden , dafs der Embryo bei seinen Be- 
wegungen, die er im Fruchtwasser ausführt, durch Zufall durch eine 
Schlinge der Schnur liindurchsclilupft und sie zu einem Knoten all- 
mählich zuzieht (wahre Knoten). 

Die Anheftung der Nabelschnur am Mutterkuchen erfolgt gew5hn- 
sich in seiner Mitte oder in der Nähe der Mitte (Insertio centralis). 
Doch sind Ausnahmen von der Kegel nichts Seltenes. So unter- 
scheidet mau noch eine Insertio marginalis und eine Insertio 
velamentosa Iiu ersten Falle verbindet sich die Naljelschnur mit 
dem Rande des Mutterkuchens; im zweiten Falle heftet sie sich in 
geringerer oder grnfserer Entfenmnf: von seinem Kande an die Eihäute 
selbst an und sendet von da die sich ausbieiteiiden starken Ver- 
zweigungen ihrer Gefäfse nach der Placeutarsielle Inn. 

Eine genauere Beschreibung ihres feineren Baues will ich nur 
vom Ende der Schwangerschaft gthen und hierbei folgende Teile 
näher in das Auge fassen: Ii die ^VHAnTMVv^.(le Sülze, 2) dif X.ihel- 
gefiUVe. H) die Reste der AUantois, des Dotteigauges, der Vasa omphalo- 
mesenterica, 4) die Amnionscheide. 

1) Die WHAKTONSche Sülze ist ein Gallert- oder Scbleimgewebe, 
in welches die übrigen Teile eingebettet sind. Ihre histologischen 



Dlgltlzed by Googl 



Die EihQUeo der Säugetiere uod des MeoBchen. 



169 



J'igenscliiiften verändern sich mit dem Alter des Emhryo, indem später 
reichliche Fasern in der gallertigen Grundsubstauz auftreten. 

2) Die Nabelgefäfse ^steheD aus zwei starken Arterien (Art. um* 
bilicales), welche das Blut vom Knibryo in den Mutterkuchen führen, 
und aus einer weiten Vena umbilicali'^ . in w^lrlun- das h]nt wieder 
zum Embryo, nachdem es den Placeniarlxreislauf durchj^emacht iiat, 
lurOekflieftt. Die beides AiterieB sind in Spiraltouren, wie die Nabel* 
schnür selbst, aufgewunden und untereinander durch eine Qucr- 
anastomose nahe an ihrem Eintritt in den Mutterkuchen verbunden. 
Sie sind sehr kontraktil und zeigen eine dicke, aus Quer- und Längs- 
fasern zusammengesetzte MaBkelnaut (Tunica muacularis). 

Per Allaiitoiskanal und der Dottergang, welche in den ersten 
Monaten dvr S( hwangerschaft wesentliche Bestandteile der Nabel- 
schnur bind, bilden sich später zurUck und sind am Ende des embryo- 
nalen Lebens nnr noch in unbedeutenden Resten vorhanden. Die 
Kanäle verlieren ihr Lumen; es entstehen in der WflARTONSchen 
Sülze solide Stränge von Epithelzellen; schliefslich schwinden die- 
selben auch noch zum Teil, so dafs nur hier und da sich Züge und 
Nester von Epithelzellen erhalten haben. Die Dottergefäfse (Vasa 
omphalo-mesenterica), welche am Anfang der Entwicklung eine I^olle 
spielen, werden h ild unansehnlich und treten hinter den mehr und mehr 
sieb vergröfseruden ^'abelge^^U'sen zurück. In der reifen >abelschnur 
«ind sie sehr selten naeBZUweisen (Ahlfeld); gewöhnlich sind sie 
vollständig rückgebildet. 

i) Am Anfnn? der Entwicklung bildet das Amnion um den 
Aliantoiskanal und Dottergang eine Scheide, die sich abtrennen läfst. 
Später ist die Scheide mit der WEARromehen Sülze fest verschmolzen, 
die Ansatzstelle am Nabel ausgenommen, an welcher sie sich eine 
kurze Strecke weit als besonderes Häufchen abzielien la£st. 

Verhalten der Eihäute während und nach der Geburt. 

Zum Schlufs der Besprechung der Eihäute mögen schlielslich noch 
«inige Bemerkungen über ihr weiteres Schicksal bei der Geburt einen 
Platz finden. 

Am Ende der Schwangerschaft, mit Be^;iuii der Wehen, erhalten 
die Eihullen. welche um den Embryo eine mit Fruchtwasser gefüllte 
Blase herstellen, einen Rifs, sowie die Zusaninicnziehnn^en der Musku- 
latur der Gebärmutter eine gewisse Stärke erreicht hal)en. Der Rifs 
entsteht gewöhnlich an der Stelle, wo die Blasenwand durch den 
Muttermund nach aufsen hervorgeiirefst wird (Blasensprung). Infolge- 
dessen dielst jetzt das l'rnchtwasst r ab. 

Unter weiterem und verstärktem Fortgang der Wehen wird hierauf 
das Kind durch den Rifs der EihOllen hindurch aus der Gebärmutter 
ausgetrieben: es wird geboren, während Mutterkuchen und EiliOllen 
meist noch kurze Zeit in der Uterushtihle zurückbleiben, (ileich nach 
der Geburt mufs die Verbindung zwischen Kind und Eihüllen künst- 
lich getrennt werden, indem die Nabelschnur in einiger Entfernung 
vom Nabel unterbunden und abgeschnitten wird. 

Schliefslich lösen sich auch noch die Eihüllen mit der i'lacenta 
von der InnenÜäche der Gebärmutter ab und werden durch etneute 
'Wehen als Nachgeburt nach aufsen entleert. Die Ablösung findet 
in der spongiOsen Schicht der Decidua vera und Deddua serotina statt. 



Digitized by Gi 



170 



Achtes Kapitel. 



Die Nacli^^elnirt setzt "^icli sowohl aus den kiTidlichen als auch aus 
den mütterlichen Eihäuten zusaromen, die uutf i^inauder ziemlich fest 
verwachsen sind: 1) aus dem Amnion, 2) dem Ghorion, 3) der Decidoa 
reflexa. 4) der Decidua veia. 5) dem Mutterkuchen (Placenta uterina 
und Placenta foetalis). Trotz der Verwachsuiiir i^t oine teilweise 
Loslösung der einzelnen Häute voneinander noch uiüglich. 

Nach der Geburt stellt die Innenfläche der Gebärmutter eine 
einzige ^n oise Wundfläche dar, da zahlreiche Blutgefäfse bei der Ab- 
lösung iler Placenta tind der Deciduae zerrissen worden sind. Auch 
in den ersten Tagen des Wochenbettes stolseu sich noch von ihr 
Fetzen der bei der Geburt zurückgebliebenen, spongiösen Schicht der 
Decidua vera tind D. serotina ab. Nur die tiefste Lage der Schleim- 
haut erhält sich unniittelhar auf der Muskulatur der fiebärmutter. Sie 
besitzt noch Reste des cviindrischen Epithels der Uterindrüsen, wie 
schon früher hcrvorgelioben wurde. Im Laufe mehrerer Wochen 
wandelt sie sich unter lebhaften Wucherungsprozessen in eine normale 
Schleimhaut wieder um, wobei wahrscheinlich das Epithel ihrer Olier- 
fläche aus den erhalten gebliebeneu Kesten des Drüseuepithels seinen 
Ursprung nimmt. 



B«petltortam na X*pltel vm. 

1. Die Eihäute der Saugetiere. 

1) Bei den Säugetieren entwickelt sich in ähnlicher Weise wie 
bei den Reptilien und Vögeln ein Dottersack, ein Amnion, eine seröse 

Holle, eine Allantois. 

2) Mit Ausnahme der Monotremen und Beuteltiere bildet sich 
die seröse Hülle zu einem Chorion um, indem sie Zotten nach aufsen 
bervortreibt , und indem die mit den Kabelgefälben versorgte Binde- 
gewebsschicht der Allantois sich an ihrer Innenflftdie ausbreitet und 
in die Zotten eindringt. 

3; Bei einem Teil der Säugetiere wandeln sich ein^lne btellen 
der serösen HOUe, an welchen die Zotten mächtiger wuchern, Seiten- 
äste treiben und. sich in entsprechende Gruben der Schleimhaut der 
Gebilrnnittcr einsenken, zu einer IMacenta oder einem Mutterkuchen 
um (Kotyledonen genannt, wenn ihrer viele au einem Ghorion ent- 
standen sind). 

4) Am Mutterkuchen unterscheidet mau: 

a) eine Placenta foetalis, d. h. den Teil des Chorion, der die 
Zotten büschel entwickelt hat; 

b) eine Placenta uterina, d. h. den Teil der SchleimiiuuL der 
Gebärmutter, der gewuchert und mit Vertiefungen zur Auf- 
nahme der Placenta foetalis versehen ist. 

5) Fötaler und mütterlicher Teil des Mutterkuchens können sich 
untereinander fester verbinden, was zur Folge hat, dafs bei der Ge- 
burt auch eine gröl^ere oder kleinere Strecke von der Schleimhaut 
der Gebärmutter mit abgestoßen und als hinfl&llige Haut oder Decidna 
bezeichnet wird. 

'>) Aiit (>rund der Beschaffenheit der EihUllen Iftfst sich folgende 

Kinteiluiig iler Wirbeltiere aufstellen: 

I. Auaninia, Amuionlose, 

(Amphioxus, Gyklostomeu, Fische, Amphibien.) 



Digitized by Google 



Die Eilittllen d«r Singetiere und de» Menseben. 



171 



II. Ajiiniotcii, Amniontiere (mit Dottereack, AmnioQ, Gerdser 

Hülle. Allantois). 

A. Sauropsideii. Eierlegende AiimioDticre. 
Reptilien und TOgel. 

B. S&ugetiere. Die Eier entwickeln sich bei allen mit 

Ausnahme der Monotremen in der Gebärmutter. 

a) Aclioria. Die seröse Httlle entwickelt keine oder nur 
wenige Zotten. 

Monotremen. Beuteltiere. 

b) Choriata. Die seröse Httlle wird zur Zottenhattt(CbOiion). 
1) Mit gleichmflfsit' /Histreufon Zotten. 

Perissodactyla, äuidue, liippopotamidae, Tylopoda, Tra- 
gulidae, Getacea etc. 
1^-2) Placentnlia. Die serus-e Httlle ist Streckenweise zu 
« ~ einem Mutterkuchen umgebildet. 
^ ^ a) Zahlreiche Kotyledonen. — Semiplacenta (Strahl). 
Ruminantia (Wiederk&uer). 
ß) Placenta zonaria. — Placenta vera. 
Carnivorcn. 

^ y) Placenta discoidea. — Placenta vera. 
[ Affen, Nagetiere, Insektivoron, Fledermftuse. 



3 3 



2. Menschliche Eihäute. 

1) Diis menschliche Ei setzt sieh gewöhnlich am Grund der 
Gebärmutter (Fundus uteri) zwischen den beiden Einmündungen der 
Eileiter fest und wird in die Schleimhaut eingebettet, welche um 
dasselbe eine Kapsel bildet. 

2) Die Schleimhaut der Gebärmutter bildet sich zu den mtttter- 
licheu Hullen für das Ei. den Deciduae, aus, die als Decidua serotina, 
D. retlexa und D. vera unterschieden werden. 

a) Die Decidua serotina ist der Teil der Sehleimbant, welchem 
das Ei nach seinem Eintritt in die Gebärmutter direkt auf- 
liegt, und an welchem sich später der Mutterkuchen entwickelt. 

b) Die Decidua retlexa ist der um das Ei iieruuigewucherte Teil, 
e) Die Decidua vera entsteht aus der übrigen, die Gebftrmutter- 

höhle auskleidenden Schleimhaut. 

S) Bei der Bildung der Deciduae oder hinfälligen Eihäute erleidet 
die Uterusschleimheit tiefgreifende Veränderungen ihrer struktur und 
sondert sich unter starker Wucherung der uterindrflsen und unter 
teilweisem Schwund ihres Epithels in eine innere, kompakte und in 
eine äufsere, spon^riose Schicht. 

4) Aus der Wand der Keimblase, soweit sie nicht zur Bildung 
des Embryo selbst verwandt wird, entwickeln sich die kindlichen 
EihQllen, die im ganzen mit den Eihüllen der übrigen Säu<:t tiere an 
Zahl und in der Art ihrer Entstehung übereinstiniinfMi, im einzelnen 
aber nicht unwichtige Modifikationen darbieten, die im wesentlichen 
folgende sind: 

a) Das Amnion schliefst sich von vorn nach hinti'n, bleibt am 
hinteren Knff(^ des Embryo durch einen kurzen Zipfel mit der 
serösen Hülle (dem späteren Chorion) verbunden und trägt so 
zur Entstehung des sogenannten Bauchsticls nieusehliclier 
Embryonen bei. 



Digitized by Google 



172 Achtes KapitttL 

b) Die AUantois wächst nicht als freie Blase in den aufser- 
embryonalen Teil der Leibesbühle hinein, souderu schiebt 
sich als enger Kanal an der unteren Fläche des in einen 
Zipfel aiisgezorrenen Amnion bis zum Choiion hin und liefoit 

so den Hauptteil des Bauchstiels. 

c) Der Dottdrsack wird zu einem aufserordentlich kleinen Bläschen 
und Bteht dureh einen langen, fadenförmigen Stiel (den Dotter- 
gang) mit dem embiyonaten Darm in Verbindung. 

d) Durch Vergröfserung des Amnion , welches schliefslich die 
trunze Eibluse ausfüllt (Zunahme des Fruchtwassers), werden 
Ailantoiskaual und Dottergang mit den Nabel- und Dotter- 
gefUlsen vollst&ndig umwachsen und mit der Amnionscheide 
umgeben, wodurch die Nabelschnur (Funiculus umbilicalis) 
entsteht, eine strangförmige Verbindung zwischen der innen* 
tlftche der Eihaut und dem Bauchnabel des Embryo. 

e) Die seröse Hülle entwickelt aul'serordentlich frühzeitig (zweite 
Woche) Zotten auf ihrer ganzen Oberfljlche und wird, indem 
das Bind^lrr'^vebe der AUantois in sie hineinwftchst, zur Zotten* 
haut (Chorion). 

f) Die Zotteuhaut sondert sich in ein Choriou laeve und eiu 
Chorion frondosum: 

a) Zum Chorion laeve wird deijenige Teil , welcher der 

Decidua reflexa imlie^^t miH üiit ilir sirh durch die im 
Wachstum zurückbleibenden Zöttcheu lest verbindet 
ß) Zum Ghorion frondosum gestaltet sich der an die Decidua 
serotina angrenzende Abschnitt , in welchem die ZOttehen 
zu mächtigen, vielfach verzweigten Büscheln auswachsen. 

5) Dadurch, dafs die Zottenbüschel des Chorion frondosum in die 
Decidua serotina hiueindnngen und sich mit ihr fest verbinden, ent- 
steht ein besonderes Emährungsorgan für den Embryo, der Mutter- 
kuchen oder die Placenta. 

6) An der Placenta unterscheidet man den kindlichen und den 
mütterlichen Anteil: 1) die Placenta foetalis oder das Chorion fron- 
dosum und 2.) die Placenta uterina oder die ursprüngliche Decidua 
serotina. 

a) Die Placenta foetalis besteht 

erstens aus der Membrana chorii, in welcher sich die 
Hauptilste der Umbilicalgefäfse ausbreiten, und an welcher 
sich die Nabelschnur gewöhnlich in der Mitte (Insertio cen- 
tralis), seltener am Rand (Insertio marginalis), noch seltener 
vom Rand entfernt (Insertio velamentosa) ansetzt 

Zweitens besteht sie aus Bttsclieln von Choriouzotten. von 
denen die llaftwurzeln mittels ihrer Knden mit der Uterus- 
schleiuihaut fest verwachsen sind, während die ireien Aus- 
läufer in die intervillösen Bluträume der Placenta uterina, 
den Placentarrauni, hineinhiUifien. 

b) Die Placenta uterina setzt .sich wie die Decidua vera aus einer 
kompakten, bei der ( »elnirtsich ablösenden Schicht (Pars caduca) 
und aus einer spongiösen Schicht zusammen, in welcher die 
Ablösung erfolgt, und von der ein Teil auf der Muskulatur 
zurückbleibt (Pars lixa). 



Dlgitized by Googio 




Die EiklkllAD der Sftngetiere und des Mentehen. 



17S 



Die komjmkte Schicht (Rasalplattf» Winklehs) sendet Scheide- 
wände (Septa placentae) zwischen die Chorionzotteu hinein und 
teilt Bie daduTch in einzelne Bttndel, die Kotyledonen« ab. 

Zwischen Arterien und Venen, die in der Basalplatte nnd 

den Septen ihren We^ nehmon, sind aufserordentlicli weite Blut- 
peftlsräuine eingeschaltet, in welche die Zotten frei hinein- 
zuliHugeu scheinen. (Intervillüse Räume, i iacentarrauni.) 

7) Bei der Geburt lOsen sich die Deciduae oder hinfälligen 
Eih&nte innerhalb der spongiösen Schicht von der Gehärinutter ab 
und bilden nebet den kindlichen Eifaallen und dem Mutterkuchen die 

Nachgeburt. 

8) Eine uüraiale Schleimhaut entwickelt sich in den ersten Wochen 
nach der Geburt aus den auf der Muskulatur surQckgebliebenen 
Resten der spongiösen Schicht und ;iu> len TI< teu der L'terindrtisen, 
aus deren Epithel sich wahrscheinlich das Schleimhautepithel wieder 
regeneriert. 



Digitized by Google 



Zweiter Hauptteil. 



DasStuditim der Organentwicklung bildet das Thema 

für den zweiten Teil tles Lehrbuchs. Eine Einteilung des 
hier vorzutragentlen, umfangreichen >fatpnals wird am l)estpn vor- 

äenommeu im Hinblick auf die einzelnen Keimblatter, von denen sich 
ie Terschiedenen Organe ableiten lassen; doch mnfls hierbei von 
vornherein darauf aufmerksam gemacht werden, dafs dies Ein- 
teilungsprinzip nur mit einer gewissen Finerhrftnkung durch- 
führbar ist. Denn die fertigen Organe des Erwachsenen sind gewöhnlich 
zusammengesetzte Bildungen , oie sieh aus zwei oder sogar aus drei 
embryonalen Schichten aufbauen. So entwickelt sich z. B. der Muskel 
aus Zellen des mittleren Keimblattes und des Mesenchyms. der Darm- 
kanal mit seinen Drüsen enthält Elemente aus drei Schichten, aus 
dem inneren und dem mittleren Keimblatt sowie aus dem Meseneh^^m- 
Wenn man trotzdem diese Organe als Abkömmlinge eines Keim- 
blattes auffuhrt, so geschieht es aus dem Grunde, weil die verschiedenen 
Gewebe für den Aufbau und die Funktion eines Organs von ungleicher 
Bedeutung sind. Die Struktur und die Funktion der Leber oder des 
Pankreas wird in erster Linie von den DrQsenzellen bestimmt, welche 
vom inneren Keimblatt abstammen . während Bindegewebe, Blutge- 
fäise, JServen, seröser Überzug zwar auch zum Ganzen der genannten 
Drüse hinzugehören, aber ihr nieht ihre charakteristischen Eigen- 
schaften verkdhen und insofern von geringerer Bedeutung sind. In 
der Anatomie und Physiolo;^ie des Muskels ist das Muskelgewebe, bei 
den Sinnesorganen das Sinnesepithel das funktionell Wichtige. Von 
derartigen Gesichtspunkten geleitet, hat man ein gutes Recht, die 
Drüsen des Danns als Organe des inneren Keimblattes, die Muskeln, 
Geschlechts- und Harnorgane als dem mittleren Keimblatt anp:ehörig, 
und das Nervensystem mit den Sinnesorganen als Produkte des 
ftufseren Keimblatts zu bezeichnen. 

Somit gliedei-t sidi die Lehre von der Entwicklungsgeschichte der 
Organe des tierischen Körpers in vier Hauptabschnitte: 

1) in die Lehre von den Bilduugsprodukten des inneren Keim- 
blattes, 

2) des mittleren Keimblattes, 

:^>) des ilufseren Keimblattes, 

i) des Zwischenblattes oder Mesenchyms. 



Digitized by Google 



Neuntes Kapitel. 



Die Orgaue des inneren Keimblattes. 

Das Darmrohr mit seinen Anlums^sorfanen* 

Nach Abscblufö der Keimblattbildong und der im siebenten Kapitel 
dargestellten ersten GliederuDgsprozesse besteht der Körper der 

WirbeltifMT rtiis zwei einfachen, ineinandergesteckten Rölnon, niis 
dem inuereu, kleineren Darmrohr und aus dem durch die Leibeshöhle 
von ihm getrennten Rumpfrohr, von deneu ein jedes aus mehreren 
der primitiven Zellschichten des Keimes gebildet wird. 

Das Darmro hr, dessen weitere Fiitwicklung uns /uTuichst be- 
schäftigen wird, setzt sich aus zwei KpithelblJlttern zusaiuiueu, aus 
dem Darmdrttsenblatt und dem die epitheliale Auskleidung der Leibes- 
bohle lieferoden, viseeralen Mitteli)latt, beide voneinander geschieden 
durch das um dirse Zeit noch wenijj; entwickelte Mesenchyni. Von 
den drei Schichten ist uhue FnVfiv das Darindrttscnblatt das wichtigste, 
da von ihm in erster Linie alle jetzt weiter zu besprecheadeo 
Sondemngsprozesse ausgeben, welche sich am besten in drei Gruppen 
einteilen la'^^son. Erstens tritt das Darmrohr mit der Körperober- 
tiilche durcii eine pröfseie Anzahl von ( )tTnungen. durch Schlundspalten, 
durch Mund und After, in Vetbiuiluüg. Zweitens wächst es aulser- 
erdentlieh in die Lange nnd sondert sich hierbei in Speiseröhre, 
Mafien, Dünn- und Dickdarm mit ihren eip;enthmlich unii^eilndcrten 
Aufhängebändern (Mesenterien nnd Net/.eii), Drittens nehmen aus 
und in den Wandungen des Darnirohrs zahlreiche, meist zu dem Ver- 
dauungugescbaft in Besiehung stehende Organe ihren Ursprung. 

I. Die Rildnng der t»tt'nnneren des Darmkauais. 

1. Die EntwiekluHjU^ von After nnd Schwanz. Am Anfanp: der 
Entwicklung besteht als einzige Otiuung des Darms an der Ui>ertlacbe 
des Keimes der U r m u n d (Primitivrinne), welcher den Ort beseichnet, 
an welchem sich auf dem Stadium der Keimblase das innere und das 
mittlere Keimblatt eingesttklpt haben (Kap. V. Fig. 51. 57. tn. 77, 1U>). 
Bei den Wirbeltieren ist er der Hauptsache nach nur 
eiue Ter^ii ngl iche Bildung. Denn wie sehou frttber gezeigt 
wurde (S. 71), beginnen am Unnund gleich nach seiner ersten Ent< 
stehung seine R.Inder von vorn nach hinten zu verwachsen, und es 
mulste auf diese Weise bald ein vollständiger Schwund eintreten, 
wenn er sich nicht nach rOckwärts durch Wachstum in demselben 
Maise vergröfserte, als er nach vorn durch den Verschlnfs verliert. 
So erklärt es sich, daf^ man auf den verschiedensten Embryonalstadien, 



Digitized by Google 



176 



^'euntes Kapitel. 



hei Embryonen von 2, 10. 20, 25 Ursegmenten etc. immer am jeweilig 
hinteren Ende ein Stück Urmund (Primitivrinne) vorfindet, an welchem 
der Verschlufs noch nicht erfolgt ist (Fig. 120 — 128). Aus dem 
lirmundrest gehen schlielslich auf einem gewissen Stadium zwei ver- 
schiedene Bildungen hervor, der oft erwähnte Canalis neurentericus, 
welcher selbst nur vergänglicher Art ist, und der After, der einzige 
Teil vom Erwachsenen, welcher vom weit ausgedehnten Urmuudgebiet 
des Embryo seine Herkunft ableitet. 

Am besten läfst sich die Entstehung des Afters bei den Am- 
phibien verfolgen, wobei wir von dem Stadium ausgehen, wo der 
offene Teil des Urmunds am Froschei einen kleinen Hing bildet, aus 
■ welchem der Dotterpfropf als helle Masse nach aufsen hervorschaut 
(Fig. 160). Wie sich an ein und demselben Ei bei kontinuierlicher 
Beobachtung leicht verfolgen läfst, geht nach kurzer Zeit die ring- 
förmige in eine spaltförmige Öffnung ( Primitivrinne ) über, indem 
linker und rechter tJrmundrand einander entgegenwachsen. In der 
Mitte der Rinne verdicken sich die beiden Urmundränder, verwachsen 
miteinander und zerlegen die Rinne dadurch in eine vordere und in 




Kig. 169. Fig. 170. Fig. 171. Fig. 172. Fig. 173. 

Fig. 169— 17vl. Oberflächenbilder von Rana temp. Nach Zikolkh. 



eine hintere kleine Öffnung (Fig. 170 u. 171), Die vordere wird zum 
Canalis neurentericut^, die hintere dagegen zum After, Die sie tren- 
nende, durch Verwachsung gebildete Brücke liefert die Anlage des 
Schwanzes, an dessen Wurzel der After zu liegen kommt; sie kann 
daher als Schwanzknospe bezeichnet werden. Da das in der 
Schwanzknospe enthaltene Zellenmaterial seiner Entstehung nach 
ursprünglich auf zwei durch den Urmund getrennte Hälften verteilt 
gewesen ist, erklären sich hieraus interessante Milsbildungen von. 
Lachs- und Froschembryonen, bei denen zuweilen eine Verdoppelung 
des Schwanzes mit einer ausgedehnten Urmundspalte (siehe S. 8o; 
verbunden ist. 

Indem im weiteren Verlauf der Entwicklung sich die Medullar- 
wülste weiter nach hinten ausdehnen , kommt die vordere der 
zwei Offnungen bald in ihr Bereich zu liegen und wird, wenn die 
Wülste zum Nervenrohr verwachsen, in dieses selbst mit eingeschlossen. 
(Fig. 172 u. 173). Es tritt jetzt der von Kowalevsky und Götte 
zuerst beschriebene Zustfind ein. wo Nervenrohr und Darnikanal zu- 
sammen ein U-förmig beschaffenes Rohr bilden, an dessen Umbiegungs- 
stclle der Canalis neurentericus gelegen ist (Fig. 70). Somit 
ist jetzt an der Oberfläche des Embryo als letzter auf den Urmund 
zurückzuführender Rest nur noch der After alsein kleines Grübchen 
zu sehen (Fig. 17:i). 

Die Schwanzknospe wächst bald nach ihrer ersten Anlage rasch 
in die Länge und beginnt von oben her die Aftergrube zuzudecken. 



Digitized by Google 



Di« Organe des iiweren KeimUattM. 



177 



Ihr Längen Wachstum geschieht in derselben Weise, wie der gauze 
Körper in die Lange gewachsen ist. Da am UrmuDdrand ftuCaerea, 

mittleres und inneres Keimblatt zusammentreffen und die median 
pr'lt'i^enen Organe. Nervenrohr, Chorda und Ursejimente przeupen, 
wtirdeu aucii der ächwanzknospe die Anlagen von allen diesen Or- 
ganen zuerteilt. Von der WaebstumBZone aus, die auf die Sehwanz- 
spitze gerückt ist, setzt sich, wie bei der Verlängerung des Rumpfes, 
Ursegment an Ursegment an. Femer dringt auch vom inneron Keim- 
blatt ein kleiner Strang in den bchwanz hinein, der, wie die Abbildung 
von Bombinator zeigt (Fig. 70), Iftngere Zeit eine kleine Höhle ein- 
schliefst. Er wird in der Literatur meist als Schwanzdarm 
oder postanaler Darm bezeichnet. SpiUor schwindet dor Zellon- 
strang, nachdem er seine Höhlung verloren hat, und löst sich in 
anderes Gewebe auf. 

In der weiteren Entwicklung des Afters sind mehrere Stadien 
zu unttTsclieiden. Zunächst zeigt die AfterÖlTnnrig die Beschaffenheit 
des XJrmuuds, aus dem sie sich ja herleitet in ihrer Umgebung 
stehen daher (Fig. 174 A) eine Zeitlang alle drei Keimblätter in 
Zusammenhang untereinander. An der Afterlippe schlägt sich das 
ftufsere Keimblatt in das parietale >fittelbhitt um, und einwärts davon 
geht wieder an der Darmlippe das viscerale .Mittelblatt in das Danu- 
drfisenblatt über. Es besteht also auf diesem Stadium, genau ge- 
nommen, noch keine direkte Verbindung desäufseren mit dem inneren 
Keimblatt, sondern nur durch Veiniitthinf! des Mittelblattes. 

Dieser Zustand ändert sich auf dem nächsten Stadium dadurch, 
dafs sich in der Aftergegend das mittlere Keimblatt ans dem oben 
beschriebenen Zu- 
sanimenhanjr löst, 
einmal an der After- 
lippe von dem ftufse- 
ren Keimblatt, an 
der Darmlippe vom 

Darmdrtiseublatt 
(Fig. 174 If). Die 
Lei1>essäcke haben 
sich dadurch all^iMti-j 
abgeschnürt und ge- 
schlossen. Infolge- 
dessen geben erst 
jetzt äufseres und 
inneres Keimblatt an 
der Afteröfluuug di- 
rekt ineinander ttber. 
Hierbei scheinen bei den Amphibien zwei Moditikatinnen vorzukommen, 
je naclideni der zum After werdende Urmundrest eine durcli^'atigige 
Öffnung besais oder durch Verlötung seiner Ränder geschlossen war. Im 
ersten Talle ist auch die Afleröffhung (Fig. 174 B) jeder Zeit durch- 
gängig und stellt ein Kpithelrohr dar, wt-lches von au Isen dir» kt und 
unmittelbar, indem es das Mittelblatt durchbohrt, in den Kuddann 
führt. Im zweiten Falle (lig. 174 C u. D) stofseu zwar in der 
Aftergegend äufseres und inneres Keimblatt infolge der Ablösung des 
Mittelblattes unmittelbar zusammen, bilden a])ernoch einen epithelialen 
Verschlufs, die Aftermembran, eine meist dttnne Epithellamelle, 

U. Uertwig, Die EUinente der Kntwicklung'slebr«. i. Aufl. 12 



A C 




Fig. 174 JJ. Vier Schemata, um die tJm- 
WMuUang du leisten Teils des Urnmsde In den 
After SU vewuisöhsullchen. 



Djeitized by Google 



178 



Keuntes Kapitel. 



die aus je einer einfachen La<:t von Ektodermiellen und von Ento- 
dermzellen besteht und sich zwischen Aftergrube und Höhle des End- 
daims ndph trennend dazwischen schielit. Hier wird der After erst 
dadurch durchgäugig, dais in der Mitte der epithelialen Verschlui'ä- 
memhran die ^llen auseinanderweichen. 

IM den ttbrigen Wirl>eltieren geht die Eotwicklung von After 
-und Schwanz in wesentlidi (h^rselhen Weise wie bei den Anipliilnen 
vor sich, und scheint hierbei überall ein Schwanzdarm i)der, besser 
gesagt, ein kaudaler Entodermstrang angelegt zu werden. Frtiher 
oder später bildet er sich bei allen "Wirbeltieren zurlick; er verliert 
seine Hühlunjj; in den Fallen . wo er überhaupt eine solche besafs, 
geht in einen soliden Kpilhelstrang über, lost sich darauf vom After- 
darni und vom Nervenrohr ab und schwindet dann vollständig. Damit 
bat auch der Canalis neurentericus ala letzter Rest des Urmunds zu be- 
stehen aufgehört. 

Über die Afterbildung bei den Säugetieren mögen hier 
noch einige genauere Angaben Platz tinden. Schon bei Embryoneu 



al afin am pr 




Fig. 17o. Medianschnitt durch das hintere Ende eines 16 Tage alten 
Bohafembryo mit t ünf Paar Ursegmenten. Nach Bommbt. 

al AUaotois, o/'in Aftermembran, am Amnion, ah Amnionhöble, ak iuTseres 
Keimblatt und mk* mittleres Keimblatt, weiches an der Amnionbildnng beteilifrt 

ist, np ri»t'rganp der Norvcnplatte in den rrimitivstn-ifcn, pr Priinifivriiin'' in ilor 
Gegend des Caimiis neurentericus, lA* Darmdriisenblatt, mk^ Darmlaserlilatt, 
d Darmrolir. 

mit wenigen l'rsegnienten ist die erste Anlage des Afters nachzu- 
weisen. Während am vorderen Kude des Primitivstreifens sich der 
Canalis neurentericus findet, bildet sich an seinem hinteren Ende die 
Afterniembran aus, indem an einer kleinen Stelle das mittlere Keim- 
bliitt schwindet und Darnidrüsenblatt und Ejtidermis sich dicht ;ui- 
einanderlegen, diu h so, dals sie immer durch einen scharfen Kontur 
gegeneinander abgegrenzt bleiben (Fig. 175 afm). Die Afteranlage 
findet sich niitliin ursprünglich ganz dorsalwärts am hinteren Ende 
des F.nibryo. Der zwischen ihr und dem Panalis neurentericus gelegene 
Teil des l'rimitivstreitens bildet sich wie bei den Amphibien zur 
Schwanzlcnospe um. Er tritt auf einem etwas späteren Stadium, als 
in Fig. 175 dargestellt ist, nach auiVen als ein kleiner Höcker hervor, 
welcher sirli allmählich zum Säugetier-Schwanz verlängert (Fig. 17»».<?rA). 
Der im Hocker gelegene Canalis neurentericus wird von den Medullär» 



Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblnttee. 



179 



wfllsteo umwachsen uud bei ihrem vollsUludigeii Verscliluls in das 
Nervenrohr mit aufgenommeo. Hierbei kommt es auch bei den Siluge- 
tieren zur Entwicklung eines kleinen, sich spitter rüekhildenden 
Kntodormstranges. Je mehr die Schwanzknospc nach aufsen h«'ivor- 
tritt (l'ig. 176 scIi) uud sich über die Aftormenihrau {a(m) vuu obeu 
herOberlegt, um so mehr rflektdie ursprünglich ganz dorsal entstandene 
Aftergrube an die ventrale Seite des embryonalen Körpers; in 
Fig. 17<» ist sie zwisclien der Schwanzknos|)e (st//) und der Anlage der 
AUautuis (ul) aulzutiudeu. Die Zerreiisung der Aftermeml)ran erfolgt 
relativ spat, bei Wiederkftuem z. B. erst bei Embryonen, die ftlter 
alz 24 Tage sind. 




Ki^. ITit. Fi;^. 177. 

Fig. 176. Mediansohnitt durch das Sohwansende eines 18 Tage alten 
BolMfeinbryo mit S8 ürse armen tpaaren. Nach Bommkt. 

»ch Schwanzknnspc mlor Kndwulst, nm Amnion, w/.' Haiitfascrbliitt tlcsscll»en, 
ofm Afterroenibran veutralwurts und aacli vorn vom Kndwulst gelagert, al Allaotois. 

Fig. 177. Medlannolmftt dureli den Kopf etaM 6 mm langvii fl[Milii<dMfi- 

embryo. Nach Mihalcotic». 

rh Rachenhaut, hp Stelle, von der aus sich die Ilyiiopliyst' entwickelt, h Herz, 
Jl'/ K<>|ilti;irniliulili'. <7( Chorda, r Vciitrikol des (Trof>hii i:-, r 'drittiT \ riitrikfl des 
Zwiscbtinhirns, v* vierter Ventrikel des Hinter- und >tachiiira&, ck teatralkanal 
des Rttckenmarks. 

2. Die Entwicklung des Mundes. Bei allen Wirbeltieren l)ihlet 
das iiufsere Keimblatt au der unteren Seile der Kopfaulage, die an- 
fftnglich wie ein abgerundeter Höcker aussieht , eine kleine flache 
Grulie (Fit:. 177). die mit dem blinden Fnde der Kopfdarnihölile 
zusaninientritit. Im Hereich der lirube stol'sen äulseies und inneres 
Keimblatt zu einer dünnen Membran zusammen, welche seit Kkmak 
alz Rachenhaut (Fig. 177 rk) besehrieben wird. Durch ihr Einreirseu 
und unter Rückbildung der Fetzen, die unter dem Namen der ]>ri- 
mitiven (Gaumensegel Itekannt sind, wird die Kommunikation 
zwischen Mundbucht uud Kuptdarmhühle hergestellt. 

Bei allen amnioten Wirbeltieren zeigt der Eingang zur Mund- 
bucht (Fig. 178 mft) eine sehr Ähnliche Form und erscheint als ein 
weites fünfeckiges Loch, das von fünf Wülsten umgeben wird, 
deren Kenntnis für die Bildungsgeschichte des Gesichts von grofser 
Wichtigkeit ist. Von ihnen ist einer un|iaar, der Stirnfortsatz, 
ein breiter Höcker, der die Mundbucht von oben her begrenzt. Seine 
Entstehung hängt mit der Entwicklung des Centraluervensystems 

12* 



180 



Neuntes Kapitel. 



zusammen, das bis an das vorderste Ende der Embrvonalanlage reicht 
und sich hiersei bst zu den Hirnblasen ausgebildet hat (Fig. 177 r). 
Auf einem Längsdurchschnitt untersucht, schliefst daher der Stim- 
fortsatz auf diesem Stadium eine weite, zum Nervenrohr gehörige 

Höhle ein und stellt eine Blase 
dar, die aus drei Schichten, aus 
der Epidermis, einer Mesenchym- 
lage und aus der verdickten, 
epithelialen Wand des Nerven- 
rohrs zusammengesetzt wird. 
Priniftre Mundhöhle und Gehirn- 
anlage (Fig. 177) grenzen am 
Anfang der Entwicklung dicht 
aneinander, durch eine dünne 
Gewebsschicht getrennt, in deren 
Bereich sich später unter 
anderem auch die Schädel- 
basis anlegt. 

Die vier tibrigcn Wülste 
(Fig. 178) sind paarige Bildungen, 
welche die Mundhucht von der 
Seite und von unten her um- 
geben. Sie werden hervorgerufen 
durch Wucherungen des em- 
bryonalen Bindegewebes, in wel- 
chem stärkere Blutgefälse ihren 
Weg nehmen. Nach ihrer Lage 
werden sie als Oberkiefer- 
(ok) und als Unterkiefer- 
Fortsätze (mA) unterschieden. 
Die ersteren setzen sich jeder- 
seits unmittelbar an den Stirn- 
fortsatz (s/) an; sie sind von ihm 
getrennt durch eine Rinne, durch 
die in einem späteren Kapitel zu 
besprechende Augennasenfurche, 
welche in schräger Richtung nach 
olven und aufsen zu der Gegend 
des Gesichts zieht, in welcher 
sich das Auge anlegt. Ober- 
kiefer- und Unterkiefer-Fortsätze 
grenzen sich voneinander durch 
einen Einschnitt ab. welcher dem Ort der späteren Mundwinkel ent- 
spricht. Beide Fortsätze jeder Seite bilden zusammen den häutigen 
Kieferbogen. 

3. Die Entwicklung der Schlundspalten. Während sich in der 
Umgebung der Mundbucht die beschriebenen Veränderungen vollziehen, 
treten unmittelbar hinter dem Kieferbogen mehrere Sehl und - 
spa 1 ten auf jeder Seite des Rumpfes auf. Sie entwickeln sich bei den 
Selarhieni, Teleostiern, Ganoiden und Amphibien, sowie bei allen Am- 
nioten in einer /iendich übereinstinnneuden Weise (Fig. 17S, 171»). Vom 
Epithel der Kopfdarmhohle aus bilden sich tiefe Aussackungen {sch 




Kifj. 17s. Menschlicher Embryo der 
dritten Woche. Nach einem Modell 
von Hi8. Die voi-dere Bauchwand und 
der iJottersack sind entfernt. 

M Scheitelhi»ikcr. «/' Stirnfortsatz, tnb 
Mundbucht, ok Oherkieferfortsatz, uk 
l'ntcrkieferfortsatz, zl> /ungenbeinbogen, 
Äc/i' erste Schiundfurche, us Ursegmente, 
ta Truncus arti-riosus, h Herz, / Leber, 
«l Dar»! am I betKanf; in den Ductus 
vitello-intestinalis aliKe>chnitten,//« Bauch- 
stiel mit Yasa umbilicalia i-h. 



Digitized by G 



Di» Organe des inneran Keimblattes. 



181 



die dem Kieleibugeu parallel an der seitliclieu ächluudwaiid von 
oben Dach unten verlaufen. Sie drängen die mittleren Keimblätter, 
die bis in diese Gegend reichen, zur Seite und wachsen so bis au die 
OberHftche hervor, wo sie mit der Epidermis in Verbindung treten. 
Diese senkt sich nun gleichfalls, der BerUhruugsstelle entsprechend, 
zu einer Furche ein (Fig. 178, 179X so daflB man innere, tiefere 
Schlundtaschen und äufBere, mehr oberflächliche 
Schlund- oder Kiemenfurchen unterscheiden kann, 
beide werden eine Zeitlang durch eine sehr dünne Verschlufs- 
membran voneinander getrennt, die aus zwei EpithelblätterDy ans 
der Epidermis und dem Epithel der Kopfdarmnöhle, zusammen- 
gesetzt ist. 

Die b>ubstanzstreifeu . welche zwischen den einzelueu Schlund- 
taschen liegen (Fig. 178, 179 u. 159), sind die häutigen Kiemen-, 
Schlund- oder Visceral bogen. 
Sie besteht-n aus einer Arlise. die 
dem mittlere u Keimblatt und dem 
MeReneh3rm entstammt, und einem 
cpitlielialen Überzug, der nach der 
Kachenböhle zu vom inneren Keim- 
blatt, nach auisen vom äui'sereu 
Keimblatt geliefert wird. Ihrer 
Reihenfolge nach werden sie, da der 
dl»' Miindliöble uiiischliefsende Wulst 
den ersten Schluudbogen bildet, als 
zweiter, dritter, vierter Schlundhogen 
etc. unterschieden. 

Bei allen wasserbewolinendcn, 
durch Kiemen atmenden Wirbel- 
tieren reifst bald nach der Anlage 
der Furchen die dOnne. epitheliale 
Verschlufsplatte zwisclien den 
Schlundbogen und zwar in der Reihen- 
folge ein, wie diese entstanden sind. 
Der Wasserstrom kann daher jetzt 
von aufsen durch die durcligängig 
gewordenen Spalten in di«' Kopidaruj- 
hohle eiudriugeu und, iudem er an 
den Sehleimhautflächen vorbeiströmt, 
zur Atmung verwandt werden. Es 
entwickelt sich jetzt zu beiden Seiten 
der Schluudspulleu in der Schleim- 
haut ein oberflächliches, dich- «e™'«'- 
t es. kajdllares GefsHsnetz, dessen In- 
halt mit dem vorbeistromenden Wasser in (lasaustaiix li tritt, 
dem faltet sich die 
torischen Oberfläche 

gestellte Kiemenblattchen, die aofe reichste mit Blutgefäfimetzen ver- 
sorgt sind. Hiermit liat sich der vorderste, unmittelbar hinter dem 
Kopf gelegene Abschnitt des Darmkauais in ein für das Wasserleben 
berechnetes Atmungsorgan umgewandelt 

Bei den höheren, amnioten Wirbeltieren werden ftufsere und 
innere Schlundfurchen nebst den sie trennenden Schlundbogen, wie 




Fig. 179. i^ntalkonstruktion 
de« Mmidimelkeiaamiu» einet 

mensohliohen Embryo (Iii. Iiis) 
von 4,6 mm Naokenlänge. Aus lit«, 
Mentehl. Embryonen. Vergr. 80fRcli. 

Das Bild zeigt vier änfspre und 
vier innere Si lilinulturt lien mit den 
an ihrem ( i runde gelegenen Verschlufs- 
platten. in den durch die Furchen 
getrennten Schinndbogen sieht man 
(iie Qnorsclitiitte des zweiten bis 
fünften S« liliindbogengefafees. in- 
folge der Starkeren Entwicklung der 
vorderen Schlundbogen sind die hin« 
teren schon etwas nach einwirts 



Aufser- 

ISchleimhaut zur Vergrölseruug ihrer respira- 
in zahlreiche, dicht und parallel sueinander 



Digitized by Google 



182 



Neuntes Kapitel. 



schon hervorgehoben wurde, zwar ebenfalls angelegt, doch entwickeln 
sie sich bei ihnen niemals zu einem wirklich funktionierenden 
Atmungsapparat; sie gehören daher in die Kategorie der rudimen- 
tären Organe; auf der Schleimhaut entstehen keine Ki«MuenbIättchen 
mehr, ja es scheint nicht einmal stets und überall zur Bildung durch- 
gängiger Spalten zu kommen, indem sich zwischen den einzelnen 
Schlundbogen die dünne, epitheliale Verschlulsplatte in der Tiefe der 
äulserlich sichtbaren Furchen erhält. In diesen Verhältnissen, sowie 
auch in den gleich zu erwähnenden Verschiedenheiten in der Zahl 
der Schlundbogen sprechen sich die einzelnen Stadien eines Rück- 
bildungsprozesses aus, welchem der ganze Visceralapparat in der Reihe 
der Wirbeltiere unterworfen ist. 

Die Anzahl der zur Anlage kommenden Schlund- 
spalten ist in den einzelnen Klassen der Wirbeltiere eine wechselnde. 

Die höchste Zahl treffen wir bei 
den Selachiern, bei denen sie 
sich auf sechs, bei wenigen Arten 
sogar auf sieben und acht be- 
läuft. Bei Knochenfischen, Ani- 
])hibien und Reptilien sinkt die 
Zahl auf fünf. Bei den Vögeln, 
den Säugetieren und beim Men- 
schen (Fig. 178, 17'» u. 15*0 wer- 
den nur vier angelegt. W' i r 
können daher im allge- 
meinen sagen, dafs von 
den niederen zu den höhe- 
re n W i r b e 1 1 i e r e n eine Re- 
duktion der zur Anlage 
gelangenden Schlundspal- 
ton stattgefunden hat. 

Bei menschlichen Embryonen 
sind die Schlundfurchen am deut- 
lichsten zu sehen, wenn sie eine 
Länge von 3 — 4 mm erreicht 
haben (His). (Fig. 17s. 17l>.) 
Äulsere und innere Furchen sind 
hier tief eingegraben und von- 
einander nur durch eine dünne, 
epitheliale Vei-schlufsplatte ge- 
trennt ; sie nehmen von vorn 
nach hinten au Länge ab. Von 
den sie trennenden Schlundbogen 
ist der erste der stärkste . der 
letzte der schwächste ; sie bilden, 
im Frontalschnitt gesehen, zwei nach aliwärts konvergierende Reihen, 
so dafs der Miindrachenraum sich in das Darmrohr trichterförmig 
verjüngt. 

\' o II der vierten n t w i c k 1 u n g s w o c h e ab beginne n 
die S c Ii 1 u n d bogen dadurch, dafs die beiden ersten 
stärker wachsen als die folgenden, sich gegeneinander 
zu verschieben (Fig. ISO). „Ähnlich den Zügen eines Fernrohrs 
rücken sie," wie His bemerkt, „in der Weise übereinander, dals, von 




Fig. 180. Frontalkonstruktion dos 
Mundrachenraums eines mensch- 
lichen Embryo ^lif^, Um) von 11,6 mm 
Nackenlänge. Aus His, Menschliche 
Kuiltryoncn. Vergr. 12 fach. 

Der Oberkiefer ist perspektivisch, der 
Unterkiefer im Durchschnitt zu sehen. 
Die letzten Schhiiulbouen sind äufserlich 
nicht mehr zu sehen, da sie in die Tiefe 
der Ilaisbiicht gerückt sind. 



Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



183 



aulsen peseheu, der vierte Bogen zuerst vom dritten und dieser 
weiterhin vom zweiten umgriffen und zugedeckt wird, wogegen an der 
inneren, dem Rachen zugewendeten Flüche der vierte Bogen sich 
tlher den dritten, der dritte über den zweiten lagert." Demgemfifs 
wird die relative Länge des Mundrachenraums hei den illleren 
Kinhryonen geringer als hei den jüngeren. Infolge dieses ungleichen 
Wachstums, welches sich tlhrigens in ganz lllinlicher Weise auch hei 
Vogel- und J^augetier-Emhryonen abspielt, bildet sich eine tiefe (Irube 
an der Ühortlilche und am hinteren Bande der Kopf-Halsgegc>nd. die 
Halsbucht [Sinus cervicalis (Kabl), Sinus praecervicalis 
(His). (Fig. ISO u. m hb.) 

In der Tiefe und an der vorderen Wand der Halshucht lagern 
der dritte und der vierte Schlundbogen, die nun von aulsen her nicht 
mehr zu sehen sind. 
Den Eingang zu ihr 
begrenzt von vorn 
her der zweite 
Schlund- oder Zun- 
genbeiubogen {zh). 
Derselbe entwickelt 
allmählich nach hin- 
ten einen kleinen 
Fortsatz, welcher sich 
über die Halsbucht 
von aufsen herüber- 
legt und von Rathke 
und Babl mit Recht 
dem Kiemendeckel 
der Fische und Am- 
phibien verglichen 
worden ist. Der 
K i e m e n (1 e c k e 1 - 
fortsatz ver- 
schmilzt schliefs- 
I ich mit der seit- 
liehen Leibes- 
warid. Dadurch 
wird die H a 1 s - 
bucht, welche 
dem unter de m 

K i e m e n d e c k e 1 der Fische und A m j) h i b i e n g e 1 g e n e n 
und die Kiemenbogen bergenden Raum entspricht, zum 



hb 
zb 

0€ 




au 

ok 
»9 



Fig. 181. Menschlicher Embryo aus der Mitte 
der ffinften Woche von 9 mm Nackensteifslänge. 
Nafh Kabl. 

» SrheitellHu'ker, an Auge, ok OluMkiefer. uk Unter- 
kiefer, zh ZiuiKenbeinhogen, hh Hahltiuht (Sinus corvi- 
calis). »I// Nast-n^rubp, ne obere, ur untere Kxtreuiitut, 
mp Muskel platrtM) (Kumpfst'gnicnte). 



Verschlufs 
und Fig. H»<> 



gebracht, 
mit Fig. isi 



Man vergleiche Fig. 171» mit Fig. iso 



Die Entwicklung der Schlundspalten und der Ilulsbucht hat auch 
ein praktisches Interesse. Es kommen beim Menschen zuweilen in der 
Halsgegend Fisteln vor. die von aufsen verschirdcn weit nach innen dringen 
und sogar in die Hachenhöhle einmünden können. Sie sind von embryo- 
nalen Verhältnissen in der Weise abzuleiten, dals die Halshucht teilweise 
offen geblieben ist. Von hier kann heim Erwachsenen ein Weg noch in 
die Rachenhohle führen , wenn sich abnormerweise die zweite Schlund- 
spalte nicht geschlossen bat. 



Digitized by GoO' 



184 



KeuDtea Kapitel. 



IL Itonderang den Dariiirohr«i in cinxelne AbHchnitle und BUdniig 

der UekrÖse (Mesenterien). 

Anfänglich grenzt das Darmrohr in Ineiter Ausdehnunp (Fig. VM) 
i\u die dorsale Kunipfwand, mit der Chorda ich) und den ürsegmenteu 
(mä) durch einen breiten Streifen embryonalen Bindegewebes ver- 
bunden, in welchem die Anlagen der beiden primitiven Aorten (ao) 
einpcsrlilosson sind. l.inl<t' und icchte Leiboslirdile sind daher nach 
obrn iKtcli durch einen weiten Abstand voneinander getrennt. Dieser 
verringert sich, je älter der Embryo winl. unter Entwicklung eines 
Gekröses oder Mesenteriums, einer Bildung, welche sich in 
der ganzen Länge des Darmrohrs mit Ausnahme des vordersten Ab- 
schnitts in folgender Weise anlegt: Das Darmrohr entfernt sich weiter 
vou der Chorda ; hierbei wird der oben erwähnte, breite Streileu von 
Bindegewebe von links und rechts sehmftler, dagegen dorso-ventral- 
wärts verlängert: die in ihm eingeschlossenen biiden Aorten rüeken 
näher zusammen und verschmelzen schliefslich zu einem in der 
Mediaoebcne zwischen Chorda und Darm gelegenen, unpaaren Stamm. 
Bei weiterem Verlauf des Prozesses bleiben schliefslich Darmrohr und 
Chorda nur durch ein feines Band in Zusammenhang, das vom vorderen 
zum hint"r»^fi Ende des Embryo reieht. 

Die Sonderling des Darnirohrs in einzelne, hiuter- 
einandergelegeue, u n g 1 e ic Ii w er t ige Abschnitte beginnt 
mit der Entwicklung des Magens. In einiger Entfernung hinter dem 
mit den Schlundspp.tten versehenen, respiratorisclien Alv-^i Iniitt legt 
sich der Magen als eine kleine, spindelförmige l«]rweiterunji an, deren 
Längsachse mit der Längsachse des Korpers zusammeufiiUt (Fig. Iö2 
und 183 Mff), Solche Befunde erh&lt man bei menschlichen Embryonen 
der vierttMi Wuelie. Das ganze embryonale Eingeweiderohr läfst jetzt 
fünf hintereinander gelegene Abschnitte unterscheiden, die Mundliölile. 
die Schluudhöhle mit den Kienienspalten , die sich trichterföraag in 
die Speiseröhre verengt. Auf diese folgt der spindelig erweiterte 
Magen, auf diesen das übrige Darmrohr, das noch mit dem Dotter- 
sack in mehr oder minder weitem Zusammenhang steht (D'^) Mit 
Ausnahme der drei vordersten Abschnitte tiudet sich in der ganzen 
Lftnge des Darms ein Gekröse (Mesenterium); sein zum Magen 
gehender Teil wird noch besonders als Mesogastriuin unterschieden. 
Ein solcher Znstand erhält sieh bei manchen Fischen und Amphibien 
dauernd. Aucii beim erwachsenen Tier durchsetzt der Darm die 
Leibeshöhle in schwach gekrttmmtem Verlauf. Der Magen erscheint 
an ihm als eine s|)indelförmige Erweiterung. 

Eine Änderung wird hei allen höheren Wirbeltieren herbeigeführt 
durch ein mehr oder minder liet liichtliches Längenwachstum des 
Darms, hinter welchem die (irölseuzunahme des Rumpfes weit zurück- 
bleibt. Die Folge davon ist. dafs der Darm, um Platz in der Leibes- 
hühle 711 linden, sich in Windunuen le^en mufs. Hierbei bhiben 
ein/eine Strecken der Wirbelsäule ienäliert. während andere sich von 
ilir ent lernen. Erstere sind mit einem kurzen Mesenterium befestigt 
und daher minder beweglich, letztere haben ihr Aufhangeband toi 
der Laf^everänderuni^ /u einer zuweilen ganz ansehnlichen, dünnen 
Lamelle au>ge/ogen und iu demselben Mafse eine gröfsere Beweg- 
lichkeit gewonnen. 




Digitized by Google 



1 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



185 



Da die zum Teil recht komplizierten Entwicklungsprozesse durch 

vortrefflic he Arbeiten auch für menschliche Embryonen zur Genüge 
anfpjeklärt Wüiilen sind, können diese der Beschreibung zur Grund- 
lage dienen. In der fünften und sechsten Woche ist bei ihnen die 
hintere, der Wirbelsäule zugekehrte Fläche des Magens (l'^ig. gc) 
stark ausge1)uchtet, die vordere Wand {hc) dagegen, welche bei Er- 
öffnung der liiiiuhhöhle durch die sclion ansehnliche Lrh<M* bedeckt 
wird, ist etwa» eingedrückt. Eine Linie, welche Mageneiu^aug und 
-Ausgang (Cardia und Fylorus) an der hinteren Fläche verbindet, ist 
daher viel länger als die entsprechende Verbindungslinie an der 




BT RATiiKKsdH' Tasche, Uk Unterkiefer, Sri Schilddrüse, Ch ( htmLi ilnrsalis, 
Kk Kchikopfeingang. hunge, My Maaen.i' Pankreas, Lbg Lebergang, Ds Dotter- 
gang (DarmBtiei), AU Allantoisgang, W WotrrBcher Gang mit bervortretendem 

Nierengang (Ureter). Ii Bursn pelvis. 



Fig. 18;{. Eingeweiderohr eines menacliliclien Embryo (Iii, Uia) von 
4,86 mm Naokenlänge. Aus Iiis, Menschliche Kmhr.v<in< n. Yergr. 80fach. 
Lg LuDge, ilg Magen, P Pankrea», Lbg Lebetgäaget 'JJs Uutteigang(Darm8ti6l> 

vorderen Fläche. Letztere wird zur kleinen Gurvatur (Ac), die erstere, 
an welcher sich zugleich das Magengekrflse ansetzt, ist die spätere 
grofse Gurvatur (ge). 

Der auf den Magen folj^ende Abschnitt hat sich infolge stärkeren 
Längenwachstums in einzelne Windungen gelegt. Von dem Pylorus 
wendet sich das Darmrohr (du) erst eine kleine Strecke nach rflck- 

wiuts bis nahe an die Wirhrlsäule heran, biegt hier scharf um und 
bt-sch reiht eint» grofse Schleife, deren Koiivoxität nach vorn und ab- 
wärts nach dem Nabel zu gerichtet ist. Die Schleife besteht aus 



Digitized by Google 



18G 



MeuDtes Kapitel. 



zwei ziemlich parallel und nahe beisammen verlaufenden Schenkeln 
(f/' und d '), zwischen welchen sich das mit in die Lilnge ausgezogene 
Mesenterium (m.s) ausspannt. Der eine Schenkel (</') liegt vorn und 
steigt nach abwärts, der andere (d^) liegt hinter ihm und wendet 
sich nach aufwärts, um nahe der Wirbelsitule noch einmal umzu- 
biegen und. durch ein kurzes Mesenterium l>efestigt, in geradem Ver- 
lauf (/•) nach abwärts zum After zu ziehen. Die Übergangsstelle des 
ab- und aufsteigenden Schenkels oder der Scheitel der Schleife ist in 
den mit einer Aushöhlung versehenen Anfangsteil der Nabelschnur 
eingebettet . wo er durch den in Rtlckbildung begriffenen Dotter- 
gang (f/^) mit dem Nabelbläschen zusammenhängt. In einiger Ent- 
fernung vom Ursprung des Dotterganges bemerkt man am auf- 
steigenden Schenkel eine kleine Er- 
weiterung 
entwickelt 
darm und 
Stelle an, 
Dickdarm 



ge 




no 

Ultf 



m 

d 
P 

ms 

mci 
ac 



und Ausbuchtung {(P). Sie 
sich weiterhin zum Blind- 
deutet somit die wichtige 
an welcher sich Dünn- und 
gegeneinander abgrenzen. 
Infolge der ersten Faltungen lassen 
sich jetzt schon vier, sj)äter noch 
deutlicher gesonderte Darmteile unter- 
scheiden. Das kurze, vom Magen zur 
Wirl)elsäule laufende, zu dieser Zeit 
noch mit einem kleinen Mesenterium 
versehene Stück wird zum Zwölftinf:er- 
darni (du), der vordere, absteigende 
Schenkel (d^) nebst dem Scheitel der 
Schleife liefert den Dünndarm, der 
hintere aufsteigende Schenkel ent- 
wickelt sich zum Dickdarm (d^) und 
das zum letztennial wieder umbiegende 
Endstück zum S-Romanum und Mast- 
darm (r). 

Bei Embryonen des dritten und 
der folgenden Monate linden wichtige 
Lageveränderungen am Magen und 
an der Darmschleife in Zusammen- 
hang mit einem weiter vor sich gehen- 
den Längenwachstum statt. 

Di'r iSlagen erfährt eine zweifache 
Drehung um zwei verschiedene Achsen 
und nimmt dadurch frühzeitig eine 
Form und Lage an. welche an- 
nähernd dem bleibenden Zustand entspricht (Fig. iH'i u. 18«»). Ein- 
mal geht seine Längsachse, welche den Magenmund (Cardia) mit dem 
Pförtner (Pylorus) verliindet und anfangs der Wirbelsäule parallel 
gerichtet ist , infolge einer Drehung um die Sagittalachse in eine 
schräge und schliefslich in eine fast quere Stellung über. Dadurch 
rückt jetzt der Magenniund auf die linke Krtrperhälfte und nach al>- 
wärts, der Pförtner alwr mehr auf die rechte Körperhälfte und weiter 
nach oben. Zweitens erfährt der Magen gleichzeitig noch eine 
Drehung um seine Längsachse, durch welche die ursjjrttnglich linke 
zur vorderen und die rechte zur hinteren Seite wird. Infolge- 



du 



ff 



Kig. 184. Schematische Dar- 
stellung des Darmknnals eines 
sechswöchentlichen Embryo 
des Menschen. Nach Tolut. 

sp Speiserohre, kc kleine (Kur- 
vatur, (fc fffofse Curvatur, du Duo- 
denum . f/' Teil der Srhleife, der 
/um Dünndarm wird, (P Teil der 
Schleife, der zum Dickdarm wird 
und mit dem Coccum bef^innt, '/* 
Altpangs.stolle des Dotterüangs. mg 
Mesogastrium , ms Mesenterium, 
M» Milz. ;) Pankreas, r Mastdarm, 
ao Aorta, rl Coeliaca, mei .Mes- 
euterica inferior, ac Aorta eaudalis. 



Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



187 



dessen kommt die grofee Cumtur nach abwärts, die kleine nach oben 
zu liegen. Von den Lageveränderungen wird auch das Endstück der 
Speiseröhre initbetroffen. welches ebenfalls eine spirale Dreluinf; er- 
leidet, so diils die ursprUuglich linke zur vorderen Seite wird. Des- 
gleichen erklärt sieh hieraus die asymmetrische Lage der beiden 
Nervi vagi, von w( Irhen der linke an der vorderen, der rechte an der 
hinteren Seite der .Speiseröhre durch das Zwerchfell durchtritt und 
der erstere sich an der VorderHüche des Mageus, der letztere au der 
entgegengesetzten Wand ausbreitet. 

£inen tiefgreifenden Eintiul's übt die Drehung des Magens natür- 
lich auch auf sein Gekröse, das Mesogastriuni, aus und gibt den An- 
stois zur Entwicklung des grolseu l«ietzbeutels (des Omentum 
maius). Solange der Magen noch senkrecht steht, bildet sein Gekröse 




Fig. 185. Fig. 186. 

Fig. 185 u. Itfe. Sohemata der Bntwioklaxic dM menaohliolieai Dann- 
kanalfl und teines OekrftoeB. Fig. 18S firfiheres, Fig. 186 späteres Stadiam. 

;in firor>fr Nftzlintci der sich au!^ dem Me>o!ia>triiim (Fi^. 184 niti) ent- 
vickelu Der l'fuil betleutet 'l< n KingaDg in den Nctzhciitel (Hursa nnieutalis), 
^grofse Curvatnrdes Magen8, ii'i Gnllonirang (Ductus choledochui»). il» nnoilt nuiu, 
me» Mesenteriam, mc Mesocoloo, dd Dünndarm, di Dickdarm, md Mastdarm, dg 
Dotter^aog, bld Blinddarm, u-f Wurmfortsatz, k Kreuzuogsstelle der Darmschleife. 
Der Dickdann mit aeinem Mesocolon kreuzt das Duodenam. 

eine senkrechte Lamelle, welche sich von der "Wirbelsäule direkt zu 
der jt'tzt noch nach hinten gerichteten grolseu Curvatur ausspannt 
(Fig. l^O' Infolge der Drehung aber ist es stark ausgedehnt und 
vergröl'sei i I i sein Ansatz am Magen allen Verlagerungen (h sselben 
folgen mui>. Vom Trsjirung an der Wirbdsilule wendet es sich daher 
jetzt nach liuks uud nach unten, um sich au der grolseu Curvatur 
anzusetzen; es nimmt eine Form und Lage an, von welcher sieh der 
Leser leicht eine richtige Vorstellung bilden wird, wt nn er das 
Schema is.') mit dem Querschnittshild Fig. l^^T kombiniert. Auf diese 
Weise kommt ein von der übrigen Leibeshohle abgesonderter Raum, 
der grofse Netzbeutel (Bursa omentalis, Fig. 187 **) zustande, 
der seine Öffiiung nach der rechten Körix-rsclte zugekehrt hat und 
dessen vordere Wand vom Magen, ibssin liintere und untere Wand 
vom Mageugekröse {gn^^ gn^) gebildet wird. In den schematischeu 



Digitized by Google 



188 



Neuntes Kapitel. 



Fig. 185 u. 18«) wird der Eingang in den Netzheutel durch die Rich- 
tung des Pfeiles angedeutet. 

. Kine nicht minder eingreifende Drehung wie der 
Magen hat die Darnischleife mit ihrem Mesenterium um 
ihre Anheftungsstelle an der Lendenwirbelsäule durchzumachen. Der 
absteigende und der aufsteigende Schenkel kommen zuerst neben- 
einander zu liegen. Dann schlägt sich der letztere, welcher zum 
Dickdarm wird (Fig. 1S5), über den erstereu in schräger Hichtuug 
herüber und kreuzt den Aufangsteil des I) ünnd arms (Ar) 
in querer Richtung. Beide Teile, namentlich aber der Dünndarm, 
fahren am Ende des zweiten Monats fort, stark in die Länge zu 
wachsen und sich in Windungen zu legen. Hierbei gerät der Anfangs- 
teil des Dickdarms oder das Coecum, das im dritten Monat bereits 
einen sichelförmig gebogenen Wurmfortsatz erkennen läfst (Fig. IH-'i 
bl(1\ ganz auf die rechte Seite des Körpers nach oben unter die 
Leber; von hier läuft sein Anfaugsstück in querer Richtung über das 
Duodenum unter dem Magen zur Milzgegend herüber, biegt dann 



un ao nn m 




Fig. 187. Sohematischer Quer- 
schnitt durch den Rumpf eines 

menschlichen Embryo in der Qegond 
des Magens mit seinem Meso- 
gastrium, um die Bildung des Neta- 
beutels am Anfang des dritten Mo- 
nats zu zeigen. Nach Tuldt. 

nn Nebenniere, ao Aorta, / Leber, 
m Milz, p Pankreas, //m' Ursprung des 
grofeen N'etzes (Mesogastrium) an der 
Wirbelsäule, ffti'^ der au die grofse Magen- 
curvatur (//c) sich ansetzende Teil des 
grofsen Netzes, kn ifleines Netz, gc grofse 
Curvatur des Magens, • Vorraum und 
Höhle des grorsen Netzbeutcis. 



scharf um (Flexura coli Renalis) und steigt nach der linken Becken- 
gegend herab, um in das S-Romanum und Rectum überzugehen. 
Somit sind schon im dritten Monat am Dickdarm das Coecum, das 
Colon transversum und C. descendens unterscheidbar. Ein Colon 
ascendens fehlt noch. Dasselbe bildet sich erst in den folgenden 
Monaten (Fig. 180) dadurch aus, dal's der anfangs unter der Leber 
befindliche Blinddarm allmählich eine tiefere Lage einnimmt, sich im 
siebenten M<mat unteriialb der rechten Niere findet und vom achten 
Monat an über den Darmbein kamui herabsteigt. 

In dieser Zeit hat der Blinddarm (Coecum) an Länge zuge- 
nommen und stellt gegen Ende der Schwangerschaft einen ziemlich 
beträchtlichen Anliang an der Übergangsstelle des Dünn- und Dick- 
darms dar. Frühzeitig zeigt er eine ungleichmäfsige Entwicklung 
(Fig. I8ti hld). Das oft mehr als die Hälfte der Länge umfassende 
Endstück bh-ibt im Wachstum hinter dem sich stärker ausweitenden 
Anfangsstück zurück; ersteres wird als Wurmfortsatz («/ ). 
letzteres als Coecum unterschieden. Beim Neugeborenen ist der 
Wurmfortsatz vom Coecum nocli weniger scharf abgesetzt als einige 
Jahre später, wo er sich zu einem nur gänsekielstarken, (i — 8 cm 
langen Anhang umgestaltet hat. 

Innerhalb des von den Dickdarmwindungen umgrenzten Bezirks 
breitet sich der Dünndarm aus, der vom absteigenden Sckenkel der 



Digitized by Google 



Die OrsaM dM inaeran KeimbUttes. 



189 



Schleife abstammt, und legt sich miaige seines beträchtlichen Längen- 
wachstums in immer zahlreichere Sehlingen (Fig. 186). 

T'^rsi)rünglich sind alle Darniabsrhnittp vom Magen an durch ein 
gemeinsames Gekröse {Mesenterium commune) mit der Lenden- 
wirbelsäule frei beweglich verbunden (Fig. 185 u. 18Ü). Das Gekröse 
ist natorlieherweise durch das Lftngenwachstum der Darmschleife 
auch heeinfluIVt worden, indem seine Ansat/linie am Darm die Ur- 
•^ymingslinie an der Wirbelsäule (Radix meseuterii) um ein Vielfaches 
au Länge übertrifft und sich dabei nach Art einer Ilemdkrause in 
Falten legt. Eine derartige Anordnung der Gekrftse findet sich als 
bleil)ende Bildung bei vielen Snugetiereii, wie bei Hund, Katze etc. 
Beim Menschen aber wird vom vierten Monat an die Anordnung des 
(j^ekröses eine viel kuuiidi/Jertere, dadurch dals Verklebungs- 
und Ver waehsun gsprozesse einzelner Abschnitte der 
(i ek r öslamelle mit angrenzenden Partien des Bauch- 
fells, sei es von der hinteren Bauchwand, sei es von benachbarten 
Organen, stattäudcu. Sie betreffen das Auf hängeband des Duodeuum 
und des Dickdarms, welches in der ersten Hälfte der Embryonal* 
entwieklung stets vorhanden ist. 

Des Duod»Mium legt sich, die bekannte hufeisenförmige Krtlm- 
muug beschreii>eu(i, mit seinem Gekröse, in welches der Anfang der 
Baucbspeicheldrflse eingeschlossen ist, breit an die hintere Rumpf- 
wand an^und versehmilzt mit ihrem Bauchfell in ganzer Ausdehnung; 
aus einem beweglirhen ist es zu einem unbeweglichen Darmteil ge- 
wurden (Fig. 18« du). 

Der Dickdarm (Fig. ISO, 188 u. 189 besitzt noch im dritten 
Monat ein sehr langes . von der Wirbelsäule ausgehendes Auf h&nge- 
band welches nichts anderes als ein Teil des gemeinsamen Darm- 
gekrot^es ist, aber als Mesocolon {fnsc) besonders unterschieden 
wird. Infolge der oben beschriebenen Drehung der primitiven Darm- 
schleife ist nun nicht allein das Colon transvereum, sondern auch das 
zu ihm gehörige, ansehnliche Mesocolon (juer Qher das Knde des 
Duodeuum herü hergezogen worden; es versehmilzt hier eine btrecke 
weit mit letzterem und der hinteren Rumpfwand, gewinnt dadurch 
eine neue, von links nach rechts verlaufende, sekundäre Ansatzlinie 
(Fig. 189 m.sc) und erseheint so als ein vom gemeinsamen Darm- 
gekröse abgelöster Teil. Das Colon transversum {et) mit seinem 
Mesocolon {ntsc) trennt jetzt die Leibeshöhle in einen oberen Teil, 
welcher Magen, Leber, Duodenum und Pankreas einschliefst, und in 
einen unteren.. <]]■• Dünndärme begrenzenden Abschnitt. So erklärt 
sich aus der Entwicklungsgeschichte der auffällige Befund, dals sich 
das Duodenum, um aus dem oberen in den unteren Ilaumzugelangen 
und sich in das Jejunum fortzusetzen, unter dem quer ausgespannten 
Mesocolon hindurchtritt (Fig. 18<) u. 188 du). 

Auch am Auf hangehand vom Coecum und vom auf- und ah- 
steigenden Schenkel des Dickdarms tritt eine Verwachsung mit dem 
Bauchfell der Rumpf wand bald in mehr, bald in minder ausgedehnter 
Weise ein. Es sitzen daher die genannten Darmteile beim Kr- 
wachsenen bald mit ihrer hinteren Wand breit der Kumpfwand an, 
bald sind sie durch eiji mehr oder minder kurzes Mesenterium be- 
festigt. 

Ks Meiht jetzt noch übrig, auf die wichtigen Veränderungen des 
gr Olsen Netzbeutels einzugehen, mit dessen Entwicklung während 



Digitized by Google 



190 



Neuntes Kapitel. 



der ersten Kmhiyooalnionate wir auf S. 1H7 bekannt geworden sind. 
Der Notzl)eut<'l zeichnet sich einmal durch ein sehr beträchtliches 
"Wachstum und zw«Mtens dadurch aus, dafs er an verschiedeneu 
Stellen mit Nachl)arorganen verschmilzt. Anfangs reicht er nur bis 
zur grofsen Magencurvatur (Fig. 180 u. 187), an welche er sich an- 
setzt; aber schon vom dritten Slonat an vergröfsert er sich und legt 
sich über die unterhalb des Magens betindlichen Eingeweide herüber, 
zuerst über das Colon transversuui (Fig. 188 /7«', (fu^). dann über die 
gesamten Dünndärme (Fig, l8i» Der Beutel bi>steht , soweit 
er sich nach abwilrts ausgedehnt hat , aus zwei dicht übereinander 
befindlichen, durch einen sehr geringen Zwischenraum getrennten 
Lamellen , die an seinem unteren Rand ineinander umbiegen. Von 
diesen ist die oberflächliche, der vorderen Bauchwand zugekehrte 




Fig. 188. Fig. 189. 

Fig. 188 u. 1H9. Zwei Schemata zur Entwicklung des gn^ofsen ITetz- 
beutels Fig. IHH früheres, Fi<j. 189 f.i)ateres Stadium. 

sf Zwerchfell, / Leber, p Pankreas, mg Magen, {fc grofse Curvatur desselben, 
du Duodenum, lid Dünndarm, et Colon transversum, * Netzbeutel, kn kleines Netz, 
gn^ hintere, an der Wirbelsäule entsj)ringendc Lamelle des grofsen Nitzes, gn* 
vordere, an der grofsen Magen«iirvatur i^fj befestigte Lamelle des grofsen Netz- 
beutels, f/n" der über den Dünndarm gewueherte Teil des Netzes, gu* der das 
Pankreas einschlief^ende Teil des Netzes, mes Mesenterium des Dünndarms, mnc 
Mesocolon des Colon transver>utn. 

Lamelle an der Magencurvatur ((/c) liefestigt, die hintere, den Dilrmen 
aufliegende Lamelle findet an der Wirbelsilule ihren ursprünglichen 
Ansatz und schliefst hier den Hauptteil des Pankreas ein (Fig. 188 j) 
u. Fig. 187). In diesem Zustand erhillt sich der grofse Netzl>eutel 
bei manchen Säugetieren (Hund). Beim Menschen l)eginnt er schon 
vom vierten Embryonalnionat an Verwachsungen einzugehen (Fig. is«»). 
Die hintere Netzlamelle legt sich in grofser Ausdehnung auf der 
linken Körperseite der hinteren Bauchwand an und verschmilzt mit 
ihr (////'). s(» dafs ihre .\nheftungslinie an der Wirbelsäule seitlich 
auf den Ursprung des Zwerchfells rückt (Lig. phrenico-lienale). Nach 
abwärts gleitet sie über die obere Fläche des Mesocolon (tustc) und 
über das Colon transversum (et) herüber und geht mit l)eiden Ver- 
lötungen ein, mit dem ersteren schon im vierten Embi^onalmonat. 
Zur Zeit der (Jeburt sind die beiden Platten des über ' die Därme 



Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



191 



herübergewucherten Abschnittes des grolseii NeUUeutels, wie bei vielen 
Saugetieren, durch einen engen Spaltraum getrennt (Fig. 189 jm*); 
im ersten und zweiten Lebensjahr verschmelzen sie gewöhnlich zu 
einer einfachen Platte, in welcher sich Fetttrj&ubchen ablagern, 

LLL Eutwickluug der einzelnen On:HiH des Eingeweiderohr«. 

r>:i< finfat lit' LilnfjenwarhstiniK :iuf wt-lclirs (iic clion hespiix-lieuen 
^^cliliugeiihilduugen zurückzuluhren sind, ist nur ein und zwar keines- 
wegs das hauptsächlichste Mittel , durch welches die OherHUche des 
Darms vergröfsert wird. Einen viel betrftcbtUcheren Zuwachs erfährt 
seine OberHslche dadurch, dafs die ursprünglich glatte Kjiithclschicht 
Ausstfllpnnpen und Einstülpungeu bildet, nach dem liohliaum des 
Darms zu zahlreiche Falten, kleine Papillen und Zotten, iu der ent- 
gegengesetzten Richtung aber versehiedene Arten von kleineren oder 
gröfsercn Drüsen. 

Die zahlreichen Organe , die durch den Faltuniisnurbanismus 
gebildet werden, bespreche ich nach den Abschuitteu, lu welche das 
Eingeweiderohr eingeteilt wird, und beginne mit den Organen der 
Mundhöhle. 

A. Die Organe der Mundhohle: Z&hne, Zunge, Tonsille 

und Speieheldrflsen. 

I) Die Zahne sind iu morphologischer liiusicht jedenfalls die 
interessantesten Bildungen der Mundhöhle. Ihre Entwicklung, welche 
sich beim Menschen und bei den Säugetieren in einer keineswegs 

einfachen Weise vollzieht, wird verstäiKÜir!] r , wenn wir von den 
niederen Wirbeltieren ausgehen. Dean bei liineu kommea die Zfthne, 
welche sich bei den Sftugetieren nur auf den Kieferrftudem finden, 
noch an manchen anderen Stellen der Körperoberfläche vor; sie !h»- 
dock'-n l)oi vielen Arten nicht allein das Dach und den Boden der 
Mundhöhle und die luoeuHäche der Kiemenbogen in grofser Anzahl 
als Gaumen-, Zungen- und SchlundiAhue, sondern verbreiten sich auch 
ntti'h , dicht aneinandergereiht, über die ganze Haut und verwaudeln 
sie dadurch, wie bei den Selachiern, in einen krftftigen und zugleich 
biegsamen l'auzer. 

Die ZAhne sind, wie ihre Entwicklung bei niederen 
Wirbel t ieren in Oberzeugender Weise lehrt, ursprüng- 
lich n i (• h t > a ii d e res als verknöcherte Papillen der TT ;ni r 
und der .Schleimhaut, auf deren Oberfläche sie gelnldet wcrtkn. 
So entstehen z. B. bei jungen Selachier- Embryonen zuerst auf der 
Bonst glatten Oberfläche der Lederhaut, die vom emi)ryonalen Mesenchyin 
abstammt, kleine, zellenreiche Papillen und (li iii;,'en in dif tili k<' Kpi- 
<lermis hinein (Fig. ÜK) welche hierauf eiieuiails eine auf die 
Zahnbildung hinzielende \ eränderung erfährt; denn ihre die Papille 
nBmittelbar überziehenden Zellen waclisen zu sehr langen ("yliiulem 
aus und stellen ein Ortian dar, weit heni die Aliseheidun;: des Schmelzes 
obliegt, die sogenannte S c h ni e 1 z ni e m h r a n i l if^. I*.»<> .s-m). Durch 
weiteres Wachstum nimujt hierauf die ganze Anlage eine Form an, 
weiche dem späteren Hartgebilde entspricht (Fig. P»l). 

Nun beginnt der VerkniK herunpsprnzelV. Von den am ober- 
flächlichsten gelegenen Zelleu der Papille, der Odon toblasten- 



Digltized by Google 



192 



Neuntes Kapitel. 




Schicht (o) (Membrana eboris), wird eine dünne Lage von Zahn- 
bein (zb), das wie eine Kappe der Papille aufsitzt, ausgeschieden, 
(ileichzeitig beginnt auch die Schmelzmembran (.wj) ihre abscheidende 

Tätigkeit und über- 
'P zieht die Aulsenfläche 

der Zahul)einkappe 
(zb) mit einer festen, 
dünnen Schicht von 
Schmelz (.f). Auf 
die zuerst entstande- 
nen Schichten wenlen 
weiterhin immer neue 
aufgelagert, auf die 
Zahnbeinkapi>e von 
innen her durch die 
Tätigkeit der Odonto- 
blasten neues Zahn- 
bein, auf den Schmelz- 
flberzug von aulseu 
her durch die Schmelz- 
membran neuer 
Schmelz. So entwickelt 
sich ein immer fester 
und stärker werdender 
Zahnkörper, der sich 
mehr und mehr über 
die Oberfläche der Haut erhebt und mit seiner Spitze schliefslich den 
Epidermisüberzug durchbricht. Der Zahn gewinnt zuletzt noch eine 
bessere Befestigung in der Lederhaut dadurch , dal's sich Kalksjilze 
an der Fläche . wo das Zahnbein nach unten aufhört , in den olx^r- 
flächlicheu Bindegewebsschichten (Hi-) ablagern und eine Art von 
Bindegewebsknochen, das Zahnzement, hervorrufen. 



Fig. 190. Jüngste Anlage eines Hautzahn 
(einer Placoidschuppe) eines Selaohier-Embryo. 
:p /ahnpapille, sm Schnielznietnbran. 





Im 



Fig. 191. Liängsdurchschnitt durch eine ältere Anlage eines Haut- 
sahns eines Selaohier-Embryo. 

e Kpiilermis, unterste ."^l•hit•ht kubischer Kpidcrmiszellen, ifch Schleim- 
zcUen, /A' aus Hin»legcwel>slainellen /usainnicniiii'setztcr Teil der Lederhaut, 
Ih* oberfliii lilit ho Srhiclit der Lederhaut. z}i Zalin|tapille. o Odontoblasten, th Zahn- 
bein, s Schmelz, um Schiuelzmenibran, tiin Husalraenibran. 



Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



193 



Somit baut sich der fertige Zahn aus drei verkalkten Geweben 
auf, die aus drei besonderen Anlagen hervorgehen. Das Zahnbein 
nimmt aus der Odontoblastenschicht der Zahnpai>il]e (Mesenchyni), 
der Schmelz nimmt aus der epithelialen Schmelzmembran (Äufseres 
Keimblatt) und das Cement nimmt aus dem Bindegewebe der Um- 
gebung durch direkte Verknöcherung seinen Ursprung. Aufserdeni 
enthalt der fertige Zahn in seinem Innern eine Höhle, die von einem 
blutgefäfsreichen Bindegewebe (Pulpa), dem Rest der Papille, aus- 
gefüllt wird. Die Schmelzmembran geht, wenn sie ihre Aufgabe er- 
füllt hat, zugrunde, indem bei der Abscheidung ihre Cylinderzellen 
immer niedriger und schlielslich zu platten Schüppchen werden, die 
später abgestol'sen werden. 

Von dem eben beschriebenen, einfachen Bildungsmodus weichen 
l)ei den Selachiern die Zähne, welche, an den Kieferrändern gelegen, 
zur Nahrungszerkleinerung dienen, in einem wichtigen Punkte ab; 
sie uehuieD anstatt auf der freien Fläche der Schleimhaut mehr in der 



um zp Ä 



Fig. 192. Quer- 
schnitt durch 
den Unterkiefer 
eines Selachier- 
Embryo mit 
Zahnanlaeen. 

k Unt»Tkiefer- 
knorpel, zl /abn- 
Iciste, zp Zahn- 
papille, zb Zahn- 
bein, * Srhnielz, 
sm Schmelzmem- 
bran, b binde- 
gewei>ißerTeiI der 
Schleimbaut. 




Tiefe ihren Ursprung (Kig. 192). Die zahnbildende Strecke des Epi- 
thels der Mundschleimhaut hat sich als eine Leiste an der Innenfläche 
der Kieferbogen in das unterliegende Bindegewebe weit hineingesenkt 
u/ und stellt jetzt ein besonderes, von seiner Umgehung unterscheid- 
bares Organ, die Zahnleiste, vor. Der wichtige Unterschied wird 
dadurch bedingt, dafs bei der Entwicklung der Kieferzähne lebhaftere 
VViicheruugsprozesse stattfinden . einmal weil die Kieferzähne viel 
gröl'ser als die Hautzähne sind . dann weil sie rascher abgenutzt 
werden und daher auch durch Ersatzzähne rascher ergänzt werden 
müssen. Wie wir nun beim Studium der tierischen Eormbildung 
schon oft zu beobachten Gelegenheit hatten, treten Teile von Epithel- 
menibranen, wenn sie lebhafter wuchern, aus ihrer Umgebung lieraus 
und falten sich entweder nach aufsen oder nach innen ein. 

An derZahnleiste selbst ist derBildungsprozefsder 
Zahne de r se 1 be w i e a u f d er f re i en Hautoberfläche. An 
ihrer dem Kieferknorpel {k) zugewandten, äufseren Seite entwickeln 
sich zahlreiche, neben- und hintereinandergelegenc Papillen (-r/>), die 
wie die Hautpapillen in die Epidermis, so in das eingestülpte Epithel 
hineinwachsen. Dadurdi entstehen in der Tiefe der Schleimhaut 
mehrere Zahnreihen; vcm ihnen eilen die vordersten in der Entwicklung 
den tiefer gelegenen voraus und brechen zuerst aus der Schleimhaut 

O. Hertwig, Die Eloinonte »ler Entwickluinfslohro. i Aufl. 13 



Digitized by Google 



194 



Neuntes Kapitel. 



hervor, um in Funktion zu treten; nach erfolgter Ahnutzung werden 
sie ahgestolsen und durch die hinter ilinen gelegenen , etwas später 
entwickelten und daher jüngeren Ersatzzähne verdrängt. Ein Zahn- 
wechsel findet hei den Selachiern. sowie Uberhaupt bei den niederen 
Wirbeltieren während ihrer ganzen Lebensdauer statt; er ist ein 
unbeschränkter, indem in der Tiefe der Zahnleiste sich immer 
wieder neue Papillen anlegen (polyphyodont). Im Gegensatz hierzu 
ist der Zahnwechsel bei den höheren Wirbeltieren ein beschränkter 
und findet bei den meisten Säugetieren überhaupt nur einmal 
statt. Es werden an der Leiste hintereinander zwei An- 
lagen gebildet (diphyodont). eine für die Milchzähne und 
eine für die bleibenden Zähne. 

Beim Menschen beginnt dieZahnentwicklung schon im 
zweiten Monat des Embryonallebens. Vom Epithel der Mund- 
höhle senkt sich am Ober- und Unterkieferbogen, wie auch bei anderen 
Säugetierembryonen (Fig. UKt), eine Leiste (zl) (der Schraelz- 
keim älterer Autoren) in das zelleureiche , embryonale Bindegewebe 
hinein. Der Ort, von dem aus sie in die Tiefe geht (Fig. 193 u. 194). 



Fig. 19Ü n. 194. Zwei Stadien in der Bntwioklung der Zähne der 
Saugetiere. Schematisihe DurehHchnittc. 

zf Zahnfurclit?, zl Zahnlciste, unterster Teil der Zahnleibte, an welchem 
sich die Anlagen der Krsutzzaihne bilden, zp Zahnpapille, sm Scbmelzmembraa, 
sp Scbnielzpulpa, fie äufseres Kpithel des Scbnielzorgans , zs Zahnsikckcben, 
k knöcherne Zabnalveole. 

wird äufserlich durch eine Rinne, welche dem Kieferbogen parallel 
verläuft, durch die Zahnfurche (zf), gekennzeichnet. 

Anfangs ist die Zahnleiste Uberall gleichmäfsig dünn und mit 
glatter Oberfläche gegen ihre Umgebung abgesetzt. Von einzelnen 
Zahnanlagen ist auf Durchschnitten noch nichts zu sehen. Dann l>e- 
ginnen an der nach aufsen gewandten Seite der Leiste an einzelnen 
Stellen die Epithelzellen zu wuchern und in regeluiäfsigen Abständen 
voneinander so viele Verdickungen zu erzeugen, als Zähne entstehen 
sollen (Fig. 193 u. 195). Beim Menschen, dem 20 Milchzähne zu- 
kommen, beträgt ihre Anzahl je 10 im Ober- und Unterkiefer. Die 
Verdickungen nehmen nun die Form einer Kappe an (Fig. 194 u. 19<)) 
und lösen sich (beim Menschen von der 14. Woche an) nach und nach von 
«1(^1 AulsenHäche der Epithelleiste {zl) ab, mit Ausnahme eines Stranges, 
wclclu r mit ihr in einiger Entfernung von ihrer Kante in Zusammen- 
hang bleibt. Da die Epitliel Wucherungen mit der Abscheidung des 
Sclinirlzes in Beziehung stehen, haben sie den Namen der Schmelz- 
organe erhalten. Während der Veränderungen am Epithel ist auch 
das benachbarte Bindegewebe nicht untätig gebliel)en (Fig. U>3 u. 



Fig. 193. 





Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



195 



194). An der Basis jedes Schnielzorgans geraten die Bindegewebszellen 
in lebhafte Wucherung und erzeugen eine dem späteren Zahn ent- 
sprechend geformte Papille (zp). Diese wächst, wie die Papillen der 
Hautzähne in die Epidermis, in das Schmelzorgan hinein, welches 
eben dadurch die Form einer Kappe erhält. Darauf ditferenzieren 
sich in beiden Anlagen, soweit sie aneinander grenzen, die besonderen 
Schichten, von welchen die Bildung des Zahnbeins und des Schmelzes 
ausgeht: auf der Oberfläche der Papille (Fig. 194 zp) nehmen die 
Zellen Spindelform an und legen sich zu einer Art Epithelschicht, 
der Schicht der Zahnbildungszellen (Membrana eboris oder Elfenbein- 
haut), zusammen. Von selten des kappenartigen Schmelzorgans 



¥if(. 195. Ab- 
bildung eine« 

Waohsmodells 
▼om Epithelüber- 
sug und der Zahn- 
leiste des Ober- 
kierers eines 4 cm 
langen mensch- 
lichen Embryo. 
Ansicht von der dem 
Bindogewt'be zuge- 
kehrten Fläche Jes 
Kpitbels. DasBinde- 

§ewfbe ist nicht mit 
ar(;estellt. Vergr. 
12' «fach. Nach 
KOsi:. 




Z.L. Zahnleiste, L.F.L. Lippenfurchenleiste, L. Lippe, JI.I. u. //. Milch- 
incisiven, Cl. Milchcanin, Mm.I. u. //. Milchmolaren. 



wandelt sich die unterste Lage der Zellen, welche an die Papille 
unmittelbar angrenzt, zu sehr langen Cylindern um und wird zur 
Schmelzmembran (.fw) (Membrana adamantina). Letztere wird an 
der Basis der Papille allmählich niedriger und geht hierauf in eine 
Lage mehr kubischer Elemente (ar) tlber, welche die Oberfläche der 
Kappe gegen das Bindegewebe der Umgebung abgrenzt. Zwischen 
beiden Zellenlagen (dem äufseren und dem inneren Epithel Köllikers) 
machen die übrigen Epithelzelleu eine eigentümliche Metamor]ihose 
durch und liefern eine Art Gallertgewebe, die Schmelzpulpa (nj)); 
sie scheiden nämlich eine schleim- und eiweifsreiche Flüssigkeit 
zwischen sich aus und werden selbst zu sternförmigen Zellen , die 
durch Ausläufer zu einem feinen Netz untereinander verbunden sind. 
Die Schmelzpulpa ist im fünften bis sechsten Monat am reichlichsten 
entwickelt und nimmt dann bis zur Geburt in demselben Mafse wieder 
ab, als sich die Zähne vergröfsern. 

Das die ganze Anlage umhüllende Bindegewebe enthält reichliche 
Blutgefälse. von denen auch Sprosse in die l'apilh» hineindringen : es 
grenzt sich von der l'mgebung etwas ab und wird als Zahn- 
säckchen unterschieden (Fig. \\)A zu). 

Die weichen Zahnanlagen vergröfsern sich bis zum fünften Monat 
der F^mbryonalentwicklung und nelnnen hierbei die besondere Form der 
Zähne an, die aus ihnen hervorgehen sollen, der Schneide-, der Eck-, 

13* 



Digitized by Google 



196 



Neuntes Kapitel. 



J.L.} 



der Backzähne. Dann erst beginnt die Verknöcherung in derselben 
Weise wie bei den Hautzähnen (Fig. 197). Es wird von den Odonto- 
blasten (o) oder Elfenbeinzellen ein Zahnbeinkäppchen (rfe) aus- 
geschieden, welches gleichzeitig von seilen der Schnielzmenibran {sn\) 
einen dünnen Überzug von Schmelz (.«) erhält; hierauf lagern sich 
auf die ersten Schichten immer neue ab, bis die Zahnkrone fertig ist. 
T^nter dem Druck der letzteren atrophiert die Schmelzpulpa die 
beim Neugeborenen nur noch einen dünnen Überzug bildet. Die 
Painlle (r?/) wandelt sich in ein gallertiges, Blutgefäfse ig) und Nerven 
enthaltendes Bindegewebe um und füllt als sogenannte Pulpa die 



Fig. 196. Ab- 
bildang eine« 
Modells der 
durch Epithel- 
wucherung ent- 
standenen Teile 
der Zahnanla- 
gen aus der lln- 
kenUnterkiefer- 

halfte eines 
18 cm langen 

menschlichen 
Embryo. Nach 
KösK. Vergr. 
12 '/«fach. 

M.I. Anlage des 
ersten bleibenden 
Molaren, .\ndere 

Bezeichnungen 
vie in Fig. 195. 




Zahnhöhle aus. Je gröfser die ganze .\nlage wird, um so mehr hebt 
sie das die Kieferränder überziehende Zahntieisch in die Höhe und 
verdünnt es allmählich. Schliefslich bricht der junge Zahn beim Neu- 
geborenen durch und streift dabei den atrophisch gewordenen Rest 
des Schmelzorgans von seiner Oberfläche ab. 

.letzt ist auch die Zeit gekommen, in welcher die dritte feste Zahn- 
substauz, das die Wurzel einhüllende Cement, entsteht. Soweit näm- 
lich das Elfenbein keinen Überzug von Schmelz empfangen hat, be- 
ginnt (las angrenzende Bindegewebe des Zahnsäckchens (^.s), nachdem 
der Durclibruch der Zähne erfolgt ist, zu verknöchern und ein echtes, 
an SnAKrKYschen Fasern reiches Knochengewebe zu liefern , welches 
zur festeren Verbindung der Zahnwurzel mit ihrer bindegewebigen 
Umgebung beiträgt. 

Der D u r c h b r u c h der Zähne erfolgt gewöhnlich in der zweiten 
Hälfte des ersten Lel)eusjahres mit einer gewissen Regelmäfsigkeit. 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



197 



Zuerst brechen die inneren Schneidezähne des Unterkiefers im sechsten 
bis achten Monat durch; hierauf UAfieu nach eini{?eu Wochen die- 
jenigen des Oberkiefers nach. Die äurseren Schneideziihne erscheinen 
im siebenten bis neunten Monat, und zwar im Unterkiefer auch 
wieder etwas früher als im Oberkiefer. Meist zu Anfang des zweiten 
Lel)en8jahres kommen die vorderen Backzähne liervor, zuerst die des 
Unterkiefers; hierauf werden die Lücken in den beiden Zahnreihen 
ausgefüllt, indem in der Mitte des zweiten Jahres die Eck- oder Hunds- 
zähne das Zahntleisch durchbrechen. Zuletzt erfolgt im 2(». — 24. Monat 
der Durchbruch der hin- 
teren Backzähne, der sich 
aber auch bis ins dritte 
Lebensjahr verzögern 
kann. 

Aufserordentlich früh- 
zeitig, von der 17. Woche 
an. nehmen die Anla- 
gen der Ersatzzähne 
neben denen der 
Milchzähne gleich- 
falls von der Epithelleiste 
ihren Ursprung. Letz- 
tere nämlich ist von der 
Stelle an, wo sich die 
Schmelzorgane derMilch- 
zAhne von ihr abgelöst 
haben und nur durch 
einen Epithelstrang, den 
Hals, in Verbindung ge- 
blieben sind, noch weiter 
in die Tiefe gewachsen 
(Fig. 103 u.l94z/'). Hier 
treten alsbald nahe der 
Kante der Leiste (Fig. 
108 .wi*. z/j") abermals 
kolbenförmige Epithel- 
wueherungen und Zahn- 
papillen auf. die nach 
ionen von den Säckchen 
der Milchzähne gelegen 
sind. Aufserdem entwickeln sich die Schmelzorgane der hinteren 
Backzähne (der Molarzähne), welche keinem Wechsel unterworfen 
sind, sondern überhau])! nur einmal angelegt werden, am rechton und 
linken Ende der beiden Epithelleisten, die sich seitlich immer weiter 
ausdehnen. In der 17. W^oche legt sich der erste Molarzahn, im 
sechsten Monat nach der Geburt der zweite an. Der Weisheitszahn 
endlich entsteht durch Einstülpung einer Papille in das verdickte 
Leistenende durchschnittlieh erst im fünften Lebensjahre (R«»se). 

Die Epithelh'iste . an welcher somit alle Milch- und bleibenden 
Zähne nacheinander ihren Ursprung genommen haben, wird von der 
17, Woche an durch Wucherungen des Bindegewebes, zunächst im 
Bereich der Schneidezähne, hie und da durchbrochen und allmählich 
in eine siebartig durchlöcherte Platte umgewandelt (Rö.se). 




Fi);. 197. Durchschnitt durch die Zahn- 
anlage eines jungen Hundes. 

k Knöcherne Zabnulveole, .7> /ahn|)ai)ille, 
!l blut^eiu^^, o Odontoblastfnscliicht (KMrnuein- 
iiieinbran). zh Zahnbein, s Schmelz, sm Schmelz- 
iiieinbran, .r« ZahnHüci<chen, ap Scbniel/pnlpa. 



198 



Neuntes Kapitel. 



Die Verknöcheruug der zweiten Zahngeneration nimmt etwas vor 
der Geburt ihren Anfang. Es verknöchern die ersten grofsen Backzähne, 
worauf im ersten und zweiten Lebensjahre die Schneideziihne, Eck- 
zähne etc. nachfolgen. Im seclisten Lebensjahre sind daher gleich- 
zeitig 48 verknöcherte Zähne, und zwar 2() Milchzähne und 28 bleibende 
Zahnkronen . sowie vier noch zellige Anlagen der Weisheitszähne im 
Ober- und Unterkiefer enthalten. 

Im siebenten Lebensjahre beginnt gewöhnlich der Zahn Wechsel. 
Er wird dadurch eingeleitet, dafs unter dem Druck der heranwachsenden, 
neuen Generation die Wurzeln der Milchzähne einer Zerstörung und 
Aufsaugung auheimfallen. Man erhält hier genau dieselben Bilder 
wie beim Schwund des Knochengewebes, worüber die eingehenden 
Untersuchungen Köllikeks vorliegen. Es entstehen an den Zahn- 
wurzeln die bekannten HowsHiPSchen Grübchen, in welche grofse, 
vielkernige Zellen, die Ostoklasten oder Knochenzerstörer, 
eingebettet sind. Die Zahnkronen werden gelockert, indem sie den 
Zusammenhang mit den tieferen Bindegewebsschichten verlieren. 
Schlieislich werden sie dadurch , dafs die bleibenden Zähne unter 

Fig. 198. Schematisoher Durchschnitt 
zur Entwicklung der Milchzähne und 
der bleibenden Zähne der Säugetiere. 

Drittes an Fig. 193 u. 194 sich anscblieCseu- 
des Stadium. 

^/ Zabnfurche, gl Zabnleiste, A- knöcherne 
Zahnalveole, h Hals, durch welthen das 
Schmelzorgan des Milchzahns mit der Zahn- 
leiste zu^iimmetihHngt, z/* Zahn])a|)ille, ej»^ 
Zahnpapille des bleiltenden Zahns, :b Zahn- 
bein, K Schmelz, sm Schmelzmembran, $ut- 
Schmelzmembran des bleibenden Zahns, «;> 
Schmelzpulpa, seäuTheres Epithel des Schtiielz- 
organs, Zahnsackchen. 

Ausbildung ihrer Wurzeln aus den Kieferhöhlen hervorbrechen, in 
die Höhe gehoben und zum Ausfall gebracht. 

Die bleibenden Zähne treten gewöhnlich in folgender 
Ordnung auf. Zuerst erscheinen im siebenten Jahre die ersten Molares, 
ein Jahr später die unteren mittleren Schneidezähne, welchen die 
oberen ein wenig später nachfolgen: im neunten Jahre brechen die seit- 
lichen Schneidezähne durch, im zehnten Jahre die ersten I'rämolares. 
im elften die zweiten Präniolares. Dann erst kommen im zwölften 
und dreizehnten Jahre die Eckzähne und die zweiten Molares zum 
Vorschein. Der Durchbruch der dritten Molares oder der Weisheits- 
zähne unterliegt vielen Schwankungen; er kann im 17. Lebensjahre 
erfolgen, sich aber auch bis zum :?(>. verzögern. Zuweilen erhalten 
die Weisheitszähne überhaupt keine vollständige Ausbildung, so dafs 
auch «las Hervorbrechen ganz unterbleibt. 

l2) Die Zunge entsteht nach den Untersuchungen von His bei 
menschlichrii Enibry»»nen aus einer vorderen und einer hinteren 
Anlage (Fig. IW). Die vordere Anlage (7\ /;//;).) erscheint sehr 
frühzeitig als ein kleiner un paarer Höcker (Tuberculum impar, His) 
an dem l'.oden der Mundhöhle in dem von den Unterkieferwülsten 




Digitized by Goo 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



199 



nrnfaf^ten Ramn. Sie wird zum Körper ond zur Spitze der Zunge, 
indem sie hald beträchtlich in die Breite wächst und sich mit ihrem 
▼orderen Hand frei tlber den Unterkiefer hervorschiebt (Fig. 2(>o). 
Auf ihr erheben sich am Anfang des dritten Muuats (Uis, KOllikek, 
Hintzb) bereits schon einzelne Papillen. Die hintere Anlage 
(Fig. 199 P.Z) geht in die von Paiullen freie, (ia^^t gon mit BalgdrQsen 
reithlich versehene Zungenwurzel (Iber. Sie entwickelt sich aus zwei 
Wülsten in der Gegend, wu der zweite und dritte Schlundbogeu in 
der Medianehene zusammentreffen. Vordere und hintere Anlage 
(Fig. 2(»0) vereinigen sich in einer nach vorn offenen, V-förmigen 
Furche, die sich lange Zeit erhält. An dersellxMi entlang legen sich 
die umwallteu Tapillen auf dem Körper der Zuu^e an. Wo die beiden 
Schenkel des Y zusammenstof^, itndet sich eme tiefe Grube, das 
Foramen eoecum, welches von His mit der Entstehung der gleich 
zu bespredienden Schilddrase in Beziehung gesetzt wird. 



^ r.tinfiL 




Fig. 199. Fig. 900. 

Fi;;. 199. Mamdbod«! tinn in«iiielilioli«ii Bmbvyo. Naeh W. H». 

T.imp. Taberculum impar (vordere Zungenanlage), P.2b hintere Zungenanlage. 

P ig. 200. Zunge eines menschlichen Snabryo von ca. 80 mm Naokon- 
länge. Nach II», Menschliche Kmbrj'onen. 



Die BalgdrflseB der Zunge entwiclteln sich hei m« um lilichen 
Kmbryonen d» s achten Monats. In der Umgebung der Ausfall rgftnge 
einzelner Schleimdrüsen wandern aus den Venen Leukocvten in all- 
mählich steigender Menge iu das hbniiare Bindegewebe ein und ver- 
wandeln es in retikiüäre Bindesubstanz (StOhr). 

3) Die Anlage der Tonsille läfst sich schon bei sehr jungen 
menschlichen Embryonen in einer kleinen Vertiefung erkennen, die, 
zwischen zweitem und drittem Schlundhogen gelegen und von einer Fort- 
setzung der Muuilhöhleuschleimhaut ausgekleidet, der zweiten inneren 
Schlundtasche entspricht. Vom vierten Monat an treibt das Epithel 
zueilt hohle, später auch solide Sprossen, die sich erst nachträglich 
aushöhlen, in das unterliegende tibrilliire Bindegewt-be hinein. Gleich- 
zeitig dringen in dieses Leukocyteu aus den Blutgefäisen und be- 
ginnen PS in der Umgebung der epithelialen Hohirftnme diffus zu 
infiltrieren. Erst nach der Geburt, im Verlauf des ersten Lebens- 
jahres, kommt es dann zu einzelnen dichteren Ansammlungen von 
Leukoc) teu und zur iSonderung wahrer Follikel (Ötöhk). ' 



Digitized by Google 



200 



Neuntes Kapitel. 



4) Die SpeicheldrÜHeii sind bereits schon im zweiten Monat nach- 
weisbar. Zuerst erscheint die Anlage der Submaxillaris bei sechs 
Wochen alten menschlichen Embryonen (Chikvitz), später die Parotis 
in der achten Woche und zuletzt die Subungualis. 



B. Die ans dorn Sehl und darni entstehenden Orirane: 
Thymus, Schilddrüse, Kehlkopf und Lunge. 

Wfihrend bei den kiemenatmenden Wirl)eltieren die Scliluud- 
spalten zeitlebens sich erhalten und zur Atmung dienen, schlieiseu 
Sie sich bei allen Amnioten, sowie teilweise auch bei den Amphibien 
vollständig. Eine Ausnahme macht nur die erste, zwischen Kiefer* 
und Zungenbeinbogen gelegene Sjjalte. die, zur Paukenhöhle und 

Ohrtrom]>ete umgebildet, in den Dienst des Gehör- 
organs tritt, wo sie uns spftter noch beschäftigen 
wird. Ganz spurlos verschwinden indessen aiirh 
die tlbrigen Schlundsi»alten niciit. Aus Eiiithel- 
streckeu derselben entstehen mehrere drüsige, 
in ihrer Funktion noch rätselhafte Organe der 
Halsgegend, die Thymus, die SchilddrOse und 
die postbranchialen Körperchen, 

1) Die Thymus leitet sich heim Menschen 
und bei den Säugetieren von einer ventraleu 
Ausbuchtung des Epithels der dritten Schlund- 
spalte her und ist in ihrer ersten Anlage schon 
bei mensclilichen Embrjonen von o mm Liinge 
zu beobachten. Beim Verschlui's der Spalte 
bildet sich ein Iftnglicher Epithelstreifen mit 
einem sehr engen Hohlraum und einer ziemlich 
dicken, aus vielen lilnglichen Epithelzellen zu- 
sammengesetzten Wandung; er wächst nach ab- 
wärts dem Herzbeutel entgegen und beginnt an 
diesem Ende nach Art einer traubenförniigen 
Drüse zahlreiche rundliche Seitenftste zu treiben 
^Fig. 201 c) (KOllik£k). Diese sind von Anfang 
ihrer Entstehung an solid, während der am 
Hals gelegene, schlauchartige Teil (o) immer 
noch einen engen Hohlraum erkennen läfst. Die 
Sprossung dauert noch längere Zeit fort und 
greift dabei auf das entgegengesetzte Ende des 
ursprünglich einfachen Drttsenschlauchs über, bis 
das ganze Organ den ihm eigentümlichen, lappigen 
Bau angenommen hat. Gleichzeitig geht auch eme 
histologische Metamorphose vor sieh : lymphoides 
Bind^ewebe und Blutgefsirse wachsm in die dicken 
Epithelwandungen hinein und vernichten allmilhlich das einer acinösen 
Drüse gleichende Aussehen. Mehr und mehr gewinnen die lymphoiden, 
aus der Umgebung abstammenden Elemente beim GrOl^erweraen des 
Organs die Oberhand; die Epithelreste sind schliefslich nur noch in 
den IlAssALi.sclien konzentrischen Körpern aufzntiiiden. Die ursprüng- 
lich vuriiandene. von der Einstülpung herrührende Höhlung seht ver- 
loren, und dafür erscheinen spftter neue, wohl durch Erwddhnng des 
Gewebes entstehende, unregelmttfeige Hohlraumbildungen. 




Fig. 201. Thymus 
eine« Kaainohen- 
Embryo von 16 Tm- 
gen. Vergröbert. Nach 

KöLUUB. 

a Thjrtnuskanal , <> 
oberes, c unteres Ende 
des Organs. 



Digitized by Google 



Die Organe des iniMren Keimblattes. 



201 



Das weitere Schicksal der Thymus beim Menschen läfst zwei 
Perioden, eine der fortschreitenden und eine der rQckschi t iteuden Ent* 
Wicklung, erkennen. Die erste IVriode reicht etwa Itis in das zweite 
Lrhensjahr hinein. Die Thymus der linken und rechten Seite rücken 
bei ihrer Vergrölserung in der Medianebene dicht zusamnien und ver- 
schmelzeD hier zu einem unpaaren, lappigen Organ, dessen doppelter 
Ursprung sich mir noch (liuliircli kundgibt . dafs es gewöhnlich aus 
zwei, durch Bindegi'wehe getrennten Seiteniiiilften zusammengesetzt 
ist. Es liegt vor dem Herzbeutel und vor den grol'sen üefäl'seu hinter 
dem Bmstbein und verlängert Bich oft nach oben in zwei Hörner, die 
bis zur Schilddrüse reicben. Die zweite Periode zeigt uns das Organ 
in rückschreitender Metamorphose, die meist zu einem vollständigen 
Sjichwund führt, worüber das Nähere in den Lehrbüchern der Gewei>e- 
lehre nachzulesen ist. 

2) Die Schilddrflse findet sich an der vorderen Fläche des Halses 
und entwickelt sich in allen Klassen der Wirbeltiere in einer ziem- 
lich übereinstimmenden, typischen Weise aus einer uui>aareu, kleinen 
Ansbacbtung im Epithel der vorderen Schlundwand in der Median- 
ebene und in der Gegend des zweiten Schlundbogens, in welcher au( Ii 
die oben rrwähnte (S. l!<!i) hintere Anlage der Zunge gebildet wird. 
Sie löst sieb darauf vollständig von ihrer Ursprungsstätte ab und 
verwandelt sich bei dem Mensehen und den SAugetieren in ein mit 
enger Höhle versehenes Bläschen, das später seinen Hohlraum einbüfst. 

An der Abschnnrungsstelle in der Gegend des sj):lteren Zuugen- 
grundes bleibt beim Menschen eine kleine Grube, das Foramen coecum, 
bestehen und setzt sich zuweilen sogar noch beim Erwachsenen in 
ein bis 2V3 cm langes, nach der Schilddrüse hinführendes Epithel- 
rohr, den Ductus lingualis oder thyreoglossus fort (His). 

In der weiteren Entwicklung der Schilddrüse sind zwei Stadien 
£u unterscheiden. Auf dem ersten Stadium wächst das Bläschen in 
zahlreiche ^lindri- 
sche Stränge aus. die 
wieder seitliche Knos- 
pen treiben (Fig. 202). 
indem sich diese unter- 
einander verbinden, 
entsteht ein Metzwerk, 
in dessen liOcken sich 
Gefäfhsprossen mit em- 
bryonalem Binde- 
gewel)e ausbreiten. 
Beim Hahnchen findet 
man die Schilddrüse 
auf diesem Stadium 
am neunten Tage der 
Bebrütung, bei Kanin- 
chen-Embryonen, wenn 
sie etwa 16 Tage alt 
sind , l)eim Menschen 
im zweiten Monat. Auf 
dem zweiten Stadium 
zerfällt das Netzwerk der Epithelbalken dun li einwachsendes em- 
bryonales Bindegewebe (Fig. 203) in die für die Schilddrüse charak- 




Kip. 20-, Rechte Halfto der Schilddrüse eiBes 
Schweine-Embryo von 22,5 mm Soheitel-Steifs- 
lange. Nach Bohs. Voifjr. BUfach. 

LS Laterale, postbranchial« Körperchco, MS Schild- 
drfise, g Blutgeialse, (r Trachea. 



Digitized by Google 



202 



Neuntes KapiteL 



teristischen Follikel. Diese Ter^rseni sich spAter, nameDtlieh beim 

Menschen dadurch, d&k von den Epithelzellen kolloide Substanz in 

beträchtlicher Menge in don Hohlraum ausgeschieden wird. 

3) Die postbrauciiialen Körperchen tinden sich, wie iu vielen 
Wirbeltierklassen , so auch bei den Säugetieren und beim Menschen. 
Sie entstehen hier durch Ausstttipnngen aus der Wand der letzte n 

Schlundspalte (Boi;n). wt'lche sich 
zu Bläschen abschuUreu. Da sie 
sich weiterhin der SchilddrQse an- 
lagern, wurden sie von WöLFLRR, 
Stieda und Bokn als paarige 
Anlagen derselben, Nebenschild- 
drüsen, die sich zur unpaaren 
hinzugesellen, gedeutet. Verddn 
und Maithku traten dieser Ansicht 
neuerdings entgegen, da die uost- 
branchialen Körper kein Scnild- 
drfisengewelK} liefern und sich 
meist rürkl)il(len sollen. Ganz 
geklärt ist diebachlage noch nicht. 
Hierüber sowie über das Vor- 
kommen noch weiterer Epithel- 
körprrchon . die vom Kienien- 
spaltengehiet abstammen, sowie 
über die Karotidendrüse vergleiche man den Artikel von Mai rer in 
Hektwigs Handbuch der vergl. und exp. Entwicklungslehre. 

4) Die Lunge mit ihren AusfUhrwcgcn (Kelilkopf und Luftröhre) 
entwickelt sich aus dem Schlunddarm, einer ge]api)teu Drüse ver- 
gleichbar, in einer, wie es scheint, für alle amnioten Wirbeltiere 
ziemlich übereinstimmenden Weise. Unmittelbar hinter der unpaaren 
Schilddrtisenanlaj^e (Fig. 1SJÄ7) cutstolit an der ventralen Seite des 
Schluuddurms als Anlage der Luftrolire eine Rinne {Kk), welche an 
ihrem proximalen Ende ein wenig ausgeweitet ist. Beim Hühnchen 
wird sie schon am Anfang des dritten Tages, beim Kaninchen am 
zehnten Tage nach der Befruchtung und beim menschlichen Embryo 
von .'3,2 mm Lituge bemerkliar. Hierauf wachsen aus ihrem erweiterten 
hinteren Ende (Fig. 182 u. 183) zwei kleine Schläuche (Lg), die An- 
lagen der beiden Lungenflügel, nach beiden Seiten hervor (beim 
Hühnchen in der Mitte des dritten Tages) ; zugleich schnürt sich die 
ventrale Kinne vom oberen Teil des Schluiiddarms, welcher zum An- 
fang der Speiseröhre wird, von hinten nach vorn melir und mehr ah, 
bis auf eine kleine Stelle, welche zum Eingang des Kehlkopf!» wird. 
Letzterer lilfst sich beim Menschen am Ende der fünften Woche als 
eine Anschwellung am .\nfang der Luftrölirenanlage unterscheiden; 
seine Knorpel erhält er schon iu der achten bis neunten Woche. 

In der Umwandlung der primitiven Lungenschläuche, die, in eine 
dicke Schicht embryonalen Bindegewebes eingehüllt, in die vordere 
spallforniige Verlängerung der Leibeshöhle Iiineinreichen, sind zwei 
Stadien beim Menschen und hei den Säugetieren zu unterscheiden. 
Das erste Stadium beginnt damit, dafs sich der Sehlauch verlftngert 
und am Ursprung aus der Luftröhre verdünnt, am anderen Ende 
dagegen erweitert. Dabei treibt er nach Art einer alveolären Drüse 
[beim Menschen vom Ende des ersten Monats au (His)] hohle Aus- 



Digitized by Google 




r 

Fig. 203. Schnitt durch die Schild- 
drÜBO eines Schaf-Embryo von 6 cm. 
Narli W. Mlii.ku. 

8ch Scblauchtoniiige Drüseiianlaigcn, / in 
Bildung begriffene DrüseDfoliikel, 2« inter- 
stitielleB Bindegewebe mit BlatgefiUBen(9)^ 



I>ie Organe des inneren Keimblattes. 



203 



stülpungen, welche in die dicke Bindegewebshülle hineinwachsen und 
sich an ihrem blinden Ende wieder zu Bläschen erweitern. Die erste 
Sprossenbildung ist auf beiden Seiten eine unsymmetrische 
(Fig. 204). indem der linke Lungenschlauch zwei, der 
rechte drei knospen artige Auftreibungen liefert. Hier- 
mit ist von Anfang au ein wichtiges Verhältnis in der Architektur 
der Lunge festgestellt, nämlich die Sonderung des rechten Flügels 
in drei, des linken in zwei Hauptlappon. 

Die weitere Sprossung ist eine ausgeprägt dichotome (Fig. 180 
u. 2u5). Sie geschieht in der Weise, dals jedes Endbläschen (primi- 
tives Lungenbläschen), welches anfangs kuglig ist, sich an seiner 
der Anheftung gegenüber liegenden Wand abplattet und einschnürt (1b). 
So sjmltet es sich gleichsam 
in zwei neue Lungenbläschen, 
die sich dann weiter in einen 
längeren Stiel(Seitenbronchus) 
und eine kuglige Erweiterung 
sondern. Indem sich ein der- 
artiger Sprossungsprozefs noch 
längere Zeit, beim Menschen 
bis in den sechsten Monat, 
fortsetzt, entsteht ein kom- 
pliziertes Kanalsystem , der 
Bronchialbaum, der links und 
rechts mit einem Hauptbron- 
i'hus in die Luftröhre ein- 
mündet und an seinen immer 
feiner werdenden Endzweigen 
mit koll)en förmigen Erweite- 
rungen, den primitivenLungen- 
bläschen. besetzt ist. Letztere sind zuerst nur an der Obertläche des 
Lungenflügels gelegen, während das Kanalwerk die Mitte einnimmt. 
Während der Sprossung rücken die an Volum sich vergröfsernden Lungen 
weiter nach abwärts in die Brusthöhlen hinein, treil)en die seröse Aus- 
kleidung derselben vor sich her (Fig. 204 bf) und erhalten auf diese 
Weise ihren Brustfellüberzug (die Pleura pulmonalis oder das viscerale 
Blatt der Pleura); sie kommen dabei mehr und mehr links und rechts 
vom Herzen zu liegen. 




Fig. 204. Konstruktionsbild der Lun- 
genanlage von einem menBchliohen 
Embryo [Pr Um) von 10 mm Nacken- 
länge. Nach Iiis. 

ir Luftrcihre, br rechter Bronchus, 
Sj)eiseröhre, bf bindcgi-webige Hülle und 
Serosa (Brustfell), in welche die ej>itheliale 
Liingenanlago hineinwächst, O, M, U .\nlage 
des rechten oberen, des mittleren, des unteren 
Lungenlappens, O*, (7' Anlage des oberen 
und di's unteren Lappens von der linken Lunge. 



Fig. 205. Konstruktiona- 
bild der Lungenanlaia^e von 
einem älteren menschlichen 
Embryo (N Iiis). Nach His. 
Vergr. 50 fach. 

A]t .Xrteriii pulmonalis, Ir 
Luftrohre, /«/* Speiserohre, Ib 
Lungenbläschen in Teilung, O 
rechter oberer Lungenlap]ifn 
mit zuführendem, cparteriellcm 
Broiii hiis, M, V rechter mitt- 
lerer und unterer Lungcii- 
lappen,0' linker oberer Lunuen- 
lappen mit zuführendem, hyp- 
arteriellem Bronchus, W linker 
unterer Lungenlappen. 




Digitize^ by Google 



204 



Neuntel Kapitel 



Auf dem zweiten Stadium nimmt das bis jetzt nach dem Typus 
einer traubenidmigen Drüse gebaute O^fw die charakteristische 
Lungenstruktur an, beim Mensi lien vom sechsten Monat an. Es ent- 
stehen an den feinen Endröhrcheu des Bronchialbaumes, den Alveolar- 
gangen, sowie an ihren endständigen, blasenartigen Erweiterungen 
dicht beieinander sehr zahlreiche, kleine Aussackungen, welche sieh 
im Unterschied zu früher von fier Ursprunfrsstelle nicht abschnüren; 
sie stellen die Luftzeilen oder Lun ge n a 1 vfM>l en dar, deren 
Gröfse l>eim Embryo eine drei- bis viermal geiuigere als beim Er- 
wachsenen ist 

Die epitheliale Auskleidung der T.un^^e bildet sich in den 
einzelnen Abschnitten wahrend der Entwicklung in verschiedener 
Weise um. Im gesamten Üronchialbauiu nehmen die Epithelüelieu 
an Hühe zu, gewinnen teils eine eylindrisehe , teils eine kubiaehe 
Form und bedecken sich vom vierten Monat an (Köluker) auf ihrer 
freien Oltertiaclie mit Flininiern. In den Luftbläschen dagetren ))latten 
Bich die nur in einer Schicht angeordneten Zellen mehr und mehr ab 
und werden heim Erwachsenen so dOnn, dafs man froher das Vor- 
handensein eines Epitlielüberzugs ganz in Abrede stellte. Sic nehmen 
dann eine ähnliche Beschattenheit wie Endotheizellen in: wir )»ei 
diesen sind ihre gegenseitigen Grenzen nur nach Behandlung mit 
dfinnen SilberlOsungai nachauweisen. 

C. Die aus der Wand von Magen und Darm 
entstehenden Organe. Leber und Pankreas. Kleinere 
Drttsen. Follikel und Zotten. 

1) Die Leber. In dem Abschnitt, der über die Leber handelt, 
ist nicht nur auf die Entwicklung des Drtlseuparencbyms, sondern 
auch der verschiedenen Leberb&nder einzugehen; mit diesen ist sogar 
zu beginnen, da sie sich von einem Gebilde herleiten, welches ent- 
wicklungsgeschichtlich älter als die Leber ist, nämlich von einem ven- 
tralen Mesenterium oder Darmgekröse. Ein solches sollte 
man im Hinblick auf die paarige Entstehung der Leibeshohle in der 
ganzen Lllnge des Darmkanals an seiner ventralen Seite in derselben 
Weise wie an seiner Rnckenseite entwickelt finden. An tatt dessen 
trifft man es nur an einer Strecke, welche vom Schlund l>is zum 
Ende des Zwölffingerdarms reicht, und gewinnt es hier eine besondere 
Bedeutung noch dadurch, dafs in sein Gewebe mehrere ansehnliche 
Organe eingebettet werden: nach vorn das Herz mit den das Blut 
zu ihm zuri^ckfuhreuden Gefäi'sen, mit dem Endstück der Venae 
omphalomesentericae und der Vena umbilicalis, unmittelbar dahinter 
die Leber mit ihrem AusftlhrgaDg und ihren Gefäflsen. 

Der Teil, welcher auf einem frühen Entwicklungsstnfiinni (Iis 
Herz einschliefst, heifst Mesocardium autcrius und posterius utter 
Herzgekröse (siehe Herzentwicklung); der nach hinten sich an- 
schliefsende Abschnitt (Fig. 200) mag, da er von der kleinen Kurvatur 
des Magens und von dem DuodiMium (du) zur vorderen llumpfwaiid aus- 
geht, als vorderes Magen- und Duodenal gek röse {Ihd-i-h) 
besonders unterschieden werden. Zu ihm verlaufen in der vorderen 
Bauchwand und von der Seite her die weiten Venae omphalomes- 
entericae, um in den Venensinus des Herzens einzumünden. Sie er- 
zeugen dabei eine in die Leibeshühle weit vorspringende Falte, die 




Digitized by Google 



Die OrguM de« inneren KeimbUttes. 



205 



senkrecht zum ventralen DarmgekrOee stebt, das wichtige Septnm 
transversum, mit welchem wir uns im XII. Kapitel bei der Ent- 

wirklniig des Zwerchfells noch eingehiMider beschäftigen werden. Auf 
diese Weise kommt eine zellenreiche Gt>wel)suias&e zustande, welche 
sich zwischen Bauchwand und die genannten Darmabschnitte hinein- 
schiebt und die Lv i s höhle in dieser Gegend auch später 
als eine paarige Bildung erscheinen Iftfst. 

Im vorderen Darmgekröse beginnt sich die Leber schon sehr 
frühzeitig nach einem Schema zu entwickeln, welches in der Reihe 
der Wirbeltiere nur einige unwesentliche 
Modifikationen zeigt. Überall bildet sich 
zuerst an der ventialm Wand des Duo- 
denum eine longitudiiiale, rinnenförmige 
Ausbuchtung, weiche in das ventrale Mes- 
enterium eindringt und nach vorn fast bis 
an den 8inus venosus des Herzens heran- 
reicht (Fig. 70 1). In dieser einfachsten Form 
erhftlt sich die Leber dauernd beim Amphi- 
oxus laiicoolatus, bei welchem sie unmittel- 
bar hinter der Kit inenregion als Anhang 
des I)armkanalf> aufzufinden ist. 

An der primitiven Leberanlage kann 
man bald, wie die sdiönen Untersuchungen 
von Bkachkt erfieben haben, einen vorderen 
und einen hinteren Abschnitt als Pars 
hepatica nnd Pars cystica voneinander 
unterscheiden. Der erstere liefert durch 
Wucherungen seiner W^and das Parcnchym 
der Leberzelleu, der letztere dagegen wird 
m der Gallenblase und ihrem Ausführnnss- 
gang. Beide beginnen sich voneinander 
dadurch deutlicher zu sondern , dafs sie 
als Schlauche aus der rinnenförmigen Ausbuchtung hervorwachsen. 

Im weiteren Fortgang der Entwicklung sehnQrt sich die als 
primitive Leberanlage oben beschriebene Rinne von vorn und hinten 
von der Darmwand ab und wandelt sich in einen breiten . kurzen 
Stiel, den Ductus choledochus, um. Mit ihm bleibt die vordere An- 
lage, welche zur eigentlichen Leber wird (der craniale Lebergang), 
durch den Ductus hepaticus, die hintere Anlage, welche die Gallen- 
blase liefert, durch den Ductus cy^ticus in Verbindung. Indem der 
Ductus choledochus sjmter stark in die Länge wachst, entfernt sich 
die Leber weiter von ihrer Ursprungsstatte. — Das Leberparenehym 
entwickelt sich allein aus dem cranialen Lebergang nach Art einer 
verzweigten, tubuliisen Drüse, welche dadurch, dals die Drtiseiischliiuche 
sich frühzeitig zu einem engen Netz verbinden, einen besonderen 
Charakter aufgeprägt erhalt. Aus der Wand des Leberganges treiben 
zahlreiche Knosj>en hervor, die bei einigen W'irbellieren (Amphibien, 
Selachiern) gleich von Anfinig an hohl, bei anderen (Vögel. Sauge- 
tiere, Mensch) solid sind. Eingebettet in die embryonale Biodesubstanz 
des vorderen DarmgekrOses , wachsen sie hier zu hohlen Röhren, 
dort zu soliden Cylindeni aus. Dieselben bedecken sich auch ihrer- 
seits alsbald mit entsprechenden seitlichen Fortsätzen und so fort. 
Indem diese einander entgegeuwachsen und, wo sie sich trelien 




t'ig. 206. Schema (Qaer- 
80hnitt8bild) snr ▼«mm- 
sohauliobong der ur- 
sprüngliohenLageverhält- 
nlBse des Duodenum, des 
Pankreas und der Leber 
und des bu Ihnen seliSri- 
gen Bandapparates. 

HU Hintere Hiiin|)f\van(i, 
du I)iuuirniini. ;> l'aiikrca.s, 
/ Leber, dms dorsales Mes- 
enterium , Ihd Ligamentam 
hepato-duodenalti, Is Liga- 
mentum suspeusoriutn ne- 
patis. 



Digitized by Google 



206 



Neuntes Kapitel. 



(Fig. 207 /f). verschmelzen, entsteht ein dichtes Netzwerk hohler 
Drüsenkanälchen oder solider Lebercylinder in der gemeinsamen 
bindegewebigen Grundlage. 

1*3 (ileichzeitig mit dem epithelialen Netzwerk bildet sich in seinen 
Lücken ein Netzwerk von lilutgefftfsen {g). Aus der Vena omphalo- 
niesenterica, die. wie schon bemerkt wurde, dem Leberschlauch anliegt, 
wachsen zahlreiche Sprossen hervor und verbinden sich untereinander, 
indem sie Seitenftste treiben, in entsprechender Weise wie die Leber- 
cylinder. In diesem Zustand findet man die Leber beim HOhnchcn 
am sechsten Tage. Sie ist jetzt schon zu einem ziemlich voluminösen 
Organ geworden, welches ebenso wie bei den Säugetieren und dem 

Menschen am ven- 
tralen Mesenterium 
einen in die linke und 
einen in die rechte 
Leibeshöhle vorsprin- 
genden Wulst erzeugt 
(Fig. 206). 

Eine weitere Massen- 
zunahme der Leber er- 
folgt in der Weise, dafs 
von den netzförmig 
verbundenen Lel)er- 
cyl indem neue Seiten- 
ä.ste bervorsprossen 
und Anastomosen ein- 
gehen, wodurch fort^ 
während neue Maschen 
gebildet werden. Hier- 
mit sind die wesent- 
lichen Teile der Leber 
in der Anlage vor- 
handen: 1) die sekre- 
torischen Leberzellen 
und die Gallengänge, 
2) der Bauchfell Über- 
zug und der Band- 
apparat, welche beide 
vom ventralen Darm- 
gekröse herrühren. 
Die zum definitiven 



bf 



9 



gvs 



bl 




Fi«. 207. Durchschnitt durch die Leber- 
anlai^e eines Hühnchens am sechsten Tage der 
Bebrütung. Schwarh vergrüfsert. 

Ic Netzwerk der Lebercylinder, /f' Lebercylinder 
miergeschnitten,.f/Blutgefafse.f/u'(iefarswand(F)n(lothcl), 
Ol Blutkörperchen, bf tiauchfelliibcrzug der Leber. 



Zustand führenden Venlnderuugen dieser Teile sind jetzt noch in das 
Auge zu fassen. 

Das Netzwerk der bald hohlen, bald soliden Lebercylinder wandelt 
sich in einer doppelten Weise um. Ein Teil wird zu den Ausführunps- 
gängen (den Ductus biliferi). In den Fällen, in denen anfangs die 
Lebercylinder solid erscheinen, beginnen sie sich auszuhöhlen und 
ihre Zellen sich zu einem kubischen oder cylindrischen Ei>itbel um 
das Lumen herum anzuordnen. Hierbei müssen einzelne Zweige des 
Netzwerks sich zurüekbilden. Denn wälirend ursprünglich alle Lel)er- 
cylinder untereinander durch Anastomosen zusammenhängen, ist dies 
bei den (lallen^iin^en des Erwachsenen, wie Köllikkk bemerkt, 
nicht mehr der Fall, mit Ausnahme der Leberpforte, wo sich die be- 



Digitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



207 



kaBDten Gallcngaogsgeflechte tiudeu. — Der übrige Teil des Netzwerks 
liefert das sekretorische Parenchym der Leberzellen. Der w&hrend 
der Eiitwicklunn so deutlich hervortretende Charakter einer netz- 
förmigen, tultuloscn Drüse ist auch am ansuehildeten Orj^an bei 
Diedereu Wirbeltieren, wie bei Amphibien und iieptilieu, noch zu er- 
kennen. Die Drt8enr6hrehen , die gleich bei ihrer Entstehung hohl 
angelegt werden, zeifien auch spitter ein anfserordcntlich enfjcs, nur 
durch künstliclie Injektion nachweisbares Lumen, welches auf Quer- 
schuitteu von etwa 3 — 5 Leberzelleu umgebeu wird. Durch ihre 
vielftltigen Anastomosen erzeugen sie ein außerordentlich dichtes 
Netzwerk, dessen enge Zwischenräume von einem Netzwerk von Blut- 
gefäfskapillaren mit sehr fierinjjftifjigen Menj^en von Hindesubstanz 
ausgefüllt werden. Bei deu höheren Wirbeltiereu (Vügel, Säuge- 
tiere, Mensch) tritt spfttor der tnbulOse DrOsenbau sehr in den 
Hintergrund ; es gewinnt die Leber eine komplizierte Struktur, über 
welche in Lehrbüchern der Histologie das 
Nähere nachzulesen ist. 

Was endlich noch den Bandappanit 
und die Form- und Gröfsenvrrhaltnisse 
der Leber bis zur Geburt anbetrifft, so ist 
der Bandapparat, wie schon im Eingang 
bemerkt wurde, in dem ventralen Darm- 
gekröse vorgebildet Dadurch, iafs in 
letzteres der craniale Leberschlauch vom 
Duodenum aus biueiuwächst und durch 
fortgesetzte Sprossung den rechton und 
den linken Leberlappen erzeugt (Fig. 206 
U.208), wird es in drei Abschnitte zerlegt: 

1) in einen mittleren Teil, der für beide 
Leberlappen den Bauchfellfiberzug liefert, 

2) in ein Band, das von der vorderen 
konvexen Lebertiäche in sagittaler Rich- 
tung zur Bauchwand bis zum Nabel geht 
und in seinem freien Band die spRter 
obliterierende Nabelvene einschlierst (Li- 
gamentum susi)en8orium und L. teres he- 

Satis) (Fig. 20Ü u. 2ü8 Is), 6) in ein Band, 
as von der entgegengesetzten konkaven 
Leberfläche, von der Pforte, sich zum 
Duodenum und der kleinen Magenkurvatur 
begibt und den Ductus choledochus und 
die zur Leber führenden Gefäfse enthält 
(Omentum minus, das in das Ligamentum 
hepato- gastricum und hepato- duodenale 
zerfällt) (Fig. 200 Uid u. Fig. 2«i8Äw). 

Das kleine Netz oder Omentum minus verliert bald seine 
ursprünglich sagittale Stellung und dehnt sich zu einer dünnen, von 
links nach rechts ausgespannten Membran (Fig. 1H7 ht) dadurch aus. 
dal's der Magen die früher beschriebene Drehung erleidet und in die 
linke Bauchhälfte rückt, wilhrend sich die Leber mehr in die rechte 
Bauchhöhle hinein entwickelt. Infolge der Bildung der Leber und 
des kleinen Netzes erfährt der durch die Drehung des Mauens ent- 
standene grofse Netzbeutel noch einen Zuwachs, der als t>ein Vor- 




Fig.20C!i. Sohema sur Ver- 
anMmaaliohanff der or- 

Bprüogliohen LAgeverhalt- 
niBse von Leber, ItAgen, 
Duodenum. Pankreas und 
MUb und von dem d&au ge- 
bSrigen Bandapparat. Die 
Ortraiie sind auf einem LSogt- 
iliirchschnitt zu sehen. 

/ Leber, m Milz, »Pankreas, 
dd DüDodarm, dg Dottereang, 
Md Blinddann, md MMtoann, 
h- kleine Kurvatur, (jc urofse 
Kurvatur des Magens, Mes- 
enterium» kn kleines Netz (l.ig. 
hepato^nstricum uod hepato- 
duodenale^, b Lijgamentnin 
raspeasonuin hepatis. 



208 Ndontes Kapitel. 

räum (Atrium bnnae omentalis) bezeiehnet wiTd. DeDn es gesellt 

sich zu ihm noch der Teil der Leibeshöble, welcher hinter Leber und 
kleinem Netz gelegen ist und hpkanntlirh heim Erwachsenen nur 
noch einen engeUf unter dem Ligamentum hepato-duodenale geiegeneD 
Zugang (da8 WiNSL0w9«]ie Loch) beutst (Über die Entwiclclung des 
Kreuzbandes der Leiter siehe einen späteren Abschnitt, der Tom Zwerch- 
fell, Kapitel XIT, handelt.) 

Was die Form- und GröfsenverliäUnisfe, welche die Leber bis zur 
Geburt darbietet, betrilTt, so sind hier zwei Punkte beachtenswert. 
Erstens gewinnt frohzeitig die Leber eine ^anz aurseroidentliche 
Gröfse; zweitens entwickelt sie sich mit ihron beiden Lap]>en anfnntrs 
ganz symmetrisch. Im dritten Monat nimmt »ie fast die ganze Leibes- 
höhle ein. reicht mit ihrem freien, scharfen Rande, an welchem sich 
zwischen l^eiden Lappen ein tittfer Einschnitt bemerkbar macht, bis 
nahe zur Leistengegend berab und läfst hier imr eine kleine f^trecke 
frei, in welcher bei Eröflnung der Leibeshohle DünndarinKchlingen 
zu sehen sind. Sie ist ein sehr hlutgefäfsreiches Organ, da ein grofser 
Teil des vom Mutterkuchen zum Herzen zurttckstrOraenden Blutes 
durch sie hindurrhfielit. Zu dieser Zeit beginnt, wenn aucli in einem 
gerin«?en Grade, die Abscheidung von Galle, welche in der zweiten 
Hälfte der Schwangerschaft zunimmt. Infolgedessen ftlllt sich der 
Darm mich und nach mit einer bräunlich -schwarzen Masse, dem 
Kindsp(Th oder Mcronium. nn, einem Geniisch von Galle mit Schleim 
und abgelüstt'ii Kpitbelzellen des Darms, zu denen sich noch ver- 
scliluckles Amnionwasser mit Epidermisschüppclien und Haulhaareu 
hinzugesellt. 

In der zweiten Hälfte der Seliwanp:ersfhaft wird das Wachstum 
der lieiden Leherlappen ein unpleicliniiUsiges und bleibt der linke an 
Giülse iiiiiter dem rechten mehr und melir zurück. Vor der (ieburt 
ragt die Leber mit ihrem unteren Bande noch eine Strecke weit Ober 
die Rippenknori)el fast bis zum Nabel nach abwärts. Nach der Ge- 
hurt verliert sie rasch an Gr<»l"se und Gewicht infol^'e des durch den 
Atmuugsprozcfs veränderten Blutkreislaufs. Denn es fällt jetzt der 
Blutstrom weg, der sich während des embryonalen Lebens von der 
Nahelvene in die Leber ahpezweiut bat. Zur Zeit des postembryonalen 
Wachstums verjzrö Isert sicii aucb die Leber noch weiter, alier weniger 
als der Körper im ganzen genommen, so dafs ihr relatives Gewicht 
eine stetige Ahnahme erfthrt. 

2) Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist in der letzten Zeit 
der Gegenstand sehr zahlreicher entwicklungsgeschichtlicher linter- 
suchungeu gewesen, welche für alle Wirbeltierklassen ein im ganzen 
fibereinstimmendes Ergebnis geliefert haben. Sie entsteht mit ihren 
AusfOhrgÄngen aus drei Ausstülpungen des Darmdrüsenblattes, von 
denen eine aus der dorsalen Wand, die zwei anderen aus der ventralen 
Wand des Duodenum hervorwachseu. Die drei Schläuche dringen in 
das dorsale Mesenterium hinein, wo sie hohle, sich verftstelnde Seiten- 
sprossen abgeben (Fig. 200, 208 p). 

Im ein/e1n<Mi ist noch folgendes für die SSugetiere zubenierkeir 
Die Ausstülpung aus der dorsalen Wand des primitiven Duoiienum 
entsteht bei 4 mm langen Schaf-Embryonen; sie bleibt mit ihrem 
UrsprungRort heim weiteren Wachstum in Verbindung durch einen 
AusfJUirirang, der dem Ductus Santorini entspricht. Etwas spftter (bei 
4,5 mm langen Embryoneu; treten auch noch an der ventralen Seit« 



Digitized by Google 



Die Ürgaae des innereii Keimblattes* 



209 



des Dvodennm nabe der primitiTeD Lebemnlage «ad links und reehts 

von ihr zwei AusstQlpungen auf, die ventralen Pankieasanlagen. Sie 
lösen sich vom Darm ab bis auf einen Gaug. der zum Ductus Wir- 
songiauus wird. Durch eine Drehung des Duodenum um seine Längst 
achse kommeD ▼entrale und dorsale Pankreasanlagen alher aneinander 
zu liegen und versdunelzen zu einem einzigen Drosenkörper. Dabei 
kommen auch Verbindungen zwischen ihrein ventralen und dorsalen 
Aasführungsgang, dem Ductus Wirsungiauus und Ductus Öantorinit 
EUtande. Aus diesem primitiTen Zustande erkUren sich drei ver^ 
sehiedene Kombinationen in der definitiven Anordnung der Aosf&hr^ 
ginge des Pankreas. 

1) £s erhalten sich die doppelten Ausführgänge der dorsalen und 
der ventralen Anlage (Pferd und Hnnd). 2) Der dorsale Ausführgang 
kUdet sieh zurück, und das Sekret des dorsal entstandenen Drüsen- 

Sjwebes wird durch die oben erwähnten Anastomosen in den ventralen 
ang geführt Dieser Zustand findet sich beim Schaf und gewöhn- 
lich auch beim Menschen. Nnr ausnahmsweise erhilt sieh bei diesem 
nel>en dem Ductus Wirsungianus noch rin Nebenausfohrgang , der 
Ductus Santorini. 3) Der ventrale Ausführgang ist zurtickgebildet 
(Rind und Schwein). Das Pankreas mündet getrennt und entfernt 
▼om Ductus eboledochus in das Duodenum ein. 

Aus den mitgeteilten, eutwickkingsgeschichtlichen Tatsachen 
wird es auch verstfliiidlich, dafs das Pankreas, obwohl es sum grOlliten 




Fig. 209. Fig. 210. 

Fig. 200 u. 210. Zwei BAkoastniktloneii dm Daodtiuim mit FankreM» 
Anlagen. Naeb HAMBOBom. 

Fig. 209 eines fünfwdolwiiilialimk, flg. 810 «Inm Molitw5flli«iitU«lion 
menachliolien Smbryo. 

DxM, Dactut choladochiia, Pjm. kleine Pankreataolage,P.iiv. gro0w Pankreas» 
anläge, D.8mU. Dnetui Santorini, m Tenehmelinng beider Pankreasanlagen. 

Teil aus <ler dorb^aleii Wand des Duodenum entstanden ist, trotztU'm 
ventralwärts und gemeinsam mit dem Ductus choledochus vermittelst 
des Ductus Wirsungianus auf der VATERschen Papille ausmOndet. 

Mit diesen Angabon stimmen auch die I^iitiTsurliungser^'fl'nisse 
bei menschlichen Kinhrvoucn ttberein. Bei einem lünfwöclientliclieu 
Embryo findet sicli aulser eiuer grofsen, dorsalen Pankreasanlage 
noch ein kl^nes, ventrales Pankreas, das mit dem Ductus choledochus 
SOSammen in den Zwölffingerdarm einmündet (Fig. JoD). Bei einem 
Embryo von sechs Wochen haben sich beide Anlagen miteinander ver- 
einigt (Fig. 210). (Siehe auch Fig. Ib2 u. 183.) Es wird dadurch ein 

O. B»rlw{f , IM* Blamrato d«r RntwIcklnngaUbra. i. Aufl. |4 



Digitized by G90gle 



210 



KeuDtes KftpiteL 



kleiner, länglicher Drüseiikoriier piohilrlet fFij;. 210 u. 184 ;>), welcher 
mit seinem dem Ursprung' ab-iewaiidteu Kudc nach oben in das Meso- 



iurvator und der Wirbelsäule frei beweglich gelagert ist Infölge- 

desscn mufs das Pankreas die Lageveränderungen mit durchmachen, 
welche der Magen mit SMnem (Jekröse erfährt. Bei sechswöcheut- 
lichen Embryonen fällt seine Längsachse noch nahezu mit der Längs- 
achse des Körpers zuaammen. Dano erfährt es allmählich eine 
Drehung (Fig. 187 />), durch welche sein Endteil in die linke Körper- 
hälfle rftrkt. bis schüpfslifh die Langsachse des Orgaus in die Quer- 
achse des Körpers wie beim Erwachseuea zu lijgeo kommt. liier 
bettet sich der Kopf in die hufeisenförmige Windimg des Duodenum 
Wiy während das Schwanzende bis zur Milz und linken Niere reicht. 

IKi die BauchspeicheldrO^^' sich in das Mesogastrium hinein ent- 
wickelt hat (Fig. 18^ 187, 208), besitzt sie in der ersten Hälfte des 
Embryonallebens ein Gekröse, an welchem sie die oben beschriebene 
Drehung durchmaeht. Das Gekröse geht aber schon yom fflnften 
Monat an verloren. (Vgl. Schema 188 u. 18ü p.) Denn sowie «lie 
Drttse ihre Querstellung eiogeoommea hat, legt sie sich der hiuteren 
Rumpfwand fest an und verliert alsbald ihre freie Beweglichkeit, 
indem ihr Bauclifellüberzug und ihr Gekröse mit dem anliegoiden 
Teil des Bauchfells fest verlftten fFi^. 189 f/n*). Auf diese Weise 
ist beim Meuscheu das Pankreas, welches sich als ein intraperitoneales 
Organ, gleich der Leher, entwidcelt hat, durch einen Versehmelzungs- 
prozefs der sieh faerQhrenden serösen Flächen zu einem sogenannten 
extraperitoneal pelcjienen Organ geworden. Auch ist hier<lurch der 
Ansatz des Mesogastrium von der Wirbelsäule weiter uach links ver- 
legt worden. 

3) Die Hagensaftdrfisen beginnen bei menschlichen Embryonen 
in der zehnten Woche aufzutreten. Durch charakrori^tisflio An- 
ordnung der Zelleu bilden sich innerhalb des Epitiiels kleine Grub- 
chen aus, von welchen etwas später mehrere kleine Schläuche (Tubuli) 
in das darunter li<^nde Bindegewebe hineinwachsen. Erstere stellen 
den Ausfulirgang. der von liohen Cylinderzellen ausgekleifint ist, 
letztere die eigentlichen sezeraierenden , mit kubischen Zellen ver- 
sehenen Drüsenschläuche dar. Belegzellen werden im Drüsenepithel 
erst gegen das Ende des vierten Monats unterscheidbar. Die Zahl 
der Drüspn<^ehl;utf !n\ dii^ in !>ineni Magengröbchen einmünden, ist im 
embryonalen Lebcu eine grülsere als nach der Geburt. Im siebenten 
fötalen Monat beläuft sie sich auf etwa sieben, nach der Geburt 
nimmt sie allmählich bis zur Zi it der Pubertät ab, bis beim Er- 
wachsenen scliliefslich nur drei Tubuli in ein Grübchen einmünden. 

II LlEBERKi HNsche Drflsen und Zotten beginnen sich bei 
menschlichen Embryonen nach den Angaben von Sedowick Minot 
gegen Ende des zweiten Monats zu entwickeln. Die Zötteben werden 
schon im dritten Monat von einem hohen Cylindeiepithel überzogen. 
Die jetzt auch in "U r T'ni^elamg ihrer Basis auftretenden Drt)sen 
sind kurze, hohle Ausstülpungen des Darmdrüsenblattes, „deren Länge 
im Vergleich zu der der Zotten lange Zeit unbedeutend ist*. In 
ihnen, und zwar in späteren Zeiten d(>r Entwicklung nur am Drosen^ 
grund . trifft mau niis^chlicrslii h Keniteilungsfiguren an, fo dafs in 
ihnen die hauptsächlichen Wachstuiusceutreu für das Drüsen- und 
überhaupt für das Darmepithel gegeben sind (Flemmins, Bozosbro). 




Digitized by Google 



Die Orguie des inneren Keimblattes. 



211 



Während des embryosalen Lebens werden anch auf der Dickdann- 

schleinihaut einzelne Zöttchen entwiekelt« beginnen sich aber vor der 
Geburt wieder zurückzubildcn. 

r>) Die DHrnifoUikel lassen sich bei ineDseiiiichen Embryonen 
aus dem fuulLea Mouat schon sehr deutlich erkennen. Nach den 
Untersuchungen von StObr bilden sieh im bindegewebigen Teil der 
ScliU'iinhaut scbilrfer abgegrenzte Ansaniralungen von Lpiikocyten 
zwischen den bindegewebigen Elementen aus. Mit ihrer Kuppe be- 
rühren sie das Epithel der Darmoberfläche, ohne dal's jedoch hierbei 
engere Beeiehungen zwischen Knötchen und Darmdrasen zustande 
kommen. 

Betreffs der Entwicklung der Milz wird auf*Kapitel XII verwiesen. 

Repetitorium su Kapitel IX, 
A. Öffnungen des Darmkanals. 

1) Die ursprünglich vom Einstülp ungsprozel^ des inneren Keim- 
blattes herrühreuile Öffnung des T)armk:ni;(ls, der ürmund, schliefst 
sich vollständig bis auf zwei iStelieu, deu Canalis neureutericus und 
den After. 

2 ) Der Canalis neurenterieus stellt am hinteren Ende des Embryo 

eine Zeitlang eine Verbindung zwischen Nerveurohr und Urdarm 
her: er schwindet sjtäter gleichfalls durch Verwachsung seiner 

Wandungen. 

3) Der After ist ein Rest des Urmunds. Er leitet sich her aus 
einer kleinen Strecke desselben, die noch etwas weiter nach hititon 
vom Canalis neurenterieus gelegen ist. (Aftergrube, Afteriiienibran.) 

4) Das Darmruhr erhält neue üffiuingeii nach iiul'seu (Öchlund- 
spalten) dadurch, dafs seine Wandungen an einzelnen Stellen mit der 
Bunipfwand verschmelzen, daÜs darau die Verschmelzungsstellen sich 
verdünnen und einreilseu. 

5) Die Schlundspalteu entstehen zu beiden Seiten der späteren 
Baisgegend des Rumpfes, meist fünf bis sechs Paar bei niederen 
Wirbeltieren, vier Paar bei Voj^rln, Säugetieren und beim Menschen. 
(Bildung äufserer und innerer Öchluudfurcheu ; Einreifsen der Ver- 
schlufsplatte.) 

6) Bei wasserbewohnenden Wirheitieren dienen die Schlund- 

spalten zur Kiemenatraung (Entwicklung von Kiemenblättchen durch 
Faltenhildunji des Schleimhautnherzugs); bei Re])tilien, Vögeln, Säuge- 
tieren schliel'seu sie sich wieder und verschwinden mit Ausnahme des 
oberen Teils der ersten Spalte^ welche bei der Entwicklung des Ge* 
hörorgans eine Verwendung findet (äufseres Ohr, Paukenhöhle, 
Eustachische Höhre). 

7) Der Mund entwickelt sich am embryonalen Kopfende aus einer 
unpaaren Einstülpung der Epidermis, welche der blind geschlossenen 
Kopfdarmhöhle als Mundbucht entgegen wächst, und durch Einreifsen 
der beide Höhlen trennenden primitiven Kachenhaut (Primitives 
Gaumensegel.) 

8) Der sich vom After bis zum hinteren KOrperende (Schwanz- 
teil des Rumpfes) fortsetzende, postanale Darm oder der Schwanzdarm 
verkümnuMt später und verschwindet vollständig, so dals dann der 
After das Ende, wie der Mund den Anfang des Darms bezeichnet. 



Digitizedby Google 



212 



Neuntes Kapitel. 



B. Soüderung des Darmrohrs und seines Gekröses 
in einzelne Abschnitte. 

1) Der Darm ist urspTfinglicli ein vom Mund zom After gerade 
verlaufeudes Rohr, an welchem etwa in seiner Mitte der Dottenack 
(Nabelbläsclien) durch den Dottergang (Darmstiel) befestigt ist. 

2) Der Dami ist erstens durch ein dünnes, dorsales Gekröse 
(Mesenterium) mit der Wirbelsäule seiner ganzen Länge nach ver- 
bunden und hAngt zweitens auch noch mit der vorderen Rumpfwand 
bis zur Kabelgegend durch ein vorderes Darmgekröse zusammen (Meso- 
cardium anterins und posterius, vorderes Magen- und Duodenal- 
gekröse, Vorleber). 

8) In einiger Entfernung hinter den Sehlundspalten entsteht 
durch eine spindelförmige Erweiterung des Darmrohrs der Magen, 
dessen dorsales Gekröse alf? Mesogastrium bezeichnet wird. 

i) Der auf den Magen folgende Abschnitt wilchst stilrker als der 
Rumpf in die Länge und bildet daher in der Leibeshöhle eine Schleife 
mit einem oberen absteigenden, engeren Sehenkel, der zum Dfinndarm 
wird, und einem unteren aufsteigenden, weiteren Sehenkel, der den 
Dickdarm liefert. 

5) Der Magen nimmt Sackform an und dreht sich so, dafs seine 
LftngMchse mit der Querachse des Rumpfes zusammenfallt, und dafls 
die ursprünglich nach hinten {gelegen*' Ansatzlinie des Mesogastrium 
oder seine grofse Kurvatur nach unteu oder caudalwftrts zu liegen 
kommt. 

6) Die Darraschleife erffthrt eine Drehung in der Weise, dafe 

sich ihr unterer, aufsteigender Schenkel (Dickdarmteil) über den 
oberen, absteigenden Schenkel fDünndarmteil) quer herQberlegt und 

ihn nahe an seinem T^^rsprung aus dem Magen kreuzt. 

7) Aus der Drehung der Darmschleife erklärt sich, warum beim 
Erwachsenen das Duodenum beim Übergang in das Jejunum unter 
dem Colon transversum und seinem Mesocolon hindurchtritt (Kreuzen- 
der und gekreuzter Darmteil.) 

8) Der untere Schenkel der Schleife nimmt während und nach 
der Drehung und Kreuzung mit dem oberen Schenkel die Form 
eines Hufeisens an und lälst dann Blinddarm, Colon ascendenSt 
C. transversum und C. descendcns unterscheiden. 

9) In dem vom Hufeii>en begrenzten Raum faltet sich der obere 
Schleifenschenkel zu den Dflnndarraschlingen ein. 

10) Das ursprünglich dem ganzen Darmrohr gemeinsame und 

gloji liiirtige Gekröse sondert sich in verschiedene Abschnitte, indem 
es sich den Faltenhildungen und Verlagerungen des Darmrohrs an- 
pafst, in die Lauge ausgezogen wird , hie und da mit dem Bauchfell 
der Leibeshfthle Verwachsungen eingeht, durch welche es teils neue 

Frsimingspuukte gewinnt, teils streckenweise vollstilndig schwindet, 
wodurch einzelne Darmstückt* ihivs Gekröses heijuiht werdeü. 

11) Mit der Bauchwand verwächst das Gekröse vom I Uumm imni, 
zum Teil auch vom Colon ascendens und descendens (extraj'tiiuiueal 
gelegene Darmteile). 

Kine neue, von linl<s nach letlits verlaufendo rrsprungslinie 
gewinnt das dekruse des Colon transversum und sondert sich als 
Mesocolon von dem gemeinsamen Darmgekröse ab. 




Digitized by Google 



Die Organe des imMfen Keinblettee. 



213 



13) Das Mesogastrium des Magens folgt dcu Dreliuii|j:eii desselben 
und wird zum grofsen Netzbeutel umgestaltet, der von der grolseu 
Magenknnratttr aber alle Eiogeweide berttberwftehst. 

14) Am Netsbeutel finden Verwachsungen mit angrenzenden serösen 
Membranen statt: 1) an der hinteren Rumpfwand, wodurch die 
Ursprungslinie von der WirbelsÄule auf die linke Körpeihällle ver- 
legt wird, 2) mit dem Mesocolon und Colon transversum. ^^) an dem 
Ober die GedArme gewucherten Teil des Beutels, dessen vordere und 
hintere Wand sich fest zusammenlegen und zu einer Netzplatte ver- 
schmelzen. 

C. Entwicklung besonderer Orgaue aus den Wauduugeu 

des Darmrohrs. 

1) Die Obertiäche des Darmrohrs vergrölsert sich durch Falten 
und Zotten nach innen und durch drüsige Ausstülpungen nach aufsen. 

2) Als Organe der Mundhöhle entwickeln sich die Zunge, die 
Speicheldrttsen und die Zilhnc. 

3) Die Zähne, welche bei den höheren Wirbeltieren nur den 
Eingang in die Mundöifhnng begrenzen, finden sich bei niederen 
Wirbeltieren (Selachiern etc.) über die ganze Mund- und Schlund- 
liöhle und sogar als Uautz&hae Uber die gesamte Oberllilche des 
Köri)ers verbreitet. 

4) Die Hautz&hne sind in eigenartiger Weise verknöcherte Haut^ 
Papillen, an deren Kntwicklnng sich sowohl die obertlftchlichste Schicht 
der Lerlerliaut, als auch die sie aberziehende tiefste Zellenlage der 
Oberhaut beteiligt. 

a) Die Lederhaut liefert die zellenreiche Zahnpapille, welche auf 
ihrer 0!)ert1i\che , an der sich eine Lage TOD Odontoblasten 
bildet, das Zahnhein abscheidet. 

b) Die Oberhaut liefert eine Schicht hoher Cylinderzellen , die 
Sehmelzmembran, welche die Zabnbeinkappe mit einer dttnnen 
Schmelzlage Oberzieht. 

c) Die Basis d-T Zahnbeinkappe erhält eine bessere Befestigung 
in der Leiierliuut, indem diese in der Umgot>ung verknöchert 
und das Cement liefert 

5) An den Kieferrftndem senkt sich die zahnbildende Schleim» 
hautstrecke in die Tiefe; es entwickelt sich zuerst durch Wucherung 
des Epithels eine Zahuleiste . an der die Kieferzähne in derselben 
Weise eulsteheu wie die Hautzähue an der Obertläche des Körpers. 

6) Die Entwicklung eines Zahnes erfolgt an der Leiste in der 
Weise, dafs das E])ith> i au einer Stelle stärker wuchert, und dafs in 

den pewuclierten 'ieil oder iti dns Schnielzorjran eine Papille vom 
bindegewebigen Teil der Schleimliaut hineinwachst. Die Zahnpapille 
scheidet das Zahnbein ah, das Schmelzorgan aber scheidet unter Ent- 
wicklung einer S( hnielzniembran den Schmelz ab; zuletzt verknöchert 
das bindegewebige Zahnsflckehen und liefert das Cement. 

7) Hinter den Milchzähnen bihien sich bei den Sflufietteien und 
teirn Menschen frühzeitig die Aulageu von Ersatzzähuen am O runde 
der Zahnleiste aus. 

8) Aus dem Epithel des Schlunddarius entwickeln sich Thymus, 
Schilddrtlse, NebenschilddrQsen (postbranchiale Körperchen) und Lunge. 



Dlgltized by Google 



2U 



Nennte« Kapitel. 



9) Die Thymus eutstebt bei den Säugetieren und beim Meoschen 
ans zwei ventralen Auratfilpungen des Epithels des dritten Scblnnd- 

spaltenpaares. Beim Menschen veil)liiden sich die beiden Thymus- 
schlilnche, welche seitürlip Knospen treiben und sich in eigentümlicher 
Weise histologisch umwandeln, in der Mediauebene zu einem uupaareu 
Körper, der in den ersten Jahren nach der Geburt sich zurOckzubilden 
b^innt. 

I>ir' Schilddrüse ist ein unpaares Organ, entstanden in der 
Gegeuü des Zungenheinkörpers durch eine entweder hohle oder solide 
Ausstülpung des Epithels am Boden der Rachenhohle. — Der Gpithel- 
zapfen löst sich von seinem Mutterboden ah und treibt seitliche 
Zapfen. — Die Ki)ithelstr:HiL'e werden auf einem späteren Stadium 
in hohle £pithelkugeln oder Follikel zerlegt, die in ihrem Innern 
CoUoidmasse ausscheiden. 

11) Die postbrancbialeu Körperchen (Nebenschilddrüsen) sind 
paarig und stammen von Ausstülpungen des Epithels der letzten 
Schlundspalte ui>, welche ähnliche Umwandlungen wie die uupaare 
Schilddrüse eingehen und sich bftufig ganz rflckbilden. 

12) Die Lunge entwickelt sich hinter der unpaaren Sehilddrfisen- 
antage aus dem Pn im des Sclilunddarms. 

a) Eine rinneuiürniigc Ausbuchtung, die sich bis auf ihr vorderes 
Ende, den Kehlkopfeingang, vom Schlunddarm abschnürt, wird 
zu Kehlkopf und Luftröhre. 

b) Vom hinten II Kii li der Rinne wachsen zwei Schlflucli* licrvor, 
die sich an ihrem Kude blasenförmig ausweiten und die An- 
lagen des linken und des rechten Bronchus mit dem linken 
und dem rechten LungenflOigel sind. 

c) Frühz itifz bildet sich zwischen rechter und linker I-uiil^c die 
Asymmetrie ihrer Lappen aus, indem der reclite Schlau i h 
sich mit drei blaäcbeuartigen Seitenknospeu, den Anlagen der 
drei Lappen, bededct, w&brend der linke Schlauch nur zwei 
Knospen treibt. 

d) Die weitere Entwicklung der Lungen läfst zwei Stadien unter- 
scheiden, von denen das erste eine grofse Übereinstimmung 
mit der Entwicklung einer acinösen Drüse zeigt. Im ersten 
Stadium vermehren sich die primitiven Luugenbliischen durcli 
Einschnürung und sondern sich dabei in einen engeren, zu- 
führenden Teil, die Bronchialröhre, und in einen weitereu, 
blasenartigen Endabsehnitt. Im zweiten Stadium bilden sich 
die Luftzellen oder Lunfrenalveolen. 

13) r>ie Leber entwickelt sich als eine netzförmig verzweigte, 
tubulöse Drüse. 

a) Aus der ventralen Wand des Duodenum stttipt sich in das 

veiilrale Darmgekröse (Vorleber) eine Längsrinne hinein: sie 
ist die primitive Leberanlape , an welcher der vordere Ab- 
schnitt als Pars hepalica, ein kleiner hinterer Teil als Pars 
cystica zu unterscheiden ist. 

b) Pars bepatica und Pars cystica wachsen zu hohlen Schläuchen 
aus, während später die Längsrinne sich vom Darm röhr von 
vorn und hinten teilweise abschnürt und zum Ductus cbole- 
docbus wird. 

c) Der vordere Schlauch (cranialer Lebergang) liefert das Drüsen- 
parenchym. Seine Wand treibt hohle oder solide Seitenäste, 



Dlgitized by Google 



Die Organe des inneren Keimblattes. 



215 



die Lebcrcylinder die sich zu einem Netzwerk verbinden und 
teils zu Gallengaugen, teils zu dem sekretorischen Lebcr- 
parenebym mit den Gallenkapillaren werden, 
d) Der hintere oder eaudale Sehlaneh (Pars eystica) wird zur 

(lallenblase. 

14) Von dem ventralen Da rnigekrose, in welches die LeberschlRuche 
hineinwachsen, leitet sich der seröse Überzug und ein Teil des Band- 
apparates der Leber her, nänilich das kleine Netz (Ligamentum 
hepato-gastricum und hepato-duodenale) und das Ligamentum suapen- 

sorium hepatis. 

15) Die Bauchspeicheldrüse wächst vom Duodenum in das dorsale 
Darmgekrüse und in das Mesogastrium hinein. 

!<>) Das Mesenterium, welches ursprünglich die Bauchspeichel- 
drüse besitzt, geht später verloren, indem es mit der hinteren Humpf- 
wand verschmilzt, wobei infolge der Drehung «ies Magens die Längs- 
achse der Drüse in die Querachse des Körpers zu liegen kommt 



Digltized by Google 



Zehntes KapiteL 



Die Orgaue des mittleren Keimblattes* 

Muskulatur, Harn- und Geschlechtsorsrane. 

Aus dem mittleren Keimblatt oder, anders ausgedrückt, aus der 
epithelialen Wand der embryonalen Leibessäeke, entwickeln sich, ab- 
gesehen vom Mesenchyni, fil)er dessen Herkunft bereits im sechsten 
Kapitel berichtet wurde, drei sehr verschiedenartige Produkte: erstens 
die willkürliche Muskulatur, zweitens die üarn- und Geschlechts- 
organe« drittens die EpithelfiberzOge der serOsen Höhlen des Körpers. 

I. Die Entwlddinig der willkfirlieheii MnaknlAtiir. 

Wer die HiBtogenese des Uoskelgewebes verstehen will, mnfB sich mit 
einigen Tatsachen bekannt machen, za welchen die vergleichende Anatomie 

und Kntwic-klnngsppsfhichtc der wirbellosen Tiere geführt hat. — In dem 
Stamm der Coelenteraten , welcher fUr die KniBtehang der Gewebsformen 



Fig. 212. A Muskelepithel 
dem Entoderm einer Aotinie, die j.-- 212 

ZülltM» durch Maceralion isoliert. Jfde *'* 

Zelle mit einer Fibrille vergehen. B Muskelepitliel einer Meduse. I>ie FibhUen 
tind gemeioMmes Produkt der Epithelxellen. Schematiseh. Nach 0. und R. Haarwm. 

so aulscrordcntlitli Ichrrcicli ist, sind die Muskclclementc nicht allein 
während ihrer Entwicklung, sondern auch beim aasgebildeten Tiere fast 
durchgängig Bestandteile des Epithels. Sie werden daher anch in zu- 
treffender AVci-c „Epi th e 1 ni u s k !• 1 ze 11 en" genannt. Das Charak- 
teristische an ihnen liesteht elien darin, dafs sie einfache, bald kubische, 
bald cylindrische, bald fadenförmige Epithelzellen (Fig. 211) sind, welche 
mit ihrem einen Ende gewöhnlich die Oberfläche des Epithels erreichen 
und hier häufig mit Fliinmerhaaren verschon sind, während sie mit ihrem 
anderen, basalen Ende der StQtzlamelle des Körpers aufliegen and an ihm 



B 




Digitized by Google 



Die Organe dea mittlereii KeimbUttet. 



217 



eine oder nirhrt re. ent\ve(ier glatte oder quercestreifte Muskoltihrillen aus- 
geschiedeo liabeiu Unter dem Epithel liegen in der Kegel uUe Muskel- 
fibrülen parallel und dicht nebeneinander (Fig. 218) and Terbinden sicli 
PO zu einer M n s k e 1 1 a m p 1 1 o . durch deren Tätigkeit die Verkürzong 
oder VerlänRerunj!: des Korpers in einer Richtung hervor^'cnifen wird. 

Von der Muskellanielle leiten sich, wie das Studiuni der Coelen- 
teraten und die Entstehaiu^geechichte der Tiere lehrt, drei weitere Formen 
ab: 1) das Muskelblatt , 2) das Mn sk clkästehen and 3) das 
Muskelpriniiti vbündel. Bei ihrer Entstehung spielt wieder der 
Prozefs der Faltenbildong eine Rolle, welche wir schon hei den ver- 
sehiedensten Gelegenheiten als die Ursache Ar die Bildung der meisten 
Organe kennen gelernt haben. 

Wenn einzelne Strecken einer Muskellamelle eine erhöhte Arbeits- 
leistung ausführen sollen, so kann dies nur durch Yennehrung der parallel 
nebeneinander gelagert«! Fibrillen geschehen. Eine grftfsere Fibrillenzahl 
kann aber in einem um- 
grenzten Hezirk in einer 
zweifachen Weise unter- 
gebracht werden, ent- 
weder so, dafs sie in 
mehreren Schichten 
übereinander zu liegen 
konmoi, oder so, dafs, 
wenn die einfachere 
Lagening nebeneinander 
beibehalten wird , die 
Haskellanelle sich bald 
in mehr unregelmäfsiger, 
bald in sehr regel- 
mäfsiger Weise einfaltet. 
Im ersteren Falle ent- 
stehen niedere und 
höhere Falten , welche 
ihrerseits wieder mit 
kleineren Nebenfalten bedeckt sein kftnnen, so dafs man anf dem Qner- 
schnitt das Bild eines sich verzweigenden Baumes erhält (Fig. 813). Jede 
Falte besitzt in ihrer Mitte eine gerinire Mmire Siiit/'-ub'^tanz , auf deren 
Obertiäche die parallel angeordneten Muükeltibrillen aufliegen. Die Täler 
swisehen den Falten fBllt das Epithel ans, welches die ünregelm&fsigkeiten 
ausgleicht und nach aufsen mit einer glatten Oberfläche abschliefst. Im 
aweiten Falle (Fig. 214 ii. 215) entstehen regelmafsige und zuweilen ziem- 
lich hohe Falten, die sich von der Grundlamelle, von der sie durch Ab> 
Caltung ihren Ursprang genommen haben, senlörecht erheben und den 
Blittern eines Boches vergleichbar dicht insammengejirefst sind. Die 
engen 7wis( henräume zwischen ilmen werden von den zugehörigen Zellen 
mit ihren Kernen, den Muskelkörperchen, eingenommen. Über den freien 
Rand der KAtter breitet sich noch eine Schicht von Deckepithel ans. 

In den bisher beschriebenen F'ällen bewahrt die willkarliche Musknlatnr 
ihren Zusammenhang mit der Kpitbelschicht. von welcher sie abgeschieden 
worden ist, was sich bei den Coelentcrateu als der gewöhnliche Befund 
darbietet. Bei anderen Wirbellosen löst sich dieser Zusammenhang, indem 
die nach der freien Epithelobertläche engekehrten Bftnder der Falten unter- 
dnaader verwachsen. Dadurch kommen iwei verschiedene Formen des 




Fig. 213. Kiu 214. Fig. 215. 

Fig. 213. JPaitung de« Moakelepithels vom 
Sntodenn einer Aettaie. Nach Hbmwio aus Hat- 

SOBBK- 

Fig. 214. MuBkelepithel einer Medusa im 
Querachnltt mit 1. Declcschicht und S, gefislteter 
Moskelschicht. 

Fig. 215. Qnen<diiiitt dnrOh die Liaga- 

muBkulatur von Sagitta. Nach Hkrtwio aus Hat- 
BcuKK. 1. Deckschicht, Epithel der Leibeshöhle, H. in 
filätter gefaltete Muskellamellet unterhalb derselben 
die Epidermis. 



Digitized by Google 



218 



Zehntes KapiteL 



Hnekelgewebet rastande: das Mnskelkästchen und das Muskel- 

primitivbttndel. Maskelkästchen oder -B&nder entstehen, wenn 

zwei nebeiioinaiulergelagerte hohe MnskclMiitter mit ihren frfMrn Rändern 
verwachsen, wie der folgende Querschnitt (Fig. 216) durch die Längs- 
muskulatnr eines Kegenwurms zeigt. Muskelprimitivbüudel oder 
quergestreifte Mnskelfasem dagegen werden gebildet, wenn die FAltimgen 

der Lamelle mehr unreijeliiiafsitr und niedrig bleiben (Fig. 217 ^4), die 
Faltenteile sich frühzeitig abschnüren und ihr aus Muskelkörperchen und 
Fibrillen bestehender Inhalt sich in die unter dem Epithel befindliche 
Sttttzsnbetanz als ein mnder Strang oder als Bttndel einlagert (Flg. 217 B), 

Durch Wiedfrliohuig desselben Vorgaii^'s. durch mehrfach sich erneuernde 
Faltcnliilduim und Abschnürung kann von einer Muskel erzeugenden E|»ithel- 
streckc aus ein immer dicker werdendes Lager Übereinander geschichteter 




Fig. 216. Fig. 217. 



Fig. 21A. Tiingamnakelaöbidht eliies 

Begenwurms im Qaersohnltt. 

1. Dcikschicht (Feritonealepithel , ?. 
Muskelkastchen mit rundlichen Zeilkemen 
(Muskelkdrperehen) zwischen den Mnskel- 
fibrillon, 3. Bindegewebshülle der Muskel- 
küstilien mit platten Zellkeriieii. 

¥ig. 217. Durobsohnitt durch daa 
KuakeleptOiel vom ■ntoderai einer 
Aetlnie. 

A Gering und unregelmäfsig ausgebildete 
Faltung. £ Faltenteile haben sich zu 
Stringen oder BQndeln von Maskeübrillen 
abgeschaArt und in die Stfttssabstans aU- 
seitig eingelagert. 



Muskelprimitivbündel zustande kummen. Auch können die Muskelkustchen 
und PrtanitiYblkndd noch dadurch an Zahl Termebit werden, dab ae durch 
Zunahme der Fibrillenmasse wachsen und sich dann der LiDge nach durch 
Einschnürung in zwei Teile und so fort trennen. 

Bei den W i r b e 1 1 i e r e n stammt die gesamte . quergestreift^ 
willkürliche Muskulatur, abgesehen von einem Teil der Muskeln des 
Kopfes, von einem kleinen Bezirk des mittleren Keimblattes ab, vod 
den Ursegmenten. Diese sondern sich, irie sebon frtther erwibnt 
wurde (S. 117). in zwei fmiktionell verschiedenartige Abschnitte, in 
einen Teil, der das Mescm hym des Achsenskcletts liefert (Skierotom i, 
und in einen zweiten Teil, der sich iu Muskelgewebe umwandelt 
(Myotom). Bei manchen Wirbeltieren zeigt das Myotom, hei anderen 
das Skierotom eine frühzeitigere und stärkere Entwicklung. So gehen 
bei Amiiliioxus luid den ("yklostomen die TTrsegmente der Hauptsache 
nach iu der Muskelbilduug auf. Auch sind dies die einzigen \Virl>el- 
tiere, bei denen, anstatt MuskelprimitivbQndel, Mnskelkftstchen an> 
getroffen werd' ii. 

Beim Am|>liio,\us sind die I'rsegmente (Fig. '><> u. TJ!» «>7») 
mit einem grolseren Hohlraum versehene öückchen, deren Wand aus 
einer einfachen Lnge von K])ithelze11en besteht, während sie bei 
Cyklostomen der Höhlung entbehren. Hier wie dort entwickeln 
sich die Zellen des Ursegments in einer doppelten Weise weiter. JNar 



Dlgitized by Google 



Die Or^e dei aittleren Krimblattei. 



219 



die an Chorda (eh) und Nerveurohr (ii) angrensenden Zellen (Fig. 55 
u. 218) dind beetimmt, Mvslcelüiseni eu bildeii; rie vergröfaeni sieli 
bedeutend und nehmen die Form von Platten an, die parallel neben- 

einanderliegen wu\ mit einer Kante, die ich als ihre Basis be- 
zeichnen will, benkrecht auf die Oberfläche der Chorda und parallel 
zur Lftngsachse des KOrpers gestellt sind. Sehr frtthzeitig (beim 
Amphioxus auf dem Stadium mit zehn Ursegmenten) beginnen die 
Zellplatten an ihrer Basis feine, quergestreifte Muskolfibrillon auszu- 
scheiden, mit welchen die Kmbryoneu schon schwache Zuckungen 
ausfahren können. Indem nun immer neue Fibrillen zu den an der 
C hordaohertläche gebildeten hinzugefügt werden und indem die AIh 
sclu'idurig jrt/t auch an beiden 1'lflchon der sich Icrnlirendcii Zcll- 
piatten geschieht, entstehen charakteristische, quergestreifte Muskel- 
blätter. Diese sind wie die Blätter eines Buches links und rechts 
an der Chorda angeheftet. Je mehr Fibrillen ausgeschieden werden, 
um so inelir nimmt zwischen ibnor das Protoplasma dor Bildungs^ 
Zellen au Menge ab; es wird dir Kern nnt einem Kest von Proto- 
plasma nach dem der Ursegmenthöhle zugekehrten Zellenende hin- 
gedrängt. Die Obrit^tMi Zellen der Ursegmente werden zu einem 
Hachen Plattenepithel (Fig. 21 s umgewandelt, welches jetzt und 
auch später an der Muskelbil(iung rieht teil nuiiiut. fCiitisbJatt von 
Hatschek.) Es geht dorsal- und veutialwftrts durch t bergangszellcn 
(Fig. 218TrZ) in die Lage, irelche Muf^kelblätter bildet, über in 
ähnlicher Weise wie im LinsensAckehen das Linsenepithel in die 
Linsenfasern. 

Bei älteren Larven dehnen sich die Ursegmente nach oben und 
nach unten aus, wobei fortwährend eine Neubildung von Muskel- 
blättern von den olien erwähnten Zellen ( WZ) aus stattfindet. Dio 
oberen und unteren Ränder der T^rsegnieiite bilden denmacb eine 
W ucheruugszone, durch deren Vermittlung die Kumpfmuskulatur 
immer weiter dorsal- und ventralwftrts wächst. Auch wandeln sich 
jetzt bei sechs Woelieii alten Larven von Petrnniyzon (Fig. 2P.') die 
Muskelblätter in Muskelk:lst( heii {k) um, wie ScHNEroER die eigen- 
tümlichen, dehnitiveu Strukturelemente des Amphioxus und der 
CykloBtomen benannt hat. Die einander zugekehrten Fibrillenlagen 
zweier Blätter, welche von einer Zellplatte an ihren zwei Seiten aus- 
geschieden worden sind, verbinden sich mit ihren Kündern, so dafs 
jetzt je<ie Bilduugszelle von den ihr zugehörigen Fibrillen wie von 
einem Mantel rings umschlossen wird. £s ist so ein Ahnliches Form- 
eieinent entstanden, wie 08 die Lftngsmuskulatur des Regenwurms 
(F'ig. 216) zeigt. 

Schliefslich greifen noch drei Veränderungen an den Muskel- 
kftstchen der Gyklostomen Platz. Die homogene Sttttzsubstanz, welche 
auf dem ersten Stadium nur als feine Linie zwischen den zwei Fibrillen- 
lagen eines Muskelblattes angedeutet war, nimmt zu und liefert die 
Scheidewände, durch welche die einzelneu Muskelkästchen voneinander 
getrennt werden, und in welchen später auch einzelne Bindesubstanz- 
aellen und Blutgcfälse anzutreffen sind. Zweitens wird die proto- 
plasmatisrlie < ivundsnbstanz der Bildnngszellen fast vollstiiiniig auf- 
gebraucht durch fortgesetzte Abscheidung zahlreicher feiner Fibrillen, 
welche sehliei^lieh das ganze Innere des Kästchens ausfollen. Unter 
den Fibrillen kann man jetzt zwei verschiedene Arten unterscheiden, 
central gelegene und solche, welche den Scheidewänden fest anhaften. 



Digitized by Google 



220 



Zehntes Kapitel. 



Drittens sind zwischen den Fibrillen zerstreute, zahlreiche, kleine 
Kerne aufzutinden. welche von dem ursprünglich einfachen Kern der 
Bildunpszelle durch häutif; wiederholte Teilung abstammen. 

In einer etwas anderen Weise als bei dem Amphioxus und den 
Cyklostonien erfoljit bei den übrigen Wirbeltieren die Entwicklung 
der Muskelsegmente, zu deren Studium wohl die geschwänzten Am- 
phibien die lelirreichsten Objekte liefern. Bei Triton (Fig. (Ji> u. 130 msä) 
enthalten die UrsegniiMite einen ansehnlichen Hohlraum, der ringsum 
von grofsen, cylindrisclien F.i)ithelzellen umgrenzt wird. An etwas 
älteren Eml)rvonen gehen in dem Teil des Epithels, welcher dem 
Nervenrohr und der Chorda anliegt und somit der oben besprochenen 
muskolbildenden Schicht des Amphioxus und der Cyklostonien ent- 
spricht, lebhafte Zellverniehrungen vor sich, durch welche der Hohl- 
raum eines Ursegments ganz ausgefüllt wird. Hierbei verlieren die 





WZ 



ae 




n- 



I 1 



Fift. 219. 



mf mk k 




(Ik mk mf 



Kiff. 218. 




Kig. 21M II. 219. Zwei Querschnitte durch die Rumpfmuskulatur einer 
14 Tage alten Larve I 21.'<) und einer sechs Wochen alten Larve (Kig. 219) 
von Petromyzon Pianeri. .^Ol)ro{il vcrgrnf>frt. 

JN' iiiul Ch der an das Hm koiiiiiai k inul die Chorda angrenzende Teil des 
Querschnitt*., rhs skelettbildende ( hordascheide, rp Epidermis, ne uiifsere Epithel- 
schitht des I rsegnienth, mk Mn^kel/elleMkenie, mf Muskeltibrillen im (Querschnitt, 
WZ Warlistuinäzone, l'bergang der äufseren /ellüUM'hicht in die muskclbildende 
.S<hi('ht des rrsegnient^, Slu^kelkasteheu. 

Kig. 220. Querschnitt durch die Rumpfmuskulatur einer fünf Tage 
alten Larve von Triton taeniatuB. r)0(»iaal vergrofscrt. 

Uli ,Mii.>-kelkenie. r;i/' <pu'r dur« hs» hnittene .MuskeHibrilleu, dk Dotterkörner. 

Zellen ihre ursprüngliche Anordnung und Form; sie verwandeln sich 
in buigitudiiial verlaufende Cylinder. weicht' die Länge eines Urseg- 
mentcs eiiinebiiini und /u beidtMi Seiten des Rückenmarks und der 
Chorda uinl paialb'l /ii ihnen iiclirn- und übereinander gelagert sind 
(Fif?. Jeder Cyliinier. <ler anfangs nur einen einzigen Kern 

(/«/•) aufweist, umgibt sich mit fiiieni Mantel feinster, tjuergestreifter 
Fibrillen ('"/); er ist jetzt einem Muskelkastchen (1er Cyklostonien 
(Fig. 21'.') zu veryjeiclien Auch spielt sich hier wie dort eine Reihe 
ähnlicher \ eriimlerungen weittM' ab. An älteren Larven werden 
immer mehr Fibrillen ausgeschieden, wt^lche allmählich den Binnen- 
rauni des Cvlinders ausfüllen. Nur in seiner Achse bleiben Stellen 



Digitized by Google 



Die Organe des mittleren Keimblattes. 



221 



frei, in welche die kleiDen Kerne zu liegen kommen, die, durch 
TciliiiiL' df'< ciiifiuhen Miitterkems entstanden, an Zahl bedeutend 
zuiR Innen. Ferner driögt jetzt zwischen die Muskelfasern oder die 
Pnuiitivbündel , wie später die fertigen Elemente heifsen, Binde- 
snbetanz mit Blutgefäfsen bioein. 

wahrend bei Aniphioxus, den Cyklostoiuen und Aini)hibien dio 
I'rsegnH'nte als ihre wichtigste Leistung die Anla^'e der (luergcstreiften 
und willkürlichen Körpermuskulatur erkennen lassen, »ouderu sie sich 
bei den Selaebiem und den drei hAberen WirbeitierklaBsen von vorn- 
heroin in zwei ^leicli auffiillige und «iBehnliehe Anlagen, in Skierotom 
und Muskelplatte (Mvotom). 

Bei den Selachiern wächst die skelettbildende Schicht, deren Ur- 
sprung schon froher (S. 117) besehrieben wurde, zur Seite der Oborda 
in die Höhe (Fig. VA'^ u. 22" Nach aufsen von ihr findet man 
den zur Muskelbildung dienenden Teil des Ursegnients. Dieser be- 
steht aus einer inneren und einer äufseren Schicht, welche durch 
den Rest der Ursegmenthöhle (Fig. 133 h) voneinander getrennt sind. 
Die innere Schicht (Fig. 138 mp) jrrenzt an das skelettbildende Gewebe 
(fil') an und setzt sich aus mehrfach nhert'inanderliegcndt»n. spindelipen, 
längsgerichteten Zellen zusammen, die quergestreifte iMuskelhbrillen 
abscheiden ; sie entspricht der bei Amphioxoslarven (Fig. 55) und 
Cyklostomenlarven (Fig. 218 mf) noch direkt an die Chorda an- 
stofsenden inneren Wand des Ursegments. Die ftufsere Schicht liegt 
der Epidermis an und behält noch längere Zeit ihre Zusammensetzung 
aus kubischen Epithelzelleo bei. Dorsal und ventral biegt sie in die 
innere, muskelbildende Schicht um und trägt hier wie beim Amphioxus 
und bei den Cyklostomen zur Verfrröfserung der letzteren bei, indem 
ihre Zellen länger werden und sieb in Muskelfasern umwandeln. Die 
Moskelplatte breitet sich dann nach oben und unten in der Rumpf- 
wand weiter aus (Fig. 134). Die Höhle in ihriMyf 1) schwindet 
dabei allmählich. Die muskelbildende Schicht nimmt an Dirke immer 
mehr zu, indem die Zalü der Muskelfasern eine grulsere wird; die 
äniVere Schicht verliert, allerdin^ erst ziemlich spät, auch ihren 
epithelialen Charakter und beteiligt sich an der Entwicklung der 
Lederhaut (Fig. 184 cp). 

Bei den Reptilien, Vögeln und Säugetieren ist die Wucherung 
der Ursegmente. welche das skelettbildende (Gewebe liefert, noch 
mächtiger als Im den Selachiern. Der gr^foere, median und ventral 
gelegene Teil löst sich allniithlich in Gallertgewebe auf. welches um 
Chorda und Nervenrohr herumwächst; der kleinere, dorsal und lateral 
davon befindliche Abschnitt, welcher von der Chorda durch die skelett- 
bildende Schicht des I rsegments weit abgedrängt ist, wird zur Muskel- 
platte ( I ii; l'^7 i'lwr die entsprechenden ^ erh Utnisso bei mensch- 
lichen Knibryonen geben die Fig. 221 u. 222 Aufschlufs. Auf dem 
Querschnitt sieht man das Nervenrohr mit den ihm anliegenden 
Spinalknoten und die unter ihm befindliche Chorda durch skelettogenes 
Bindegewebe, v-flrlies vom Skierotom des rrsetrmpiits abstammt, 
ringsum eingehüllt und links und rechts vun ihm je ein ziemlich 
scharf abgegrenztes Myotom. Auf dem in frontaler Richtung ge- 
ftkhrt«! Längsdurchschnitt durch die hintere Rumpfhälfte desselben 
Embryo tritt die durch die Myotome (nis) li('r\ r<i jKMnfrno Segmen- 
tiening des Kör|)er8 deutlich hervor, indem mau linker liand fünf, 
rechter Hand vier vom Schnitt getroffene Muskelsegmente zählt. In 



Digitized by Coogig 



222 



Zehnte» Kapitel. 



einzelnen von ihnen ist noch ein feiner Längsspalt sichtbar, der letzte 
Rest der auf früherem Stadium etwas gröfseren Ursepment höhle (tüt). 
Dagegen läfst die von den Sklerotomeu abstammende Bindegewebs- 
hülle um Chorda und Nervenrohr keine Spur einer Segmentierung 
mehr erkennen. Auch ftir die höh(Ten Wirbeltiere läfst sich bei ge- 
nauerer Untersuchung der Nachweis ftlhren, dafs die Muskelfasern aus 
der epithelialen Anlage durch eine Art Faltungsprozefs entstehen, in 
Ähnlicher Weise, wie es in der Einleitung für die wirbellosen Tiere 
geschildert wurde. So zeigt der Querschnitt durch das Myotom eines 
Kaninchens wie das muskelbildende Epithel (Fig. 223 m) durch 
Faltung in klein«» Bezirke zerlegt wird , zwischen welche sich feine 
Scheidewände vom angrenzenden Bindegewebe (sc) hineinschieben. 
Durch weitere Abschntlrung werden Muskelpriinitivbündel gebildet. 




Fig. 221. Fig. 222. 

Fig. 221 u. 222. Querschnitt (Fig. 221) durch den Rumpf in der Gegend 
der vorderen Extremitätenanlage, Frontalschnitt (Fig. 222) durch die 
hintere Rumpfhälfte des in Fig. 160 abgebildeten mensohlichen Embryo. 

In Fig. 221 sieht man Nervenrohr nr, .\orta ao, Muskelsegmente ms, die 
Anlage der Vorderextremität ve, die Anlage der Urniere un, Daruirobr mit dur- 
Balem und ventralem Mesenterium rm, Ansatzstelle des Xahelstrangs nst. Ferner 
svg Spinalganglion, Ii Ligamentum iutermusculare, sk skelettogenes Gewebe, uh 
Ürsegmenthdhle. 

Für die Entstehung der Rumpfmuskulatur der Wirbeltiere erhält 
man somit folgende zwei Sätze: 1) Die Muskelelemente ent- 
wickeln sich aus Epithelz eilen, die von einem be- 
grenzten, zu den Ursegmenten sich abschnürenden Be- 
zirk des Epithels der Leibes höhle abstammen. 2) Die 
epithelialen Pro<lukte werden in ähnlicher Weise wie 
die aus dem E])ithel hervorsprossenden Drüsengänge 
und Drüse nbläschen von Bindegewebe umwachsen und 
allseitig e i ngeh ü 1 lt. 

Betrachten wir jetzt noch etwas genauer die ursprüngliche 
Anordnung der von den L'rsegmenten gelieferten Muskel- 
iiiassen. In allen Wirbeltierklassen bieten sich uns hierin ganz 
gleirliartige Verhältnisse dar. Ül)erall erscheint als Gnindlage ein 
sehr einfaches System läng.sverlaufender. kontraktiler Fasern, die zu- 
erst neben Chorda und Nervenrohr auftreten und sich von hier dorsal- 
wäits nach dem Bücken zu und ventralwärts in die Bauchdecken hinein 
ausbreiten. Die Muskelmasse wird überall (Fig. 224 //) durch schräg 



Digitized by Google 



Die Organe des mittleren Keimblnttet. 223 

zur Wirbelsllule verlaufende, bindegewebige Seheidewftnde (Ligamenta 

illterrauscularia) in einzelne Se^^lnente oder Myomcreu abgeteilt. Bei 
niederen Wirbeltit>ren erhillt sich dieser Zuätandf bei höheren macht 
er eiuer koiuplizierterea Auordnung IMatz. 

In welcher Weise aus dem ursprünglichen System sieb die nach 
La}ze und Form so verschiedenartigen Mui^kelgruppen der höheren 
Tiere ableiten, kann im einzelnen nicht nilher untersucht werden, 
zumal auch dieses Gebiet der Entwicklungsgeschichte noch wenig be- 
arbeitet worden ist; nur auf zwei Punkte, welche bei der Differen- 
sierung der Muskelgruppen in Frage kommen, sei hier aufmerksam 
gemacht. Erstens ist ein sehr wichtiger Faktor in der Ausl)ildung 
des Ökeletls gegeben, das mit seinen Fortsätzen Ausatzpunkte für 

Muskelfasern bietet. I>ie8e finden hierdurch 



/^!^^> Gelegenheit, sich von der übrigen Masse 

P^^%%i^\, abzusondern. Zweifens wirkt auf eine gröfsere 

-'^v*§. Differenzierung der Muskulatur die Entwick- 




Kig. m Fi(?. 224. 

Fig. 223. Querschnitt durch das aiebente Ursegment eines Kaninchen- 
£mbryo von 6,6 mm NackensteirslSiica. Besirke des MuskelMattei, durch 
Bindegewebe gesondert Nach MmsHu 

e Cutisbwtt, m Hnskelblstt des Ursegments, «e Sklerotom. 

Fig. 224. Frontalschnitt durch die Mitte des Rumpfes einer schon 
längere Salt aaa|(e«olilapft«n Tritonlarve, um die Anordnung der Muskel- 
segmente ms sn zei^. 

ch Chorda, ep Kpiderniis, cp Cutisplatte, embryonales flallrrtRcwehc, m» Muskel* 
«egmente, U Ligamenta intermusculsria, bl Ülutgetälse, sk siieleitugene O'hordascheide. 

Ihre Muskulatur, welche bei höheren Wirbeltieren sehr kompliziert an- 
geordnet ist, erhalteu die GHedmaf^n gleichfalls von den IJrsegiuenteu. 
Bei den Selachiern . bei welchen die Vorgänge am klarsten zu über- 
schauen sind, sprossen je zwei Knospen, eine vordere und 
eine hintere, aus einer gröfseren Anzahl von Urseg- 
menten herTOrund wachsen in die Anlagen der paarigen 
Flossen hinein, in welchen sie sie hin Muskeif asern um- 
bilden. Sie lösen sich bald ganz von den Ursegnienten al) und 
atellen kleine SSckehen dar, die von einem einschichtigen, niedrigen 
Cylinderepithel au^igekleidet werden und eine kleine Höhle einschliefsen. 
Im weiteren Verlauf teilen sie sich in eine dorsale und eine ventrale 
Uällte, aus denen sieb die Muskeln für die entgegengesetzten Flossen- 



Digitized by Google 



224 



ZcbnlM KftpiteL 



«^eiton herleiten. Auf dorn Querschnitt durch einen mensoblicheB 
Embryo iViti. -21) sieht man ebenfalls das untere Ende der Muskel- 
platte (nts) au das kleiuzellige Gewebe der flosseuartigeo Anlage der 
Vorderextreniitftt (ve) dicht herantreteo, wodurch ihr miukelhOaendee 
Zellmaterial zngefttbrt wird. 

IL Die Entwieklimg der Harn- and GeseUeehtsorsoe, 

der Nebenniere. 

Die Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane kann nicht ge- 

tMMint in zwei Kapiteln besprochen werden, da hipide Orjran^ysteme 
anatomisch und genetisch auf das innigste miteinander zusammen- 
hängen. 

Einmal nehmen beide ihren Ursprung au einer nod derselben 
Stelle der epithrliiilen Auskleidung der Leibesh» : zweiten« tret^'n 
Teile des Harusystems späterhin in den Dieui>t des Ge^ihiechis- 
apparates; dean sie liefern die Wege oder Kanäle, die mit der Aob- 
fbhruDg der Eier und des Samens betraut werden. Mit Recht faHst 
man daher auch in der Anatomie die I ( id^n {»cnetisrh verbundenen 
Organsysteme unter dem gemeiusameu Namen des Urogenitalsystenis 
oder des Ham^Geschleehtsappafates zusammen. 

Wir wenden uns hiermit wieder zu einem der interessantesten 
Abschnitte der Entwjrklun«j«gest>hirhtr InterfP^p hennsprnrht gerade 
in morphologischer Hinsicht das Lrogeuitalsystem, weil sich an ihm 
eine grofee Anzahl von wichtigen Umwandlungen während des embryo- 
nalen Lebens vollzieht. Bei den höheren Wirbeltieren werden zuerst 
die Vomiere und die Turniere angelegt, Organe, die von verganglirber 
Natur sind, die zum Teil wieder verschwinden und durch die bleibende 
Niere ersetzt werden, zum Teil sich nur in ihren Ansführwegen er- 
halten. Die vergänglichen Bildungen aber entsprechen Organen, die 
bei niederen Wirbeltieren dauernd in Funktion sind. 

a* Die Vujuiere und der Vornieren pa ng. 

Das erste, wodurch sich die Entstehung des Harn-Geschlechts- 
apparates bemerkbar macht, ist die Anlage der Vorniere. Es ist dies 
eine Bildung, welche jetzt bei den Embryonen aller Wirbeltiere nach- 
gewiesen ist. aber bei einigt ii eine grölVcrt'. \h'\ ;itu!i rt'n eine geringere 
llolle spielt. Bei einigen (Myxiue, Bdellostonia. knochtntischen» bleibt 
sie dauernd erhalten : hei anderen , wie den Amphibien , wächst sie 
während des Larveolebens zu einem ansehnlichen Organ heran, da^^ 
nach (U'v Metamor|di(JSe wit^der verktlmmert; iipj den Selachiern und 
Amniot»:n endlich bleibt ilire Anlage von vorhcreiu Hjhr rudimentär. 

Für die Entwicklung der Vorniere mögen die Selachier, Amphibien 
und Vögel als Beispiele dienen. 

Bei St'lai hiem von etwa 27 Segmenten legt sich die Vorniere, in 
der Gegend des dritten und vierten Runipfsegments beginnend, nach 
rückwärts an. Dort, wo der segmentierte in den unseguientierten 
Teil des mittleren Keimblattes Ubergeht, wachsen ans seinem parietalen 
Blatt eine Anzahl segniental hintereinander angeordneter Zellstrftnge 
hervor (Fig. 2'2Ö vn). die navh rückwärts unibiegt u und •^ii h zu einem 
Längs.strang verbinden. Bald darauf erlialteu die Anlagen durch 
Auseioanderweicheu der Zellen kleine Höhlungen in ihrem Innern. 




Digitized by Google 



Die Organe des niltleren KeinbUttes. 



225 



Auf diese Weise ist jetzt zwischen Epidermis und ])arietaleiii Mittel- 
blatt ein LäDgskanal, der Vorniereugaug (Fig. 226 vg), entstanden, 
der sieh aber mehrere Rumpfsegmente erstreckt and durch mehrere 
hiiitereinander gelegene Öffnungen, die Vornierentriehter, mit 
der Loiheshöhle verbunden ist (Fig. 229 ni). 

Kurze Zeit nach ihrer Entstehung erleidet die Anlage in ihrer 
vorderen Hälfte eine vollstftndige Rttckbildung; die hintere Hälfte da- 
gegen entwidEelt sich weiter, weitet sich aus, bleibt aber mit der 
Leibeshöhle nur durch einen einzifzen Nierentrichfer in Zusammenhang 
{¥ig. 229 vn)^ sei es nun, dais, wie Wijüj:: angibt, die mehrfachen 
Trichter m einem einzigen verschmolzen sind, sei es, dafe nach der 



Fig. 225 u. 226. Zwei Querschnitte durch einen Embryo von Pristiurua. 
Nach Kabl. QuefBcbnitt Fig. 226 liegt ein wenig «citt r nach hinten al> (^uer- 
schnitt Fig. 225. 

ch f'horda. «/>'/ Spinalknnten, mp Mnskelplatle de^ l'rsegmenfs, H' skeletto- 
genes (iewelie, das aus der medialen Wand des Ursegnients liervorgewiichert ist, 
arh snbchordaler Strang, no Aorta, lA* inneres Keimblatt, jritü) , vrnh parietales, 
▼iacerale* Mittelblett, m Vorniere, vg Vorniereogang , x Spalte im ürsegment, 
welches noch mit der LeibeshAhle in Zusammenhang steht 

eiu/eliie solide, segraental anjreordnete Wucheninfien entstehen, sich 
aushöhlen (Fi;;. 227 u) und an ihren dem äufseren Keimblatt zu- 
gewandten Enden zu einem LAngskanal verbinden. Der so entstandene 
vomierengang (Fig. 227ti) hängt bei Rana iiiul Bombinator durch drei 
Nierentrichter, bei Triton und Salamander durch zwei mit der Leibrs- 
höhle zusammen, die hier etwas erweitert ist und als „Vornieren- 
kammer'* bezeichnet wird. Die ganze Anlage gewinnt bald darauf 
während des Larrenlebens eine stattliche Ausbildung dadurch, daßi 
die Nierentrichter zu langen, sich vielfach schlängelnden Röhren 
(Vomierenkanälen ) auswachsen. 

In ähnlicher Weise legt sich auch bei den Vögeln, an welche sich 
die Verhältnisse bei den Reptilien und Säugetieren (Rabl) wieder 
ansehliefsen lassen, ein Vornierenkanal in verkOmmerter Form an 

U. B*rtwig, Di« Elemente der Entwicklungelehre. 2. Aull. 15 




Darstellung von Rt^CKBRT alle 
Trichter bis auf einen ein- 
zigen sich scbliefsen und 
jmrfldcbilden. 



Auch bei den Amphibien 
legt sich die Vorniere an der 
Stelle, wo Ursegmente und 
Seitenplatte aneinandergren- 
zen, dadurch an, dafs an dem 
parietalen Blatt der letzteren 




Fig. m. 



Flg. 2SS. 



Digiti2ed by Google 



226 



Z«hatet Kapitel. 



(Fig. 131 W(l) und bleibt durch einzelne Trichter mit der Leibeshöble 
in Verbindung stehen. Er macht sich zuerst bemerkbar bei Hohner- 
embryoneo von acht l rseizmenten in der Gegend des fünften bis 

siebenten Scmnents uinl entwirkolt sich von liit r Ihm Altpren Kmbryonen 
nach rückwärts bis in die liegend des 15. Segments (Fklix). 

Eine eigenartige Beschaffenheit gewinnt endlich die Vorniere, wie 
es scht'int. bei allen \Virl)eltieren noch dadurch, dafs sich in der 
Nah»' ihrer Tricliter einzelne itilzfornii^'n Wucherunizon aus der Wand 
der Leibeshöhle, und zwar links und rechts von der Ansiitzstelle des 
Darmgekröses, entwickeln. In jede Wucherung dringt vou der Aorta 

ein Blutgefafs und löst sich hier ähnlich 
wie iu den MALPionischen Korpen hen der 
Niere in ein Büschel von Kapillaren auf, 
die sich gleich darauf wieder zu einem 
abfahrenden Gefäfs vereinigen. Später 
pellt meist aus den sepmental angelegten 
Wucherungen des Bauchfells mit ihrer 
charakteristischeu Gefäfsanorduung eiu 





Fijr. 227. 



Fljf. 228. 



Flg. 227. Querschnitt doroh eine sehr junge Bl&ulqnappe von Born- 

Msator in der Qegend des vorderen Endes des Dottersacka. Xaiii (iiyrra. 

a Falte des aui^eren Keiiublatte.s, die bich iu die KückentlosBC fortseuu ü* 
Bfkckeninark , m Seitennnskel , ag* äußrere Zellscbicbt der Muskelplatte, $ Mea- 
«nth.vni/<'Ik>o, [»Übergang des parietalen in das viscerale Mittelblatt, u Vomiere. 
/ Dai iiilinlile, e Dannhlatt, in die I)otterzelitMinia''se d fiberjrehend . f ventraler 
Bliod->ii(k <ifs Darms, der zur Ia'Iipt wird. 

Fig. 2216. Qaersolmitt durob die Vomiere von Triton taeniatua (6 mm). 
Nach Sioioa. 

p Peritonealtriehter, gl Glomeraloi, I Leibeihfthle. 



einheitliches Gebilde henror, der Vornierenknanel 

rVornierenglonierulus). Der schematisch ^^ehaltene Querschnitt 

(Fit;. 22^) (lurfli die Vorniere einer ♦> mni langen Tritonlarve gibt eine 
klare V<irst* llun<<; Uber die Lagebeziehuugeu des Glouierulus {gl) zum 
DarnifiekrüM' und zu den Nierentrichtem (p). 

Nur bei denjeniu'' ii Wirbeltieren, bei denen die Vorniere vorüber- 
gehend wirklieb in l'unktii»n tritt, wie bei den Larven der Amphibien, 
bei C)klost»»nien und Teb'ostiern. erreicht ihr Glonierulus eine ansehn- 
liche Entwicklung, während er bei den Selachiern und den Amnioten 
rudimentär bleibt und später g:»nz /unn kgebildet wird. Im ersterea 
Fall wird wahrscheinlich durch diese Einrichtung Flflssigkeit oder Harn» 



Dlgitized by Google 



Die Organe dei mitderen Keinblattes. 227 

Wasser ausgeschieden, das dano durch die Öffnungen der Vornieren- 
kanUlcben aufgenommen und durch den gleich weiter zu besprechenden 
Vornierengang nach aufsen entleert wird. Bemerkenswert und für die 
Struktur (It r Vorniere rliaraktpristiscli ist dabei der eine Punkt, dals 
der (jffalsknätuel sich nicht in (U r Wand der Vornierenkanälchen solhst, 
wie es bei den Kanakheu der Urniere der Fall ist, sondern in der 
Wand der Leibeshöhle entwickelt bat, so daft nur dureh Vermittlung 
des letzteren das Ilaiiiwasscr ahtreführt worden kann. Zu diesem 
Zweck hat sich bei vielen Wii heltievt i) noch der vordöre Abschnitt 
der Leibeshöhle, der den Gcfäisknäuei und die Voruiereutrichter eot- 
bftlt, gegen den ttbrigen Abschnitt mebr oder minder vollständig ab- 
geschlossen, indem zwisrhen parietalem und visceralem Blatt des Bauch- 
fells Verwachsungen nachtrilglich zustande gekommen sind und eine 
Art Vorn ie renk am lue r hervorgerufen ha^n. Bei den Teleostiern 
iat die Vomierenkammer voHstftndig abgescblossen, teilweise dagegen 
nur bei Lrpidosteus, Ichthyophis, Krokodilen und Cheloniern. 

In welclier Weise mündet nun aber die Vorniere nach aufsen ? 

Eü geschieht dies durch den Vornierengang, der sich in der oben 
beschriebenen Welse unmittelbar im Ansehlufs an die Vomiere ent- 
wickelt. Vorn entstanden, wächst er allmählich so weit nach hinten, 
bis er den Enddarm erreicht und sich in die Kloake öHnet. Man 
findet ihn bei allen Wirbeltieren (Fig. 131 Wd) in der Gegend, wo die 
Ursegmente {Po) an die Seitenplatte (pj)) dureh die sogenannte inter- 
mediäre Zellmasse angrenzen. Zur Zeit seiner Entstehung ist er 
immer dicht unter dem äulseren Keimblatt celogen (Fig. VM Wd); 
später entfernt er sich weiter von ihm und rückt in gröfsere Tiefe, 
indem sieh embryonales Bindegewebe dazwischenschiebt (Fig. 137 W 
u. Fig. 2'60ug). Der Kanal hat eine Anzahl verediiedener Namen 
erhalten und wird in der Literatur als Vorn ierengang, U rn ieren- 
gang, WoLFFScher Gang oder öegmentaigang aufgeführt. 
Die Terschiedene Benennung erklärt sieh daraus, dal^ der Kanal im 
Laufe der Entwicklung des Nierensystems seine Funktion wechselt und 
ursprünglich nur für die Vomiere', später für die Umiere als Aus- 
fübrungsgang dieuL 

Über die Entstehung des Kanals baben lange Zeit die Ansichten 
hin und her geschwankt. Aus den viele«, «jft widersprechenden Unter- 
suchungen scheint sich mir jetzt folgender Tatbestand zu ergeben, 
zu welchem auch Rückfkt in seiner zusamuienfasseudeu Darstellung 
der Haraorgane gekommen ist. 

Bei allen Wirbelt iert-n, mit Ausnahme des Amphioxus, entwickelt 
"-i'h der vordere Abschnitt des V()rni<M''>nL';tnL'< iI'mh niittb'ren 
Ktiiuiblatt in der Weise, dals die früher beschnebeneu , iu geringer 
Anzahl segmental entstandenen Vornierenkanälchen mit ihren freien 
Enden nach hinten umbiegen und sich untereinander verbinden. Der 
mittlere und hintere Ahsclinitt dagegen zeigt nach den einzelnen 
Wirbeltierklassen eine zweifach verschiedene Bildungsweise. 

Bei Knochenfischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln endet der 
Vornierengang, wenn sich sein vorderer Abschnitt aus dem mittleren 
K''imlilatt eben angelegt hat. Tunh liinten als Hncker. welcher in 
den Zw i>«chenrauni zwischen aulV< rem und mittlen ni Kt iiuhlatt frei 
vorspringt. Der Höcker wächst dann durch Vermehrung .sfiuer eigenen 
Zellen allmählich in die Länge, bis er den Enddarm erreicht und mit 
seiner Wand verschmilzt. Der mittlere und der hintere Abschnitt 

15* 



Digitized by Google 



228 



Zehntes Kapitel 



des Vornierenganges schnürt sich also weder yom äui'seren noch vom 
mittlereil KeiraUatt ab, wie vod dieser oder jener Seite bebaaptet 
worden ist, noch besiebt er Oberbanpt von ihnen Zellenmateriai zu 

seiner Vergröfserung. 

Die zweite Bildungsweise trifft man bei den Selachiern (Wijb£, 
Babl, Bbard, ROcisrt) und bei den Säugetieren an (Hbmsek, 
Flemming, Graf Sp£B, Kubbl). Wenn hei ihnen die Vorniere ebeo 
aus den Wuchernnfjen des mittl^rfii Koinihlattes entstanden ist. setzt 
sich das hintere Ende des Voruierengunges , anstatt ais Höcker nach 
hinten frei aufzuhftren, alsbald mit dem äufseren Keimblatt in feste 
Verbindung. An den Befund, der von einem Selachier-Embrjo in 
Fi'j. 225 dargestellt ist. schliefst sich in einer Querschnittserie bald 
ein Befund (Fig. 22(3) an, in welchem der Vornierengang jetzt als 
leistenartige Verdickung des äufseren Keimblattes erscheint. Durch 
das Studium verschieden alter Embryonen läfst sich dann weiter be> 
obachten, dafs sich die leistenartige Verdickung des ftufseren Keim- 
blattes immer weiter nach rückwärts verlagert, während nach vorn 
von dieser Stelle der Gang sich abgelöst hat und sell)ständig geworden 
ist Man findet also immer nnr das hinterste Ende des in die Länge 
wachsenden Vomiereoganges mit dem Äufseren Keimblatt innig ver- 
bunden. 

Hypothesen über Outogenie und i'livlogenie des Vomierenganges tiaden 
sieh in der 7. Auflage meine« Lehfbncbs der EntwieUnngsgescbichte 
(S. 401 — 403) besprochen. 

b) Die Urniere (WoLFFscher Körper). Dur Urnieren- oder 

VVoLFKSche Gang. 

Nach Entstobunp: des VomierensysttMiis entwickelt sich bei alleu 
Wirbeltieren nach Ablauf eines bald kürzeren, bald längereu Zeit- 
intervalls eine noch umfangreichere, zur Hamsekretion dienende Drüse, 
die Urniere oder der WoLFFsche Körper. Frühzeitiger entwickelt 
sie sich dort , wo die Anlage der Vorniere von Anfang an nur eine 
rudimentäre ist, wie bei den Selachiern und Arouioten, relativ spät 
dagegen bei denjenigen Wirbeltieren, bei denen die Vomiere vorOber- 
gehend zur Funktion gelangt, wie Wi den Amphibien und Teleostiern. 
Die rrnierc legt sich unmittelbar nach hinten von den Vornieren- 
kauaiciieu an dem folgenden Abschnitt des Vomierenganges an, den 
man daher von jetzt ab aueh als Urnleren- oder WoLnscben Gang 
bezeichnet. 

Wenn es heilst, eine Drüse entwickelt sich am rrnierenirang. 
wird man zunächst daran denken, dal's aus seiner Wand seuiiche 
Sprossen hervorwachsen und sieb verzweigen, wie es bei der Anlage 
von Drüsen aus dem äufseren oder dem inneren Keimblatt geschieht. 
Nichts Perjutiges findet hier statt. Wie fast alle Beobachter ülier- 
einstimuicnd augeben, entwickeln sich die Drüsenkauaicheu der Li- 
niere unabhängig vom Umierengang direkt oder indirekt aus dem 
Epithel der Leibeshohle . und zwar steht ihre Entwicklung mit den 
Ursegmenten in enirer Beziehung. Wenn diese sich von der Seiten- 
platte scharfer abzutrennen beginnen, entsteht an der Abschnttrungs- 
stolle ein dttnner Stiel, der noch eine Zeitlang einen Zusammenhang 
zwischen beiden Teilen vermittelt iFig. 22iU'b) und daher Ursegment- 
kommunikation genannt worden isL Denn er besitzt bei den Selachiern 




Dlgitized by Google 



Die Organe de« mittleren Keimblattes. 



229 



eine kleine Höhle, welche die Ursegmenthuhle mit der Leibe»höhle 
▼erbiiiddt. Bei den Amniotoo ist er solid (Fig. 231). Da hier aufoer- 

dem die hintereinander gelegenen Stnlnge dicht zusanimengedrilngt 
sind, erscheinen sie wie eine zusammenhangende, zwischen Ursegmente 
und Seitenplatte iiineingeschubeue Zellenniasse, die man früher auch 
Mitteiplatte, iotermediftre ZellmasBe oder Umierenblastem genannt 
hat. Den schon früher beschriebenen ürnierengang sieht man dicht 
an den Verbindungsstielen der Ursegmente lateral von ihnen seinen 
Weg nehmen. Jeder Ver)>iuduugsstiel nun, welchen Rügkert geradezu 
ein Nephrotom nennt im Gegensatz zum abrigen Teil des Ursegments, 
welcher die Muskelplatte (Myotom) und das Zellenmaterial für das 
skelettogene Gewohr (Skierotom) liefert, wandelt sich späterhin zu 
einem Uruiercukaualchen um. Während sein eines Ende mit der 
Leibeshöhle verbunden bleibt, trennt sich das andere vom Ursegment 




Fig. 829. Fig. 280. 

V'v:. 229 u '2:^0 Schemata von Querschnitten durch jün^re nnd 
ältere Selaohier-£inbryonen. Nach Wuhk. biehe Erklärung Seite IIS. 



ab (Fig. ^.^Omä-'), legt sich dann dicht an den Tmierengang an. ver- 
schmilzt mit seiner Wand und otlnet sich in ihn. Auf dem Schema 
(Fig. 230) iüt rechts die Ablösung des Yerbindungsstiels von dem 
Ursegment, linlcs die Verschmelzung des abgelösten Endes mit dem 
Ürnierengang dargestellt. Dieser ganzen Entstehungsweise nach ist 
die l'rniere ein von vornherein segmental angelegtes Organ. Denn 
wie bei den Selachieru am besten zu verfüigeu ist, entwickelt sich je 
ein Umierenkanftlchen in je einem Segment — Bei den Reptilien, 
Vi^eln nnd Saugetieren sind die Vcrbindung^tiele der Ursegmente 
mit der Seitenplatte solide Zellenstränge ( Nephrotome, Urnierenstränge). 
die sich erst nach ihrer Veri'chmelzuni^ mit dem UmiereDgang aus- 
höhlen (Fig. 137 sO; i^neh werden sie jetzt deutlicher als gesonderte 
Kanäle erkennbar, indem sie weiter auseinandergerückt und durch 
schärfere Konturen gegen das umgebende Gewebe abgesetzt sind. 



Digitized by Coogle 



Zehntes Kapitel. 



Die Urniere vergröfsert sich allmählich von vorn nach hinten und 
erreicht dabei zu beiden Seiten des Darmgekröses eine grolse Aus- 
dehnung, indem sie von der Lel)ergegend bis nahe zum hinteren Ende 
der Leibeshöhle horabreicht ; sie gewinnt eine sehr regelmälVige. zier- 
liche BeschatTeuheit . wie die Abbildung eines 25 Tage allen Hunde- 
embryo zeigt (Fig. loOtin); sie kann als eine kammförmige Drtise 
bezeichnet werden, zusammengesetzt aus einem lateral in einiger 
Entfernung vom Mesenterium gelegenen, längs verlaufenden Sammel- 
rohr und njedianwärts ansitzenden, kurzen Querästchen. den Urnieren- 
kanälchen. 

Bald nach ihrer Verbindung mit dem Urnierengang beginnen die 
einzelnen Urnierenkanülchen etwas in die Länge zu wachsen , sich 
dabei S-förmig aufzuwinden und in drei Abschnitte zu sondern. Der 
mittlere Abschnitt weitet sich aus und gestaltet sich zu einer Bowman- 
schen Kapsel um. An diese treten von den in der Nähe der l'rniere 
vorbeiziehenden, primitiven Aorten einzelne «Querästchen heran und 
lösen sich in ein Büschel von Kapillaren auf, aus denen sich ein ab- 
fahrendes Gefäfs sammelt und zu den Kardinalvenen (siehe Kap. XIU 
begibt. Der Blutgefäfsknäuel iGlomeruIus) wächst nun in das 
Epithelbläschen hinein . dessen mediale Wand er vor sich hertreibt 
und in das Innere einstülpt. Hierbei werden am eingestülpten Wand- 
teil die J^pithelzellen stark abgeplattet, während sie auf der entgegen- 
gesetzten Seite hoch und kubi.sch bleiben. Ein derartiges Gebilde, 
das aus einem G«'fäfsknäuel und der umhüllenden BowMANschen 
Kapsel l»esteht, nennen wir ein MALPiGHisches Körperchen, ein 
Organ, das für die l'rniere und die bleibende Niere der Wirbeltiere 
Uberaus bezeichnend ist. Aufser dem erweiterten, mittleren Teil ist 
an jedem l'rnierenkanälchen noch zu unterscheiden erstens ein engeres 
Verbindungsstück mit dem Urnierengang, welches mehr und mehr 
in die Länge wächst, und zweitens ein kürzeres Verbindungsstück 
mit der Leibeshöhle. Letzteres bildet sich in den einzelnen Wirbel- 
tierklassen in verschiedener Weise um. Bei einigen , wie l)ei Se- 
lachiern. behält es seinen Zusammenhang mit der Leibeshöhle auch 
beim ausgewachsenen Tiere bei und beginnt am Bauchfell mit einer 
von Flimmerzellen umgebenen Öffnung, die, von Semper entdeckt, als 
N ie r en t r i ch t e r (Nephrostom) bezeichnet worden ist. Die Ein- 
richtung erinnert an ähnliche Gebilde, welche die Kxkretionsorgane 
der gegliederten Würmer besitzen. Bei den Amnioten indessen lö^en 
sich die Urnierenkanälchen v(m dem Epithel der Leibeshöhle ebenso 
wie von den Trsegnienten frühzeitig und vollständig ab und verlieren 
dadurch jede Beziehung zur Leibeshöhle. 

Bei den meisten Wirbeltieren entwickelt sich die Urniere zu 
einem voluminösen Organ. Es beginnen nämlich die zuerst kurzen 
Urnierenkanälchen stärker in die Länge zu wachsen und sich dal>ei 
in zahlreiche Windungen aufzuschlängeln (Fig. .<,/). Aufserdem 
Kommt es zur Entstehung neuer Kanälchen zweiter und dritter 
Ordnunj:. Auch diese bilden sich wieder unabhängig vom Urnieren- 
gang dorsal von den zuerst entstandenen Querkanälchen : sie nähern sich 
mit ihrem blinden Ende dem primären Ilarnkanälchen und vereinigen 
sich mit seinem Endabschnitt, welcher sich so zu einem Sammelrohr 
umwandelt, Gleichzeiti;: legt sich an einem jeden vim ihnen auch ein 
MALi'it.msches KörjRMchen an. Gewöhnlich findet sich l>ei den meisten 
Wirlieltieren das Xerliältnis durchgeführt, dafs der vorderste Teil. 



Digitized by Google 




Die Orgaue des initüerea Keimblattes. 



231 



der später zu den GesctalechtsdrOsen in Beziehung tritt, einfache 

Kaiiiilrl rn Ijehillt, und dafi? mir der liinttM-e Teil durch Bildung 
sekundärer und tertiärer Anlagen in eine zusammengesetztere Form 
übergeht. — Je mehr die Urniere mit der Schlängelung ihrer 
Kanftlchen und ihrer weiteren Differeuziemng an Volum zunimmt, 
um sn niohr prenzt sie sich von ihrer Umgebung ab und tritt aus 
der Ruiiipfwiuid als deutlich gesondertes Organ in die Leiheshfthle 
hervor, wo sie zu beiden Seiten des Darmgekruses ein vorspringendes 
Band bildet (Flg. 234 WK}. 

Das feinere Scliii ksal der üruiere ist in den einzelnen Wirbel- 
lierklassen ein vt rsehiedeues. lU'i den Anamnia (Fischen und Am- 
phibien) wird die Urniere zum bleibenden Harnorgan und gewinnt 
aufterdem noch Beziehungen zum Oeaehlechtsapparat, aufweiche spftter 




1 ig. 2in. SohaiDa des urBpräiisliolien SnstandM der Hivre beim 

H 0 ittc hiar-Bmbryo. 

rmicTenK:<nf;, iUt sich bei o in die LL'ibesli"hI«' uiul am anderoii Hildo 
in die Kluake ufliift , x Linie, längs welcher sich vom Urniercngan]; der am 
Schema nach unten gelegene MüLLKRscbe Gang abteilt, 9Jt tJrnierenkaii&lchen, die 
eimeneits in die Leibeiböble, «nderiettt in d«a Umierengnng mttnden. 

eingegangen werden wird. Bei Vögeln und Säugetieren dagegen 
fungiert die Urniere nur kurze Zeit wahrend des embryonalen Lehens; 
bald naeh ihrer Anlage erfahrt sie schon Ilnckbildungen und bleibt 
schlielblich nur teilweise erhalten, soweit sie in den Dienst des Ge- 
schlechtsapparates tritt und zur AusfObrung der Geschlechtsprodukte 
mit verwendet wird. 

c) D i c X i e r e. 

Die Ausscheidung des Harns übernimmt bei den höheren Wirbel- 
tieren eine dritte, am hinteren Endstück des Urnieren ganges sich 
anlegende Drüse: die bleibende Kiere. Ihre Bildungsgescliichte, 
welche von dci ii> i Turniere sehr abzuweichen scheint, bereitet der Unter- 
suchung gröl'sere Schwierigkeiten. Nach den übereinsitimmenden An- 
gal>en aller Forscher bildet sich zuerst in der von Kupffer ent- 
deckten Weise am Ende des Urnicrenganges aus seiner dorsalen 
Wandung eine Ausstülpung, der Harnl fiter oder T'reter: dann 
wachst er narb vorn in die Ljinge. fiiigehl^llt in ein zellenreiches 
Gewebe. „Nieroumesenchynr, wtlehes die bindegewebigen Be- 
standteile der Niere liefert. Der Harnleiter weitet sich hierauf an 
seinem blinden Kiitie etwas aus und liefert den liei den Säugetieren 
als NieronlMH'ken tiezeiclmctcn Abschnitt. Aus ihm gehen durch 
Sprobsung die Nierenktlche un»l aus diesen durch weiter fortgesetzte 
Sprofisnng und Teilung die Austiufsröhren (Ductus papilläres) und 
Sammel röhren hervor. 

Während so weit die Verhältnisse klar liegen, stehen sich tiber 
den weiteren Verlauf der Niereneutwicklung zwei Ansichten gegen- 



Digitized by Google 



232 



Zehntes Kapitel. 



über. Nach der älteren Ansicht, die neuerdings wieder in GoLor 
und SEixiwiCK MiNOT (siehe dessen Lehrbuch der Entwicklungs- 
geschichte, S. 52(3) ihre Verteidiger gefunden hat, bildet sich aus 
dem Harnleiter das ganze Kanalsystem der Niere nach Art des ge- 
wöhnlichen Drüsenwachstums. Es sprossen also aus den Sammel- 
röhren auch die HESLEschen Schleifen, die gewundenen Hamkanälchen 
etc. hervor. 

Nach der zweiten Ansicht dagegen (Semper, Braun, Ft^RBRiNuKK, 
KuPFFER, Sedgwick uud Balfour) entwickelt sich die bleibende 
Niere aus zwei getrennten Anlagen, die erst sekundär 
in Beziehung zueinander treten: die Marksubstanz mit ihren 
Sammelröhren aus dem Harnleiter, die Rindensubstanz dagegen mit 
den gewundenen KanRlchen und den HENLESchen Schleifen aus einer 
besonderen Anlage, dem „Xierenblastem". Nach dieser Ansicht würde 
demnach eine Ül)ereinstimmung stattfinden zwischen der Entwicklung 

der Niere und der Urniere. insofern \m 
letzterer der Urnierengang und die Ur- 
nierenkanälchen ja auch getrennt entstehen, 
um erst später sekundär durch Verwachsung 
zueinander in Beziehung zu treten. Forscher, 
die der zweiten Ansicht huldigen, haben 
daher auch die bleibende Niere als eine 
jüngere, reicher entwickelte Generation von 
Umierenkanälchen gedeutet. 

Um die Streitfrage zu lösen, bei welcher 
Behauptung gegen Behauptung steht, sind 
jedenfalls noch weitere Untersuchungen von 
mehreren Vertretern der Klasse der Säuge- 
tiere sehr erwünscht. 

Die voluminöser gewordene Niere, 
welche bald die Urniere an Gröfse über- 
tlügelt hat, ist anfangs aus einzelnen, durch 
tiefe Furchen getrennten Lappen zusammen- 
gesetzt (Fig 2:^2). Die Lappung bleibt bei 
den Rei)tilien, Vögeln und einzelnen Säuge- 
tieren (Cetaceen) dauernd erhalten. Bei 
den meisten Säugetieren jedoch verschwindet sie, ebenso wie beim 
Menschen (bei dem letzteren nach der Geburt). Die Oberfläche der 
Niere gewinnt eine vollständig glatte Beschaffenheit; nur noch die 
innere Struktur (MALPiomsche Pyramiden) weist auf die Zusammen- 
setzung aus einzelnen, ursprünglich auch äufserlich gesonderten Alv 
schnitten hin. 

Der Übersichtlichkeit halber wurde die Entwicklung der drei 
Abschnitte: der Vorniere. Urniere und bleibenden Niere, bisher im 
Zusammenhang besprochen. Dabei wurden andere Vorgänge einst- 
weilen aufser acht gelassen, welche sich gleichzeitig in der Umgebung 
der Uruierenanlage abspielen, Sie betreffen die Ausbildung des 
MrLLERschen Ganges, der Geschlechtsorgane und der Nebenniere. 




- hl 



Kif?. 232. Niere und 
Nebenniere eines mensch- 
lichen Embryo am Ende 
der Schwangerschaft. 

«« Ncbcuniere, n Niere, 
l Lappen der Niere, hl Harn- 
leiter. 



d) Der Mt'LLERsche Gang. 

Der MtLLEKSche tiang ist ein Kanal, der bei Embryonen der 
meisten Wirbeltiere (Selachier, Amphibien, Reptilien, Vögel und 




Digitized by Google 



Die Organe des mittleren Keimblattes. 



2aa 



ff (t 



S&ugetiere) ursprünglich parallel und dicht neben dem Umierengang 
vorgefundrii wird . ein Kanal , der sich in gleicher Weise bei beiden 
Ge^^chleclirern anlegt, alier spater in jedem eine verschiedene Ver- 
wendung nndet. Er nimmt bei niederen Wirbeltieren seine Ent- 
stehung aus dem Uroierengang, was am leichtesten bei den Selactaiern 
(Semt'FJ;, Balfoür, HoFF^fAN^^ Rabl) zu verfolgen ist. Hier weitet 
sich der ürnierengang aus, erhält auf dem Querschnitt (Fig. 28;i4) 
eine ovale Furm und gewinnt an seiner dorsalen {sd) und ventralen 
Hftlfte (o^, welche letztere an das Peritonealepithel unmittelbar an- 
grenzt, eine verschiedene Beschaffenheit. An der dorsalen Hälfte 
münden die l'rnierenkanillchen ein, während 
ventral war ts sich die Wand bedeutend verdickt. 
Hieranf erfolgt eine Trennung der beiden Teile, 
die in geringer Kntfernurjr vom vorderen Ende 
beginnt m Mierschnitt 3—1) und nach hinten bis 
zur EiuuiUudungsstelle in den Enddarm fort- 
schreitet. Das dorsal gelegene Spaltungsprodukt 
ist der bleibende Ürnierengang (trrf); er zeigt 
ursprünglich ein weiteres Lumen und nimmt 
die Harnkanälchen auf (Fig. 231 si). Ventral 
zwischen ihm und dem Epithel der Leibeshöhle 
liegt der MüLLSBSche Gang (Fig. 233 od u. 231), 
der zuerst nur wenig durchgjftngig ist, später 
sich aber viel bedeutender ausweitet Beim 
Spaltungsprozers wifd ihm das vordere Anfangs- 
stttck des primären Kanals (Fig. 231 pd) zugeteilt, 
welches auf S. 224 als Vorniere beschriehen 
wurde und durch einen Flimmertrichter 
(Fig. 231 0) in die Leibeehöble ansmOndet. Der 
Flimmertrichter wird zum Ostiam abdominale 
tubae. 

Die Spaltung des einfachen Urniereugaages 
in zwei dicht nebeneinandergelegene Kanäle 
ist ein eigentümlicher Vorgang, der nur ver- 
ständlicli wird unter der Voraussetzung, dafs 
der Ürnierengang eine doppelte Funktion be- 
sessen hat. Wahrscheinlich diente er ursprüng- 
lich sowohl zur Ausführung des von den Ur- 
nierenkanillchen gelieferten Sekretes, als auch 
nahm er durch seine Vornierentrichter aus der 
Leil>e8hÖhle die bei der Reife in sie entleerten 
Geschlechtsprodukte, Eier oder Samenfäden, auf und leitete sie nach 
aufsen. Ähnliches beobachtet man häutig bei wirbellosen Tieren, z. B. in 
verschiedenen Abteilungen der Würmer, bei denen auch die Segmental- 
kanäle, welche die Leibeswand durchbohren, sowohl Exkrete des 
Körpers als auch die Geschlechtsprodukte nach aufsen befördern. Bei 
den Wirbeltieren ist dann eine jede der zwei Funktionen auf einen 
besonderen Kanal übertragen worden, von denen der eine die Verbindung 
mit der Leibeshöhle verliert, dagegen mit den queren Urnieren- 
kanälchen in Zusammenhang bleibt, der andere die Flimmertriehter 
der Vorniere zugeteilt erhiilt und 80 zur Ausführung der Geschlechts- 
produkte (Eier) geeignet wird. 

Bei den Reptilien, Vögeln und Suugetiereu ist die Kntwickluugs- 




Fig.m Vier Quer- 
■ehnitle durob den 

vorderen Abschnitt 
des UmierengangeB 
eines weiblichen Em- 
bcsro von SoirUiam 
oaiiieiil&. NachBALvoiTR. 

Die AM)i!(lunK /eiprt, 
wie sich vom Ürnieren- 
gang und «kI der 
Müi.Lsatcbe Gaog od 
abspaltet. 



Digitized by Google 



ZebatM KftpiteL 



weise dfh M( LLtHhcheu Ganges besonders im Vergleich zu den bei 
Selachiern und Amphibien beobachteten Verhftltnissen noch Gegen- 
stand wiflHeosehaftlicbcr Kontroverse, ül)er welche mein Lehrbuch der 
EDtwieklnngsgeschiehte (Vll. Aufl. S. 413) nähere Auskunft ^Mht. 

W ir lieschränkeu uns hier 
auf folgende Angaben: Zur 
Zeit, wo die Urniere schon 
weiter ausgebildet ist und 
einen in die Leibeshöhie vor- 
springenden , bandartigen 
Körper (die Tlrnierenfaite) 
darstellt, ist in ihrem vor- 
deren Bereiche und an ihrer 
lateralen Fläche das kraniale 
Ende des MOuBRBchen Ganges 
als I'iiine angelejzt, die von 
Cylinderzelien ausgekleidet 
wird. Sie liegt ganz in der 
Nähe des Umierenganges und 
wird S])iUer zum Ostium ab- 
dominale tubae. Etwas mehr 
distalwärts geht die liiuue 
in einen Epithelstrang Ober 
(Fig. 2'Vt -) . welcher sich 
bald vom Peritonealepithel 
ganz ublOst, sich mit seiueiu 
blinden Ende der ventralen 
Wand des ITmiereoganges 
dicht anschmiegt und von 
seinem Epithel kaum mehr 
SU unterseneiden ist Schnitte 
durch entsprechend alte Em- 
bryonen von Vögeln. Säuge- 
tieren und vom Menschen 
(Fig. 235) liefern gleiche Be- 
funde. Die Anlage wächst 
dann mit ihrem hinteren 
Ende immer dem L'ruieren- 




Kig. 2H4. Querschnitt durch die Vr- 
nlmr«, di« Aalmg» des Müllenohen Qaagoa 
und dla XManfla» b«im Hlihiwliw Tom 
▼itvten Tag«. Narb Waloktsii. Vergr. 
leofach. 

m Mesent^rittni, L Rmnpftilatte, o' die 

(H'ni'nd (h's Kriiiionitlu'N, \on wehhor sich 
datt vordere Küde uvs Mlllkh^cIu'ii (;anp«'S(j) 
elng«*BtQlpt bat, a verdickte Tartu- des Keim- 
enitneUi in welcher die primükren Keimzellen 
(■ und o liefjien. K modifitierlet Mesenrbviu, 
>«oraus das Stromn drr KeimdrÜM gebifdet 
wird. H A' I rniere. y l ruicrengang. 





] ■ : Qiierdohnitt durch den WoUA«1mii wid MttUanakai 

Bweier meuechlioher Embryonen. Nach Naukl. 

A fiiios fn<«n«ebli«>hra Kmhryo von 21 mm Lftnfre. B eines minnlirlien Em- 
bryo ^oM 'Jl* iiKU 1 nicf. 

)\ .,1. W.'L» r>> l.ei liaiiji. M -i. Ki;de des in Knt>» u kluiif» be^ffenen Mciam- 



Digitized by Google 



Die ürgftue des mittleren Keimblattes. 



295 



gang dicht angeschmiegt und ihm folgend, weiter nach hinten, bis 
sie die Kloake erreicht und in sie einmündet. Gleichzeitig trennt 
sie sich etwau vor ihrem jeweiligen hinterem Ende schärfer vom Ur- 
nierengang ab und liefert so einen ftolideu Zellenstrang, der zwischen 
Peritonealepithel und Urniereogang gelegen ist und allmählich durch 
Auaeinanderweichen seiner Zellen eine Höhlung < rli ilt. 

Es ist eine Streitfrage, ob das hintere Eudt^ des MüLLRRscben 
Ganges selbstAndig nach hinten auswichst, oder ob die innige Ver- 
bindung mit dem Urnierengang in der Weise zu deuten ist, dafs hier 
von letzterem eine Art Abspaltung stattfindet. Im zweiten Falle 
würde die Entwicklung des MCLL£RSchen Ganges bei den höheren 
Wirbeltieren sich von dem bei Selachiem und Amphibien beobachteten 
Vorgang ableiten lassen. 

e) Das Keimepithel. 

Zur Zeit, wo sich der MOiXBRSche Gang anlegt, sind bei den 

Wirbeltieren auch die ersten Spim 'i der Geschlechtsdrüsen nachzu- 
weisen. Ihr Mutterboden ist ^'leiclitalls das Epithel der Leibeshöhle. 
Dieses gewinut z. B. beim Hühnchen, welches der Beschreibung zur 
Grundlage dienen soll, in den verschiedenen Bezirken der Leibeshöhle 
ein verschiedenes Aussehen (Fig. 2:i4) : an den meisten Stellen platten 
sich die Ejnthelien aufserordentlich ah und nehmen die Beschaffen- 
heit des spateren „Eudotliels" au. Auch auf den Urnieren, die als 
dicke, blutreiche Falten in die Leibeshöhle vorspringen, ist im 
gröfsten Bereich das Epithel stark abgeplattet, erhillt sich dafjegen 
in seiner ursprünglichen BeschatTenheit 1) an ihrer lateralen Fläche 
längs eines Streifens (a) , an welciiem sich , wie wir obeu gesehen 
haben, der MOLLBüSche Gang entwickelt, und 2) längs eines 
St rei fens der an der medialen Seite der Urniere von 
vorn nach liintcu hinzieht und als Keimepithel (Wälükier) 
bezeichnet wird. Von ihm leiten sich die Keimzellen her: 
im weiblichen Geschlecht dieUreier, im männlichen die 
Ursamenzellen. 

f) Der Eierstock. 

Die Entwicklung des Eierstocks ist bis auf einige strittige Punkte 
ziemlich genau l)ekannt , sowohl hei niederen als auch bei höheren 
Wirbeltieren, daher ich mich einfach auf die Darstellung der Befunde 
beschränken kann, welche man von dem Hohnchen und deh Säuge- 
tieren erhalten hat. 

Am fünften Bebrüt\ingstafr etwa nimmt das KeiraepitheJ beim 
Hühnchen au Dicke bedeutend zu und wird 2— 'S Zellenlageu stark. 
In ihm treten einige Elemente hervor, die sich durch Protoplasma- 
reichtum und durch grofse und rundliche Kerne auszeichnen (Fig. 234 
C u. o). die sogenannten l'reier ( VV vm.fykk). Unter dem Keimepithel 
findet sich zu jener Zeit sciiou euihrvouales Bindegewebe vor, mit 
sternförmigen Zellen (/;>, welche in lebhafter Wucherung begriffen 
sind. Auf diese Weise entsteht an der medialen ^eite der I rniere 
die Gesclileclitsleiste . welche von den Harnkanillchen durch eine 
dazwischen betindliche geringe Quantität von embryonaler Binde- 
sttbstani getrennt ist 



Digltized by Google 



23iH 



Zehate* KmgiML 



Äholicbe Veränderungen wie beim Hfihochen treten bei Siagem 
aaf. mit d^-m riiter-' hlH. 'i . 'la* K^ imepithel eine viel l>erieutendere 
Dicke zu f*rrei< h»-n '«rhf^int. Auf älteren £ntwii>klaDgsstafiien verlieren 
die Grenzen zwischen dem Keimtpithel, welches in starker Wucherung 
begriffen in nod daher zahlreiche Keniteilangstiguren aufweist, und 
ZwiiK-hen d* m unt^'^ ihm li- L'enden Gewehe mehr und mehr an Deutlich- 
keit. E> rührt - » infä' h daher. daiV jetzt ein D u r c h w a c hsun gs- 
prozei's de» LpitheL> und des embryonalen Binde- 
gewebes sUttÜDdet (Fig. 2:^). 
Slit AV»>i' ht <age ich: ein Durch- 
wa< h>ungsprozefs . ind^ m i« h 
unentschieden lasse, ob mehr das 
Keimepithel infolge seiner Ent- 
wicklungindasembryonale Binde- 
gewebe in Form von Stränsen 
und einzelnen Zellgruppen hinein- 
waehert, oder ob das Bnide- 
gewehe mit Fortsätzen in das 
Epithel dringt. Wahrscheinlich 
sind beide Gewebe au dem Vor- 
gang aktiv beteiligt 

Infolge des Durchwachsungs- 
prozesses. welcher lanjie Zeit 




bt 



Fif. 23^. Qaenchnitt durch den 
BImtoek eines fünf Tage alten. Kft- 
«t a gfae na. Stark veKrCifeert. NachBALvoim. 

kje IMiupitlier, ujti Ureter, HJb Ei- 
balka, 6i Bindegewebe. 




w&hrend der Entwicklung fortdauert, gehen aus dem Keimepithei 
dflnnere und stlrkere ZelleDStrfliige und Ballen (Fig. 236 n. 237) 
hervor, welche nach ihrem Entdecker den Namen der PFLüGERschen 

Schlauche erhalten 
haben. Zuweilen treten 
sie hier und da durch 
seitliche Äste in Ver- 
bindung miteinander. 
Zusammen mit dem sie 

trennenden Binde* 
gewebe bilden sie die 
Grundlage für die H inde 
des Eierstocks. lu den 
PFLOoBRsehen Schlln- 
chen werden allm&hlich 
zweierlei Arten \(\x\ 
Zellen bes^r uuter- 
seheidbar: FolHkel- 
lellen und Freier, 
wie man an der Al'- 
bildung eines iUtereu 
Stadinms (Fig. 2:i8) 
deutlich sieht. Während 
nun die Follikelzelh^n 
durch fortwährende 
Teilungsprozesse zahl- 
reicher und kleiner wer- 
den, nehmen die Ureier 
an Grölse immer mehr 
zu und erhalten sehr 





Flg. 287. Bohaitt dank den Slaratook eiaae 
menschlichen Xiubrios ▼on 11 mn Rumpfliiiga. 

NiK Ii NAiiKc. 

/. Außere Schicht der Eierstockanlage (dag 
spatere Eicrstockepithel), U. Kiftcher, 3. Stroma- 
Gefilfte. 



Digitized by Google 



Die Organe des mittler«! KeimbUttes. 



237 



anBehnliche, bUlscheuförinige Kerne mit einem deutlich entwickelten 
Fadennetz. Sie liegen selten vereinzelt in den Strängen und Balken 
der Follikelzellen , sondern gewöhnlich in Gruppen, in fftrmliehen 
«Eines lern", zusammen (Fig. 238 ei.b). 

Während der Vergrölserung der Eizellen leitet sich ein zweites 
Stadium des Durchwachsungsprozesses von Epithel und Bindegewebe 
ein: das Stadium der Fol 1 i ke 1 b i 1 d u n g (Fi^'. An der 

Grenze zwischen der Mark- und Rindenzone des Kierstocks wuchert 
das blutgefärsfQbrende Bindegewebe der Umgebung in die i'FLüGKK- 
schen Schl&uche (eMh) und Nester (ei,b) hinein und teilt sie in lauter 
kuglige Körper, in die einzelnen Follikel (f), ab. Ein solcher enthält 
ein einziges Ei . das 
eingehüllt ist. Von 



ringsum von einer Öchicbl. von FolUkelzellen 



k.e 



99 

f 
99 




der Marksubstans aus 

schreitet dl e A u fl ö s u n 
in Follikel immer mehr 
nach dem Keimepithel 
vor, doch erhalten sieh 
unter ihm lilngere Zeit 
PPLüGERSche Schläu- 
che, die mit ihm durch 
dOnne Epithelstrftnge 
(euch) in Zusammen- 
hang bleiben und in 

Entwicklung be- 
griffene Eier ein- 
scblielhen. 

Die Neubildung 
von pFLüGEKSchen 
SeUfluchen und von 
jungen Eiern ist ein 
Prozefs, der bei nie- 
deren Wirbeltieren 
wahrend des ganieo 
Lebens vor sich geht, 
hei höheren dagegen 
nur auf die Periode 
der embryonalen Ent- 
wicklung oder die 
ersten Lebensjahre 
beschränkt zu sein 
scheint. Im enteren 

Falle, bei ehier uneingeschränkten Neubildung, kann man auch am 
ausgewachsenen Tiere Kikeinie bald an den verschiedensten Stellen 
des Eierstocks autreäen, bald liudet man sie nur aul bestimmte Ciegcnden 
der Drfise beschränkt. Im zweiten Falle erlischt die Ureierbfldung im 
Keiniepithel wohl um so frühzeitiger, je geringer das gesamte, w&hrend 
des Lebens nach aul'sen entleerte Eiquantum ist. So gil)t Waldeyer vom 
Menschen an, dafs im zweiten Lebensjahre eine Entstehung neuer 
Eier nicht mehr nachzuweisen sei. Trotzdem ist auch beim Menschen 
die Anzahl der in einem einzigen Eierstock enthaltenen Eianlagen 
schon eine aufseronlciitlich grofse. Man hat sie bei einem ge- 
sell lechtsreifen Mädchen auf UüOOO geschätzt. Bei anderen Säuge- 



Fig. 2H8. Teil eines sagittalen Durchsohnitts 
vom Sieratook eine« neugeborenen Kindes. Stark 
vergrö Isert. Nach WAiDBrea. 

k.e Keimepitliel , i.sdi ruLOKKsrlic Schläuche, 
ujt im Keimepithel gelegene üreier, tMh' langer, in 
FoIUkelbildniif befrilBsaer PnOonscher Scnlaiieli, 
ei.h Eiballen, ebentalls in der Zerlegung in Follikel 
begrifl'en, / jüngste, bereits isolierte Follikel, gg (icfäfse. 

In den Schläuchen und Eiballen sind die Primor- 
diaieier und die Ueineren EpitheljMllen, das spätere 
Felllkelepithel, su imterseheideii. 



238 



Zehntes Kapitel. 



tieren (Hund, Kanincheo. Fledermaus) scheint die Neubildung länger 
anzudauern. 

Im Anschlufs an die ei-ste Entstehung der Follikel will ich hier 
gleich noch einige Angaben über ihre weitere Umbildung folgen 
lassen. Dieselbe ist bei den verschiedenen Wirlieltieren . mit Aus- 
nahme der Säugetiere, eine sehr ähnliche. Bei den meisten Wirbel- 
tieren besteht der Follikel zuerst aus einer kleinen, zentral gelegenen 
Eizelle und einer einfachen Lage einhüllender, kleiner Follikelzellen. 
Beide grenzen sich bald schärfer durch eine Dotterhaut oder Mem- 
brana vitellina gegeneinander ab. An älteren Follikeln haben beide 
Teile an Gröl'se zugenommen. Die Follikelzellen wachsen gewöhnlich 
zu längeren Cylindern aus und scheinen bei der Ernährung des Eies 
eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen. Bei vielen Tieren, z. B. 
bei Haien und Dipneusten, hat man in ihnen Dotterkörnchen, wie in 
der Eizelle selbst, vorgefunden und hieraus, wie aus anderen Er- 
scheinungen, geschlossen, dals die Follikelzellen aus der gefäfshaltigen 




Fig. -m Fig. 240. Fig. 241. 

Fig. 239—241. Drei Entwicklun^sstadien der £ifoIlikel eines Säuge- 
tieres aus Schnitten durch den Eierstock der Katse. Nach Hkktwio. 

Fig. 2^9. Ki. Ton finer einfachen L»cv cylindrischer Follikelzellen umgeben. 
Flg. 240. von einer doppolten Lage. Fig. 241, von einer mehrM-hichtigen Lage 
umgeben. Im Follikelepithel der Fig. 241 sind mehrere mit Liquor folliculi er- 
füllte >palteD entstanden. 

Follikelkapsel Nahrungssubstanz aufnehmen und sie weiter zum Ei 
transportieren. Eine derartige Ernährung wird dadurch erleichtert, 
dafs die Dotterhaut von Kanälchen durchbohrt ist. durch welche die 
Follikelzellen Protoplasmafadeu nach dem Ei hindurchsenden. Wenn 
das Ei seine vollständige Grr»fse erreicht hat . verliert das Follikel- 
epithel seine Bedeutung &U Ernährungsorgan und plattet sich mehr 
und mehr ab. 

Bei niederen WirK'ltieren werden die reifen Eizellen gewöhnlich 
in grofser Masse auf einmal, häutig im Verlauf wenicer Tage, ja 
selbst Stunden, entleert. Es geschieht in der Weise, dafs die Binde- 
gewebshülle plat/t und ein .\ustreten der Eier in die Leibeshöhle 
veranlaist. wie Km Fischen und den meisten Amjthibien. Nach der 
Entleerung ist der Eierstock, welcher vorher aufserordentlich grofs 
war. auf einen ganz kleinen Strang zusammengeschrumpft und schliefst 
jetzt nur noch juni:e Eikeime ein. die zum Teil bis zum nächsten 
Jahre heranzureifen be.'^tiiunit sind. 

In etwas anderer Weise verläuft 1>ei den Säugetieren und dem 
Menschen die Bildunj der Follikel. Diese enthalten ursprünglich, 
wie l.ei den übrigen Wirbeltieren, auch nur ein kleines Ei und eine 



Digitized by Google 



Die Organe des mittleren Keimblattes. 



239 



einfache Lage von Follikelzellcn. die zuerst platt sind, darauf kubische, 
dann cyliudrische Foriu auuehuieu (Fig. 2'6Sf u. 239). Eine Zeitlang 
umhUllen die Follikelsellen das Ei in einfacher Lage, dann aber 
wuchern sie, teilen sich und wandoin sich in eine dicke, zuerst zwei- 
schichtige (Fig. 240). dann vielschichtige (Fig JH) liülie um. Noch 
gröfser aber wird der Unterschied von dem oben beschriebenen Ent- 
wicklungsgang dadurch, dafls von den gewueherten FoUiketzellen eine 
Flüssigkeit, der Liquor folliculi, abgeschieden wird, welche rieb 
neben dem Fi in einer kleinen Hrdilung ansammelt (Fig. 241). 

Infolge beträchtlicher Zunahme der Flüssigkeit wird der ur- 
sprünglich solide Follikel sehliefslieb in ein mehr oder minder grorses 
Bläschen (Fig. 242 u. 243) umgewandelt, welches von dem Hollander 
Reonifk PK Ghaaf vor zwei Jahrhunderten entdeckt und für das Ei 
des Menschen erklärt worden ist. Die Bildung hat auch nach ihm 
den Namen des GRAAPsehen Bläschens erhalten. Ein solches be- 
steht nunmehr (Fig. 243): 1) aus einer ftufteren bindegewebigen, 



Fig. 242 u. 243. Zwei üntwieklungsstadien von Qraafaohen Bläschen. 
Fig. 242 mit beginnender Entwicklung tob FolUkelflOssiglceitt Fig. 243 mit gröEserer 

Ansammlung derselben. 

ei Ei, /'- I'ollikrlzrlleii, />' Fnllikelzolk-n. welrlx' das Ei einhüllfn uiul den 
Discus proligerus bilden, ff FoUikelÜüssigkeit (Liquor folliculi), fk FoUikulkapsel 
(Thecn »»lUeoliX Zoo» peUudda. 

Blutgefslfse führenden Hülle (ß) . der Theca folliculi. 2) aus 
einem ihrer InnenHilche auflagernden, mehrschichtigen Epithel von 
kleinen Follikelzelleu der Membrana granulosa, '3) aus dem 
Liquor folliculi (ft) und 4) aus dem Ei (et), das ursprünglich im 
Zentrum des Follikels lag, jetzt aber an die Peripherie gedrftngt 
worden ist. Hier hedingt es. in eine grofsc Menge von Follikel- 
xellen (fz^) eingehüllt, an der Wand einen nach innen gerichteten 
Yorsprung, den Eihfigel oder Discus proligerus. 

Wenn das Ei seine vollstündige Reife erlangt hat, geschieht seine 
Entleerung durch ein Platzf'n des GRAAFScIien Follikels, welcher 
dann beim Menschen etwa einen Durchmesser von ö mm erreicht hat 
und eine hagelartige Hervorwdlbung an der Oberflftche des Eier- 
stocks hei vorruft. Durch den Rifs strömt die Follikclflüssigkeit aus 
und reifst dabei das Ei aus dem Keimhttgel (Discus proligerus) mit 
heraus. Das £i gerät zunächst in die Bauchhöhle, umgeben von einer 
geringen Menge von FoUikelzellen, welche noch der Zona pellucida 
anhaften (Fig. 5); dann wird es von dem Eileiter aufgenommen. 




240 



Zehntfls Kapitel. 



In deu Hohlraum des Bläschens, der durch den Ausflufs der 
Flüssigkeit entstandeo ist, findet ein Blutergul^ aus den in der Um- 

geliiuifj geborstenen Gefflfsen statt. Das Blut gerinnt und wandelt 
sich unter Wucherung der angrenzenden Gewehe in den gelben 
Körper (das Corpus luteum) um, welcher eine charakteristische 
Bildung fttr den Eierstock der S&ngetiere ist. An der Wnehening 
beteiligen sich sowohl die zurückgebliebenen Follikelzellen (Membrana 
granulosa) als auch die bindegewebige Follikflkapsel. Die Follikel- 
zellen vermehren sich noch, dringen in das innere des Blutj^erinusels 
hinein und beginnen nach einiger Zeit zn serfallen nnd sich in eine 
körnige Masse aufzulösen. Von der Kapsel wuchern blutgefftfs- 
fOhrende Sprossen in dofi gel heu Körper hinein, wobei gleichzeitig ein 
massenhaftes Auswanüern von weil'sen Blutkörperchen erfolgt, welche 
spfiter ebenfalls verfetten und körnig zerfallen (Fig. 155, 150). 

Für die weitere FiUtwicklung des gel! Körpers ist es nun von 
grofsem KinfUifs, ob das entleerte Ei befruchtet wird oder unbefruchtet 
bleibt. Denn je nachdem das eine oder das andere eintritt, wird der 
gelbe Körper als wahrer oder als falscher unterschieden. Im ersteren 
Falle erhält er eine viel bedeutendere Gröfse, deren Maximum im 
vierten Monat der Schwangerschaft erreicht wird. Er stellt dann 
eine tleiscbige, rotliche Masse dar. Vom vierten Monat an beginnt 
der Rückbildungsprozefs. Es werden die Zerfallprodukte, die aus 
der kiuni^en Metamorphose der Follikelzellen und Leukocyten sowie 
ans (lern liliitgerinnsel hervorgegangen sind, von den Blut^'ptn fsen auf- 
gesaugt. Aus dem zersetzten Blutfarbstoff sind Hämatoidmkristalle 
entstanden, welche dem Körper jetzt eine orangerote Fftrbung ver- 
leihen. Das ursprftnglich zellenreiche Bindegewebe beginnt wie bei 
der Narbenbildung zu schniTni»fen; als Folge dieser verschiedenen 
Rückbildungsprozesse beginnt der gelbe Körper, der über die Ober- 
flftche des Eierstocks hervorragte, erheblich kleiner zu werden nnd 
sieh schliefslich in eine derbe, bindegewebige Schwiele umzuwandeln, 
welche eine Einziehung an der Oberflache des Organs bedin'jt. Wenn 
keine Befruchtung erfolgt ist, so treten zwar dieselben Metamorphosen 
und Wucherungsprozesse ein, nur bleibt der falsche gelbe Körper 
aufserordeutlich viel kleiner. Wahrscheinlich hangt dies damit zu- 
snmmen, dafs der Blutzudrang zu den f '.r<r1ilecht?organen, wenn die 
Hefruehtung ausbleibt, ein viel geringerer ist als bei Eintritt der 
.Schwangerschaft. 

Ahgt^ehen von den PFLOcEBSchen Schläuchen, welche aus dem 
Keiniepithel ihre Entstehung nehmen und die Ureier liefern, gehen 
hei den meisten Wirbeltierklassen noch Epithelstrange anderer 
Art und anderen Ursprungs in die Zusammensetzung 
des Eierstocks ein. Wie bei Amphibien, Reptilien, VOgeln und 
S.'lugetieren von verschiedenen Seiten beobachtet worden i t wachsen 
aus dem ganz in der Nähe geh»geneii W'OLFFschen Korper, uud zwar 
aus den» Epithel seiner MAia'iuHischeu Korpercheu, Epithelsprossen, 
die „Geschlechtsstrünge der Urniere^ hervor und dringen 
nach dem sirli intwickelnden Eierstock hin. schon zu einer Zeit, in 
welcher der Durcliwachsungsprozels zwischen Keiniepithel und Binde- 
substanz el)eu begiuüt. Au der Basis der ab Leiste iu die Leibes- 
höfale vorspringenden Anlage des Eierstocks treten sie darauf bei den 
Säugetieren, bei denen ihr weiteres Schicksal bisher am genauesten 
verfolgt ist, miteinander zu einem Netzwerk in Verbindung, schlilngeln 




Dlgitized by Google 



Die Organe des mittleren Keimblattes. 



241 



sich und wacliscn den PflügerscIicu Schläuchen entgegen. WiUuend 
nun aus den letzteren bei den Säugetieren die Rinde des Eierstocks 
sich entwickelt, nehmen erstere an der Zusammensetzung der Pi)äteren 
Marksuhstanz teil und werden insofern auch als Mark stränge 
liezeiehnet. Sie bleiben in der Nähe der Follikel solid, während sie 
nach der l'rniere zu eine Höhlung bekommen, welche von cyündrischen 
Zellen umgeben wird. 



Es sei gleich hervorgehol)en, dafs unsere Kenntnisse von der Ent- 
wicklung des Hodens weniger vollständige sind als diejenigen von der 
Entwicklung des ?'ierstocks. Immerhin kann man als ein feststehendes 
Resultat den Satz betrachten, dafs die männlichen Geschlechtsi)rodukte, 
ebenso wie die weiblichen, von dem Keimepithel der Leibeshohle ihren 
Ursprung nehmen. Auch im männlichen Geschlecht ist in der Gegend 



Fig. 244. Vorkeimketten der Vorkeimfalte eines 17 cm langen Aoan- 
thias-Embryo. 300fa< li versrr<tr>ert. Nach .Skmpkr. 

Man sieht schinalkoruige Zellen und l'rsanicn/elleu, welche Ureiern ähn- 
lich sind. 

Vi^. 2A^. Samenampulle aus der Vorkeimfalte eines 26 cm langen 
Acanthias-Embryo. 3<.K)tach verpritfsert. Nach Sümpkb. 

tM Ursanienzelle, sc Saninielkanalchen, welches sich der Samonanipiille blind 
geschlossen angelegt hat. 

der Urniere ein besonderer, verdickter Streifen höherer Epithelzelleu 
nachzuweisen, in welchem gröfsere Zellen mit bläschenförmigen Kernen, 
die Ursamenzellen, eingel>ettet sind. Auch hier wachsen diese, 
mit anderen Epithelzellen vermischt . in das unterliegende Binde- 
pewelK» hinein und bilden unregelmälsige Zellstränge. Im weiteren 
Verlauf der Entwicklung machen sich bei den einzelnen Klassen der 
Wirbeltiere zwei verschiedene Rildungsweisen geltend. Bei Selachiern. 
geschwänzten Amphibien etc. zerfallen die Zellstränge oder die Vor- 
keimzellen Sempers (Fig. 244), indem Bindegewebe aus der Umgebung 
in sie hineinwächst und sie zerlegt, gleich den Eisträngen in kleine, 
kuglige, follikelartige Körper (Fig. 215). Während nun aber beim 
Eierstock in jedem F«dlikel eine Zelle an Gröfse gewinnt und 
sich zum Ei umwandelt, unterbleibt dies beim männlichen Geschlecht; 
hier höhlen sich die follikelartigen Bildungen im Innern aus und 
gestalten sich so zu Samenampullen um, deren Epithelzellen 

U. Hertwig, Dio Eleiiiiüitu <ler Kntwickliing->l«.-lirt>. .'. Aull. 16 



g) Der Hoden. 




l- ig. 244. 



Kig. 245. 



Digitized by Google 



242 



ZeJutet KapiteL 



zum kleineren Teil zu Follikelzellen , zum gröfseren Teil zu Sper- 
matogODieD (UrsaiuenzellcD) werden, die dann aufeinanderfolgende 

(ipnonitionen von Sj)erm;itücyt(Mi fSamenmutterzellen) und Spermatidon 
(baineuzelleii) erzeugen. JJer zweite Bildungsmodus , welcher der 
häufigere ist, findet sich aucli bei den Säugetieren und beim Menscbeu. 
Aus den unregelinälsigen Zellstrftngen mit eingebetteten groAen Ur- 
sjjmenzollen bildon sich die Tuhuli snniiiiifeii horvnr. Tk^lroffs der 
Uistogeuese der iSameufädeu wird aul die Lebrbüciier der Uistologie 
verwiesen. 

WAlirend der Hoden, gleich dem Eierstock, seine 
spezifischen Gewebsbestandteile direkt vom Keim- 
epithel bezitlir. er- 
hält er seine uuslu h- 
renden Wege von der 
U r II i r r * > g e 1 i c f e r t. Wie 
im vuiblirhen, so wachsen 
auch im männlichen Ge* 
schlecht Epithelsprossen, 
die Geschlechtsstränge (Ge- 
w V 1 nitalkanäle Hoffmanns), von 

der Urniere dem Hoden 
entgegen. An der Basis 
der Hodenleiste ange- 
kommen, vereinigen sie sich 
untereinander zu einem 
Lilngskanal, von welchem 
feine R«ihrcheu noch weiter 
in diell()densul)staiiz hiaeiu- 
gesandt werden, um sich 
mit den aus dem Reim- 
epithel entstehenden Bil- 
dungen zu vereinigen. Wie 
die Fig. 245 lehrt« legen 
sich die AusfahrrOhrcleii 
{sc) bei den Selachiern zu- 
erst hlind geschlo^en nn 
die SSamenampulleo an und 
treten mit ihnen in offene 
Verbindung jerst dann, wenn 
die Reifung der Samen- 
fäden beginnt Bei den 
Säugetieren etc. erfolgt die 
Vereinigung der Tubuli 
seminiferi mit den Aus- 
fUhrröhrchen schon sehr 
frohzeitig. Letztere werden 
zu den Tubuli recti und 
dem Rete trstis 

Über einige iStreitfrageo 
der Oogenese und Spermato- 
genes.' hndet man Näheres in Hfjitwigs Lehrbuch der EntwiekluDss- 
geschichte, 7. Aull., S. 424 u. 426. 




hl' 



a 



Y\)i. -Mf' Schema dor indifferenten An- 
lage des Urogeoitalsystems eines Säuge- 
tton auf frühem Stadium. 

n Niere, Av/ Koimdrflsp, yin IVmVrp, un Ur- 
nierengiing, mg MOllkhscIui liaag, mg' voider- 
stfS Knde desselben, gh (iubernaculuni Hunt«ri 
(rriiicrenlei.stctibjind), hl Harnleiter, hl' Eia- 
münduDg desselben in die Blase, »7", mrf» Ein- 
mündungen der lJrniert'nir;inpp und d* i Mri.i.Kn- 
sclien (junge in den Sinu.s urogenitalis mg\ md 
Mastdirm, d Kloake, f}hö Gesthlecbtshöckor, 
<tir OeschlecbuwuUle» d' Ausniündung der 
Kbiake, hbl Harnblase, fcW Verlängerung der 
Ilarnbla^r^ in den Urachtts (spAter Lig. vesico- 
unibilicaie mediuni). 



Digitized by Google 



Die Organe des mittlerai Keimblattes. 



243 



h) Umwaudlung der verschiedeueu Anlageo des 
Urogenitftlsystems in den fertigen Zustand. 

Auf deu vorhergebendeu Blättern siud wir mit der ersten Eut- 
wicUnng der verRchiedenen Teile, welehe die Grundlage fftr das 

Urogenitalsystem bilden , bekannt geworden. Diese sind (Fi^. 24<5) 
drei Paar Kanille: die Urnicron^zilniiP (tifj) . die MüLLKKschen Gänp:e 
{ntg)^ die Ureteren oder Uaruleiter {,hl)\ ferner eine gröl'sere Anzahl 
von drüsigen Bildungen: Voniiere, Umiere (im), bleibende Niere («i) 
und die GeschlechtsdrQsen (Jfcii), Eierstock und Hoden. Es wird nun 
die weitere Aufgabe sein, zu zeigen, wie sieb von diesen embryonalen 
Aulagen die fertigen Zustände herleiten. Hierbei können wir uns 
auf den Menscben Deschrftnken, da m sich jetst um leichter zu unter- 
suchende und im allgemeinen wohl bekannte Yerbitltnisse handelt. 

Bei einem acht Wochen alten menschlichen Kuibiyo (Fig. 247) 
sind die Anlagen, wenn wir von den nur mikroskopisch wahrnehm- 
baren Verschiedenheiten absehen, im männlichen und weiblichen Ge- 
schlecht noch sehr ähnlich. Alle 
Drüsen liegen zu beiden Seiten der 
Lendenwirbelsäulc; am weitesten nach 
vorn die Niere fn), die ein kleines, 
bohnenförmiges Körperchen ist, wel- 
chem die um diese Zeit unverhilltnis- 
mitfsig grofse, nur in der linken 
Hälfte der Figur zu sehende Neben- 
niere (um) auflagert Etwas seit- 
wärts von ihr siebt man die Urniere 
(tm) als einen liingliclien , schmalen 
Gewebsst reifen. Sie ist an der Rumpf- 
wand durch eine Bindegewebslamelle, 
eine F'alte des Bauchfells, das so- 
genannte Gekröse der Urniere, be- 
festigt. Das Gekröse ist in der Mitte 
der Drfise ziemlich breit, verlängert 
sich dagegen nach dem Zwerchfell 
zu in ein dünnes Bandchen, welches 
KöLLiKEK als Zwerchfells band 
der Umiere besehrieben hat. Femer 
bemerkt man noch bei sorgsamer 
Untersuchung am unteren Ende der 
Urniere eine zweite Bauchfellfalte, welche von ihr zur Leistengegend 
verläuft (Fig. 246 u. 247 gh). Sie schliefet einen derberen Binde- 
gewebSRtreifen , eine Art von Band, ein , das in der Entwicklung der 
weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane eine Rolle zu spielen 
bestimmt ist: das Leistenband der Urniere. Ks wird später 
beim Mann zum HuinsHschen Leitband (Gubernaculum Hun- 
teri), beim Weib zam runden Mutterband (Ligamentum 
teres uteri). 

Medianwärts von den Uruiereu hnden sich je nach dem Ge- 
schlecht des Embryo die Hoden oder die Eierstöcke (Id), zu dieser 

Zeit noch kleine, ovale Körperchen. Auch sie besitzen ein eigenes 
Gekröse, durch das sie mit der Wurzel der Urniere zusammenhangen, 
ein Mesorchium oder ein Mesovarium. Solange die Ge- 
le» 




Fig. 247. Harn- UDd Qesohleohts- 
organe eines acht Wochen alten 
menBohliohen Embryo. Nach KöL- 
LiKKR. Etwa' drcimiil vergröfsert. 

»(» Hi'( hti' Nebeuniere, un Urniere, 
n Nitfre, uiuj L rniercngang, t^ftUoKTiui» 
s( hes Leitband oder Leistenbftnd der 
l riiitTf ((Mihernacnlum HmitPii oder 
Ligaiii. uteri rotunduni), hi .Ma»tdanii, 
b Blase, kd Gesclüechtsdrase. 



Digitized by Google 



244 



Zehntes Kapitel. 



achlechtsorgane DOch ihre Lage zu beiden Seiten der Lendenwirbel- 
sAule einnehnicn, verlaufen die sie emlhrmden Gcfarsc ^'enau quer: 
von (Ipf Aorta die Artoria spcrmatica zum Eierstui'k udor Hoden 
uml die Veua spermatica von der Drüse quer herüber zur Veua 
Cava inferior. 

Die verschiedenen Ausführungsgänge li^en zu dieser Zeit an 
dem nniidr der rniierenfalte dicht zusammen (Fig. 24(5), und zwar 
am meisten nach vorn der MüLLEBscbe Gang {ntg). Weiter nach ab- 
warte nach dem Becken zu nftbem sie sich von beiden Seiten der 
Medianebene (Fig. 24«»), wobei der Mt^LLERsche Gang (ing) eine Strecke 
weit Tiif dial vom Urnierengang (ug) iiiid dann nacli hinten von ihm 
zu liegen kommt, so dafs er um ihn im ganzen eine Art von Spiral- 
tour beschreibt. Im kleinen Becken angelangt, legen sieli die vier 
G&nge hinter der Blase {hbl) zu einem Bflndel , dem G e n i t a I s t r a n g, 
zusammen, indem sie von den um diese Zeit schon anselinlicli ge- 
wordenen Kabelarterien, die von der Aorta zu beidc'n Seiten der Blase 
nach ol)en zum Kabel ziehen, umfafst und gleichsam zu einem Paket 
zusammengeschnürt werden. Auf einem Dnrehschnitt durch den 
Ccnitalstrang (Fig. 250) Hnden ^vir ct^as mehr nach vorn und zu- 
gleich am weitesten auseinander gelegen die UrnierengÄnge (m^^; und 
etwas hinter ihnen und in der Medianebene ganz dicht zusammeu- 
gerflckt die MtM.KKschen Gänge (w///). 

Bei Älteren Embryonen eiit-^toluMi in der Ausbildung des Urogenital- 
systems schon äufserlich waliruehmbaie Verschiedenheiten zwischen 
l>eiden (ieschlechtern. die von Monat zu Monat deutlicher werden. 
Sie gehen aus tiefgreifenden Metamorphosen hervor, welche der ganze 
Ajtitarat in seinen einzelnen Teilen fort und fort erfährt. Hierbei 
bilden sich einige ursprünglich sehr ähnliche Anlagen fast vollständii; 
zurück, andere Huden nur im weiblichen, wieder andere nur im manu- 
lichen Geschlecht eine Verwendung und gehen im entgegengesetzten 
Falle zugrunde. Aufserdeni werden die Befunde, welche uns zum 
Ausgang der Darstellung geilitut lialu n. dadurch erheblich verändert, 
dal's die Geschlechtsorgaue ihre ursprüngliche Lage zu beiden Seiten 
der Lendenwirbels&ule aufgehen« indem sie weiter nach abwärts in 
die Beekenhöhle rQeken. 

A. Die Umwandlung im männlichen Geschlecht. 

Während der Hoden (Fig. 218 u. 21M) durch Anfknäueluii;: der 
Sanjenkanälchen zu einem ansehnlichen Organ f/ i wird, bleibt die 
Urniere {tih + pa) in ihrem Wachstum mehr uiui mehr zurück und 
bildet sich dabei in ihrem vorderen und in ihrem hinteren Abschnitt 
in verschiedener Weise um. Der vordere oder Geschlechtsteil 
der Urniere (w//), der sich in der schon früher beschriebenen W^eise 
durch einzelne Kanälchen mit deu Sanienrohrchen in Verbindung 
gesetzt und dadurch das Rete testis und die Tubuli recti geliefert 
hat, wandelt sich zu dem Kopf des Kebenhodens (der Epididymis) 
um. Er zeigt in der Id.— 12. Wnrhe 1»)— 2(> kurze, quer verlaufende 
Kauälchen, welche jetzt als Vasa eticreutia testis zu bezeichnen sird. 
Die einzelnen Kanftlchen vereinigen sich in dem gleichfalls noch gerade 
verlaufenden Urnierengang (Fig. 241»), der jetzt zum Samenleiter 
(Vas deferens) wird. Im \ leiten bis fünften M<mat beginnen sie in 
ilie Lange zu wachsen und sich dal>ei aufzuknäuelu ; die Vasa 




Digitized by Google 



Die OrgMu des mittleren Keiiiiblattes. 



245 



«fferentia erzeugen auf diese Weise die Goni vasculosi, das Anfangs- 
stück des Samenleiters a1)er liefert den Schwanz des Nebenhodens. 

Der liintere Abschnitt der Truii-re (jxi) bildet sich bis auf ganz 
unhedenteude iieste zurUck. Bei älteren Knibryouen tindet man noch 
zwischen Samenleiter und Hoden eine Zeitlang kleine, gewundene, 
meist beiderseits blind endende Kanillchen, zwischen welchen auch 
verödete MAM'Hiiiische K(')ri)erchen vorkommen. Das danze bildet 
einen kleineu , gelblich gefärbten Körper. Beim Krwachsenen sind 




»y - 



h 
jw 

a 

mg 

9h 
M 

8» 

fih* 

hf 




Kig. 24ö. 

Fif . 248. Die Inneren Qe- 

sohleohtateile eines männ- 
lichen menaohllohen Embryo 
von 0 om IiSnge. Nach 

Waldktkb. Verffr. 8 fach. 

h linden, Nebenhoden 
(Kpi Jid\ Ulis, Geschleclitstoil der 
I rniere), pa Paradidytni» (Kest 
der Umiere), tl Samenleiter 
(Vrnierengang), tj gefursfahren- 
des Bindegewebsbündel. 

Fig. 249. flebema rar Bnt- 

wicklunff der männlichen Oe- 
«chlechtsorgane eines Sauge- 
tiers aus der indifferenten 

Anlage des Urogenital- 
•yatems, welche in Fig. 246 
eohematisch dar(2;cBtellt ist. 

Die beätchenhlt'ilu'uden Teile der ur&prunKH« Ik'h Anla^o sind durch scliwarse 
Linien, die sich rückbildenden Teile durch Punkte an^iegeben. Die La^e, welche 
sp&ter nach vollzogenem Dcscensns die mtonlichen Geschlechtsteile einneliinen« 
ist mit punktierten Linien ancedeutet. 

v Niere, h Ilodcn, nlt Nt lu iihnilrn //« Paradidymis. Hydatidc Neben- 
hodens, 1*1 Samenleiter, m«/ rlickgchUdcte MüLLsasche Gän^c, um Uterus muscu- 
Hnus, Rest der MüLLKRScIien (iänge, gh HcKTRSsches Leitband, hl Harnleiter, 
liV Einmündung desselben in die HIase. .«W Samenblasen, hbl Ilamblasc hhl' 
oberer Zipfel der Harnblase, der in das Ligamentum vesico -umbilicale medium 
t( radnis) (übergeht, Ar Harnröhre, fir Prostata, <io Ausniandung der Ouctut 
ejaculatorii. 

Die Buchstaben aV, fif, «P beieidinen die Lage der einselaen Organe nach er« 
folgtem Deacensns. 



diese Reste noch mehr verkümmert; sie liefern einerseits die Vasa 
aberrantia des Nebenliodens, anderseits das von GncALofes 

entdeckte Or^jan. die Paradidymis. 

Die Mt'LLKHsclif n (iänjie (Fig. l24t> ntff) gewinnen im milnidichen 
Geschlecht keine Funktion und gehen daher als bedeutungslose Ge- 



Digitized by Google 



246 



Zehntes Kapitel. 



hinteren Endstücke der Ijeideu 
den Genitalstrang eingeschlossen, 



hilde zugrunde, und zwar verschwinden sie in ihrem mittleren Ah- 
schnitt nieist spurlos, nachdem sie wahrend des embryonalen Lebens 
eine Zeitlang als Epithelstränge nachweisbar gewesen sind; von den 
beiden Endabschnitten dagegen erhalten sich auch beim erwachsenen 
Menschen einige Rudimente, die in der deskriptiven Anatomie als 
Uterus masculinus (»m) und ungestielte Hydatide des 
Nebenhodens (//»/) beschrieben werden. Zum I'terus mas- 
culinus Jutn) wandeln sich die 
MCLLEKschen Gänge um, die, in 

dicht nebeneinander liegen. Durch Schwund der sie trennenden 
Scheidewand vereinigen sie sich zu einem unpaaren, kleinen Sehlauch, 
welcher zwischen der Ausmtlndung der beiden Samenleiter an der 
Prostata gelegen ist und daher auch noch den Namen des Sinus 
prostaticus führt. Beim Menschen aufserordentlich unscheinbar, ge- 
winnt er bei manchen Säugetieren, bei Carnivoren und Wiederkäuern 
(Weber) eine bedeutende Gröfse und sondert sich in ähnlicher 

Weise wie l>eim Weibe in 
einen Scheiden- und einen 
Gebärmutterteil. Beim Men- 
schen entspricht er hauptsäch- 
lich der Scheide (Tourneux). — 
Die ungestielte Hyda- 
tide {hiß entwickelt sich aus 
dem anderen ¥Au\e des MCLLEK- 
schen Ganges; sie ist ein klei- 
nes Bläschen, das dem Neben- 
hoden ansitzt, im Innern von 
flimmerndem Cylinderepithel 
ausgekleidet wird und sich 
in einen kleinen, gleichfalls 
flimmernden Kanal fortsetzt. 
An einer Stelle besitzt sie 
eine trichterförmige üfTnung. 
welche von Waldeykr mit einem 
Tubenpavillon en miniature 



nh 




W(l 



sl 



- w 



Fip;. 25(J. Männlicher menschlicher 
£mbryo aus dem fünften Monat. Natürl. 
(inifse. Na<-b Hramann. 

md Mastdarm, h Hoden, nh Nebenboden, 
*/ Samenleiter, ijh lluMTBRscbes Leitband 
(Gubernaculiim Hunteri) mit Processus vagi- 
nalis peritonci , Blase mit Lig. vesico- 
unibilicale medium. 



verglichen worden ist. 
Bild der Entwicklung der Geschlechtsorgane zu ver- 
ist jetzt noch des Descensus testiculorum , der 

welche der Hoden 



Um das 
vollständigen. 

erheblichen Lage Veränderungen zu gedenken, 
nebst den ihm angefügten Rudimenten eingeht. Ursprünglich liegen 
die Hoden (Fig. 249 h u. Fig. 247 kd), wie schon oben gesagt, neben 
der LendenwirlMjlsäule in der Bauchhöhle. Im dritten Monat finden 
wir sie schon im grofsen Becken, im fünften und sechsten Monat an 
der Innenseite der vorderen Bauchwand dicht am Leistenring (Fig. 2.V>). 
Infolge dieser Lageveränderungen haben auch die ernährenden Ge- 
fiifse, die erst quer verliefen, ihre Richtung verändert und steigen 
nun, da ihr ursprünglicher Ansatz an der Baucliaorta und an der 
unteren Hohlvene derselbe bleibt, in schräger Richtung von unten 
nach oben empor. Wie erklärt sich dieser Ortswechsel 

Ich erwähnte bereits das Leistenband oder das (inbernacuUnu 
Hunteri (Fig. 241> u. 2'»<» (///). welches die Urniere oder, wenn diese 
geschwunden ist , den Hoden mit der Leistengegend in Verbindung 
setzt. Das Band ist mittlerweile zu einem kräftigen Bindegewebs- 



Digitized by Google 



Die Organe des mittlerea Keimblattes. 



247 



Strang geworden, in welchem auch glatte Muskelzellen liegen. Mit 
seinem oberen Knde sitzt es am Kopf des N«4ioi)l)od( iis (fili) an, mit 
seinem unteren Ende durchbohrt es die BaucUwand, um sich in der 
Lederbaut der Leistengegend zu befesttgen. Offenbar spielt nun 
dieses Band eine Rolle bei der Lageveränderung der Geschlechts- 
organe. Früher glaubte man, dafs es auf den Hoden einen Zug 
austobe, wobei man auf die in ihm enthaltenen, glatten Muskelfasern 
hinwies oder eine VerkflnEung des Bindegeweb^tranges durch a11- 
nuUiliche Schrumpfung annahm. Auf diese Weise aber kann der sehr 
be(l(nitendt' Ortswechsel unniüf^licli zustande gekoiiimen sein. Mit Kerbt 
sucht mau daher die Wirksamkeit des Bandes in einer anderen 
Weise, olme Annahme einer aktiven VerkQrznnK oder eines durch 
Muskelkraft ausgeübten Zuges, zu erklären. Ks handelt meh hierbei 
einfach um ungleiche Wachstunisvorgäiiue. Wenn von mehreren in 
einer und derselben Korperregion ursprünglich nebeneinander ge- 
legenen Organen einige in sp&teren Monaten des embryonalen Lebens 
weniger an GrOfto zunehmen, andere dagegen außieroraentlieh in die 



Fig. 251. 





Fig. 251 a. 252. Zw«i Soliexnata aar Vwniehanlichnag des DeMonaiu 
und der BlMnx« d«F Hfillaa det HodMia. 

Fig. 251. Dt-r linden ließt in der Ni^he d«B umemi Leistenrings. Fig. 252. 
Der Hoden ist in den Uodensaclc eingetreten. 

1 Baucbhaut, 1' Scrotutn mit Tunica dartos, 2 oberflächliche Bauchfascie, 

CoopKRSche Kftscio, ,7 Miiskrlschicht und Fascia transversa alxlntnisii-;, 7' Tunii a 
vaginalis rommtinis mit Creinuster, 4 Hauehl'ell. 4' parietales iiiati der Tuiiica 
vaginalis iiropria, 4" Bauchfellüberzug deH Hodens oder viscerales Blatt der 
Tonic« vaginalis propria, Ir Leistenring, h Hoden, Samenleiter. 

I.äuge wachseu, so wird die natürliche Folge davon sein, dals die 
rascher wachsenden sich an den langsamer wachsenden Teilen vorhei- 
schieben. Wenn nun in unserem Falle die in der Lenden- und 
lieckengegend ijeletjenen Skelettteile mit ihrer Muskulatur sich 
strecken, während das liuNTEitöche Leitband nicht mitwächst und 
daher klein bleibt, so muHs es, da sein eines Ende in der Hnut der 
Leistengegend, das andere an (lern Hoden festgeheftet ist. den Hoden 
als den verscliiebbarcn Teil notwendigerweise nach unten herab- 
ziehen; es zieht ihn zuerst in die Beckeuhöhle und schliel'slich, wenn 
die anderen Teile noch gröfser geworden sind, wenn aueh die Bauch« 
wand um einVielfoches dicker geworden ist, in die N&he des inneren 
Leistenringes (Fig. 'i",«»). 

Noch bedeutender wird der Ortswechsel des Hodens infolge eines 
zweiten' Vorganges, welcher sehen im dritten Monat beginnt. Es 
hildet sich nämlich an der Stelle, wo das HuNTKitsche Rand die Bauch- 
wand durchsetzt, eine Ausstülpung des Bauchfells, der Scheide n- 
furtsatz oder Processus vaginalis peritonei (Fig. 2öl). 
Dieser durehbohrt anmfthlieh die Bauchwand und dringt in eine Haut* 



Dlgltized by Google 



24« 



Zehntes Kapitel. 



falto hinein, welche sii li in der Schamgegend entwickelt, wie in einem 
spätereu Abschnitt gezeigt werden wird (siehe Fig. 2ü3 gu ). ine ütf- 
niiDg der binchsackartigen AusBlfilpung, welche In die Leibeshöhle 
fQhrt. nennt man den inneren Leistenring (2r), den die Bauch- 
muskulatur durelibohrenden Abschnitt den Leiste iikaiial uni Ins 
in der Hautfaltc sich ausweitende, blinde Ende die Hohle des 
Hoden sack s. Bei seiner Wanderung senkt sich der Hodeo (t^ig. 2'>->) 
auch noch in diese Baucbfelltasche hinein, wobei es dahingestellt sein 
mag. ob das HrsTF.Rsrhe Band hierauf einen KinHufs ausübt oder 
Dicht Im achten Monat erfolgt gewöhnlich der Eintritt in den 
Leistenkanal . im neunten in den nodensack , so dafs am Ende des 
embryonalen Lebens der Descensus in der Regel vollendet ist. Es 
schliefst sich dann der Leistenkanal durch Verwachsung seiner 
Wandungen ; dadurch kommt der Hoden iu einen von der Bauchhöhle 
abgeschnürten, allseitig geschlossenen Beutel zu liegen. 

Durch die eben gegebene KutwickluiigsskizEe werden anch die 
verschiedenen Hüllbildungen d< s Hodens verständlich. Da die 
Höhle, welche ihn birgt, nichts anderes ist als ein abgetrennter Teil 
der Leibeshöhle, so versteht es sich von selbst, dafs sie vom Bauch- 
feit ausgekleidet wird (Fi^. 252 i^. Die dem Bauchfell entsprechende 
Membnin heifst hier Tunica vaginalis proprin: ;\n ihr haben 
wir, wie an all^n serösen Hinten, ein die Wand des .Säckchens be- 
deckendes paneialeh Blatt {4') und ein den Hoden überziehendes 
vtsoerales Blatt (^) zu unterscheiden. Nach aufsen davon folgt die 
gemeinsame Scheidenhaut, die Tuuica vaginalis communis 
(.?'); sie ist die ausgestülpte und dabei aulserordentlich verdünnte 
Muskel- und FaBcienschicht (3) der Bauchwand. Sie enthält infolge- 
dessen auch einssehie Muskelfasern mit eingeschlossen, die von dem 
Musculus obliquus abdominis internus abstammen und den Auf hftnge- 
muskel des Hodens oder den Cremaster bilden. 

in dem Descensus testiculorum , der sich uurmalerweise beim 
Menschen bis zum Ende des embryonalen Lebens vollzogen haben 
soll, können unter Umständen Störungen eintreten und eine abnorme 
Lagerung des Hodens hervorrufen . welche unter dem Namen des 
Kryptorcbismus bekannt ist. Der Descensus bleibt ein unvoll- 
ständiger. Dann finden sich bei neugeborenen Kindern die Hoden 
entweder in der Leibeshöhle gelagert, oder sie stecken noch in der 
Bauchwand, im Leistenkanal. Infolgedessen tülilt sich der Hodensack 
klein, welk und schlaff au. Man bezeichnet derartige Auomalieen als 
Hemmnngsmifsbildungen, da sie ihre Erkl&rung darin finden, 
dafs Entwicklungsvorg&nge nicht zu ihrem regelrechten Absehlaf^ 
gelangt sind. 

B. Die Umwan(ilung im weiblichen Geschlecht. 

Die Umbildung der primitiven embryonalen Anlage beim weih- 
lichen Geschlecht ist in vielen Beziehungen eine entgegengesetzte 
wie beim Manne, insofern Teile, die hier Verwendung finden, dort 
rudimentär werden, und umgekehrt (vergleiche Schema 246, 249 und 
253 untereinander!). W;\hn nd lieim Manne der Urnierengang zum 
Samenleiter wird, übernimmt lieim Weibe der MOLLKKSche Gang 
(Fig. 253 t, Ht, sch) die Funktion, die Eier nach aufeen zu fahren; der 
Urnierengang {ug) aber und die Uniiere {tp^pa) verkQmmeni. 



Dlgitized by Google 



Die OifUM des mitUerea Keimblattes. 



249 



Der üruiereugaug ist bei älteren meuschlichen Euibryoneu 
weiblichen Geiehleclits noch als ein mueheiiibares Gebilde im breiten 
Matterbande und zur Seite der GebArmutter nachzuweisen ; beim Kr> 
wacbsenen ist pv in drr Rejiel }ianz fiesrh wunden bis uHf den Kiid- 
abschnitt. der als aulserurdentlich euges kanälcheu am Hals der Ge- 
bflimutter in ihre Substanz eingeschlossen und nur auf Querschnitten 
nacliweisbar ist (Bbioel. Dohrn). Bei manchen Saugetieren, wie \m 
den Wiederkäuern und Scliwt'iiK'n . blpil)OU die l 'rui('r(Mi;,';iiiL'e aucli 
später noch in verkümmertem Zustande bestehen und sind hier uuter 
dem Namen der GARTNERschen Kanftle bekannt 




Fig. 25S. 

Fig. 253. Behmn» aur Btttwlokltins dar waiMIfllMn Ooaehlaohtaorgane 
eines Säugetieree aus der indifferenten Anlaga daa Urogaixit*lajatema, 

welche in l-'ig. 246 s» lii'iiiati>rh dui erstellt ist. 

Die bestehen bleibenden Teile der ursprünglichen Anlage sind durch ■chwarse 
Linien, die sich rUcItbUdcnden Teile durch Puaicte angegebeo. Die Lage, welche 
8i>iter nach ToUendetem Bescensus die weiblichen Geschlechtsteile elDtiehmen. ist 
nit inuiktierten Linien angedeutet. 

H Niere, Kier>tü( k. ep Kpoophornii. pa Paroophoron, H> »latide, t Tube 
(Eileiter), ug I mierengan«, Uteni>, >i'7, Scheide, hl Harnleiter, Ab/ Harnblase. 
hbl' oberer Zipfel derselben, der in das Ligamentum vesico • umbilicale medium 
übergebt, hr HamrOhre, rr Scheidenvorhof, rm rundes Mutterband (I^istenband 
der rniit-rei Li<raiiieniiiiii ovarii. Die Buchstaben C, «gK, 0^, fo' beseichnen die 
Lage der Organe nach erfolgtem Descensus. 

Fig. 254. Innere Oeaobleetatatelle «inen wefbliethen menschlichen 
Bmbryo von 9 cm Län^e. 10 mal vcr^rrD^ert. Narh Waldkykr. 

ei Eierstock, t AlCLLEHSchei (iang oder Eileiter (1 übe), t Uäliuni abdominale 
tnbae, ep Bpoophornn (« Nabenhoden des Manne»: (ieschlcchtsteil der L'rniere), 
Ug Cmierengang (Samenleiter des Mannes), pa Paroophoron (Paradidymis dea 
Mannes; Rnonent der UmtereX mir MaLnoniscber Körper. 

An der verkümmerten Turniere ist. wie beim Manne, 
ein vorderer und ein hinterer Abschuitt zu unter- 
scheiden. 

Der vordere A bscbnitt (Fig. 2.V{ fj>, Fiji. 2Hqa) oder der 
Geschlechsteil der Urniere, der beim Manne zum Neben- 



Dlgitized by Google 



250 



Zehntes Kapitel. 



hoden wird, erhält sich auch beim Weihe als ein Orgao ohne Funktion 
und wird hier zu <lera Nebeneierstock (rp) (Parovariuni oder 
Epoophoron Waldeyeks). Er liegt im breiten Mutterbande (Fig. 254 > 
zwischen Eierstock (ci) und dem MrLLEBschen Gang (7) und l)esteht 
aus einem Lslngskanal (m^), dem Rest vom oberen Ende des Urnieren- 
ganges, und aus 1<> — 15 quer verlaufenden Kanälchen iep). Diese 
sind anfangs gerade gestreckt, knäueln sich später (Fig. 255 ep) in 
ähnlicher Weise auf wie die Kanäle beim Manne, welche sich zu den 
Coni vasculosi umgestalttn. Der Vergleich zwischen Nebeneierstock 
und Nebenhoden läfst sich noch weiter durchführen. Wie aus letzterem 
iKMm Manne Kanälchen in die Hodensubstanz gewuchert sind, die sich 
in das Kete testis und die Tubuli recti sondern, so Huden sich auch 
im weiblichen (leschlecht Kanäle, die vom Parovariuni ausgehen, in 




Fig. 256. Breites Matterband mit Sierstook und Eileiter im aus- 
gebildeten Zustand, von hinten gesehen. 

ei PJierstül k. t Kileiter, V Ostiiiin abduininalc tubae mit Fimbrien, f.o P'imbrta 
ovarii, /.o Ligamentum ovarii, x ein Stück des Bauchfellüberzuges ist wegpräpariert, 
um das Epoophoron ep (Nebeneierstock) zu sehen. 

die Marksubstanz des Eierstocks selbst eintreten und hier die früher 
beschriebenen, bei manchen Säugetieren stark entwickelten Mark- 
stränge bilden. (Siehe S. 240.) 

Der hintere Abschnitt der Urniere, der beim Manne (Fig. 248 u. 
24!»/)«) die Paradidymis und die Vasa aberrantia liefert, verkümmert 
beim Weibe (Fig. 'lW.\pn) in ganz ähnlicher Weise zum Paroophoron 
und ist beim menschlichen Embryo längere Zeit noch als ein gelblicher 
Körper (Fig. 2.'»4 y<fl) zu erkennen; er ist medianwärts vom Neben- 
eierstock (r;>) im breiten Mutterband gelegen und aus kleinen, ge- 
wundenen, Himniernden Kanälchen [pa) und einzelnen, in Rückbildung 
begriflfenen (lefillsknäueln {mk) zusammengesetzt. Beim Erwachsenen 
sind auf ihn einzelne Kanäle und cystenartige Bildungen zurückzuführrn, 
die in dem breiten Mutterband oft dicht an der Gebärmutter auf- 
gefunden werden. 

Sehr einschneidende rnibildungen erfahren die beiden MTllek- 
schen Gänge (Fig. 24(5 m//7), di«- von Anfang an im Rande der 
Bauchfellfalte liegen, welche zur Aufnahme des Eierstocks dient und 
<lann später zu dem breiten Mutterband wird. Schon früher wurde 
von ihnen erwähnt . dafs sie beim Eintritt in das kleine Becken sich 
der MedijinelKMie nähern und zum Genitalstrang vereinigen. Wir 



Digitized by Google 



Die Orgsae des mittleren Keimblettm. 



251 



kuouen daher an ihnen zwei verschiedene Abschnitte unterscheiden, 
den im Genitalstrang eingeschlossenen und den im Rand des Ivreiten 
Mutterbandes gelegenen. Der letztere wird zum Eileiter mit dem 
Tubentrichter (der Tuba Fallopiae) (Fig. 25.'i Fig. 2:.:) /'). Hierbei 
scheint das vordere Ende des MüLi.EKschen Ganges, das beim Embryo 
weit nach vom reicht und hier in das Zwerchfellsband der Urniere 
eingeschlossen ist . rückgebildet zu werden , wahrend die bleibende 
Offlum«]; (Fig. 2't:<, ( u. Kijz. -' l /') WMlirsclicinlirli ganz neu entsteht. 
Auf den vorderen, rückgebildeteii Teil ist vielleicht — es handelt sich 
hier um noch nicht ganz klar gelegte Verhältnisse — die Moroag Ni- 
sche Hydatidf zur tick zuführen (Fi«. 253 Ay). Sie ist ein kleines 
Bläschen, das durch oinm Hingeren oder kürzeren Stil Ulit einer Franse 
vom Trichter des Eileiters verbunden ist. 

Aus dem im Genitalstrang eingeschlossenen Teil (Fig. 24t) mg) 
der Mt^LLERschen Gänge bilden sich die Gebärmutter und die 
Seheide (Fig. 2^utVL,seh)^ und zwar dureh einen VerschmelsungB- 




Fif. 250. Fig. 857. 

Fig. 8S6. Qnemohjiltt doreli dan Ctanttalsfeniis. Nach Tommiox and 
Lboat. 

Der Qtterschnitt leigt di« Verachmelzung der Müctrascben Ginge mfi. ug 
Urnicrengänge. 

?'ig. 257. Die Beckenorgane eines weiblichen menschlichen Embryo 
yon 4 cm in situ. Ansicht von oben. Nach Naokl. 

1 Urachus mit den beiden Art. umbilicales, S Ligamentum teres uteri (Ou> 
bemaraliUD HonteriX 3 Ovaritim, 4 Tuba Fallopiae. 

prozefs, der sich beim Menschen im zweiten Monat vollzieht. Wenn 
die Mt^LLKRschen Gänge iVi'j. 2'y*\ nnp dicht zupammengerückt sind, 
verdünnt sich zwischen iiinen die Scheidewand und reil'st zuerst in der 
Mitte des Genitalstranges ein. So entwickelt sieh aus ihnen dureh 
Weitergreifen des ProKesses ein einfacher Schlauch (der Sinus genitalis), 
welcher auch im männlichen Geschlecht als rudimentäres Organ an- 
gelegt wird und der bereits erwähnte Sinus prostaticus oder Uterus 
masculinns ist (Fig. 249 «.m). Beim Weibe sind am Sinus genitalis 
sehr frühzeitig ein proximaler gröfserer und distaler kleinerer Ab- 
schnitt zu unterscheiden, wie von nachgewiesen word<'n ist. 
Der erstere zeigt auf dem Querschnitt eine querovale Höhlung und 
wird von einem Epithel aus hohen, schmalen Gylinderzellen aus- 
gefüllt. Der eine wird «ur Gebärmutter, der andere zur Scheide. 
Im sechsten Monat l>eginnen sich Gebärmutter und Scheide schärfer 
voneinander zu sondern. Der obere, die Eileiter aufnehmende Ab- 
schnitt erhält sehr dicke und musku15se Wandungen und eine enge 
Höhlung und grenzt sich nach abwärts durch einen einspringenden, 
ringf&rmigen Wulst, der zur Vaginalportion wird, gegen den unteren 



Dlgitized by Google 



252 



ZOmiM Kftpitel. 



Abschnitt, die Scheide, ab, die geräumiger bleibt uud eine dünuere 
Wandung besitzt. 

Gleich dem Hoden haben auch die Eierstöcke einen nicht un- 
beträchtlichen Ortswerhi^cl (luiclizumachen : den Descen^jus nvario- 
runi (Fi§. 2b'd ef.t ). Zur Zeit, wo die Urniere zu schwinden beginnt, 
rücken die Eierstöcke schon im dritten Monat des embryonalen Lebens 
von der Gegend der Lendenwirbelsftule in das <.n()rse Becken hinab, 
wo man sie median vom Musculus psoas fmdet. Wälirond des ganzen 
embryonalen Lebens, besonders aber unmittelbar nach ibreni Herab- 
treten in das grofse Becken, sind sie verhiUtnismÄfsig weit gröfser 
als später (Fig. 2ö7) und fttllen den gröfsten Teil des Beckens aus. 
Ni ( Ii beim Neugeborenen liefen ''if^ auf dem Bande des Beckeii- 
eiiigaugs. W'ahrscbeinlich wirkt auch auf diese Lageveriinderung das 
schon oben beschriebene, dem weiblichen Geschlecht gleichfalls nicht 
fehlende Leistenband der Urniere hin (Fig. 253 rm). Es sondert 
sich hierbei iii drei verschiedene Abschnitte dadurch, dafs es eine 
feste Verbindung: mit den Mülleks( hen (iangen an der Stelle gewinnt, 
wo sie sich zum Geschlechtsistiaiig aueinanderlegen. Der oberste 
Abschnitt wird zu einem Zug glatter Muskelfasern, der, vooi Paro- 
varium ausgehend, im Hilus des Eierstocks eingel^ettet ist; er setzt 
sich in den zweiten .Abschnitt oder das Ligamentum ovarii {lo) und 
dieses in das runde Mutterband (rm) fort (Ligamentum teres uteri). 
Letzteres, aus dem dritten, am mftehtigsten entwickelten Abschnitt 
des Leisteubandes hervorge^Mn^ron . reicht vom oberen Knde des 
Genitalstrangs bis zur Leistengegend. Hier tindet sich, wie im milnn- 
lichen Geschlecht, eine kleine Ausstülpung des Bauchfells, der Proceäi»us 
vaginalis peritonei, welcher sich zuweilen noch als Divertieulum Nuckii 
beim Erwachsenen erhält und dann I'rsache für die Bildung von 
Leistenbrüchen nurh im weibliL'ben Geschlecht werden kniti Hier 
tritt das runde Mutterband durch die Bauchwaud hindurch uud endet 
in der ftufaeren Haut der groAen Sebamlippe. 

In seinen letzten Stadien vollzieht sich der Descensus beim Weibe 
in einer anderen Weise als beim männlichen nesrhlecbt. Denn ;nHtatt 
wie die Hoden nach der Leistengegend vorzurücken, senken sich 
vielmehr die Eierstöcke, wenn die Entwicklung eine normale ist, im 
neunten Mi iiaf in das kleine Becken hinein. Hier sind sie zwischen 
Blase und .Mastdai m in das breite Mutterband eingeschlossen, welches 
sich aus den Bauchfelllalten entwickelt, in welche ursprünglich Urniere, 
Eierstöcke und MüLLBRSche Glinge eingebettet sind. Auf das letzte 
Stadium des Descensus beim Weibe kann natürlich nicht das runde 
Mutterband von FiiiHufs sein, da es nur einen Zug mrh der Leisten- 
gegend hin, wo sein Ausatzpunkt ist, ausüben kann. Das Herabsteigen 
in das kleine Becken scheint vielmehr dadurch, dafs der untere Ab- 
schnitt der MOLLRRschen Gänge sich zur Gebärmutter umwandelt, 
bedingt zu sein. Sind doch die Eierstöcke auch mit der Gebärmutter 
durch einen derben Bindegewebsstraug, das Ligamentum ovarii, ver- 
bunden. 

In seltenen Ausnahriefnllen können im weiblichen Geschlecht die 
Eierstöcke fortfahren, ihre Lage in einer dem Manne entsprechenden 
Weise zu verändern. Sie wandern dann nach der Leisteng^end hin 
bis zum Eingang in den Scheidenfortsatz (Divertieulum Nuckii). Zu- 
weilen machen sie hier in ihrer Vorwärtsbewegung Stillstand: ab und 
SU aber treten sie noch weiter in die Bauchwand durch den Leisten- 




Digitized by Google 



Die Organe dee mittleren KeimUattei. 



253 



kanal ein; ja sie köDueu, wie in mebrereD Fallen beobachtet worden 
ist, ganz dnrch die Banchwand hinduTchdringen und Meh Behlieftlich 
in die grofsen Schamlippen einbetten. Diese gewinnen dann eine sehr 
grofte ÄliDlidilceit mit dem Uodensack des Mannes. 

i) Die Entwicklung der äul'seren (i esc hl echtsteile. 

Das Kai)itol. welches über Harn- und Geschlechtsorgane handelt, 
ist wohl der geeignetste Ort, um gleich auf die Entwicklung der 
ftufseren GeschlechtsteUe mit einzugehen, obwohl sie nieht aus dem 
mittleren, sondern teils aus dem ftufseren, teils aus dem inneren Keim- 
blatt ihren Ursprung nehnion. Um eine erschöpfende Darstellung 
von ihnen zu geben, müssen wir auf ziemlich frühe Entwicklungs- 
stufen zurflckgraifen, nämlich auf die Zeit, wo sieh beim Embryo die 
WoLFFsclicn und MtlLLBBschen Gänge anlegen. In dem vordersten 
Bereich des l-jtihryo zuerst entstanden, wachsen die Gänge nach hinten 
und münden schliefslich in der Nähe 
der Aftermembran und der AUantois 
in die Kloake ein . welche zu dieser 
Zeit noch durch die schon früher 
(S. 177) besprochene Afternienibran 
gegen die Aufsenwelt abgeschlossen 
ist (Fig. 258). 

Unter Kloake verstehen wir den 
hinter der After- oder der Kloaken- 
membran, wie man auch sagen 
kann, gelegenen einheitlichen Raum, 
in welchen Enddanii, Schwan/dann 
und Ilarnsack zusammen einmünden. 
Wenn nach einiger Zeit die Membran, 
welche auf ihrer äufseren Fläche 
eine kleine Grube (Aftergrube) zeigt, 
einreifst. entsteht unter der Wurzel 
des Schwanzes eine Oflimng. welche sich als solche bei niederen 
Wirbeltieren, wie bei den Amphibien, Reptilien und ViVgeln, dauernd 
erh.llt. Durch sie werden dann die verschiedenartigsten Abscheidiinfzs- 
prodnkte des Körjjers nach aufsen entleert, aus dem Kiiddanii die 
l-'äkal mästen , aus den ^sieren der Harn und aus den Geschlechts- 
drOsen die männlichen und die weiblichen Geschlechtsprodukte. Auch 
bei den niedersten Säugetieren, den Monotremen. bleibt die Kloaken- 
ftffnung wahrend des ^;aiizen Lebens erhalten; bei den übrijren Säufze- 
tieren hudet sie sich nur am Anfang der Entwicklung; dann schwindet 
das »Monotremenstadium*, indem die Kloake in gleich näher zu be- 
schrenbender Weise in zwei hintereinander gelegene Räume mit ge- 
sonderten Öffnungen zerlegt wird. 

Die Zerlegung der Kloake in einen dorsalen und einen ventralen 
Raum geht während der Entwicklung allmählich vor sieh und wird 
dadurch herbeigeführt, dafs die Substanzbrücke, welche den Harnsack 
und das Darnirohr bei ihrer Kininündung in die Kloake gegeneinander 
abgrenzt, tiefer nach abwärts wächst. Auch sind bei der Zerlegung 
noch zwei Längsfalten (Keibel) beteiligt, welche im Anschlufh an die 
eben erwähnte Substanzbi in kc an der linken und recliten Seitenwand 
der Kloake von oben nach unten herablaufen und, indem sie immer 




Fig. 258. Profllkonstruktion 

nach einem Plattenmodell eines 
menschlichen £mbryo von 4mm 
Länge. Narli Kbihkl. 

* * * zeigt die kaudalc (irenze 
des Coeloms, — zeigt die kaadale 
Grenw der unteren Extremititen an. 



Digitized by Google 



254 



Zehntes lUpiteL 



weiter nach innen vorwachsen und einspringen, die frontale Scheide- 
wand venrollBtandigen helfen (Fig. 259). Der sich aus der Kloake 

immer mehr absondernde vordere Itauni wird zur Ver^rofserung des 
Harnsacks, der hintere Kaum zur Vergrölseruiig des Mastdarms ver- 
wandt. Beide Abschnitte unterscheiden sich übrigens, worauf Kliüel 
aufmerksam macht, schon vor ihrer Trennung durch die verschieden- 
artige Ho>rliafTenh(Mt ihres Epithels, welches im ventralen Abschnitt 
niedrig, im dorsalen dagegen hoch ist. 

Der so eingeleitete Trennuugsprozefs hat auch noch wichtige Ver- 
ftodeningen in den Einmflndungen der Umierengftnge zur Folge. Dt 
diese sich von Anfang an in der Nähe des Hamsacks in dem ven- 
tralfii Ahsihnitt der Kloake finden, so müssen sie S])äter mit dem 
Vorrücken der Öcheidewaudbilduiig bald iu den durch Zuwachs aus 
der Kloake entstandenen untersten Abschnitt des Hamsacks mit auf- 
genommen werden. 




Noch eine zweite wiclitige Lageveränderung spielt sich bald darauf 
au den Umiereugiingen ab. Wie schon auf S. 231 beschrieben wurde, 
wftcbst aus ihrem Endstück dicht an der Einmündung in die Allantois 
der Harnleiter (Nierenknospe) hervor (Fig. 250). Vorübergehend 
münden daher beide Kanäle mit einem kurzen gemeinsamen End- 
stück in den Harnsack ein. Dann erhalten sie getrennte Ein- 
mflndungen an der Blasenwand, indem das ihnen gemeinsame End* 
stück schwindet, sei es, dafs es durch Vorwadisen einer Scheidewand 
iu zwei Kanüle getrennt wird, oder dals es beim Wachstum in die 
Blasenwaud mit einbezogen wird. Weiterhin rücken die beiden so 
getrennten Einmflndungen auf eine weite Entfernung auseinander, 
was wohl dadurch zu erklären ist. dafs durch eigentümliche Wachs- 
tumsvorgilnge die zwischen ihnen gelegene Wandstrecke sich un- 
verhaltuismarsig rasch vergrölsert (Fig. 2üu). Auf diese Weise 
kommen die Harnleiter an der hinteren Wand des Hamsacks viel 
höher zur Einmündung als die Umierengftnge. Den letzteren entlang 
sind jetzt auch die .M( LLKHschen Gänge bis nach hinten gewachsen 
und münden zwischen ihnen in die Allantois ein. Alle vier Kanäle 
zusammen bilden, in Bindegewebe eingehüllt, den Genitalstrang (S. 244). 

Wenn die Umwandlungen so weit gediehen sind, kann man an 
der Allantois. soweit sie, in der vorderen Bauchwand gelegen, bis 
zum üakbel reicht, drei verschiedene Abschnitte deutlich unterscheiden 



Digitized by Google 



Die Orgaoe des miUtemi Keimblattas. 



255 



(Fig. 2<J0): 1) den Sinus urogenitalis (uff), 2) die eigentliche Harn- 
blase im engeren Sinne (4), den Uraclius (5). 

Als Sinus urogeuilalis {ug) wird der uutere, etwas eugere 
Ahflchnitt bezeichnet, der die Umierengftiige und die MOLLERSchen 
Gftnge aufnimmt, und welcher sich durch das oben beschriebene Vor- 
«achsen einer Scheidewand von dem anfänglich p:rörseren Kloakeriraiim 
abgetrennt hat £r mündet vor dem Euddarm in den Rest der Kloake 
(Fig. 260 el) ein, die sich nach 
Schwund der After membran nach 
aufsen geöffnet hat. 

Zur Uarublase im engereu 
Sinne wird der Teil, welcher an 
seiner hintern Wand die beiden 
Harnleiter aufnimmt. Reim Men- 
schen, bei welchem die AUantoih 
anfangs ein enges Rohr darstellt, 
das vom Nabel noch in den Nabel- 
stran? eine Strecke weit hineinreicht 
(Fig. 250), weitet er sich im zweiten 
Monat ein wenig aus nnd stellt einen 
Spindligen Körper dar, der sich 
nach oben verii\iiL't und in eine 
engere Köhre Ubergeht. Letztere 
ist der U rachus, der sich bis znm 
Kabel erstreckt und sich dort in 
den anfserembryonaleu Teil des 
Allantoisrohrs fortsetzt, das früh- 
zeitig beim Menschen rückgebildet 
wird. (Siehe S. 155, IG9). Beim 
AT Tischen beginnt der Urachus 
fecbun gegen das Ende des em- 
bryonalen Lebens zu verkümmern; 
er liefert nebst dem ihn einhüllen« 
<ieii Rindegewebe einen Stranpr. das 
Ligamentum vesico-uniliiiieale me- 
dium, welches von dem Scheitel der 
Blase (Fig. 24(> hbf} bis zum Nabel 
fnhrt und im ersten Lehensjahre 
hauhg noch einen Kpithelstrang, 
einen Uest der ursprünglichen 
Epithelröhre, einschliefst. 

Die Entwicklung der äufse- 
ren ( i e s c Ii 1 e c h t h> t e i 1 e beginnt 
sich in der Umgebung der Kloake 
schon sehr frQhzeitig bemerkbar zu 
machen. Rei menschlichen Em- 
bryonen, weh^lie 1 1 — 13 mm lang sind 

(Naokl), entsteht am vorderen liande der Kloake, die zu dieser Zeit 
noch durch die sn einer Rinne vertiefte Kloakenmembran verschlossen 
ist, durch Wucherung des Bindegewebes ein kleiner, nai h aufsen vor- 
springender Hügel, der Geschlechtshöcker (Fig. li'i- '//'). Au seiner 
unteren Fläche befindet sich eine seichte Kinne (ar), die sich nach ab- 
wärts bis zur Kloakenmembran erstreckt Von der Rinne dringt eine 




Fig. 260. Sohema derUroganital- 
organe einesSäugetiers aua frühem 
Stadium. Ntcb Aun TaoMM, aui 

Balvour. 

Dil' Teile sind vonogBweise im 
Profil, der McLitnsiho und der Ur- 
nierengan? rilit r von \(>ni gesehen dar- 
gestellt. 

3 Ireter, 4 Harnblase, 5 Urachus. 
ut Keimdrüse fEierstock oder Hoden), 
ir linke Urniere, x Zwerchfellsband 
der l rniere, ir UrnierenKang,mMCLi.ER- 
schcr Gang, gc Gonitalätrang aus den 
voD ^meinttamer Scheide umschioss«- 
nen woLmchen und MOLL«ucb«D 
Gängen bestehend, » -Mastdarm, "7 
('rogenitalsinus, ep Geschlechtsh^x kt^'i , 
der zur Klitoris oder zum reiii,> wird, 
l9 GescblechUwalste, aus deuen die 
groben SchamlippeD oder der Hoden- 
sack herrorgehen. 



DIgitized by Google 



Zehntes Kapitel. 




Vig. 2()1 — 2Hn. Entwicklung der äufseren Qeschlechtsorg^ane im mann- 
lichen und weiblichen Qeacblecht. Nach EtKKH-ZiEüL»iRSfhen WacbMiiodelleii. 

Obwohl in neueren Ahhandliintreu Abbildungen gegeben sind, welche die frag- 
lichen Verhaltnisse genauer darstellen, sind die vorliegenden F'iguren doch bei- 
behalten worden, da die EcKKR-ZiEOLKitsrhen Wachsniodelle als l'nterrichtsniittel 
nllgenieiii eingeführt sind und zur VeranBchanlichung der Fintwicklung der 
iiiifseren (ieschlechtsfirgane dienen, welcher Zweck ja auch durch sie in be- 
friedigender Weise erreicht wird. 

Fig. 2«il u. 262 sind zwei Stadien, in denen eine Geschlechtsverschiedenheit 
nnrh nicht zu erkennen ist. Fig. 262 von einem 8 Wochen alten Knibryo. Die 
beiden Figuren 2M n. 'J64 vim 2' s und H Monate alten Embryonen zeigen die 
I'mbildung der urs])runglichen Anlage im männlichen (ieschlecht. Die Figuren 
26.'i u. 266 stellen die I niliildung im weiblichen (ieschlecht dar (2' « und 4''a Monat). 

Für alle Figuren gelten dieselben Hezeichniingen. 

hf hintere (ilieilniaf'<e. </« Kloake, fjli (feschlechtahöcker. '// (»eschlechtsfalte, 
f/r <ieftchle» btsrinne. i/ir (ie>-chlechtswüiste, 7// (ilans penis (Eichel), <l Klitoris, 
'/ Dumm, n After, "// Eingang zum i^iuus urogenitalis oder Vestibuluni vaginae. 
rv Vestibuluni vaginae (Scheidenvorhof), rli Vorhaut, hs Hodensack, <l u. r I{aphe 

rterinei und scroti, i/srh grofse Schamlippen d-abia majora), ^«cä kleine Scham- 
i])peii (Labia minora). 



Digitized by Google 



Die Organe des mittleren Keimblattes. 



257 



Epithelleiste (ektodermale Urogeuitalplatte) ziemlich tief in den Ge- 
achlechtshöcker von seiner Basis bis zu seiner Spitze hinein. 

In don njlclistt'ii Wochen der KnTwicklung springt der Ilockor noch 
mehr nach aulVcn hervor und ^iestaltet sich dabei zu dem (ieschlechts- 
glied um, welches ursprünglich iu beiden Geschlechtern gleich be- 
schaffen ist. Dabei weicht die oben erwfthnte Epithelleiste ihrer ganzen 
Lange nach in zwei Epithellamellen auseinander; infol^rdesseii wird 
die urs])rünglich seichte Rinne an der untereu Flache des Geschlechts- 
glicdcs zu einer tiefen ^Spalte umgewandelt, die liuks und rechts 
von scharfen, vorspringenden Rflndern der Geschleelitsfalten (gf) ein- 
geschlossen wird. 

ITni die Kloake und den an ihrem vorderen Rande sicli frliebenden 
Geschlcchtshücker ist zu dieser Zeit auch eine ringförmige i uke, der 
Geschlechtswulst, immer deutlicher erkennbar geworden (Fig. 202 gw). 

Endlicli sind auch Verrinderunpren zu er^vähnen, durch welche die 
schon früher eingeleitete und auf JS. 2Ö3 beschriebene Sonderung der 
Kloake iu zwei getrennte Kanäle zu ihrem Abschlui's gebracht wird. 
Die frontale Scheidewand nämlich und die von der SeitenflAche der 
Kloake vorspringenden Falten wachsen so weit nach abwärts und ein- 
amlpr entgegen, dafs sie die Kloakenmenibran erreicheu und sich mit 
ihr und uutereinauder. verbinden. Die Kloake hat sich somit jetzt 
vollständig in den ventral gelegenen Sinus urogenitalis und in den 
Mastdarm getrennt. Beide Kanäle öffnen sich dann bald nach aufsen, 
indem in der Vprschlulsplatte die Epithelzellen au.seiuanderweichen. 
Man bemerkt (iaher jetzt in der Geschlechtsgegend (Fig. 2Ü3 u. 2iiö) 
eine hintere Öfftaung, den After (a), und getrennt von ihr durch eine 
schmale Scheidewand (d) einen gesonderten Eingang in den Sinus 
urogenitaiis (ug), welcher sich an der unteren Fläche des Geschle<'hts- 
glieds in die tiefe Geschiechtsrinne fortsetzt. Die ursprünglich schmale 
Scheidewand zwischen After und 6eschlechts5f!hung verdickt sich 
iinmer mehr bis zum Ende des embryonalen Lebens, drängt die beiden 
Öffnungen schliefslich weit auseinander und bildet zwischen iiineu 
den sogenannten Damm (Fig. 204 u. 2(jür/). Hierbei rückt der After 
(a) ganz aus dem Bereich des ohen erwähnten Geschlechtswulstes 
(Fig. 262 gw) heraus. 

Vom vierten Monat an treten in der Entwicklung 
der äufseren Geschlechtsteile bei männlichen und bei 
weihlichen Embryonen gröfsere Verschiedenheiten 
hervor. 

Beim Weibe (Fig. 2*)." u. 2ti0) sind im ganzen die rnibildungen 
der ursprünglich gemeinsamen, embryonalen Anlage nur gering- 
flkgiger Art; der GeseUechtahÖcker wächst nur noch langsam weiter 
und wird zum weibliehen Glied: der Klitoris (cQ. Sein vorderes 

Ende beginnt sich zu verdicken und von dem tlbrigen Körper als 
Eichel abzusetzen. Um dieselbe schlägt sich durch einen Faltuu^p 
prozefs der Haut eine Art von Vorhaut (das Praeputium clitoridis) 
(Fig. 2ßt)vh) herum. Die beiden Geschlechtsfalten (Fig. 26o gf), 
welche die Rinne ni d^r unteren Flache des < leschlechtshöckers be- 
grenzt haben, nehmen beim Weibe eine stärkere Entwicklung als beim 
Manne und gestalten sich zu den kleinen Schamlippen (Labia 
minora) um (Fig. 200 Isch). Der Zwischenraum zwischen ihnen 
(Fig. 205 MO) und seine I'ortsetzung nach innen, der Sinus urogeni- 
taiis, welcner den Ausführgang der Ilariibhise und die durch Ver- 

<>. II er tw ig. Die Kleinente der Kntwic'klungslehr». 2. Aufl. 17 



Digitized by Googfe 



258 



ZehDtes Kapitel. 



sehmelzuiig der MOLLBBSchen G&nge gebildet« Seheide anfniniint, 

heifst nun Scheide iivorhof oder Vestihulum vaginae (Fig. l' ^ ' ' ). 
Die (ieschlechtswQlste (Fig. 2(>r> gir) werden beim Weihe durch 1 in- 
lagerung von Fettgewebe sehr voluminös und gehen auf diese Weise 
in die groTsen Schamlippen (Latna majora) ober (Fig. 2ij6g9eh), 

Viel tiefgreifendere Umwandlungen haben die entsprechenden An- 
lagen beim miiiiii liehen Geschlecht durchzumachen (Fig. 2t\'i 
u. 2(54 j. Durch ein aul'serordentlich starkes Längenwachstum ge- 
staltet sich der Geschlechtshdclcer zum mftnnlichen Glied oder 
den Penis um, welcher der Klitoris des Weibes entspricht. Wie diese 
l)esitzt er eine vordere, knopfartige Anschwellung: die Eichel (Fig. 2» W^j)). 
welche von einer üautialte, dem Praeputium (Fig. 2ü4i-A), umfafst 
wird. Der Sinus urogenitalis, der beim Weibe afs ScheidenTorfaof 
kurz und weit bleibt, verlängert sich beim Manne in einen langen, 
engen Kanal : die II ann o Ii re. Es gescliirl t üps dadurch, dafs die 
Furche an der unteren Fläche des Geschlechtsitockers (Fig. 2ü3yr> 
sich bei der Entwicklung desselben mit in die Linge auszieht und 
gleicbzeitig vertieft, und dafs die sie umfassenden Gesehlechtsfalten 
sich schon im vierten Monat mit ihren lifuidern eng aneinanderlegen 
(Fig. 2U4) und nach und nach verschmelzen , bis auf eine kleine au 
der Spitze der Eichel tibrig bleibende Öffnung. 

Der Anfang der IIarnr()lire erfährt vom dritten Monat an Verilnde- 
rungen, durch welche die Vorsteherdrüse oder Prostata ge- 
bildet wird (Fig. 24i» //r). Die Wandungen namhch verdicken sich 
beträchtlich, erhalten glattes Muskelgewebe und stellen einen ring- 
Idrmigen Wulst dar, in welchen vom Epithel des Rohrs mehrere Aus> 
StQlpungen hineindiingen und durch ihre Verästelungen die drüsigen 
Partien des Organes liefern. An seiner hinteren Wand finden sich, 
wie bekannt, die Ausmüudungeu der Samenleiter {drj) und zwischen 
ihnen der Sinus prostaticus oder Uterus masculinus (um), der aus 
den MrLLERschen Gängen entstiindcn ist. (Siehe S. 24(3.) 

Eine zweite Verwaclisung gehen l>eim Manne die Geschlechts- 
wiilöte (B'ig. 2(»:3 //ir) ciu, welche beim Weibe zu den grofsen Scham- 
lippen weisen. Sie legen sich um die Wurzel des Penis herum und 
verwachsen dabei in der Medianebene , an welcher die Vereinigungs- 
stelle auch spiUer noch durch die sogenannte Raphe scroti (Fig. 2>i4r) 
angedeutet wirtl. lu den so gebildeten Ho den sack {h^) wandern 
dann, wie schon oben (S. 247) erwähnt, die Hoden gegen Ende des 
embryonalen Leitens liinein. 

Aus der Tatsache, dal's ursprünglich die äul'sereu (ieschlechts- 
teile iu beiden Geschlechtern ganz gleichartig beschafleu sind, erklärt 
sich auch die Erscheinung, da(b bei Störung des normalen Entwich* 
lungsganges Formen zustande kommen, bei welchen unter Uniständeu 
anfserordentlich schwer zu entscheiden ist. ob man es mit männli' fi. n 
oder weiblichen äul'seren Geschlechtsteilen zu tun hat. Es sin(i dict^ 
Fälle in frttheren Zeiten fälschlicherweise als Zwitterbildung 
oder Herniaphroditisinus bezeichnet worden, Sie können eine 
doppelte Art der Kntst' liiiiit» haben. Entweder sind sie darauf zu- 
rückzutuhreu, dafs im vvcidlichen Geschlecht der F^ntwicklungsprozefs 
in ähnlicher Weise wie beim Manne weiter als normal fortschreitet, 
oder darauf, dafs beim Manne die Entwicklungsprozesse frühzeitig 
einen Stillstand erfahren und rladiirrh zu Bildungen führen, die den 
weiblichen Geschlechtsteilen ähnlich sind. 



Digitized by Google 



Die Org»iie dei mittleren Keimblattes. 



259 



Was die erstere Art der Milsbilduugcu betrifft, so nimmt im 
weiblichen Geschlecht zuweilen der Geschlechtshöcker eine solche 
Fonn und GrOfise an, dafs er dem mftnnlichen Gliede gieidit. Die 
Übereinstimmung kann noch jiröfser wortion, wenn die Kieistikke 
anstatt ins kleine Becken nach der Leistengegend hinwandern (ver- 
gleiche S. 24'i), durch die Bauchwaud hindurchdringen und sich in 
die groÜBen Schnmlippen einbetten. Infolgedessen legen sich die 
1et7toren über die Wurzel der mächtigen Klitoris herQber und täuschen 
eine Art von Ilodensack vor. 

Häufiger sind die Mifsbildungeu im männlichen Geschlecht, welche 
rar Annahme des Hermaphroditismus Veranlassung gegeben haben. 
Sie sind darauf zurückzuführen, dafs die Verwachsungsprozesse, die 
normalerweise sich abspielen, unterblieben «in 1. Wir erhalten dann 
ein Geschlechtsglicd, das gewöhnlich verkümmert ist, und an dessen 
unterer Flftehe anstatt der HamrOhre nnr eine Farelie verläuft, eine 
Mifsbildung, welche als Hypospadie bezeichnet wird. Mit diesen 
Bildungsfehlern kann sich zweitens eine Hemmung des normalen 
Descensus testiculorum verbinden. Die Hoden bleiben in der Leibes- 
höhle liegen, und die Geschlechtswülste gewinnen so eine Ähnlichkeit 
mit den grofsen Schamlippen des Weibes. 

in. Die Entwieklnoir «ler Nebennieren. 

Die Besprechung der Entwicklung der Nebennieren geschieht am 
besten im Anschlufs an das Urogeuitalsystem. Denn abgesehen davon, 
dafe die Nebennieren und die Harngeschlechtsorgaue bei allen Wirbel- 
tieren räumlich sehr nalu^ /nsaminengelagert sind, stehen sie auch in 
ihrer Eutwicklungsgesthn lit*' in sehr naher Beziehung zueinander. 
Indessen ist nicht zu leu^aeu, dafs zur Zeit noch alle entwicklungs- 
gescliichtlichen Arbeiten Ober die Nebenniere, um uns eines Ausdrucks 
von Bami. zu bedienen, „etwas Unbefriedigendes an sich tragen". Irh 
beschränke mich daher hier auf einige wenige Angaben und verweise 
im übrigen auf den demnächst erscheinenden, ausführlichen Artikel 
im Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre. 

Bekanntlich unters( hei(iet man bei den Nebennieren zwei ver- 
schiedene Substanzen, die bei den Siiuf^etieren nach ihrer gegen- 
seitigen Lage als Mark und Riude bescliriel>en werden. Die meisten 
Forscher nehmen fDr sie einen doppelten Ursprung an. Das Mark 
lassen sie von den GangUenanlagen des sympathischen (irenzstranges 
abstammen, daher denn in manchen Lelirbüchern die ^'eb<■Tlni(■!(■I^ 
auch beim bym^athicus abgehandelt werden. Dagegen herrscheu 
Uber die Entwicklung der Rindensubstanz, welche bei den 
Selachiern als eine besondere Drttse, die Zwischenniere (Inter- 
renalkorper). auftritt, sehr verschiedene Auffassungen. Einige Forscher 
leiten sie von Anhäufungen von bindegewebszellen ab. welche sich 
am vorderen Abschnitt der Urniere im Verlauf der unteren Hohl- 
und Kardinalvene bilden, andere dagegen schreiben ihr einen 
epithelialen Ursprung zu. ^intl aber liierbri auch wieder verschiedener 
Meinung, ob das Coelomepithel oder Epithelstrünge der Urniere 
durch besondere Wucherungen das Baumaterial für die Ilinden- 
substanz der Nebenniere liefern. Die ganze Frage ist daher zur Zeit 
nichts weniger als spruchreif. 

17» 



Digitized by Google 



260 



Zehntes KapiteL 



Wfthrand ihrer Entwicklung ist die Nebenniei^e eine Zeit laug 
von recht Miaehnlieher GrOflie. Bei den Säugetieren verdedtt sie 

vorübergehend die viel kleinere Niere, so bei dem in Fig. 247 abge- 
bildeten menscblichen Embryo der achten Woche, bei welchem links 
die Nebenniere («n) in normaler Lage zu sehen ist, während sie 
rechts entfernt ist, um die Niere (n) blofszulegen : dann bleibt sie 
hinter der Niere im Waclistuni zurück, ist aber beim Neugeboieneu 
(Fig. 2',V2)s wo sie schon iils liaibniondförniiger Körper (nn) der Niere 
in) aufsitzt, im Verhältnis zu ihr immer noch gröf&er als beim 
Erwachsenen. 

Während der Entwicklung scheine zuweilen kleine Partien sich 
von der Nel)ennieieTiTiTui(^ nb/ntnMinen und in (h^v \achbarschaft iler 
Geschlechtsorgane zu bleiben, deren Lageverändeiuugeu sie mit durch- 
machen. So erklären sieb wohl die von Makcuamd beobachteten 
aceesBorischen Nebennieren im breiten Matterband. 



Repetitorium zu Kapitel X. 

Als Bildungsprodukte des mittleren Keimblattes sind aufzutühreu: 
das Epithel der LeibeshöWe (des Herzbeutels, der Brust- und Bauch- 
höhle, der Höhle des Hodensackes), die willkürliche, quergestreifte 
Muskulatur, die Samen- und Ki/.ellen. das Epithel der ries('l)U'clii>- 
drüsen, der Nieren und ilirer Ausiührwege, die Rinde der Nel»enniere. 

I. Die Kntwifkinng der Muskulatur, l) Am Kiniipf entwickelt 
sieh die Muskulatur aus der an Chorda und Nerveiirohi uugrenzendeu 
Schicht der IJrsegmente, welche durch Abscheidnng von Mnsketfibrillen 
sich zu einer Muskelplatte (Myotom) unigestjiltet. 

Die Mnskel])latre vergröfseit sich dorsal nnd ventral, wo sie 
in die aufsere (laterale) Kpithelschicht der ürsegmente übergeht 
(Wachstumszone), und breitet sich nach oben über das Nervcnrohi\ 
nach abwärts in die Bauchwandungen hinein aus. 

:!i Die Muskulatur besteht anfangs aus *^eirnienten längs- 
verlaulender Fasern (Myoiuereu). welche durch bindegewebige Scheide- 
wände (Ligamenta intermuscularia) voneinander getrennt sind, uod 
ruft SO die erste Gliederung des Körpers der Wirbeltiere in Metameren 
hervor. 

4) Von den Muskelplatteu wachsen Knospen in die Anlagen der 
Gliedmafseu und liefern so die ganze Extreniitätenmuskulatur. 

II. Die Entwicklung des Urogenitalsystems. 1) Die erste An- 
lage ist in beiden Geschleehtem ein und dieselbe; sie besteht a) aus 

drei Paar Kanälen, dem Vor- oder T^rnicronganp, dem Mt*LLBKschen 
Gang und dem Harnleiter; b) aus vier Paar Drüsen, der Vorniere, 
der Urniere, der Niere, der zuei-st indifferenten Geschlechtsdrüse. 

2) Vorniere und Vornierengang entstehen aus mehreren, segmental 
auftretenden Auswüchsen des [taiietalen Mittelblattes^ die sieh zu einem 
Lttngsstrang verbinden, der sich später aushöhlt. 

.'{) Die segmentnl (iitsfandenen. in querer Richtung verlaufenden 
Zellstränge werden, indem sie eine Höhlung erhalten, zu den Voruiereu- 
kandlchen und bleiben durch Flimmertrichter (Nephrostome) mit der 
Leiln shöhle in Verbindung. In unmittelbarer Nähe der Flimmertrichter 
entwickelt sich zur Seite des Mesenteriums ein MALFiGBiseher Gef&fS' 



Dlgitized by Google 



Die Organe de» mittleren KeimblatteB. 261 

kuäuel (Glümei ulus, Glomus), der bei Teleostiern in einen abgekapselten 
Teil der Leibeshöhle (Vornierenkammer) zu liegen kommt. 

4) Der im Zusammenhang mit den VornioivnkaniUcJuMi j^ebilrlcte 
Lftngsstrang wird zum vordersten Teil des VornitMon- oder ürmereu- 
gHUgs. Kr vurläugert sich alimahlich nach hinten, bis er die Kloake 
(letztes Stock des Enddarms) erreicht, mit ihrer Wand verschmilzt und 
dadurch seine hintere Ausniündung erhalt. Das Auswachsen nach 
hinten geschieht in einer zweifach verschiedenen Weise: 

a) Bei Selachiern und Säugetieren verbindet sich das hintere Ende 
■des vom entstandenen, kurzen LAngskanals mit dem iufiseren Keim- 
blatt und wachst ihm entlan^i; nach hinten, bis es die Kloake erreicht. 

hl Bei den übrigen Wirbeltieren springt das hintere Ende des 
vom entstandenen Vorniereogang$ als ein abgerundeter Höcker frei 
in den Zwischenraum zwischen mittlerem und ftufserem Keimblatt 
hinein und wächst frei nach hinten aus, bis es sich mit der Kloaken- 
wand v»'r bindet. 

5) Hniter der Vomiere entsteht die Urniere dadurch, dals hei der 
Absclmüruug der Ui*8egmente von den Seitenplatten segmental an- 
geordnete Zellenschl&uche (Ursegment>Kommunikationen, Rabl) oder 
Zellstränge jichildet werden (Nci)hrotome). weh he an ilirein einen P^nde 
mit der Leiheshohle zusammenhangen und mit ihrem anderen Ende 
sich mit dem seitlich gelegeueu Urnierengang in Verbindung setzen 
und zu den Urnierenkanälchen werden. (Entwicklung von Malphjhi- 
sehen Körperchen, von sekundären und tertiären Urnierenkanälchen). 

i)) Bei den höheren Wirbeltieren ist rüp Kntwicklunp der Tmiere 
eine gewissermai'sen abgekürzte, insoleru die bei der Abschuürung der 
Ursegmente entstehenden getrennten Zellenstränge ganz dicht zu- 
sammen liegen und eine scheinbar ungesonderte Zellenmaf<se, die Mittel- 
platte oder das Urnierenhlastein. bilden, aus welchem sieh die Un^ieren- 
kanälchen späterhin^ wenn sie deutlich unterscheidbar werden, gleich- 
sam herausdifferenziert zu haben scheinen. 

7) Bei einigen Selachiern, Amphibien etc. bleibt die Urniere mit 

der Leibeshöble durch Flimmertricnter (Nephrostome) in offener Ver- 
bindung, während bei allen Amnioten die Urnierenkanälchen ihren 
Zusammenhang mit der Leibeshöhle durch Schwund der Flimmmer- 
trichter frühzeitig aufgeben. 

8) Die bleibende Niere entsteht zuletzt am hintersten Abschnitt 

des Uraierengangs. worüber noch zwei verseliiedene Ansichten lierrschcn. 

a) Nach der einen Ansicht geht die Niere aus zwei verscliiedeuen 
Anlagen hervor: 1) aus einer Ausstülpung vom Ende des Urniereu- 
gangs, welche den Harnleiter, das Nierenbecken und die geraden 
Harnkanälchen (also den Ausführungsapparat) liefert; 2) aus einem 
Nierenhlasteni, welches eine Verlflngerung des Urnierenblastems nach 
rückwärts darstellt, mit diesem den gleichen Ursprung hat und sich 
in die gewundenen Hamkanftlchen mit den MALPioHisehen Körperchen 
(also in den sekretorischen Nierenteil) umwandelt 

b) Nach der anderen Ansicht gehen die Drüsenkanälchen der 
Mark- wie der Rindensubstanz aus Sprossen hervor, die aus dem 
Harnleiter nach dem Schema der gewöhnlichen Drltsenentwicklung 
auswachsen. 

9) Die hinten entstandenen Anlagen der Nieren vergröfsern sich 
rasch und verändern ihre Lage, indem sie neben den Urniereu mehr 



Digitized by Google 



262 



Zehntes KspiteL 



aaeh vorn rttcken, wobei sich auch der Haniteiter vom Urmerengaog 
ablöst und auf die liintere Flüche der Harnblase wandert. 

10) Hei niederen Wirbeitieren entsteht durch Abspaltung vom 
Urnierengang der ihm parallel laufende MüLLEKSche Gang. 

11) Bei den Amnioten ist die Beziehung des Motuntsehen Gaofes 
zum Urnierengang noch unklar, da das vordere Ende des ersteren sich 
durch eine rinnenförmige Einbuchtung des Kpithelüberzugs an der 
lateralen Fläche der Urniere anlegt, vom übrigen Teile aber noch 
unentschieden ist, ob er selbständig nach hinten auswächst oder sich 
vom Urnierengang abschnürt. 

12) Die Oesehb'f lit-^drüsen gehen aus zwei Anlagen hervor: 1) aus 
dem an der medialen l läche der Urniere gelegenen Keiniepithel der 
Leibeshöhle ; 2) aus den Geschlechtssträugen, die von dem angrenzenden 
Teil der Urniere dem Keimepithel eutgegenwachsen. 

1:1» Vom Keimepitbel (niit seinen Ureiern und Ursanien/.elletü 
stammen die spezihscben Bestandteile der Geschlechtsdrüsen : die Eier 
und die Samenzellen, ab. 

14) Im weiblichen Geschlecht entstehen infolge eines Durcb- 
wacbsungsprozesses des Keimepithels und des unterliegenden Stronia 
pFLüGEHSche Schläuche und Eiballen und aus diesen schliei'slich junge, 
eine einzige Eizelle enthaltende Eifollihel; im männlichen Geschlecht 
bilden sich infolge eines entsprechenden Vorgangs Samenampulleii 
(Sclacbier. einige Amphibien) oder Samenkan&lchen (Tubuii seminiferi) 
mit iiireu SauienwutterzelleD. 

15) Die Gescblechtsstränge der Urniere beteiligen sich au der 
Zusammensetzung der Marksubstanz des Eierstocks als Markstränge; 
am Hoden setzen hih sich mit den Samenanipiinpn oder den Sameti- 
kanälchen in Verbindung und liefern die Tubuli recti und da$ Kete 
testis, also den Anfangsteil der Ausftkhrwege des Samens. 

l(j) Die Eifollikcl setzen sich aus einem zentral gelegenen Ei, aus 
einer Hülle von Follikelzellen und aus einer blutgefäfsfOhrenden Binde- 
gewebskapsel (Theca folliculi) zusammen. 

17) Bei den Saugetieren wandeln sich die Follikel dadurch, dals 
die Follikelzellen an Menge zunehmen und Follikelflflssigkeit aus- 
scheiden, in GKAAFsche BiAschen um. (EihügeK Membrana granulosa.) 

18) Die f'iKAAFSihen Bläschen werden nach Entleerung der reifen 
Eizellen in die Bauchhöhle zu den gelben Körpern dadurch, dafs sich 
aus den zerrissenen Geßifsen Blut in die HOhle ergiefst, und dafs die 
Follikelzellen und die Bindegewe!)skap8el unter Auswanderung weil^r 
Blutkörperchen wuchern. (VVahre und falsche Corpora lutea.) 

10) Die gelben Korper bedingen später durch Schrumpfung die 
Narben und iSchwielen au der Obertläche älterer Eierstöcke. 

20) Die in beiden Geschlechtem gleichartigen Anlagen des Uro» 
genitalsystenis Hnden später im männlichen und weiblichen Geschlecht 
eine verschiedene Verwendung unter teilweiser Rückbildung. 

21) Im inänDliclien Uescblerbt wird der Uruierenprnng zum Samen- 
leiter, beim Weil)e \ erkfnnnuMt er CtiARTNKRRche (üinge). 

22) Der MCtLKKscbe Gang überiiiniiut Iteiui Manne keine Funktion 
und bleibt nur in unscheinbaren Resten an beiden Enden erhalten 

(Hydatide des Nebenhodens, Sinus prostaticus oder Uterus masculinus): 
Iteini Weibe wird er zum Ausftihrai)parat des Eierstocks, der vordere 
Abschnitt zum Eileiter, der hintere Abschnitt zur Gebärmutter und 




Digitized by Googl 



I>ie Organa des miuloren Keimblattes. 



263 



Scheide, indem er mit dem gleichnamigen Kanal der anderen Seite, 
soweit er in den Genital sträng eingeBchlossen ist» TerBchmilEt. 

2:^) Die T'niiere bleibt beim Manne in ihrem vorderen Abschnitt, 
welclier sich durch die GeschlechtsstrAnge mit den Snmenkanälchea 
verbunden hat, als Epididymis bestehen, der Rest verkOmmert zur 
Paradidymis; beim Weibe verkümmern beide Teile zum Epoophoron 
ond Paroopboron , die der Epididymis und Paradidyrais entsprechen. 

21) Die Geschlechtsdrüsen, vrelche sich in der Lendenregion an- 
legen, rücken allmählich nach dem Becken herab. (Descensus testi- 
cnlorum et ovariorum. Schrilger Verlauf der Va«a sp('rinatiea\ 

25) Deini Ortswechsel der Geschlechtsdrüsen sjiielt (bis Leisten- 
baud eine Holle, welches von der Frniere unter (leiii Bauchfell zur 
Leistengegend zieht, durch die liaucliwaud tritt und in der Haut der die 
Kloake umgebenden Gesehleehtswalste endet. (Gubernaculum Hunteri 
beim Mann. Ligamentum leres und Lifj. ovarii beim Weibe.) 

20) Der Hoden wird einifre Zeit vor der (leliurt in dm I loden- 
sack aufgenommen, <ler dadurch eutsteht, dais das ÜHUcitfell eine Aus- 
stülpung (iVocessuB vaginalis peritonei) durch die Bauch wand hindurch 
in den Geschlechtswulst bildet, und dafs sich die Ausstülpung durch 
VerschhUs de^ Leistenkanals von der Bauchhöhle abschliefst. 

27) Die Schichten des Hodensacks oder die Hüllen des Hodens 
entsprechen gemäfs ihrer Entwicklung den einzelnen Schichten der 
Leibeswand, wie die nachfolgende vergleichende Übersicht lehrt: 

Hüllen des Hodens. Banchwftnd. 

Scrotum mit Tunica dartos. Bauchbaut. 

CooPERäche Fascie. Obertlachliche Bauchtascie, 

Tunica vaginalis communis mit Muskelschicht und Fascia trans- 

Cremaster. versa ahdominis. 

Tunica vaginalis propria (parietales Bauchfell. 

und viscerales Bhitt). 

28) Die äulseren Geschlechtsteile eutwickelu »icii beim Maiiue und 
beim Weibe aus einer gleichartigen Anlage in der Umgebung der Kloake. 

29) Als Kloake wird » ine (»ruhe am hinteren Ende des Embryo 
bezeichnet, in welche der Euddarm und tlie Allnntniv einmtVnden. 
nachdem die letztere noch an der hiutereu l liiche ihres verjOngteu 
Endabschnittes , des Sinus urogenitalis , dicht nebeneinander die 
MOLUEBsehen Glinge und die Umierengftnge aufgenommen hat. 

30) Die Kloake wird durch vorwachsende Falten , welche sich 
zum Damm verbinden, in eine vordere und eine hintere Abteilung 
zerlegt, von denen die vordere die Verlängerung des Sinus urogenitalis, 
die hintere Abteilung die Verlängerung des Darms ist (After). 

31) Am vorderen Rande dei Kloake, später des Sinus urogenitalis, 
findet sich in beiden Geschlechtern der rieschlechtshöcker . welcher 
an seiner unteren Fläche eine von den zwei Geschlechtsfalteu begren/.te 
Rinne trägt; er wird nebst der unter ihm gelegenen Kloake (resp. 
Sinus urogenitalis) von den Geschlechtswülsten unifafst. 

32) Im Mcüilii lien rjeschlecht bleibt der Geschlechtshi^rker klein und 
wird zur Klitoris, die Geschlechtsialten werden zu den kleinen Scham- 
lippen, die GeschlechtswQlste zu den grofsen Schamlippen, der Sinus 
urogenitalis bleibt kurz und weit und stellt den Vorhof dar, welcher die 
Scheide fdas Ende der ^frrr KK'^fben Gänge) und die An-mnndung 
der AUautois oder Harnblase, die weibliche Harnröhre, autuimmt. 



Digitized by Google 



2Ü4 



Zehntes Kapitel. Die Orguie des mitUereu Keimblattes. 



83) Im niftiiDliclieii Geschlecht wftcbst der Qeseblecbtshöcker zum 
männlichen Glie<le aus; die Geschlechtsfalten an seiner unteren Flftehe 

sclilif ( ' n <if!t zu einem Kanal, welcher als Verl&ngenmg des ong 
bieiheudc'u Smus urogenitalis erscheint, mit ihm zusammen als männ- 
liche HarnrAhre bezeichnet wird und an seinem Anfang die Samen- 
letter und ikii Uterus masculinus aufninunt: lie (^eschlechtswQlste 
legen sich nach Aufnahmp der Hoden üin Ii- Wurzel des rnftODlichen 
Gliedes herum und verwachsen zum Ilodeiisack. 

M) Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die vergleich- 
baren Teile der ftuf^ren und der inneres Geschlechtsorgane in beiden 
GeBchlechtern und über ihre Ableitung von der ursprünglich indiffe- 
renteu Anlage des UrogenitalsystemB bei den Säugetieren. 



Männliche 
(f «' s eh lec Ii t s te ile. 

^AQienampuUeu uad Sameu- 
kuiftlcheiu 

a) Nebenhoden. Epididymis 
mit Rete testis n. Tubuli 
recti. 

b) Paradidyiiii8. 

8sinen1eit«r mit Samen- 

lüerc und Ureter. 
Hjrdatid« des Nebenhodens. 
Sinus proKtaticttB. (Uterus 

xnasculinus.) 
Gabenwenlun Hunten. 

Mtnnlicbe Hamrftbre (Pars 
prostatica and membra- 
nacea). 

Miiimlii lii's filied. 

l'ars cavernoüa uretbrae. 

Hodensack. 



(i ein eins c Ii ii t"t I i c he 
A usgang&form. 

Keimepitliel. 
Umiere. 

a) Vorderer Teil mit den 

(i('<(hl<'(htssträngen 
((ie^chlechtsteil). 

b) Hinterer Teil (eigent- 
licher UrnierenteilX 

Umierengang. 

Niere und Ureter. 
I MOLLKascber Gang. | 
Leittenband der Umiere. 
Sinns urogenitalis. 



GeschleclitslKx kt'i. 

falten. 
« wttlste. 



W»^ i 1) 1 i ( ■ h V 
(i e sc )i 1 p ( Ii t - t f i I e. 

Eifoliikel, OuAAFäciie BlAs> 
dien. 

a) Epoophoron mit Hark« 
stringen des Eierstocks. 

b) Parooi»horon. 

GABTNKRscbe Kanäle einiger 

Säugetiere. 
Niere und Uret^^r. 

Eileiter und Fimbrien. 
Oebännutter und Scheide. 

Rundes Mutterband und 

Ligamentum ovarii. 
Yorbof der Scheide. 



Klitmis. 

Kleine iSchamlippen. 
Grobe Scbamlippen. 



III. Die Entwicklnne: der Ni'benniere. 1) Nach der Ansicht 
mehrerer Forscher sprossen aus dem vnidcrst* !! \h<rhuilt der Urniere 
Kebennierenstränge hervor und erzeugen die limdeusubstanz, (?) 

2) Die Marksubetanz der Nebenniere der Säugetiere leitet zieh 
wahrscheiulicl» von Zellen des sympathischen Grenzstranprs ab. 

;i) Die Nebenniere ist eine Zeitlang gröfser als die Niere. 



Digitized by Google 



Elftes Kapitel. 



Die Orgaue des äuTsei'eu Keimblattes. 

Das äufsere Keimblatt fOhrt seit langer Zeit auch den Namen 
des Hautsinnesblattes. Hiermit sind gleich seine beiden wichtigsten 
Leistungen gekennzeichnet. Denn einmal liefert es die Oberbaut mit 
ihren numnigfachen Produkten, als: Haare, NAgel, Sehuppen, Hörner, 
Federn; ferner Drüsen verschiedener Art: die Talg-, Schweifs- und 
!^^ilH)(lrüsen. Zweitens ist es zupleicli der Mutterboden, aus welchem 
sich das Nervensystem und die wichtigsten funktionellen Bestandteile 
der Sinnesorgane: die Seh-, H5r- und Bieehzellen, herleiten. 

L A. Die Bntwicklung des Central-Nervensystcms. 

Da das Centralnervens^'Steni der Wirbeltiere zu den Orgauen 
gehört, welche sich nach Sondemng des Keimes in die vier primflren 

KeimhlUttcr iuii frQbzeiti^'ston anlegen, nuifste auf die ersten Stadien 
seiner Entwicklung schon früher einpegangen werden: 1) auf die 
Sonderuug des äulsereu Keimblattes in zwei Bezirke: in das verdünnte 
Hornblatt (i^) und in die dickere, median gelegene Nerven- oder 
Medullarplatte (w;>); 2) auf die Umwandlung der letzteren zur 
Medullarrinne , indem die Ränder der Platte sir^li zu den Rücken- 
wülsten erheben, und endlich 3) auf die Uiiibiiaung der Rinne zum 
Nervenrohr durch Verwachsung der MedullarwOlste an ihren Randern. 

Als eine einheitliche Anlage erhält sich das Nervenrohr nur beim 
Amphioxus lanceolatus. bei allen übrigen Wirbeltieren dagegen sondeit 
es sich in Bückenmark und Gehirn. 

1. Die EntwieUmig des Bftekeiui»rkB. 

Der sich zum Rückenmark umbildende Teil des Nervenrohrs 
zeigt auf dem Querschnitt eine ovale Form (Fig. 131). Von Anfang 

an läfst er eine Sonderunp in eine linke htm? eine rf>rlitp Tl.Ufte er- 
kennen (Fig. 2«j7). Deuu seine beiden ^jeiteuwandunguu sind stark 
verdickt und bestehen aus mehreren Lagen langer, cylindrisclier 
Zellen, während oben und unten seine Wand Iftngs eines schmalen 
Streifens dünn bleil t und als vordere und hintere Commissur 
oder als Boden- uud Deckplatte (tip und 6p) (His) unterschieden 
werden. 

So bleibt in der Zusammensetzung des Nervenrohrs aus zwei 
gröfseren dirken und zwei schmalen dünnereu Streifen, welche An- 
ordnung ebenso auf den Bau des fertigen Organes übergeht, seine 



Digltized by Google 




266 Elftes K«piteL 

paarige Eotstebniig aus zwei läDgsvf rlaofenden Nervenplatten, welche 
einstmals den spaltfOnnigen . läDgsgestreckten Umiuod begrenzten, 

auf (las deutlichste erhalten. Die Boden- 
platte oder vordere Commissur, in deren 
Bereich die Ausbildung nm GaDglleDzellen 

unterbleibt und die EpithelzeUen aeh nur in 

epitheliale StOrzsuhstanz umwandeln . ent- 
spricht der Yerwacbsungslinie der Uruiuud- 
rlnder: die Deckplatte oder hintere Commissur 
dagegen ist die sj ätt r entstehende Nahtlinie, 
welche sich hei dt' r Umwandlung der Nerren- 
riime zum Kohr ausbildet. 
I -'67. 8ohenw> lu den beiden verdickten Seitenbftlftoi 
tischer Durchschnitt {Y'ig. 2i)7) kommt es nachträglich noch zu 

durch die _f "iaae einer weiteren Sonderung in eine doi-sale (fp) 
Herrwirohrtiur Unter- , 4. i » = ^ , ^ ^ x »1 

Scheidung einzelnerRe- und ventrale Längszone {(jj)), welchen His 

gionen. Kinteiiune naih auch die Namen FlUgelpIatte und Grund- 
Hm. Schema nac h p KuHiKP. platte gegeben hat. Sie werden dnreh eine 
1> ^ lJtt***^°^'*"rniB^ allerdings nur wenig ausgeprägte Rinne: die 
pkue^ /•/ »Flüg^puie, ff/- (irenzfurche von His (^r/), voneinander ge- 
Grenzfurche. trennt Ihre Sonderung hängt mit der ge- 

trennten Ausbildung sensibler und motorischer 
Ganglienlager zusinmien. Demnach sind sowohl am embryonalen als 
anch am ausgehildeten lUickenmark folgende Bezirke zu unterscheiden: 

1) die linke Medullarplatte ; 

2) die rechte Medullarplatte, jede wieder zusammengesetzt aus: 

a) einer dorsalen sensibloi, 

b) einer ventralen motorischen Längszone; 

3) die vordere ConiiiMVsiir (h1 er Bodenplatte, welche der Kahtlinie 

der rrmundrauder eutspricht; 

4) die hintere Commissur oder iieckplatte, welche die hintere 
Nahtlinie des Nervenrohrs darstellt 

Die weitere Entwicklung erfolgt in der Weise, dafe linke und 

rechte Medullarplatte sich sehr frühzeitig aufserordentlich stark ver- 
dicken (Kig. Bei der lebhaften Vermehrung ihrer Zellen ist 
leicht die interessante Tatsache festzustellen, dal's alle Kernteilungs- 
figuren immer dicht an der inneren, dem Zentralkanal zugewandten 
Fläche des Nerveurohrs, zuweilen in überraschender Menge, liegen, 
eine Erscheinung, die auch hei der Entwicklung der Hirnblasen wieder- 
kehrt. Nervenrohr und Epidermis haben also infolge der verschiedeneu 
Bedingungen, unter welehe sie beim Entwicklungsprozers geraten, 
verschie<ien orientierte Zuwaehsflftcben zur Vermehrung ihrer Elementar- 
teile erhalten. 

Die Zellen des Nervenrohrs sondern sich frühzeitig in zwei ver- 
schiedene histologische Gruppen: 1) in Elemente, welche das Stütz- 

gerüst liefern: das den Centralkanal (Fig. 2(i8 ck) umhüllende Epithel 
und die Sjjongio^a (Spongioblasten von Iiis), und 2) in Elemente, 
welche sich in (iauglieuzellen und in Nervenfasern umwandeln (Neuro- 
blasten, His). Bei dem letzteren Prozefs kommt es noeh zu einer 
neuen Sonderung. Die an Zahl immer mehr zunehmenden Nerven- 
fasern lagern sich niinilich der Zellenninsse von aufsen auf; sie sind 
bei ihrem ersten Auftreten mark los (l'ig. 2(>{s tvs u. Fig. 293) und um- 



Digitized by Google 



Die Organe des äurseren Keimblattes. 



2G7 



ck 
9* 



geben sich erst nachträglich teils früher, teils später mit einer Mark- 
hülle. Auf diese Weise entsteht eine central gelegene, die Ganglien- 
zellen enthaltende, graue Substanz {gs) und eine ihr oberflächlich wie 
ein Mantel aufgelagerte, weifse Substanz (»ts), an welcher dann wieder 
eine Kinteilung in vordere, seitliche und hintere Kttckenmarkstränge 
vorzunehmen ist. 

Da an der mächtigen Volunisentfaltung die Boden- und Deck- 
platte nicht beteiligt ist, wie sie auch keine (langlienzellen bildet, 
so kommt sie immer mehr in die Tiefe, an den Grund einer vor- 
deren und einer hinteren Längsfurche (Fig. 2r(8) zu liegen. 
Schliefslich setzt sich das ausgebildete Rückenmark aus zwei mäch- 
tigen Seitenhillften zusammen, die durch eine vordere und eine hintere, 
tiefe Lilngsspalte voneinander 
getrennt und nur in der 
Tiefe durch eine dünne Quer- 
brücke verbunden werden. 
Da letztere sich von der im 
Wachstum zurückgebliebenen 
Deck- und Schlufsplatte ab- 
leitet, birgt sie in ihrer Mitte 
den el>enfalls klein gebliebe- 
nen Gen tralk anal. 

Anfangs nimmt das 
Rückenmark die ganze Länge 
des Rumpfes ein, beim Men- 
schen bis zum vierten Monat 
der embryonalen Entwick- 
lung. Es reicht daher zu 
der Zeit, wo sich das Achsen- 
skelett in einzelne Wirbel- 
abschnitte gegliedert hat, von 
«lem ersten Ilals- bis zum letz- 
ten Steilsbein Wirbel herab. 
Das Ende des Rückenmarks 
beginnt aber keine Ganglien- 
zellen und Nervenfasern zu 

bilden, sondern bleibt zeitlebens als ein dünnes, epitheliales Rohr 
erhalten. Es setzt sich von dem grölsereu, vorderen Abschnitt, der 
Nervenfasern und Ganglienzellen entwickelt hat, durch eine konisch 
verjüngte Stelle ab, die in der deskriptiven Anatomie als Conus 
niedullaris beschrieben wird. 

Solange das Rückenmark in seinem Wachstum mit der Wirbel- 
säule gleichen Schritt hält, treten die aus ihm entspringenden Nerven- 
paare unter rechtem Winkel direkt zu den Zwischenwirbellöchern 
hin, um den Wirbelkanal zu verlassen. Die Anordnung ändert sich 
beim Menschen vom vierten Monat an; von du ab bleibt das Rücken- 
mark in seinem Wachstum hinter dem Wachstunj der Wirbelsäule 
zurück und kann daher den Wirbelkanal nicht mehr ganz ausfüllen. 
Da es nun oben an der Medulla oblongata befestigt ist, und da diese 
mit dem Hirn in der Schädelkapsel festgehalten wird, so mufs es in 
dem Wirbelkanal von unten nach oben emporsteigen. Im sechsten 
Monat findet sich der Conus medullaris im Anfang des Sakralkanals, 
bei der Geburt in der Gegend des dritten Lendeuwirliels und einige 




Fig. 268. Quersohnitt daroh Bücken- 
mark und knorplige Wirbelsäule eines 
menschlichen Embryo. 

tk Centraikanal, //s graue Substanz, ir« 
weiTse Substanz des llückenniark», g S^)inal- 
ganglion mit hinterer Wurzel, ick Wjrbel- 
körper mit Ckordarest, vcb Wirbelbogen. 



Digitized by Google 



268 



Elftes Kapitel. 



Jahre später am uiitereü Rande des ersten Lendenwirbels, wo er auch 
beim Erwachsenen endet. 

Bei (lein Heraufsteigen (dem Ascensus medullae spinalis) wird 
das letzte Kiide des Hückeumarks: das dünne epitludiale Itohr, welches 
am Steifsbein festgeheftet ist, in einen langen, düuueu Faden aus- 
gezogen, der auch noch beim Erwachsenen alsFilum terminale 
intern um und externum hcstehen Ideibt. Der Faden zeigt am 
Anfang eine kleine Höhlung, die von flimmernden Cylinderzellen um- 
geben wird und eine Fortsetzung vom Gentraikanal des Rückenmarks 
iBt. Weiter nach abwärts setzt er sich dann in Form eines Binde- 
gewebsstrangs bis zum Steifsbein fort. 

Eine zweite Folge des Emporsteigens des Rückenmarks ist eine 
Änderung in der Verlauf s weise der Anfäuge der peri- 
pheren Mervenstftmme. Da ihre Ursprange zugleich mit dem 
Rückenmark im Wirbelkanal immer mehr kopfwärts zu liegen kommen, 
die Stellen aber, wo sio dnrrh die Z^vi' rl:f^nwir])ellucber nn^tvffen. 
sich nicht veräuderu, so müssen sie aus der queren in eiue immer 
schrägere Verlaufsrichtung übergehen, um so mehr, je weiter unten 
sie den Wirfaelkanal verlassen. In der Halsgegend ist ihr Verlauf 
noch ein querer, in der Brustgegend beginnt er mehr und mehr 
schräg zu werden und winl endlich in der Lendengegend und noch 
mehr in der Kreuzbeiugegeud ein steil nach abwärts gerichteter. 
Hierdurch kommen die vom letzten Teil des Rückenmarks ansgehen- 
den Nervenstämme eine grofse Stiecke weit in den Wirbelkanal zu 
lie^'^'n , ehe sie zu den zum Durclitritt dienenden Kreuzheinlöchern 
gelaiigeu; sie umfassen dabei den Conus medullaris und das Filuin 
terminale und stellen die als Pferdeschweif oder Gauda equina be- 
kannte Bildung dar. 

Kndlitdi » rfsUirt das Rückenmark auch noch in seiner Form einige 
Veräuderuugeu. Schon vom dritten und vierten Monat an wachsen 
die Stellen , an denen die peripheren Nerven zur vorderen und xur 
hlDteren Extremität abgehen, und welche dem Hals- und Lendenmark 
angehören, stärker, indem in ihnen Oanglienzellen reichlicher zur 
Ausbildung kommen; sie werden als H als- und Lendenaaschw el- 
lung (Intumeseentia eervicalis und lumbalis) unterschieden. 

2. Die Entwleklniip des Oehlrns. 

Wie für das Rückenmark, ist auch für das Gehirn die Ausgaugs- 
form ein einfaches Rohr. Frühzeitig, jedoch noch ehe es überall ge- 
sclilossen ist . erfährt es schon durch gröfserf s Wachstum einzelner 
Stre( ken und geringeres Wachstum anderer rmt (ilicderung; durch 
zwei Einschnürungen au seinen Seiteuwauduuj;i.u zerfällt es in die 
drei pjimftren Htrnblasen (Fig. 271 P., Jlf., B.), die durch 
weite Öffnungen mit» inander in Verbindung bleiben und als Vorder-, 
Mittel- und Ilinterhirnbläschen (Prosencephalon, ^fo'^fmi p]>halou. 
Rhombencephaion) bezeichnet werden. Au ihnen treten bald weitere 
Veränderungen ein, am frühzeitigsten am Vorderhimblftsehen. Seine 
seitlichen Wandungen wachsen rascher und stüljien sich nach auTseo 
zu den beiden Augenblasen bervf>r iVr^ 2*>9 au), die UiiHi »dniger 
Zeit sich von ihrem Mutterboden bis aul dünne, hohle Verbiudungs- 
stiele (Fig. 270 ati) abzuschnüren beginnen. Die Stiele bleiben, da 
die Abscbnttrung hauptsachlich von oben nach unten erfolgt ist, mit 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des äurseren Keimblattes. 



209 



tler Basis des Vorderhirubläschens in Zusammenhang. Dann fangt 
auch die vordere Wand des Bläschens an, sich nach voru auszubuchten 
und sich durch eine seitliche Furche, die von oben -hinten schräg 
nach unten - vorn verliluft, abzugrenzen (Fig. 270). Auf diese Weise 
wird das primäre Vorderhirni)läschen (Prosencephalon) noch in zwei 
weitere Abteilungen zerlegt: in die Anlagen für das Grofshirn ifjh) 
(Telencephalon, Endhim) und für das Zwischenhirn izh) (Diencephalon, 
Thalamencephalon), mit dessen Basis die beiden Sehnerven verbunden 
bleiben. 

Die Grolshirnanlage beginnt bald durch ein sehr rasches Wachs- 
tum alle übrigen Teile des Gehirns an Gröfse zu überflügeln. Dabei 
wird es noch in eine linke und eine rechte Hälfte zerlegt. Es wächst 
nämlich von dem das Nervenrohr einhüllenden Bindegewebe ein Fort- 
satz : die spätere grofse Hirnsichel (Falx cerebri), in der Medianel)ene 




hirn und Nachhini, au Augenblase, gf) (ichurbläschen, 
Fig. 269. tr Trichter (Infundibulum), rf Hautenfeld, nb Nacken- 

beuge, l'b Kopfbeuge. 



Fig. 269. Kopf eines 68 Stunden hindurch bebrüteten Hühnchens in 
der Rückenlage bei durchfallendem Licht. 40fach vergröfsert. Nacb Mi- 

UALKOVIC8. 

X Vordere Wand des |)riniären Vorderhirnbläschens, welche sich später zum 
(irofshirn ausstülpt, prh primäres Vorderhirnbläschen, au Äugenblase, mh Mittel- 
hirnbläschen, kh Kleinhirnanlage, nh Nachhiru, h llerz, ro Vena omphalo-mes- 
enterica, rm RQckenmark, »<» Ürsegment. 

von vorn und oben der Grofshirnanlage entgegen und stülpt ihre obere 
Wand nach abwärts tief ein. Die beiden so entstandenen, an der 
Basis verbundenen Hälften ( Fig. 273 äws) , welche eine mehr flache 
mediane und eine konvexe äufsere Fläche zeigen, hcifsen die beiden 
H em is phä ren bl äsch en . da sie die (irundlage für die beiden 
Grorshirnhemisphären abgeben. Am dritten llirnblilschen , welches 
auf frühen Embryonalstadien den längsten Abschnitt des ganzen 
Himrohrs darstellt und. allmählich sich verjüngend, in das Rücken- 
niarksrohr übergeht, erfährt die obere Wand in grofser Ausdehnung 
eine erhebliche Verdünnung (Fig. 27o ;•/') mit Ausnahme eines kleinen 
Bezirks (kh) unmittelbar hinter der Einschnürung, durch welche es 



270 



Elftes Kapitel. 



vom Mittelhirubläschen (Mesencephalon) (mh) abgegrenzt wird. Da- 
durch ist es möglich, auch hier schon die Anlagen für zwei 
später scharf gesonderte Himabschnitte zu unterscheiden: 1) die An- 
lage für das Kleinhirn (Metencephalon . Hinterhirn) (Fig. 27o ^ä), 
und 2) die Anlage ftlr das verlängerte Mark (Myelencephalou, Nach- 
hirn) m/j. 

Über die Sonderungen des embryonalen Hirnrohrs der Wirbel- 
tiere in drei und darauf in fünf Abschnitte hat Kupffer im Hand- 
buch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre zwei 
lehrreiche Schemata gegeben (Fig. 271 u. 272), an welchen man sich 

über die oben be- 

MS:^ -I^:^^! sprochenen Verhält- 
nisse sowie über die 
gleich zu beschrei- 
benden K rümmungeD 
des Hirnrohrs noch 
weiter unterrichten 
möge. 

Die einzelnen 
durch Einschnürung 
und Ausstülpung so- 
wie durch ungleiche 
Verdickung der Wan- 
dungen hervorge- 
rufenen Abschnitte 
des Hirnrohrs setzen 
sich in der Folgezeit 
noch scharfer von- 
einander ab, indem 
sie ihre Lage ver- 
ändern. Anfangs lagern die durch die ersten Einschnürungen ent- 
standenen drei HirnblRschen in einer geraden Linie hintereinander 
(Fig. 128) über der Chorda dorsalis, welche aber nur bis zum vorderen 
Ende des Mittelhirnbläschens reicht, wo sie zugespitzt aufhört. Aber 




Fig. 271. Schema von der Dreigliederung des 
Nervenrohrs. Nach Kupkkkr. 

J'. Proaencephalon, M. Mesencephalon, R. Rhomben- 
cephalon, pn. rrocessus ueuroporicus , lt. Laniina ter- 
minalis, ro. Recessiis opticus, ./. Infiindibulum, tp. Tuher- 
culuiii posterius, jir. l'lica encephali ventralis, ]»r Plica 
rhumbu-meHencephalica, Ms. Medulla spinalis, r. un- 
paare Hiechplacode. 




Fig. 272. Schema 
von dem fünf- 
gliederigen Bta. 
dium des Nerven* 

rohrs. Nach 

T.Telencephalon. 
D. Diencephalon. 
M. Mesencephalon. 
itfif. Metencephalon, 
MI. Myelencepha- 
lon, Parmphystft, 
r Epiphysis, c Ctn- 
belium , sf. Sulcus 
intraencephaliru.s 
posterior, di Com- 
missura babeoula- 
ris, cj> Comraissiira 



ri8, cj> iyomraissiira 

fOBterior, er. (.'ommissura cerebellaris, aa. Grenze zwischen Telencephalon und 
>ienc<;i»hal«»n, »/</. (irenze zwischen Dioncephalon und Mesencephalon, ff. Grenze 



zwischen .Mesencephalon und Metencephalon. 
in Fig. 271. 



Die übrigen Bezeichnungen wie 



Die Orgaoe des iulkereii Keimblattes. 



271 



schou vou dem Augenblick au, wu sich die Augenblaseu abzuschnüren 
beginnoD, verstellen sie sich in der Weise, dafe die sie Terbindende 
Längsachse starke, charakteristische Krümmungen erfährt, welche als 
Kopf-, Brücken- und Nacken beuge unterschieden werden 
(Fig. 270 kb, nb, Fig. 272). Die Ursache für die Entstehung der 
Krümmungen, die far die Himanatomie gleichfalls von grundlegender 
Bedeutung sind, ist wohl in erster Linie in einem stärkeren Längen- 
wachstum zu sutMien, durch welches sich das Hirnrohr namentlich in 
seiner dorsalen Wand vor den umgebenden Teilen auszeichnet. Wie 
Hi8 dureh Messungen festgestellt hat, nimmt die Gehiraanlaffs um 
mehr als das Doppelte an Länge zu, während das Rflekenmark sich 
nur um den sechsten Teil seiner Länge vergröfsert. 

Die Kopfbeuge (Fig. 270 A/>, Fig. 271, 272) entwickelt sich 
am frühzeitigsten. Der Vorderhiruboden senkt sich ein wenig nach 
abwärts, um das voiilere Ende der Chorda dorsalis (Fig. 177 ch) 
herum und bildet zuerst einen rechten, später sogar einen spitxen 




Fiir. 273. Fig. 274. 

Fig. 27:i. Qetairxi eines sieben Woohan alten mainaebliohen JBmbcTO, 

vom Scheitel betrachtet. Nach Mihalkuvios. 

mKp Mantelsnalte. in deren (irmnl man die cnihryonale Schlufsplatte siebt, 
Anw linke Itemisphare, sh Zwischenhirn, mit Mittflliini, hh Hintrr iina Niuhliirit. 

Fig. 274. Qehirn einea 16 nun langen Kanineben -£!mbryo in der 
Unken Beitet^alotat Sie iullBere Wand des linken OrofUdnunantela ist 
entfiernt. Nach Miualkovics. 

$H Sehnerv, ML Moimogches i^och, agf Adergetlechtsialte, am/; Ammoaäialte, 
jih Zwischenhim, mh Mittelhim (ScheitelbeageX Im Kleinhirn. Dp Deckplatte des 
vierten VentrUids, M BrOckenbenge, mo Medolla oblongata. 

Winkel ( I'ig. 270 u. 28:{) mit dem dahinter gelegenen Teil der Hirn- 
hasis. Infolgedessen kommt jetzt das Mittelhirnbläschen (Fig. 270 mh, 
272 M u. 274 mh) am höchsten zu liegen und bildet den an der Ober- 
fläche des Embryo weit hervorragenden Seheitelhöeker (Fig. l^^l s;). 
Weniger bedeutend ist die N a c k e n he uge . welche sich an der 
Grenze zwischen Nackiiirn und Kuckeumark einstellt (Vig. 270 nb). 
Sie ruft auch eine nach auflwn hervortretende Krümmung, den soge- 
nannten Nackenhöcker, bei den Embryonen der höheren Wirbeltiere 
hervor (Fig. 1<»I). Sehr hochgradig ist wieder die dritte Krümmung, 
welche vou Küllikeh als die Brucken beuge (Fig. 274 66) be- 
zeidmet worden ist, weil sie in der Gegend der spftteren Varolsbrttclse 
entsteht Sie unterscheidet sich auch von den beiden zuerst be- 
schriebenen Krümmungen dadurch, dafs ihre Konvexität nicht nach 
dem Kuckeu des Embryo, sondern nach der veutraleu Seite zu ge- 
richtet ist. Sie hüdet sieh swisdien dem Boden der Kleinhiroaolai^ 
und des verlängerten Marks aus und stellt einen ventralwftrts weit 



Digitlzed by Google 



272 



Elftes KapiteL 



hervorragenden Wulst dar, an welehem sich spater die queren Fasern 

der VarolsbriV-k«' anlofren. 

Die Gröltoi' der Krümmungen ist bei den verschiedenen Klassen 
der Wirbeltiere eine sehr verschiedene. So ist die Kopfbeuge bei 
niederen Wirbeltieren (Fischen, Amphibien) sehr wenig ausgesprochen, 
viel stärker dafroizrn lioi den Rojjtilien, Vögeln und Säugetieren; 
namentlich aber sind lieiiii Menschen, welcher das voluminöseste Ge- 
hirn liesitzt, alle Krümmungen in sehr hohem Grade ausgeprägt. 

Die drei Hiiiiblasen geben die Grundlage fQr eine naturgemftfte 
Einteilunj; des rif liirns ab; denn wie das Studium der weiteren Ent- 
wirkliin^ lehrt, entstehen aus »lern Nachhirnbläschen die MeduUa ob- 
lüuguta, der Wurm, die Kleiuhu nhemisphären und die Varolsbrücke ; 
ans dem MittelhimUSscIien die Himsehenkel und Vierhttgel; aus 
dem primären Yorderhirnblrisclien endlich das Zwischenhim mit dem 
Trichter, der Zirbel, den Sehhikgelu sowie die beiden Grofshim- 
hemisph&ren. 

Die Hohlrftnme des primfiren Himrohrs werden zu den Ventrikeln 
des Gehirns. Aus dem Hohlräume des dritten Bläschens leitet sieh 
der vierte Ventrikel nd* i die I^autengrube ab, aus dem Hohlräume 
des Mittelhirnbläscheus der Aquaeductus Sjlvii, aus dem Hohl- 
räume des VorderhimblftscheDS der dritte Ventrikel und die beiden 
Seitenventrikel, die auch als etster und zweiter Ventrikel bezeichnet 
werden. 

Bei allen Umwandlungen de» Hirnrohrs greifen histolugisehe und 
morphologische Sonderungen auf das mannigfaltigste ineinander. In 
histologischer Hinsicht ist zu erwähnen, dafs ursprQnglieh die 
Wände der Bläschen in ^^leicher Weise wie das MeduUarrohr aus 
dicht fjedränjrteii. spindeltdrinifren Zellen bestehen, die sich nach und 
nach in zwei Riciituiigeu differenzieren. An einigen Stellen behalten 
die Zellen ihren epithelialen Charakter bei und liefern: 1) an 
der Decke des Zwischen- und Nachhirns den epitlielialen Überzug 
der Adergedechte . 2) das die Ventrikel <!* s Hirns auskleidende 
Ependym, 'S) foUikelartige Gebilde, wie die Zirbel (Fig. 2ÖUj. Am 
gröf^ten Teil der Wandung vermehren sieh die Zellen in anflser* 
ordentlichem Mafse und wandeln sich zu kleineren und gröfseien 
Lagern von Ganfrlienzellen und Nervenfasern um. Die Verteilung 
der so entstehenden grauen und weifsen Substanz zeigt an den üim- 
blasen nieht mehr das gleichförmige Verhalten wie am Rflckenmark. 
Eine Übereinstimmung gibt sich nur darin kund, dafs sich in jedem 
Himteil frraup Kerne finden, die, wie die vorderen und die liinteren 
grauen KUckenmarkssäulenf von einem Mantel weiiser Substanz um- 
hallt werden. Dazu gesellen sich an den zwei zur grOfeten ^t« 
faltung gdangten Gehinteilen graue, ganglienzellenhaltige Schichten, 
die einen Überzug, die graue Kinde des Grofs- und Klf inhirn«. 
liefern. Hierdurch wird an einzelnen Hirnparlien die weilse Sub- 
stanz zum Markkern, die graue zur Rinde, ein Verhältnis, in welchem 
sich dem Aufbau des Rückenmarks gegenüber ein wichtiger Unter- 
schied ausspricht. 

l)it' morpb ol og i sehe So n d e 111 II fr des Gehirns beruht 
auf dem sehr ungleichen Wachstum sowohl der ein- 
zelnen drei Blasen als auch verschiedener Strecken 
ili I f t Wand ung: z. B. bleiben hinter der (übermächtigen Entfultuii? 
der hemisphärenbläscheo , die zum Grofshirn werden, die Übrigeu 




Die Organe des äufseren Keimblattes. 



273 



Abschnitte weit zurück und uiachen im Vergleich zu iliueii nur einen 
kleinen Bruchteil der gesamten Hirnmasse aus (Fig. 27ö u. 277). Sie 
werden als Hirnstamn» zusi\nimeng«'fafst , im (Jegensatz zu den 
Hemisphärenbläschen, die, ins Grofshirn sich umbildend, gleichsam 
einen Mantel liefern, welcher die anderen Bläschen von ol)en und von 
der Seite ganz bedeckt und nur die Hirnbasis freiläfst. 

Das ungleiche W a c h s t u n) der H i r n w a n d u n g e n äufsert 
sich ferner in dem Auftreten verdickter und verdünnter Stellen, in 
der Ausbildung besonderer Nervenstränge (Pedunculi cerebri, cere- 
belli etc.), in der Ausbildung gröfserer und kleinerer Lager von 
Ganglienzellen (Thalamus opticus. Corpus striatum). Hierbei zeigt 
sich auch das im fünften Kapitel ausführlich besprochene Prinzip 
der Fal ten bi 1 d u n g in eigenartigerweise durchgeführt, und zwar 
an den GroCshirn- und Kleinhirnheniisphären mit Einschluls des Wurms, 
also an den beiden Hirnteilen, die an ihrer Oberfläche mit grauer 
Rinde überzogen sind. Wie man aus einer grofsen Reihe von Kr- 
scheinungen schliefst, hängt die Leistungsfähigkeit des Grofs- und 
Kleinhirns mit der Aus- 
dehnung der grauen i i 
Rinde und der in ihr 

regelmäfsig angeord- »c)m.l 
neten (ianglienzellen / 

zusammen. Hieraus er- # _ \ 

klärt sich die sehr l)e- ä^^^^ \ 

deutende ül>ertlächen- .Sy.rj \^ ß^r \ 

vergröfserung, welche r«— — jr W 

am Grofs- und Klein- «<^'«'/ ^^.^ - ^ 

him des Menschen durch 
verschiedenartige Fal- 
tenbilduug herbeige- 
führt wird. Am Grofs- 
hirn erheben sich vom 
Marklager der Hemi- 
sphären (Centrum se- 
miovale) breite Leisten 
(Gyri), welche, in mä- 
. a n d r i s c h e n Win- 
dungen verlaufend, 
das charakteristische Relief der Obertlftche erzeugen (Fig. 280). Am 
Kleinhirn sind die zahlreichen, vom Markkern ausgehenden Leisten 
schmal, parallel zueinander angeordnet und mit kleineren 
Nebenleisten zweiter und dritter Ordnung besetzt, so dafs ihr 
Querschnitt baumförmige Figuren ergibt (Arbor vitae). 

Wenn wir nach diesen Vorbemerkungen die Umbildungen der 
drei Bläschen in das Auge fassen, so wollen wir an jeden», wie es 
MiHALKOvics in seiner Monographie der Gehirnentwickluug durch- 
geführt hat, vier Abschnitte als Boden, Decke und Seitenteile 
unterscheiden und mit dem letzten Bläschen beginnen, da es sich in 
seinem Bau am meisten an das Rückenmark anschliefst. Behufs 
genauerer Abgrenzungen kann man noch aufserdem an den Seiten- 
wandungen in derselben W'eise wie am Rückenmark eine dorsale und 
eine ventrale Längszone (His, S. Minot) unterscheiden. 

O. il«rtwig, Die Elemente «Ivr Kntwicklungslehrv. .'. Aufl. 18 




Fig. 275. Seitliche Ansicht vom Oehirn 
eines menschlichen Embryo aus der ersten 
Hälfte des fünften Monats. NatUrl. (irurse. Nach 

MlHALKOVIC». 

sü Stirnlappeu, svhei.l SclieilJ'llaitnen, h\ Ilinter- 
liauptslappen. »vh\.\ Schlat'cnlanpen, cy.g SYLvisclie 
(Jrulie, r»j Hiechnerv, Uh Kli'innirn. Itr Brücke, m»h 
McduUa oblongata. 



274 



Elftes Kapitel. 



1. Umwandlung des priniiTenHinterhirnblia(diena(Bhombencephalon). 

D:is Hint erhirnMäsclieii zeij-'t am Anfang' seiner FntwickluDg 
(beim Iliihnclioii am zwcitfii und dritten Taue) sehr regelmalsige und 
reciit charakteristische Einialtungeü seiner Seiteuwandungeu uud wird 
durch sie vorQbergehend in mehrere kleiDera. hintereinander gelegene 
AbteiluDgen geschieden, in welchen manche Forscher eine Segmen- 
tierung des Hirnrohrs erblicken, die zum Austritt gewisser 

Hiruuerveu in Be/ichuug stehe und für 
die Frage nach der Segmentierung des 
gesamten Kopfabschnittes wichtig sei. Auf- 
ifallond ist allerdings die grofse Regel- 
mälsigkeit, mit welcher solche Falten, wie 
es scheint, auf einer bestimmten Periode 
der Himentwicklung in allen Klassen der 
Wirbeltiere gebildet werden. Schön au'i- 
geprilgt sind sie in Fig. 270, einem Frontal- 
schnitt durch das Hinterhirnbläschen von 
einem HOhnercmbryo. über auch eines sehr 
jungen menschlichen Kinl)ryo (Fig. 30(5) zu 
sehen. Die nach dem vierten Ventrikel 
gekehrte innere Kontur der Hirnwand 
zeigt ffinf Ausbuchtungen, die kleine Ab- 

C'\ JL \ schnitte einer Kreislinie darstellen und 

1 ' »ü^^l durch scharf vorspringende Kämme (A- 
fi V Mt\~Jr'^^' g^S^neinander abgesetzt sind. Der /.wischt'U 
(i J W V>/ Kämmen gelegene Abschnitt der Hirn- 

wand wird jetzt gewöhnlich mit einem 
von Orh eingeführten Namen als Neu- 
romer Itezeichnet. 

An der äufteren Oberflftche sind die 
Neuromeren nur wenig gegeneinander 
abgegrenzt durch seichte Furchen (f) in 
der Gegend, wo sich uach innen die Kämme 
erheben. Auch in der Himwand selbst 
macht sich eine Abgrenzung bemerkbar 
in der Form von feinen, hellen Linien, 
die, von den äufseren Furchen ausgebend, 
sich oft bis in die Nfthe der inneren 
Kanten verfolgen lassen und wohl dadurch 
hervorgerufen sind, dafs hivv die ovalen, 
dicht gedrängten und überhaupt in jedem 
Segment regelmäfsig angeordneten Kerne 
fehlen. Die Segmentierung (Neuromerie) 
ist auf die Seitenwandunffen beschrAnkt. 
an der Decke und dem linden fehlt sie. 

Aus dem primären Hinterhirnbläscheo 
sondern sich im Laufe der Entwicklung 
das v e r 1 n n g e r t e M a r k und das Klein* 
hirn mit der Brücke. 

Das verlängerte Mark (Myelencephalon) (Fig. 272 3//) entwickelt 
sich aus dem hinteren, längereu Al)schuitt des Hiuterhirnbläscheu«.. 
Frtthzeitig treten hier Boden und Seitenwandungen in einen Gegen- 




Fig 

durch 



276. FrontalBohnitt 

den hinteren Teil 
des Uirnrohrs eines jungen 
Hühner-Embryo. 

mh Ilohlraiim di-s MitteU 
hiinblasrlu'iis . Iili vordertT 
engerer Abschniit diT Höhlung 
deB UinterhirnbUiichens, das 
in seinem dahinter gelefrenen 
wcitoren Absrlmitf die Nciiro- 
nierie /eij;!, /. Kaiitr, iliinli 
welche ein Neuronier vom an- 
dern an der innem Obertlache 
abgeirrenzt wfrd, f Grenzfnrche 
der Noiironici-cii an der An^cii- 
flätbe und davon ausgebende 
helle Linie, hh llörbruscben. 
bl Blutgefafse, c Übergang des 
▼ierten Ventrikels in den ( Vn- 
tralkanal des Rückenmarks. 



Digitized by Googl 



I)ie Or);aiiL' des äufaeren Ki'iiiiblatte>. 



275 



satz zur Decke (Fij;. 277 u. 278), denn sie verHicken sich l>etrÄcht- 
lich durch Anhilduiig von NervensubsUinz und sondern sich (heim 
Menschen im dritten his sechsten Monat) jederseits in Hufserlich 
erkennbare, weil durch Furchen geschiedene Stränge, welche mit 
gewissen Modifikationen die Fortsetzung der bekannten drei Stränge 
des Rückenmarks sind. Die Decke des Bläschens i Fig. 27«» rf u. 27'.» Dp) 
erzeugt dagegen keine Nervensubstanz, behält ihre epitlieliale Struktur 
bei. verdünnt sich noch mehr und stellt beim Erwachsenen eine ein- 
fache Lage ])latter Zellen dar. Diese bildet den einfachen Verschlufs 
des von ol>en nach unten plattgedrückten Hohlraums des Nachhiru- 
bläschens , des vierten Ventrikels oder der Uautrngrube. Sie legt 
sich an die untere Fläche der weichen Hirnhaut fest an und erzeugt 
mit ihr das hintere Adergeflecht (Tela chorioidea inferior). Der 
Name Adergetlecht ist gewählt worden, weil die weiche Hirnhaut in 
dieser (iegend sehr blutgefäfsreich wird und mit zwei IJeihen ver- 
ästelter Zotten in den Hohl- 
raun» des Nachhirnbläschens 
hint'inwuchert , innner die 
dünne Kpitheldecke vor sich 
hertreibend und einfaltend. 
Seitlich geht die Deckplatte 
oder das Epithel des Ader- 
getlechts in die zu Nerven- 
massen umgewandelten Teile 
der Hirubläschen über. Der 
Übergang wird durch dünne 
Lamellen weifser Nerven- 
substanz vermittelt, welche 
den Kand der Rautengrube 
als Obex , Taeaia , hinteres 
Marksegel und Flockenstiel 
umsäumen. Wenn man mit 
der weichen Hirnhaut auch 
das hintere Adergetlecht von 
»lern verlängerten Mark ab- 
zieht, so wird natürlich die 
daran haftende Epitheldecke 
des vierten Ventrikels mit 
entfernt . und es entsteht 

der hintere Hirnschlitz 
illterer Autoren, durch wel- 
chen man in das Hohlraumsvsteni 




Fig. 277. Qehim eines menschlichen 
Embryo auB der ersten Hälfte des fünften 
Monats in der Medianebene halbiert. An- 
sicht der rechten Innenhültte. N'atUrl. Urof'^e. 

Nach MiHALKOVICS. 

rn Riechnerv, tr Trichter des Zwisthcn- 
hirns, cmn Commissura anterior. 3fL Mokxo- 
sches Loch, /Vx Komix, (iewulbe, spt Septnm 
pellucidum, durchsichtige Scheidewand, bal 
Kalken (('orpus callosunii, welcher nach ah- 
wikrts am lialkenknie in die embryonale Schlufs- 
platte Ubergeht, cm<i Sulcus calloso-niarginalis, 
fn Kissura occipitalis, zir Zwickel (Cnnens). 
/■(• Kissura calcarina. z Zirbel, i'h Vierhiigel. 
A7i Kleinhirn. 



von Hirn und Rückenmark ein- 



dringen kann. 

Das Kleinhirn (Metencephalon) sondert sich aus dem kleineren 
vordersten Abschnitt des Hinterhirnbläschens (Fig. 27«» kh, 272 Mt). 
Es erfahren hier die Seitenwandungen eine ganz aulserordentliche 
Verdickung ; dabei rücken sie dorsal und ventral dicht zusammen und 
verdrängen die Boden- und die Deckplatte vollständig. Sie liefern 
so einen aus Nervenelementen gebildeten dicken Substanzring, welcher 
einen kleinen Hohlraum umschliefst. der zum vorderen Teil der Rauten- 
grube wird (Fig. 278, 27i>). Das Kleinhirn entwickelt sich denmach 
(Schaper) aus einer bilateral symmetrischen Anlage. Der Boden des 
Sul>8tanzringes liefert die Brücke (Fig. 27t» deren Querfaserung 

18* 



276 



Elftes Kapitel 



im vierten Monat deutlich wird. Namentlich aber wuchert 
die obere Hälfte desBlnges in ganz aurserordentliehem 
Mafse und verleiht dem Kleinhirn sein eigenartiges 

Geprflge. Zuerst stellt sie einen dicken, q u c r frei a j;er t en 
Wulst dar (Fifi. 278, 27i» A7<), der nach hinten die verdünnte Decke 
des verlängerten Marks Uberragt. Im dritten Monat erhält der mitt- 
lere Teil des Wulstes durch Einsenkuog der Gefftfohaut vier tiefe 
Querfurchen (Fig. 27 R) und setzt sich so als Wurm gegen die noch 
glatt erscheinenden Seitenteile (A7/) ab. Diese eilen von jetzt ab im 
Wachstum dem Mittelteil voraus, wölben sicli als zwei iialbkugelu 
ZU beiden Seiten hervor und werden, indem sie vom vierten Monat 
an Querfurchen erhalten, zu den voluminösen KleinhirnhemisphAren. 
Wo Wurm und Hemisphären in die Deckenteile des verlängerten 
Marks und des Mittelhirnbläschens übergehen, wird nur wenig Merven- 
sttbstanz ausgebildet, und so entstehen dOnne Markblftttchen, welche 




I'ip. 2Tf^. Gehirn eines menschlichon Embryo aus der zweiten Hälfte 
des dritten Monats, von hinten betrachtet. Natürl. Grörsc. Nach Miualkuvics. 

msp Mantelspalte. vh Vierhüfjel. vma Velum medulläre anterius. kh Kleio- 
himhcmispbärt'i), r* vierter Veiitrikrl (Hantenprubel, mo Medulla ohlongatn. 

Fig. 279. Qehlrn eines 5 om langen Hinda-Srnbryo in seitUoher An* 
■tobt. Die seitliclie Wand des Hemisphftrenmantels ist abgetragen. Yei^rAfse- 

ning •/*. Nach Miiialkovk » 

ext Strcifenhugel , ML MoKRosches Loch, agf Adergetlechtsfalte (I'lexii« 
chorioideus lateralis), amf Ammonsfalte, kh Kleinhirn, ])p Deckplatte des vierten 
Ventrikels, 6fr Brfickenbeuge, mo Medulla oblongata, mh MitteUiirn (Scheitelbeuge). 

einerseits zum hmteren Adergeflecht, andererseits zur Vierhfigelplatte 
den r!)ergang vermitteln, das hintere und das vordere 
Marksegel. 

2. Umwandlung des Mittelhirnbläschens (Mesenoephalon). 

Das M i 1 1 e 1 b i r n b 1 ä s c h e n (Fig. 27 1 , 212 M, 27u tuh, 27;> uih, 
277, 278 vh) ist der konservativste Abschnitt des embryo- 
nalen Nervenrohrs, der sich am wenigsten verändert; es lAfst 
beim MtMisrhen nur einen kleinen Hirnteil aus sieb bervnrgeben. 
Seine Waiidungen verdicken sich ziemlich gleichmäfsig um den Hohl- 
raum, der eng und zur Syl vischen Wasserleitung wird. Der 
Boden mit der unteren Hftlfte der Seitenwandung (Grundplatte von 
Bis) liefert die Hirnstiele und die Substantia perforata posterior. 
Die Def'ki>latte nebst der oberen Hälfte der Seitenwandnngen (Flütrel- 
platte von Hhs) (Fig. 278 t"A) wird zu den Vierbügeln; im dritten 
Monat erscheint eine Medianfurche und im fQnften eine sie recht- 



i 



Digitized by Google 



Die Organe des äuberen KeimblAttes. 



277 



winklig kreuzende Querfurehe. — Wahrend am Beginn der Ent- 
wieklung das Nfittelhirublftscheu (Fig. 27«) u. 279 mh) infolge der 

Krüminuiifren des Nervt'iirohrs die lioclistc Stelle einniniint und am 
Kopt den Sclieitelliöcker (Fig. 181 hervorruft, wird es spsiter 
von oben her von den anderen voluminöser werdenden Hirnteileu, 
wie Kleinhirn und Grorshim, überwachsen und in die Tiefe an die 
Basis des Gehirns gedrängt. (Vg]. Fig. 270 mh mit Fig. 277 vk,) 

8. Umwandlung des primären Vorderhirnbläsobena (ProMHoaphalon ). 

Infolge von Metiimorphosen . dit* sclion früh einsetzen und auf 
S. 2<is bereits ihre Darstellung gefunden haben, sondert sich das 
priinilre Vorderhimbläsehen in die JLugenblasen, deren Entwicklung 
in einem l)esonderen Abschnitt spAter verfolgt werden wird, und in 
die Anlagen für das Zwischenhirn und das Grofshirn. 

Diis Zwisfhenhirn (Dipncephalon) (Fig. 272 D) entwickelt sich 
aus dem Abschnitt des Vorderhirnbläschens, aus dessen Seiteu- 
wandungen sich die Augenblasen ausgestolpt haben. Wie das Mittel- 
hirnbläschen wird es nur zu einem verhältnismftteig kleinen Himteil, 
geht aller eine l^ ihe interessanter Vcründeningen ein, da zwei An- 
hänge von rätselhafter Bedeutung, die Zirbeldrtlse oder Kpiphyse und 
die Hypophyse, an ihm znr Entwicklung kommen. (Wegen der 
l'araphvse vergleiche man Hertwigs Lehrbuch d. Entwicklungsgesch., 
VII. Aull. S. 4<i7.) 

Am Zwischenhirn wird ebenfalls eine beträchtliche Menge von 
Kervensubstanz nur an den Seitenwandungen gebildet, die sich dadurch 
zu den Sehhngeln mit ihren Ganglienlagern verdicken. Zwischen 
ihnen erliält -^i Ii der Hohlraum dos Bläschens als enjie , senkrechte 
Spalte, bf kniint als dritter Ventrikel, er ist mit der Rauteu- 
grube durcii die Sylvische Wasserleitung verbunden. Der Bodenteil 
bleibt dann und wird frQhzeitig nach unten ausgestülpt ; er gewinnt 
so die Form eines kurzen Trichters (Infundihuluni) (V\ii. 272 J, 27ü 
u 277 ^r), mit dessen Spitze sich die gleich näher zu beschreibende 
Hypophyse verbindet. 

Die Decke zeigt in ihrer Umbildung (Fig. 277) mit dem..ent* 
sprechenden Teile des Hinterhirnbläschens eine auffiUlige Über- 
einstimmung. Sie erhält sich als eine einfache, dünne FipithclsrdHcht. 
verbindet sich mit der gefäfsreicheu , weichen Hirnbaut, die wieder 
zottenförmige Wucherungen mit Gefftrsschlingen in den dritten Ven- 
trikel hineinsendet, und stellt mit ihr zusammen das vordere 
A de r f 1 ec h t (Tela chnrioidea an terinr oder superior) 
dar. Wenn man beim Abziehen der weichen Hirnhaut auch das 
Adergeflecht entfernt, wird der dritte Ventrikel eröffnet; es entsteht 
der vordere grofsc Hirnschlitz, durch welchen man, wie durch 
die gleichnamige Bildung «am verlängerten Mark, in die Hohlrilume 
des Gehirns eindringen kann. Die Übereinstimmung mit dem ver- 
laiigeiteu Mark spricht sich noch in einem weitereu Punkte aus. 
Wie an diesem sich die Ränder der Deckplatte zu dünnen Mark' 
streifen entwickeln, durch deren Vcrniittlinifi der Ansatz an der 
Seite der Hauteugrube erfolgt, so befestigt sich auch hier das K|iithel 
des Adergetiechts auf der überdache der Sehhügel vermittelst dünner, 
«OB marknaltigen Nervenfasern bestehender Streifen (Taeniae thalami 
optid). 



Digitized by Google 



278 



lülftes Kapitel. 



Aus dem hinteraten Teil der Deckplatte des ZwiHehenhirn* 

bläschens uimint endlich sehr frQhzeitig, heim Menschen im Laufe des 
zweiten Monats, die Zirbeldrüse (Glandula pinealis s. Conarium) 
ihren Ursprung, ein eigentümliches Gebilde, das bei keinem Wirbel- 
tiere, den Amphioxns lanceolatus ausgenomnien, vermifst wird; am 
Übergang in die Decke des Mittelhirns (Lamina (luadripemina) ent- 
steht eine Ausstülpung (Fig. 272 277 r). welche die Form eines 
Handscbuhhngers besitzt, der Trocessus pinealis oder Zirbelfort- 
satz, dessen Spitze anÄlnglich nach voru, spllter nach hinten ge- 
richtet ist. In seinen weiteren Umbildungen zeigen sich, soweit 
unsere heutigen Kenntnisse reiciieu. nicht unerhebliche Verschieden- 
heiten. Bei den N ögeln und Säugetieren geht der Zirhel- 
fortsatz Umwandlungen ein. welche ein Organ von drüsiger, 
folliknlilrer Struktur entstehen lassen. Bei den Vögeln treibt 
er an seiner OberHiiclie in einem bestimmten Stadium in das um- 
gebende, mit HlutgefiUsen reich verseliene Bindegewebe mehrere 
EpithelsträDge hinein, die sich weiter durch Sprossung vermehrt n 
und schliefslich in zahlreiche, kleine Follikel zerfallen (Flg. 28u f ). 

Diese bestehen aus mehreren Lagen 
von Zellen, zu äuCserst aus kleinen, 
rundlichen, zu inuerst aus cyliu- 
driscben, flimmernden Zellen. Der 
Anfangsteil des Zirbelfortsatzes wird 
von der follikulären Umbildung 
nicht mit l)etroö'eu und erbfilt sich 
als eine trichterförmige Aussackung 
an der Decke des Zwischenhirns; 
mit seinem oberen Ende sind die 
einzelnen, vom Mutterbodeu abge- 
schnürten , foUiktttiren Bläschen 
durch Bindegewebe verbunden. Bei 
den Saugetieren findet die Kiit- 
wicklung in ähnlicher Wei>e wie 
beim HOhnchen statt; es entstehen 
auch Follikel, die zuerst eine kleine 
Höhlung einschliefsen. spitter aber solid werden. Sie sind dann ganz 
von kugeligen Zellen ausgefüllt, welche eine gewisse Ähnlichkeit mit 
Lympbkörperchen besitzen. Beim Erwachsenen kommt es im luueru 
der einzelnen Follikel zur Abscheidung von Konkrementen, dem Hirn- 
sand (Acervulus cerebri). 

Zu einem aulVernnlentlicli merkwürdigen Orgiin hat sich der 
Processus pinealis bei mehreren Arten von lieptilieu entwickelt; schon 
bei seiner ersten Anlage ist er zu einem Sciilaueh von bedeutender 
Länge (Fig. 281). ausgewachsen , welcher durch eine im Scheitelbein 
(srlif>) gelegene Öffnung, dem Foramen parietale, durch die Schädel- 
decke nach aul'seu tritt und sich mit seinem blasenartig erweiterten 
Ende (hl) weitab vom Zwischenhim unter die Epidermis einbettet. 
Hier Iftfst sich seine Lage am Kopf des lebenden Tieres leicht daran 
erkennen, dafs die Hornschup] en (./) <>ine Isesondere P'orm zeigen und 
vor allen Inn gen pigmentfrei und durchsichtig sind. — Bei den 
meisten Reptilien bleibt die Zirbel ein kleines, von flimmernden 
Cylinderzellen ausgekleidetes Bläschen, das durcii einen langen, hohleu 
Stiel mit der Decke des Zwischenhirns verbunden ist; in andei-en 



Digitized by Google 




f 

b 



Fig. 280. Schnitt durch dia 
Zirbel des Truthahns. ISOiiMh Ter> 
gröfsert. Nach Mihalkovics. 

f Follikel der Zirbel mit ihren 
Hoiilungrn, 6 Bindegewebe mit Blut- 
gefu&eu. 



Die Orguiie des äu&eren Keimblattes. 



279 



Fällen aber, bei Hatteria, Monitor, bei der Hlindschlt^iche und tler 
Eidechse, geht dir hlasenartiße Eiidteil der Zirbel «ine auffallende 
Umbildunfz; ein. durch welche er mit dem Au^e mancher wirbellosen 
Tiere eine gewisse Ähnlichkeit erhält. Ik'i Hatteria (Fig. 2S2) z. Ii. 
ist derjenige Abschnitt der Blasenwand, welcher der Körperohertläche 
am nächsten liegt, zu einem linsenartigen Körper (/). der gegentlber 
betindliche, in den faserigen Strang {st) tibergehende W'andteil dagegen 
zu einer retinaähnlichen Bildung {> ) umgestaltet worden. Die Linse 
(/) ist dadurch entstanden, dafs sich an der vorderen Wand der Blase 
die Epithelzellen zu Cylinderzellen und einkernigen Fasern verlängert 
und dabei einen mit konvexer Fläche in di«' Höhle der Blase vor- 
springenden Hügel hervorgerufen haben. Am hinteren Abschnitt 



Fig Sohe- 

matiscber 
Längsschnitt 
durch das Ge- 
hirn von Cha- 
maeleo vulgaris 
mit der Zirbel, 
die In drei Ab- 
schnitte . einen 
blasenartigen, 
strangartigen 
und schlauch- 
artigen, geson- 
dert ist. Nach 

HaLDWIM SrKKCKR. 

»chb Scheitel- 
liein mit dem Ko- 
lamen parietale, 
/' Pigment der 
Haut, strang- 
artiger, mittlerer 
Abschnitt der Zir- 
bel, hl blasenarti- 
ger Endabsrhnitt 
der Zirbel, j* 
durchsichtige 
Stelle der Haut, 
ftrh Gro&birn, sh 

Sehhflgel, r' dritter Ventrikel, der sich naeh oben in den schlauchartigon 
teil {A) der Zirbel fortsetzt. 





ah 



grh 
\nfangs- 



sind die Epithelzellen in verschiedene Schichten gesondert, von denen 
sich die innerste durch reichlichen Gehalt an IMgment auszeichnet. 
Zwischen die pigm»^ntieit€n Zellen sind andere eingebettet, die sich 
den Stäbchen der Sehzellen des paarigen Auges bei Wirbeltieren ver- 
gleichen lassen und nach abwärts mit Nervenfasern in Zusammen- 
hang zu stehen scheinen. 

Viele Forscher sind der Ansicht, dal's wir die Zirl)el in 
diesen Fällen als ein unpaares Parietalauge bezeichnen 
müssen. Denn dal's das Organ für die Wahrnehmung von Licht 
eingerichtet ist, erscheint nicht unwahrscheinlich, wenn man in Be- 
tracht zieht, dafs an der Stelle des Schädels, wo das Foramen 
parietale liegt, infolge der Durchsichtigkeit der Hornschüppchen 
Lichtstrahlen durch die Haut hindurchzudringen vermögen. Auch 
spricht hierfür die Anwesenheit des linsenförmigen Körpers und des 



280 



Elftes Kapitel. 



Pigments. Ob aber das Organ zum Sehen dient, oder nur dazu. 
WiUmceindrücke zu vermitteln, ob es also mehr ein Wärmeorgan 
als ein Auge ist, mufs augenblicklich wohl dahingestellt bleiben. 
Noch mehr aber ist es eine offene Frage, ob das Wärmeorgan eine 
Bildung ist , die sich als eine besondere Einrichtung nur an dem 
Zirljelfortsatz einiger Reptilien, wie z. B. das Hörbläsehen am Schwanz 
von Mysis, einer Crustacee, entwickelt hat, oder ob es eine ursprüng- 
lich allen Wirbeltieren gemeinsame Einrichtung darstellt. In diesem 
Falle müfsten weit verbreitete Hückbildungsprozesse angenommen 

werden. Denn bis jetzt ist 
in den höheren Wirl>el- 
tierklassen etwas Ähn- 
liches, wie bei den Rej»- 
tilien, nicht aufgefunden 
worden. 

Ein ebenso merk- 
würdiges Organ, wie die 
Zirbel an der Decke 
des Zwischenhirns, ist 
der Hirnanhang oder 
die Hypophysis, wel- 
che mit dem Boden des 
Zwischenhirns und zwar 
mit der Spitze seines 
Trichterfortsatzes ver- 
bunden ist. Die Hypo- 
physe hat einen doppel- 
ten Ursprung , welcher 
sich später auch noch in 
ihrem ganzen Aufbau zu 
erkennen gibt, da sie 
sich aus einem gröfscren, 
vorderen und aus einem 
kleineren hinteren Lap- 
pen zusammensetzt, die 
beide in ihren histo- 
logischen Eigenschaften 
grundverschieden sind. 
Um ihre erste Anlage 
zu beobachten, ist es 
notwendig, auf ein sehr 
frühes Stadium (Fig. 177) 
zurückzugehen , in wel- 
chem die Mundbucht eben 
erst entstanden und durch 
die Rachenhaut (rh) von 
der Kopfdarrahöhle noch getrennt ist. In dieser Zeit ist an den Hirn- 
bläschen bereits die Kopfkrümmung eingetreten, die Chorda dorsalis 
(ch) endet mit ihrer vorderen Spitze unmittelbar an dem Ansatz der 
Rachenhaut. Vor ihr liegt nun die wichtige Stelle, an welcher 
sich der Hirnauhaiig entwickelt, als ein Produkt des äufseren 
Keimblattes und nicht, wie früher immer angegeben wurde, als 
ein Erzeugnis der Kopfdarmhöhle. 




Fig. 2H2. Längsschnitt durch die Binde- 
gewebskapsel mit dem Pinealauge von Hat- 
teria punctata. Scliwacli vcrKiofsert. Nach 
B\uDwi.N Sprnckr. I>er vordere Teil der Kapsel 
füllt das Scheitellorh (Forameii parietale) aus. 

K bindegewebige Kapsel, / Linse, h mit Flüssig- 
keit gefüllte Hohle des Aiig(!s, r retinauhnlicher 
Teil der Augenblase, M Molekularschicht der Re- 
tina, g Blutgefäfse, x /eilen im Stiel des l'ineal- 
auges, St dem Sehnerv vergleichbarer Stiel des 
Tinealaugcs. 



Die Organe des Au&erea KeiuibUttes. 



281 



Die ersten einleitenden Schritte zur Bildung der Hyiiophyse ge- 
schehen bald nach dem DurchreilkMi der Rnchenliaut (Fig. '2s:i lu 
2S4 ////), vo!i welcher noch einige unbedeutende Reste an der Schädt l- 
basis als die sogenanntMi primitiven Gaumeusegel vurübergeheud 
erhalten bleiben. Nach Tom von diesen entwickelt sich nun (beim 
Hühnchen am vierten Tage der Bebrütung« heim Menschen in der 
vierten Woche, His) eine kleine Ausatfilpung, die der Basis des 



SB 



Fig. 288. Medianer 8a- 
gittalechnitt durch den 
Kopf eines 4'i Tag be- 
brüteten HfiliTieli«n«i Nach 

MlHAUMVICS. 

SB Seheiteihftcker; n Sei- 

lenventrikel; r" dritter Ven- 
trikel; c* vierter Ventrikel; 
Sir Sylviäcbe Wasserleitung; 
^ Orobhimbiftschen; M Zwi- 
BcheDhirn; mh Mittelhtrn; kh 
Kleinhirn; -f ZirbelfortHatz; 
Ji tf iiy pophysentasche (K atukk- 
sche Taache), Chorda; fi« 
Basiiararterie. 



»V 




Sv 
ha 

hu 



Zwischenhims (<r) entgegen wächst, die RATBKESche Tasche oder 

die Hypophysentasche (/<//). Sie vertieft sich darauf, beginnt 
sich von ihrem Mutterboden abzuschnüren und in ein Siickclien um- 
zugestalten, dessen Wand aus uiehrereo Lagen von Cylinderzellen 
zusammengesetst ist (Fig. 285). 
Das H y ]) 0 p h y se n s ä c k c h e n 
{Inj) bleibt noch lanjjere Zeit 
mit der Mundhühle durch einen 
engen Gang {ktfg) in Verbindung. 
Auf späteren Stadien aber wird 
die Verbindung bei den höheren 
\\ir bei tiereu gelöst, indem das 
embryonale Bindegewebe, wel- 
ches die Grundlage für die Ent- 
wicklung des Kopfskeletts her- 
gibt, sich verdickt und das 
Sftckehen von der Mundhöhle 
weiter abdrängt (Fig. 285 u. 286). 
"SVenn dann in (leni F^inde- 
gewebe der Verkuorpeluugs- 
prozefs erfolgt, durch welchen 
die knorpelige Schädelbasis 
[üclil) angelegt wird, kommt 
das Hypopliysensäckchen (////) 
nach oben von ihr au die un- 
tere FlAche des Zwischenhims 
(Ir) zu liegen. Damit ist 



hy 




Fig. 284. Medianer Sagittalsähnltt 

durch die Hypophysis eines 12 mm 

langen Kaninchen- Embryo. öOlach ver- 

gröfsert. Narh Miualkovics. 

tr Boden des Zwischenhims mit Trichter, 
Boden des Nachhirns, ch Chorda, Ayliypo- 

pbysentascbe. 



Digitized by Google 



282 



Elftes KapiteL 



sl 
ch 



auch der Zeitpunkt gekommen, in welchem der Hypuphysengang 
der mittlerweile sein Lumen verloren hat. zu schrumpfeu 
und sich rttckziihildeii beginnt (Fig. -'85, 280); hei vielen W'irhel- 
tiereu iudesseu, wie bei den Selachiern, erhiUt er sich zeitlebeus uud 
stellt einen hohlen Kanal dar, der die knorpelige Schädelbasis durch» 
bohrt und sich mit dem Epithel der Mundschleimhaut verbindet. In 
aufseronlentlirh seltenen Fillleii tindet sich' aiieh \mm Menschen ein 
Kanal im Keilbeiukörper erhalten, der von der Sattelgrube zur 

Schädelbasis führt und 
eine Verlängerung der 

Hypophyse aufninimt 
(SüCHANNKCK). Denillyiu»- 
physensäckcheu ist früh- 
zeitig vom ZwiseheDhim 
(Fig. 28} bis 2S0) her 
eine Ausstülpung, der 
Trichter {ir) geuanul, 
entgegengewachsen und 
hat sich seiner hinteren 
Wand angelegt und sie 
nach der vorderen, ent- 
gegen gesetzten Wand xu 
eingestülpt. 

An dieses erste Sta- 
dium schliefst sich dann 
das zweite in, in wel- 
chem sich das Stekdien 
und das anliegende 
Trichterende zu den bei- 
den, oben erwähnten 
Lappen des fertigen 
Organes umbilden. Das 
Säckcben beginnt (beim 
Menschen in der zweiten Hälfte des zweiten Monats, iiis) au seiuer 
Oberfläche hohle Schläuche zu treiben. Die Hypophysenschläuche 
(Fig. 285, 28() hij) lösen sich dann von der Säckchenwandung ab. indem 
sie ringsum von blutgefäfsreichem Bindegewebe eingeschlossen werden. 




StA 6 hyt/ schh 

Fig. 2«5. Sagittalsohnitt durch die Hyjpo- 
physiB eines 20 mm langen Kaninohen-Em* 
bryo. ödfAch versröftert. Nach Mihaleovic». 

tr Boden des l^wischenhinis mit Trlrhter, /"/ 
llypophysi«:, ht/ Teil der Hypophvsi>. :in wplrheni 
die Birdiing der DrüsenscUiacIie beginnt, hvg 
Hyj^o i^ |sengang, tchb Schadelbasis, dk Chorda, 



schb 



em 




tr 



— dt 



Fig. 28K. Sagittal- 
schnitt durch dieHypo- 
pbyaia eines 80 nun 
lADjien Kaninehen-Bm- 

bryo. 40 lach vprfrrr>r>»ert. 

Nach MiHALKoVKS. 

Ir Hoden des Zwischen» 
birns mit Trichter, hm ur- 
sprünglicher, taschen- 
artiger Teil dt-r H\i«.- 
pbysis, hjf' die au» der 
Hjrpophysentasche ber* 
vorgespro&ten Drüsen- 
>chläuchp, il Saitellehne, 
rÄ ( li'u da, Sl )i>i kn<)rpelige 
bchadelba&is. tm Kpitbel 
der Mundhöhle. 



Digitized by Google 



Die Orgaae des Aufeereo Keimbiattes. 



283 





So gleicht der Entwid^lungsgang im grorsen uod ganzen dem der 

SchiTddrfise, nur dafs hier die Stelle der kugeligen Follikel durch 
schlauchartige Bildungen ersetzt wird. Das drtlsenförmige , lappifzo 
Gebilde legt sich hierauf dem unteren Knde des Trichters innig an, 
mit welchem es durch Bindegewebe vierbnnden wird. Das Trichter- 
rade selbst gestaltet sich bei niederen Wirbeltieren zu einem kleinen 
Hirnla])pen um, in welchem sich auch (ianplienzellen iiinl Nerven- 
fasern nachweisen lassen. Bei den höhereu Wirbeltieren dagegen ist 
keine Spur von solchen Gewebsteilen im hinteren Lappen der Hypo- 
physe au&ufinden; vielmehr besteht er hier aus dicht nebeneinander 
gelagerten, spindeligeii Zellen, ^v()(hlrc'h er eine grofse Ähnlichkeit 
mit einem Spindelzellensarkom gewinnt. 

Die Orofshiru- Anlage (Teleucephalon) (Fig. 272 T) erfährt die 
bedeutendsten VerftnderuDgen, deren Verstilndnis sum Teil mit erheb- 
lichen Schwierigkeiten verbunden ist. Schon bald nach ihrer ersten 

Absonderung vom primären Vorderhirnbläschen (siehe (Fig. 27:3) 

zerfällt sie in eine linke und eine rechte Abteilung dadurch, dafs 
von vom und von oben her ihre 
Wandung durch einen senkrechten ' 
Fortsatz der bindegewebigen Um- 
hüllung des Gehirns, durch die 
primitive Sichel, nach unten ein- 
gestttlpt wird. Die beiden Abteilun- 
gen oder die Hcmisphären- 
b 1 ä s c h e ii (hms) stofsen mit ihren 
medialen Flächen dicht aneinander, 
nur getrennt durch die von der 
Sichel ausgefüllte, schmale Mantel- 
sjjalte (nisp): sie platten sich gegen- 
seitig ab, während ihre seitlichen 
und unteren Flächen konvex sind. 
Plane und konvexe Flllche gehen 
an der scharfen M a n t e 1 k a n t e 
ineinander Uber. Die Hemisphären- 
blasen haben zuerst dfinne, von 
mehreren Lagen spindeliger Zellen 
gebildete Wandungen (Fig. 287 1) 
und schliefsen weite Hohlräume, 

die Seitenventrikel, ein, die sich aus dem Centralkanal des 
Nervenrohrs herleiten und in den ersten Monaten durch eine weite 
( )ffnun g, das primitive M o N k o s c h e L o c h ( Fig. 274 ML n. 288 ML)^ 
jederseits mit dem dritten Ventrikel in Verbindung stehen. 

Vor «Icni MoNRosclien Loch liegt der Teil der Wandung des Grofs- 
liirnblaäcliens, welcher durch die Eutötehuug der Mantelspalte nach innen 
eingestülpt worden ist; er vermittelt einerseits die voidere Verbindung 
der beiden Hemisphärenblüschen , andererseits schliefst er den dritten 
Ventrikel nach vom ab und heifst daher die vordere Vcrsdilursplatto (I-a- 
mina termiualis;. Nach abwärts geht diese in die vordere Wand vuiu 
Trichter des Zwischenhims Ober. 

In der weiteren Entwicklung jedes Hemisphärenbläschens greifen 
vier Proxesse ineinander: 1) ein aulserordentliches Wachstum und 
eine dadurch herbeigeführte, nach allen Richtungen erfolgende Ver* 



Fi>. 287. Gehirn eines drei- 
monatlichen menschlichen Em- 
bryo in natörUoher Qrölse. ^'ach 

KflLUKBS. 

1. Von oben mit nbgetrapi'iien 
Honiisjtliaren nud gedtlnetem Mittel- 
liiin. Dasselbe von unten. /' voi- 
ilt'ter Teil des abgeachnittenen Raud- 
liogens de« Groftbims, f* hinterer Teil 
des Randbfipens i Ainmonshorn). tho 
Sehhügel, (.fl .Strciieiihugel, to Tractus 
oi)ticu$, cm Corpora manmillaria, p 
Varolbbracke. 




284 



ElfteB Kapitel 



p:rftrserun'^ . 2) oine EintViltuuu der Blascnwand, so fiaf^ aufserlich 
riefe J>palten (die Totalfiirciicii oder Fissuren) und im Iimeru der 
Blase Vorsprüiige iu die Seitenventrikel zustande kommen, 3) die 
Entstehung eines Gommissurensysteros, durch welches rechte und linke 
Heniispliftre in engrre V«?rbindunK' <ieV)raclit werden (Balken und (ie- 
wölbe). {) tV]v Bililung von Furchen, welche mehr oder minder weit 
von auiseü iu die Grofshiruriude einschneiden, aber keine entsprechenden 
Hervorragungen an der Innenwand der Ventrikel veranlassen. 

Was das embryonale Wachstum der HeniisphAi'enbläschen im 
allgemeinon anlangt, so macht es sich besonders in einer Vergröfserung 
nach rückwärts geltend. Im dritten Monat tiberlagert der hintei-e 
Lappen den Sehbfigel (Fig. 278), im fünften Monat beginnt er sieh 
über die Vierlittgel auszudehnen (Fig. 277), die er im sechsten Monat 
ganz zudeckt» Von hier schiebt er sich aber das Kleinhirn herüber 
(Fig. 281»). 

Eine grOfsere Gliederung erfahren die HemisphErenblasen durch 

Kinfaltuugen ihrer dünnen, einen weiten Hohlraum einschliefsen- 
d<'n Wandungen (heim Menschen im Laufe dos zweiten und dritrt»» 
Munats). Dadurch ent>iteiien aul der Äulseutiäche tiefe Furchen, 
welche gröfsere Bezirke voneinander abgrenzen, die Total furchen 
oder Fissuren (His). Den an der Oberfläche sichtbaren Furchen 
entsprechen mehr oder minder bedeutende \ orsjirünge an der Innen- 
fläche der Seitenventrikel, welche dadurcli em^'cen^t und verkleinert 
werden. Die Totallurclieu der (irorshiruhemisphären sind die Silvi- 
sche Grube (Fossa Sylvii), die Bogen- oder Ammonsfarche (Fissura 
hippocampi), die Fissura chorioidea, die Fissura calcarina und die 
Fissura parieto-occipitalis. Die durch sie bedingten Vorsprünge heüseu 
der Streifenhügel (Corpus striatum), Gewölbe (Fornix) und Ammons- 
hom (Pes hippocampi), Tela chorioidea, die Vogelklaue (Calcar avis). 
Ein Vorsprung, welcher beim Embryo der Fissura parieto-occipitalis 
cntsi>richt, wird beim Erwachsenen durch eine bedeutendere Ver- 
dickung der Uirnwanduug wieder ausgeglichen, so dafs keine bleil)eu(ie 
Bildung aus ihm hervoi^feht. 

Am frühzeitigsten legt sich die SYLVische (irube an (Fig.275 
Sy.g). Sie erscheint als ein flacher P'indruck an der konvexen aufseren 
Fläche, etwa in der Mitte der unteren Kante jeder Hemisphäre. Der 
hierdurch in die Tiefe gerückte Wandteil verdickt sieb bedeutend 
(Fig. 279 u. 287 est) und bildet einen am Boden des Grofshims jeder- 
scits nach innen vorspringenden Hügel fdas Corpus striatum), in 
welchem mehrere Kerne grauer Substanz (der Nucleus caudatus. 
N. lentiformis und das Claustrum) zur Entwicklung kommen. Da der 
Hügel au der Basis des Hirns liegt und die unmittelbare Fortsetzung 
der Sehhügel nach vorn und nacli der Seite zu bildet, vrir ! nr noch 
mit zum ilirnstanim hinzugerechnet und als Stammt eil der 
(j r o i s iii r u h e m i sp h H r e u dem übrigen als dem Mantelteil ent- 
gegengestellt Die ftuftere Oberfläche des Stammteils, welche eine 
Zeitlang beim Embryo, so lange die Svr.vische Grube noch flach ist, 
von aufsen zu sehen ist (Fig. 275 Sy.ff), dann aber bei fortschreitender 
Vertiefung der Grube von deren Rändern ganz umwachsen und ver- 
deckt wird, erhftit sp&ter mehrere Rindenfurchen und wird zur Reil- 
sehen Insel (Insula Reilii) oder dem Stammlappen. 

Cm die Insel breitet sich, p'leichsam wie um einen festen Punkt, 
der Mantelteil l)ei seiner Vergröfserung aus und umgibt sie iu 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des aufiteren Keimblattes. 



285 



Forui eines nach unten geöffneten Halbrings (Fig. 275"*; er hat des- 
halb auch den Namen des Ringlappens erhalten. An ihn» lassen sich 
jetzt auch schon recht gut die allerdings noch nicht s^charf abge- 
grenzten Bezirke der vier Hauptlappen unterscheiden, in welche man 
spilter die konvexe Oberflüche jeder Hemisphäre einteilt. Das nach 
vorn gerichtete und über der SYLVischen Grube (Sjf.g) gelegene Ende 
des Halbrings ist der Stirnlappen (st.l) (Lobus frontalis), das entgegen- 
gesetzte, die Grube von unten und hinten umfassende Knde ist der 
Schläfenlappen {f^chj), die nach oben gerichtete Übergangsstelle beider 
ist der Scheitellapiien {schei.l). Ein Höcker, der sich vom Ringlappen 
aus nach hinten entwickelt, wird zum Hinterhauptslappen (/<./). 

Der äufseren Form jeder Hemisjjhilre entsprechend, hat sich äuch 
der Seitenventrikel verändert (P'ig. 279). Auch er stellt einen Halb- 
ring dar, welcher den Streifenkörper {est), den durch die SYLVische 
(»rube nach innen ge- 
drängten Wandteil der 
Blase, von oben umfalst. 
Später, wenn die ein- 
zelnen Lappen der 
Hemisphären schärfer 
voneinander gesondert 
sind, erfährt auch der 
Seitenventrikel eine den 
Lappen entsprechende 
Gliederung. An seinen 
beiden Enden weitet er 
sich ein wenig kolbcn- 
artig aus. nach vom zu 
<lem im Stirnlappen 
gelegenen Vorderhorn, 
nach hinten und unten 
zum Unterhorn, welches 
zum Schläfenlappen ge- 
hört. Vom Halbring 
entwickelt sich endlich 
noch nach rtickwärts 
eine kleine Ausstülpung, 
die in den Hinterhaupts- 
lappen eindringt, das 
Hinterhom. Die zwischen den Hörnern befindliche Strecke verengt 
sich und wird zur Cella media. 

Die aufser der SYLVischen Grube l)ereits oben aufgezählten Total- 
furchen kommen alle an der planen Fläche der Hemisphärenblase 
zur Entwicklung. Sehr frühzeitig (beim Menschen in der fünften 
Woche. His) entstehen an ihr zwei mit der Mantelkante beinahe 
parallel verlaufende Furchen, die Ammonsfurche oder Bogen- 
furche und die Adergeflechtsfurche (Fissura hipjmcampi und 
Fissura chorioidea) ; beide schliefsen sich in ihrem Verlauf dem Ring- 
la])pen auf das genaueste an und umfassen gleich ihm von oben her 
halbmondförmig den Stammteil des Grol'shirns, den Streifenhügel. 
Sie beginnen am MoNRoschen Loch und reichen von da bis zur Spitze 
des Schläfenlappens. Sie umgrenzen einen Bezirk, der an der medianen 
Oberfläche der Hemisphäre als ein Wulst hervortritt, als Rand bogen 




Vig. 28^. Querschnitt durch das Qehirn 
eines 3,8 cm langen Kaninchen-Embryo. Verßr.' i. 
Nach MiHALKovics. Der Schnitt geht durch die 
Mo.sHoschen Löcher. 

hf groTse Hirnsichol, welche die Mantelspalten 
ausfüllt, h\ h* plan»* Innenwand, konvex«- .\ufsen- 
wand der (irorshirnheniisphare, a^/ .Vdergetlechtsfaite, 
«»«/' Ammonsfalte , /' (icwölbe (Fornix), «p Seiten- 
ventrikel. 3IJj MojiBosches Loch, r' dritter Ventrikel, 
ch ('hiasuia (Sehnervenkreuzungl. frx' absteigende 
Wurzel des Gewölbes. 



Eirtei Kapitel. 



tHUseichnet wird und bei der Entwicklung des Coniiuissurensystenis 
eine Rotte apiett. Die dureli die Ftrooren bedingteii Einstttlpungen 
der medianen Yeutrikelwand . die Ammonsfatte und die seitliclie 

Aderpeflechtsfalte »rkmut man nni besten, wenn man hei einem 
Embryo die seitliehe Uemisphäreuwand abträgt und ao die mediale 
Fläche des noch anrBerordentiich weiten, ringförmig gestalteten 
Seitenvcntrikt'ls liberschauen kann (Fig. 279). Mau sieht dann die 
Höhle zum Teil ausgefüllt durch einr rötliche, gckr-iusclte F;tlte 
{offß, welche, halluiiondförmig gekrümmt, von oben her dem i>treifen- 
hügel {est) aufli. gi. Im Bereich der Falte erfAhrt die Himwand 
fthnliehe Veränderungen (Fig. 288 n/;/ ). wie an der Decke des ver- 
längerten Marks und des Zwischenfiirnhlilschpns. Sin verdünnt sich, 
anstatt sich zu verdicken und Nervensubstuux zu »tit wickeln, und 
geht in eine einfache Lage platter Epithelzellen Uiter, welche sich 
mit der weichen Himhant fest verbinden. Diese wird dann liogs 
der uaiizen Falto sehr blutgefÄfsreich und wuchert mit Zottrn in den 
St'itenvciitrikel hinein, das Epithel vor sich ausstttlf)end entsteht 
das seitliche A dergeflecht (Plexus chorioideus iateraiisj (^Fig.288 
agf)y das spAter heim Erwaclisenen einen Teil der Getla media nnd 
des Unterhorns ausfüllt. Am MoNKoschen Loche (Fig. 270 ML) lie- 
ginnend , hänjjt es hier mit dem vorderen . unpaaren AderpeH» cht 
zusammen, welches sich an der Decke des Zwischeohimbläschens 
entwickelt hat. Wenn man aus der Adergefieditsfurclie die weicbe, 
btatgefiirsreiche Hirnhaut herauszieht. zerstOrt man gleicbzeiti<z die 
zu einem Epithel verdünnte Hirnwand und erzengt nn der medialen 
Flftche der Hemisphäre die zeitliche Hirn- oder die grolse 
Heroisphflrens palte (Fissura cerehri transversa), welche vom 
MoNROschen Loche bis zur Spitze ies Schlftfenlappens reicht und in 
den Seitenventrikel von aufsen hineinführt. 

Parallel zum Adergetlecht nnd in geringer Entfernung von iliui 
sieht man bei der oben angegeUenen l'riiparationsweise die Ammons- 
falte, welche (Fig. 271» und 288 amf) beim ausgebildeten Gehirn di» 
Ammonshorn (Cornu Anniionis oder Pes hippocanipi) liefert. 

Da sich der Hinterliauptslappen mit seiner HOlile als eine Aus- 
stülpung des Uiuglappcus anlegt, so wird auch die ihm angehörende 
Fissura ealearina etwas spftter entwickelt als die Bogenfurche 
(Fig. 277 fr). Sie erscheint als eine Zweigfurche der letzteren am 
Ende des dritten Monats und verläuft in horizontaler Richtung bis 
uahe zur Spitze des Hintcrhauptslappeus. Sie stülpt seine mediale 
Wand ein nnd erzeugt die Vogelklaue (Galear avis), welche in 
dersell>en Weise, wie das Ammonshorn das Unterhorn, so das Hinter- 
horn einengt. Am Anfang des vierten Monats gesellt sich dann noch 
zu ihr die Fissura occipitalis (Fig. 211 fo). Sie steigt vom 
vorderen Anfang der Fissura catearina in vertikaler Rielititng xnr 
Mantelkante empor und grenzt Hinterhaupts • und Scheitellappen 
scharf voneinander ab. 

Ein dritter Faktor von gniiser Bedeutung in der Entwicklung 
des Grofshirns ist die Bildung eines Comtnissurensysteros, 
welches sich /u der ursprünglich nur durch die embryonale SchluA- 
jdatfe hergestellten Verbindnnjz beider IIeniis|iliii renblasen noch hinzu- 
gc-^elll. Diejenigen Forsi her. web'he sich mit diesen schwierigen 
Verhältnissen beschäftigt haljen, geben an, dals im dritten embryo- 
nalen Monat Verwachsungen zwischen den einander zogekefarten 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Orgtae des Anberen Keimblaltes. 



287 



lueiiialcD Wänden der Hemisphäreu erfolgen. Die Verschmelzung 
beginnt vor dem Momioseben Loch innerhalb eines dreiseitigen Ge- 

]>ietes. Indein sie hier nur in der Peripherie erfolgt . in der Mitte 
aber iinttM l»leibt, entstehen drei Hirateile des Erwachsenen, nach vorn 
das Balkeuknie, nach hinten die Säulen des Gewölbes und zwischen 
ihnen das Septnm pellncidum mit seinem Ventrikel, in dessen Bereich 
die aneinander grenzenden, hier stark verdünnten Hemisphftrenwände 
voneinander getrennt gebjiehcn sind D<m \ e n t ri c ii 1 u s septi 
pellucidi darf mit den übrigen liohUaumeu des Gehirns nicht auf 
eine Stufe gestellt werden: denn wAbrend diese auf den Centraikanal 
des embryonalen Nervenrohrs zurückzuführen sind, ist jener eine 
Neubildung, entstanden durch Abkiip-cluntz eines Teils der aufser- 
halb des Geiiirus zwischen den beiden üenusphareublasen gelegenen 
Mantel spalte. 

Eine weitere Vergröfserung des Comuiissurensystems vollzieht 
sich im fünften und ee( hsten Monat. Die Verwachsung schreitet jetzt 
von vorn nach hinten weiter fort und ergreift das (Gebiet der 
Heraisphäreninneiiwaud, welches, zwischen Bogenfurche und seitlicher 
Adergetlechtsfurche gelegen, schon als Handbogen besehrieben wunle. 
Durcli Verschmelzung des vorderen Altsehnittes der beiderseitij^M'n 
Randbögen, welche bis zur hinteren (irenze des Zwischenhirns er- 
folgt, entstehen Balkenkörper und Balken wuist, sowie das unter 
ihnen gelegene Gewölbe. Die den Balken von oben her begrenzende 
Furche (Sulcus corporis callosi) ist daher der vordere Abschnitt der 
Bogenfurche, während der hintere Abschnitt am Schläfen läppen später 
Als Ammonsspalte (Fissura hippocampi) bezeichnet wird. 

Seiner Vollendung wird der Aufbau des Grofishims endlieh ent- 
gegengefahrt durch das Auftreten zahlreicher KindeU' 
furchen. Diese nehmen den schon beschriebenen Total furchen 
gegenüber eine besondere Stellung ein, weil sie, nur auf die Uira- 
oberdäche besehrftnkt, auf der VentrikelinnenflAehe keine entsprechen- 
den Hervorrag ungen verunliissen. Ihre Entwicklung beginnt, sowie 
<iie Hirnwand durch Entstehuiiti weifser Marksubstanz vom fünftem 
Monat sich in höherem Mafse verdickt; sie wird dadurch veranlafst, 
dals die graue Rinde mit ihren Ganglienzellen sich rascher in die 
Flüche ansl)reitet als die weifse Substanz und sich daher in Falten, 
<lie Hirnwindungen oder Gyri . erhebt, in welche nur scliniale Fort- 
sTU/e weifser Substanz eindrin^'en. Anfangs sind denn auch die 
i' urclieu ganz seicht und werden in demselben Mafse tiefer, als sich 
4ie Hemisphftre verdickt und die Rindenfatten mehr nach autsen 
hervorspringen. 

Von den zalilreiciien Furchen, welche das ausgebildete Gehirn 
darbietet, erscheinen wahrend der Entwicklung einige früher, andere 
spAter und gewinnen hierdurch einen verseniedenen Wert fttr die 
Architektur der Gehirnobertläche. Denn „je früher eine Furche 
Auftritt, um so tiefer w i rd sie, je später, um so seichter 
erscheint sie" (Pansch). Die ersteren sind daher die be- 
deutungsvolleren und konstanteren und sind passender- 
weise als Haupt- oder Prim&rfurchen von den spftter 
entwickelten und mehr variierenden, s e k n n d il r e n und 
tertiären Furchen zu unterscheiden. Sie beginnen vom 
Anfkng des sechsten Monats an aufzutreten. Unter ihnen erscheint 
•am frühesten und ist eine der wichtigsten die Centraifurche 



Digitized by Google 



288 



Elftes Kapitel. 



(Fig. 289 cf), da sie Stirn- und Scheitellapi)en voneinander abgrenzt. 
„Im neunten Monat sind alle Hauptfurchen und Windungen ausgebildet, 
und da zu dieser Zeit die Nei)enfurchen noch fehlen, bo gibt ein 
Gehirn aus dem neunten Monat ein ty])isches liild der Furchen und 
Windungen.*' (Mihalkovics.) 

Bei der Entwicklung des Grofshirns ist zum Schlufs noch eines 
Anhangsorgans desselben, des Riechnerven, zu gedenken. .*>einer 
ganzen Entstehung nach unterscheidet sich der Riechnerv ebenso wie 
der Sehnerv von den peripheren Nerven und niuls als ein besonders 
modifizierter Abschnitt der Wand des Grofsbirnblaschens aufgefulst 
werden. Die ältere Bezeichnung Nerv wird daher jetzt öfters auch 
durch den zutreffenderen Namen Riechlappen (Lobus olfactorius. 
Rhinencephalou) ersetzt. Schon sehr frühzeitig (beim Hühnchen am 




Fig. 2^9. Ki«. 290. 

Fi|;. 289. Ghehirn eines menBchlichen Embryo aus dem Anfang des 
achten Monats. Vcrffrorserung "4. Nach Mihalkovics. 

cf ( cnlralfurciie, vcu; htir vordere und hintere Centraiwindung, fo Fissura 
occipitalia. 

Fig. 290. Qehirn von Oaleus canis in situ, Dorsalansicht. Nach Rouos. 

J/ul l.obiis oHaitoriiLs, Tio Tractus nervi olfacturii. VH Vorderhirn, bei f'n 
mit einem Foramen iiutritiinii ((iefäfsloch) versehen, ZH Zwischeobim, 3/// Mittel- 
hirn, ffH Ilinterhirii, A'// Narhhim, H Hiukenniark, U N. opticus. IJJ N. oculo- 
motorius, IV N. trochlearis. V Trigeminus. L.Trig LobuH trigeniini, C.rest C'ori>us 
restifornie. IX Glo<^^opharyllgeus, A Vagni». E.t Eminentiae teretes. 

siebenten Tage der BebrUtung, beim Menschen in der fünften Woche, 
His) bildet sich am Boden und am Vorderende eines jeden Stim- 
lappens eine kleine, nach vorn gerichtete Ausstülpung (Fig. 275. 
277 m). Sie nimmt allmählich die Form eines Kolbens an , desst*n 
erweiterten, der Siebjdatte des Siebbeins aufliegenden Teil man als 
Bulbus olfactorius, dagegen den Stiel als Tractus olfactorius be- 
zeichnet. Der Kolben schliefst im Innern eine Höhle ein. die mit 
dem Seitenventrikel in Zusamnirnhang steht. 

In den ersten Monatrn der Entwicklung ist der Riechlapi)en auch 
beim Menschen relativ grofs und mit einer centralen Höhlung ver- 
sehen. Später beginnt er, wie denn auch der Geruchssinn beim 



Di6 Organe des uufseren Keimblatte^i. 



289 



Menschen nur wenig entwickelt ist, gewisserniafsen zu verkümmern; 
er l)lcibt im Wachstum stdien. \vol»ei :uich seine HiWile verM-hwiiulet. 
I'ei den meisten Sflugetieron dagegen, deren Genu-hssiun ja bekannt- 
lich viel schärfer als beim Menschen ist, erreicht der Riechlappeu 
heim erwachsenen Tier eine bedeutendere Gröfse und Iftfst uns noch 
viel deutlicher die Charaktere eines Hirnteils erkennen: denn er 
schliefst dauernd im Bulbus eine Höhle ein. die Otters sogar (Pterd) 
durch einen engen Kanal im Tractus olfactorius mit dem Vorderhun 
in Verbindung steht. 

Eine ganz aufserordentliche Entfaltung (F'ig. 20t») gewinnt der 
Uiechlai)pen ( Lol \ Tro) bei den Haien, bei denen er an (Irölse das 
Zwischen- {ZH) und Mittelhirn {,MH) übertrittt. Hier gehen vum 
▼orderen Ende des wenig entwickelten Orofohims zwei lange, hohle 
Fortafttze ans (Tractus onaetorias, Tro) und enden in ziendicher Ent- 
fernung vom Vorderhim in zwei grofsen, zuweilen mit Furchen ver- 
sehenen, gleichfalls hohlen Lappen {^Lol), 

B. Die Entwickhnifij des peripliereu Nervensystems. 

60 leicht die Kntstehung von Gehirn und Rückenmark zu ver- 
folgen ist, so grofs sind die Schwierigkeiten, welche das periphere 
Nervensystem den auf seinen Ursprung gerichteten Untersuchungen 
entgegensetzt. Handelt es sich doch um bistologisclir Vortiaiiize 
feinster Art. um das erste Auftreten markloser Nerventibnllen und 
ihre Kudigungsweise in zarten, aus mehr oder minder unditlereuzierten 
Zellen zusammengesetzten Embryonen. Wer nun weii^, wie schwierig 

Fig. 291. Durch- 
schnitt durch einen 

Hulmer-Hmbryo 
aaeh 98 Standen Be- 
brütunff. Nach 60 lo- 

WI.NK. 

J>er Srhiiitt hat die 
Gegend des dritlen Ur* 

Segment!: getroffen. 
qn (iangli('nl('i>tH . ms 
Ilückeniiiark, iu.nwr- 
dOnnter Teil, ne.fv ver- 
dickter Teil des HU&e- 
ren Keinililattes. 

es schon ist, bei einem ausuewacbsenen Tiere marklose Nerven- 
tibrillen in Epithellagen oiier im glatten Muskelgewebe zu verfolgen 
und Qber ihre Endigungsweise ins reine zu kommen, wird es ver- 
stAndlieh finden , dars hinsichtlich der Entwicklung der ]>eripheren 
Nerven manche und gerade die interessantesten Fragen nicht si»rurh- 
reif sind, weil die zu llinM Beantwortung notwendigen Beobachtungen 
noch fehlen. Nur in einem Punkt herrscht Klarheit. Er betritit die 
Entwicklung der Spinalknoten. 

Bei vielen Wirbeltieren (Htlhnchen. Mensch etc.) ist ihre Anlage 
schon zu einer Zeit zu erkennen, wo die Medullarplatte sich eben zu 
einer Uinne einzufallen begonnen hat. Mau kann dann an der Stelle, 
an welcher die Medullarplatte in das Hornblatt umbiegt, Gruppen 
von Zellen bemerken, die sieh durch ihre mehr rundliche Beschatlen- 
heit auszeichnen und von Anfang an segmental angeordnet sind. 

U. iJertwig, Die El«nt«nt« der Kntwicklungalehr«. i. Aull. 19 




Dlgitlzed by Google 



290 



Elftes KapiteL 



Wenn im weiteren Verlauf die Meduliarfalten sich in der Median- 

ebene zum Verschlufs zusammenlejjeu. kommen die beiden „Gancrlien- 
streilen" an die Firsten der Falten zu liegen. Hier verscliuielzeu 
fiie vorabergehend zu einem einheitlichen Strang (LbnhossAk) und 
l(>sen sich mit dem Nerveurohr von dem Hornblatt ab. In diesem 
Zustand zeigt uns Fig. 2*.U, ein Durchschnitt durch einen 29 Stunden 
bei)rüteten Hühner-Embryo, die Gauglieuaulage. Sie schiebt sich wie 
ein Keil in die dorsale VerschlnflBStelle des Nervenrohrs hinein. 
,,AUein diese Lage ist keine definitive; bald veranlafst ihre lebhafte 
Vorniohrung. unterstützt durch das Bestreben der sie einfassenden 
Medullari»latten nach gegenseitiger Vereinigung, ein successives Her- 
auswandern ihrer Elemente, wodurch die ursprünglich bilaterale An- 
ordnung wieder zum Vorschein kommt" (Lenhoss^k). Es wächst jetzt 

niUnlich eine dünne, ein bis zwfi 
Lagen dicke Zellenleiste, wie (^)uer- 
Schnittsserien lehren, zu beuieu 
Seiten der Verwachsnnpnaht aus 
dem Nervenroll r heraus und schiebt 
sich zwischen ihm und dem dicht 
anliegenden Hornblatt nach abwärts 
(Fig. 292 spg). Sie erreicht bald 
die dorsale Kante der zu dieser 
Zeit gut ausgebihleteu UrseLrmente. 
Während des Herabwachseus son- 
dert sich die Nerven- oder die 
GanglienleisXe immer deut- 
lidier in einzelne, hintereinander 
gelegene Abschnitte. £s bleiben 
nftmlicb immer die zwischen zwei 
Ursegmenten gelegenen Strecken 
im Wachstum zurück, wahrend die 
in der Mitte der Segmente ge- 
legenen Teile stärker wuchern, sich 
verdicken und gleichzeitig noch wei- 
ter zwischen Trsegmenten und 
iiervenrohr ventral wärt s sordringen. 

Von den .spinalknoten des 
Rumpfes unterscheiden sich die im 
Hereich des Kopfes gelegenen Gang- 
lien in mehreren Einzelheiten 
ihrer Entwicklung. Der wesent- 
lichste Unterschied besteht darin, 
dals schon zur Zeit, wo sich die Hirnanlage noch nicht zum Rohr 
geschlossen hat. die (ianglienanlaj-en am l'mschlagsrande der Medullar- 
lallen in eine stärkere Wucherung geraten, sich von ihrem Mutter- 
boden abtrennen und zwischen Himwand und Epidermis nach ab- 
wärts zu wachsen lieginnen. Wahrscheinlich wird diese frühzeitigere 
Entwicklung durcii die hetiächtlicliere Grdf^e einzelner Ganglien- 
anlagen im ßereich des Kopfes bedingt. 

Über die weiteren Veränderungen . welche an den Anlagen der 
Spinalganglien eintreten, bestehen verschiedene Ansichten : Nach His. 
Saukmkhf. niid Lkniiossi-'k sollen sich die einzelnen Ganglienanlagen 
vom Nerveurohr vollständig ablösen und zu seiner Seite ohne jeg- 



Digitized by Google 




Fig. 20:.'. Querschnitt durch 
einen Bmbryo von PrlstinruB. Nach 

Habl. 

Dio I'rsegnii'iito liiitigeii mich mit 
dem übrigen Teil des uättleren Keim- 
blattes zusammen. An der Übergangs- 
stelk' sit'lit man eine A nslnu-iitune sk. 
von well bei au.s sit Ii <iiis skelettogene 
Oowebi' entwickelt, di Chorda, spg 
Spinaiknotea, mp Muskelulatte des 
Uraegmenta, mA snbchordaler Strang, 
ao Aorta. '7." innere^ Keimblatt, jiuih. 
vtiiit |>urit'taleä, viscerales Mitteiblutt. 



Die Organe des äufsercu Keimblattes. 



291 




htP 



liehen Zusammen hang mit ihm eine Zeitlang liegen bleiben. Kine 
Verbindung soll erst sekundär wieder durch Entwicklung der hinteren 
Nervenwui"zeln hergestellt werden in der Weise, dals Nerventibrillen 
entweder vom RQckenraark in das Ganglion oder vom (langlion in 
das Rückenmark hineinwachsen oder in beiden Richtungen entstehen. 
.\ndere Forscher lassen die (ianglionanlage, während sie sich verdickt 
und spindelig wird (Fig. '2Mg), mit dem Rückcnmaik dauernd ver- 
bunden sein durch einen dUnnen Faserstrang, der sich zur hinteren 
Wurzel umbildet. 

Die Verschiedenheit in diesen Angaben hängt mit den ver- 
schiedenen Auffassungen zusammen, welche über die Entwicklung der 
peripheren Nerven 
tti>erhaupt l)estehon. 
Zwei HauptgegtMi- 
sätze machen sich in 
der Literatur gel- 
tend, wenn man die 
verschiedenen An- 
sichten durchgeht, 
welche über die Ent- 
wicklung der peri- 
pheren Nerven auf- 
gestellt worden sind. 
l>ie Majorität der 
P'orscher nimmt an, 
dafs das periphere 
Nervensystem sich 
aus dem centralen 
entwickelt, dafs die 
Nerven aus d e m 

Gehirn, dem 
Rückenmark und 
den ( i a n g 1 i e n 
h e r V 0 r w a c h s e n 
und ununter- 
brochen bis in 
die Peripherie 
dringen, wo sie 
erst nn t ihren 

si)ezi fischen 
E n fl 0 r g a n e n in 
Verbindung tre- 
ten. In den her- 
vorsprossenden 

Nerven fase rn 
erblickt man nur 
die A u s 1 i\ u f e r der 



nr 
r<l 
tr 
rr 




Fig. 293. Querschnitt durch die Rüokengegend 
der Brustregion eines menschlichen Embryo. 

Man sii'iit das lUickcniiiarii mit dorsalen Wurzeln 
und Spinnlknoten (/?), mit ventralen Wurzeln (nr) und 
der Teilung der Spinalnerven in Kamus dursalis (rd). 
Kanius ventralis (rr) und Kamus visceralis mit sym- 

1)athis<-liem (ian<;lion («tf-O • Ferner erkennt man den 
inorpligeu N\ irlielkorper (tr) mit Chorda^e^t und den 
noch häutigen Wirbelbogen (lur). Unten findet sich im 
Mesenterium oder Mediastinum eingebettet der Oe^o- 
iihugiis (uf) und links und rechts die Lungenanluge mit 
Lungenblasihen (Ib). 

im C e n t r a 1 o r g a n gelegenen Ganglien- 



zellen, die zu kolossaler Länge auswachsen müssen, damit sie ihren 
Endajiparat erreichen. An ihnen finden sich zunächst keine Kerne und 
keine Zellen vor. Diese sollen erst in zweiter Linie von dem um- 
gebenden Bindegewebe geliefert werden. Aus dem Mesenchym sollen 
zellige Elemente zu den Bündeln von Nervenfäserchen herantreten, 
sie umhüllen, dann zuerst spärlich, später immer reichlicher in das 

19* 



202 



Elftes Kapitel. 



Innere der Nervenstänime hereindringen und um die Aehsencylinder 

die ScnwANNScht'ii Sclioiden bilden. 

Dapfegen sollen nach einer zweiten entgegengesetzten Ansiilit 
an der EntwickluDg der peripheren Nerven aucli Zellen beteiligt 
sein, die in Reihen oder Ketten zwisehen den nervösen Centml- und 
Endorganen angeordnet sind. In diesem Sinne benierkt Kupffer 
(18P1): „Keiner meiner Beobachtungen (am Ammocoetes) widerstreitet 
die Anschauung, uUe.s deutet vielmehr darauf hin, dals die Fibrillen 
als Ausläufer von Zellen entstehen, aber nicht allein von Zellen der 
Ganglien und des Centralorgans« sondern auch von denjenigen 
Zellen, die, in Ketten aneinandergereiht, die ersten 
Anlagen peripherer Nerven bilden. Dieses angenommen, 
erscheint es mir weiter am wahrscheinlichsten, da& das Waehstma 
der Fibrillen an den dorsalen Nerven in beiden Richtungen sirli \ oll- 
zieht, ccTitriiietal sowohl wie centi ifu^ial. Denn wenn die Anliiiren 
die Ausbildung erreicht haben, dals sie neben den Zellen auih 
Fibrillen aufweisen, erscheinen die Zellen auseinandergerückt und an 
beiden Enden, dem centralen wie dem peripheren, in feine FUden 
auslaufend etc. Eins glaube icli mit Bestimmtheit aussprechen zu 
dürfen, dafs die Anlagen der dorsalen Nerven sowohl in 
der frühesten l'hase der Zellenketteu wie auch später, 
wenn bereits Fibrillen erschienen sind, stets den Zu- 
sammenhang mit dem Centraiorgan bewahren." 

Bei dem jetzigen Stande der l'ntersuchungen ist die Entwicklung 
des peripheren Nervensystems für eine kurze Darstellung in den 
.Elementen der Entwicklungslehre" noch nicht geeignet und mufs. 
bis das Gebiet erst mehr durchgearbeitet ist, am besten ganz über- 
gangen werden. Im übrigen sei auf das ausführlichere Lehrbuch des 
Verfassers, Vll. Auti. (S. 482—497) verwiesen. 

C. IHe Entwieklnng des Sjmpiithieiis« 

Wie die meisten Forscher, die sich mit dem schwierigen Gegen- 
stand 1m scliaftigt haben, angeben (und wie am besten bei den Fischen 
zu betihacliteii ist), stammen die sympathischen Ganglien (Fig. 
sy.g) direkt von den spinalen (^) ab. Die Spinalganglien wuchern an 
ihrem ventralen Ende. Die gewucherte Partie löst sich ab und rQckt 
als Anlage eines sympathischen Ganglions mehr ventralwftrts. Die 
Anlagen der einzelnen Segmente sind anfangs voneinander is(diert. 
Der Grenzstrang ist demnach ein sekundäres I'rodukt, dadurch ent- 
standen, dals die einzelnen Ganglien einander entgegenwachsen und 
sich verbinden. Von ihm leiten sich dann ferner die sympathischen 
Ganglien und Getlechte der Brust- und Leibeshöhle ali. Wenn diese 
Angaben richtig sind, so ist auch das sympathische Nervensystem 
wie das cerebrospinale in letzter Instanz vom äufsereu Keimblatt 
abzuleiten. 



U. Die Entwicklung der Sinnesorgane. 

Qeruchsorgan. 



Auge, Gehör- und 



Wie fiir das Centralnerveusystem , so bildet diis ftufsere Keim- 
blatt auch den Mutterboden fttr die höheren Sinnesorgane: fftr das 
Auge, für das Gehör- und das Geruchsorgan. Zwar liefert es nur 
das 8iunesepithel. einen Restandteil, der im Vergleich zu den abrigeu 



Digltlzed by Google 



l)ie Organe des uurscren Keimblattes. 2i'3 

Teileil . die vom Meseiichyni al>staininen . an Volumen sehr zurttrk- 
tritt; dafür ist aber der epitheliale Bestandteil sowohl in funktioneller 
als in nmrphologischer Hinsicht weitaus der wichtigste. Denn oh ein 
Sinnesorgan zum Sehen, Hören, lUechen o«ler Schmecken geeignet ist. 
hängt in erster Linie vom Charakter des Sinnesepithels, d. h. davon 
ah. oh es aus Seh-, Hör-, Riech- oder (ieschraackszellen zusannnen- 
gesetzt ist. Aher auch in morphologischer Hinsicht steht der epi- 
theliale Teil im Vordergrund, indem er vorzugsweise die Grund- 
form der Sinnesorgane l>estinimt und den festen Mittelpunkt 
abgibt, um welchen sich die übrigen, mehr accessorischen Bestand- 
teile herum anordnen. Am deutlichsten läfst sich der genetische 
Zusammenhang mit dem äufseren Keimblatt bei manchen Wirbellosen 
erkennen, insofern hier noch dauernd die Sinnesorgane in der Epi- 
dermis gelegen sind, während sie sich bei den Wirbeltieren bekannt- 
lich zum Schutze in tiefere Gewebsschichten einbetten. Ich beginne 
mit dem Auge und wende mich dann zum Gehör- und Geruchsorgau. 

A. Die Entwicklung des Anges. 

Wie l)€reits bei der Beschreibung des Gehirns hervorgehoben 
wurde, wachsen aus der Seitenwand des primären Vorderhirns 
(Fig. 270. 204, 295) die Angenblasen (au) hervor und bleiben später, 
indem sie sich mehr und mehr abschnüren, nur noch durch einen 

Fig. 294. Querschnitt durch 
das vordere Kopfende des am 
Anfang der vierton Woche 
stehenden menschlichen Em- 
bryo, der in Fig. 160 abgebildet 
ist. Der Schnitt geht durch das 
primäre Vorderhirnbläsrhen , ans 
dt'ssen Seitenwandungen sich die 

1>riinuren Augenhlasen ausgestiilpt 
iahen. 

nii.l laterale Wand der .Augen- 
blase, 8t ihre untere Wand, welche 
in den Selistiel (s^j übergeht, //* Lin- 
senplatte, r' Hohlraum im Vorder- 
hirnhläschen (dritter Ventrikel), der 
sich in den Hohlraum des Augen- 
stiels (>0 und der .\ugenhlase lort- 
fietzt, tr Buden des Vorderhirnhlaschens, der. zwischen den beiden Sehstielen ge- 
legen, sich später nach unten zum Trichter ausstülpt. Da in dieser Gegend kein 
Mesenchym entwickelt ist, liegt dem Hirnboden das äufsere Keimblatt dicht an 
and liefert später die KATiiKssche Tasche. 

engen Stiel in Verbindung (Fig. 294 u. 205 .«?/). Sie besitzen im 
Innern eine Höhle, die durch (ien engen Kanal des Augenblasenstiels 
nnt dem Ventrikelsystera des Gehirns im Zusammenhang st€ht. Mit 
ihrer lateralen Fläche legen sie sich an das Hornblatt, die spätere 
Epidermis des Kopfes, bei ihrer Hervorst ülpung entweder unmittel- 
bar an, wie beim Hühnchen, oder werden, wie l>ei den Säugetieren, 
von ihm nur durch eine sehr dünne Zwischenschicht getrennt. Bald 
darauf wird die primäre Augenblase durch Einstülpung in einen 
Becher in ähnlicher Weise umgewandelt wie die Keiinblase des 
Araphioxus in die Gastrula. Die Einstülpung findet an zwei Stellen 
statt, einmal an ihrer lateralen, dem Hornblatt anliegenden Wand, 




294 



Elftes Kapitel. 



und zweitens an ihrer unteren Fläche, welche mit der Basis der 
Hiniblasen in einer Flucht liegt. Die eine Einstülpung hängt 
mit der Entwicklung der Linse, die andere mit der Ent- 
wicklung des Glaskörpers zusammen. 

Die erste Anlage der Linse erfolgt beim Hühnchen schon 
am zweiten Tage der Behrütung, beim Kaninchen etwa zehn Tage 
nach der Befruchtung des Eies, beim Menschen am Anfang der 
vierten Woche (Fig. 294). An der Stelle, wo das Hornblatt über 
die Oberriilche der primären Augenblase hinzieht , verdickt es sich 
ein wenig und liefert die Linseujdatte Up), welche sich bald darauf 
zu einer kleinen Grube einstülpt (Fig. 295 /r/). Indem die Liusen- 
grubc sich vertieft, wobei ihre Ränder sich entgegenwachsen und 
sich endlich berühren, wandelt sie sich in das Linsen sä ckchen 
(Fig. 290/.^) um, welches noch eine Zeitlang durch einen soliden 
Epithelstrang {ht) den Zusammenhang mit dem Mutterboden . dem 
Hornblatt, bewahrt. Bei seiner Abschnürung treibt natürlich das 




Fig. 295 u. '296. Zwei Schemata zur 
Entwicklung des Auges- Fig. 297. 



Fig. '295. Die primäre Augenblasc au, durch einen hohlen Stiel st mit dem 
Zwischenhirn zh verounden, wird infolge der Entwicklung der Linsengrube /a ein- 
gestülpt. 

Flg. 296. Die Linsengrube hat sich zum Linsensäckchen (/«) abgeschnürt. 
.\us der Augenblase ist der Augenbecher mit doppelten Wandungen, einer inntren 
ib und einer äu&eren ab, entstanden. Ist Linsenstiel, gl Glaskörper. 

^"ifi. 297. Plastische Darstellung eines Augenbechers mit Linse und 
Glaskörper. 

ab äufsere Wand des Bechers, ib innere Wand desselben, h Hohlraum 
zwischen beiden Wänden, welcher snäter ganz verschwindet, Sn .\nlage des !>eb- 
nerven (.\ugenblasenstiel mit Kinnenuihluug an seiner unteren PMäche), au» .\ugen- 
spalte, gl Glaskörper, / Linse. 

Säckchen die ihm dicht anliegende, laterale Wand der Augenbiase 
vor sich her und stülpt sie gegen die mediale Wand zu ein. 

Gleichzeitig mit der Linsenentwicklung wird die primäre Augen- 
blase auch von unten her eingestülpt längs einer Linie, die von der 
Gegend der Linsenplatte (Fig. 294 Ip) zum Augenblasenstiel (st) reicht 
und sich auf diesen selbst eine Strecke weit noch fortsetzt. Es 
wuchert hier vom einhüllenden embryonalen Bindegewebe eine Blut- 
gcfäfsschlinge, in weiche, gallertige Substanz eingebettet, gegen die 
untere Fläche der primären Augenblase und ihres Stieles vor und 
drängt sie nach oben und medianwärts vor sich her (Fig. 297 nus). 

Infolge beider Einstülpungen (Fig. 29t) u. 297) gewinnt die 
Augenblase die Form eines Bechers oder einer Schale, zu welcher 
ihr Stiel (Sn) gleichsam den Fufs abgibt. Der Augenbecher, wie 
wir von jetzt ab die Bildung bezeichnen können, zeigt aber zwei 



Die Organe des aur''eren Keimblattes. 



295 



Fipentftmlichkeiton, Einmal besitzt er an seiner unteren Wand noch 
einen Defekt (Fig. 21>7 aus)\ denn es verläuft hier eine Spalte {aus) 
vom Rande der weiten, die Linse (/) umfassenden ÖflfnunK bis zum 
Ansatz des Stiels (Sw). Sie wird durch Entwicklung des Glaskörpers 
(///) bedingt und führt den Namen der fötalen Augen spalte. 
Anfänglich ist sie ziemlich weit, verengert sich dann aber mehr, 
indem die Ränder der Spalte zusammenrücken . und schliefst sich 
endlich vollständig. Zweitens ist der Augenbecher, ähnlich dem als 
Spielzeug gebräuchlichen Vexirbecher. mit doppelten Wandungen ver- 
sehen, die längs der vorderen (jffnung und der unteren Spalte in- 
einander übergehen. Sie sollen im folgenden als inneres (Fig. 20t> 
u. 297 ib) und äufseres Blatt 
(ah) unterschieden werden; 
ersteres ist der eingestülpte, 
letzteres der nicht einge- 
stülpte Teil der Augenblase. 
Beim Beginn der Einstül- 
pung (Fig. 297) sind beide 
Blätter {ab u. ih) noch durch 
einen Zwischenraum (A) ge- 
trennt, der durch den Augen- 
blasenstiel (Sn) in den drit- 
ten Ventrikel führt, in der 
Folgezeit aber in demsell>en 
Mafse enger wird, als sich 
im Innern der Glaskörper 
(gl) vergröfsert. Auch auf 
dem Durchschnitt durch das 
Auge eines menschlichen 
Embryo (Fig. 298) ist noch 
ein kleiner Zwischenraum 
zwischen den doppelten 
Wandungen des Bechers zu 
sehen. Schliefslich kommen 
äufseres und inneres Blatt 
dicht aufeinander zu liegen. 
Den Inhalt des Auges bilden 
dann die Anlagen der Linse 
(/e u. //') und des Glaskörpers 
((fl). Letzterer füllt den 
(irund, die Linse die Öff- 
nung des Bechers aus. 

Bei dem Einstülpungs- 
prozefs hat auch der Augen- 




Fig. 298. Durchschnitt durch das Auge 
eines mensoblichen Embryo aus dem zwei- 
ten Monat. 

pi rigmentcpithel = äursere Lamelle des 
Aiigenbechers, r Retina = innere Lamelle des 
Augenbechers: zwischen beiden Lamellen des 
Hechers ist noch ein schmaler Hohlraum vor- 
handen, gl Anlage des (ilaskörpers mit Gefafsen, 
<7i Mesenchym, .\nlage derChorioidoaund Sciera, 
tr Tunica vasculosa lentis, //" hintere verdickte 
Wand des Linsensäckchens, deren Zellen zu den 
Linsenfasern ausgewachsen sind, le dünnere, 
vordere Wand, Linsenepithel, h Anlage der 
Flornhaut, Ii Augenlider. 



blasenstiel seine Form ver- 
ändert. Ursprünglich ist er ein enges Rohr mit epithelialer Wandung, 
geht dann al)er in einen mit dop|)elter Epithelwand versehenen Halb- 
kanal über, indem seine untere Fläche durch die Bindegewebswuche- 
rung, welche nach vorn den (ilaskörper liefert, auch mit eingestülpt 
wird. Später legen sich die Ränder des Halbkanals zusammen und 
verwachsen untereinander. Hierdurch wird der Bindegewebsstrang mit 
«ler in ihm verlaufenden Arteria centralis retinae in das Innere des 
Stiels, der nun eine ganz kompakte Bildung darstellt, aufgenommen. 



296 



Elftes K«pitel. 



An der Kiitwickluug des Auges nimmt endlich das Mesenciiym. 
abgesehen davon, dafs es den Glaskörper liefert, auch noch dadurch 
Anteil, dafs seine an den Au^enbecher angrenzende Schicht rieh zur 

BlutirefUfsliaut und zur I'aserliaut des Auges differenziert. 



Die liK'i- 
des Auges i>t 



in aller Kürze ^a'^'eltene Skizze von der Kiitwiikluug 
jetzt im einzelnen noch weiter zu vervollständigen. 



Flüssigkeit erfüllten Hohlraum ein. Nach 



1. IMe Bntwlokluiig rtm IiIdm and Olaskdrper. 

Das vom Hornblatt vollständig ubgeschnurte Li nseusäck che u 
(Fig. 2f)6 Js) besitzt eine dicke Wandung, die von zwei bis drei Lagen 
von Eiiitlielzellen zusammengesetzt wild» und schliefst einen von 

aulsen wird es dunli 
eine dünne Membran, 
welche sich sptter zur 
L i n s (Ml k a p s e 1 (Cap- 
sula lentis) verdickt, 
schärfer abgegrenzt 
Bald treten in der Au8> 
bildung seiner vordereo 
und hinteren Wund er- 
hebliche Ditlerenzen auf 
(Fig. 298). Im Bereich 
der vorderen Wand 
flacht sich das Kjtithel 
mehr und mehr al> 
und wandelt sich in eine 
einfache Lage kubischer 
Elemente um , die in 
der Linse des Erwa» h- 
seuen das sogeuanule 
Linsenepithel bilden(H 
An der hinteren Wand 
dagegen nehmen die 
Zellen au Läuge sehr 
bedeutend zu und wach- 
sen zu langen Fasern 
aus. die einen hügel- 
artigen Vorspruug in 
die Höhle des S&ckchens 
iH'dingen (Fig. 298). Die 

I stellen <tM!l{) .■■•llt 

auf der hinteren Waml 
und werden nach dem 
Linsen-Ä(iuator (Fig. 
299 l') zu kürzer und 
schliefslich zu gewöhn- 
lichen Cylinderzelleu. 
und diese gehen wieder, 
indem sie noch nied- 
riger werden . in die 
kubischen Zellen des 
Linsenepithels Ober, so 




die 



9 r 

Fig. 299. TeU etnas 
Aograanlago eine« 



r- X tf tr k if h he 

SurchBOhnitta duroh 
Nach 



Man sieht einen Teil der l^inse, den Hand des 
Aiiconbechers . die Hornhaut und Aug»Mik:iinmer. 

I» ritriiii iid piilirl .Ifs AiiL'f-;, r Retina, r- liatiiixone 
doH A iitrt'iiliri lifis, // (ii'lafsf des ( ilaskorpcrs in der 
(i<'taf>Ka|isi'l der Linse, tr Tunii ;i Mi^culosa lentis^ 
Zusaniuivnhuni; der Aderhaut dt'> AllCO^ mit dcr 
Tiinitii vaMulo>a lentis, I' I'berKanf? des IJnsen- 
«•)iitlu I- in die I.in-pnfasern, k I,insenei>ithel. Angvn- 
kammer, d DuscsiiicTsihe Membran, n Hornbautf lie 
Hornhatttepitfael. 



L/iyij^uü by Google 



I>ie Organe. des äiirseren Kfiinlilnttes. 



21»7 



da Ts zwischen letzterem und den Linsenfaseni eine am Äquator ge- 
legene Chergaugszone zustande kommt. 

Das weitere L i n s e n w a c h s t u m ist ein a p p o s i t i o n e 1 1 e s. 
Viu die zuerst entstandeneu Faseru. die, weiter in die Länge wachsend, 
bald den ursprünglichen Hohlraum des Säckchens ganz ausfüllen und 
den Linsenkern liefern, lagern sich immer neue Fasern herum. Ihre 
Neubildung findet im Linsen - Acjuator in der oben beschriebenen 
Übergangszone statt, wo sich die kubischen Zellen des Linsenepithels 
durch Teilung längere Zeit vermehren und zu Cylinderzellen werden, 
die ihrerseits wiecler zu langen Fasern auswachsen und sich zwischen 
Linsenkeru und Linsenepithel dazwischenschieben. Parallel zueinander 
angeordnet verbinden sich die neu entstehenden Fasern zu Blättern, 
die in Schichten übereinanderliegen und sich an macerierten Linsen 
wie die Schalen einer Zwiebel aldösen lassen. Alle Fasern (Fig. 3no 
7/ ', //■") reichen von der vorderen 
bis zu der hinteren Fläche und 
treffen an ihnen mit ihren vorderen 
resp. hinteren F.nden in regelmäfsi- 
gen Linien zusammen, welche beim 
Embryo und beim Neugeborenen 
zwei dreistrahlige Figuren, die so- 
genannten Linsensterne (Fig. 
;{«M) ist u h.tt) darstellen. Diese 
zeigen die Kigentttmlichkeit. dafs 
ihre Strahlen an der vorderen und 
an der hinteren LinsenHikdie alter- 
nierend gestellt sind, derart, dafs 
die drei Strahlen des einen Sterns 
die Zwischenräume der drei Strahlen 
des anderen Sterns halbieren. Beim 
Erwachsenen wird die Figur eine 
kompliziertere, indem an jedem der 
drei Hauptstrahlen noch seitliche 
Strahlen entstehen. 

Beim Erwachsenen bestehen be- 
kanntlich keine besonderen Ernäh- 
rung s v o r r i c h t u n g e n für die 
Linse, welche sich nach erlangter (Iröfse nur wenig verändert und 
je<lenfalls nur einen geringen StotTwechsel besitzt. Anders liegt die 
Sache beim Embryo. Hier besteht zur Zeit des lebhafteren Wachstums 
auch ein besonderer Emährungsapparat; die Linse ist mit einer be- 
sonderen Gefäfshaut (Tunica vasculosa lentis) versehen (Fig. 2i»8 /r. 
2i»0(7). Darunter versteht man eine an Blutgefäfsen reiche Bindegrwebs- 
niembran. welche, nach aufsen von der Liusenkapsel gelegen, sie all- 
seitig einschliefst. Beim Menschen ist sie im zweiten Monat der Ent- 
wicklung l)ereits deutlich vorhanden. Hire (iefäfse stanmien von den 
Glaskörpergefäfsen ab. Sie sind daher an der hinteren Wand stärkere 
Stämmchen, die, in zahlreichere, feinere Zweige aufgelöst, sich um 
den Linsen - Äquator herumbiegen und nach der Mitte der vorderen 
Fläche verlaufen , wo sie mit Endschlingen aufhören und auch Ver- 
bindungen mit Gefäfsen der mittleren Augenhaut eingehen (Fig201>r). 
Ihre gröfste Ausbildung erreicht die Gefäfshaut im si<'benteii Monat, 
von welcher Zeit au sie sich zurückzubilden beginnt, (iewöhnlich ist 




Fig. 300. Schema zur Anordnung 
der Iiinsenfasem. 

Man sieht tli«' entgegengesetzte Lage 
(|p> vonleren tvst) und des hinteren 
Linsenstcrnes« (hst), If Verlaul' der 
MnKentasern an der vorderen Linsen- 
Häche und Ende an» vorderen liinsen- 
stern, //*' Fortsetzung derselben Fasern 
zum hinteren Linsenstern an der hin- 
teren Fläche. 



298 



Elftes KapiteL 



sie vor rler Geburt vollstäudig verschwunden: nur in Ausnahniefiilleu 
. bleibt der Teil bestehen, welcher, aul der vordereu Lius>eudätiie ge- 
legen, das Sehloch ausfüllt und als Membrana pnpülaris unterschieden 
worden ist. Seine Erhaltung beim Neuficborencn bezeichnet man als 
Atresia pupillae congenita. Gegen Ende Hos H!!!l)r)'onalen L('l>ens 
hat übrigens auch die Linse selbst ihr iiauptwachstum beendet. 
Denn nach Wftgungen, die vom Anatomen Huschke angestellt worden 
sind, hat sie beim Neugeborenen ein Gewicht von 123 mg, beim Er- 
wachsenen 100 mg. ?o diifs die gesamte Zininhme, die das Organ 
wahrend des Lebens erfährt, nur Ü7 mg beträgt. 

Die Entwicklung des Glaskörpers ist ein augenblicklich viel 
untersuchtes Thema« über welches indessen die Meinungen noch 
sehr auseinandergehen; es ist fraglich geworden, ob. wi»« tnnt: früher 
lehrte, nur das durch die fötale Augeuspalte in den Becher hinein- 
gewachsene Oallertgewebe (siehe 8. 294) sich zum Glaskörper um- 
wandelt. Von mancher Seite wird eine Beteiligung des Linsen- 
silckchens und auch des Augenbechers bei seiner Bildung ange- 
nommen. 

Der beim Erwachsenen ganz blutgeföfsleere Glaskörper ist beim 
Embryo mit Blutgeftfsen reichlich versehen. Der in die Achse des 
Sehnerven eingebettete Ast der Arteria ophthalmica, die Arteria 
centralis retinae, verlängert sich von der Papille des Sehnerven 
an in einen Ast, welcher als Arteria 1 yaloidea bezeichnet wird. 
Dieser verlftuft, in mehrere Zweige aufKeiost, nach vom durch dea 
Glaskörper zu der hinteren Flilche der Linse, wo sich seine zahl- 
reichen Eudäste in der Tunica vasculosa ausbreiten und am Äquator 
auf die vordere Linsentläcbe übergeben. In dem letzten Monat des 
Embryonallebens bilden sich auch die GefUiBe des Glaskörpers mit 
der Ernährungshaut der Linse zurück bis auf ein Rudiment des 
Hauptstammes, welcher von der Eintrittsstelle des Sehnei\>»ii nach 
vom zur hinteren Fläche der Linse verläuft und bei der Bückbildung 
sich in einen mit Flttssigkeit erfailten Hohlkanal, den Canalis 
hyaloidens, umwandelt 

8. Bto BiitwioUniis der Ang«iihiate wad des SeluMmii. 

Der Augenbecher wird gleichzeitig mit der ihn umhüllenden 
Mesenchymscbi' lit , weicht- sich in die mittlere und in die äufsei* 
Augenhaut suudert, weittM- nm^^ebildet, so dafs eine gemeinsame IV- 
sprechung beider geboten erscheint. Zum Ausgang diene das in 
Fig. 298 dargestellte. Stadium , auf welchem der Augenbecher mit 
einer noch weiten Öffnunj? das Linsensflckchen umfalst. Zwischen 
letzteres und das Horalilatt, von dem es sich abgeschnürt hat, ist 
bei den Säugetieren und beim Menschen schon gleich während der 
Abschnttrnng eine dflnne Mesenehymschieht dazwischengetreten. Sie 
verdickt sich bei ihnen jetzt rasch, indem Zellen aus der Umgebung 
in sie einwandern, und sondert sich dabei in zwei verschiedene Lagen. 
Die eine wird gefälshaltig, liegt der vorderen Linseuüäche unmitteU 
bar auf und stellt den vorderen Abschnitt der frtther erwähnten Ge- 
fUrshaut der Linse dar, und zwar jenen Bezirk, der die Öfl'nung des 
Augenberhcrs als Membrana pnpillaris verschliefst. Die andere Laire 
ist gefäfslos, grenzt an das Hornblatt au und stellt die Anläse flir 
die Homhant des Auges dar. Bald werden beide Schichten schärfer 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des ftofteran Keimblattes. 



299 



voneinander abgegrenzt dadurch, dafs sich zwischen ihnen ein schmaler, 
mit Flüssigkeit erfüllter Spaltraum ausbildet, welcher nichts anderes 
als die mit Hmnor aqueus erfüllte Angenkammer ist. 

Währenddem hat auch der epitheliale Angenhecher selbst seine 
BeschatTenheit verändert. Seine Äufsere und seine innere Lamelle 
werden immer verschiedenartiger voneinander. Die erstere (Fig. Jt'S 

u. 2ii9 pi) bleibt dünn und sU^Ut eine emtache 
r jh' m Lage kubischer Epith^lzellen dar. In ihnen 

lagern sich schwarze Pigmentkörnchen in 
immer reicherem Mafse ah. bis schlielslich 
die ganze Lamelle auf dem Durchschnittii als 
ein schwarzer Streifen erscheint Die innere 





dt l,»,S,1p$<kD h he 

Fig. aoi. 



Fig. WS. 

Fig. 301. Durehaehnltt daroh den Randteil 
des AttgenbeojMis tob. efnem Smbryo der Biog- 
droiMl (Tarda* mtietoaaX Nach Knctsa. 

rRi'tin:!, pi I'ifriiiontfipithel der lU-tina (äufsere 
Lamelle des Augenbechers), bi biiulefjewebiKe üm- 
hülluag des Augenbechen (Chorioidcu und SderaL 
* Ora serrata (Grenze twischen Randzone and 
Grund des Augenbechers), ck Ciliarkörper, 7. 3. 
Iris, 1. u. äufsere und innere Lamelle der Pars 
iridis retinae, 3. Hinde^ewebsnlatte der Iris, Ip Li- 
gamentum pectinatum indis, sch ScHLKuiischer Kanalt 
T) Des« KMKTsche Membran, h Hornhaut, k§ Horn- 
hautepithel. 

Fig. :m. Quersähnitt dnroh den OUiarteil 
des Au^es von einem Katsen-SmbKyo tron 
10 cm liänge. Nach Kk^leb. 

Man siebt drei durch Einfaltun« des Augen- 

betliers entstandene Ciliarfortsät/e (I'rnccssus cili- 
ares), fn bindegewebiger Teil des Ciliarkörpers, ib 
inneres Hlati, ah aufseres pignieniieites Rlatt des 
Aogenbechers, bi' Binde^ewebsbiatt, das in die 
EpFtbelfillte eingedrungen ist . 



Schicht (r) dagegen bleibt mit Ausnahme eines Teils der Rnndzone ganx 
frei von Pigment; sie verdickt sich bedeutend, indem die Zellen, wie 
in der Wand der Himblaseu, mehrfach Ubereiuauderliegeu, sich strecken 
und spindelige Formen annehmen. Femer treten Beehergrnnd 
und Becherrand in einen Gegensatz ineinander und eilen ver- 
schiedenen Bestimmungen entgegen; denn der eine wandelt sich zur 
Netzhaut um, der andere ist in hervorragendem Mal'se an der 
Bildung des Ciliarkörpers und der Iris beteiligt. 



Digitlzed by Google 



300 



Elftes Kapitel. 



\}er BecliPrrn II tl (Kifr. 2i»9 rz, H(H u. ^^02) verdüuut sich stark, 
iiulem sich die Zelloii seines inneren Blattes in einfacher Schicht an- 
ordnen, eine Zeitlang noch eylindrisch sind, dann eine kuhinche Form 
annehmen. Mit seiner Vt r(!ünnuii?: ^cht frleiclizeitip; eine Ausdehnung 
in der FlRche einher. Iniolgedessen wfti hst jetzt der Kand de< 
Bechers in die oben bescliriehene, mittlerweile nocli grölser gewordene 
Augenkammer zwischen Hornhaut und vordere Linsenflftcne hinein, 
bis er nahezu die Mitte derselben erreicht hat. Er umgrenzt dann 
schliefslich nur noch eine Öffnung, die in die Höhle des Augenbechers 
hineinfuhrt, das Sehloch oder die Pupille. Von dem liandbezirk 
des Bechers leitet sich die Pigmentschicht der Iris her (Fig.Stil 
1 u. J2) Wie in der äuiseren. lagern sieb jetzt auch in der inneren 
Epitliellamelle Pigmentkörnchen ab, so dais schliefslich beide nicht 
mehr als getrennte Lagen zu unterscheiden sind. Mit der Flächen- 
ausbreitung des Becherrandes hält die ihm von aufsen anliegende 
Mesenchyndiülle gleichen Schritt. Sie verdickt sich und liefert das 
mit GrfiUsrn reich versehene Strnma der Iris (Fi^. :W1 3). !>i''«t^s 
geht bei ^Säugetieren (Fig. 299 j:) eine Zeitlaug in die Tunica vascuiusa 
lentis (tv) über, infolge<lessen das Sehloch bei den Embryonen durch 
eine feine, blutgefäfsftthrende Bindegewebshaut verschlossen ist, wie 
schon fri^lier (S. 297) erwähnt wurde. 

Eine interessante Veranderiint: erfährt der an die Pif^meutschicht 
der Iris angrenzende und den Äquator der Linse uuigel>ende Teil 
des Augenbeehers, der ebenfalls noch mit zur verdOnnten Randione 
hinzugehört (Fi^i. ^'Ol rJ:). Fr ])ildet sich gemein^^ani mit der an- 
grenzenden Mesencliyniscliiclit /u dem Ciliarkörper des Auges 
um. Der Prozels beginnt beim Hühnchen am neunten oder zehnten 
Tage der BebrQtung (KkssitSR), beim Menschen am Ende des zweiten 
oder Anfang des dritten Monats (Köllikf.r). Die verdünnte, epitheliale 
Doppellamelle des Bechers le^rt sich infolge eines besonders inteu- 
äiveu Flächenwacbstums in zahlreiche kurze Falten, die, parallel zu- 
einanderges teilt, in radiärer Richtung den Linsenftqoator umgeben. 
Am Wucheningsprozefs beteiligt sich die angrenzende Mesenchym- 
schieht , wie an der Iris, so anch hier und. dringt mit feinen Fort- 
sätzen zwischen «lie Faltenblatter hinein. Über ihre ursprüngliche 
Form bei Säugetieren gil)t ein Querschnitt durch den eingefalteten 
Teil des Augenbechers von einem 10 cm langen Katzen-Embryo 
(Fig. i302) Aiifschhifs. Fr /.eiLrt, da!V die einzelnen Falten sehr srhninl 
sind und in ihrem Innern nur eine sehr geringfügige Menge embryo- 
nalen Bindegewebes {hi) mit feinen Capillaren einschliefsen, dafs von 
den beiden Epithellagen im Unterschied zum Pigmentepithel der Iris 
nur die äuCsere pigmentiert i^t während sich die innere (ih) 
auch später unpigmentiert erhält und aus kurzen, cylindris( lien Zellen 
zusammensetzt. Später nehmen die Ciliarfortsätze durch ^ ermehrung 
des an Blutgefäfsen sehr reichen Bindegewebsgerüstes an Dicke be> 
deutend zu und gehen eine festere Verbindung mit der Linsenkapsel 
durch Ausbildung derZonnla Zinnii ein. Diese entsteht nach den 
Angaben Köllikkks lieim Menschen im vierten Monat durch einen Vor- 
gang, der hier wie bei anderen ^ugetieren noch wenig aufgeklärt ist — 
Kacli neueren Untersuchungen nehmen von den in die Iris und den 
Ciliarki^rper einirebetteten Muskelfasern der M. s))hineter iridis und der 
M. dilatator pupillae von dem äulsereu Epithelblatt des sekundären 
Augenbechers, die Ciliarmuskeln aus Mesenehjmzellen ihren Ursprung. 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe den uuräeren KeimblatUiü. 



aoi 



Der ürund des Bechers (Fig. 298, 2111», 301) liefert den 
wichtipten Teil des Auges: die Netzhaut. Seine innere Lamelle 
(r) verdickt sich hier io sehr hohem Grade uud gewiaut, indem ihre 
ZeHen za langen Spindeln werden und sich in mehreren Lagen in- 
einanderschieben, ein ähnliches Aussehen wie die embryonale Hirn- 
wand. Gegen den verdünnten Teil des Au^ienliecliers. welcher die 
Ciliarfalten bildet, setzt die Metzhaut sich spater mit einer ge- 
zackten Linie, der Ora serrata. ab (in Fig. 301 an der mit einem 
Kreuz bezeichneten Stelle). Frühzeitig gewinnt sie auch an ihren 
beiden Flächen eine schärfere Bejrrenzunp durch Ausscheidung zweier 
feiner Häutrben: gegen die Anlage des Glaskörpers zu tnenzt sie 
sich durch die Membrana JimiLans interna, gegen die äulseie Lamelle, 
die zum Pigmentepithel wird, durch die Membrana limitans externa ab. 

Im Fortgang der Entwicklung: differenzieren si( Ii ihre gleich- 
artigen Zellen in sehr vers^chiedener Weise, wodurch die hekanuteu, 
von Max bCHULizE unterschiedenen Schichten zustaujie ktuumen. ihre 
Geftfte erhalten sie dadurch, dafo von der in den Augenblasenstiel 
eingeschlossenen Art. centralis retinae Gefälsschlingen in sie hinein- 
wachsen, eingehüllt von aufserordentlich dUnnen, bindegewebigen 
Scheiden. 

Von den einzelnen Schichten der Ketzhaut entwickelt sich am 
spAtesten die so bemerkenswerte Stäbchen- und Zapfenschicht. 
Rolanpre sie noch fehlt, ist hei allen Wirbeltieren da? innere Blatt 
des Augenbechers gegen daf äuisere durch einen vuilkummen glatten 
Contonr abg^renzt, der von der Membrana limitans externa her- 
rührt. Dann erscheinen auf dieser zahlreiche, kleine, glänzende 
Höcker, die von den perijdieren Enden der äufseren Kölner oder 
<Ier Sehzellen ausgeschie<ien worden sind. Die Höcker, welche aus 
einer protoplasmatischen Substanz bestehen und sich in Karmin rot 
färben, strecken sich in die Länge und erhalten die Form des Innen- 
gliedes. Zuletzt setzen sie an ihrer Oberfläche das .Aufsenglied an, 
welches Max SciirmK und W. Mt-LLEK wegen seiner laniellösen 
Struktur einer (juticularbildung vergleichen. Indem die StÄbchen 
und Zapfen der Sehzellen in dieser Weise Aber die Membrana limitans 
externa bervorwachsen, drinpien sie in die dicht anliejiendc. änfsere 
Lamelle des Augenhechers hinein, welche zum Pigmeutepitliel der 
iietiua (Fig. 301 pij wird; sie kommen mit ihren Aufsengliedern in 
kleine Nischen der grofsen, hexagonalen Pigmentzellen zu liegen, so 
dafs die einzelnen Elemente ringsum durch pigmentierte Seheide- 
wände isoliert werden. 

Noch einige Worte Uber die bindegewebige L'mhüllung, die dem 
Cirunde des Augenbechers zugeteilt ist. Sie gewinnt hier ebenso wie 
am Ciliarkörper und an der Iris ein besonderes, fflr diesen Abschnitt 
charakteristisches Gepräge. Sie sondert sieh m Gefafs- und Faser- 
haut, die beim Menschen in der sechsten Woche (Kölukkk) unter- 
schfiidbar werden. Die «rstere zeichnet sich früh durch ihren Ge- 
ftl^reicbtum aus und entwickelt nach dem Augenbecher zu eine be- 
sondere, mit engen Mn^chen capillarer Gefäfse au-L" stattete Schicht, 
die Cboriocapillaris, die zur F.rnährung der Pigment-. Stäbchen- und 
Zapfenschicht des Auges dient, da diese eigener Blutgefäfse ent- 
behren. Eine weitere \ ers( hiedenheit im Vergleich zum Ciliar- 
körper besteht noch darin, dals am Grunde des Augenbechers die 
Aderhaut von den angrenzenden Uäuteu des Auges leicht trennbar 



Digitized by Google 



Elftes Kapitel. 



ist, während am Giliarkürper zwischen allen ein fester Zusammen- 
hang stattHndot, 

Wenn wir jetzt noch aut die zuletzt besprocbeuen Eutwicklimgs- 
prozesse einen Rttekbliek werfen» so wird uns aus der kurzen Skizze 

das eine klar hervortreten, dafs für die Entstehung der einzetaiett 
Augenahschnitte die Formverftnderungeu des sekundJlrcn Augen- 
becherä von hervorrageuder Bedeutung siud. Durch verschiedenartige 
Wacbstumsprozesse, die im fünften Kapitel eine allgemeine Be- 
sprechung gefunden haben, sondern sich an ihm drei verschiedene 
Allschnitte. Durch Wachstum in die Dicke und vcri^ Iii. lenartige 
DitVerenzierung der mehrfachen Zellenlagen wird die Netzhaut . da- 
gegen durch Ausdehnung in die Fläche ein vorderer, verdünnter 
Teil gebildet, welcher das Sehloch umgrenzt und durch FaltenbilduDg 
in der Umgebung der Linse eine neue Sonderun g in zwei Abscliiiitte 
einsieht. Aus dem eingefalteten, an der Ora serrata von der Netz- 
haut Sich abgrenzenden Abschnitt entwickelt sich der innere Epithel- 
ftberzug des Cili&rkörpers, aus dem glatt bleibenden, verdünnten, das 
Sehloch umgebenden Abschnitt das rifznientepithel (Uvea) der Iri- 
An dem sekundären Augenbecher hat man mithin jetzt drei Bezirke 
als Retina-, Ciliar- und Iristeil zu unterscheiden. Jedem Bezirk 
pafst sich das angrenzende Bindegewebe und namentlich der Teil, 
der zur mittleren Augenhaut wini, in eigenartiger Weise an und 
liefert hier die Bindegewebsplatte der Iris mit ihrer ghitten Mus- 
kulatur, dort das Bindegewebsgerüst des Ciliarkorpors mit dem Ciliar- 
muskel, dort die blutgefiirsreiche Chorioidea mit der Ghoriocapillaris 
und Lamina fusca. 

Am Augenbecher war bei seiner Entwicklung »'hh' Spalte an 
seiner unteren Wand entstanden (Fig. 2U7 «ms;. Sie bezeichnete die 
Stelle, an welcher die Anlage des Glaskörpers in das Innere hinein- 
gewachsen war. Was ist schliiMich ihr Schicksal? Die Spalte, 
welche in der Literatur meist als C Ii o r i o i d e a 1 s p alte antVefiihrT 
wird, ist eine Zeitlang leicht kenntlich, wenn sich in der aulsenn 
Lamellt' iles Augenbechers Pigment abgelagert hat. Dann nämlich 
erscheint sie an der unteren, inneren Seite des Augapfels als ein 
heller iin[»igmentierter Streifen, welcher von der Eintrittsstelle des 
Seliuerven nach vom bis zum Pupillarraude reicht. Später j^eht der 
helle Streifen verloren. Die Augenspalte schliefst sich, iiulem ihre 
Rftnder verwachsen und in der Naht sich Pigment ablagert Beim 
Hühnchen geschieht dies am neunten Tage, beim Menschen in der 
sechsten bis siebenten Woche. 

Zuweilen wird beim Menschen der normale Entwicklungsprozeis 
gehemmt, so dafo die Ränder der Augenspalte offen bleiben. Pies 
hat dann meist auch eine mangelhafte Ausbildung <ler Gefäfshaut des 
Auges an der entsprechenden Stelle tut Folire, ein Zeichen, wie sehr 
die Entwicklung der bindegewebigen L mhuliung — was schon früher 
betont wurde — von den Bildungsprosessen der beiden Epithelbl&tter 
abhängig ist. Es fehlt daher längs eines vom Sehnerven l>eginnenden 
Streifens sowohl das Retina- als auch das Chorioidealpi^iment . so 
dafs nach innen die weifse Faserhaut des Auges durchschimmert 
und bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel wahrgenommes 
werden kann. Wenn der Defekt sieh gauK bis nn< Ii \mn zum Rande 
der I*npiHe er<troc1<t. kommt es zu einer Spaltftildun;.! in der Iris, 
welche bei äuiserlicher Besichtigung des Auges leicht auffällt Die 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe dcä äuCseren Keimblattes. 



303 



beiden Hemmungsbilduugen werden als Chorioideal- und Iris- 
spalte (Coloboma chorioidea« und Coloboma Iridis) voneinander 

unterschieden. 

Die Entwicklung üe.s Sehnerven. Dadurch, dafä die priuiftre 
Augenblaae durch die Anlage des Glaskörpers von unten her ein- 
gestülpt worden ist, steht der A ugenblasen stiel (Fig. 207), der 
die Ver]»iiidung mit dem Z\vis( lienhiru vermittelt, mit beiden Rliltteru 
des Bechers in direktem Zusammenhang. In das änfsere IMatt oder 
diis Pigmentepithel der Retina geht seine dorsule Wand Ulm, in das 
innere Blatt, welches zur Netzhaut wird, verlängert sich seine ventrale 
Wand. So hat die Kntwirklung einer unteren Augen- 
si>alte. abjie sehen von der AnInge des Glaskörpers, 
auch uoeh eine Bedeutung dafür, dats Retina und Seh- 
nerv in direkter Verbindung bleiben. Denn wenn wir uns 
die Augenblase allein an ihrer vorderen Fläche durch die Linse ein- 
gestülpt denken, so würde die Wandung des Sehnerven sich nur 
in das äul'sere, nicht eingestülpie Blatt fortsetzen, dagegen mit der 
Retina selbst oder dem eingestuliiten Teil ohne direkten Zusammen- 
hang sefn. 

Ursprünglich stellt der Selinerv eine nühre mit enger ITrdilung 
dar. welehe den Hohlraum der Augenblase mit dem dritten N'entrikel 
verbindet (Fig. 204). Allmählich geht er in einen soliden Strang 
Ober. Bei den meisten Wirbeltieren geschieht dies einfach in der 
Weise, dafs die Wandungen des Stiels durch Wucherung der Zellen 
sich verdicken . bis der Hohlraum zum Schwund gebraeht ist. Bei 
den Säugetieren wird in dieser Art nur der gröfsere, an da.s Gehirn 
grenzende Abschnitt umgeändert, der kleinere, an die Augeublase 
sich ansetzende Teil wird eingestülpt, indem sich die Augenspalte 
noch eine Strecke weit nach rückwiirts verlängert und die ventrale 
gegen die dorsale Wand eindrückt Hier nimmt demnach der Seh- 
nerv die Form einer Rinne an, in welche sieh ein bindegewebiger 
Strang einbettet mit einem Blutgefäfs, das zur Arteria centralis 
retinae wird. Das Gefäfs wird später durch Verwachsung der Rinnen- 
ränder ganz in das Innere aufgenommen. 

Eine Zeitlang besteht der Sehnerv einzig und allein aus spin- 
deligen, geschichteten, radiär gestellten Zellen und gleicht in seinem 
feineren Aufbau der Wandung des Gehirns und der Augenblase. 
Über wi iteren Umwandhingen und vor allen Dingen tlber die 

F-ntstehuug der I<iervenfasern in ihm machen sich ähnliche ver- 
schiedene Ansichten wie über die Entstehung der peripheren Nerven- 
fasern geltend. Indessen geht die Meinung der meisten Forscher 
dahin, dafs die Nervenfasern als AchseiiL\linderfortsätzo der Ganj^lien- 
zellen der Retina entsteht'n und im Sehstiel, den sie gewissermaisen 
als Leitbahu benutzen, und dessen Zeilen nur ein Gliagerüst liefern 
sollen, nach dem Gehirn zu aus wachsen. 

Nach aufsen wird der embryonale Sehnerv von einer Bindegewebs- 
hülle umgeben, die sich wie am (Jehirn und sekundären Augenbecher 
in eine innere weiche, blutgcfäfsreiche und in eine aufsere derh- 
faserige Schicht sondert. Die erstere oder die Piaischeide verbindet 
die weiche Hirnhaut und die Aderhaut des Auges, die letztere oder 
die Duralsciicide ist eine Fortsetzung der Dura mater und geht am 
Augapfel in die Sclera Uber. Später gewinnt der Sehnerv eine noch 



.Digitized by Google 



804 



Elftes Kapitel. 



küiupliziertere Struktur dadurch, dafs die l'ialsclipide mit gefals- 
haltigen Fortsätzen iu das Innere hineinwächst und die Kervenbtiiidel 
;UDd die ihnen zugeteilten, epithelialen StQtzzellen mit bindegewebiges 
UmhQl langen versorgt. 

8. Die Bntwiokltmg der Hilfiiorgaiie des Anges» 

Mit dem Augajifol treten Ililfsapparate in Verbindung, die in 
verschiodrner Weise zum Schutz der Horiiliaut dienen: die Augen- 
lider mit den MEUBUMscbeu DrUseu uud den Wimpern, die Tränen- 
(IrQse und der Trftnenkanal. 

Frühzeitig entwickeln sich das obere und das untere Augenlid 
indem die Haut in eini'/er Entfernung vom Homhautniude zwei üher 
die Obertiäche hervorragende Falten bildet. Die Falten wachsen von 
olien und unten Ober die Hornhaut herüber, bis sie sich mit ihren 
Rftndern bertthren, und erzeugen so vor dem Augapfd den durch 
(lie I.id^^palte geöffneten Con junrti valsack. Bei manctien Saiiu'e- 
tieren und ebenso beim Menschen kommt es wählend des embryoualen 
I^ebens zu einem vorübergehenden Verschlufs desselben. 
Die Lidränder vereinigen sich in ganzer Ausdehnung und verwachsen 
mit ihrem EpithelUberzug. Beim Menschen beginnt die Verwacli'^nug 
im dritten Monat und bildet sieh meist kurze Zeit vor der Geliurt 
wieder zurück, welchen Vorgang man als die Lösung der Augen- 
lider l)ez<'i( linet. — Während der Verwachsung entwickeln sich an 
ihrem Rande l>eini Men>clien die MKniOMSchon Drüsen. Die Zellen 
des Kete Malpighii fangen an zu wuchern und in die mittlere, liitide- 
gewebige Platte der Augenlider solide Zapfen zu treiben, die sich 
etwas spftter mit seitlichen Knospen bedecken. Eine Höhlung er- 
halten die anfangs vollständig soliden Drtisen dadurch, dafs die 
central gelegenen Zellen verfetten und sich auflösen. Zur irleichen 
Zeit etwa erfolgt auch die Anlage der Augenwimpern, welche mit 
der Entwicklung der gewöhnlichen Haare übereinstimmt und daher 
bei diesen in einem späteren Kapitel besprochen werden wird. 

Bei den meisten Wirbeltieren gesellt sich zu dem oberen und 
dem unteren Augenlid noch ein diittes hinzu: die Nick haut oder 
Membrana nictitans, welche sich an der inneren Seite des Auges als 
eine senkrechte Falte der Bindehaut (Conjunctiva) anlegt. Beim 
MpTt^' hen ist sie nur in verkümmertem Zustand als rlica semihrnaris 
vorhanden. Eine Anzahl kleiner Drüsen, die sich in ihr entwickeln, 
bedingt ein kleines, rötliches Knötchen (die Caruncula lacrimalis). 

Ein weiteres Hilfsorgan des Auges, weiches dazu bestimmt ist, 
<len Conjunctivalsack ieuclit und die vordere Fläche der Hornhaut 
rein zu erhalten, ist die Tränendrüse. Sie entwickelt sii Ii beim 
Menschen im dritten Monat durch Sprossenbildung des Epithels des 
Gonjunctivalsackfl an der Aufsenseite des Auges an der Stelle, wo die 
Bindehaut des oberen Augenlides in die Bindehaut des Augapfels 
übergeht. Die Sprossen verzweigen sich vielfach sind zunächst, wie 
itie MEiBüMschen Drüsen, solid und höhlen i>icü uuch und nach vom 
HauptausfOhrgang nach den feineren Zweigen zu aus. 

Um das im Conjunctivalsack sich ansammelnde Sekret der ver- 
schiedenen Drüsen, vornehmlich aber die Trflnentlttssigkeit . zu ent- 
fernen, hat sich ein besonderer Tränen ausführapparat ent- 
wickelt, der von dem inneren Augenwinkel in die Nasenhöhle führt 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des äufseren Keimblattes. 305 

und von den Amphibien an in alltMi Wirheltierklassen vorgefunden wird. 
Bei den Vögeln, den lSäU}j;etieren und dem Menschen (Fig. 3<i3) ist 
die Stelle, an welcher sich der Tränenkanal anlegt, schon äulserlich 
frühzeitig gekennzeichnet durch eine 
Furche, welche vom inneren Augen- 
winkel zur Nasenhöhle führt. Durch 
sie werden zwei Wülste schärfer ab- 
gegrenzt, welche als Oberkieferfort- 
satz und als äufserer Nasenfortsatz 
bei der Bildung des Gesichts eine 
B(dle spielen, wo sie uns später noch 
weiter beschäftigen werden. \m 
Grund der Furche entsteht hierauf 
<lurch Wucherung der Epidermis eine 
K])ithelleiste , die sich ablöst und 
später zu einem Kanal aushöhlt. Von 
den beiden Tränenröhrchen soll das 
obere auf das Aufaugsstück der 
Epithelleiste zurückzuführen sein, wäh- 
rend das untere aus dem oberen nach- 
träglich hervorsprofst. (Bükn, Leoal.) 

Ii. Die Eiitwirkliin^ des («elioror^ans« 

Die drei Hauptabschnitte, in welche mau bei der anatomischen 
Beschreibung das Gehörorgan zerlegt, werden zweckmäisigerweise 
auch bei der Darstellung seiner Entwicklungsgeschichte zur Ein- 
teilung benutzt. Wir besprechen daher die Entwicklung 1) d«'8 
inneren Ohres, 2) des Mittelohres (Paukenhöhle und Ohrtrompete) 
und 3) des äul'seren Ohres. 

1. Die Entwicklung des inneren Ohres. 

Das innere Ohr nimmt frühzeitig seinen Ursprung aus dem 
äul'seren Keimblatt , also aus demselben Mutterboden , von welchem 
auch die Anlage des Centrainervensystems und das Sinnesepithel 



Fig. 304. Kopf eines menschlichen 
Embryo (7,6 mm Naokenlänge). Aus 
Hl». Menschliche Kmbryoneri. 

Oberhalb der ersten Schlundä))alte liegt 
das Ohrbläschen. In der Umgebung der 
Schlundspalte sieht man sechs mit Ziffern 
bezeichnete Höcker, aus denen sich dlis 
äuTsere Ohr entwickelt. 

von allen übrigen Sinnesorganen abstammen. So grofs beim ¥a'- 
wachsenen seine Komplikation ist, welche ihm auch den Namen 
Labyrinth eingetragen hat , so einfach verhält sich seine früheste 
Anlage. Sie entsteht an der Uückentiäche des Embryo inder(iegend 
des Nachhirns (Fig. 'lH)gh), oberhalb der ersten Schlundspalte und 
des Ansatzes des zweiten Schlundbogens (Fig. 3«>4 oberhalb der 
Ziffer 3). Hier verdickt sich das äulsere Keimblatt in einem kreis- 

O. Ilertwig, Dio Klfinent«> <lvr KntwickliinKMiohr«. J. Aull. 20 




Fig. 303. Modell dea Vordor- 
koprs eines menschlichen Em- 
bryo von 10,6mmljäng:o. \2J>>^.. 
Nach 1'ktkr. 

•IR ,1 Acoiisoxsohe Hinne; anf, 
itif äiifst'rer und innerer Nasenfort- 
satz, oA-, Iii Ober- und Untrrkiel'er- 
foitüatz, jnj l'ro«essus globularis. 




300 



Elftes Kapitel. 



förmigen Bezirk und senkt sich alsbald zu einem Hörgrübchen 
ein (Fig. 305). Es liifst sich dieser Vorgang bei Hühner-Embryonen 
vom Ende des zweiten Brüttages au und liei 15 Tage alten Kaninchen- 



af hn vm hg 




Fig. 30.5. Querschnitt durch die Horgrübchen eines Hühner-Embryo 
am B weiten Tage der Bebrütung. 

hg Hörgrülichen, rm verlängertes Mark, hn Anlage des Hörnerven und Gang- 
lion acustimm zwischen Ilorprübchen und verlängertem Mark, a dii; primitiven 
Aorten, d Kopfdarnihohle, ec Kndothelhäutchen des Herzens (Endokard i. mc An- 
lage der Muskelwand des Herzens, c Keimblaseni oelom, ge fiefäfse in der W and 
des Dottersackcs, af Amnionfalte. / äufseres Keimblatt, 2 Hautfaserblatt, 3 Dann- 
faserblatt, 4 Harmdrüsenblatt. 

Embryonen auf das leichtt^ste verfolgen. Das Hörgrübchen liegt der 
Wand des verlängerten Markes fast unmittelbar an und ist an seinem 
Grund mit ihr durch einen kurzen, faserigen Strang, welcher auch 
viele Zellen einschliefst , verbunden. Der Strang {hn) ist die schon 

auf diesem frühen Stadiuni deut- 
lich ausgeprägte Anlage des 
Hörnerven mit dem (langlion 
acusticum. 

Nach kurzem Bestand wan- 
delt sich das Epithelgrübchen zu 
einem Hörbläschen um, indem 
seine Einstülpungsränder ein- 
ander entgegenwachsen und ver- 
schmelzen (Fig. 27(> hh). Ein 
solches (Fig. 30(3 hh) zeigt auch 
der vierwöchige menschliche 
Embrj'o. mit dessen Augenanlage 
wir schon früher durch Fig. 2!>4 
bekannt geworden sind. 

In seiner ersten An- 
lage gleicht das Gehör- 
organ der Wirbeltiere im 
höchsten Grade den Ein- 
richtungen, welche beiden 
meisten Wirl)ellosen als 




Kip. IlOT). Prontalsehnitt durch die 
Gegend des verlängerten Markes 
und durch die Hörbläschen des in 
Fig. 160 abgebildeten menschlichen 
£mbryo, dessen Augenanlage in 
Fig. 204 dargestellt ist. 

u verlängertes Mark mit gut ausge- 
prägten Neuromeren, hn Htiriierv, hb Hör- 
Dlaschen, r; Vena jugulari^«. 



Die Orgauc des äiirseren Keimblattes. 



307 



Gehörorgane gedeutet werden. Es sind dies unter der Haut 
gelegene, mit Endolymphe gefüllte Bläschen, welche ihre Entwicklung 
ebenfalls von der Ei)idermis nehmen. Sie sind im Innern von Epithel 
ausgekleidet, welches aus zwei verschiedenen Arten von Zellen l)esteht : 
erstens aus niedrigen, platten Elementen, die gewöhnlich flimmern 
und dadurch die Flüssigkeit im Innern des Bläschens in Bewegung 
setzen, und zweitens aus längeren, cylindrischen oder fadenförmigen 
Hörzellen mit steifen Haaren, die in die Endolymphe hineinragen 
und. meistens zu Gruppen vereint, eine Macula oder Crista acustica 
herstellen. Zu allen Hörhläschen der Wirbeltiere tritt ferner ein 
Nerv heran, welcher an den Sioneszellen mit feinen Fäserchen endet. 
Endlich Hndet sich noch als eine charakteristische Bildung ein fester, 




Kig. :107. Fig. HOS. 

Fig. 807. HäutigeB Labyrinth der linken Seite eines Schweine- 
JBmbryo. Narh einem Wachsinodell von H. Kkau»k. 

rl Recpssus labyriiithi , de Ductus i-ochlearis (häutiger Schnockcngang), hb 
Tas«he, aus der sich der horizontale Bogengang entwickelt, am* Erweiterung der 
Tasrhe. die zur Ampulle des horizontalen Ho>;eiiganges wird, am{rh) rb' * gemein- 
same Tasche, aus der sich die beiden vertikalen Bogengänge bilden, am (rh) Kr- 
weiterung der gemeinsamen Ta.si he, aun der die Ampulle des vorderen vertikalen 
Bogenganges entsteht. In der Tasche ist die Öffnung (ö) entstanden, durch die 
man Jen Kecessus labyrintlii hindurch erblickt. • Strecke der Tasche, die zum 
gemeinsamen pjnmündungsschenkel (Sinus superior) wird, rti' Teil der gemein- 
samen Tasche, der ilen hinteren vertikalen Bogengang liefert. 

Kig. 30S. Senkrechter Durchschnitt durch die Labyrinthblase eines 
Schaf-Embryo von 1,3 cm Länge. .SOfach \ crgrnf>ert. Nach HKTicuiiK. 

«/( Wand d»'s N'achhirns. rl Kecessus labyrintlii, Ib l.abyriiilhblaschen , de 
Ganglion cochleare, welches einem Teil des l.abyrintliblaschens (De) anliegt, der 
zum Schneckengang auswächst. 

kristallinischer Körjjer vor. der Hörstein oder Otolith, der mitten in 
der Endolymphe schwebt und durcii den Schlag der Fiimmerhaare 
gewöhnlich in eine vibrierende Bewegung versetzt wird. Er besteht 
aus Kristallen von phosphor- oder kohlensaurem Kalk. 

Bei den Wirbeltieren wandelt sich das Hörbläseben , das in der 
ersten Anlage, wie wir gesehen haben, mit dem Gehörorgan der 
Wirbellosen übereinstimmt, durch Metamorphosen, bei denen Falten- 
bildungen und Abs ch n ür un gen die Hauptrolle spielen, in ein 
sehr kompliziertes Gebilde, das häutige Labyrinth, um. dessen Ent- 

20* 



308 



Elftes Kapitel. 



Stehung ich für die Säugetiere näher beschreihen werde. Bah! nach 
seiner Abschnürung von der Epidernns erhält es eine nach oben ge- 
richtete kleine Hervorragung, den Labyrinthanhang (Recessus 
labyrinthi oder Ductus endolymphaticus [Fig. 8(>8W]); auch l)eginDt 
es jetzt mehr in die Länge zu wachsen und noch etwas später sich 
nach abwärts in einen kegelförmigen Fortsatz (de), die erste An- 
lage des Schnecken ganges (Ductus cochlearis), zu verlängern. 
Derselbe ist nach dem Gehirn zu (Fig. -iOi» nh) ein wenig einge- 
krümmt und liegt mit seiner konkaven Seite dem schon oben er- 
wähnten Hörnerven dicht an, der mittlerweile sich auch weiter ent- 
wickelt hat und an dieser Stelle eine gangliöse Anschwellung (<7c) zeigt. 

Zur besseren Übersicht der folgenden Darstellung wird es dienen, 
wenn wir jetzt eine obere und eine untere Abteilung am 




Fig. :{09. Querschnitt durch den Kopf eines 1.6 om langen Schaf- 
Embryo in der Gogend der Labyrinthblase. Auf der rcchton Seit»- ist ein 
mitten durch die iiUlivrinthblase geriibrt4.'r Schnitt gezeichnet, links ein etwa> 
mehr nach vorn fallender. Nach Höttcher. 

hti Hörnerv, vif vertikaler Bogengang, (/r (ianglioii cochlcare (spiraleX ffc Dm tos 
cochlearis, /' einspringende p'alte, wodurch die LabyrintJiblase in Utriculus und 
>^acculus zerlegt wird, i7 Recessuu labyrinthi, yih Nachhirn. 

Labyrinth unterscheiden. Zwar sind die8ell)en noch nicht deutlich 
voneinander abgegrenzt, werden aber auf späteren Stadien durch eine 
nach innen vorspringende Falte (Fig. 309, 310, .311 / ) immer schärfer 
gesondert. 

Die obere Abteilung (pars superior) liefert den 
Utriculus mit den halbkreisförmigen Kanälen. Von 
diesen entstehen am frühesten die beiden senkrecht gestellten Kaniile. 
während der horizontal liegende eine etwas spätere Bildung ist. Wie 
an den verschiedenen Durchschnitten (Fig. 3o!» u. 310), noch besser 
aber an dem durch Rekonstruktion gewonnenen Modell (Fig. 3o7) zu 
erkennen ist. entwickeln sich die halbkreisförmigen Kanäle dadurch, 
dals von fler Blasenwand mehrere Ausstülpungen hervorgetriehen 



Die Organe des äufseren Keimblattes. 



werden, welche die Fomi von dünnen Taschen oder Scheihen rh) 
und einen halbkreisförmigen Umriis besitzen. An jeder derartigen 
Ausstülpung weitet sich nun der Handteil in bedeutenderem Malse 
aus. wahrend im übrigen Bezirke die beiden Epithelblätter sich fest 
aufeinanderlegen und zu verkleben beginnen. Infolge dieses ein- 
fachen Vt»rganges erhillt man einen lialbkreisförniigen Kanal, der au 
zwei Stellen mit dem ursprünglichen Hohlraum des Bläschens kom- 
muniziert und sich an einer der Mündungen frühzeitig zur Ampulle 
ausweitet (Fig. 307 ont u. atn'\ Bald verschwindet der mittlere Teil, 
in welchem die Verklebung stattgefunden hat, indem das Epithel- 
hautchen durch Wucherung des Bindegewebes durchbrochen wird 
(Fig. 307 «). Zwischen der 
Entwicklung des horizon- 
tabMi und der l)eiden verti- 
kalen Bogengänge besteht 

eine interessante, von 
R. Krause entdeckte Ver- 
schiedenheit. Während näm- 
lich «1er horizontale Bogen- 
gaug für sicli als eine kleine 
Tasche angelegt wird (Fig. 
3i»7 /<6). neh men die bei- 
den vertikalen (iänge 
aus einer einzigen 
grufseren, taschen- 
förmigen Anlage (Fig. 
;iM7 am [rh] * vh') gemein- 
sam ihren Ursprung. 
An der grofscn Tasche legen 
sich an zwei verschiedenen 
Stelleu die Wandungen auf- 
einander und verschmelzen. 
An einer dieser Stellen hat 
sich an dem Präparat, nach 
welchem das Modell (Fig. 3« >7) 
rekonstruiei;t worden ist, 
schon eine Öffnung (ö) in der 
Tasche durch Resorption der 
verlöteten Epithelstrecke ge- 
bildet, während an der zwei- 
ten Stelle (vb') die Epithelmeinbran noch erhalten ist. Zwischen den 
verklebten Teilen der Tasche bleibt eine mittlere Strecke, <iie mit 
einem Stern im Modell bezeichnet ist, offen und wird zum gemein- 
samen Ausmüudungsschenkel (Sinus superior) der beiden vertikalen 
Bogengänge. Was von der oberen Abteilung des Hörbläschens übrig 
bleibt, nachdem aus seiner Wandung die drei hall)kreisförmigen Kanäle 
hervorgewuchert sind, nennen wir den Utriculus (Fig. 311) — 312 ü). 

Währenddem gehen nicht minder bedeutungsvolle und eingreifende 
Veränderungen auch an dem unteren Teile der Laby- 
rinth!» läse vor sich und führen zur Entstehung des Sacculus 
und der Schnecke. Die untere Abteilung (Fig. 311 S) grenzt sich 
durch eine immer tiefer werdende Einschnürung (/') gegen den Utriculus 
(U) ab und bleibt schlielslich mit ihm nur noch durch ein sehr 




rl 



rb 



U 
f 

hb 

Gc 
2)c 



Fig. 310. Querschnitt durch eine Kopf- 
hälfte eines Schaftbotus von 2 cm Länge 
in der Qegend des Labyrinths. .SOfarh 
vergröfsert. Nach IJöitchkr. 

rl Keccssns labyrinthi, rh, hb vertikalor, 
horizontaler Uogengang, f/" Utriculus . f vin- 
springende Kalte, durch welche die Labyrinth- 
bla.se in Utriculu8 und Sacculus zerlegt wird, 
De Ductus coclilearis, (rc (iunglion cochleare. 



310 



Elftes KapiteL 



euges Röhrchen (Caualis utriculo-s;icciiIaris) in Verbindung (Fig. 312 
Ji). Da die Einschnürung gerade die Stelle des Labyrinthbläscbeus 
trifft, Ton welcher der LafeTnntliaDhaiig entspringt, so kommt später 

die Einmündun;: des 
r** V letzteren in den B^- 

\ \\ • reich des Caoaliä Uli i- 
eulo^eealsris. etwa 
in seine Mitte, zu 
liegen (Fij:. ;12 /♦'). 
Es entsteht aul die:^ 
Weise ein Bild, als ob 
der Labyrinthanhang 
an seinem Trsprung 
sich in zwei feine 
TtOhrehen spaltet. Ton 
denen das eine in den 
SaiTulus. das andere 
in den U triculus führt. 

Durch eine zweite, 
tiefe Einschnürung 
(Fi^:. ;i 1 M J) sondert 
i-ich der Succulus ( S) 
von dem noch in Ent- 
wicklung begriffenen 
Schneckengaup; (D cK 
und auch hier erhalf 
sich uuch ein Zusam- 
menhang nur durch 
ein sehr dünnes Ver- 

bindungskanülchen 
{er) , den Caualis 
renniens (Hknsbi). 
Der Schiieckengaug 
seihst w;h list bedeu- 
tend in die Länge und 
beginnt sich dabei in 
dem weichen Gallertgewebe in Spiraltouren aufzurollen, und zwar so, 
dafs er beim Menschen 2Va Windungen beschreibt (Fig. 'M-2 ('). In- 
dem die erste Windung die 
gröfste ist und die nächsten 
immer enger werden, gewinnt 
ei' ÄlmlirbkiMt mit dem (ian? 
eines Schiieckengehiiuses. Eine 
l)la.>ti>('!ir \ ni>tellung vom heu- 
tigen L ihyi Mitli , das schlief«- 
lieh nus(Ieii rmwandlungen des 
eiiila» iieii llorbiilschens hervor- 
gegangen ist, gibt da^ iuFig.'lI-l 
abgebildete, von stürti] 10 em 
langen Schweine-Embryo ange» 
fertitite Wachsmodell. 

Mit den äui'seren Fornivcr- 
ftnderungen des Blftsehens gehen 




Fig. Uli. Nach iwei Darohsohnitten daroh 
das Labyrinth «inet S,6 om laufen Sehaf-Bmbryo. 

Nach BöTTCHKB. 

rl Keccssus labyrinthi, rl* ainpullenartigf Er- 
weiterung desselben, rO, Uh vertikaler, horizontaler 
Bogengang, ü Utriculus, S Sacculat, / Falte« durch 
weiche das Labyrinth in Saccolus und Utricnlas zer- 
legt wird, <r Canalis rciiiiifiis, De DactttS COddeilriB, 
kk Knorpelkapsel der Schnecke. 




0 — 



Kig. iU'J. Schema zur Erlau terunfi 
dea ausgebildeten häutigen Labyrinths. 

ü l triculus, S Saccuhis, Cr Canalis 
renniens. R I{eoos8us labvrintbi, l.abyiiuth- 
auhans, Schnecke, A Kuppelblind^ack, 
V Vorhofsblindsack des Schneckenkaoals. 



Digitized by Google 



Die Organe des ivAeven KeimbUtte«. 



311 



auch VerÄnderungen in der Beschaffenheit seiues Epithels einher. Es 
sondert sich in die indifferenten, nur als Überzug dienenden Epithel- 
Zellen und in die eigentlichen Hörzellen. Die ersteren platten sidi ' 
ab, wevdtMi kubisch (hUt schtti)j)ch('nartig und überziclicn den gröfsten 
Teil der Obertiächo des Labyrinths. Die Hörzellen dagejien ver- 
längern sich, werden cyliudriscii uud spiudelförniig und erhalten auf 
der freien Oberflftebe Haare, die in die Endolymphe hineinragen. 
Dadurch, dafs das Bläschen sich in die verschiedenen Abteilungen 
sondert, wird auch das Hörepitliel in ebenso viele einzelne Flecke 
zerlegt, zu denen sich dann der iioruerv begibt; es zerfällt in je 
eine Macula acustiea im Saeculus und Utriculus, in je eine Crista 
acustica in den Ampullen 
und in eine besonders kom- 
pliziert gestaltete Eudigung 
im Schnecken gang. Hier 
wachst es zu einem langen, 
s]»iraligen Bande aus. das 
unter dem Namen des 
CORTischen Organes bekannt 
ist. Ebenso wird der ur^ 
sprünglicli fiiifaclK' II(>rnerv 
mit der Sonderung des Hür- 
epithels in Maculae, Cristae 
und Coimsches Organ in 
einzelne Äste aufgelöst, in 
den N. vestibuli. der 
wieder in verschiedenen 
Zweigen zn den Maculae 
und Cristae tritt, und den 
N. Cochleae. Auch das 
zum Hörnerv gehörige, ur- 
sprünglich ein&che Gang- 
lion acusticum wird in zwei 
Abschnitte getrennt. Der 
dem N. vestibuli zugeteilte 
Abschnitt Hegt bei Er- 
wachsenen vom Endgebiet 

weiter entfernt . als Intumescentia gangliiformis Scarpae im inneren 
Gehörgang; der zum N. Cochleae geliörige Teil dagegen ist beim 
Embryo der Anlage des Schnecken ganges eng verbunden (Fig. 309, 
HIO (jte) md wüchst in demselbeu Mafse, wie sich dieselbe vergröftort, 
zu einem dt\nnen Bande aus. welches unter dem Namen des GaQg- 
lion Spirale bekannt ist (Fig. AU'y Gsp). 

Um die Bildungsgeschichte des inneren Ohres zu vollenden, 
bleibt uns jetzt noch zu verfolgen , in welcher Weise sich aus dem 
Gallertgewebc. das die aus dem Hörbläschen entstandenen epithelialen 
Teile ringsum t iiisr hlielst , das knöcherne Labyrinth und die peri- 
lyuiphatischen Käume eutwickelu. Es hudet hier Ähnliches statt 
wie bei der Entwicklung des Nervenrohrs und des Auges, bei denen 
sich auch im Anschlufs an die epithelialen Teile die bindegewebige 
l'nigebung in besonderer Weise umgestaltet. Die Vergleichung läfst 
sich bis in Einzelheiten durchführen. Wie das Nerveurohr und der 
epitheliale Augenbecher, so werden auch die vom primitiven HOr- 




Fig. Modell ▼om Itabyrlnth eines 

Schwelne-£mbr.vo von oa. 100 mm N.St. Ii. 

Mediulansicbt nach R. Krausk. 

88 Sinus superior, ru Itorpssus ntricnli, oe 
tlufscre Ampulle, an n. np vordere und hintere 
AmuuUc, de Ductus enüul} uiphaticus, vb u. hb 
vorderer nnd liiiiterer fiogengeog, « Secoulus. 



uiyiii^uO Ly Google 



312 



Elftes Kapitel. 



blüsclien herrülirendeu Ahsclmitte zunächst von einer weichen . blul- 
gefäirsfüliien<len Bindegewehsschicht umhüllt. Der Pia mater des 
Gehirns entspricht die Ciefäfshaut des Auges und die weiche Ohr- 
kapsel oder die l»indcgewol)ige Wand des häutigen Labyrinths. Um 
alle drei Organe hat sich dann eine feste Hülle nach aufsen zuiu 
Schutze entwickelt : ani Gehirn die Dura mater mit der Schädel- 
kapsel , am Auge die Faserhaut (Sclera), am Gehör das knöcherne 
Labyrinth mit seinem Periost. Dazu gesellt sich nocli eine dritte 
beachtenswerte Übereinstimmung. In allen drei Fällen sind die 
weichen und festen Umhüllungen durch mehr oder minder weite 
Spalträume getrennt, welche zum Lymphsystem hinzuzurechnen sind. 
Am Nervenrohr begegnen wir dem Subdural- und Subarachnoideal- 
raum. am Auge dem Periehorioidealspalt. am Gehörorgan den ptri- 
lymphatischen Räumen, die an der Sciinecke den besonderen Nameu 
der Treppen (Scalae) (Fig. 31(1 ST u. SV) erhalten haben. 



De C De CDc Kk 




Kl: x Csj, Nr Nv Gs Xs S 

Fig. 'Mi. Durchschnitt durch die Schnecke eines 7 cm langen Schaf- 
Embryo. :{Ofach ver>?röfscrt. Nach Höttchkr. 

Kk Knorpelkapsol der SchniTke, .V Sacculus mit dem hinzutretenden Nenen 
(Nn), da das mit dem St hneckennerven (AV) in Verbindung stehende (Jan^lion, 
aus welchem Nervenfasern (Ns) für den Sacculus entspringen, Oxp (ianglion spiralo. 
l>r Ductus coclilearis, (' CoRxisches Organ desselben, ff Gallertgewehe in der l ni- 
gebung des Ductus cochlearis, x dichtere Bindegewebsschichten. 

Im einzelnen vollzieht sich die Bildung der Hüllen in folgender 
Weise: Bald nach seiner Abschnürung vom Hornblatt breitet sich um 
das Hörbläschen ringsum ein zellenreiches Mesenchym , die häutige 
Ohrkai)sel. aus. Allmählich sondert sie sich in zwei Lagen (Fig. :>11 
u. 314). In der L'mgebung der ei)ith('lialen Kanäle nimmt die weiche 
Zwischensubstanz zwischen den Z<'llen zu. die teils sternförmig, teils 
spindelig werden und im ersten Fall längere Ausläufer nach ver- 
schiedenen Richtungen entsenden. Es entsteht hier die als Schlei ni- 
eder Gallertgewebe (Fig. 314 u. 31»; 7) bekannte Modifikation 
der Bindesnbstaiiz . in der auch einzelne Blutgefafse ihren Weg 
nehmen. Nach aufsen davon bleiln'u die Zellen kleiner und dichter 
zusammengedrängt und sind dunli dünne Scheidewände einer 
festeren Zwischensubstanz voneinander getrennt. Indem diese zu- 



Die OtpoM de« Anbeien KdmhlAttes. 



313 



uiiuiut , ^'cwiunt das Gewebe bald den Charakter des embryonalen 

Kuorjielö {Kk). 

Die weiteren Veränderungen sind für die Bogengänge, den 

rtiiculus und Sacculus und (Ten Schneckenkanal (gesondert zu ver- 
fdl'^u'n. Die epithelialen lialbkieisfönnipen KaiiiUe lioticn nicht p:oii!iu 
in (ier Mitte der von Gallertgewebo ausgefüllten Huhlraume, sundein 
80, daf^ sie mit ihrem konvexen Rande an den Knorpel fast unmittel- 
bar anstofsen. an der konkaven Seite dafiepen von ihm durch eine 
dickere Gallertschicht getrennt werden (Fiji. Dicsi- soiidiMt 

sich in drei Lagen: in eine mittlere, in welcher die gallerti^ie 
Zwischensubstanz erheblich zunimmt und dabei mehr und mehr Hüssig 
wird, und in zwei dflnne Grenzlagen, die sieh in tibrilliires ßinde- 
f/owelio minvaiidelii. Von diesen verbindet sicli die eine innig mit 
denj Kpithelrohr , zu dessen Ernilhrung sie dient, imiein si( Ii in ihr 
ein dichtes Blutgefäfsnetz ausbreitet, die andere liegt der Inuentlache 
der knorfieligen Umhüllung an, zu deren 
Perichondriiini sie wird. Das (iallort- 
p wehe der mittleren Lage ist nur von 
kurzem Bestaud. Bald zeigt es Merk- 
male einer beginnenden ROekbildnng. 
Die sternförmigen Zellen werden mit 
Fettkornclien in der rniuebung ihrer 
Kerne und iu ihren laugen Ausläufern 
erfQllt und zerfallen spater. In der 
gallertigen Grundsubstanz bilden sich 
durch eine immer mehr zunehmende Er- 
weichung kleine, mit Flüssigkeit erfüllte 
RAunie; sie vergröftem sich und vw- 
sclinielzen darauf untereinander, bis 
schliefslicli /wischen der liindt'tiewebi^fen 
Hülle und dem Ferichoudriuni ein grolser, 
mit Perilymphe erfüllter Raum 
entstanden ist. Hier und da gehen 
hiudegewebige Strilnjre von einer Biude- 
gewebsschicht zur anderen und dienen 
als Brücke den Nerven und Blutgefarsen, welche sich zum häutigen 
Bogengang begeben. Eine letzte Veränderung tritt endlich noch an 
<ler knnriieligen Umhüllung ein, indem sie durdi endocliondrale Ver- 
knöcherung in Knochensubstanz übergeführt wird. Somit sind nun 
die häutigen iu die kuücherueu Bugeugäuge eingeschlossen, welche 
das vergrOfberte Abbild der ersteren sind. 

Entsprechende Veränderungen vollziehen sich in der Umgebung 
von Utriculus und Sacculus und führen 1) zur Entstehung eines 
perilyuiphatischen Hohlraumes, der mit den perilymphatischea Hohl- 
rilumen der Bogengänge in Verbindung steht, und 2) zur Entstehung 
einer knöchernen Umhüllung, welche den Vorraum oder das Vesti- 
bül um begrenzt und den mittleren Abschnitt des .knöchernen Laby- 
rinths darstellt. 

In komplizierterer Weise verändert sich die UmhOlInng des 

epithelialen Schneckengangs, welche zur knöchernen Schnecke mit 
ihren Tre])pen wird. Sie ist zur Zeit, wo (b^r (lang (Fig. Ml De) 
nur eine halbe Spiralwindung beschreibt, schon iu eine innere, weiche 
und in eine äul'sere, festere Schicht, die zum Knorpel {kk) wird, ge- 




\"\«. 315. Schnitt durch 
den Bogenicang eines Hunde* 

Embryo. Xarh H. Kkaisk. 



bff Ho>ieni:ari{(, ;(rperil\ miiUii- 
tischer Üaiiiii, (1er noch mit 
GftUertgewebe ausgefällt isU 



Digitizeo Ly s^oQgle 



314 Elftes Kapitel. 




V'ig. 310. Teil eines Durchsohnitts durch die Schnecke eines 9 cm 
langen Katzen-Embryo. Nach Uuttciikk. 

Kk Kiu>rp('lkai»t*l . in wrlrlier dor Schne<'k».'nf?anR sich in Spiraltonren auf- 
uewuniien hat, De nurtus corhlearis, (' die beiden Kpithelwulste der tympanal<'n 
Wand, von welclier der breitere die Meniiirana tectoriu absonilert, der kleinere, 
von der 8chneckenaeh>e weiter abgelegene Wulst >it h in das CoBTi.sehe Organ 
umwandelt. i.aniina vestibniaris, x auf>ere Wand de^ häutigen Schneckengang» 
mit Ligamentum Spirale, iST Scala vcstibuli, Vorhofhtrei>pe, ^T, ST Sc&li tym- 
pani, l'aukentreppe, fl Gallertgewebe, welches noch die letzte Windung der Scala 
vestibuli («»■'i ausfüllt, t/' Uest des noch nicht verflüssigten (lallertgewebes, M 
t'e>teres Bindegewebe in der rmgcbung des Schneckennerven (Nc), Gsp (ianglinn 
Spirale, iV zunj CoRTischen Organ in der späteren Lamina s])iralis ossea heran- 
tretender Nerv, y dichtere Bindegewebsschicht, die verknöchert und den knöchernen 
Schneckengang begrenzen hilft, 1* Perichondrium. 



Di« OrgAO« de» ftuberen Keimblattes. BIß 

sondert. Die Knorpelkapsel {Vva. M4 Kl) ilie mit der knorpeligen 
Masse der übrigen Teile de» Labyrinthe xusauiiueubiuigt und mit 
ihnen einen Teil der Anlage des Felsenbeins ausmacht schlierst sp&ter 
eine linsen fönn ige Höhle ein und besitzt eine weite ÖlTniin^ für den 
Schneckenuerv (Fig. :n J Nc). Eine Ähnlichkeit mit einem Itiu rken- 
gehäuse ist noch nicht zu erkennen. Sie tritt erst iilimahiicli ein 
und wird durch zwei Momente hervorgerufen, durch Auswachsen des 
epithelialen Ganges und ihin-h Sonderung des ihn umhttllenden Ge- 
webes in tlüssige und in fester werdende Teilr. 

Beim Auswachsen beschreibt der epitheliale Schneckengang in 
seiner Kapsel die schon früher erwilhnten, in Fig. 316 auf dem 
Querschnitt getroffenen Spinilwlndungen (De), wobei er immer der 
Innentlililie der Kn]i -iM th'i) zicinlich dicht angesrhmirfit Moibt. In 
der Mitte seiner \Viiiduu;j;en, mithin in der Achse der Kapsel, steigt 
der Schneckennerv von der Eintrittsöffnung aus gerade in die 
Höhe, gibt zahlreiche seitliche Äste ab zur konkaven Seite des 
Schneckenganps (De), wo sie» zum (langlion (Gsj)) :)iisrhwelleu. weU li' ^; 
jetzt plfichfalls zu einem Spiralen Bande mit uu> {gewachsen ist. Dem 
Verlaul der Nerven haben sich aucli die ernährenden Blutgefal'se 
angeschlossen. Wenn die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, 
bedarf es nur norh einrr histologischen Sondoninp: im woirhen 
Mesencliyni. lies die Knorpolkapsel ausfüllt, um die nocli fehlen- 
den Teile des ausgebildeten Schneckengehäuses, die Schncckeuachse 
(Modiolus), die Lamina spiralis ossea, den knöchernen Schneckengang, 
die Vorhofs- und die Paukentreppe, zum Vorschein zu bringen (Fig.i^lti). 
Wie in der Umgebung der Bogenfjftnge. des Utriculus und des Sarcuhis, 
sondert sich das Meseuchym in festere, faserig werdende Bindesubstauz 
und in ein immer weicher werdendes Gallertgewebe (g). Faserige 
Bindesubstanz entwickelt sich erstens in der Umgebung der in die 
Knorpelkapsel eintretenden Nervon- (Xr) und BlutgefUfsstämme und 
liefert die Grundlage der späteren, knöchernen Schoeckeoachse (if); 
zweitens liefert sie eine Urahtklluug der von der Achse zum epithelialen 
Schiicckengang hinziehenden Nervenfasern (N), Ganglienzellen (/;5/>) 
un<l Hlutgefüfse und stellt eine Bindegewebsplatte dar, die später 
zur Lamina spiralis ossea verknöchert. Drittens überzieht sie in 
dünner Schicht den epithelialen Schneckeugang . an welchem sie zur 
Ausbreitung der Blutgefäfte dient, und wird mit ihm als häutiger 
SrhnerkenfX.mfr 7U5;ammrngpfa(Vt. Viertons kleidet sie die Innent^fiche 
der Knorpelkapsel als Perichondrium {P) aus. Fünftens endlich bildet 
sich eine Bindegewebsplatte (!') zwischen der Spiralen Knorpel leiste, 
die, wie oben besehrieben, von der Kapsel nach innen vorspringt, 
und der bindeutMvebigen Schneckenachse (3/). Sie spannt sich zwischen 
den einzelneu WiTuInngen des häutigen Schneckongangs aus, so dafs 
der letztere nunmehr in einen weiteren Kanal, dessen Wandung teils 
knorpelig, teils häutig ist, zu liegen kommt. Der Kanal ist die Grund- 
läge des knöchernen Schneckengangs. 

Der nicht in fibrilläres Bindegewebe umgewandelte Rest des 
Mesenchyms wird Gallertgewebe ig u. g'). £$ bildet zwischen den 
eben amgezfthlten Teilen zwei Spirale Streifen, von denen der eine 
oberhalb des häutigen Schueckengangs und der häutigen Lamina 
i^pirnlis, der aiidero unterhalb vnn ihnen gelegen ist. Die Streifen 
neiinien daher die Stelle der Vorhofstreppe (SV) und der Paukeu- 
treppe {ST) ein. Die Treppen entstehen, noch ehe der Verknöcherungs- 



Digitized by Google 



316 



£lft«s Kapitel. 



prozefs beginnt, genau in dersellien Weise, wie sie für die peri- 
lyuiphatischen Räume in der Umgehung der Bogengänge und des 
Vestibulum auf S. beschriel>eu wurde. Die Fig. «Hi zeigt um 
ein Stiidiuni. in welchem an der Schneckeiiiiasis die perilymphatiscbeii 
Räume <SV u. ST) angelegt und nur luu'h ^'eringe Reste Gallert- 
gewel)C (//') vorhanden sind, während au der Schneckenspitze der 
Verflttssigungsprozers des ( jallertgewebes (^f) noch nicht erfolgt ist — 
Seiner Vollendung wird der verwickelte Aufbau der Schnecke schliefs- 
lii'h mit Killtrift des Verknöcherungsjjrozess^e'^ enr^e^^cTigcfflbi t. Dir-^er 
vollzielit sich in eiuer zweifachen Weise. iMunjai wird die ivuurpel- 
kapsel auf endoehondralem Wege, wie das ganze knorpelige Felsenbein, 
von dem sie einen kleinen Teil ausmacht, in eine spongiöse Knochen- 
substanz umgewandelt. Zweitens verknöchern auf direktPtü W . 
die oben angeführten, faserigen Bindegewebslagen, die Sclu uiewande 
der Schneckenkan&le, die bindegewebige Achse oder der Modiolus 
und die Lamina spiralis Ci leichzeitig werden kompakte Knoehen- 
lampllen ^ '»n inii^^n her auf tlas sjmngiöse, aus der Knorpelkapsel ent- 
standene Oevvcbe vom ursprttuglichen Perichondrium, das zum Periost 
wird, abgeschieden. Infolgedessen lAfst sich auch die knöcherne 
Schneckenkapsel in jimueien Lebensjahren leicht aus dem lockeren 
Knochengewebe endocbondralen Ursprungs herausschAlen. 

2. Die Entwiokliing des Mittelohrs. 

Die l'aukenliöhle und Eustachische Röhre, Trommelfell und (le 
hörknöcht Ichen . welche in der Reihe der Wirbeltiere nur bei Am- 
phibien, Ueptilieu, Vögeln und Säugetieren vorgefunden werden, 
nehmen bei ihnen in der Hegion der schon frlmer besprochenen 
Schlundspalten und Schlundbogen ihren Ursprung. Wiihrend die 
letzteren Gebilde bei den wasserbewohiieuden Wirbeltieren . den 
Fischen, sich ansehnlicii entfalten, der kiemeoatmung dienen und 
dauernd bestehen bleiben, verkümmern sie frtthseitig bei den höheren 
Wirbeltieren und dem Menschen , wobei Teile von ihnen in anderer 
Form eine Verwendung im Orpranisinus finden. So tritt namentlich 
die erste Schlundspalte mit ihrer Umgebung in den Dienst des Gehör- 
organs. Eine Beziehung zwischen beiden ist ja schon dadurch ange- 
lialmt, dafs das (iehörbläschen sich, wie schon früher bemerkt wurde, 
oberhalb der ersten Sclilumispalte und des Ansatzes des zNvt'itfMi 
Schluudbogens von der Epidermis abschnürt und dann auch wahrend 
seiner Umwandlung zum häutigen Labyrinth in ihrer nftctasten Nach- 
barschaft liegen bleibt. Bald nach ihrer Anlage schliefst sich die 
ry<ti' ^i'liiund.spalte durch Verwachsung ihrer l^iiiider. (Vergl. S. ISdj 
i tei \ < r>cliluls wird noch dadurch ein festerer und vollkommenerer, 
dais auch eine Bindegewebsschicht zwischen innere und äufsere Epithel- 
platte hineinwächst. Zu beiden Seiten derselben erhalten sich Reste 
der ersten Srlilundspaltr als mehr oder minder tiefe Buchten, eine 
innere, nach der Raclienhöhie zu gele^'ene und eine äufsere, die von 
Wülsten des ersten und zweiten Schlundbogeus umfafst wird. 

Die innere Bucht, die als Ganalis oder Sulcus tubo>tympanicus 
(pharvngo-tympanicus) bezeichnet wird, ist wie das Spritzloeh zwisclien 
N. trigeminus und N. acustico-facialis gelagert. Sie wird zum Mittel- 
ahr; sie vergröfscrt sich durch eine nach oben, auf&en und hinten 
gerichtete Aussackung. Diese schiebt sich zwischen Labyrinth und 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des au^^eren Keimblattes. 



317 



Vorsclilursstelle der ersten Sehlundspalte hmein und stellt einen seit- 
Ii. h plattgedrückten Hohlraum dar, welcher jetzt als Paukenhöhle 
von dem röhrenförmigen Rest des 8ulcus tyrapaniru«! oder der 
Eustachischen Ohitrompete zu unterscheiden ist. Die raukeuhöhle 
ist, namentlich bei ftlteren Embryonen von Mensch und Säugetieren, 
eine sehr enge : laterale und mediale Wand liegen daher fast unmittel- 
bar aneinaiitier. Ks rührt dies hauptsächlich daher, dafs unter der 
Epithelauskleiduug des Miitelohrs sich ein reichlich entwickeltes 
Gallertgewebe vorfindet In ihm sind zn dieser Zeit auch noch Ge- 
bilde eingeschlossen, welche in dem Schlundbogen ihren Frsprung 
genommen liaben . die Gehörkniichelchen und die Chorda tympani, 
mit deren Entwicklungsgeschichte wir uns später beim Skelett noch 
beschäftigen werden. 

Auch das Trommelfell ist zuerst dem spAteren Zustand sehr 
unflhnlich. Seine Bildungsgesrliichf e ist keine so einfache, wie man 
früher glaubte. Denn es leitet sich nicht nur aus der schmalen Ver- 
schlufsstelle der ersten Schlundspalte her, vielmehr lieteiligen sich 
auch noch angrenzende Teile des ersten und des zweiten häutigen 
Schluudbogens. Das embryonale Trommelfell ist daher anfangs eine 
dicke, bindegewebige Platte und schliefst an seinen Rändern die 
Gehörknöchelchen, den Tensor tympani und die Chorda tympani iu 
sich ein. Spät erst erfolgt die Verdünnun^i des Trommelfells, gleich- 
zeitig mit einiM /nuehniendeu Erweitennii: iWv Paukenholile. Beides 
wird herbeigeführt (lurcli Schrumpfung des (iailertgewebes und durch 
eine damit Hand iu Haud gehende Wucheiuug der die Paukenhöhle 
auskleidenden Schleimhant. Diese schiebt sich an den Stellen, wo 
das Gallertgewebe schwindet, zwischen die Gehörknöchelchen und die 
Chorda hinein, welche so scheinbar frei in die Paukenhöhle zu liegen 
kommen. In Wirklichkeit aber liegen sie aul'serhalb derselben. Denn 
sie werden noch allseitig von der gewucherten Schleimhaut ttberzogeu 
und durch Schleimhautfalten (Hammer-, AmboCsfalten et» .) mit der 
Wand der Paukenhöhle in Verbindung gesetzt in gleiche) Weise, wie 
die iu die Leibeshöhle hineingewachsenen Unterleibsorgane vom Bauch- 
fell ttberzogen und durch Baochfellfalten an den Wandungen fest- 
t:e)nilten werden. Mit der Verdünnung des Trommelfells geht eine 
Verdickung seiner bindegewebigen Substanz einher, wodurch es zn 
seiner spätereu Aufgabe als schwingende Membran befähigt wird. 

3. Die Entwicklung des äufseren Ohrs. 

Das j^iifsere Ohr entsteht, wie sclion bemerkt, aus einer Bucht 
an der Aulseuseite der Verschluisstelle der ersten Scliluudspalte. 
Wie die seitliche Ansicht eines sehr jungen menschlichen Embryo 
(Fig. 304) lehrt, wird die (M-tr Schlundspalte von wulstigen Rändern 
umgeben . die dem ersten und dem zweiten Schluudbogen angehören 
und sich frühzeitig in sechs mit Ziffern bezeichnete Höcker gliedern. 
Von ihnen leitet sich die Ohrmuschel ab, welche demnach ein ziem- 
lich umfangreiches Gebiet des embryonalen Kopfes (die Pars auricu- 
laris) für sich in Anspruch nimmt. Die Tasche zwischen den Wttlsten, 
au deren Grund man auf die Trommelfellanlage stöl'st, wird zum 
ättfiseren Gehörgang. Sie wird dadurch immer tiefer, daßi sich die 
umgehende Geaichtawand in hohem Mai'se ventiekt; s( hliessli( h ist 
sie zu einem längeren Kanal mit teils knöchernen, teils knorpeligen 



£lftes Kapitel. 



Wandungen ausgewachsen. Die sechs oben erwfthnten Höcker, welche 

die Öffnung des ftursercn (ieliörgangs mnsaumen, bilden zusammen 
einen plumpen liinfi;. I ber iiire Umwandlung zum äufseren Ohr giht 
die folgende Abbildung (Fig. 317) genügenden Aufschluls. Sie zeigt, 
dars sich ans den mit Nr. 1 und 5 bezeichneten Höckern der Tragus 
und Antitragus. aus 2 und S der Helix und aus 4 der Anthelix ent- 
wickeln. Das Ohrläppchen bleibt lange Zeit klein und wird erst im 
fünften Monat deutlicher. Es bildet sich aus dem mit der Zahl 0 ver- 
gebenen Httgel. Am Schlaft des sweiten Monats 
sind alle wesentlichen Teile des Ohrs leicht er- 
kennbar; vom dritten Monat au wächst der hin- 
tere und der obere Teil der Ohrmuschel mehr 
aus der Kopftläche heraus und gewinnt eine 
gröfsere Festigkeit mit der Differenzierung des 
Ohrknorpels, die schon am Schlufs des zweiten 
Monate begonnen hat. 

V\\i. 817. Ohranlag* u ebxsm mmdilichm 
Xmbryo. Nach His. 

Der mit 1. bezciclinete Hdeker liefert den Trai.'us, 
5. den .Antitragus. Die Höcker Jf. tl. S. liefern den Helix, 
Hücker 4. den Anthelix. Aus dem Streifen 6. wird da& 
Ohrlippcheii} K Unterkiefar. 

C. Die Entwieklang des OeraehsorgaiiB. 

Das Gerachsorgan ist ebenfalls wie Auge und Ohr eine Bildung 

des äufseren Keimblattes, aus welchem es sich ein wenig später als 
die beiden höheren Sinnesoru'aiie entwickelt. — Es macht sich zuerst 
zu beiden Seiten des schon frülier beschriebeneu , breiten Stirnfori- 
satses (Fig. 304) bemerkbar als eine VenUckang des fluftoren Keim- 
blattes, welches His bei menschlichen Embryonen als Nasenfeld 
bezeichnet hat. Die beiden Anlagen werden bald deutlicher, indem 
der Boden eines jeden Nasenfeldes muldenartig einsinkt und seine 
Bftnder sich faltenartig nach au(!wn erheben (Fig. 180). Zum ver- 
dickten Epithel einer jeden Anlage tritt der Riechlapjien heran, der 
<lurch Ausstülpung aus dem Hemisphärenbläschen mittlerweile ent- 
standen ist, und endet daselbst mit seinen Nerventibrillen. Die weitere 
Entwicklung des Gerachsorgans, die wir allein bei den Amnioten 
weiter verfolgen wollen, wird vor allen Dingen dadurch charakterisiert, 
diifs die (Irtibchen zur Minidliohlc in liezieliung treten. Es ges«-hieht 
dies durch Umwaudluugeu, die zwei Moditikatioueu erkeuneu las.sen. 
von denen die eine bei den Sauropsiden (Ueptilien und Vögeln), die 
andere bei den Säugetieren und dem Menschen beobachtet wird. 

Hei den Sauropsiden. fOr welche <las Hühnchen als Heisj)iel ge- 
wählt ist. verlängert sich jede.s ( rrübchcn nach abwärts in eine l^innc. 
die bald den obereu Mundrand erreicht und, indem sie auch diesen 
durchschneidet, an der Decke der Mundhöhle zur AusmQndung ge- 
langt (Fig. :M8 u. 810). Nasen grübe und Nasen furche werden 
hierauf bei filteren Embryonen tiefer, indem ihre Händer nach 
aufsen wuistartig vorspringen und die sogenannten inneren und 
Aufseren Nasenfortsfttze darstellen. Die beiden inneren Nasen- 
fortsätze bilden zusammen eine breite, später schmäler werdende 
Scheidewand zwischen beiden Geruchsgruben und begrenzen die 




Digitlzed by Google 



Die C^rgane des äurseren Keimblattes. 



310 



Mitte der Mundhöhle von oben. Die äufseren Nasen fortsätze (von 
His auch die seitlichen Stirnfortsätze genannt) treten jederseits als 
W'ulst zwischen Auge und Geruchsorgan hervor und liefern das 
Bildungsorgan für die seitliche Nasenwand und die Nasenflügel. Mit 
ihrem unteren Rand treffen sie auf die vorderen Enden der quer- 
gestellten Oberkieferfortsätze, von denen sie äufserlich durch die 
schon früher (S. 305) l)e8prochene , vom Auge in schräger Richtung 
herkommende Tränenrinne abgegrenzt werden. — Das nächste Stadium, 
etwa nach vier- bis sechstägiger Bebrütung, zeigt uns das Geruchs- 
organ in zwei Kanäle umgewandelt, welche durch Verwachsung der 
Ränder der beiden Rinnen, besonders des stärker nach aufsen hervor- 
tretenden inneren Nasenfortsatzes mit dem medial sich vorschiel)enden 
Oberkieferfortsatz entstanden sind. Die beiden Kanäle besitzen 
zwei Öffnungen, das äul'sere und das innere Nasenloch. Die 
beiden äufseren Nasenlöcher liegen nur wenig oberhalb des Mund- 



Fig. 318. Kopf eines Hühner -Embryo von 130 Stunden. Nach 
Keiukl. 10 : 1. 

Fig. 319. Schnitt durch die Riechgrube eines Hühner - Embryo von 
6,6 mm Kopflänge. Nach Cohn. 

y Grenze zwiM-hen .Sinnen- und uurüeruni Epithel, J JAKOBsuKSches Organ. 

nach vorn gelagert , anfangs rundlich , verlängern sie sich später 
und stellen einen von vorn nach hinten verlauf«Mi(len Spalt dar. 
In etwas modifizierter Weise geht die Entwicklung des Geruchs- 
organs bei den Säugetieren und beim Menschen (Fig. 303) vor 
sich. Die Abweichung besteht hier, kurz gesagt, darin, dafs sich 
zwischen den auf dem Stirnfortsatz gelegenen Riechgrübchen und der 
Mundörtuung keine otlene Nasenrinne auslnldet in der Weise, wie es 
beim Huhn beobachtet wurde. An ihrer Statt entsteht eine in das Mes- 
enchym einschneidende Epithelleiste, welche den inneren von dem äufseren 
Nasenfortsatz und dem Oberkieferforts;itz trennt. Späteriiin höhlt 
sich die Epithellamelle in ihrer Tiefe, vom Riechsäckcheu beginnend, 
aus, so dafs letzteres zu einem tiefen Blindsack wird, welcher mit 
seinem Grund bis nahe an das Epithel des Mundhöhlendaches reicht 
und von ihm längere Zeit durch eine erst dickere, zuletzt sich sehr ver- 



J 



randes, die inneren an der 
Decke der primitiven Mund- 
höhle, daher sie auch primitive 
Gaumenspalten oder Choanen 
genannt werden; sie sind weit 




9 

Fig. :n9. 



Fig. 318. 



Elftes Kapitel. 



«lüiinende, epitheluik» Verschlufsplatto (HorHSTtnTF.RS Membrana Imcco- 
iiasalis) (Kig.:VJ<J getrennt bleibt. Nach dem Mundrand zu bleibt die 
an Stelle der Nasenrinne getretene Ei)itbelleiste immer geschlossen, in- 
folgedessen innerer Nasen- und 01)erkieferfortsatz (Fig. jederzeit 
in unmittelbarer Berührung miteinander gefunden werden, während in 
der Tiefe hinter ihnen der Blindsack des Gcruchsorgans bis zur Decke 
der Mundhöhle herabreicht. Zwischen beiden Fortsätzen kommt es 
schlielslich zu einer festen Verwachsung dadurch, dals das angrenzende 
Mesenchym die Kpithelleiste durchbricht und auflöst. Durch Kiu- 
reifsen der Membrana bucco-nasalis wird der Nasenblindsack zum 
Kanal umgewandelt. Wir erhalten dann einen Befund, wie ihn «las 
von Pktkk angefertigte Modell (Fig. :i21) vom Vorderkopf eines 
njenschlichen Kmbryo darbietet. Dicht über dem oberen Mundrand, 
an welchem noch jede Andeutung von Lippenbildung fehlt , liegen 
die ilufseren Nasenlöcher (ar) , weit vom an der Decke der Mund- 




Fig. .{20. Fj>r. :^21. 



Fig. 3'JO. Schnitt durch das ovale Ende des NasenblindsackeB eines 
Bwei Monate alten menBchlichen Embryo. Nach l'tcTüu. 

flu Au^e, ft (Jehini, n Naspiihohlt', nihn Mcmbranii bucco-na»alih, okf. ttkf 
Ober- und l iitorkifterfortsat/.. 

Kig. H21. Modell des Vorderkopfs eines menschlichen Embryo von 
15 mm Länge. Nai-h rKTKB. 

ne .\ufseres Nasenloch, ch primitive Choane, o Auge, anf, oA/ üu&erer Nasen- 
und Oberkieferfortsatz. V}> I'rocessus palatinus. 

höhle die primitiven Choanen (cA), durch einen breiten Zwischenraum 
getrennt. Die Gegend zwischen^^und vor ihnen wird als primitiver 
(iaumen bezeichnet. 

Indem sich das Geruchsorgau bei allen durch Lungen atmenden 
Wirbeltieren zu einem in die Mundhöhle führenden Kanal umbildet, 
hat es noch eine zweite Funktion übernommen ; denn es dient 
jetzt auch noch dazu, den Luftstrom in die Mund- und Rachenhöhle 
und in die Lungen aus- und einzuleiten. Es ist zu einer Art 
respiratorischer Vorkammer für den Atmungsap]iarat 
geworden. Die Uliernahme dieser Nebenleistung drückt den S]»j1teren 
Kntwicklungsstadien des Geruchsorgans ein bestimmtes Gepräge auf 
und ist die Ursache, dafs sich fortan die Oberfläche der (ieruchs- 
höhlen in einem bedeutenden Mafse zu vergröfsern beginnt. Die 
()i)erflftchenvergrörserung betrifft nun aber nicht das Sinnes- 
epithel, zu welchem der Riechnerv ausstrahlt, sondern die gewöhnliche, 



Die Organe des äulseren Keimblattes. 



921 



mit Flimmerzellen verselieue Schleimhaut Sie hängt daher auch 

mit einer Verbessern im des Geruchssinnes weniger zusammen als mit 
der JJel)euleistung beim Atmungsprozefs. Durch Vergröfseniiif,' der 
weichen, mit Blutgefäfsen reichlich versehenen SchleimhauiHilchen 
soll die au ihnen vorbeistreicheDde Luft erwftnnt und Ton Stauh- 
teilen, die an den feuchten Flilchen hängen bleiben, gereinigt werden. 
Man hat daher von jetzt ab am Geruchsorgan eine Regio olfac- 
toria und eine Regio respiratoria zu unterscheiden. Erstere, 
welche sich von dem Sinnesepithel des ursprünglichen Gerucha- 
grübchens ableitet, bleibt verhiUtnismäfsig klein und ist beim Menschen 
auf die Gegend der oberen Muschel und auf einen Teil der Nasen- 
scheidewand beschränkt. Die Regio respiratoria dagegen bedingt die 
gewaltigen Dimensionen, welche das Geruchsorgan bei den höheren 
Wirbeltieren erlangt. 

Die Vergrofserung der Olierfliiche der Nasenhöhle 
wird durch zwei verschiedene Vorgänge herbeigeführt: 1) durch die 
Bildung des harten und des 
weichen Gaumens, 2) durch 
die Entwicklung der Mu- 
schelu, 3) durch das Auf- 
treten der Nebenhohlen der 
Nase. 

Der erste Prozels beginnt 
beim Menschen gegen das 
Ende des zweiten Monats. 
Es bildet sich dann an der 
InnenHilche der Oberkiefer- 
fortsätze (Fig. eine 
Leiste, welche in die weite, 
primitive Mundhöhle vor- 
springt und in bori/ontalrr 
Kiclitung zu einer Platte 
auswachst. Linke und rechte 
OaameBplatte fassen anfangs 
eine weite Spalte zwischen sich, durch welche man die ursj)rüngliche 
Decke dvr Mundhöhle und an dieser die mehr und mehr schlitzfitrmig 
werdeudeu, inneren Naseuötiuungeu erblickt, beide getrennt durch eine 
Substanjd>rtke1ce, die Nasenscheidewand, welche aus dem mittleren 
Stirnfortsatz hervorg^^ai^^ ist. Im dritten Monat verengt sich die 
embryonale Gaumenspalte mehr und mehr. Die liorizontalen 
Gaumeufortsätze der Oberkiefer vergrui'sem sich und tretlen schlieis- 
lich mit ihren freien 1t Andern in der Medianebene auf den unteren 
Rand der noch imnit i breiten Nasenscheldewand, welche noch weiter 
nach abwiirts in dir MundliöhU' hineingewachsen ist. r>ann beginnen 
die genannten Teile von vorn nach hinten untereinander zu ver- 
schmelzen. Stadien dieses Vorgangs werden durch die Fig. 323 bis 
325 veranschaulicht Fig. 323 zeigt uns das Stadium , auf welchem 
vom 01)erkieferfortsatz die Gaumenplatten {Pp) schon unter den 
unteren Kand der Nasenscheidewand vorgedrungen sind. Mund- und 
Nasenhöhlen hängen nur noch durch eine sehr enge Gaumenspalte 
zusammen. In Fig. 324 hat die Verschmelzung begonnen. Die sich 
berührenden KpithelHächen sind in einer Naht ((jn) verwachsen, welche 
auf dem Querschnitt die Form eines Y oder T hat. Ganz beendet 




Vifi. 322 Mundhöhlendecko eines 
menaohliohen Embryo mit Anlage der 
GhtuBMafbitaitm. lOfach Tergröbert. Nach 
Hii. 



U. Hertwig, I>ie Klvmonte iJvi Kntwickluii|j«lohr«;. J. Aull. 



21 



Digitized by Google 



322 



Elftes Kapitel. 



ist die Verwachsung erst in der Fig. 32'), in welcher die epitheliale 
NahtHäche spurlos verschwunden und durch das angrenzende Mesenchyn» 
gewissermafseu resorbiert worden ist. 

Auf diese Weise ist die primitive Mundhöhle in zwei übereinander 
gelegene Etagen getrennt worden. Die obere Abteilung gesellt sich 
zum (Jeruchsorgan hinzu, zu dessen Vergröfserung sie beitrügt; sie 
wird von dem Raum, der aus dem ursprünglichen Geruehsgrübcheu 
entstanden ist, von dem Geruchslabyrinth, als N a s e nra ch en ga nj: 
unterschieden. Dieser mündet nach hinten durch die Choanen in die 
Rachenhöhle. Die untere Abteilung wird zur sekundären Mundhöhle. 
Die Scheidewand, die sich von den Oberkieferfortsätzen aus gebildet 
hat, ist der Gaumen, der später, wenn sich die Kopfknochen ent- 
wickeln, sich in den harten 




Fig. 32M. Schnitt darch das Qeruchsorgan eines menschlichen Em- 
bryo von 28 mm Länge. Nach 1'ktkh. 

./(> .lAcoBsosschi's Organ, Jk .1 Aconsu.ssclH'r Knor|tel, nini Meatus narium inf., 
Mt Maxilla turbinuk'. Processus palatiniis. 

Kig. :V24. Querschnitt durch den Kopf eines Schweine-Embryo, an 
dem die epitheliale Qaumennaht gut ausgeprägt ist. Nach lltKTwiu. 
gn (iaiiiiiennaht, Zahnleiste. 

von vorn nach hinten durchsetzt und Mund- und Nasenhöhle ver- 
bindet (Kig. 32:i), erhält sich l»ei den meisten Säugetieren ein kleiner 
Teil offen und stellt den Nasengauniengang oder den Stknson- 
schen Gang dar. Durch ihn kann man mit einer Sonde aus der 
Nasenhöhle in die Mundiiidile gelangen. Beim Menschen schliefst 
sich der STKN.^oxsche Gang noch während des embryonalen Lebens, 
doch erhält sich im Gaumenfortsatz des knöchernen Oberkiefers an 
der entsprechenden Stelle eine von Bindegewel>e, (iefäfsen und Nerven 
ausgefüllte Lücke, der C a n a 1 i s i n c i s i v u s. 

Wo STEN.soNsche Gänge vorhanden sind, finden sich in ihrer Nähe 
die J.ACOBSON sehen Organe. sind Bildungen, welche bei den 
?',mbryonen aller Amnioten frühzeitig angelegt werden, und zwar als 
kleine Ausstülpungen an der medianen Wand des Riechsäckchens 



Die Organe des äufsoren Keimblattes. 



323 



«Fig. Beim Menschen (Fig. Jo) wandeln sie sich in einen 

feinen Schlauch um, der etwas oberhalb des Canalis incisivus „dicht 
an der knor])eligen Nasenscheidewand in gerader Richtung nach hinten 
und ein wenig nach aufwärts zieht, um blind geschlossen zu enden" 
(Scbwalbe). Bei Säugetieren ist das Organ viel besser entwickelt 
(Fig. ^i25 J)\ es wird von einer besonderen Knorpelkapsel (Jacobson- 
scher Knorpel j/r) eingehüllt und empfängt einen besonderen Ast des 
Riechnerven, der in einem Sinnesepithel endet, welches mit dem der 
Regio olfactoria übereinstimmt. Häutig mündet es (z.B. bei Wieder- 
käuern) in den Anfang des STENsoNschen Kanals ein, der sich hier 
als Verbindung von Nasen- und Mundhohle offen erhält. Auch bei 
menschlichen Kmhrvonen finden sich .lACOBSONsche Knorpel entwickelt, 
liegen aber hier in einiger Entfernung von dem gleichnamigen 
ru(limeuti\ren Organ (Röse). Reste von ihnen kommen sogar noch 
im knorpeligen Nasengerüst des Erwachsenen vor (Spukgat), 

Als zweites Mittel, um die InnenHäche des Oeruchsorgans zu 
vergröfsiTn, führte ich die Bildung von Falten auf. Die Falten ent- 
wickeln sich bei den 
Säugetieren (Fig. 'V2^y m) 
und beim Menschen an 
der Seitenwand der 
Nasenhöhlen . verlaufen 
parallel zueinander von 
vorn nach hinten, wachsen 
mit ihrem freien Rande 
nach abwärts und werden 
der Form wegen, welche 
sie annehmen, als die 
drei Nasenmu schein 
sowie die Hohlräume 
zwischen ihneYi als 
oberer, mittlerer 
und unterer Nasen- 
gang bezeichnet. Von 
der knori)eligen Schädel- 
kapsel erhalten sie beim 
Menschen schon im zwei- 
ten Monat eine Stütze, 
welche später verknö- 
chert. Bei manchen Säugetieren gewinnen die Muscheln eine kompli- 
zierte Gestalt, indem sich auf der ersten Falte noch zahlreiche 
sekundäre und tertiäre, kleinere Falten anlegen, welche sich in 
eigentümlicher Weise zusammenkrümmen und einrollen. Wegen dieser 
komplizierteren, durch die Muschelbildung hervorgerufenen (lestaltung 
hat das Riechsäckchen denn auch den Namen des Geruchslaby- 
rinths erhalten. 

Drittens endlich vergröfsert sich die Nasenschleimhaut dadurch, 
dafs sie Aussackungen bildet, welche teils in die knorpelige Ethmoidal- 
region der Schädelkapsel, teils in eine Anzahl von Belegknochen hin- 
einwachsen. Auf diese Weise entstehen die zahlreichen , kleinen 
S i e b b e i n z e 1 1 e n im knorpelig vorgebildeten Siebbein. Etwas später 
(beim Menschen im sechsten Monat) entwickelt sich eine Ausstülpung 
im Oberkiefer zur H igh mors höh le. Nach der Geburt endlich 

21* 




Fig. 'i2ö. Queraclinitt durch den Kopf 
eines Schweine -Embryo von 5 cm Stelfs- 
Soheltellänge. 

k knorpelige Nasenscheidewand , m Nasen- 
muschel, J jAconso.Nsches Organ mit jk Jacobso.n- 
schem Knorpel, W Zaiinleiste, bl Belegknochen. 



$24 



Elftei Kapitel. 



(IiiDgcu Aussackungen noch in den Keilbeinkön)er und in das Sürn* 
bein ein und erzeugen die Sinus sphenoidales und Sinus 
frontales, welche aber erst ihre volle Gröfse zur Zeit der Ge- 
whlechtsreife erlangen. Bei mtncfaen Säugetieren findet die Ver- 
grörserung der Nasenhöhle sogar uoch weiter nndb rOckw&rts bis in 
den Körper iles Iliuterliauptbeins statt fSinus occ i ]) i t a les). 
Dadurch, dals die Nebenhöhlen der Na^e Kuochensubstanz verdrängen, 
tragen sie natfirlieh auch zur Verringerung des Gewiclits des Kopf- 
skeletts bei. 

Bei Besprechung drr Geruchsorpane wflro jrtzt auch noch der 
Kntstehung der auiseren Nase mit weuigeu Worten zu 
deuken. I)iese]l)e entwickelt sich aus dem Stirnfnrtsatz und den al» 
Nasenfortsätzen unterschiedenen ihn (Fig. 180, 3<>3, 321) dadurch« 
dafs diese sich aus diMn \iv, nu ihn r t ingebung immer mehr er- 
heben. Anfangs breit und plump, wird die Nase später dttnner und 
I&nger und gewinnt charakteristische Formen. Die Nasenlöcher, die 
hei ihrer Anlage weit auseinandersteben, rücken in der Medianebene 
zusammen. "Wilhrend ihr Abstand, wie His durch Messungen gezeigt 
hat, bei einem fünf Wochen alten Knibryo 1,7 mm betragt, verringert 
er sich bei einem sieben Wochen alten £mbryo auf 1,2 mm und bei 
einem noch etwas filteren auf 0,8 mm. Dementsprechend vetdfinnt 
sich der mittlere Stimfortsatz und liefert die Nasenscheidewand. 

III. Die Bntwicklunc der Haut und ihrer Nebenorsane. 

Die Oberhaut des Menschen ist nach den Angaben KOllikers 
in den zwei ersten Monaten der Entwickhin'j: <^f'hr domi niul besteht 
nur aus zwei einfachen Lagen von Epithel/eilen. \oii (lie.sen zeigt 
die obeilBächUcheLage abgeplattete, «lurchsichtige, hexagonale Elemente, 
die tiefe Lage dagegen kleinere Zellen, so dafs hierin schon eine 
Sonderung in eiur II im und eine Keimschicht (Rete Malpighii) an- 
gedeutet ist. Hei iiiam hen Säugetieren löst sich die oberHni hlieliste 
verhornte Schicht im Zusammenhang ab und stellt dann um den 

ganzen Embryo eine Zeitlang eine Art von Hülle dar, welche die 
ervorsprossenden Haare hedeckt und daher p i t r i c h i u m heifst. 
Von <l'*r Mitte des eiulirynnah'ii Lebens an werden beide Lagen 
der OberiiauL dicker, und eutluilt die äulserste von ihnen Hom- 
schuppchen, deren Kerne sich rückgebildet haben. Eine Abschuppung 
findet von jetzt an in reicherem Mafse an der Oberfläche statt, 
während der Verlust durch Teilungsprozesse in der Kcinisrliicht und 
Umwandlung der Teilprodukte in verhornte Zellen wieder ersetzt 
wird. Infolgedessen bedeckt sich die Oberfläche des Embryo bis zur 
Geburt immer mehr mit einer weifsgelblichen , schmierigen Masse, 
der Fruchtschmiere (Smegma rmbryonum oder Vernix casonfsa). 
Sie besteht aus einem Gemenge von abgelösten Epidermisschüppchen 
und TOD Hauttalg, der von den mittlerweile entstandenen Talgdrüsen 
abgeschieden worden ist. Sie bildet namentlich an der Beugeseite 
der (ielenke. an Fufssolile. Handteller und am Kopf einen dickeren 
tiber/.ug. Abgelöste Partieu hiervon geraten in das Fruchtwasser 
und trüben es. Endlich können sie vom P^mbryo ebenso wie ein- 
zelne abgelöste Wollhaaie mit dem Fruchtwasser verschluckt und 
so zu einem Bestandteil des im Darmkanal augeh&aften Kind^peches 
werden. 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des ftoCteren Keiniblettes. 



325 



Die Epidermis macht nur eiiuMi Bestandteil der Haut des Er- 
wachsenen oder des Integunients aus; den anderen, au Masse Ober- 
wiegenden Teil, die Lederhaut oder das Corium, liefert das Zwischen' 
Watt oder Mesenrliym. Ks findet liier die gleiche Krsrlieiiiun^ wie 
an anderen Hauten und Organen des Körpers statt. Die von den 
primären Keimblättern abstammenden Epithellagen 
treten in nfthere Beziehung zu dem Mesenchym, indem 
sie von ihm eine zur Stütze und KrnAhrung dienende, bindegewebige 
Grundlage erhalten. Wie sich das in?iere Keimblatt mit dem Zwischen- 
blatt zur Darnischleimhaut, das epiilieiiale Hdrbläschen mit der an- 
grenzenden Statzsubstanz zum häutigen Labyrinth, und die epitheliale 
Augeiildase mit der Chorioidea und Sclera zum Augapfel vereint, so 
verbindet sieb auch hier die EpidermiB mit demCorium zur äufseren 
Haut. 

In den ersten Monaten bildet das Ck>rium beim Menseben eine 
Schiebt dicht zusammenliegender, spindelförmiger Zellen und ist 
durch eine zartf^. strukturlose Gren2meln^I (nasalineiiibran) mit 
glatter Fläche, wie es bei niederen Wirbeltieren dauernd der Fall ist, 
gegen die Oberbaut abgesetzt. Im dritten Monat sondert es sich in 
die eigentliche Lederhaut und in das locker werdende Unterhautbinde- 
gewebe, in welchem sich bald auch einige T' tttrluibrhen entwickeln. 
Letztere nehmen von der Mitte der Schwaugcrschaft au Zahl so zu, 
dals bald das Unterbautbindegewebe zu einer den ganzen Körper 
bedeckenden Fettschicht wird. Zu dieser Zeit geht auch die glatte 
Kontur zwischen Olier- und Lederhaiit verloren. Die Lederhaut 
entwickelt an ihrer Oberflaclie kleine l'apillen. welche in die Keim- 
schiclit hineui wachsen und den P a p i II a r k ö r p e r d e r H a u t (Corpus 
papilläre) erzeugen. 

Eine höhere Ausbildung erlangt die Haut der Wirbeltiere infolge 
ähnlicher Prozesse, wie sie vom Darmkanal beschrieben worden sind. 
DieEpidermis vergröfsert ihre Uberfläche nach aufseo 
durch Paltenbildungen, nach innen durch Einstfllpungen. 
Indem die aus- und eingestülpten Teile dabei auch ihre histologischen 
Eigenschaften in mannifrfaltig^r Weise verändern, entstellt eine ^rolse 
Anzahl verschiedenartiger Organe, welche in den einzelnen Wirbeltier- 
klassen in ungleicher Weise entwickelt sind und so in erster Linie 
ihr äufseres Aussehen liestimmen. Als Foitsatzbil düngen nach aufsen 
entstehen die Hautzähne und Schuppen, die Federn. Haare und 
Nägel, als Einstülpungen dagegen die Schweifs-, Talg- und Milch- 
drüsen. Wir werden uns hier nur mit der Entwicklung der Haare, 
Nftgel und Drüsen beschäftigen. 

1) Die Haare. Die Anlage der Haare l)efiinut beim Menschen 
am Ende dpf? dritten embryonalen Monats an einzelnen Stellen (zuerst 
in der Gegend der Stirn und der Augenbrauen); aus der Keim- 
scbicht der Epidermis bilden sich kleine, solide Zapfen, die Haar- 
keime, welche sich in die unterliegende Lederhaut hineinsenken 
iV'v;:. :V2fi hl). Indem diese sich weiterhin noch verhingern un! ;\n 
ihrem biuuieu iinde verdicken, nehmen sie Flascheiiiorm an. Hierauf 
gerftt am Grunde des Epithelzapfens die angrenzende Lederhaut in 
Wucherung und liefert ein zellenreiches Knötchen ipa), das in das 
Epithelgewebe hineinwilchst nnd die Anlage der bindeficwehigen und 
schon früh mit einer Blutgefäfsschlinge verseheneu HaarpapiUe 
isL Um den ganzen in die Tiefe gesenkten Haarkeim ordnen sich 



Dlgitized by Google 



326 



Elftes Kapitel. 



Fig. 32G. 





ho 



später die umgehenden Teile der Lederhaut zu besonderen, teils 
longitudinal, teils zirkulär verlaufenden Faserzilgen an, die man als 
den Haar balg unterscheidet (Fig. 327, 328 hh). Auf den sich an- 
schlielsenden Stadien l)eginnen die Epithelzellen, welche die Pajiillen 
überziehen, zu wuchern und sich in zwei Teile (Fig. 327) zu sondern, 
erstens in Zellen, die von der Papille weiter entfernt sind, eine 
spindelige Gestalt annehmen, sich zu einem kleinen Kegel vereinen 
und durch Verhornung das erste Haarsjjitzchen (Jm) liefern, und 
zweitens in Zellen, welche die Papille überziehen, protoplasmatisch 
bleiben und das Muttergewebe, die Haarzwiebel (hz). darstellen, durch 
deren Vermittlung das Weiterwachsen der Haare ge.schieht. Die 

Zellen der Haarzwiebel, 
ho die sich durch Teilung ver- 
schl niehren , setzen sich von 
unten an den zuei-st ge- 
bildeten Teil des Haares 
an und tragen, indem sie 
verhornen, zu seiner Ver- 
gröfserung l»ei. 

Das auf der Papille sich 
entwickelnde Haar liegt 
"schl Jiiifangs ganz in der Haut 
verborgen und wird rings- 
um von den Pipithelzellen 
des Zapfens umhüllt , au 
dessen Grund die erste An- 
lage vor sich gegangen ist. 
Aus dieser Umhüllung 
leiten sich die äufsere 
und die innere Wur- 
zelscheide her (Fig. 
327. 328 aw hr). Von 
ihnen besteht die äufsere 
(au ) aus kleinen , proto- 
plasiuatischen Zellen und 
gellt nach aufsen in die 
Keimschicht der Epidermis 
[ftchl) und am entgegen- 
gesetzten Ende in die 
Haarzwiebel (hz) kon- 
tinuierlich über. In der 
inneren Wurzelscheide (»r) 
nehmen die Zellen eine abgejdattete Form an und verhornen. Infolge 
des von der Zwiebel ausgehenden Wachstums werden die jungen 
Haare allmählich nach der Oberfläche der Epidermis zu empor- 
geschobeu und beginnen beim Menschen am Ende des fünften Monats 
nach aufsen hervorzubrechen (Fig. 328 ha). Sie treten schon beim 
pjnbryo immer mehr über die Hautobertläche nach aufsen hervor 
und rufen an manchen Stellen der Haut, wie namentlich am Kopf, 
einen ziemlich dichten Überzug hervor. Wegen ihrer geringeren 
(iröfse und ihrer Feinheit, und da sie nach der Geburt bald ausfallen, 
werden sie als W oll haar oder Lanugo bezeichnet. 

Jedes Haar ist eine vergängliche Bildung von kurz 




der 



V\fr. 327. 

Fig. 826— ,"^28. Drei verschiedene Stadien 
Entwicklung des Haares bei mensch- 
lichen Embryonen. 

ho Hornsfhicht der Epidermis, sihl Keini- 
srhicht, pn llaarpapille, hk lluarkoim, hz Ilaar- 
zwieb«'!, /ja jiingfs Haar, /lo' die aus der Haartasihe 
herausrageiide Siiitze.aH- äufsere, w innere Wurzel- 
scheide dos Maares, hb Haarbalg, td Talgdrüse. 



Dogle 



Die Organe des Anfimren KeimblatlM. 



327 



zugemessener Lebensdauer. Es fällt nach einiger Zeit aus und 
wii3 dureh ein neues ersetzt. Sebon wfthrend des embryonalen Lebens 
beginnt dieser Prozels. Die ausfallenden Haare geraten dann in das 

Arnnionwasser, und indem sie mit dit seiii vom Emhryo verschluckt 
werden, machen sie einen Bestandteil des im Darmkanal sich an- 
sammelnden Kindspeches aus. Ein stärkerer Wechsel findet beim 
Menschen gleich nach der Geburt statt mit dem Ausfall der Woll- 
haare, die an munclien Stollen des Körpers durch vhw kräftigen' Be- 
haarung ersetzt werden. Bei den Silugetiereu zeigt das Auslallen 
und die Neubildun«? der Haiire eine gewisse Periodizität, welche von 
der wärmeien und der k&lteren Jahle^zeit abhAngig ist. So ent- 
wickelt sich ht'i ilinrn ein Sommer- und ein Winterpelz. Auch heim 
Menschen wird der H a a r wech se I , wenn auch in einer minder auf- 
fälligen Wei.se, von den .Jahreszeiten beeiutlulst. Das Auslallen eines 
Haares wird durch Veränderungen des auf der Papille aufBitzenden, 
als Zwiebel bezeichneten Teiles ein^a^leitet. Der Vermehrunprsprozers 
der Zellen, durch welcheu die Anbilduufz neuer Ilomsubstanz ge- 
i-chieht, hört auf; das ausfallende Haar lüst sich von seinem Mutter- 
boden ab und sieht am unteren Ende wie zerfasert aus. daher es 
jetzt als Kolben haar bezeichnet wird; im Haarbalg wird es aber 
noch durch die fest anschliefsenden Wurzelscheiden so lange zurück- 
gehalten, bis es gewaltsam lierausgerissen oder durcii das au seine 
Stelle tretende Ersatzhaar nach auften herausgedrängt wild. Über 
die Entwicklungs weise der Ersatzhaare vergleiche man die Lehr- 
bQcher der Ilistolofrie. 

2) Die ^'ägel. Ein zweites, durch Verhorn ung der Oberhaut ent- 
stehendes Organ ist der Nagel, welcher in vergleicbend-anfttomischer 
Hinsicht den Krallen- und Hufbildungen anderer Sjiugrtiere eit» 
spricht. Sch'tn hei siehen W ( tien alten menschlichen Embryonen 
treten Wucheruni^en der Epidermis au den Enden der Finger auf, 
die sich durch Kürze und Dicke auszeichnen, ebenso an den Enden 
der Zehen, die in ihrer Plntwicklung immer hinter den Fingern etwas 
zurück sind. Int'nl^'^r der Wucherungen entstehen aus locken n Epi- 
dermiszellen zusammengesetzte, krallenartige Ansiltze, die von Hensen 
als Vorlaufer der Nagel oder als Urnügel beschrieben 
worden sind. 

An etwas illtoren Embryonen der neunten bis zwölften Woche 
(ZaM'Fi; ist die Kpiderniiswucherung durch eine ringförmige Ein- 
senkuug gegen ihre Umgebung aljgegrenzt. Sie besteht nach dei 
Lederhaut zu ans einer einfachen Lage grofskemiger Gytinderzellen. 
welche dem Rete Malpighii entspricht, aus einer zwei- bis dreifachen 
Lage y olygonnler Starhelzellen und einer Hornschicht. Den so durch 
eine Einsenkung und durch eine veränderte Beschaffenheit der Zellen 
markierten Bezirk nennt Zander den primären Nagelgrund und 
Iftfst ihn am Endglied einen gröl^eren Teil des Rückens, aber auch 
eine kleinere, ventrale Fläche einnehmen. Was nun die näheren Vor- 
gänge der Entwicklung der Nagelplatte iietritft, so legt Minot, ge- 
stfitzt auf Untersuchungen von Bowkn, ein besonderes Gewicht darauf, 
dafs der Nagel einen moditizierten Teil des Stratum lucidum darstellt, 
der durch Verlust des darüberliegenden Epitrichium hlofsgele-jt worden 
ist. Schon am Anfang des vierten Monats traten in den uherdilch- 
lichsten Zellen der Keinischicht Körnchen von Eleidio oder Keratohyaliji 
nnf und ersteugen das hekAnnte Stratum granulosum. Aus ihm ent> 



Dlgitizeo Ly v^ü0gle 



328 



Elftes Kapitel. 



wickelt sich eiu „Stratum lucidum, welches zuerst im distalen Teil 
des Nagelfeldes ersclieint. sich von hier aus proximalwärts ausbreitet 
und zu allerletzt an der Nagelwurzel auftritt; auch hier geht der 
Bildung des Stratum lucidum eine Ablagerung von Körnchen in den 
beteiligten Zellen voraus. Etwa in der Mitte des vierten Monats 
besitzt der ganze Nagel ein Stratum lucidum" (S. Minot). Die so 
entstandene Nagelplatte verdickt sich laugsam durch neuen Zuwachs 
von ihrer unteren Fläche aus, wo sich neue Zellen unter Bildung 
von Eleidinkörnchen in Hornsubstanz umwandeln. Bei ihrer ersten 
Anlage ist die Nagelplatte noch von einem Eponychium, welches deiu 
Epitrichium der übrigen Haut entspricht, bedeckt. Das Eponychium 
geht erst am Ende des fünften Monats verloren. Doch sind schon 
einige Wochen vorher die Nägel, trotz ihres Überzuges, an ihixT 
weiisen Farbe gegenüber der rötlichen oder dunkelroten Farbe der 
umgebenden Haut leicht erkennbar. Nach Schwund des Eponychiums 
wird die stärker wachsende Nageli)latte von hinten nach vorn über 
das Nagelbett vorgeschoben und beginnt über dasselbe vom siebeuten 
Monat an mit freiem Kande hervorzuragen. Bei Neugeborenen besitzt 
sie einen über die Fingerbeere weit vorsjjringenden Rand, welcher, 
weil embryonal früher angelegt, sowohl viel dünner als auch schmäler 
als der später gebildete, Jiuf dem Nagelbett ruhende Teil ist. Der 
Randteil wird dalier nach der Geburt bald abgestolsen, 

3) Die DrÜNeii der Haut. Die sich durch Einstülpung an- 
legenden . drüsigen Bildungen des Hornblattes sind beim Menschen 

dreifacher Art: Talgdrüsen. Schweifs- 
drüsen und Milchdrüsen. Sie alle 
entstehen durch Wucherungen der 
Keimschicht, welche sich als solide 
Zai»fen in die Lederhaut einsenken 
und dann sich entweder -nach dem 
tubulösen oder dem alveolären Typus 
weiter entwickeln. Nach dem tubu- 
lösen Typus legen sich die Schweifs- 
und die Oh renschmalz drtisen 
an. Sie beginnen vom fünften Monat 
an von der Keimschicht aus in die 
Lederhaut einzudringen, im siebenten 
Monaterhalten sieeinekleine Höhlung 
im Innern, winden sich infolge ver- 
mehrten Längenwachstums und krüm- 
men sich namentlich an ihrem Ende 
ein , womit die erste Anlage des 
Knäuels gegeben ist. Die Talg- 
drüsen gehören dem alveo- 
lären Typus an. Sie entwickeln sich entweder direkt von der 
Epidermis aus, wie z. B. am roten Lippenrand, an der Vorhaut und 
an der Eichel des Penis, oder sie stehen in engem Zusammenhanp 
mit den Haaren, was das gewöhnliche Verliältnis ist. In diesem Fall 
legen sie sich als solide Verdickungen der äufseren Wurzelscheide 
nahe am Ausgang der Haartasche an. noch ehe die Haare vollständig 
ausgebildet sind (Fig. 327 u. 32H/f/); zuerst besitzen sie eine Flaschen- 
form, dann tn'iben sie einzelne seitliche Sj>rosseu, die sich an ihren 
Enden kolbenartig erweitern. Eine Höhlung erhält die Drüse dadurch. 




I 

i 

Fip. 329. Durchschnitt durch 
die Anlage der Milchdrüse eines 
weiblichen menschlichen Em- 
bryo von 10 cm Länge. Nach Htas. 

<lf Aiilajjf des Drüseiifeldcs. g 
kleine (irulie auf deinseUnm. 



Die Organe des äufseren Keimblattes. 



320 



dafs die im Innern der Kanäle gelegenen Zellen verfetten, zerfallen 
und als Sekret nach aulsen entleert werden. 

Von gröfserem Interesse ist die Entwicklung der Milch- 
drüsen, welche umfangreichere und mit einer wichtigen Funktion 
betraute, der Klasse der Silugetiere eigentümliche Organe sind. Au 
die Spitze der Betrachtung stelle ich gleich den für die weitere 
Beurteilung der Befunde wichtigen Satz, dafs jede Milchdrüse beim 
Menschen nicht ein einfaches Organ . etwa wie eine Ohr- oder eine 
Unterkieferspeicheldrüse mit einem einfachen Ausführgang, sondeni 
ein gröfserer D r ü se n kom p 1 e x ist. Ihre erste Anlage ist beim 
menschlichen Embryo am Ende des zweiten Monats als eine auf der 
linken und der rechten Brustseite erscheinende, erhebliche Verdickung 
der Epidermis (Fig. 329) beobachtet worden. Entstanden ist sie be- 
sonders durch eine Wucherung der Keinjschicht , welche sich als 
halbkugeliger Höcker (r// ) in die Lederhaut eingesenkt hat. Aber 
auch in der Hornschicht 
gehen später Verände- 
rungen vor sich , indem 
sich dieselbe verdickt 
und als Horn|ifropf in 
die Wucherung der Keim- 
schicht hineinragt, (je- 
wöhnlich findet sich auf 
der Mitte der ganzen 
Epithelanlage eine kleine 
Grube (g). Auf diese 
Weise wird frühzeitig 
eine Hautstrecke abge- 
grenzt, welche sich später 
zum Warzenhof und zur 
Papille umgestaltet, und 
aus deren lioden erst die 
einzelnen, Milch liefern- 
den Drüsen hervor- 
sprossen. 

Bei älteren Embry- 
onen hat sich die als linsenförmige Verdickung erscheinende Wuche- 
rung der Epidermis nach der Peripherie vergröfsert und dal)ei ab- 
geflacht (Fiu. :V.H\ (if). Nach au Isen wird sie zugleich schärfer ab- 
gegrenzt dadurch, dals sich die Lederhaut verdickt und sich zu einem 
Wall (Cutiswall du), nach aul'sen erhoben hat. 

Der ganzen Anlage, welche jetzt eine flache Einsenkung (df) 
der Haut darstellt, ist der Name Drüse nfeld gegeben worden. 
Es wachsen nämlich frühzeitig aus dem liefe Malpighii des Drüsen- 
feldes solide Sprossen {dg) in die Lederhaut hinein , in ähnlicher 
Weise, wie an anderen Stellen aus der E|)idermis die Talg- und 
Schweifsdrüsen entstehen. Im siebenten M<mat sind sie schon sehr 
deutlich entwickelt und strahlen von der grubenförniigen Vertiefung 
nach unten und seitlich aus. Bis zur Geburt nimmt ihre Zahl zu, 
und bedecken sich die gröfseren von ihnen mit soliden , seitlichen 
Knospen {dh). Jeder Sprols ist die Anlage einer Milch bereitenden 
Drüse, die sich mit einer besonderen Mün<lung auf dem Drüsenfeld 
(r//) öffnet. 




Viff. 'iiiiO. DurohBohnitt durch die Anlage 
der Milchdrüse von einem menBchliohen weib- 
lichen Embryo von 32 cm Länge. Nach Uvss. 

(if Drüsenfeld. <iir Prüsenwaill . dg Drüsen- 
aiisfübrgang, <lb DrQsenbläschen. 



S30 



Elftes Kapitel. 



Der Naine DrOsenfeld ii>t ein recht passend gewählter, weil 
er an die ursprOnglieheo Verhältnisse der Monotremen eine An- 
knüpfung bietet. Bei diesen Tieren nämlich findet man nicht . wie 

hoi tlen hoher entwickelt»'!! S ;)u<i('t leren , einen schärfer j;esonderten, 
einheitliciien Milchdrüsenkouiplex, sondern anstatt dessen eine etwas 
vertiefte, sogar mit kleinen Haaren versehene Hautstrecke, auf welcher 
einzelne kleine Drosen verteilt sind, deren Sekret von den sein un- 
reif pehort'Tif'ü Jun^ien mit der Zunfre nnfjieleckt wird. Bei den 
ül)rigen iSäugetieren dagegen werden die vereinzelt auf dem Drüsen- 
feld ausmündenden Drüsen zu einem einheitlichen Apparat verbunden; 
es entwickelt sich eine Einrichtung, die /um besseren SAucen der 
.Tundren dient, nftinlich eine Papille oder Zitze, welche alle Drdseu- 
ausluhrgJln|]!:e in sich eiiiscliliefst und vom Mund de? gesSugt werden- 
dcü Times uuiiai^t wird. Beim Menschen beginnt ihre Entwicklung 
schon vor der Geburt (Oskar Schültze). Das vom Cutiswall um- 
sÄunitc Drüsenfeld, welches längere Zeit zu einer Grube vertieft war, 
flacht sich zuerst ah, bis es in einem Niveau mit der benachbarten 
Haut liegt. Von dieser ist es infolge grülseren Blutgefälsreichtuuis 
und wegen der donneren Beschaffenheit seiner Epidermis durch eine 
mehr rötliche Färbung unterschieden. Dann erbebt sich während 
der ersten Lebensjahre die Mitte des Drüsenfeldes mit den il;i«elh?t 
dicht beieinander zur Ausmüudung gelangenden Ausluiirgäugen (Ductus 
lactiferi) mehr in die Hohe und wird, indem sieh noch glatte Muidrel- 
fasern in gröf^^erer Menge in der Lederhaut anlegen, zur Saugwarae; 
die nmgeliende Hautstrei ke. soweit sich an ihr keine Haarkeime anlegen, 
wird zum Warzenhof (Areola mammae). Im weiblichen Geschlecht gehen 
diese Umbildungen etwas frOhzeitiger als im männlichen vor sich. 

Bald nach der Geburt kommt es zu Veränderungen in dem noch 
8pÄr)ir!i ;m^i:eliil(leten Drt^ sengewebe. Ks tritt eine vornberseliemlf 
mit grulscrem Blutandrang verbundene Anschwellung der Brustdnist u 
ein, aus welchen sich jetzt durch Druck eine geringe Quantität niilch- 
artiger Flüssigkeit, di*' souenannte Hexen milch, auspressen läfst. 
Nach Köi.LiKKii hängt ihre Bildung dannt zusammen, dafs die ur- 
sprünglich solid angelegten Drüsengänge um diese Zeit eine Ihdilunü 
gewinnen, indem die central gelegenen Zellen verfetten, sich auflösen 
und in einer Flfissigkeit suspendiert nach aufsen entleert werden. 
Nach Untersuchungen von Bakfikth dagegen wäre die sogenannte 
Hexenmilch Neugeborener das Produkt einer echten, vorübergehenden 
Sekretion und uacli iliren morphologischen wie chemischen Bestand- 
teilen der eigentlichen Frauenmilch gleichartig. 

Nach der Gebnrt bilden sich zwischen beiden Geschlechtern in 
der BeschatTenheit der Milchdrüse grofse Unterschiede aus. Wrihrend 
beim Manne das Drüsenparenchym in seiner Entwicklung stehen 
bleibt, beginnt es beim Weibe, besonders zur Zeit der Geecbleditareife 
und mehr noch nach Eintritt einer Schwangerschaft« zu wuchern. 
Aus den znerst angelegten Drosenausführgängen sprossen zahlreiche, 
bohle Seitenzweige hervor, die sich mit hohlen, von einem einschich- 
tigen Cylinderepithel ausgekleideten Drüsenblflschen (Alveoli) bedecken. 
Gleichzeitig entwid^rln sich in dem Bindegewebe zwischen den einzelnen 
Drüsenl;l])|icheii reichliche Instdn von Fettz- lhMt. Iiifolt;edcssen schwillt 
die Gegend, an welcher sich der Milchdrüseukomplex angelegt hat, 
zu einem mehr oder minder weit nach aulsen hervortretenden Hügel 
(der Mamma) an. 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des ftofterw Keimblattes» 



3dl 



Bepetitoriam wxl KavIMl ZZ. 

I. SntwieUniig des reiitraliieTTeiii^StemN. 1) Das CeDtral- 

nerveusystem entwickelt si('!i nns dem zur Medullai platte verdickten 
B*viik des nufseren Keimblattes, der sich zum ÄleduUarrohr zu- 
buimueufaltet (iMiulullaifalte, Medullarrinne). 

2) Am Medullarrohr verdiclcen sich die Seitenwände, wllhrend 
ventrale und dorsale Wand dünn bleiben, in die Tiefe der vorderen 
und hint« rc!) Liingsspaiten rücken und zu dea Kommissureu der 
RückeuiuarksiuUften werden. 

3) Ursprtinglich füllt das Rflekenmark den ganzen Wirbelkanal 
aus, wächst aber langsamer als dieser und endet daher später am 
zweiten Lendenwirbel. ( Schräger Verlauf der Lenden- und Saeralnerven.) 

4) Der Teil des Nerveurohrs, welcher zum Gehirn wird, gliedert 
sieh in die drei primAren Himblasen (primftres YorderhimblAschen 
[Prosenc-eplialon] . Mittelhirnbläscben [Mesencephalon] , Hinterbirn- 
bläscheu [ Khombencepli al nn ] ) . 

5) Das primäre VurderhiinhUischeu, aus dessen iSeitenwandungen 
sieb die Angenblasen ausstülpen, sondert sieh weiter in die Anlage 
des Grofshirns (Telencephalon) und des Zwischenhirns (Diencephalou). 

6) Das HiTiteiiiiriiMi^stliPit zerfällt durch Einschnürung in die 
Anlage von Kleiuiiiru (Epeucephalouj und verlängertem Mark (Myelen- 
cephalon). 

7) Die gerade Achse, welche die drei primAren Himbläschen 

untereinander ursprünglich verbindet, erfahrt spflter an einzelnen 
Stellen starke KrOmnningen, in deren Folge die Bläschen sich gegen- 
einander verschieben (Kopfbeuge, Brückenbeuge, Nackeubeuge). Der 
Kopf- und Nackenbeuge entsprechen an der Oberfläche der Embryonen 
der Kopf- oder Scheitelhucker und der Nackenhöcker. 

8) Bei der Umwandlung der Bläs( hen finden folgende Prozesse 
statt: a) Einzelne Stellen der Wandungen verdicken sich iu mehr 
oder minder bobem Grade, wfthrend andere Stellen eine Verdflnnung 
erfahren und keine Nervensubstanz entwickeln (Deckplatte des dritten 
und vierten Ventrikels); b) die Bläschen wandunpcn falten sich ein; 
c) einzelne Bläschen (erstes und viertes) uberHügeln in hohem Grade 
in ibrem Wachstum die ftbrigen (Zwischen-, Mittel-, Naehbim). 

9) Von den Hohlräumen der Bläschen leiten sich die vier Him- 
kammern und die SvLVische Wasserleitung her. 

10) Von den drei Bläschen erfahrt das Mittelliirnbiäschen, welches 
die Vierhügel liefert, die geringfügigsten Umwandlungen. 

11) Primäres \ order- und Hinterhinibläschen zeigen eine ähn- 
liche Veränderung:, indem ein grftfserer Abschnitt ihrer oberen Wand 
sich zu einer einfachen Lage von Epithelzelleu verdünnt und in Ver- 
bindung mit der wuchernden, weichen Hirnhaut die Adergetlechte 
erzeugt (vorderes, seitliches, hinteres AdergeÜecht; vorderer und 
hinterer Hirnschlitz). 

12) Die Anlage des Grofshirns zerfällt unter Kiitwicklunj; der 
Mantelspaite und der grolsen Hirnsichel in xwei .seitliche liilüteu, die 
beiden Uemisphärenblftschen. 

1?.) Die Heniisphärenbläsrben tthertreffen schliffslich beim Men- 
schen an Masse alle übrigen Hirn teile und wachsen von oben und 
von der Seite als Hirnmantel Uber den anderen Abschnitt des Him- 
rohrs oder den Himstnmm herOber. 



Digitizeo Ly vjoogle 



332 



Elftei Kapitel. 



14) Bei der Falteobildung der Hemisphären unterscheidet man 
Flssttren und Suld. 

15) Die Fissuren (Fossa Sylvit, Fissnra hfppoeampi, Fissnra 

chorioidea, Fissura ca]( arina . Fissura occipitalis) sind totale Ein- 
fnltiingen der Hirnwand, durch welche an der Oberfläche tiefe Ein- 
schnitte und nach den Seitenventrikeln zu entsprechende Vorsprünge 
bedingt werden (Corpus striatum, Ammonshom [Cornu ammonis], 
Adergeflechtsfalte, Calcar avis). 

1(1) Die Sulri sind Einschnitte, welche auf die Hirnrinde be- 
schränkt nnii je nacli der Zeit ihrer Entstehung tiefer oder seichter 
sind tpninare. sekundäre, tertiäre Sulci). 

17) Die Fissuren treten im allgemeinen früher als die Sulci auf. 

18) Der Riechnerv ist nicht einem peripheren Nervenstamni gleich- 
wertig, sondern, wie die Augenblasen und der Sehnerv, ein besonderer, 
durch Aiisstül])nnf: aus dem Stirnlappen der Grofshiruhenii>iiharen 
entstandener Hiriiteii (Kiechlappen, Lohns olfactorius mit Bulbus und 
Tractos olfactorius). (Mächtige Entwicklung des Riechlappens bei 
niederen Wirbeltieren [Haien], Verkammerang beim Menschen.) 

n. Entwieklnnf den perlplieren und sympallilwhen Ner?en* 

8yKteni§. 1) Die Spiualknoten ent wi keln sich aus einer Nervenleiste, 
welche ans der Verscblulsstelle des Nervenrohrs jederseits zwischen 
ihm und dem Hurnblatt nach abwürts wächst und sich in der Mitte 
jedes Ursegments zu einem Ganglion verdickt. 

2) Die Spinalknoten stammen daher, wie daa Nervenrobr selbst, 
vom äufseren KeiniMatt ab. 

3) Die sympathischen Ganglien des Grenzstrangs sind wahr- 
scheinlich abgeschnürte Teile der Spinalknotcn. 

4) Über die Entwicklung der peripheren Nervenfasern bestehen 
zwei verschiedene Hypothesen: 1) Die peripheren Nervenfasern 
wachsen ans dem Centralnervensystein he rvor und verbinden sich erst 
sekundär mit ihrem peripheren Kndapparat. 2) Die Anlagen des 
peripheren Endapparats (Muskeln, Sinnesorgane) und das centrate 
Nervensystem hängen von frühen Stadien der Entwicklung an durch 
Verbindungsfäden und durch Zellen die zu Ketten aneinandergereiht 
sind, zusammen. Aus den Verbindungen entstehen die Nervenfasern 
(Hensew). 

III. Entwicklung des Au^es. 1) Die seitlichen Wandungen der 
primilren Vorderhimblasen stülpen sich zn den Augenblasen aus. 

2) Mit dem Teil der priniären Vorderhirnblase, der zum Zwischen- 
hirn wird, lileihen die Augenblaseu durch einen Stiel, den spAteren 
Sehnerven, verbunden. 

:\) Die Augenblase wandelt sich in den Angenbecher um. Indem 
ihre laterale und ihre untere Wand durch die Anlage der Linse nnd 
des GlaskOri^ers einfjestülpt werden. 

4) An der Stelle, wo die primäre Augeublase mit ihrer Seiten- 
wand an das äufsere Keimblatt anstöfst, verdickt sich dieses, senkt 
sich zur LinseDgruhe * iii und schnürt sich zum Linsensftckeli* n al). 

r>) An der hinteren Wand des Linsensfickehens wachsen die Zellen 
zu Linsenfasern aus. vorn werden sie zum Linsenepithel. 

0) Die Linseuanlage wird /.ur Zeit ihres Wachstums von der Tunica 
vasculosa lentis, die sich später rfickbildet, eingehüllt. 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Orgaae des toisereii KeimbUttas. 



7) Die Membrana pupillftris ist der vordere, hinter der Pupille 

gelegene Teil der Tuoica vasculosa lentis. 

8) Die Entwicklung des Glaskörpers veranlafst die Aupenspaltc. 

9) Der Augeubecher bat doppelte VVaQcluugen: ein äulseres und 
ein inneres Epithelblatt, die an der Öffhung des Bechers, welche die 
Linse umfaTst, und an der Attgenspalte ineinander übergehen. 

10) Zwischen die Linse und das dicht anliegende Hornblatt 
wachsen Mesenchymzelleu aus der Umgebung hinein und bilden Horn- 
haut und DKscEMETSche Membran, von denen sich die letztere durch 
einen Spaltraum, die Augenkammer , gegen die Tunica vasculosa 
lentis absetzt. 

11) Der Augenbecher sonflert sich in einen hintfron Abschnitt, 
in dessen Bereich sich sein luneres lllatt verdickt uuil zur Netzhaut 
wird, und in einen vorderen Abschnitt, der an der Ora sc r rata be- 
ginnt, sich stark venltlnnt, sich Uber die vordere Linsenfliif In -rhieht 
und in die Augenkammer hineinwächst, bis sich die ui {irünglich 
weite Bechcröflfnung auf den Umfang der Pupille verengt hat. 

12) Der vordere verdflnnte Abschnitt des Bechers zerf&llt noch* 
mals in zwei Zonen, indem er sich in der Umgebung des Linsen- 
Äquators zu den Ciliarfortsfttzen einfaltet, nach vorn davon aber filatt 
bleibt Somit sind jetzt am gesamten Augenbeciier drei Teile als 
Retina, als Pars ciliaris und als Pars iridis retinae zn unterscheiden. 

13) Den drei Abschnitten des Augenbechers entsprechend nimmt 
auch die anprrenzende . bindegewebige Hülle eine verschiedene Be- 
schaffenheit an und liefert die eigentliche Chorioidca, das Binde- 
gewebe des CiliarkOi-pers und der Iris. 

14) In der Umgebung der Hornhaut faltet sich die Haut zum 
oberen und zum unteren Augenlid und zur Nickliuut ein, welche 
letztere beim Menschen rudimentär ist und nur als Tlica semiluuaris 
fortbesteht. 

15) Die Händer der Augenlider verwachsen in den letzten Monaten 
der Entwicklung mit ihrem Epithel, um sich vor der Geburt wieder 

zu lösen. 

10) Vom inneren Augenwinkel fülirt bei den Säugetieren die 
Trftnenrinne zwischen Oberkiefer- und ftufserem Nasenfortsatz zur 

Nasenhöhle. 

17) Indem eine Epithelleiste vom (iruude der Tränenrinne in die 
Tiefe dringt, sich abschnürt und aiuniiohit, entsteht der Träuenkanal. 

18) Dadurch, dafs am Augenwinkel die Epithelleiste sich teilt, 
entwickeln sich die beiden TrftnenrOhrchen. 

IT. Entwicklung des Gehörorgans. 1) Das häutige La])yrinth 
entwickelt sich zur Seite ih'< Nriflihinis ohcrhall» der ersten Schlund- 
Spalte aus eiuer grubenföruugen Vertiefung des äuiseren Keimblattes. 

2) Das Hörgrübchen schliefst sich zum HörWascheu ab, rückt 
mehr in die Tiete und wird in embryonale Bindesulistanz eingebettet, 
aus welcher sich später die Schädelkapsel enfuitkelt. 

3) Das H<\rhjäscheu nimmt durch verschiedenartige Ausstülpunjien 
seiner Wand die komplizierte Gestalt des häutigen Labyrinthes an 
und sondert sich in den Utriculus mit den drei halbkreisförmigen 
Bogengängen, in den Sacculus mit dem Canalis reuniens und der 
Schnecke sowie in den Labyrinthauhauji (Kecessus vestibuli). durch 
welchen Sacculus und Utriculus noch untereinauder in Verbindung 
bleiben. 



Digitized by Google 



Elftes Kapitel. 



4) Der Hönierv und das Hörepithel, irelehe ursprünglich einfach 

8iu(l. zerfallen, so wie sich das Bläschen in mehrere Abschnitte sondert, 
in mehrere Nervenzweige (X. vestibuli, N. Cochleae) und in mehrere 
Jierveneudstelleu (Cristae acusticae der drei Ampullen, eine Macula 
acnstiea des Utricolus und des Sacculus und das Goitnsche Organ). 

5) Das embryonale Bindegewebe, in welches das epitheliale Hör- 
bläschen iiiul seine [TinwarHllungsprorlukte eingeschlossen werden, 
sondert sich in drei verschiedene Teile: a) in eine dünne Biude- 
gewebsschicht , weiche sich den epithelialen Wandungen anschmiegt 
und mit ihnen zusammen das häutige Labyrinth darstellt; b) in ein 
Gallertgewebe, welches während des embryonalen Lebens verflüssigt 
wird und die perilyniiihatisrhen RRnme liefert (nn der Schnecke die 
Paukentreppe und die Vuriiotstreiipe); c) in eine Knorpclkapsel, aus 
welcher durch YericnOcherung das knOcheme Labyrinth entsteht. 

6) Mittleres und ftu(^res Ohr sind von dem oberen Teil der 
ersten Schhindspalte (Spritzloch der Selachierl abzuleiten. 

7) Aus der Verschlufsplatte der ersten Schlundsiialte uebst an- 
grenzenden Teilen der Schimuil>ogeu entwickelt sich das Trommelfell, 
welches ursprQngKch dick ist und sich erst später verdQnnt. 

8) Aus einer Bucht an der Innenseite des Trommelfells (Sulcus 
tubotympanicus) und aus einer nach oben, aufsen und hinten <ze' 
richteten Aussackung davon entstellen Paukenhöhle und Eustachische 
Rohre. 

9) Die Paukenhöhle ist ursprOuLrlich aufserordentlich eng. indem 
in der sie einhüllenden Schleimhaut das Bindegewebe ;;allertip; ist. 

10) Gehörknüchelcheu und Chorda tympani liegen anfangs im 
Gallertgewebe eingebettet aufserhalb der Paukenhöhle; erst durch 
Sehl uni[)fun^' der Gallerte kommen sie in Schleimhaut&Iten zu liegen, 
welche i n (i gei -i inniger werdende Paukenhöhle Torspringen (Ambofs- 
und Huuimer falte). 

11) Der äufsere Gehörgang entwickelt sich aus der Umrandung 
der nach aufsen vom Trommelfell gelegenen Biiclit ; die Ohrmuschel 
entsteht aus sechs Höckern, die sich zum Tragus, AntitragttS, Helix, 
Anthelix und zu dem Ohrläppchen umgestalten. 

V. Entwicklung des Geruchsorgans. 1 1 Dns Geruchsorjran 
entwickelt sich aus zwei grubenförmigen \ ertietuugen des äulVeren 
Keimblattes, welche sich in einem grölsercn Abstand voneinander 
auf dem Stirufortsatz bilden. 

-M Die beiden Gernchs^rübchen verbinden sich auf einem weiteren 
Stadium mit den Winkeln der Mundhöhle durcli die lsasenrinn<'n. 

Ü) Die inneren und die äufseren Rander der Geruchsgrübcbeu 
und der Nasenrinnen treten als Wülste nach aufsen hervor und stellen 
die inneren und die äufsereu Nasenfortsätze dar. 

4) Durch Verwachsung der Nasenrinnen wird das Gernchsnr'jau 
in zwei Nasengänge umgewandelt, die mit dem äufsereu Nasenloch 
am Stirnfortsatz und mit dem inneren Nasenloch an der Decke der 
Mundhöhle nach einwärts von der Oberlii)pe ausmünden. 

5) Die inneren Nasenlöcher werflen spi^ter spaUfönnis und nn-ken 
näher aneinander, indem sich die Nasenscheide wand verdünnt und zu- 
gleich etwas nach abwärts in die primitive Mundhöhle hineinwächst. 

6) Der obere Teil der primitiven Mundhöhle wird zum Geruchs- 
organ hinzugezogen zur Vergröfserung seiner Begio respiratoria, io« 



uiLjiiizuü Dy Google 



Di« Organe des äulkerea Keiuiblatte«. 



dem von den Oberkieferfortsätzen die liorizontalen Gaumenfortsfttze 
dem unteren Bau l der Nasenscheidewand entgegenwachsen^ mit ihm 

verschmelzen und den harten und flon weichen (iaumen erzeujien. 

7) Das Geruchsorgan erführt eine weitere Vergiöl'serung seiner 
fOr respiratorische Zweclce dienenden Biunenrftume i\) durch Falten- 
bildung seiner Schleimhaut, durch welche die X; nmuscheln ent- 
stehen, b) durch Ausstülpung seiner Schleiniha'it in li»^ angrenzenden 
Teile des knorpeligen und des knöchernen Kopl.skeletts (Bildung der 
Siebbeinzelleu, der Stirn-. Keilbein- und iiighmorshöiileii). 

8) Am GeruchsgrQbchen bildet sich frühzeitig eine besondere 
Vertiefung des .'Uifseren Keimblattes als Anlage des jACoasOKsehen 
Organs mit einem besonderen Ast des Rieehnerven. 

9) Das jACUB.suNsche Organ kommt entfernt von der Regio olfac- 
toria an den Grund der Nasenscheidewand zu liegen. 

10) Als Rest der Gaumenspalte, der ursprünglichen Verbindung 
zwischen Nasenhöhle und Mundhöhle, erhalten sich die STESsoNschen 
Gänge vieler SlUigetiere. die Canales incisivi des Menschen. 

Tl. Entwicklung der Haut mit Nebenorgaueu. 1) Die Ent- 
wicklung der Haare wird bei menschlichen Embryonen dadurch ein- 
geleitet, dals sich Fortsätze von der Keimschieht der Oberhaut, die 
Haarkeime, in die Tiefe senken. 

2) Am Grund der HÄarkeime legi sich durch Wucherung des 
Bindegewebes die blutgefälsführende Haarpapille an. 

3) . Der epitheliale Haarkeim sondert sich: a) durch Verhornung 
eines Teils der Zellen in ein junges Haar, b) in eine lebhaft wuchernde, 
/vvi<i hen dem üaarschaft uml der Papille gelegene Zellschicht, in die 
Haarzwiebel, welche das Material zum Wachstum des Haares liefert, 
c) in die ftufüere und die innei'e Wurzelschei'le. 

4) Um den epithelialen Teil der Haaranlage bildet sich der 
Haarhalg aus dem umgebenden Bindegewebe. 

ö) Die Niigel des Meuschen entwickeln sich aus eiuem zum uri- 
mftren Kagelgrund modifizierten Bezirk der Epidermis durch Um- 
wandlung des Stratum lucidum. 

G) Die zuerst gebildete, dftnne Nagelplatte wird eine Zeitlang 
noch von einer Schicht verhornter Zelleu, dem Eponychium, über- 
zogen, das im fünften Monat beim Menschen abgestofsen wird. 

7) Die Milchdrüse ist ein Komplex alveolärer Drt\sen. 

8) Zuerst entsteht eine Verdickung der Keimsehirht der Ober- 
haut uuü wandelt sicli in das später durch einen Wall von der Um- 
gebung abgesetzte und etwas vertiefte DrOsenfeld um. 

9) Vom Grund des Drüsenfeldes wachsen die Anlagen alveol&rer 
IhUsen in i,M öfserer Anzahl hervor. 

lU) >^i);iter erhebt sich das die DrüsenansführjJiange enthaltende 
Drüsenfeld ü\m' die Hautobertläche und wird zur Ürustwarze. 

11) Nach der Geburt wird vorübergebend eine geringe Menge 
milehartiger Flüssigkeit, die Hezenmilch, abgesondert. 



Digitizeo Ly vjüOgle 



Zwölftes Kapitel. 



Die Organe des Zwisehenblattes oder MeB^chyms. 

Schou im ersteu Teil dos T^olirliuclis (S. »»1) siinl die Gründe an- 
gegeben worden, weiche es notwendig erbchciiien lassen, aulser den 
vier epithelialen Keimblättern noch ein besonderes Zwischenblatt oder 
Meseu( liyui zu unterscheiden. Die Unterscheidung rechtfertigt sieh 
auch durch den weiteren Fortgang der Entwicklung. Denn alle die 
verschiedenen Gewebe und Organe, welche sicli von dem Zwi^chenblatt 
ableiten, lassen auch später noch in vieilacher Weise ihre enge 
Zasammengehörigkeit erkennen. In histologischer Hinsicht faftt man 
ja schon lange die verschiedenen Arten der Bindesubstanzen als eine 
Gewebsfauiilie auf. 

Ursprünglich ist die Aufgabe des Zwischeublattes, was namentlich 
bei niederen Tierstftmmen, wie bei den Coelenteraten, auf das deut- 
liebste hervortritt, eine Füll- und Stützniasse zwiRchen den Epithel* 
blättern zu bilden. Daher steht es auch in seiner Ausbreitung m 
diesen in enger Abhängigkeit. Wenn die Keimblätter sich nach aul'sen 
in Falten erheben, dringt es zwischen die Faltenbifttter als StOtz- 
lamelle mit ein; wenn die Keimbifttter nach innen sich einfalten, 
nimmt es die sieh sondernden Teile auf, wie bei den Wirbeltieren 
das Nerveurolu, die quergestreiften Muskelmassen, das sekretorische 
Drflsenparenchym , Augenbecher und HArblflschen, und liefert ihnen 
eine besondere, sich ihnen anpassende UnthOllung (Hirnhäute, i'eri- 
mysiuni, Bindesubstanz der Drüsen) TTifolgLilessen gestaltet sich auch 
das Zwischeublatt zu eiuem aurserordentlich konijili/ierten Gerüste 
in demselben ISIafse um, als die Keimblätter durch Aus- und £in- 
faltung und Abschnflrung einzelner Teile in reicherer Weise gegliedert 
und in die verschiedensten Organe zerlegt werden. Aufserdem aher 
gewinnt das Zwischenblatt, be.sonders bei den Wirbeltiert-n. noch durch 
seine eigene grolse Umbildungsfähigkeit einen verwickelten Bau, 
nämlich auf dem Wege histologischer Sonderung oder 
durch Ge websme tarn orp hose; es gibt so einer grols-en Reibe 
verschiedener Organe, den knorpeligen und knöchernen Skeletteileu. 
den Fascien, Aponeurosen und Sehnen, den Blutgefulsen und Lymph- 
drosen etc. den Ursprung. Daher wird es hier am Platze sein, etwas 
näher auf das Prinzip d er histo! ogisehen Differenzierung 
einzugehen und namentlich zu untersuchen, in welcher Weise es bei 
der Entstellung gesonderter Orgaue im Mesenchyiu beteiligt ist. 

Die ursprünglichste und einfachste Form des Mesenchyms ist das 
Gallertgewebe. Nicht nur lierrscht es bei niederen Tierstämmea 
allein Tor, sondern es entwickelt sich auch bei allen Wirbeltieren 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die (Irgtne das Zwiacheablftttn odor Maie&diyiDfl. 



337 



zuerst aus den embryonalen Zellen des Zwisciiniltlattes und ist hier 
der Vorläufer und die Grundlage für alle übrigen Formen der Stütz- 
sutetanz. Es bleibt bei niederen Wirbeltieren, ancb wenn sie ans- 
gewarh?en sind, an manchen Orten hestehen; bei den Säugetieren 
und dem Menschen dage^^en schwindet es frühzeitig und wandelt sich 
iu zwei höhere Furmeu der 8tütz8ubstanz, entweder in fibrilläres 
Bindegewebe oder in Knorpel ge webe um. Das erstfenannte 
Gewebe entsteht, indem in die gallertige Grundsubst^nz von ihren 
Zellen, die bald zerstreut, bald dichter liegen, Bindegewebsfasern, die 
aus Collagen bestehen und beim Kochen Leim geben, ausgeschieden 
werden. Anfangs spärlich vorbanden, nehmen die leimgebenden Fasern 
an Ifasse bei älteren Tieren immer mehr zu. So fOhren vom Gallert- 
gewebe die Ühergangsfonnen des fötalen oder unreifen Bindegewebes 
cum reifen, fast ausschheislich aus Fasern und ihren Bildungszellen 
bestehenden Bindegewebe hinüber. Dieses ist einer sehr mannig- 
faltigen Verwendung im Organismus fähig, je nachdem seine Fasern 
sie}] in verschiedenen Richtungen regellos durchtiechten oder parallel 
zueinander gelagert und zu besonderen Strängen und Zügen ange- 
ordnet sind. Dadurch iältit es in Verbindung mit anderen aus den 
Keimbl&ttem hervorgegangenen Teilen sehr verschiedenartige Organe 
zustande kommen. Hier bildet es eine nruriiliLn' für flächenartig 
ausgebreitete Epitbellagen und erzeugt mit ihnen das aus Epidermis. 
Lederhuui und subkutanem Bindegewebe zusammengesetzte Integument, 
die verschiedenen Schleimhftnte und die serOsen Häute. Dort ver- 
bindet es sich mit quergestreiften Muskehnassen . ordnet sich unter 
ihrem Zug in parallel antreordnete. strafl'e Fn-prbündel um und liefert 
Sehnen und Apoueurusen. Wieder au anderen Orten gestaltet es 
sieh zu festen, bindegewebigen Blättern, die zur Trennung oder Um- 
hollung von Muskelmassen dienen« zu den ZwiscfaenmuskellAndeni 
und Muskelbinden. 

Das zweite Umwandlungsprodukt des primären Mesenchyms, der 
Knorpel, eotwiekett sieh in der Weise, dafls an einzelnen Stellen 
das embryonale Gallertgewebe durch Wucherung' zellenreicher wird, 
und (Infs die Zellen Chondrin oder Knorpelgrundsubstanz zwischen 
bich ausscheiden. Die durch den Verknorpelungsprozefs entstandenen 
Teile obertreffen an Festigkeit die übrigen Arten der StQtzsubetanz, 
das gallertige und das leimgebende Zwischengewebe, in erheblicher 
Weise: sie sondern sich von ihrer weicheren Umgebung s( harfer ab 
und werden vermöge ihrer besonderen physikalischen Eigenschaften 
zur Übernahme besonderer Funktionen geeignet. Teils dienen die 
Knorpel zum Offenhalten von Kanälen (Knorpel des Kehlkopfes und 
Bronchialbaums), teils /um Schutze lehenswichtiger Organe, um 
welche sie eine feste Hülle bilden (knorpelige Schädelkapsel, Labyrinth- 
kapsel, Wirbeikanal etc.), teils zur Stütze von Furtsatzbildungeu der 
KOrperoberfläehe (Eztremitätenknorpel , Kiemenstrahlen etc.). Zu- 
gleich bieten sie feste Angriffspunkte für die in das Mescnchym ein- 
gebetteten Muskelmassen, von denen benachbarte Teile mit ihnen in 
festere Verbindung treten. Auf diese Weise ist durch histologische 
Metamorphose ein gesonderter $kelettap]>arat entstanden, der in dem- 
selben MaAe an Komplikation zunimmt, als er mannigfachere Be- 
ziebungefi zur Muskr;l;itm- '..'<'winnt. 

Knorpel- und Bindegewebe endlich sind abermals einer histo- 
logischen Metamorphose fähig, indem sich aus ihnen unter Abseheidung 

O. Hartwig, Die Kl«m*Bt« d*r RntwlcMwiiKalaliM. 2. AaS. 28 



Digitized by Google 



338 



Zwölftes KapiteL 



YUQ Kalksalzeu die letzte l'orm der Sttktzsubstanz , das Kuuclien- 
gewebe, entwickelt. Es gibt also Knochen, die aus einer 

knorpeligen, und andere, die aus einer In ml ege weh igen 
Grundlage entstanden sind. Mit ihrem Auftreten wird der Skelett- 
apparat bei den Wirbeltiereu seiner höchsten Vollendung entgegen- 
gefflhrt. 

Wenn schon das Mesenchym durcli solche Vorgänge einen aufser- 
ordentlich hohen Grad von f iliederung und eine grofse Vielgestalti^rkeit 
erfahren bat, so sind hiermit die histologischen Sonderungsprozesse, 
die sich in ihm abspielen, gleichwohl noch nicht erschöpft. Um beim 
Stoffwechsel des Organismus die Vermittlerrolle zu spielen und sowohl 
den einzelnen Organen die Nahrungssüftt' zuzuführen als am Ii die bei 
den chemischen Prozessen in den Geweben unbrauchbar gewordenen 
Stoffe, sowie die ttberschossigen Sftfte wieder wegzuleiten, sind in der 
gallertigen oder bindegewebigen Grundsubstanz Kanäle und Lücken 
entstanden, in welchen sich Blut und T,ymphe fortbewriicTi Aus diesen 
ersten Anfängen ist ein sehr zusammengesetzter Apparat von Organen 
hervorgegangen. Es stellen die gröt^eren Hohlrftume Arterien und 
Venen dar und haben eigenartig gebaute, mit glatten Mu^^kelzellen 
uuf^ rlnsti^f hf^n Fasern ausgestattete, dickere WanduiiL't n erhalten, an 
denen sk Ii lirei verschiedene Schicliten als Tunica intnua, media und 
adventitia unterscheiden lassen. Ein kleiner Teil der Blutbahn, durch 
Reichtum an Muskelzellen besonders ausgezeichnet, ist zu einem Forl^ 
bewegungsaiiparat der Flttssifjkeit . dem Herzen, geworden. Die in 
dem Flttssif^keitsstroin des Körpers kreisenden Elementarteile, Bhit- 
luid Lymphzellen, bedürfen, je komplizierter der Stoffwechsel wird, 
um so mehr der Erneuerung. Dies fahrt mir Entstehung besonderer, 
als Brutstätte für Lympbkörperchen dienender Organe. Im Verlauf 
der Lymphgefflfse und Lymphspalten finden an einzelnen Stellen im 
Bindegewet:^ besonders intensive Zellenwucherungen statt. Die binde- 
gewebige Gerflstsubstanz nimmt hier die besondere Modifikation des 
retikulären oder adenoiden Gewebes an. Der sich bildende Üher- 
schufs rrn Zellen tritt in die vorbeifliersende Lymphbahn über. Je 
nachdem die lymphoiden Organe einen einfacheren oder zusammen- 
gesetzteren Bau aufweisen, werden sie als soütäre und aggregierte 
Follikel, als Lymphknoten und Milz \inti i schieden. Endlich bildet 
sich an sehr vielen Stellen des Zwischenl hittcs . wie namentlich im 
ganzen Verlauf des Darmkauais, glattes Muskelgewebe aus. 

Nach diesem kurzen Überblick Über die Differenzierungsprozesse 
im Zwischenhlatt gehen wir zur speziellen Entwicklungsgeschichte 
der aus ihm hervorgeln nden OrgansiyBteme, besonders des BlutgefiLd»- 
und des bkelettsystems, über. 

I. Die Entwicklung: des Bluts^efftfssystems. 

Das Gefftfssyst«'ni d<'r Wirbeltiere läfst sich auf eine sein ein- 
fache Grundform zurückführen, nämlich auf zwei Blutgefäls^taiume, 
▼on denen der eine oberhalb, der andere unterhalb des Darms in der 
Längsrichtung des Körpers verläuft. Der dorsale Läugsstannn, die 
Aorta, lierrf in dem Ansatz des dorsalen Mesenteriums, durch welches 
der Darm an der Wirbelsäule befestigt ist, der andere Stamm da- 
gegen ist in das ventrale Mesenterium eingebettet, soweit überhaupt 
ein solches bei den Wirbeltieren noch zur Anlage kommt; er wandelt 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des Zwiscbenblattes oder Meseucbyms. 



339 



sich fast ganz zum Herzen um. Das Herz ist daher nichts anderes als 
ein eigenartig entwickelter, mit besonders starken Muskelwandungen 
versehener Teil eines Hauptblutgefäfses. 

A. Die Entwicklung des Herzens, des Herzbeutels und Zwerchfells. 

1) Die erste Anlage des Herzens. Hier sind zwei verschiedene 
Typen zu unterscheiden, von denen sich der eine bei den Selachiern, 
Ganoiden, Amphibien und Cyklostomeu , der andere bei den höheren 
Wirbeltieren, den Reptilien. Vögeln und SiUigetieren, vorfindet. 

Bei den Amphibien, deren Verhältnisse wir der Beschreibung des 
ersten Typus zugrunde legen wollen, entsteht das Herz sehr weit 
vorn am embryonalen Körper, unterhalb des Schlunddarmes oder der 
Kopfdarmhöhle (Fig. 331). Bis in diese Gegend dehnt sich die 
emi)ryonale Leibeshöhle (/ä) aus und erscheint auf dem Querschnitt 
zu beiden Seiten der Medianebene als ein enger Spalt. Beide Hälften 
der Leibeshöhle werden durch ein ventrales Gekröse (vlig) voneinander- 




Kig. 381. Querschnitt durch die Herzgegend von einem Embryo von 
Salamandra maculosa, bei welchem der vierte Schlundbogen angedeutet 
ist. Nach Rarl. 

d Darmepithel, vm visoerales MittelMatt, ep Kpideriiiis, Ih vorderer Teil der 
Leibeshöhle (Herzbeutelbrusthöhle), eml Endoiiard, p Perikard, vhg vorderes Herz- 
gekrüae (Mesucardium antorius). 

getrennt, durch welches die untere Fläche des Schlunddarmes mit 
der Rumpfwand verbunden ist. In der Mitte des Gekröses sind seine 
beiden Blätter, aus denen es sich entwickelt hat, etwas auseinander- 
gewichen und lassen einen kleinen Hohlraum, die primitive Herz- 
höhle, hervortreten. Diese wird von einer einfachen Zellenlage um- 
geben, welche sich si)äter zum inneren Herzhäutchen oder zum Endo- 
kard (end) entwickelt. Nach aulsen davon sind die angrenzenden 
Zellen des mittleren Keimblattes verdickt; sie liefern das Material, 
aus welchem die Herzniuskulatur (das Myokard) und die obertiäch- 
liche Herzhaut (p) (l'ericardium viscerale) entsteht. Oben und unten 
wird die Herzanlagc einerseits an dem Schlunddarm (d), anderseits 
an der Rumpfwand durch den Rest des Gekröses befestigt, der sich 
als ein dünnes Häutchen erhält. Wir bezeichnen diese beiden Partien 
als die Aufhängebänder des Herzens, als hinteres und vorderes Herz- 
gekröse (Mesocardiuni posterius und anterius) {vh(j). Von einem 
Herzbeutel ist zu dieser Zeit noch nichts zu sehen, wenn wir nicht 

22* 



340 




Fig.382. iklkmlflhdf di 
d n 



als sdlcliou den vonleren Abschnitt der Leibeshöhle bezeichnen wollen, 
aus welchem sich, wie der weitere Verlauf lehren wird, haupts&chlicb 
der Herzbeutel herleitet. 

Beim zweiten Typus nimmt das Herz aus zwei getrennten, 
weit voneinander abstehenden Hälften seine Entstehung, wie die Be- 
funde l>eim HUhncheu uud Kaninchen aufs deutlichste lehren. Beim 

mk* dm n Fiir :?'V_'-.m. DrelSchemmt», 

um die Bildung des Herseni 
beim Hühncham aa erläutern. 

M Nervenrohr I m MeaenchjB 
des Kopfes, ifDftrmhfthle, dfF^iSlf 
der I)!irni|ilatte. in denen sich ili«' 
Endüthelsdcki bell des Her/.<ns 
anlegen, h Kndotbelsäckcben de« 
Heneii8,efcChordA,aijeibe8böbie, 
ak, «I infteres, inn«m Kmmlilttt, 
mk^ parietales MittcIMaft, mir* ris- 
cerales Mitt*lblatt, aus dessen m- 
dirkter Stelle sielt die Herzmns- 
kulatar entwickelt, dn Darmnaht, 
in welcher die beiden Darmfalten 
verschnii»lz('ii simi , ilh 'I\m1 des 
Darmdrüsenblattes, der sich vom 
Epitiiel der Kopfdarmhöhle in der 
Darmnaht ab|G:etreniit hat und dea 
Dotter aiifliejjt. f dorsales Meso- 
cardiiim oder Ik-rzgekrftM, • »«• 
trales Uerzgekröse. 

Fig. 832. Das jQngste Stadial 
seigtdieEinfalttinKdorDarmplattCk 
infolge deren sieb die Kopfdaim* 
höhle bildet. In den Firsten der 
Darmfaiten haben sich zwiscbea 
innerem Keimblatt nnd Tisceralea 
Mittelblatt ilie beiden Endothel- 
sftckcben des Herzens angelefU 

Fig. .'-Ö3. Etwas älteres Stadium. 
Die beiden Darmfalten (Fig.S32d/) 
sind in der Dartnnaht {dn) n- 
sammenget roflen , so daT- beide 
Endotbelsackeben des Herzens ia 
der Medianebene unterhalb der 
Koptdarmhdlile dicht lataamen* 
liegen. 

h'ifi. -VM. Ältestes Stinliura. 
Der die Kopfdarmhöhle (<i) aus- 
Ideidende l^il des Darmdrfksea- 

blattes bat sieb in der Darmnabt 
(Fig. dfi) vom übrigen Teil des 
Darmdnist'nblattes, der dem Dotter 

Fig. 834. hdbhmk*ih «»fli«gt abgetrennt, so daft 

" beide Endothelsiekeben des 

Ilcr/.ens aneinanderstofscn nnd etwa!5 später vrrscliriicl/pn. Sie liegen in einem 
von den visceralen Mittelblättern gebildeten Herzgekrot-e , Mesocardium, an 
welchem man einen oberen und unteren Teil (Mesocardium superius f und Mesi^ 
cardium inferias *} unterscheiden kann. Durch das Herzgekröse wird die priai* 
tive l^ibeshöhle vorübergehend in iwei Abtrilungen getrennt 




Hühnchen lassen sich die ersten Spuren seiner Anlage schon bet 
Embryonen mit 4— t) Ursepmonten zu einer Zeit nachweisen, wo die 
Keimblätter noch tlächeuartig ausgebreitet sind, und wo die Kopf- 
dannhOhle in der ersten Entwicklung begriffen ist. Letstere entsteht, 



Digitlzed by Google 



Die OrgUA des Zwiaehenblattes oder Hesenchyau. 



341 



wie schon früher (S. 131) hervorgeho]>en wurde, dadurch, dafs sich 
die Darmplatteu zusamueulegen und einander eutgegeuwachseu. Unter* 
sucht 1I18D DHU die Firsten der eben in KMmng begriffenen Darm- 
falten nüher (Fig. 332 dp, so bemerkt man, daÜi an ihnen das viscerale 
Mittelhlatt etwas verdickt ist, sich aus gröfseren Zellen zusammen- 
setzt und von dem DarmdrUsenblatt durch einen wohl mit gallertiger 
Gmndsnbstanz gefällten Zwisehenranm getrennt wird. In letzterem 
liegen einige isolierte Zellen, die später eine kleine Höhle, die primi- 
tive Herzhöhle (h), umgrenzen. Hierbei iiehiiien die Zellen eine mehr 
endotheliale Beschatl'euheit an. Während die Darnifalten einander 
eutgegenwachsen, vergröfsem sich die beiden Endothelschläuche und 
treiben den verdickten Teil des visceralen Mittelblattes vor sich her, 
so dafs er einen flachen, wulstartijjen Vorsprung in die primitive 
Leibeshöhle bildet. Diese dehnt sich auch bei den Kmbryonen der 




Fig. 3:i') u. 336. Querschnitt daMb den Xqpf elXMe XUlilloheiis von 
gleichem Alter wie in f ig. 139. Aus Külloom, 

Flg. SM ist ein Teil von Fig. 935 in starkeier Verffrölsennig. 

rf JUirkenfurcht', mp MeduUarplatte, rtr Uiu kenwulst, h iuifsert'^ Ki'imblatt, 
thi inneres Keimblatt, dd' Chordaverdickuufi; de!>sellK'u, 8p ungeteiltes .Mittelblatt, 
hp parietales, dfp viieermles Mittelblatt, ph Perikardialtdl der Leib^höhle, ahh 
Muskelwand des Herzens, «Mk Endolbelschicht des üersens» ma seitliehest un- 
geteiltes Mittelblatt, bw Daimfiilte, aus der sieh die Tentmle Sdiloiidwiad bildet 

höheren Wirl)eltiere nach vorn in der embryonalen Anlage, gleicliwie 
l>ei den Aniphiltieii , bis zum letzten Schlundlm^eu aus und hat hier 
den besonderen >iauien der iialbhölile oder Tarietalhohle erhalten. 

Bei ftiteren Embryonen (Fig. 333) haben sieh die beiden Dann- 
falten in der Medianebene mit ihren Firsten getroffen, wol)ei natürlich 
auch die beiden Herzschläuche nahe aneinander gertlckt sind. Es 
tritt dann ein Verse hmelzungsprozeis zwischen den entsprechenden 
Teilen der beiden Darmfalten ein. Zuerst verschmelzen die Darm- 
drOsenblätter untereinander. Auf diese Weise entsteht (Fig. 3:33) 
unter der Chorda dorsalis (ch) die Kopfdarmhöhle (d): sie löst sich 
darauf vom übrigen Teile des DarmdrUsenblattes (Fig. 334 db) ab, 
welcher dem Dotter aufliegen bleibt und zum Dottersadt wird. Unter 



342 



ZwAlftet Kapitel. 



der Küpidarmhöhle sind die beiden Herzschläuche nahe zusammen- 
gerflckt, 80 daft ihre beiden Hohlrftiune nur noch durch ihre eigene 

Endothelwand voneinander getrennt werden. Durch Einreifsen der- 
selben geht bald aus ihnen ein einfacher ITerzschlauch (A) hervor Fr 
wird nach der Leibeshöhle zu vom visceralen Mittelblatt (mk^) über- 
zogen, dessen Zellen sieh im Bereich der Herzanlage durch grOl^re 

Länge auszeichnen und das Material ftir die Herzmuskulatur liefern. 
Wälirond das innere, cnrlotlielialc Häutchen nur zum Endokard wird. 

Die ganze Heizanlage liegt, wie bei den Amphibien, in einem 
Tentraleu Mesenterium, dessen oberer Teil, der vom Herzen zur Kopf- 
darmhöhle reicht (Fig. 834 t), &ueh hier als dorsales Hei z<:ekröse oder 
Mesocardium posterius, und dessen unterer ventraler Teil (*) als 
Mesocardiuin anterius bezeichnet vrerden kann. Das letztere bildet 
sich bei den Hühner-Embryonen, sowie sich der Herzschlauch zu ver- 
Iftngern und S-förmig zu krflromen beginnt , sehr frühzeitig znrQck. 

Älinliclie Befundf liefern Durclisclinitte durtb acht und neun Tage 
alte K a n i n c h e n - K in b r y o n e n , bei denen die paari iren Anlagen des 
Herzeus (Fig. ii^ö u. ÖiJO) sich sogar noch früher als beim Hühnchen, 
schon zu einer Zeit entwiekeln, wo das flftchenartig ausgebreitete 
Darmdrüsenblatt sich noch nicht einzufalton begonnen hat. (Man ver- 
gleiche auch die Erklärung der beiden Figuren 335 u. YMi.) 

Bei den eben skizzierten Entwicklungsprozessen läfst sich die 
Ftage aufwerfen, in welchem Verhältnis die paarige und die unpaare 
Anlage des Herzens zueinander stehen. Hierauf ist zu erwidern, dafs 
die unpaare Anlage des Herzens, welche sich bei den niederen Wirbel- 
tieren vorhndet, auch als die ursprüngliche zu betrachten ist. Auf sie 
IftTst sich die doppelte Herzbildung, so abweichend sie auch auf den 
ersten Blick zu sein scheint, doch in ungezwungener Weise zurück- 
führen. Ein einfacher Herzschlaucli kann sich bei den höheren Wirbel- 
tieren deswegen nicht entwickeln, weil zur Zeit, wo seine Bikluog 
erfolgt, ein Kopfdarm noch gar nicht existiert, sondern nur die An- 
lage dazu in dem tiiiehcnhiift ausgebreiteten Darnidrüsenblatt gegeben 
ist. Es sind die Teile, welche (Vir vinttrale Wand des Kopfdarmes 
später ausmachen, und in welchen sich das Herz entwickelt, noch in 
zwei Bezirke getrennt; sie liegen noch links und rechts in einiger 
Entfernung von der Medianebene. Wenn daher zu dieser Zeit schon 
die Herzliildung vor sieh j^ehen soll , so mufs sie in den getrennten 
Bezirken erfol^'en, welelie sich beim Einfaltungsprozefs zum einfachen, 
ventralen Bezirk verbinden. Es müssen also zwei Gefäfshälftcn ent- 
stehen, die gleich den beiden Darmfalten nachtrAglich verschmelzen. 

2) Die UmwandlnujüT des HerzNchlanch» in ein gekammertes 
Herz. In der ersten Zeit der embryonalen EntwickliuiL /eiehiiet sich 
das Herz, <ias als gerader Schlauch in das Mesocardiuni eingelwjttel 
ist (Fig. 331), durch ein sehr bedeutendes, namentlich in »ler Längs- 
richtung vor sich gehendes Wachstum aus; es wird daher bald ge- 
zwungen, sicli in der Halshöhle zu einer S-f örni i j^M-n Schlinge 
zusanimt^nzukrümmen (Fig. 2til>). Es nimmt dann am Hals eine der- 
artige Stellung ein, dafs die Krümmung des S, welche die Dotter- 
irenen empfängt, oder sagen wir kurz, der venOse Abschnitt nach 
hinten und links, die andere Krümmung oder der arterielle Ab- 
schnitt, wclrlicr die Aortenbogen ahgil>t, nach vorn und rechts zu 
liegen kommt (Fig. 337). Bald aber ändert sich die Ausgangsstellung 
(Fig. 337 u. 345), indem die beiden Krümmungen des S eine ändere 



uiLjiiizuü Dy Google 



Die Organe des Zwiscbenblattes oder Mesenchyms. 



343 



Lage zueinander einnehmen. Der venöse Abschnitt bewegt sich kopf- 
wärts, der arterielle dagegen mehr nach entgegengesetzter Richtung, 
bis beide nahezu in derselben Querschnittsebene liegen. Dabei drehen 




Ta 




vh 
ho 

Ta 
ok 



Iho 
rho 

Ta 



Fig. 387. ■ Fig. 338. 

Fig. H87. Herz eioes menBchliohen Embryo von 2,15 mm Körperlänge 
(Embryo Lg). Nach His. 

K Kammer, Ta Trunrus nrteriosus, F venöses Ende des S-formig gekrümmten 
Ilerzschlauchs. 

Fig. :3;i>'. Herz eines menBOhliohen Embryo von 4,8 mm Nl. (Em- 
bryo Bl). Nach Hiö. 

k Kammer, Ta TruniMis arteriosus, ok Ohrkanal (Canali.s auricularis), vh Vor- 
hof mit den Herzohren ho (Auriculae cordis). 

sie sich auch um die Langsachse des P'mbryo. und zwar rückt die 
venöse Schleife mehr dorsalwärts, die arterielle dagegen veutralwRrts. 
Von vorn gesellen, decken sich beide, nur hei seitlicher Ansicht ist 
die S-förmige Krümmung des 
Herzschlaucbs deutlich zu er- 
kennen. Durch den sich ver- 
gröfsernden Herzschlauch wird 
der vorderste Abschnitt der 
Leibeshöhle schon jetzt und 
noch mehr auf späteren Stadien 
stark ausgedehnt und erzeugt 
einen weit nach aufsen vor- 
springenden, sehr dünnwandigen 
Höcker (Fig. 34(;). Da das Herz 
den Höcker vollständig ausfüllt, 
nur von der dünnen , durch- 
scheinenden und eng anliegen- 
den Rumpfliaut, der Membrana 
reuniens inferior von Rathkk, 
überzogen, sieht es aus, als ob 
es zu dieser Zeit ganz aulser- 
halb des embryonalen Körpers 
gelegen sei. 

Nach Ablauf der Drehungen 
vollzieht sich am S-förmig gekrümmten Schlauch auch eine Sonderimg 
in mehrere hintereinandergelegene Abteilungen (Fig. 338 u. 340). Es 
setzen sich der weiter gewordene venöse und der arterielle Teil durch 




st 

rk 

Ik 



Fig. .339. Herz eines mensohliolien 
Embryo der fünften Woohe. Nach His. 

rk, Ik rechte, linkt* Kammer, ni Sulcus 
interventrii-iilaris, Ta Truncus arteriosus, 
ttio, rho linkes, rechtes Ilerzohr. 



844 



ZwUflta« Kapitel. 



eine tiefe Eiuschnttriing (oJc) frogeneinander ah und können nun als 
Vorhol (Atrium) (vh) und Kauimer (k) (Ventriculus), sowie die 
verengte Stelle zwischen beiden nach einer von Haller eingeführteu 
Bezeichnung als Ohrkanal (ok) unterschieden werden. Der Vorhof 
gewinnt dabei eine aulfälli^^t* Gestalt, indem seine beiden Sciten- 
wände weite Aussackungen, die Heizohren {ho) (Aurieulae cordis). 
entwickeln; letztere wenden sich mit ihrem Ireien Rande, der bald 
auch einige Kinkerbungen erhält, nach vom und legen sieh spater 
immer nudir um den arteriellen Teil des Herzens, um den Trunens 
arterinsiis i 7Vr) und einen Teil der KMiiini'^rotnnHiu he herum. 

Der Ohrkanal (Fig. i540) ist eine bei Lmhrvonen ;iut untrrscliiedfne, 
engere Stelle des Herzschlauchs. Indem sich sein Eudothelrohr iu 
sagittaler liichtung stark abplattet, bis seine Wandscbichten beinahe 

zur I'crijhrunt,' kommen, wird die Verbindung' /wiselien Vorhof und 
Kammer zu einer eniien queren Spalte. Hier entwickeln sich später 
die A t r i 0 V e n t r i k u 1 a r 1 a |> p e n. 

Die Kammeranlage stellt vorübergehend einen gekrümmten 
Schlauch dar (Fig. -^-^7 u. 338 k), welcher aber bald seine Form vcf- 

Ändert. Denn srhfui frfili/oitig macht sich an seiner vorderen und 
hinteren !• hiclie eine .seielite, von oben naeh unten verlaufende Furche 
bemerkbar, der Sulcus interventricularis (Fig. 339 .<ff), und 
läl'st äufserlicb eine linke und eine rechte Kammerhftlfte unterscheiden. 
Die letztere ist die engere und setzt sich nach oben in den Truncus 
arteriüsus i 'Ju) fort, dessen Anfang etwa^ erweitei t ist und als Bulbus 
bezeichnet wird. Zwischen Bulbus und Kammer liegt eine nur wenig 
verengte Stelle, das Fretum HalJeri, an welchem sich sp&ler die 
Semilunarklappen anlegen. 

Während der äufserlich sichtbaren Formvprjtnderung gehen auch 
in der feineren Struktur der Herzwftnde, die zuerst aus zwei inein- 
audergesteckten Schlauchen bestehen, die durch einen mit Gallerte ge- 
fllllten Zwischenraum getrennt sind, einige Veränderungen vor sieb. Das 
innere oder e ti d o t h e 1 i a 1 e R o b r stellt im allgemeinen ein ziemlich 
naturgetreues Abbild des Muskelscblauches dar, doch so, da Ts an ihm 
die engeren und die weiteren Absclinitte schärfer voneinander abgesetzt 
sind; »es verh&lt sich seiner Form nach zum Gesamtherxen, als ob es 
ein stark geschrumpfter, innerer Ausgufs dessellwn wäre" (His). Das 
äufsere Rohr wird zum Muskel sc hl auch und läfst schon zu der 
Zeit, wo die S-förmige Krümmung eingetreten ist, deutliche Zi^ge von 
Mnskelfibrillen erkennen. Auf späteren Stadien machen sich in der 
Entwicklung Unterschiede zwischen Vorhof und Kammer bemerkbar« 
Am \"orhot" verdickt sich die Muskehvand gleicliniiirsig zu einer kom- 
pakten Platte, welcher sich das Eudothelrohr unmittelbar von innen 
anlegt. An der Kammer dagegen findet gleichsam eine Auflockernng 
der Muskelwand statt. Ks bilden sich zahlreiche, kleine Balken von 
Musk( l/cllen . welche in (b ii m1 (mi erwähnten 7v:i<i'!ieii);inm zwischen 
den beiden Sciiluucheu vorsprmgen und sich untereinander zu einem 
grofsmaschigen Netzwerk vereinigen. Bald legt sich das Eudothel- 
rohr des Herzens, indem es nach aulsen Aussackungen treibt, den 
Muskelbalki 11 innig an und umgibt jeden einzelnen mit einer be- 
sonderen Hülle (His). So entstehen in der schwammfönnig ge- 
wonlenen Wand der Kammer zahlreiche von Endothel ausgekleidete 
Spaltrftume, welche nach der Oberflftche des Herfens abgeschlossen 



uiLjiiizuü Dy Google 

I 



Die Organe des Zwischenblattes oder Meaencbyms. 



345 



nndy aber mit dem zentralen Binnenraum kommuniziereD und wie 
dieser den Blatstrom in sich aufnebmeiu 

Das embryonale Herz des Menschen und der s;hi2otiere gleicht 
in seiner ersten BeschatTenheit, wie sie bisher l>eschnobeu worden ist, 
den Hersen der niedrigsten Wirbeltiere: der Fische. Hier wie dort 
besteht 68 aus einer das Venenblut aus dem Körper aufnehmenden 
Abteilung, dem Vorhof, und aus einem dns Blut in die arteriellen 
Gefälse hineintreibenden Abschnitt . der Kammer. Demeiiti^prechend 
ist auch der Blutkreislauf noch ein einfacher, ein ein- 
heitlicher. Dies ändert sich im Tierreich wie im embryonalen 
Leben mit der E n tw i ck 1 u n der Lungen, mit deren Auf- 
treten oinp Verdoy)i)elunfi des Herzens und des Blut- 
kreis 1 u u 1 s u ü g e h a Ini t wird. Die Veränderung erklart sich aus 
dem LageTerhältniR der beiden Lungen zu dem Herzen. 
Die Lunp:en nilnilich entstehen in nilchster Nähe des Herzens durch 
Ausstdipung aus dem Vnrderdarm (Fig. 340 /jr). Sie empfangen daher 
auch ihr Blut aus einem dem Herzen ganz nahegelegenen Arterienstamm, 
aus dem letzten, vom Truncus arteriosus sieh abzweigenden Aorten- 
bogen; desgleichen geben sie das liUngenvenenblut direkt wieder 
dem Herzen zurück, und zwar durch kurze Stamme, die Lungenvenen, 
welche Units von den grofseu Veuenstämmen, ursprünglich zu einem 
einzigen SammelgeiUfs vereint (Born, ROsb), in den Vorhof einmfinden. 
Somit gelangt das unmittelbar aus dem Herzen in die 
Lungen strömende Blut auch unmittelbar wieder zum 
Herzen zurück. Hierin ist die Vorbedingung für einen 
doppelten Kreislauf gegeben. Er wird in die Erschei- 
nung- treten, wenn sich der Lungen- und der Körper- 
blutstrom auf der Icut/en Strecke der Gefafsbahn, 
welche beide gemeinsam durchlaufen (Vorbof, Kammer und 
Truncus arteriosus), durch Scheidewände voneinander ab- 
setzen. 

Der Trennungsprozefs beginnt im Wirltelti« rstnuim bei den 
Dipneusten und Amphibien, bei welchen die Luiin natniung zum 
ersten Male eintritt und die Kiemenatmung verdrängt; bei den 
amnioten Wirbeltieren vollzieht er sieh während ihrer embryonalen 
Entwicklung, indem sich Scheidewände bilden, welche Vorhof und 
Kammer in getrennte linke und rechte Abteilungen und den Truncus 
arteriusus in Arteria pulmonalis und Aorta zerlegen. 

Die Scheidewände entstehen in jeder der d^ei genannten Ab- 
teilungen des Herzens getrennt für sich. Am Vorhof, der eine Zeitr 
lanfr den weitesten Abschnitt des Herzschlauchs darstellt (Fig. H4ü), 
macht sich beim Menschen schon iu der vierten Woche eine Souderung 
in eine linke und eine rechte Hälfte (/t- u. rv) bemerkbar, indem an 
seiner hinteren und oberen Wand sich ein Vorsprung in senkrechter 
Richtun;^ bildet: die erste Andeutung der Vtirliofsscheidewand 
oder das Septura atriorum. Beide Hälften unler&cheiden sich schon 
jetzt dadurch, dafs sie verschiedene Venenstilmme aufnehmen. In die 
rechte Abteilung ergiefsen die Dotter- und Nabelyenen sowie die 
erst spAter zu besprechenden CuviEvt-^i-lif ii r,.tn^'(' ilir Blut, alier nicht 
direkt und durcli einzelne besondere OilnunjJieu, sondern nachdem sie 
sich zuvor in der Nähe iles Herzens untereinander zu einem grofseu 
venösen Sinus (sr) (dem Sinus venosus oder Sinus reuniens) verbunden 
haben. Derselbe liegt dem Vorhof unmittelbar an und kommuniziert 



Digitized by Google 



Zwölftes Kapitel. 



mit ihm durch eine in der hinteren Wand gelegene, weite Öflfnung, 
die links und rechts von je einer grofsen Venenklappe (*) begrenzt 
wird. In die linke Abteilung mündet nahe der Vorhofsscheidewand 
nur ein kleines Gefflfs, das in schräger Richtung die Herznmskulatur 
durchsetzt; es ist die oben erwähnte unpaare Lungenvene, die gleich 
aufserhalb des Vorhofs aus vier Ästen entsteht, von denen je zwei von 
einem der in Anlage begriffenen LungenHtigel herkommen. 

Im weiteren Verlauf der Entwicklung wächst nun die Vorhofs- 
scheidewand allmilhlich von oben nach unten herab, bis sie die Mitte 
des Ohrkanals trifft (Fig. 341 si). Auf diese Weise würden schon 
früh zwei völlig abgetrennte Vorhöfe zustande kommen, wenn sich 
nicht im oberen Teil der Scheidewand, noch während sie nach unten 
herabwächst, eine Öffnung gebildet hätte, das spätere Foramen ovale, 
welches bis zur Zeit der Geburt zwischen beiden Abteilungen eine 




Fig. IMO. Fig. :341. 

Fig. 340. Hers eines mensohllchen Embryo von 10 mm Nl., hintere 
Hälfte des geöffneten Herzens. Nach His. 

As Kui)iiiier!M'lieiÜL>waii(l , Ik, rk linke, reihte Kammer, 6k Ohrkanal, Ir, rv 
linker, rechter Vorhof, »r Einmündung des Sinus reuniens, rs Vurhofsscheidewand 
[Vorhofssichel (Mi»), Septum primuin (Höh«),] • Eustachische Klappe, P.« Septum 
Spurium. 

Fig. Hintere Hälfte eines geofiftaeten Herzens eines menschlichen 
Embryo der fünften Woche. Nach His. 

Aw Kammersrheidewand, Ik, rk linke, rechte Kammer, si unterer Teil der 
Vorh<»fsschcidewand | Septum intermediuin (Iiis)], Iv, rv linker, rechter Vorhof, 
sr Einmündung des Sinu.s reuniens, vs Vorhofsscheidewand [Vorhofssichel (lhs\ 
Septiun secundum (Bokn)], Ps Septum spurium, * Eustachische Klappe. 

Verbindung herstellt (Fig. :U1). Die Öffnung ist entweder dadurch 
entstanden, dafs sich das Sejttum atriorum in einem Bezirk verdünnt 
hat oder eingerissen ist, oder dadurch, dafs es an dieser Stelle von 
Anfang an überhaui)t unvollständig gewesen ist, wie es denn beim 
Hühnchen z. l\. von mehreren kleinen Löchern durchbohrt ist. Später 
weitet sich dann das Foramen ovale noch mehr aus, indem es sich 
den jeweiligen Zirkulationsbedingungen aupatst. 

Das Herabwachsen der Vorhofsscheidewand hat noch zur unmittel- 
baren Folge die Trennung des Ohrkanals in die linke und die rechte 



Die Organe des Zwischenblattes oder Meeeuchyms. 



347 



Atrioventrikularöffnung (vergl. Fig. 340 olc u. 341). Die Öffnung des 
Ohrkanals in die Kammer oder das Foramen atrioventriculare commune 
(Fig. 342 F.av.c) stellt nämlich einen von links nach rechts verlaufenden 
Spalt dar, der beiderseits von zwei wulstigen Lippen {o.eh u. u.ek) 
(den Atrioventrikularlippen Lindes oder den Kndothelkissen Schmidts) 
begrenzt wird. Die Wülste sind aus einer Wutrherung des Endokards 
hervorgegangen und bestehen aus einer gallertigen Bindesubstanz und 
einem Endothelüberzug. Mit ihnen verschmilzt alsbald die Vorhofs- 
scheidewand, wenn sie bis zum Ohrkanal herabgewachsen ist, längs 
ihres freien, unteren Randes (Fig. 341 s/); dadurch wird der Ohr- 
kanal in eine linke und rechte Atrioventrikularöffnung (Ostium atrio- 
ventriculare sinistrum und dextrum) (Fig. 343 F.av.d u. F.av.s) zer- 



Pii 8 Ao Pu » Ao Oi 




Fiß. 342. Fig. m. 

Fig. 342 u. 343. Zwei Schemata (nach Bosm), um die liageverBohiebuiigen 
des Ostium atrioventriculare zum Ostium interventrioulare , sowie die 
Trennung der Ventrikel und g^ofsen Arterien au verdeutlichen. Die Ven- 
trikel sind halbiert gedarbt; man sieht in die hintere Hälfte, in welcher übrigens 
zur Vereinfachung des Bildes die Ilerzbalken etc. weggelassen sind. 

Fig. :142. Hers von Kaninchen-Smbryonen von 3,6 — 5,8 mm Kopfl. 

Die Kammer ist durch die Kammerscheidewand (ks) bis auf das Ostium inter- 
ventriculare {Oi) in eine linke und rechte Ilulfte zerlegt. Das Foramen atrio- 
Tentriculare commune (F.nvc) reicht mit seinem rechten Ende in den rechten 
Ventrikel hinein: die Endokardkissen sind ausgebildet. 

Fig. :U:3. Hera von Kaninchen -Embryonen von 7,5 mm Kopfl. Die 

Endokardkissen des Furamen atrioventriculare commune sind verschmolzen, und 
dadurch ist das F. atrioventr. com. Jetzt getrennt in ein For. atrioventr. dextrum 
(F.av.d) und sinistrum (F.ae.s). Die Kammerscheidewand {ks) ist mit den Endokard- 
kissen ebenfalls verschmolzen und noch bis zur Scheidewand (s) des Truncus 
arteriosus hinaufgewachsen. Der Kest des Ostium interventriculare iOi) bildet 
durch seinen Verschlufs das Septum mcmbianaceum. 

rk, Ik rechte und linke Kammer, kn Kammerscheidewand, Pn Art. j)ulmonalis, 
Ao Aorta, « Scheidewand des Truncus arteriosus, Oi Ostium interventriculare, 
F.av.c Foramen atrioventriculare commune, F.ao.d und Fac.s Foramen atrio- 
ventriculare dextrum und sinistrum, o.ek, u.ek oberes und unteres Endothel- oder 
Endokardkissen. 

legt, und gleichzeitig wird der die Öffnung ursprtlnglich begrenzende, 
dorsale und ventrale Endokardwulst ein jeder in seiner Mitte halbiert 
(o.ek und u.ek). Die dorsalen Teilstücke verschmelzen alsdann mit 
den entsprechenden Stücken der entgegengesetzten Seite und erzeugen 
so an dem unteren Rande der Vorhofsscheidewand (Fig. 341 si) zwei 
neue Wülste, vou denen der eine in die linke, der andere in die rechte 



348 



Zwölftel KapiteL 



Atrioventrikularörtnuiig vorspringt und die Grundlage fttr je eine 
mediale Zipfelklappe abgibt. 

Kieht viel spftter als der Vorhof beginnt aueh die Kanuner ihre 

Selieidewaiid zu erhalten. Am Eiule des ersten Monats hat sich ihre 
Muskulatur erheblich verdickt. Muskelbalken sind entstanden, die in 
das Innere der Kammer weit vorspringen und sich untereinander zu 
dnem schwammigen Gewebe verbinden, dessen zahlreiche Spalten mit 
der eng gewordenen Herzhöhle zusammenhängen und gleichfalls den 
Bhitstrom hindurciipassieren lassen. An einer Stelle ist die Muskulatur 
besonders verdickt und bildet eine nach innen vorspringende, halb- 
mondförmige Falte: die Anlage der Kammerscbeidewand 
(8eptum ventriculorum) (Fig. 840—343 ha). Die Falte nimmt von 
der unteren und liinteren Wand der Kammer ihren Urspr«n<r in der 
Gegend, welche durch den schon früher erwähnten Sulcus inter- 
ventricularis (Fig. 339 si) nul'serlich gekennzeichnet ist Ihren 
freien Rand hat sie nach oben gerichtet und wächst mit ihm dem 
Arterienbulbus und der AtrioventrikularöfTnung entgegen. Letztere 
liegt ursprünglich mehr in der linken Hälfte der Kammer (Fig. 342 
F.av.c), erst allmählich rückt sie mehr nach rechts herüber und nimmt 
schtiefslich eine solche Stellung ein, dafs die Kammerscheidewand bei 
ihrem Emporwachsen sie gerade in <lt i Mitte trifft und der Ansatz- 
stelle der Vorhofsscheidewand gegenüber mit ihr verschmilzt (Fif;. :U1 
u. 343). Die Trennung der Kammer ist beim Menschen schon in der 
siebenten Woche eine vollständige. Aus dem Vorhof, dessen beide 
Abteilungen durch das ovale Fenster verbunden sind, wird jetzt das 
Blut durch ein linkes und rechtes Üstiuni atrioventriculare in eine linke 
und in eine rechte vollständig getrennte Kammer übergeleitet. 

Die beiden AtrioventrikularOfihungen sind bei ihrer Entstehung 
eng; sie werden teils von den oben erwähnten, an der Scheidewand 
vorspringenden Endokardwiilsten umsäumt, teils von cTitsprechendeu 
Wucherungen des Endokards au ihrer lateralen Girkumlerenz. Die 
membran(isen Voispi iinge lassen sich primitiven Taschenklappen, wie 
sie auch im Arterienbulbus zur Anlage kommen, vergleichen (Gegen- 
bai it): sie )iild< n den Ausgangspunkt fttr die Entwicklung der mäch- 
tigen Atrioventrikularklappen. 

Ks bleibt uns jetzt noch die Zweiteilung des Truncus arteriosus 
und die definitive Umgestaltung des Yorhols zu untersuchen übrig. 
Etwa zur Zeit, wo die Scheidewandbildung in der Kammer erfolpt, 
plattet sich der aus ihr entspringende Truncus arteriosus etwas ab 
und erhält eine spaltförniige Höhle. An dun platten Seiten treten 
zwei leistenförmige Verdickungen auf (Fig. 342 u. 343 s). wachsen 
einander entgejien und zerlegen die Höhlung, indem sie verschmelzen, 
in zwei auf dem Quersclinitt dreieckip: erscheinende Gänge. Jetzt 
markiert sich auch üufserlich der Eintritt der im Innern geschehenen 
Trennung durch zwei Lilngsfurehen in Ähnlicher Weise, wie an der 
Kammer die Schcidewandbildung durch den Sulcus interventricularis 
an^xedentet wird Die beiden durch Teilung entstandenen Kanäle 
sind die Aorta und die Pulmonalis {Ao und Pu). Eine Zeitlaug sind 
sie noch mit einer gemeinsamen Adventitia umgeben, dann weichen 
sie weiter auseinander und werden auch äufserlich getrennt. Der 
ganze Trennnngsprozefs im Truncus arteriosus verläuft unabhängig 
von der Entwicklung einer Scheidewand in der Kammer, wie er denn 
oben zuerst beginnt und von da aus nach abwftrts fortschreitet. Gans 





Die Organe dee ZwiachenblatteB odef MeMachjmt. 



349 



zuletzt tritt das Aorteoseptum auch in den Kammerraum selbst ein 
(Fig. 343 $ 9, 1a), aetst sieh mit der dort selbstSBdig entwickelten 
Kammerscheidewand in Verbindung, liefert den als Pars membranacea 
hrkannten Teil (Oi) und vollendet so die Sonderung der Abflufs- 
babueu aus dem Herzen ; die Aorta wird der liukeu , die Pulmonalis 
der racliten Kammer zugeteilt. 

Die Pars membranacea bezeiebnet also am ausgebildeten Herzen 
die Stelle, an welcher die Trennung zwischen linkem und roi'htom 
Herzen zuletzt zustande gekommen ist (Fig. 343 Oi). «Sie ist gleich- 
sam der Schlofesteiu in der d^nitiven Scheidung des iirimitiTen 
einfachen Herzschlauches in die vier sekundären HerzrSume, wie wir 
sie bei den Vö^jeln und Säugetieren finden." (Röse.) In vergleichend- 
aoatomischer Beziehung bietet diese Stelle noch dadurch ein be- 
sonderes Interesse dar, dafs bei den Reptilien an ihr eine Öffnung 
zwischen beiden Kammern, das Foramen Paniisae, dauernd bestehen 
bleibt. 

Schon vor der Trennung des Truncus arteriosus haben sich auch 
die Seniiluuarklappeu als vier Wülste, die aus Gallert- 
gewebe mit einem Überzug vom Endo- 
thel bestehen, an der als Fretum 
H all eri bezeichneten, verengten Stolle 
angelegt Zwei von ihnen wenicu bei 
der Scheidung des Trnneus in Aorta und 
Pulmonalis halbiert. Auf jedes Gefäfs 
kommen daher jetzt drei Wülste, die 
durch Schrumpfung des Gallertgewebes 
die Form von Taschen annehmen. Ihre 
Anordnung wird aus der Entwicklung 
verständlich, wie das nebenstehende 
Schema (Fig. 344) zeigt. „Indem der 
ursprünglich einheitliche Bulbus arte* 
riosus {A) sich in zwei Kanäle (B) 
scheidet, verteilen sich die knötrh iiformi jcn Anlagen von ursprüng- 
lich vier Klappen derart, dafs eine vordere und die vorderen Hälften 
der beiden seitlichen auf den vorderen Arterienstamm (die Pulmonalis), 
eine hintere und die hinteren Hälften der beiden seitlichen auf den 
hinteren Arterienstamm (Aorta) treffen." (GK«:FNR\rK.) 

W^as schlielslich noch den Vorhof betiifft fo frfaliren hier der 
schon auf S. 345 erwähnte Venensinus, die t.inuiuüduug der Lungen- 
venen und das ovale Loch wichtige VerAnderungen. Der Venen- 
sinus geht als selbstilndige Bildung zugrunde, indem er allmählich 
in die Wand de« \'orli(»fs mit aufgenommen wird. Die grofsen Venen- 
stämme, die ursprünglich ihr Blut in ihn ergossen haben, und die sich 
mittlerweile in die obere und die untere Hohlvene und in den Sinus 
coronarius umgebildet haben, wovon der Abschnitt D das Nähere 
bringt, münden infolgedessen direkt in die rechte Hälfte des Vorhofs 
ein und rücken hier nach und nach weiter auseinander. Von den 
beiden Klappen, welche, wie froher erwfthnt wurde, den Eingang des 
Venensinus ums&umten, verkümmert die linke (Fig. 340 u. 341), die 
rechte (*) dagegen erh;11t sirh an der Einmündung der unteren Ilohl- 
vene und des Sinus coronarius und sondert sich diesen entsprechend 
in einen gröfseren und kleineren Abschnitt; der erstere wird zur 
Yalvttla Eustaehii, der letztere zur Valvula Thebesii. 



A B 




9 



Fig. S44. Selwm» sar An- 
ordnvng der Art«rl«iiklappen. 

Ans n K(. i:?<DAi'R. 

Ä ( iigeteilUjr Truncus arterio- 
>us mit vier Klappcnanlagen. B 
Teilung in Pulmonalis (p) und Aorta 
(aX deren jede drei Klappen besitzt 



Digitized by Google 



350 



Zwölftes Kapitel. 



Die vier Lungen venen vereinigen sich eine Zeitlang zu 
einem gemeinsamen, kurzen Stamm, der in die linke Hälfte des Vor- 
hofs einmündet. Später weitet sich das gemeinsame Endstück be- 
trächtlich aus und wird in ähnlicher Weise wie der Venensinus in 
die Herzwand mit aufgenommen. Infolgedessen öffnen sich dann die 
vier Lungenvenen getrennt und direkt in den Vorhof. 

Das ovale Loch, dessen Entstehung früher geschildert wurde, 
unterhält während des ganzen embryonalen Lebens eine weite Ver- 
bindung zwischen den beiderseitigen Vorhöfen. Es wird von hinten 
und unten begrenzt durch die Vorhofsscheidewand, eine bindegewebige 
Membran, die später den Nanjen der Valvula foraminis ovalis erhält 
(Fig. 341). Auch von oben und vorn bildet sich eine schärfere L^m- 
grenzung aus, indem eine Muskelleiste von der Vorhofswaud nach 
innen vorspringt, die vordere Vorhofssichel oder der Linibus Vieussenii 
(vs). Im dritten Monat sind alle diese Teile schon sehr deutlich ent- 
wickelt; es reicht die Valvula foraminis ovalis schon bis nahe zum ver- 
dickten Hand der vorderen muskulösen Sichel heran, weicht aber 
mehr schräg in den linken Vorhofsteil hinein, so dafs ein weiter Spalt 
offenbleibt und dem Blute der unteren Hohlvene den Eintritt in den 
linken Vorhofsteil gestattet. Nach der Geburt legen sich vordere und 
hintere Falte mit ihren Rändern aneinander und verschmelzen mit 
nicht seltenen .\usuahmen vollständig. Die hintere Falte liefert den 
häutigen Verschlufs des Foramen ovale, die vordere erzeugt mit ihrem 
verdickten, muskulösen Rand oben und vorn den Limbus Vieussenii. 

Hiermit hat das Herz seine bleilK?nde 
Ausbildung erlangt. 

Während der Herzschlauch die 
komplizierten Sonderungen erfährt, 
verändert er seine Lage im embiyo- 
nalen Körper und erliält frühzeitig 
eine besondere Lmhüllung durch den 
Herzbeutel. Im Zusammenhang damit 
bildet sich das Zwerchfell als Scheide- 
wand zwischen Brust- und Bauch- 
höhle aus. 

Die Entmicklung des Herz- 
beutels nnd Zwerchfells. Die Son- 
derling der primären fjelbeshöhle 
in Herzbeutel-, Brust- uud Bauch- 
höhle. Ursprünglich besitzt die Leibes- 
höhle eine sehr weite Ausdehnung im 
onibrvoualen Körper, denn sie läl'st 
sicli bei den niederen Wirbeltieren bis 
in die Ko]>fanlage hinein verfolgen, 
wo sie die Schlundbogenhöhlen liefert. 
Nachdem sich diese geschlossen haben, 
wobei aus den Zellen ihrer Wandungen 
Muskeln den Urs|>rung nehmen, reicht 
die Leibeshöhle nach vorn bis an den 
letzten Schlundbogen heran und stellt 
einen weiten Raum (Fig. Mi)) dar, in 
welchem sich das Herz im Mesocardium 
entwickelt, und welchen wir daher als 




Fig. JMS. Menschlicher Em- 
bryo (/>'/, Iiis) von 2,15 mm 
Nackenlänge. Konstruktionsbild 
narh His (Menschliche Enibi-yonen). 
Vergr. 40facli. 

Mh Miiiulhndit , Ab Aorten- 
bulbus, Vm Vcntrikelmittelteil, Vv 
Vena cava snperior oder Ductus 
Cuvieri, Sr Sinus rcunions. Vu 
Vena umbilicalis. 1/ linker Teil 
des V«'ntril<<'U , Ifo llerzohr, D 
Diaphragma, V.om Vena omphalo- 
mesentorica, Lh solitb- l-cberanlagc, 
Lbg Lebergan^. 



Die Organe des Zwischenblattes oder Mcsenchyms. 



351 



primitiven Herzbeutel (cavit^ p^ricanlique primitive von Brächet) be- 
nennen wollen. Ältere Bezeichnungen für ihn sind Halshöhle 
(Remak), Parietalhöhle (His) oder Herzbeutelbrusthöhle. 
Der i)rimitive Herzbeutel wird um so mehr ausgedehnt, je mehr sich 
der Herzschlauch bei seinem starken Wachstum in Windungen legt, 
und namentlich wird seine ventrale Wand bruchsackartig zwischen 
Kopf und Nabel des Embryo nach aufsen hervorgetrieben (Fig. 346). 
Ferner beginnt sich schon frühzeitig eine Abgrenzung gegen die 
spätere Bauchhöhle zu bilden durch eine Querfalte, das Septum 
transversum (Fig. 345 u. 340 z + 1), welches von der vorderen und seit- 
lichen Rumpfwand seinen Ausgang nimmt und dorsal- und medianwörts 
(Fig. 346 g + l) mit freiem Rand in die primitive Leibeshöhle vorspringt. 
Es bezeichnet den Weg, welchen das Endstück der Vena omphalo- 
mesenterica nimmt, um zum Herzen zu gelangen. Später finden sich 

Fig. 'm. Sagittal- 
konstruktion eines 
menschlichen £in- 
bryo von 5 mm 
Nackenlänge (Em- 
bryo R, His i, um. die 
Entwicklungsge- 
schichte des Herz- 
beutels und des 
Zwerchfells su er- 
läutern. Nach His. 

ab AortiMibulbus, ab 
brh Brusthöhle (Re- 
ccssus parietali8,IIi«|, 
hh Ilerzbeittelhöhle, 
de Ductus ("uvieri, dv 
Dottervenc, nv Nabel- 
vene, reo Kardinal- 
vene, tj' Jupularvene, 
Iq Lunge, ^ + / Anlafze 
des Zwerchfells und 
der Leber, %*k Unter- 
kiefer. 

im Septum sämtliche Venenstämme eingebettet, welche 
in den Vorhofssinus des Herzens einmünden (Fig. 345 u. 
346), die Dotter- und die Nabelvenen und die CuviF.Rschen Gänge (de), 
welche das Blut aus den Ruinpfwandungen sammeln. Mit der Ent- 
wicklung derVeneu steht also die Ausbildung derQuer- 
falte im engsten Zusammenhang, die sich zwischen den Venen- 
sinus des Herzens und den Magen einschiebt und mit beiden, sowie 
mit dem ventralen Mesenterium zusammenhängt. Das Sejjtum enthält 
(Fig. 346 z + l) kaudalwärts reichliches, mit Blutgefäfsen versehenes 
Bindegewebe, in welches während der Entwicklung der Leber das 
Netzwerk der Lebercylindcr hineinwächst. In demselben Mafse. als 
dies geschieht, nimmt es au Dicke zu (Fig. 345 Lh + Ijhg) und sciilieist 
jetzt zwei verschiedene Anlagen ein, kopfwärts eine Substanzplatte, 
in welcher die CuviERSchen (iänge und andere Venen zum Herzen 
verlaufen, das primäre Zwerchfell, kaudalwärts die beiden LelHJr- 
läppen, welche in die Leil)eshöhle als Wülste vorspringen. 

Durch das Septum transversum wird allmählich der primitive 
Herzbeutel von der Bauchhöhle fast vollständig geschieden bis auf 




352 



Zwölftes Kapitel. 



zwei enge Kanäle (Fig. 34(5 brh) (BrustfortsÄtze der Rumpfbühle, His, 
Ductus pleuropericardiaci. Brächet), welche zu beiden Seiten des an 
der Wirbelsäule befestigten Darmrohrs eine Verbindung nach hinten 
herstellen. Die beiden Kanäle {brh) nehmen die beiden Lungen- 
anlagen (lg) auf, wenn sie aus der vorderen Wand des Darnirohrs 
hervorwacbsen. Sie werden später zu den beiden Brust- oder Pleura- 
höhlen (brh). während der mit ihnen kommunizierende, gröfsere Kaum 
(ÄÄ), in welchem sich das Herz entwickelt hat, zur definitiven Herz- 
beutelhühle wird. Letztere nimmt die ganze Bauchseite des Embryo 
ein, die Brusthöhleu dagegen liegen ganz dorsalwärts an der hinteren 
Rum])fwand, ♦ 

Die drei ursprünglich zusammenhängenden Räume trennen sieb 
später voneinander; zuerst wird der Herzbeutel selbständig. Den 
Anstofs dazu geben die CuviKKschen Gänge (Fig. 346 de). Ein Stück 
von ihnen verläuft vom Rücken her, wo es aus dem Zusammentiufs 
der Jugular- und Kardinalvenen entsteht, an der Seitenwand des 

Rumpfes nach abwärts zum Sep 
tum transversum (Fig. 34() de), in 
dessen dorsalen , freien Rand sie 
eingeschlossen sind; es drängt dabei 
das Brustfell in die Herzbeutel- 
höhle hinein und erzeugt auf diese 
Weise die Pleuroi)erikard ial- 
oder Herzbeutelfalte. Indem 
die Falte immer weiter nach innen 
vorgeschoben wird , verengt sie 
mehr und mehr die Kommuni- 
kation zwischen Herzbeutel höhle 
{hh) und den beiden Brusthöhlen 
{brh). schlielslich hebt sie dieselbe 
ganz auf, wenn sie mit ihrem freien 
Rande bis zu dem Mediastinum 
posterius, in welchem die Speise- 
röhre liegt, vorgewachsen ist und mit ihm verschmilzt. Durch diese 
Wanderung der CuviKKschen Gänge erklärt sich auch die Lage der 
später von oben in den Herzhof mündenden, oberen Hohlvene, die 
sich vom CuviERSchen Gange herleitet. Ursprünglich in der Seiten- 
wand des Rumpfes gelegen, ist sie mit ihrem Endabschnitt später in 
das Mediastinum eingeschlossen. 

Nach Abschlufs des Herzbeutels hängen die engen, röhrenförmigen 
Brusthöhlen (Fig. 34() brh) noch eine Zeitlang nach hinten mit der 
Bauchhöhle zusammen. Die Lungenanlagen (lg) wachsen währenddem 
weiter in sie hinein und tretten schlielslich mit ihren Spitzen auf die 
obere Fläche der gröfser gewordenen Leber. An diesen Stellen kommt 
es dann auch zum Verschlufs. Von der seitlichen und hinteren Rumpf- 
wand springen Falten vor (die Pfeiler üskows, Membranes pleuroj)eri- 
toneales von Bkachet und Swaen), verschmelzen mit dem Septum 
transversum und bilden so den Dorsalteil des Zwerchfells: 
das Septum pleuroperitoneale. Am Zwerchfell kann man da- 
her einen ventralen, älteren und einen dorsalen, jünge- 
ren Abschnitt unterscheiden. Wenn, was zuweilen geschieht, 
die Verschmelzung unterbleibt, so ist die Folge davon eine Zwerch- 
' - " shernie, d. h. eine dauernde Verbindung der Bauch- und Brust- 




Fig. 847. Querschnitt durch die 
Brustregion eines Kaninchen-Em- 
bryo ▼om 16. Tage. Nach IIochstbttkr. 

Mp Membrana nleuropericardiara, 
Pch Perikardialhöhle,i'/.7i Pleurahöhle. 




Die Organe des Zwischenblattes oder Mesenchyms. 



353 



höhle vermittels einer Bruchpforte, durch welche Darmschlingen in 
die Brusthöhle eintreten können. 

Wenn sich der Abschlufs der vier grofsen. serösen Höhlen des 
Körpers gegeneinander vollzogen hat, müssen die einzelnen Organe 
noch weitgehende Lageveräuderungen erfahren, damit der fertige 
Zustand erreicht wird. Nimmt doch der Herzbeutel anfangs die ganze 
ventrale Seite der Brust ein und hängt in grofser Ausdehnung mit 
der vorderen Brustwand und mit der oberen Fläche des Zwerchfells 
zusammen. Ferner ist das Zwerchfell an seiner ganzen unteren Fläche 
mit der Leber verbunden. Die Lungen liegen versteckt in engen 
Röhren am Rücken des Embryo (Fig. 347). 

Bei den Lageveränderungen kommen zwei Faktoren in Betracht 
(Fig. 348). Mit der Ausdehnung der Lungen {Ig) breiten sich die 
Brusthöhlen (plp) immer mehr ventral wärts aus und spalten dabei 
die Wand des Herz- 
beutels (pc) oder das 
Perikard einerseits von 
der seitlichen und vor- 
deren Brustwand , an- 
derseits auch von der 
Oberrtäche des Zwerch- 
fells ab. So wird das 
Herz (ht) mit seinem 
Beutel Schritt für Schritt 
nach der Medianebene 
verdrängt, wo es zusam- 
men mit den grofsen 
Gefäfsen (an), mit der 
Speiseröhre («/) und der 
Luftröhre eine Scheide- 
wand, das Mediastinum, 
zwischen der stark ver- 
grölserten linken und 
rechten Brusthöhle bilden 
hilft. Der Herzbeutel 

grenzt dann nur noch in Kaninchen-Embryo, um die Umwachsung der 
einem kleinen Bezirk nach Perlkardialhöhle duroh die Pleurahöhlen bu 
vorn an die Brustwand aeigen Aus Uaifuub. 

nni-li iintpn an rf«« /" H<'"z'»e»te1 oder Perlkardialhöhle, 

ZwerChiell an. rolir, ao Kückenaorta, ch Chorda, rp Kippt', st Brust- 

Der zweite Fak- Win, spc Kutkenmark. 

tor ist die Isolie- 
rung der Leber vom primären Zwerchfell, mit welchem 
sie zum Septum transversum vereint war. Sie geschieht 
dadurch, dafs am Rand der Leber das Bauchfell, welches anfangs 
nur ihre untere Flüche überzieht, auch auf die obere Fläche sich 
schlägt und sie vom primären Zwerchfell bis auf zwei Bander, die 
sich zwisc^ien beiden ausspannen, ablöst. Ein Zusammenhang erhält 
sich erstens in dem schon früher (S. 207) besprochenen Ligamentum 
Suspensorium hepatis und zweitens nahe der hinteren Huinpfwand in 
dem Kranz band (Lig. coronariun» hepatis), welches in dem Ab- 
schnitt, der über den Bandapi)arat der Leber gehandelt hat (S. 207). 
unberücksichtigt bleiben mulste. 

ü. Hartwig, Klenienti- >l««r Ktitwickhing-^lfliro. Aull. 23 




Zw<»lfkes Kapitel. 



Das Zwei« hfell orlialt sehlieislich noch seine lileibende Beschaffen- 
heit, indem von der Humpfwand Muskeln, die Abkömiulinge zweier 
Halsmyotome (Koluiann), in die Bindegewebslamelle bioeiDvaehaeo 
und sie in zwei Blätter B|Mtlteii, in die Pleura diaplnagmatica und in 
den Baucbfelliiberzug. 

B. Die eniten Kuiwicklungsztuitäude dei* gruiWu Geiai'se. 
Dotterkreislanf, Allantvie- mid Plaienterkrcislanf. 

Zur Zeit, wo das Herz noch ein einfacher Schlauch ist. setzt er 
aicli an beiden £nden in Blutgefftrsstämme fort, die sich gleichzeitig 
mit ihm angelegt haben Das vordere oder arterielle Ende des Hen- 
schlauch? vrrlängert si<li in ein nnpaai-es rieft!'; den Truncits 
arteriüüus. der noch uuierhalb der Kopfdarmholilc nach vorn ver- 
läuft. Der Truncus teilt sich in der Gegend des ersten Schlund- 
bogens in zwei Schenkel, welche von links und dm hts lu i die Kopf- 
darmhöhlo uTiif:i>sf'n und zur ItückeiiHacfu' des Kiiibrv()> im Bogen 
empoi*steigen. Hier biegen sie um und verlaufen dann in der Län?«- 
achse des embryonalen Körpers bis zum Schwanzende nach rückwai(>. 
Die beiden Geftfse sind dieprimitivenAorten (Fig. 131 u, 137 <io) : 
sie nehmen oberhalb des Darmdrüsenblnttes. zu beiden Seiten der 
Chorda dorsali?. ihren Weg unter <ien Ursegmenten. Sie geben seit- 
liche Äste ab, unter denen sich bei den Amnioteu die Arteriae 
omphalo-mesentericae durch bedeutendere Grörse auszeichnen. 
Diesf Ix f^elu ii >ii Ii zum Dottersack und ftthren zum gröfsten Teil 
das lihit aus den beiden primitiven Anrten in den Gef&lshof hinein, 
wo es deu Dotterkreislauf durchmacht. 

Beim Hühnchen, dessen Verhältnisse ich der Darstellung zugrunde 
legen will (Fig. 349). verlassen die beiden Dotterarterien 12. Of..4, L.of.A 
die Aorten in einiL'ei Entfernuiv.' vnn ihrem Schwänzende und treten 
zwischen Darnidi üsenblatt und visceralem Mittelblatt seitwftrtb aus 
der embryonalen Anlage in den hellen Fruchthof hinein, durdisetzen 
ihn und verteilen sich im Gefäishof. Sie lösen sich hier in ein enges 
Netz von Ofi\rsrft)iri'n auf, die, wie ein Durchsclmitt fFi^'. 1:^.7) zeiiit, 
zwischen dem Darmdrüsenblatt und visceralen Mitteiblatt im Mesenchym 
liegen und nach aulsen gegen den Dotterhof durch ein gröfseres 
RandgefRfs (Fi^^ 54'» ST), den Sinus terminalis. scharf abgegrenzt 
sind. Letzterer bildet einen ül)erall geBchlossenen Ring mit Ausnahme 
einer kleinen Stelle, die nach vorn und da gelegen ist, wo sich die 
vordere Amnionscheide entwickelt hat. Aus dem Gefäfshof sammelt 
sieb das Blut in mehrere gröfsere Venenstamme, durch die es zum 
enil»ryonalon Herzen zurückgeftihrt wird, indieVenae vitellinae 
anteriores, laterales und posteriores. Sie alle vereinigen 
sich in der Mitte des embryonalen Körpers jede rseits zu einem unpaareu. 
starken Stamm, der Vena ompbalo-mesenteriea {B,Of vl, L.of). 
die in das hintere Ende des Herzens (if) eintritt. 

In dem (u-fäfsnetz beginnt beim Hühnrhen Irereits am zweiten 
Bruttage die Blutbewegung sichtbar zu werden. Zu dieser Zeit 
ist das Blut noch eine helle FlQssigkeit, die nur wenig geformte Be- 
standteile besitzt. Denn die meisten Blutkdrperchen liegen jetzt noch 
haufenweise an den Wandungen der Röhren, wo sie die schon früher 
erwähnten B 1 u t i n s e l u (.Fig. I.i5 i) bilden, welche das rot gesprenkelte 
Aussehen des Geftrsbofs veranlassen. Die Herzkontraktionen. 



uiLjiiizuü Dy Google 



■ 



Di« Organe des Zwisehenblattet oder MeienchyiBt. 355 

durch welche das Blut in Bewegung gesetzt wird , sind am Beginn 
erst langsam, werden dann rascher und rascher. Ihr Mittel beträgt 
dann nach Prktbr 180^150 Schläge in der Minute. Anch ist die 
Frequenz von ilufseren Einflössen sehr abhängig; sie steigt hei Er- 
höhung der BebrlUungsteniperatur und sinkt bei jeder Abkühlung, 
also auch, wenn das £i zur Beobachtung geötfnet wird. Zur Zeit, wo 
das Herz zu pulsieren beginnt, sind in dem Myokard noch Iceine Muslcel- 
fibrillen nachzuweisen; es ergibt sich hieraus die interessante Tat- 
sache, dals protoplasniatische, noch nicht differenzierte Zellen rhyth- 
mische, kräftige Kontraktionen auszuiühren imstande sind. 




Fig. 349. Sohmna dee CMftfksyvteiDB des Dottersaoks ▼om HiUmolMii 

am Ende des dritten Brüttages. Nach Bai.i'ol-r. 

Die ganze Keimhaut ist vom Ei abgelöst und in der Ansicht von unten dar- 

festellt. J)ahcr erscheint rechts, was eigentlich links ist, und umgekehrt. Der 
'eil des dunkeln Fruchthofes, in welchem sich das dichte (letafsnetz gebildet hat, 
ist nach aufsen durch den Sinus terminnlis scharf abgejfrenzt und stellt den 
Gefäfshof her; nach iiufstMi von ihm liegt «Icr Dottcrhot'. Die l'mgebung des Em- 
bryos ist frei von einem Gefibnetz und wird nach wie vor als heller Fruchthof 
vntersrhieden. 

// Herz, -l.'l Anrtfnlingpn, An Uiickenaorta , L.of.a linke, R.Of.A rechte 
Dotterarterie, .s 7' Sinns terniinalis, L.Of linke. 7f.O/' rechte Dotterveue, 6'. K binas 
▼enosus, D.C I)nitu> Cmieri, S.CaV. obere. V.Ca unte« KardinftWene. Die 
Yenen sind hell gelassen, die Arterien schwarz schattiert. 

Der Dotterkreislauf hat eine doppelte Aufgabe. 
Einmal dient er dazu, das Blut mit SauerstotT zu versorgen, wozu 
Gelefienheit geboten ist. da sich das jjan/e Gefiirsnetz obertlilehlich 
ausbreitet. Zweitens dient er dazu, dem Embryo ernährende Sub- 
stanzen zuzuliihren. Unter dem Üarmdrüsenblatt werden die Dotter- 

2S* 



Digitized by Google 



356 



Zwölftes Ka|iit«L 



eleuieute verflüssigt uüd in die Blutgefai'be aufgenommen, durch welche 
sie den in Teilung begriffenen Zellen zur Vabrnng zugefDtart werden. 

Mit dem Dottergefäfssystem des Httbncbens stimmt das der 

Säugetiere im allfjemeinen überein und unterscheidet sifh von ihm 
nur in einigen uebensüchlicben PuiikteD, weiche nicht besprochen zu 
werden verdienen. Doch drängt sich wohl die Frage auf: Welche 
Bedeutung bat ein Dotterkreislauf bei den Saugetieren (Fig. 149 dsX 
bei (!»'H( !i f1;ts Ki nur mit wenig Dottermaterial ausgest;ittt t ist ^ 

liier ii>t zweierlei im Auge zu behalten, erstens, dals ursprüng- 
lich wohl die Eier der Säugetiere mit einem rdeheren Dottermaterial 
gleich den Eiern der Reptilien aut^gestattet waren (vergl. S. 141), und 
zweitens, dals die nach dem Furchungsprozols entstehende Keimblase 
sich sehr ausdehnt, und dal's sie in ihrem Innern mit einer eiweifs- 
reichen Flassigkeit erfollt ist, die von den Wandungen der GelÄr- 
mutter geliefert wird. Aus ihr werden die Dottergefnfse wohl eben- 
falls Nahrungsstofle aufnehmen und dem Embryo zufahren, bis für 
eine andere ergiebigere Ernährung durch den Mutterkuchen gesorgt ist 

Aufser den Dottergefäfsen entsteht bei den höheren "Wirbeltieren 
noch ein zweites (icfiifssystem, welches sich aufserhalb 
des Embryo in den Eihäuten .uisbreitet und eine Zeitlang 
die übrigen Gefflfse des Koijieis durcli seine Mrichfigkeit übertrifft. 
Es dient dem A 11 au t o is k r c i s I au f der \ u^cl und Reptilien, dem 
Plazentarkreislauf der Säugetiere. 

Wenn sich heim Hühnchen der Harnsack (Fit:. 144 u. 14.") al) an 
der vorderen Wandung der BerkeiHhiimhöhle hervorstüipt und als 
eine immer gröl'ser werdende Blase bald aus der Leibeshöhle heraus 
durch den Hmitnahel in das Keimblasencoelom swischen die seröee 
Hülle und den Dottersack hineiuwäclist. dann treten auch in seiner 
Wand zwei Blutpefülse auf, die vom Ende der beiden primitiven 
Aorten bervorwachsen : die NabelgefäTse (Arteriae umbili- 
cales). Aus dem dirhten Kspillarnetz, in welches sie sich aofgeldst 
haben, sammelt sich das Blut wieder in den beiden Nabel venen 
(Venae umbilicales) . die, arn Nabel angelanpt . sich zu den beiden 
CuYiERScheu Gängen (siehe 8. ^JOl) begehen und ihr Blut in dieselben 
nahe an ihrer Einmftnduug in den Venensinus ergielten. Bald ver- 
kfimroert das Endstück der rechten Vene, während die linke ihre 
Seitenäste aufnimmt und sich in demselben Mafse zu einem ansehn- 
licheren Stamm entwickelt. Sie verliert jetzt auch ihre ursprüngliche 
EinmQnduiig in den CuviEm^chen Gang, da sie mit der linken Leher- 
vene (Vena luiKitica revehens) eine Anastomose eingebt, die immer 
stHrKer wird und M'hlielslich den ganzen Blntstrnni .uifnimnit. Mit 
der linken Lehirveue zusammen mündet dann die hnke Umhilicalvene 
am hinteren Leherrand direkt in den Venensinus em (Hocbstbtrr). 

Kabel- und Dottervene ändern während der Entwicklung ihren 
Durchmesser in entgegengesetzter Richtung: während der Dotterkreis- 
lauf gut ausgebildet ist, sind die Nabelveuen unscheinbare Stftmmchen: 
später aber vergröfsem sie sich mit der Zunahme des Ham»ickes, 
während die Venae oiiiphalo - ni( senti-ricae sich in demselben Mafse 
Zurückhilden i' rler !)iitter>;ick durch Aufsaugung des Dotters kleiner 
wird und an iiedeutuug verliert. 

Was den Zweck des Umbilicalkreislaufes angeht, so 
dient er bei den Beptilien und den Vögeln dem Athmungsproaefs. 
£s schmiegt sich nilmlich der Harnsack, wenn er gröfser geworden 



Die Org»ne des Zwischenblattes oder Mesenchyms. 



357 



ist, z. B. beim HOhocbeD, dicht der serOsen Holle an, breitet sieh 

nahe der Luftkammer und unter der Schale aus, so dafs das in ihm 
zirkulienMulf Bhit mit der atmosphärischen Luft in ("lasaustausch 
treten kann, öeine Bedeutung für die Athmung im £i verliert er 
erst von dem Augenblick, wo das HObneben mit dem Sehnabel die 
Eihüllen durchstöfst und nun die Luft aus der Luftkammer direkt 
einathiiK't. Denn jetzt andern sich die Zirkuhitionsverhältnisse im 
ganzen Körper, da mit dem Eintritt des Athmungsprozesses die 
Lunge ein gröiseres Blutquantum aufzunehmen imstande ist, was eine 
Verktkmmerung der Naht Igefiifse zur Folge hat. (Vergl. S, l:}7. 138.) 

Eine noch wichtigere Rolle spielt der rmbilical- oder Pla- 
zentarkreislauf bei den Säugetieren. Denn hier leiten die 
beiden Nabelarterien das Blut zu der Placenta oder dem Mutter- 
kuchen. Nachdem sich in diesem Organ das Blut mit Sauerstoff 
und ernährenden Substanzen beladen hat, tliefst es anfangs durch 
zwei, später durch eiue Nal)elvene zum Uerzen wieder zurück. 

Die Umwandlungen im Bereich des Arteriensystems. 

Die grolVen Gefälsc. die am Anfatig der Entwicklung angelegt 
werden, sind von denen des ausgebildeten Tieres oft sehr verschieden ; 



Fig. SSO. fUbmmm tfBat dl« Aortonbogmi d«r SlnfettaM. Nack Hooh» 

A.B. Aortenbogen, Cx Carotis ext., Ct Carotis int., Tr.a TruacuB arleriotiis, 
Art. «ubelaTia. 

Fig. :i51. Schema der Arterien, welche eich bei den Saugetieren aus 
den Aortenbogen und den Aortenwurseln entwickeln. Nach Hocubtkttkr. 

J).B Ductus Hotalli, A.B Aortenbogen, P.B Pulmonalbo|(en, A.s Art. sub- 
clavia* CB Karotidenbogen, C.c Carotis communis, Ce o. Ct Carotis ext. und 
C. ist 

sie haben mannigfache Umwandlungen durchzumachen, von welchen 
diejenigen besonderes Interesse beanspruchen, welche sich an deu 
grofben Arterienstftmmen in der N&he des Herzens, an den Aorten- 
bögen, abspielen. Bei allen Wirbeltieren nämlich entstehen zur Seit« 
des Halses, wo sich die Kiemenspalten und Visceralbögen gebildet 
haben, im Verlaufe der letzteren auch grölsere Gefäfse, deren Zahl 
sich nach neueren Untersuchungen auf sechs belänft (Fig. 350 A.B 
1—6), Ihren Ursprung nehmen sie von dem unterhalb des Schlund- 
darms verlautenrltM! Tnincus arteriosus (Fig. ;{.')0), zirhen dann den 
öchlundbogeu entlaug zur Kückeutiäche des Embryo empor und ver- 




Cr Ci 



1 r^'* 

Fig. 850. 



Fig. 851. 



358 



Zwölftes Kapitel. 



binden »eh hier auf beiden Seiten der Wirbelsftule .zu LangsgefUTsen, 

den beiden primitiven Aorten (Fig. 137 ao). Sie werden daher aadi 
als die Aortenbogen, besser nhor wohl als die Schlundbogen- 
gefä4'8e bezeichnet. Bei den durch Kiemen athmenden Wirbel- 
tieren gewinnen sie eine Bedeatun|; fUr den AthmnngB* 
prozefs und verlieren frühzeitig ihre einfache BeschafTenluif. Aus 
ihrem ventralen Anfangsstück nehmen zahlreiche Seitenästchen ihren 
Ursprung und begeben sich zu den Kiemen Mättchen, welche aus dem 
SehfeimluintQberzug des Scblundbogens in grofser Anzahl entstanden 
sind; hier lösen sie sich in dichte Kapillaruetze auf. Aus diesen 
sammelt sich dai^ Blut wieder in VeiicristnnimclK'n . (lie in das dbere 
Emie des Schlundbogengefäfses einmünden. Je stärker die ventralen 
und dorsalen Settenftste werden, um so mehr wird das Schlundbogen- 
gefftfs in seinem mittlert ii TvW unscheinbar. Dann bat es sich auf- 
gelöst in ein Anfangsstück, die K imiena rterie, die sich in zahl- 
reichen Ästen zu den KiumenbliUtclieu begibt und in ein Kapillametz 
übergeht, und in ein oberes Stück, die Kiemenvene, welche das 
Blut wieder aufnimmt. 

Da sich nun lu i <Wu Ainnioten keine Kienieuhl Htrlien entwickeln, 
kommt es hei ihnen aucli nicht zur Bildung von Kienunarterien und 
Venen, sondern es belmlten die Schlundbogeugelalbe ihre ursprünglich 
einfache Beschaffenheit. Sie sind aber zum Teil nur von kurzem 
Bestand; bald erleiden sie dadurch, dafs gröfsere Strecken vollstnndig 
. zurückgebildet werden, tielgreileude Metamorphosen, die sich bei den 
Reptilien, Vögeln und Säugetieren in etwas verschiedener Weise voU- 
zienen. Hier soll nur eine Darstellung vom Menschen gegeben werden. 

Schon bei menschlichen Knihryonen. die weni«:e Millimeter lang 
sind, teilt sich der aus dem einfachen Herzschlauch hervorgehende 
Truucus arteriosus in der Nähe des ersten Visceralbogeus in einen 
linken und einen rechten Ast, welche den Schlunddarm umfassen und 
oben in die beiden primitiven Aorten übergehen. Es ist das erste 
Paar der Schlundbogen jreffifse. An nur wenig älteren Embryonen 
nimmt ihre Anzahl rut>ch zu dadurcii, dafs neue Verbindungen 
zwischen dem ^'entralen Truncus arterio&us und den dorsalen primi- 
tiven Aorten entstehen. Bald kommt noch ein zweites, ein drittes, 
ein viertes und schliefslich ein fünftes und sechstes Paar zum Vor- 
schein (Fig. 350 A,JB 1—6) in derselben Reihenfolge » in der auch 
beim Menschen wie bei den flbrigen Vertebraten die Scfalundbogen 
hintereinander ii il: 1 werden. Die fünf (resp. sechs) Paar Gefftfs- 
bogen gehen schon Irülizeitig an die benachbarten Organe Seitfn.-i^t»' 
ab| unter welchen mehrere eine gröfsere Bedeutung gewinnen und 
zur Carotis externa und interna, zur Vertebralis und Subclavia sowie 
zur Pulmonalis werden. Die Carotis externa (Fig. 3.50 C.e) entspringt 
aus dem Anfang (l(>s erJ^ten Schlundbogengefäfses und wendet sich 
zur Ober- und Onterkiefergegend. Die Carotis interna (Fig. 350 CS) 
entsteht ebenfalls aus ihm, aber weiter dorsalwftrts dort, wo die Um« 
biegung in die Aortenwurzeln erfolgt ; sie leitet das Blut zum em- 
bryonalen Gehirn und dem sicli entwickelnden Aui:;i]if('l fArteria 
ophthalmica). Vom letzten bogen endlich sprossen kleine Zweige zu 
den sich entwickelnden Lungen hervor (Fig. 350). 

Wie die kurze Skizze zeigt, ist die Anlage der aus dem Herzen 
entspringen<len Arterienstümmr ursprünglich eine streng symme- 
trische. Frühzeitig aber treten Verkümmerungen einzelner Gei^ 



Die (»igunc des Zwischaiiblattes oder Mesenchyms. 



359 



strecken bis zum vollständigen Schwund ein, wodurch die symme- 
trische in eine asymmetrische Anlage unijje wandelt 
wird. Zur Vet auschaulichung dienen die Schemata (Fig. 351 u. 352), 
auf welchen die sich rOckbildenden Strecken der Gef&fsbahn hell ge- 
lassen, die weiter funktionierenden aber entweder dnreh eine schwarze 
Linie oder durch quere Striche markiert sind. 

Zuerst verschwindet, schon mit dem Eintritt der Nackenbeuge, 
der erste und zweite Gefiirsbogen, die VerbiDdongsstreeke aus- 
genoniinen, durcli welche das Blut zur Carotis externa (Fig. 352 b) 
strömt. Der dritte Bogen (c) Itlciht » rlialfen. verliert aber seinen 
Zusammenhang mit dem dorsalen Ende des vierten und leitet daher 
jetzt alles Blut nur nach dem Kopf in die Carotis interna (a) hinein, 
zu deren Anfan^sstück er nunmehr geworden 
ist. Die Hauptrollen hei der Metamorphose 
Übernehmen der vierte und der letzte (ur- 
sprünglich sechste) Bogen. Sie ttbertretTen 
bald alle anderen Gefäfse an GrOfse. und da 
sie dem Herzen am ii:l< listen liefen, werden 
sie zu seinen beiden Hauptarterien, zum 
Aortenbogen und zur Pulmonulis. 
Eine wichtige Verftnderun^' vollzieht sich an 
ihrem Ursprung aus dein Truncus arteriosus, 
wenn er durch die schon früher erwähnte 
Entwicklung einer Scheidewand seiner Lange 
nach geteilt wird. Dann bleibt der vierte 
Bo^en (Fig. 352 e) mit dem aus der linken 
Kammer entsprin-^enden Stamm {d) in Ver- 
bindung und erhalt nur von der linken Kam- 
mer das Blut zugefohrt (Fig. 351 A.B), Der 
letzte Bogen (Fig. .S52 n) tlagegen bildet die 
Fo^tsetzuIl^^ der aus der rechten Kanmier 
hervorgehenden Hälfte (m) des Truncus arte- 
riosus. Somit hat sieh die im Herzen an> 
gebahnte Scheidung in zwei getrennte Blut- 
strftme auch noch auf die uächstgelegenen 
Gefl^rse fortgeifetzt , doch nur eine kleine 
Strecke weit; denn das vierte und letzte 
Paar der Gefäfshogen ergieften ihr Blut noch 
gemeinsam in die Aorta communis, mit Ausnahme eines gewissen 
Quantums, das durch Nebeuaste teils zum Kopf (c, c) und zur Oher- 
eztremität, teils zu den noch kleinen Lungen strOmt. Später in- 
dessen setzt sich der schon angebahnte Sonderungs- 
pro z e fs im peripheren ( i e f il Ts g e b i e t n o c !i weiter fort 
und führt schlielslich zur Entstehung eines vullstilndig 
getrennten, groTsen und kleinen Blutkreislaufes. Das 
Ziel wird erreicht durch Verk ummerung einzelner Ge- 
fÄfsstreeken und Zunahme anderer. 

Bald macht sich ein Übergewicht der linksseitigen über die rechts- 
seitigen Gefäfsbogeu bemerkbar (Fig. 852), die immer unscheinbarer 
werden, schliefslich streckenweise volIstAndig verkOmmem und sich 
blofs insoweit erhalten, als sie das I51ut in Seitenäste führen, welche 
zum Ko])f, zu den oberen Extremitäten und den Lungen gehen. Vom 
rechten Aortenbogen bleibt mithin blofs die Strecke erhalten, welche 




Fig.85'2. Sohematisohe 
DarsteUunR der Um- 
wandlung der Soblund- 
bogengefllh« beim 

Säugetier. Nacfi IUthkk. 

a Caruti» inturria, 6 Ca- 
rotis externa, c Carotis 
eomiDDoiSt d Körperaorta, 
f Tierter Bofren der linken 
Sfito. /■ Kill kcnaorta, tf 
linke, k recht*' Verttbrai 
arterie, h linke, i rechte 
Subclavia (vierter Bogen 
der rechten Seite), 1 Fort- 
^elzullg der iri liii u Sub- 
clavia, iH Luuguuarterie, n 
Ductus Botalu denelben. 



360 



Zw51fle8 Kapitel. 



diR rechte Garotis commuDis (c) und die rechte Sul)clavi:i (/ -i- /) ab- 
gibt. Wir bezeichnen sein AnfiinpsstOck als die Altena unuuyma 
brachioceplialica. Somit wäre jetzt das bleibende Verhältnis her- 
gestellt. Der Rest des rechten vierten GefftfVbogens eri«cheint nur noch 
als ein Seitenast der Aoit.i (r), die nnf der linken Körperhftlfte einen 
Bogen bildet und hier als weitere Seitenäste die Carotis communis 
bin. ic) und Subclavia sin. (/<) entsendet. Vom letzten (sechsten) Ge- 
fftfsbbgen bildet sieb der rechte Teil ebenfalls surQck bis auf die 
Strecke, welche das Blut zum rechten Lungenfllliiel ftlhrt. Auf der 
Unken Körperseite dagegen erhält sieh der Pulmona ibojzen noch hingen- 
Zeit und IMa-t hier einei-seits das Blut zum linken LuugeuHügel. 
anderseits durch den Ductus arteriosus Botalli (n) in die Aorta 
strömen. Nach der Geburt bildet sich der Bota Lüsche Gang gleich- 
falls zurück im Zusammenhang mit der Lungenatmung. Denn wenn 
sich die Lungen mit den ersten Atemzügen ausweiten ^ sind sie im- 
stande, eine grttt^re Quantität Btut in sich aufzunehmen. Die Folge 
ist, dafs in den Ductus Botalli kein Blut mehr einströmt, und dafs 
er sieh in einen Bindegewebe^trincr Timw;uulelt. welcher eine Ver- 
bindung zwischen Aorta und rulmoualis herstellt. (Vergleiche auch 
Fig. 351 DJ?.) 

Aufser den namhaft gemaehten ROckbildungen vollrieheu sich 

L'loirhzeitig noch Lageverflnderungen an den grofsen. vom Herzen 
entspringenden GefärbStämmen Sie iUcken zugleich mit dem Herzen 
aus der Baisgegend in die Brusthöhle binab. Hieraus erklnrt sieb der 
eigentOmlicbe Verlauf des Nervus laryngeus inf. oder rer urrens. Zur 
Zeit, wo der vierte Gefftfsbogen noch vorn in seinem llildungsgebiet 
am vierten Visceralbogen gelegen ist. gibt der Vagus an den Kehl- 
kopf ein kleines Ästchen ab, welches, um zu seinem Endbezirk zu 
gelangen, von unten her den Gefftisbogen umfafst. Wenn nun dieser 
nach abwärts wandert, so niufs durcli üin ler Nervus laryngeus bis 
in die Brusi hohle mit herabgezogen werden und eine Schlinge bilden, 
deren einer Schenkel sich beim ?',intritt in die Brustliöhle vom Stamm 
des Vagus abtrennt, auf der linken Seite um den Aortenbogen . auf 
der rechten Seite um die Suliclavia sich lu i ninsrhlaf^t und in den 
zweiten Schenkel über^zebt. welcher eine rückliiuhge Bewegung nach 
oben bis zu seinem liaiervationsgebiet durchmacht- 

Was andere gröfsere Arterien anbetrifft, so gibt die Aorta frfib- 
zeitig als Seiten.'lste die unpaare A. niescntcrica su]) und ni( senterica 
inferior /.um Oarnikanal ab, ferner iiabe ihrem b.interem Knde die 
beiden ansehnlichen Nabelgefälse (Aiteriae umbilicabs). Diese ver- 
laufen von der hinteren Wand des Rumpfes an der Seite der Becken- 
hohle nach vorn zur Allantois. die sich später in Harnblase und 
Uraehus sond<'rt, biegen hier nm und ziehen zu beiden Seiten der 
Allantois in der Baucliwand zum Nabel, treten in die Nabelschnur ein 
und lösen sich in der Placenta in ein KnpillametK auf, aus welchem 
sich das Blut wieder in der Nabelvene (Vena umbilicalis) sammelt. 
Während ihrt s Verlaufes in der Beckenhöhle gehen die Nabelarterien 
anfangs un.^cheinbare Seitenäste ab: die lliacae internae zu deu Becken- 
eingeweiden, die lliacae extemae zu den als kleine Höcker am Rumpfe 
hervorsproBSevden ExtremitAten. Je mehr diese bei Alteren Embryonen 
an Gröf e zunehmen, um so ansehnlichere Gefäfse werden die lliacae 
extemae und die ihre Fort^tzung bildenden Femorales. 

Nach Abgabe der beiden Nabelarterien ist dje Aorta sebwflcber 



Die Organe des Zwischenblattes oder Mesenchyms. 



361 



geworden und erstreckt sieh nun noch als ein unscheinbares Gefftfe, 

als Aorta caudalis oder Sacralis media, bis zum Kiuif der Wiiiielsftule. 

Mit der Gehurt tritt auch in diesem Abschnitt des Arteriensystems 
noch eine wichtige Yerftuderung ein. Mit der Ablösung der Nabel- 
schnur können die Nabelarterien kein Blut mehr in sich aufnehmen, 
sie veröden daher mit Ausnahme ihres Anfangsstuckes, welches die 
Arteriii iliacu interna und externa nls Seitenzweige abgejieben hat und 
nun als A. iliaca communis l>ezeichnet wird. Aus den sieh rUckbilden- 
den Gefafsbahnen aber gehen zwei Biodegewebsstrflnge hervor: die 
seitlichen Blasennahelbänder (Ligamenta vesico-umbilicalia lateralia, 
welche links und rechts von der Blase zum Kabel ziehen. 

1). Umwandlunie: im Bereiche des Yeuensy Stents. 

Wie die grofsen Arterien, werden ursprünglich auch alle 
Hauptstämme des Venen Systems, mit Ausnahme der 
unteren Hohlveiie, paarig und symmetrisch angelegt. 
Dies gilt sowohl fQr die Stümine, welche das Blut aus den Kumpf- 
wandungen und vom Kopfe aufnehmen . al> auch für die Venen des 
Dannrohrs und der aus ihm entstnndeiien eniliryonalen Anhj^npe. 

Was zunächst die Humpfvenen betriHI, so i^ammelt sich das venöse 
Blut am Kopfe in den beiden Jugularvenen (Fig. 346 vj und 
Fig. je, ji). welche dorsal von den Schlundspalten nach ab^vi'irts 
ziehen und sich in der Gegend des Herzens mit den Kardi nai- 
veneu verbinden (Fig. 341) vca und Fig. 353 ca). Diese steigen in 
entgegengesetzter Richtung von unten nach oben in der hinteren 
Rumpfwand empor und nehmen das Blut besonders aus den Urnieren 
in sich auf. Aus dem Zusammenfluls heider Venen entstehen die 
CuviEKschen Gange (Fig. 34t), 3oa (/c), aus denen sich später die 
beiden oberen Hohlvenen entwickeln. Eine derartige symmetrische 
Anordnung zeigt das Uumpfvenensystem zeitlebens bei den Fischen. 
Die CuviKKschen (liinge liegen suif den frühesten Stadien f'inf ^trcrkc 
weit in der Seiteuwaud des pnniitiveu Herzbeutels, wo sie vom iiücken 
zur Vorderwaud des Rumpfes herabziehen (Fig. 34«)); von hier treten 
sie in das Sejjtum transversnm ein, welciies einen Sammelpunkt für 
alle in das Herz einmündenden Venenstftmme darstellt. In ihm ge- 
sellen sich zu den Cuvi£B8chen Gängen auch noch die Eingeweide- 
veuen hinzu (Fig. 345 V.om u. Vu und Fig. 346 u. nv\ die paarigen 
Dotter- und Nnbelvenen, und verbinden sich untereinander zu dem 
gemeinsamen Venensinus, der schon l)ei der Kntwicklung des Herzens 
(ä. 345) erwähnt wurde und unmittelbar zwischen Vorhof und iSeptum 
transversum gelegen ist. 

Die beiden Dottervenen (V. omphalomesentericae) führen das Blut 
aus dem Dottei>ack zurück; sie sind die beiden ältesten und stärksten 
Venenstämme des Körpers, werden aber in demselben Mal'se unschein- 
barer, als der Dotter^ack zum Nabelbläschen einschrumpft. Sie laufen 
nahe beieinander am Dnrmrohr entlang und konnnen seitlich von 
Duodenum und Magen zu liegen, wo sie schon frühzeitig durch quere 
Anastnniosen verlninfb»n werden. Auch die Nabelvenen (V. umbili- 
calesi siud ursprüuglich doppelt. Anfangs sehr klein, werden sie später 
im Gegensatz zu den Dottervenen immer ansehnlicher, je bedeutender 
sieli die Pla( enta entwickelt, aus welcher sie das Blut zum Embryo 
zurttckleiteo. Im embryonalen Körper tiuden sich die Nabelvenen am 



Digiii^uu by G(.)0^1c 



362 



Zwölftes Kapitel. 



Beginn ihres Auftretens in die Beitliche Bauchwftnd (Fig. 345 Tu) ein* 
gebettet, in welcher sie obonfalls zu dem Septum traoBverBum und 

dem Venensinus (.sr) hinziehen. 

Später als alle paarigen Stäiume wird die untere Uohlvene au- 
gelegt (Fig. 354 ci). Sie tritt von Anfang an als ein unscheinbares, 

unpaares Gefäfs rerlitrrscits von der Aorta im Gewebe zwischen beiden 
Urnieren auf und verbindet sich kaiulalwarts mit den K;mliiialvenen 
durch Anastomosen Am Herzen mündet sie in den \ em nsinus. 

Au der kurz t)e!ichriebenen Urform des Venensystems (Fig. 
vollziehen sich sp&ter beim Menschen besonders drei Umwandlungen: 
1) Die Venen mtiuden statt in den Vrncnsiinis direkt in den Herz- 
vorhüf. '2) Die syninietrisrhc Anordnung im Gebiet der CuviERschen 
Gänge, der Juguhir- und Kaidiuulvenen, macht einer asymmetrischen 
Anordnung Fhitz unter Verkümmerung einiger Hauptstftmme. 3) Mit 
der Entwicklung der Leber bildet sich ein Pfortaderkreislauf aus. 

Die erstgenannte Umwandlung preht so vor sich, dafs der Venen- 
sinus selbst in den Vorhof mit autV^enommen wird; er liefert dann 
den glatten Bezirk der Vorhofswaud , welcher der Muskeln entbehrt 
(His). In ihm finden sich die getrennten Mttndungen der Gd\ier* 
schon n.lnfzo . der späteren oberen Ilohlvenen und eine besondere 
Mündung lür die von unten kommenden Eingeweidevenen (fftr die 
spätere V, cava inferior). 

Die Umwandlungen im Gebiet der CoviERschen Gänge beginnen 
mit einer Veränderung ihrer Lage. Ihr Verlauf von u]m\ nach unten 
wird ein steilerer. Dabei treten sie ebenso wie der ^■enen8inus aus 
dem Niveau des Septum transversum und der seitlichen Rumpfwand 
nach innen hervor und heben die sie überziehende, seröse Membran 
als eine Biehelformige Falte hervor, die zur Bildung des Hersbeutels 
beitragt und schon früher als Pleuroperikardinlfalte beschrieben wurde. 
Indem diese mit dorn Mediastinum verwJtclist. geraten die CrviKU- 
sciieii Gange aus der Kuuipiwand in das Mediastinum hinein und 
kommen in der Medianebene näher aneinander tu liegen. Unter 
ihren Zuflufsbahnen gewinnen die .Tngularvenen immer mehr die Ober- 
hanil über die Kardinalvenen aus einer dieifaciien Ursache (Fig. ;i'>4). 
Einmal eilt der obere Korperabseliuitt und namentlich das Gehirn im 
Wachstum dem unteren Kdrperabschnitt weit voraus, und zweitens 
erwachst in diesem den Cardinalvenen eine Konkurrenz in der unteren 
Hohlvene, welrhe an ilivcr Stelle die Ableitung des Blutes übernimmt. 
Drittens münden, wenn sich die vorderen Gliedmal'sen anlegen, noch 
die V. subelaviae (s) in die V. jugulares ein. Infolgedessen er- 
scheint jetzt ihr unterer Abschnitt von der Einmündung der V. sub- 
clavia an als die unmittelbare Fortsetzung des CuviEKschen Ganges 
und wird mit ihm zusammen als obere Hohlvenc bezeichnet (Fig 3ö4 csdu 
Zwischen linker und rechter Seite besteht in der Verlaufsrichtung der 
oberen Hohlvenen ein Unterschied, welcher für die sich beim Menschen 
ausbildende Asymmetrie die Veranlassung wird. Während die rechte 
obere Hohlveue (Fig. 364 csd) mehr gerade von oben nach unten zum 
Herzen herabsteigt, mul^ die linke (css) einen etwas Iftngeren Weg 
beschreiben. Mit ihrem Endabschnitt krümmt Sie sich von links nach 
rechts um die hintere Wand des Vorhofs, wo sie in die Kranzfurche 
eingebettet wird und noch das Blut aus den Kranzvenen (cc) de.'« 
Herzens aufnimmt. 



Die Organe des ZwischeublaUes oder Meseitch}ni!>. 



Bei deu Reptilien, Vögeln und vielen Säugetieren erbillt sich ein 
deüirtigps Stadium mit zwei oberen Hohlvenen daiiornd, Wim Menschen 
besteht es nur in den ersten Monaten. Dann komnit es zu einer 
teilweiaen Rückbildung der linken oberen Hohlvene. Eingeleitet wird 
die RQekbildung dadurch, dafs ^ich zwischen dem linken und rechten 
j^tamme eine quere Anastomose (Fip;. ausbildet. Diese fulirt 

das Blut von der linken auf die rechte iSeite herüber, wo die Be- 
dingungen f(\r den ROcktiufs des Blutes zum Herzen gtlnstigere sind. 
Infolgedessen wird der Emiabschnitt der rechten Hohlvene bedeutend 
stärker, der Endabschnitt äev liiikrn dagegen in demselben Grade 
schwächer. Srhli(>rslich tritt hier eine voll^taiidit,'e Verödung der 
Blutbahu ein (l'ig. 355 css) bis auf den iu dei Kranzfurche einge- 
schlossenen Teil {ce). Letzterer erhält sich offen, da ihm die Herz- 
venen Blut zufahren, und wird jetzt als Sinus coronarius unter- 
schieden. 




Ft«. m Pif. S54. Fig. 3$5. 



Fi<r. r^.*»:! -3.55. Sohems aur Entwicklung des KorpervenenByatems. 

de Ductus Cuvieri, j>, ji Vena jugularis externa, interna, s V. »ubclavia, 
vh V. hepatit-a revehcns, U V. unhiticalis, ei («•) V. cava inferior, r« (ta «^) 
V* cardinalis, ikd, ik$ \. iiiaca commanis dextra und sinistra, ad, as V. anonyma 
brachio - cephalica dextra und sinistra. es V. cava unperior, cint TerkQmmertes 
Stück tlt-r V. ( uvii siijHM ior sinistra, er \. coronai iii i ordis, az V. a/vgo8, hz {hs*) 
V. hemiazygos, iU V. itiaca externa, iU V. iliaca interua, r Y. renalis. 

Ein in mancher Beziehung Ähnlicher Vorgang wiederholt sich bei 

den Kardinal ven cn (Fip. :?'.:! r<i). Die.selben sannneln das Blut 
ans deu ürnieren und der hintereu Humpfwand. aus der Beckenhöhle 
uud aus den hinteren Extremitäten. Aus der Beckenhöhle nehmen 
sie die V. hypogastricae (fit) und von den Extremitftten die V. iliacae 
extemae (ilr) und ihre Fortsetzung, die V. ( rurales, auf. Auf diese 
"Weifse sind die Kardinalvenen ursprünglich, wie bei den Fischen, die 
Hauptsammeistämme der unteren Rumpfbälftc. In der Folgezeit aber 
verlieren sie an Bedeutung, indem an ihrer Stelle die untere Hohl- 
vene zum Hauptsammeistamm wird. An dieser hat man zwei Strecken 
zu unterscheiden, welche ihrem Trsprunf? nach verschieden sind: eine 
kflrzere. vordere, und eine längere, hintere. Erstere tritt, wie schon 



Digiii^cu by Google 



364 



Zwölftes K«pit«i. 



erwähnt, als ein unsebeinbares Gefftfs reehterseits von der Aorta im 
Gewebe zwischen beiden Umieren auf (Fig. 353, 354 ci), letztere da- 

peRen entwickelt sich spater aus dem iiiiitfron A!tsf hnitt der rechten 
Karclinalvene (Fig. Üö4 a^). Es verbindet sicli näuilich der vorn selb- 
ständig entstftndene Teil der unteren Hohlvene bald nach seiner An- 
lage in der Gegend der Vena renalis (r) durch Queräste mit den 
heidfMi Kanünalvenen. Infolge dieses vergröfserten Zuflufsgehietes 
nimmt er bald an Weite bedeutend zu, und da er günstigere Be- 
dingungen ffir die Ableitung des Blutes aus der unteren Körperhälfte 
als der obere Abschnitt der Kardinalvenen darbietet, wird er endlieh 
die Haupt h,ihn. 

Wenn das bis jetzt beschriebene Stadium zum bleibenden Zustand 
wtlrde (Fig. 354), so würden wir eine untere Hohlvene erhalten, die 
in der Gegend der Nierenvenen (r) sich in zwei Parallelstämine gabelt« 
die zu lieiden Seiten der Anrta zum Becken li^mbsteigen. Wie be- 
kannt, finden sich solche Fälle unter den Varietäten des Venensystems ; 
sie lassen sich von dem eben beschriebenen Kutwicklungsstadiuiu als 
Hemmongsbildüngen herleiten. Sie kommen aber nur selten zur Be- 
obachtung ; denn beim normalen Verlauf dor Entwicklung liililrt sich 
frühzeitig eine Asymmetrie zwischen den unteren Abscinutien der 
beiden Kardinalvenen aus, von dem Augenblick, wo diese sich mit der 
Anfangsbahn der unteren Hoblvene durch Anastomosen verbunden 
haben. Per rechte Abschnitt erhitlt nAmlich das Übergewicht, er- 
weitert sich und bleibt schliefslich allein bestehen (Fig. 354 u. 355); 
während der huke im Wachstum zurückbleibt und eingeht. £s er- 
klärt sich dies ans zwei Verhältnissen. Einmal liegt die rechte Kardinal* 
vene (ci^) mehr in der direkten Verlängerung der unteren Hohlvene, 
als es hei der linken der Fall ist, und findet sich auf diese Weise unter 
günstigeren Bedingungen; zweitens bildet sich in der Beckengegend 
zwischen beiden Kardinalvenen eine Anastomose aus (Ües), welche das 
Blut der linken V. hypogastrica und der linken V. iliaca externa und 
cniralis auf die rechte Seite überleitet. Durch diese Anastomose, 
weiche zur Vena iliaca communis siuistra wird, wird das zwischen 
Nierenvene und Becken gelegene Stfldc der Hnkeii Kardinalvene 
(Fig. 355 ca^) Rutbßr Funktion gesetzt und verftllt mit der Rück- 
bildung der Urniere gleichfalls dem Untprgang. Die rechte Cardiual- 
vene ist nun eine Strecke weit zur direkten Fortsetzung der unteren 
Hohlvene geworden, und zwar liefert sie den Abschnitt derselben, 
welcher zwischen der Nierenvene und der Teilung in die Venae iliacae 
conimnnes »elegen ist (Fig. :Vt4 u. 355 ci'). 

Während der Bauchteil der linken Kardinalvene (Fig. 355 ca^) 
eingeht und der entsprechende Abschnitt von der rechten Kardinal- 
vene das untere Stück der unteren Hohlvene (eP) liefert, bleiben Ihre 
Brustteile in reduziertor Form bestehen; denn sie iii!n!ien ans 
den Interkostalräumen das Blut auf (P'ig. 354 ai). Hier ist jet/t noch 
eine letzte Metamorphose nachzutragen, durch welche ebenfalls eine 
Asymmetrie zwischen beiden KörperbUlften herbeigeführt wird. Im 
Prustteil des Köri>ers werden die urs|)rt^nglichcn Zirkulatinnsvrrbnlf- 
nisst' durch die Rückbildung der linken, oberen Hohlveuc verändert 
(Fig 355 ess) Der direkte AbHuls der linken Kardinalvene zum Vor- 
hof wird erschwert und hört schlierslich unter Rückhihlung der als 
ff- lic/i'ichneten Wegstrecke ganz auf. \Vnhrentldeni nimmt eine 
Anastomose (/u'j, die sich in querer Richtung vor der Wirbelsäule 



Die OrgßM d«« Ziriicli<iiM»tte« oder Hetenchyn». 



365 



und hioter der Aorta zwischen den entsprecbendeD , beiderseitigen 
Geftflwn gebildet bat, daa Blut der ÜBkoB Körperbfttne auf und leitet 

es auf die rechte Ober. Auf diese Weise wird der Hrustteil der 
linken Kardinalvene und ihre Annstnmosc zur linkon V. hemiazyj^os 
(hjs u. hz^X die rechte an Stärke überwiegende Kurdiualvene wird zur 
V. azygos (az). Somit ist nach vielen Umwegen der bleibende Znetand 
im Bereich des Runipfveneusystems mit seiner Asymmetrie und seinem 
Übergewicht der Venenstiiuime iu der rechten Körperhülftf- erreiclit. 

Kine dritte Keilie vou Lmwandluugcn, die wir jetzt uuch in das 
Auge zu fassen )i»heu, betrifit die Entwicklung eines Leberkreis- 
laufs. Dersell < i rhftlt sein Blut auf verschiedenen Stadien der 
Embryoualentwicklunfi uns wechselnden Quellen, eine, Zeitlang aus den 
Dottervene« , wahrend einer zweiten Periode aus der Nabelvene und 
nach der (iebui t endlich wieder aus den Darmvenen, aus der Pfortader. 
Dieser dreifache Wechsel findet seine Erklärung in 
den Wae h stuni Verhältnissen der Leber, des üotter- 
Siicks und der Placenta. Solanue die Leber klein ist. jienüfxt 
daä vom Dutter&ack kommende liiuL zu ihrer ErniUuuug. Weuu bie 
sieb dann aber in sehr betrftehtlicher Weise vergrOfsert. während der 
Dottersack im Gegenteil verkOnmiert . mtlssen andere Blutbahnen, 
jetzt die N thelvenen, Ersatz scliat^VMi Wenn schliefslich der Plazentar- 
kreislaut mit der Geburt auiliort, kuunen die Veuenstämme des Darm- 
kanals, die mittlerweile sehr ansehnlich geworden sind, den Bedarf 
decken. 

Wenn die Lebergänge aus dem Duodenum in «las ventrale Darm- 
gekröse und Septum traasversum hiueinwachsen und iSprosseu treiben, 
umfassen sie die beiden am Darm verlaufenden Dottenrenen, die an 

dieser Stelle durch zwei ringförmige, das Duodenum umgebende Quer- 
anastomosen (Sinus anuularis, His) zusainmeuhnufien (Fig. -iJH dv). 
An diesen beiden venösen Kiugeu schwindet vou dem nach hinten 

Seiegenen der rechte Schenkel, von dem dicht davor gelegenen Ring 
er linke Schenkel, wie ebenfalls His zuerst bei menschlichen Em- 
bryoiifM! nachgewiesen hat, und wie die beiden für Kaninchen- 
euibryuueu von Hocbstetteu entworfenen Schemata (l'ig. »i^ü und 
357) klar erkennen lassen. Infolgedessen ist jetzt aus den paarigen 
Gefäfscn ein einfaches Kudstück der Vwiaomphalcniescnterica entstanden, 
das in spiralcm Verlauf den Darm umgreilt. Ks ninnut in der Gegend 
des Pankreas die V. mesenterica auf. Von der V. omphalumesenterica 
werden Seitenzweige frQbzeitig an die Leberanlage abgegeben; sie 
werden, je mehr sich die Leber vergröfsert, um so ansehnlicher (V. 
Iiejjatieae advehente.s) und \(»vn sieh (Fig. 207) z\visfli(>n dem Netz- 
weik der Leberzylinder (/<) iu ein Kapillarnetz {(j) auf, aus welchem 
.sich am dorsalen Hände der Leber wieder stärkere, ableitende Ge- 
{&he (V. hepaticae revehentes) sammeln und das Blut in das am 
Vurliof einmtlndende Endstück der Dottervene zururkftihren. Infulu* - 
dehsen wird die zwischen den V. hepaticae adveiientes und reveheutes 
gelet:ene Bahn der Dottervene immer unscheinbarer und verödet 
schlieiVlich ganz, indem alles Blut vom Dottersaek für den Leber- 
kreislauf verwendet wird P's vollzieht sich hier im jirofsen derselbe 
Prozefs wie 1« i den kieinenatinenden W irbeltieren an den (iefal^en 
der Schluudi»ogeu, die auch mit der Kntstehuiig der kieuieiibiättchen 
in Kiemenarterien, Kiemenvenen und ein dazwischen geschaltetes 
Kapillametz aufgelöst werden. 



366 



ZwölÜM Ktpilel. 



Scüou fnilizeitig iiehmcu die zwei Niibelveueu um Leberki-eislauf 
teil. Sie verlaufen ursprünglich von der Nabelschnur an in der 
vorderen Bauch wand (Fig. 345 I m), aus welcher sie Seitenzweige 
beziehen, und treten dann ül)er der Le heran läge in den Venen- 
sinus (Sr), Sie schlaffen somit einen ganz anderen Weg ein als 
später, wo sich das Endstflek der Nabelvene unter der Leber 
vorfindet Narh His findet die Verlegung ihrer Bahn in folgender 
Weise statt: Die rechte Nahelvene verkümmert teilweise (wie auch 
beim Ilillinehen, S. und wird, soweit sie erhalten Itleibt . zu 

einer Bauchdeckenvene. Die linke Nabel veue dagegen gibt am Septuui 
transversum Anastomosen zu benachbarten Venen ab, von welchen 
eine Ficli unter der Leber zum Ringsinus der Dottervenen begibt 
und dadurch einen Teil des Plazentarblutes in den Leberkreislauf 
überleitet. Da bei ihrem ruscheu Wachstum die Leber einer grofsen 

Blutmfubr bedarf, wird 
bald die Anastomose zur 

Hauptbahn und nimmt 
schlielslich unter Verküm- 
merung der ursprOngliehen 
Strecke alles Nabelvenen- 
blut auf. Dieses zirkuliert, 
mit dem Blut des Dotter- 
saeks gemischt, in den von 
den Dottervenen ans ent- 
wickelten Bahnen . in den 
V. hepaticae advehentes und 
revehentes durch die Leber; 
es fliefst darauf in den 
Vorhof (lurrli das Endstück 
der Dottervene. Letzteres 
nimmt auch die untere 
Hohlvene, welche zu dir-er 
Zeit noch unscheinbar ist. 
in sich auf und kann daher 
schon jetzt, im Hinblick auf 
die fertigen Zustünde, als 
Herzende der unteren llohl- 
vene bezeichnet wriden. 

Während einer kur- 
zen Periode mufs alles 
Plazentarblut, um 
zum Her/t'u zu gelangen, erst den L e h e r k r e i > 1 a u f 
durchmache n. K in direkter A b f 1 u Ts zu r u n t e r e u H o h I - 
vene durch den Ductus venosus Arantii existiert noch 
nicht. Ein solcher aber wird von dem Moment an notwendig 
werden, wo durch das Wachstum des Embryo und der Placenta das 
Nabtdveneublut au Menge so zugenommen hat, dals der Leberkreis- 
lauf es nicht zu fassen vermag. Dann entwickelt sich aus Anasto- 
mosen eine direktere Zweigbahn, der Ductus venosus Arantii (Fig. 
.'i'.'^ (I.A) zwischen Nabel- (n.v) und unterer Hohlvene (c t"') an der 
unteren Fläche der Leber. Es tritt so das Verhältnis ein, welches 
bis zur Geburt bestehen bleibt: an der Leberpforte teilt sich das 
Plazentarblut (n.v) in zwei Ströme. Der eine Strom geht direkt 




Fig. 356. Fig. 357. 

Fig. 356. Verlialton dm Venao om- 
phalomeMiit«rioM und V. nmbUiealM m 

Darm und Leber bei einem Kaninchen- 
Smbryo vom Beginn des 12. Tages. Schema 
nach HüoiifiTKTTKB. 

D.r.Ä Ductus yenosus Arantii, y.ca n.V.vi» 
Vena cardiualis aut. u. post., V.u V. umbilicalis, 
V/tM V. onphalomeaenterica. 

Fiß. ::t57. Schema der Entwicklung des 
Lebervenensystems der Säuger. Nach Hocii- 

STBTTEB. 

Die sttgrunde gegangenen Abscliniue der 
V. omphalonesenteiicae und V. nmbilirales sind 
licht gehalten. Bezeichnungen wie in Fig. 366. 



Die Organe des Zwischenlilatt*>s oder Mesenchyms. 



durch den Ductus venosus Arantii (d.A) in die untere Holilvene (cj"), 
der andere Strom macht den Umweg durch die V. hepaticae adve- 
hentes (ha.s u. ha.d) in die Lt'ber; er vermischt sich liier mit dem 
der Leber durch die Dottervene (pfM) zuf^eführton Blut des Dotter- 
sacks und des inzwischen vergröf^erten Darmkanals und gehingt 
scblierslicl» durch die V. hepaticae revehentes (Ä.r) gleichfalls in die 
uoter«' Hohlvene {cj'). 

Üher die Entwicklung der Pfortader ist jetzt noch einiges 
nachzutragen. Sie ist in der Fig. :ir»S als ein unpaares Gefilfs (pf.a) 
zu sehen. Sie mündet in die rechte zuführende Lehervene ein, be- 
zieht ihre Ursprungswurzeln aus dem Gebiet des Darmkanals und 
führt von ihm das Venenblut in den rechten Leberlappen hinein. 
Ihre Entstehung leitet sich von den beiden primitiven Dottervenen her. 

Nach der Darstellung von His verschmelzen die beiden Dotter- 
venen auf der Strecke, wo sie dicht nebeneinander am Darmkanal 
hinlaufen; auf der Strecke dagegen, wo sie zur Leber treten und 
durch zwei ringförmige, das 
Duodenum umgreifende 
Anastomosen zusammen- 
hängen , entsteht der un- 
paare Stamm in der schon 
auf Seite 'M)'t beschriebenen 
Weise. Die Pfortader lauft 
daher erst links um das 
Duodenum nach hinten 
herum und kommt dann 
an seiner rechten Seite 
hervor. Sie bezieht ihr 
Blut teils von dem Dotter- 
sack, teils von dem Darm- 
kanal durch die V. mes- 
enterica. Die erste Quelle 
versiegt später mit der 
Rückbildung des Dotter- 
sacks, die andere al)er wird 
immer ergiebiger mit der Vergröfserung des Darms, des Pankreas 
und der Milz und führt in den letzten Monaten der Schwangerschaft 
einen starken Strom der Leber zu. 

Die Veränderungen, welche zur Zeit der Geburt noch eintreten, 
sind leicht zu verstehen (Fig. :i58). Mit der Ablösung der Nach- 
geburt hört der Plazentarkreislauf auf. Die Nabelvene (w.r) führt 
kein Blut mehr der Leber zu. Ihre Strecke vom Nabel bis zur 
Leberpforte verödet und geht in ein faseriges Band (das Ligamentum 
hepato-umbilicale (»der L. tercs hepatis) über. Desgleichen liefert 
der Ductus Arantii {(LA) das bekannte, in der linken Sagittalfurche 
eingeschlossene Band (Ligamentum veuosum). Die linke und rechte 
Vena hepatica advehens {ha.s u. lia.d) erhalten nun wieder ihr Blut, 
wie es am ersten Anfang der Entwicklung der Fall war, vom Darm- 
kanal durch die Pfortader ipf.o). 

Nachdem wir mit den morphologischen Vorgüngen im einzelnen 
bekannt geworden sind, schlielse ich den Abschnitt über das Gefilfs- 
system mit einer kurzen Skizze des emhrycnialen Blutkreis- 
laufs vor der Geburt. Für ihn ist charakteristisch, dafs noch 




f]' Fip. ;i58. Leber eines achtmonatlichen 
menschlichen Embryo, von der unteren 
Fläche gesehen. .Ans (ikoknbadr. 

l.le linker I.eberhippen. r.le rechter Leber- 
lafipcn, n.r Niiliolvene, <I.A Ductus venosus 
.\rantii, pf a I'fortader, h'j.s, ha.d Vena hcpatira 
advehens sinistra und dcxtru, h.r Vena hepatica 
revehens, r.i' Cava inferior, c.i" EndstUrk der 
Cava inferior, weh-hes die Venae hepaticae 
revehentes {hr) aufnimmt. 



368 



Zwölftes Kapitel. 



keine Scheidung in zwei gesonderte Kreisläufe, iu den grolsen oder 
Körperkreislauf und in den kleinen oder Kuu^^eakreislauf, erfolgt ist, 
dals femer in den meisten GefAFsen weder rein arterielles noch r» in 
veuö^es, sondern gemischtes Blut zirkuliert. Rein arterielles Blut 
enthält nur die von der Placenta herkommende Nabel veiie, von der 
aus wir (ien Kreislauf verfolgen wollen. 

An der LelM r nnj^elangt, teilt ii h drr Strom der Nahelvene in 
zwei Arme. Vau Strum geht direkt dmcii den Ductus Araiitii in die 
untere Hohlveue und mischt sich hier mit dem venösen Blut, welches 
von den hinteren Extremitäten und den Nieren zum Hersen zurOek' 
fliefst. Der andere Strom geht durch die Leber, wo sich ihm (!<is 
venöse, vuni Darm herrührende Blut der Pfortader zugesellt, und 
gelaii{j;t auf diesem Umweg durth die Yenae hepaticae revehentes 
gleichfalls in die untere Hohlvene. Aus ihr fliefst das gemischte Blut 
in den rechten Vorhof. wird nher infnl^'e der Stellung der Eustachi- 
schen Klappe, und da das ovale Locli noch offen ist, durch dieses in 
den linken Vorhof zum grölsten Teil übergeleitet. Der andere, kleinere 
Teil vermischt sieb wieder mit dem venösen Blut, welches die obere 
Hohlvene vom Kopf, von den oberen Flxtremiläten und durch die 
V. az>gos von den Rumpfwandungen gesammelt hat, und wird in die 
rechte Kammer, vou hier in die Pulmonalis getrieben. Diese gibt 
einen Teil ihres stark venOsen Blutes an die Lungen, den anderen 
Teil durch den Ductus Botalli au die Aorta ab, wo er i<icli dem aos der 
linken Kammer kommenden Strom, der mehr arteriell ist. liinzugesellt. 

Das Blut der linken Kammer rührt besonders aus der unteren 
Hohlvene her, zum kleineren Teil aus den Lungen, welche ihr BluU 
das zu dieser Zeit venös ibt, in den linken Vorhof ergirfsen. Ks wird 
in den Aortenbogen getrieben und teils durch s^'ine Seitenibte au 
den Kopt und die oberen Gliedmafseu (Carotis communis, Subclavia) 
abgegeben, teils nach abwftrts in die Aorta descendens weitergeleitet, 
wo sich mit ihm der venösere Blutatrom aus dem BoTALUschen Gang 
von der rechten Herzkammer vereinigt. Das gcmisclite Blut wird an 
den Darmkanal und die unteren Gliedmalsen verteilt , hauptsächlich 
aber gelangt es durch die beiden Nabelarterien in die I'lac^nta, wo 
ts wieder arteriell gemacht wirii. 

Wie die Ski/ze gezeigt hat. tindet überall eine Vermischung ver- 
schiedener Blutarten statt; sie ist freilich in den einzelnen Monaten 
des embryonalen Lebens keine gleich mäfsige, da ja die eiuzelueu 
Organe ihre Gröfse in ungleicher Weise verilndern, und da nament- 
lich die Lungen spilter mehr Blut aulzuneliimn imstande sind, da 
ferner das ovale Loch und der BoT.MJ,i>cht' daii«; in den letzten 
Monaten enger werden. Infolge dieser Mumeute gelangt schon vor 
der (leburt weniger Blut aus der unteren Hohlveue in den linken 
Voiliof und ebenso weniger Blut aus der rulmonalnrteric in die al)- 
steigende Aorta, als es in Iriilieren Monaten der Fall war. So wird 
allmöhlich gegen das Ende der Schwangerschalt enie Scheidung in 
ein linkes und ein rechtes Herz mit ihren getrennten Blutbahoeo 
eingeleitet (Hasse). Vollständig aber Wird sie fast mit einem Schlag 
erst infolge der Geburt. 

Grolse Veränderungen werden jetzt herbeigeführt durch den Ein- 
tritt der Lungenathmung und durch den Wegfall des Plazentarkreis- 
laufs. Beide Momente wirken zusammen dahin, dals der Blutdruck 
im linkeu Herzen erhöht, im rechten Herzen herabgesetzt wird. 





Die Organe des Zwischeublattes oder Mesenchyms. 



Herabgesetzt wird der Blutdruck, da ans der NabeWene kein Bint 

mehr in den rechten Vorhof einströmt und da die rechte Kammer 
an die sich ausweitende Lunj^e mehr Blut abgel)en mufs. Infolge- 
dessen schliei'st sich der BoiALUsche Gang (Fig. '6b2 n) und wird 
dann zum gleichnamigen Band (Ugamentnm Botalli) nmgewandelt. 
Da ferner aus der Lunge mehr Blut jetzt in den linken Vorhof 
strömt, steigt in diesem der Druck, und da er im rechten Vorhof 
gleichzeitig sinkt, kommt es infolge der besonderen Klappeuvorrich- 
tnngen zum Versehlnft des ovalen Locbes. Es legt sieh nftmlieh die 
Valvula foraminis ovalis mit ihren Rändern an den Limbus Vieussenii 
fest an und verwiu hst mit ihm. Hierdurch und durch den YerschluCs 
des BoTALUschen Ganges ist die vor der 
Geburt schon angebahnte Scheidung in 
einen grofseD Körperkreislauf und einen 
kleinen Lungenkreidanf vollendet 



Am Schlufs des Abschnittes über die 
Entwicklung des Blutgefäfssystems sei 
noch mit wenigen Worten eines Organs 
gedacht, weknes in der deskriptiven 
Anatomie meist bei den Organen des 
Kreislaufs besprochen zu werden ptlegt, — 
d e r M i 1 z. £ntwickluugsgeschichtlicb ist 
Uber sie nur wenig zu berichten. Bei 
raenflcUichen Embryonen von 7 mm 
Länge wurde ihre erste Anlage schon 
im Mesogastrium, in der Kähe des 
Magens, von His aufgefunden. Einen 




Fig. 359. Quersohnitt duroh 
die MUsanlage und den Ma- 
gill «Umb 27 Tage alten 
menaaliltolien XmbryoB. Niu h 

IlnCHSTBTTBB. 

Mi Milz, Mg Magen, Muj^ 
HesogMtfciiim. 



(Querschnitt durch die Milzanlage und 

den Magen eines 27.Tage alten menschlichen Ein])ryos zeigt Fig. 8.")9 
nach HocHSTETFER. Über die Abstammung des die Milzanlage bilden- 
den Zellmaterials geben die Angaben der einzelneu Forscher noch 
auseinander. 



U. Die Entwickluns dca Skeletts. 

Mit Ausnahme der Chorda dorsalis, welche ihren Ursprung vom 
inneren Keimblatt herleitet, ist das Skelett der Wirheltiere ein Pio- 
dukt des Zwischeublattes, entstaudeu aus einer Keihe geweblicher 
Metamorphosen, ober welche schon früher (S. 336) im allgemeinen ein 
Cberhlick gegeben worden ist. Man unterscheidet an ihm zwei Haupt- 
teile: 1) (Ins Achsenskelett, welches wieder in dasjenige des Rumpfes 
und des Kopfes zerfällt, und 2) das ExtremitÄtenskelett. Das erstere 
ist das fitere und ursprQnglichere, wie es denn allen Wirbeltieren 
zukommt; das letztere ist erst später entwickelt und wird in den 
niederen Abteilungen noch ganz vermifst (Amphiozus, Cyklostomen). 

A. Da.s Achsenskelett. 

1. Entwicklung der Wirbelsftule nebst Bippen und Brustbein. 

Die ursprl^ngliche Grundlage für das A< hseiiskelett alk r Wirhel- 
tiere ist die Kückensaite oder Chorda dorsalis, ein biegsames, stab^ 

0. Hcrtwlf , DI« Bcmrate der Eatwieklnngatolun». 2. Aull. 24 



Digijjzecj by Cookie 



370 Zwölftes Kapitel. 

fönniges Gebilde, das, in der Achse des Körpers unter dem Nerven- 
rohr und oberhalli des Darnies und der Aorta gelegen, vom Vordei- 
eode der Mittelhirubasis bis y.mn Ende des Schwanzes reicht. Indem 
hiDsichtlich ihrer ersten Anlage auf frQhere Abschnitte des Lehr« 
buebs (S. C»? etc.) verwiesen wird, sei hier auf die weitere Unibildung 
noch niiher eingejriUi{Ten. X'on vornherein sei gleich hervoi gehoben, 
dals die Ciiorda sich zu einem wirklich tunktioniereudeu, zur Stütze 
tauglichen Organ nur bei den niederen Wirbeltieren, bei dem Am« 
phioxus, den Cyklostomen, Ganoiden, Selachiern und den .Tugend- 
fornien der Teleostier nn(t Amphibien entwickelt. Bei ihnen «^reri/t 
sieh der Streifen embryonaler Chordazellen, wenn er sich vom Darm- 
drftsenblatt abgeschnürt hat, nach aufsen dureh Absonderung einer 
festen, homogenen Hülle, der Chordascheide, schärfer ab (Fig. 3tj0 es). 
Die Zellen verfzröfsern siel», indem sie Flüssigkeit in ihr Protoplasma 
aufnehmen, umhüllea sich mit derben Membranen und gewinoeu so 

ganz das Aussehen von Pflanzenzellen. Nor 
unter der Chordascheide selbst (Fig. 3lM)) 
bleiben die Zellen klein und protoplasmatisch 
und bilden eine besondere Schicht, das Chorda- 
epithel, welches durch Vermehrung nnd Um- 
wandlung seiner Elemente eine Zunahme der 
Chordasubstanz herbeiführt. Bei allen höheren 
Wirbeltieren (Reptilien, Vögeln, Säugern) l)e- 
ginnt die Chorda schon gleich nach ihrer 
ei-sten Anlage in einzelnen Abscbnitteu radi«* 
nientär und überhau])t als Sttttzgebilde ganz 
unbrauchbar zu werden. 

Eine noch bedeutsamere Rolle in der 
Entwicklung des Achsenskeletts als die Chorda 
spielt das Mesencbym in ihrer Unijiebnnfi. 
Wie ebenfalls schon früher dargestellt wurde 
(S. 117), bildet sich aus einem Teil der I r- 
segmente. dem Sklerotom (Fig. 133 sk, 225 TT), 
ein (lullertgewebe, welches sich zwischen den 
Keimblättern und den aus ihnen sich anlegen- 
den Organen ausbreitet. Es wächst um die 
Chorda herum und liefert ihr eine besondere 
Hülle, die sk e I e tt ogen e Chordascheide; vf»n 
hier breitet es sich nach oben um das Nerven- 
rohr aus und erzeugt eine Schicht, die sogenannten häutigen Wirbel- 
bOgen. Auch seitlich dehnt sich bei den Embryonen das Mesenehym 
aus. dringt in die Lücken zwischen die einzelnen Ursegmente hinein 
und wandelt sich in dünne Binde^'ewobsplatten, die Zwischenniuskel- 
bänder (Fig. 222, 224 //) (Ligamenta intermuscularia) , um, durch 
welche die Rnmpfmuskulatur in einzelne Muskelsegmente (ms) (Myo- 
meren) zerlegt wird. An der vorderen und an der hinteren Flftche 
dieser Blatten tinden die Muskelfasern einen Ansatz und Stutzpunkt 
(vergleiche Fig. 224 und den Text auf S. 222). 

Das hier in seiner Ausbreitung l)eschriebene MesenchymgerQst 
bildet die Grundlage, auf welcher sich die Wirbelsäule nebst ihren 
Anhaii'.:^gel»ilden entwickelt; daher es denn auch in passen»ler Weise 
alb Skelett bildende Schicht oder mit einem uoch älteren JNameu 
als ,hflutige Wirbelsflule*^ bezeichnet wird. Es erfilhrt sehr 




Fig. 3(.' i Querschnitt 
duroh die Wirbelsäule 
eines Jungmi "LmehMam. 
Nach Gkoknu^ük. 

c$ Chordasclipide. k 
Neiiralboßcn. /' llanuil- 
bosen, m Kuckeatuark, 
aRttckenftorU,« Kardinal- 
venen. 



Die Organe des -Zwüchenblattes oder Alesenchyms. 



371 



verschiedenartige Modifikationen in den einzelnen Klassen der Wirbel- 
tiere und ruft so die verschiedenartigsten FornieD des Achseiiskeletts 
hervor. Ober welche die Lehrbücher der ver^'Ieichonden Anatomie, 
auf welche hiermit verwieüeu wird, nähere Auskunft geben. Wir 
beschränken ans Hier anf den Mensehen und auf die Sangetiere. Wenn 
man bei diesen die Entwicklung des ursprünglich heutigen Gewebes 
in der Umgt^buni^ der Chorda und des Nervenrohrs weiter vorfolgt, 
so sieht mau, dal's es nacheinander zwei histologische Meta- 
morphosen erfährt, dafs es zunächst teilweise verknorpelt, und dafs 
später die knorpeligen Stücke in Knochengewebe umgewandelt werden, 
öflei- mit anderen Worten: die zuerst angelegte, hftutige 
Wirbelsäule geht bald in eine knorpelige über, und 
diese wird wieder durch eine knöcherne ersetzt. Im ein- 
zelnen vollzieht sich der Hergang in folgender Weise: 

Beim Mensch(Mi beginnt der Verknorpelungsprozefs am Anfang 
<les zweiten Monats. An einzelücii Stellen der die (Jhorda umhüileu- 
deu (iewebsmasse scheiden die Zeilen eine 
knorpelige GmndsubBtanz zwischen sich aus 
und rücken weiter auseinander, wahrend auf 
anderen dazwischen gelegenen, kleinereu 
Strecken das Gewebe seinen Charakter nicht 
verändert (Fig. 268, 293 n. 861). Anf diese 
Weise sondert sich die skelettbildende Schicht 
in zahlreiche . auf dem Liingsdurchsclmitt 
heller aussehende Wirbelkörper (Fig. 3ül v) 
and in ^ie sie trennenden ZwiKhenwirbel- 
«cheiben (Ligamenta intervertebralia) (Ii). 

Mit dem .Auftreten einer gegliederten 
^Wirbelsäule hat die Chorda ihre iiolle eines 
stQtzenden Skelettstabes eingebofot. Sie ist 
ilalier auflh von jetzt ab einem allmählichen 
Ihitergang verfallen. Die in den Wirbelkörper 
eingeschlossenen Teile werden in ihrem Wachs- 
tum gehemmt, während die kleineren, in den 
weichen Zwischen Wirbel Scheiben gelegenen 
strecken zu wuchern fortfahren (Fig. '/'). 
Dadurch gewinnt jetzt die Chorda, wie man 

zu sagen pHegt, ein perlschnurartiges Aussehen; verdickte, kugelige 
Abschnitte hängen durch dünne Verbindungsfäden untereinander zu« 
sanimen. S|)nter schwindet die riioida in den Wirbelkitrpern ganz, 
zumal wenn diese zu verknöchern beginnen; nur iutervertel»ral erhält 
sie sich, wenn auch von ihrer Umgebung undeutlich abgegrenzt, und 
liefert durch Wucherung ihrer Zellen die Gallertkeme der Zwischen- 
wirbelscheibe n. 

Kurz nach dem F.rsclieinen <ler Wirbelkörper sind ancli die .An- 
lagen der dazu gehörigen Bogen zu bemerkeu; sie entstehen als kleine 
selbständige Knorpelstückchen in der das Rfickenmark umhüllenden 
Membran in nächster NUlie der W^irbelkörper. mit denen sie bald ver- 
schmelzen (I ii: liiXirli). Ilir Wachstum ist ein ziemlich langsames In 
der achten Woche erscheinen sie beim Menschen nocii als kurze Fort- 
' Sätze der WirbelkArper, so dars das Rtkckenmark dorsal wärts von der 
häutigen Membran bedeckt wird. Im dritten Monat wachsen sie ein- 
ander am Rücken entgegen, doch kommt es erst im folgenden Monat 

24» 




Fig. 3f)l. LängBBclmitt 
durch, die Wirbelsäule 
•Ine« «oiht Woeheii 

alten menschlichen 
Embryo in der BruBt- 
gegend. Nach Köi-likkii. 

r knorpeliger Wirbel- 
kiirper, Ii Intervertebral* 
ligament, ck ChordA. 



872 



zu einer ToUstAndigen Verschmelzung und zur Entstelnin^^ knoqtplit-'er 
Wirbeldorne. Der zwischen den knorpeligen Bogen gelegene Teil 
iler Membran liefert den Bandapparat. 

Beim Verknorpelungsprozefs nehmen die entstehendeo Wirbelkörper 
eine bestimmte, pesetzmäfsise Stellung zu den TJr- oder Muskcl- 
segmentCT ein, in der Weise, dafs sie jederseits an zwei derselheu 
angreuzeu, zur Hälfte au ein Vorhergeheudes, zur Hälfte an ein nach- 
folgendes. Oder in anderen Worten: Wirbelkörper und M u^^keU 
s 0 s TU e n t e decken sich nicht, sondern alternieren in ihrer 
Stellung miteinander. Die Notwendit'keit einer deraitiiien 
Einrichtung ergibt sich von selbst aus der Autgabe, welciie Wirbel- 
säule und Muskulatur zusammen zu erfttUen haben. Die Skelettaehse 
niufs zwei entgegengesetzte Eigenschaften vereint zeigen; sie lunfs 
fest, aber aucli biegsam sein, fest, um als Stütze des Kumpfes /u 
dienen, biegsam, um seinen Bewegungeu nicht hinderlich zu sein. Du 
ein einheltUeher Knorpelstab nicht genug Biegsamkeit besitzen würde, 
kann der Verknorpelungsprozefs nicht in ganzer Ausdehnung der 
skelettbildenden Schicht erfolgen, sondern es ratlssen dehnbare Strecken 
zurückbleiben, welche eine Verschiebung der Kuorpelstücke aneinander 
gestatten. Eine Verschiebung der 'Knorpelstocke aber ist selbstver» 
Ständlicherweise nicht inQ^jUck, wenn sie so liegen wQrden, dafs die 
Muskelfasern an einem und demselben Wirbelstück Ursprung und 
Ansatz hndeu wurden. Damit die Fasern eines Muskelsegmentes auf 
zwei Wirbel einidrken kOnnen, mdssen Muskel- und Wirbelsegmente 
in ihrer Lage alternieren. 

Noch ehe die knorpelige SVirbelsftule ganz angelegt ist, tritt sie 
bei dem Menschen und deu Säugetieren auch schon in das Stadium 
der Verknficherung ein, welches beim Menschen am Ende des zweiten 
Monats beginnt. Die Verkndcherung eines jeden Knorpels erfolgt 
im grofsen und ganzen in einer ilbereinstimmenden, tyi>iscbeu Weise. 
Von der übeiHäche her wucheru Blutgefäfse an einer oder mehreren 
Stellen in das Innere hinein, lOsen die Knorpelgrundsubstanz in einem 
beschränkten Bezirk auf, so dafs ein kleiner mit Gefäfskapillaren und 
Markzellen erftUlter Baum entsteht. In seiner Umgebung lagern sich 
Kalksalze im Knorpel ab Von einem Teil der gewucherteu Mark- 
zellen, die zu Osteoblusteu werdeu, wird alsdann Knochensubstanz 
ausgeschieden. Auf diese Weise ist inmitten des Knorpelgewebes ein 
sogenannter KnochenkernodercinVerknöcherungszentrum 
entstanden, in dessen Umkreis die Zerstörung des Knorpels und der 
Ersatz durch Knochengewebe immer weiter fortschreitet. 

Die Stellen, an welchen sich die einzelnen Knochen- 
kerne bilden, und nicht minder ihre Anzahl sind für 
die einzelnen Knorpel ziemlich geset zm S fsi g. Ks erfolgt 
im allgemeinen die Verknociierung eines jeden Wirbels von diei 
Punkten aus. Zuerst legt sich je ein Knochenkem in der Basis einer 
jeden Bogenhnlffe an. wozu etwas spilter noch ein dritter Kern in der 
Mitte des W'irbeikörjiers hinzutritt. Im ft^nften Monat ist die Ver- 
knöcheruug bis an die Ubertiiiclie des Knorpels vorgedrungen. Jeder 
Wirbel ist jetzt deutlich aus drei KnochenstQcken zusammengesetzt, 
welche durch KnorpetbrOcken au der Basis jeder Bogenhälfte und an 
ihrer Vereinigung zn den W'irbeldornen no' h längere Zeit unterein~ 
ander verbunden werden. Die letzten Kuorpeheste verknöchern erst 
nach der Geburt. Im ersten Leben^ahr versehmeltan die beiden 



Die Organ« des Zwisehenblattes oder MeKeiieh3rm8. 



373 



Bogenhälften untereinander unter F.ntwickhinj; eiuoR knöchernen Dorn- 
fortsatzes. Jeder Wirhel lAfst sich dann nach Zerstörung der Weich teile 
iu zwei Stöcke, in den Körper und in den Bogen, zerlegen. Diese 
Tereinigen sich erst zwischen dem dritten und achten Jahre. 

Zur Vervollständigung des Achsenskeletts tragen knorpelige Skelett- 
teilo bei. welche der lateralen und der ventralen Wand des Rumpfes 
2ur Stütze dienen, die Rippen nnd das Brustbein. 

Die Kippen entwickeln sich unabhängig von der Wirbelsäule 
<beim Mensehisn im zweiten Monat), indem zwischen den einzelen 

Muskelsegmenten Gewebsstreifen der Zwischenmuskelbäuder (Fig. 224 Ii) 
<leni VerknoriH lungsprozefs unterliegen. Sie werden zuerst als kleine 
Spangen in nächster Mähe der Wirbelkörper sichtbar, von hier ver- 
grdftem sie sieh rasch ventralwftrts. Auf frQhen Entwicklungsstadien 
werden Rippen vom ersten bis zum letzten Segment der Wirl»elsÄule 
(beim Menschen das Steifsbeiii ausgenommen) angelegt, bilden sich 
alter nur bei niederen Wirbeltieren (Fificheu, vielen Amphibien, 
Reptilien) in einer mehr gleichartigen Weise Überall zu grOfseren, die 
Rumpfwand stützenden Spangen aus, während sie bei den Säugetieren 
und beiüi Mensclicn in den einzelnen Regionen der Wirbelsäule ein 
verschiedenes Verhalten zeigen. Am Hals-, Lenden- und Kreuzbeiu- 
abschnitt treten sie von Anfang an nur in verkfimmertem Zustand 
auf und erfahren später noch zu besprechende Metamorphosm. Nur 
an der Brust Wirbelsäule erreichen sie ansehnliche Dimensionen und 
lassen hier zugleich einen neuen Skeletteil, das Brustbein, entstehen. 

Das Brustbein, welches den Fischen und Dipneusten noch 
fehlt, bei den Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren aber 

vorkommt, ist ein Bildungsprodttkt der Brustrippen und 
legt sich ursprünglich, wie zuerst Rathke entdeckt hat, als 
«ine paarige Bildung an, die frühzeitig zu einem uu- 
paaren Skelettstflck ▼erschmilzt PQr den Menschen hat 

man gefunden, dafs bei 3 cm langen Embryonen die fünf bis sieben 
ersten Bmstripiion '^if'lt l)is in die ventrale Fläche der Brust verlängert 
haben uud jeder.seits iu eiuiger Entfernung von der Medianebene zu 
«iner Knorpel leiste durch Verbreiterung ihrer Enden verbunden sind, 
während die folgenden Rippen in gröi'serer Entfernung von der 
Medianebene frei enden. Die beiden ni s tbe i n le i s t e n werden 
<lurch häutiges Gewebe voneinauder getrennt, später nähern sie sich 
iu der Medianebene und heginnen untereinander von vorn nach hinten 
zu einem unpaaren Stück zu verschmelzen« von welchem sich spftter 
<lie einzelnen Rippen, die ihm den Ursprung gegeben haben, durch 
üelenkbihlun^ absetzen. 

Der paarige Ursprung des Brustbeins kann zui* Erklärung einiger 
Abnormitäten dienen So beobachtet man zuweilen beim Erwachsenen 

«ine Spalte, die, durch Bindegewebe verschlossen, durch das ganze 
Brustbein liindnrih'ji bt (Fissura sterniK oder man findet einzelne 
kleinere otier grölsere Lücken im Korper uud Schwertfortsatz des 
Brustbeins. Alle diese abnormen Falle erklaren sich durch voll- 
ständifres oder teilweises Ausbleiben der sonst im embryonalen Leben 
«rfcd^'enden Verwachsung der beiden Brustheinleisten. 

nippen und Brustbein verknöchern teilweise unter Entwickhni^ 
besonderer Knochenkerne , die ersteren schon vom zweiten Monat, 
letzteres erst ziemlich spflt vom sechsten Fdtalmonat an (Fig. :3(>2). 



, Digiii^uu by C(.)0^1c 



374 



Zwölftes KapiteL 



Durch ungleiche Ausliilduii-i der einzelnen Wirbel- uml Kip])en- 
anlagen und durch hier und da eiutreteude Versciiiuelzungeu komiueu 
die verschiedenen Abschnitte des Rompfskeletts zustande: die Hals», 
Brust- und Lendeuwirbelsftule, das Kreuz- und Steifsbein. Ein rich- 
tijies Verständnis dieser Skeletteile ist nur an der Hand der Ent- 
wicklungsgeschichte zu gewinnen. 

An den Halswirbeln verwachsen die rudimentären Rippen- 
anlagen gleich bei ihrem ersten Auftreten an ihrem einen Ende mit 
dem Wirbelkorper. an ihrem anderen Ende mjt einem Auswuchs den 
Wirbelbogens und uuischlielseu mit ihm eine Öffnung, durch welche 
die Yertebralarterie hindurchzieht, das Foramen transversarium. Der 
soRcnaunte Querfortsatz der Halswirbel ist mithin eine zusammen- 
«zesetzte Hildunpr und sollte besser als S e i t en f o r t s a t z bezeichnet 
werden: denn die dorsal vom Foramen transversarium gelegene 
Knochenspange ist vom Wirbel durch Auswaehaen gebildet und ent- 
spricht aliein dem Qnerfortsatz eines Brustwirbels; die ventrale Spange 

daliegen ist ein I^ipi)enrudiment . wie sie 
denn auch einen eigenen Knocbenkeru 
besitzt. Am siebenten Halswirbel ent* 
wickelt sich zuweilen die Rippenanlage 
bedeutender coht keine VorwaclisunR mit 
dem Wirbel ein , der iulolgedessen auch 
kein Foramen transversarium besitit und 
wird unter den Abnorniitriten des Skeletts 
als freie Halsrii»])e beschrieben. 

Auch der u e r f o r t s a t z der Len- 
denwirbel ist besser als Seitenfortsatz 
zu bezeichnen, da er ein Rippenrudiment 
einschlirfst. Hieraus erklärt sich das 
zuweilen iieim Menschen beobachtete Vor- 
kommen einer Kippe oder einer kleinen 
Lendenrippe. 

Am meisten umgewandelt ist die K reu z- 
beingetiend. Indem hier in pröfserer 
Anzahl Wirbel mit dem Beckengürtel in 
feste Verbindung getreten sind, haben sie 
ihre Beweglichkeit aneinander verloren 
und sind zu einem jjrofsen Knochen . dem Kreuzbein . verschniol/.en. 
Dieses liesteht bei menschlichen Embryonen aus fünf getrennten, 
knorpeligen Wirbeln, von denen sich namentlich die drei ersten durch 
sehr breite, wohl entwickelte Seitenfortsätze auszeichnen. Ich sage 
Seitenfortsätze, da verfileichend-anatoniische Gründe und entwicklungs- 
gescbichtliche Momente dafür sprechen, dafs in ihnen rudimentäre 
Sacralrippen, wie sie bei niederen Wirbeltieren selbstSmlig auf- 
treten , mit enthalten sind. In entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht 
sj)richt hierfür die Art der Verkni»cherun{j. Denn jeder Kreuzbein- 
wirbel verknöchert von fünf Kernen aus. Zu den drei typischen 
Kernen des Körpers und des Wirbelbogens gesellen sieh noch in den 
Seitenfortsfttzen firofse Knochenkerne hinzu, welche den Knochenkemen 
einer Riiipe vergleichbar sind. Sie lief<'rn die bekiinnten Seitenmassen 
des Kreuzbeins (Massae laterales), welche die üelenktiächen zur Ver- 
bindung mit den Darni1)einen tragen. Die Verschmelzung der fünf 
durch Knorpelstreifen getrennten, knöchernen Stocke eines Kreuz- 




Fig. 362, Knorpeliges 
Brasebetii mit Bippen- 

anaatzen eines aweljähri- 
gen Kindts mit mehreren 
Knochen kernen kk. 

k Knorpel, kk Kuochenkerue, 
8€h Schwertfortsfttz. 



Die Organe des ZwiichenUftlteB oder Mecmehym«. 



375 



hein^irhrls erfolgt später als in anderen Teilen der Wirbelsäule, 
näiülKh ei.st im zweiten bis sechsten Lebensjahre. Lange Zeit erhalten 
sidi die fünf Kreuzbein wirbel durch dQone Zwischenwirbelscheiben 
petrennt, welche vom 18. Jahre an zu verknfxhern begiDoen. ein 
Prozefs, der im 25. Jahre seinen Abschlufs gefunden hat. 

An das Kreuzbein schliei'^en bich nach hinten noch vier bis fünf 
rudimentilre Steifewirbel an, welche dem Scbwanzskelett der Säugetiere 
entsprechen und sehr 5;pi\t erst ihre Knncbcii]<erne erhalten. Vom 
80. Lebensjahre an können sie untereinander und zuweilen auch mit 
dem Kreuzbein verschmelzen. 

Besondere Erwfthnung verdienen jetzt noch Atlas und £ p i s t r o - 
pheus. llire abweicliende Gestalt gewinnen diese WirbeL dadurch, 
dafs frühzeitig der knorpelige Körper des 
Atlas (Fig. 3ü3 a) mit dem Epistropheus (e) 
verschmilzt und seinen Zahnfortsats darstellt 
Der eine enthält daher weniger, der andere 
mehr als ein normal entwickelter Wirbel. 
Dal's der Zabnfortsatz der eigentliche Körper 
des Atlas ist, Iftfst 'sieh auch später hoch ah ^"^g- 363. Median- 
zwd Punkten erkennen. Postens wird - er, «oiMiitt durch den Kor- 

. j , „r- w. 11 » 1 por des Epistropheus 

wie jeder andere Wirhelkörper, solange er zahnfortsatz 
knorpelig ist, von der Chorda durchsetzt, im Kuorpel sind zwei 
welche an seiner Spitze ins Ligamentum sus- Knochenkenie t nsd • 

pensorium und von diesem in die Schfldelbasis sehen, 
eintritt. Z^vcitpns erliillt er im fünften Monat 

der Entwicklung einen eigenen Knochenkeru (Fig. Bf>:i a), der erst 
im siebenten Lebensjahre mit. dem Körper des Epistropheus voll- 
stlndig verschmolzen ist. 

Die FelbstsUidi«? <ieMieb(MiPTi l^og^Miliiilften des Atlas v( rbimlen 
sich veutralwHrts von dem ZaUulortsatz untereinander durch einen 
Gewebsstreifen , in welchem ein selbständiges Knorpelstück gebildet 
wird (hypochordale Knorpelspange. Fkokiep), eine Bildung, welche 
nach Früriep bei den Vögeln jedem Wirbel zukommt Das Knnr])el- 
stfn k entwickelt im ersten Jahre einen Knochenkern, vpr rl iu 1/t im 
fünften bis sechsten Jahre mit den Seitenhälften uud bildet den 
vorderen Bogen. 



S. Das KopflikAlett. 

Von der Wirbelsäule unterscheidet sich der vorderste Abschnitt 

des Arbsenskelt'tts , der dem Kopf doi Wirbeltiere zur Stütze dient, 
in sehr wesentlichen Zügen. Ks ( rkliirt sich dies, wie aufser der Ent- 
wicklungsgeschichte namcutlicii auch die vergleichende Anatomie lelirt, 
ans dem Umstand, dafs der Kopf, mit zahlreichen, nur ihm eigen- 
tümlichen Organen ausg<^rü>tet. im Bauplan der WirVieltiere eine be- 
vorzugte Stellung einnimmt. Das Nervenrobr ist hier zu dem volu- 
minösen und in ungleiche Abschnitte abgeteilten (Jeliirn differenziert, 
in dessen unmittelbarer Kaehbarscbaft wieder hoch zusammengesetzte 
Sinnesorgane, wie Nase, Auge und Ohr, entstanden sind. Auch der 
im Kopf eingescbloFsenn Abschnitt des Verdauunpsrolirs zoi-jt in mehr- 
facher Hinsicht ein eigenartiges Gepräge, indem er die Mundoffnung 
mit den Organen zur Aufnahme und Zerkleinerung der Nahrung ent- 
hält und sofern er aufserdem noch von den der Atmung dienenden 



Digiii^uu by G(.)0^1c 



370 



Zwölftes Kapitel. 



Schlundspalten durchbrochen ist Dies aHes wirkt bestimmend auf die 
Form des Skeletts ein, welches sich 4em Gdiirn; den Sinnesorganen 

und den Aufgahon des Kf*]fffi:inns auf das genaueste anpafst und da- 
durch, zumal bei den hüheiea Wirbeltieren, zu einem sehr komplizierten 
Apparat wird. Denselben teilt man bekanntlich in den Lehrbüchern 
der deskriptiven und ebenso der vergleichenden Anatomie in zwei Ab- 
schnitte ein : 1) in die Schädelkapsel, welche das Gehirn und die höheren 
Sinnesorgane einschlierst, und 2) in das Viscoralskolett, welches sich 
ursprünglich zur Stütze in der Wand der Kopfdarmhülile ausgebildet 
hat. An beiden unterscheidet man wie an der Wirbelsäule des 
Menschen und der Sflugetiere drei verschiedene Stadien ihrer Ent- 
wickhing, die durch die histologische Beschaffenlieit dvr Stfltzsubstanz 
gekennzeichnet werden, ein häutiges, ein knorpeliges und ein knöchernes 
Stadium. Wir besprechen dieselben nacheinander und zwar getrennt 
für die Schftdelkapsel und für das Visceralskelett. 

a) Die h&utige und knorpelige Schiidelkapsel 
oder das Primordialcrauium. 

Auch im Bereich des Kopfes dient zur Grundlage des Skeletts 
die Chorda, welche sich unter den hirublasea nach vom bis zum 
Zwisehenhim erstreckt. Um ihr vorderes Ende erfolgt l)ei den Am- 
nioten die Kopfbeuge, vermöge deren die Achse der ersten Hirnblase 
mit den zwei folgenden einen spitzen Winkel beschreibt (Fig. 283). 
Um die Chorda wächst auch hier frühzeitig das Mesenchym herum 
ud umgibt sie mit einer skelettbildenden Scbidit; Ton hier breitet 
es sieb seitwärts und nach oben aus, die fünf Hirnblasen einhüllend, 
und sondert sich spllter in die Hirnhilute und eine Gewebstschicht, 
welche zur Grundlage der Schädelkapsel wird und den Namen des 
hAutigen Prtmordialeranium erhalten hat 

So weit herrscht in der Entwicklung der Wirbelsäule und des 
Sch-ldcis eine l^tiorpinstimmung. Fiirenirtiger gestalten sich die 
VerUültnisse mit »tem Eintritt des Verkuurpelungsprozesses. Während 
im Bereich des Rückenmarks die skelettbildende Schicht eine regel- 
miilsige Sondeninii in knorpelige und in bindegewebige Teile, in 
Wirbel und in Wiiltellülnder erfilhrt und dadurch in hintereinander 
gelegene, verschiebbare Ai)schnitte gegliedert wird, unterbleibt am 
Kopf eine derartige Gliederung. Die als häutiges Primordialcrauium 
bezeichnete Gewebsschicht vt rlaiorpelt im ganzen zu einer unbeweg- 
lichen Ka))sel . welche die Ilirnhlasen t inliüllt. Gehen wir auch die 
ganze lU'ilie der Wirbeltiere his zum niedersten durch, bei keinem 
einzigen tiudet sich eine Souderuug in bewegliche, Wirlieln ent- 
sprechende Segmente. Somit schlageu frfthzeitig der vorderste und 
der übrige Abschnitt des Acbaeuskeletts verschiedene Entwicklungs- 
richtungen ein. 

Der Gegensatz begreift sich aus den verschiedeneu Aufgaben, die 
hier und dort zu lösen sind, und namentlich aus d(»n verschiedenen 

Einflufs. welchen hierbei die Muskelwirkung auf die Gestaltung des 
Skeletts ausübt. Die Uunipfüiuskulatur ist hei den im Wasser lebenden 
Tiereu das wichtigste Lokumotionsorgan, indem sie den Rumpf bald 
nach dieser, bald nach jener Richtung einbiegt und dadurch im Wasser 
vorwärts treibt. Wäre dagegen der Kopfabschnitt ebenso biegsam und 
beweglich, so würde daraus für die Vorwärtsbewegung ein Nachteil 



Die Organe des Zwitdumblsttes oder Mesenehyns. 377 



erwachsen, da ein unbeweglicher Teil wie ein Wasserbrechor wirkt. 
Ferner überninuut die am Kopf entwickelte Muskulatur eine anders 
geartete Aufgabe, indem sie bei der Ergreifung der Nahrung und bei 
dem Atmungsprozefs , der mit Erweiterung und Verengerung des 
Kieniendarms einhorgelit, ventral gelegene Skeletteile der Skelettaclise 
bald nähert, bald entfernt. Auch hier ist es günstiger, wenn die 
Skelettachse den Muskeln einen festen Ansatzpunkt darbietet. Die 
voluminöse Entfaltung des Gehirns und der oöheren SinnesorgRine 
endlich ist ebenfalls ein MonnMit. welches mitwirkt, den zu ihrer Auf- 
nahme dienenden Teil des lvo])fes zu einem unhewcplichen Abschnitt 
zu machen. In Auljetrucht dieser verschiedenen, m gleichem Sinne 
wirkenden Faktoren wird es YerstftndUch aein, warum am Kopf 
eine Segmentiisrnng des Aehgenakeletts von Tornlierein 
ausbleibt. 



Fig. 864 u. Anlage des knorpeligen Primordialcranium. Aus 

'WlBOBHSUKIM. 

Fig. 364 erstes und Fig. 365 zweites Stadium, r Chuida. i'A' Para- 
chordalKnorpel, Tr RATiiKKSche Schädelhalken. VR Durclitritt.sstellt' tVir die Hypo- 

Klivsis, iV. A, O .Naseiignibf. Augfii- und ( »lu lihiM-, /.' Itasilarplattf, 1 Si hadt-I- 
aiken, welche sich uuch vorn /ur Na.st'HM heidewaud S und zur Kthinoidalpiatte 
vereinigt haben, Ct, AF Furtsütze der Kthmoidahdatte zur l'msi liliersuag des 
Geruchsorgans, Ol ForamiBa olfactoria, FF PostoroitaLfortsati, NK Nasengrube. 

Im übrigen herrscht in der Art und Weise, wie sich am häutigen 
Primordialcranium die Umwandlung in Knorpelgewebe vollzieht, eme 
grnfsr Übereinstimmung mit der Wirbelsäule. Bei l)eiden tritt die 
Verknorpelung zuerst in der Tnigebung der Cbordn dorsalis rin 
(Fig. 3(34), zu deren Seiten als Grundlage der Schädelbasis zwei l'aar 
Iftngsgestreekter Knorpel entstehen, nach hinten die beiden Para- 
c h 0 r d a 1 k n 0 r p el ( PL), nach vom die beiden R ATHKEschen Schädel- 
]i a 1 k en (Tr), welche an der Chonlnspitzf hcfiinnen und von da unter 
dem Zwischen- und Vordt ihiru verlaufen. Bald verschmelzen die 
vier Stileke untereinander ( Fig. Die beiden Parachordalia wachsen 
zuerst unten, dann am-h «dien um die Chorda herum, hüllen sie ein 
und erzeugen so die Basilarplatte (7?). Ihr vorderer Hand springt 
naeh oben in den Biegungswiukel zwischen Mittel- und Zwischenhiru 
weit vor und entspricht der späteren Sattellehne. Die nach vom 



Fig. 864. 




Digiii^ioü by Cookie 



378 



Zwölftes Kapitel. 



ausstrahlenden RATHKESchen Schäd elbalken (T) verbreitern sich 
an ihren vorderen Enden und verschmelzen an diesen zu der Kthmoidal- 
platte (S), der Grundlage für den vorderen Schädelabschnitt, der 
durch Aufnahme des Geruchsorganes sein eigenes Gepräge erhält. 
In ihrer Mitte bleiben sie lange Zeit getrennt und umschlielsen 
eine ()ffnung, welche der Sattelgrube entspricht und dadurch l>edingt 
ist, dafs von der Muudbucht her die Hypophysentasche entstanden 
und durch die häutige Schädelbasis hindurch dem Hirntrichter eut- 
gegenge wachsen ist. Ziemlich spät bildet sich auch als Boden der 
Sattelgrube unter der Hypophyse eine dünne Knori)elplatte aus, 
welche nur von den Löchern für die inneren Carotiden durch- 
brochen wird. 

Nachdem die Schädelbasis entwickelt ist, ergreift der Verknorpe- 
lungsprozels die Seitenwand und zuletzt die Decke des häutigen 

N Au Tr IjiFaOcGlVa rh rb rfi ri 




«• Ik O U zb zb Kb 

F'iff. 366.- Sohematisohe DarstellunK dea knorpeligen Kopf- und Vis- 
ceralskeletts und der Uirnnerven eines Selaohiers. 

N Nasenkapsel, Au Auponhohle (Orbitalrcgion), Jai Labyrinthregion . Oc 
Occipitalregion des Sibüdolti, O I'alatni|ua<hatiim, t/ rnterkiefer, M" Lippen knorpel. 
*/> Zungenbeinbogen , kh 1. bis 5. Kienienbopen , Tr Trigeniiniis, /"Vi Facialis, fit 
(flossopbaryngeiis, IVi Vagus, rl Hamiis lateralis des Vagiip, rb Itanii branrhinles 
des Vagus. 

Primordialcraniuni, geradeso wie aus dem Wirhelkörper nach oben die 
Hogenhälften hcrvorwachscii und schlielslich dorsalwärts im knorpeligen 
Wirbeldorn ihren Abschlufs erhalten. 

Auf diese Weise entwickelt sich bei den niederen Wirbeltieren, 
bei denen das Achsenskelett zeitlebens im knorpeligen Zustande ver- 
harrt (Fig. :WJ«;). nni das Gehirn eine geschlossene, ziemlich dick- 
wandige Kapsel, das knorpelige Primordialcraniuni. An ihm 
unterscheidet man zur besseren Orientierung verschiedene Regionen, 
wobei man zwei verschiedene Einteilungsprinzipien benutzen kann. 
Nach dem Verhalten der Chorda dorsal is kann man das 
Primordialcraniuni in einen hinteren und einen vorderen Abschnitt zer- 
legen. Der hintere Abschnitt reicht bis zur Sattelleline und schliefst 



j Google 



Die Orgftne dei Zwiaehenblattes oder Mesencbym». 



379 



in seiner Ba^is die Clionla ein, welche beim Menschen vom Zahnfortsatz 
durch das Ligaiueutum Suspensorium dentis in sie eintritt. Der vordere 
Abschnitt entwickelt sich vor dem zugespitzten Ende der Chorda aus 
den RATHKEschen Schftdelbalken. Gp.cenbm'k unterscheidet beide 
als vertebrale und evertehrale Region (wofür Kölliker die 
Bezeichnung chordal und prilchordal gebraucht). Die zweite 
Kinteilung geht von dem verschiedenen Aussehen aus, welches 
einzelne Strecken des Primordialcranium durch ihre Beziehungen 
zu den S i n n 0 s n r p n n 0 Ti frewinnrn. Das vonlere Km\v dvi Knnrpel- 
kap>el iViii. 'Mf'*) nimmt ilie ( ieruclisorgane auf. ein folgender Ab- 
schnitt erhalt Grubtu für die Augäpfel, in einem dritten sind die 
häutigen Gehör-Labyrinthe eingebettet, ein vierter endlich vermittelt 
die Verl)indung mit der W'irbels.lule. Auf diese Weise kann man eine 
Etil !tH> i (i :i 1 . eine Orbital-, eine Labyrinth- und eine Pcci- 
p i t u i - K e g i u n unterscheiden. 

Bei den hdheren ^Wirbeltieren . bei welchen spftter In mehr 
oder minder hohem Grade Verknik'lieMnigsprozesse eingreifen, erreicht 
d.fs Prininrdialrranium eine weniger vollkonnnene Ausbildung; seine 
W unde bleiben dünner und ei halten an einzelneu Stellen sogar Öff- 
niuigen , die durch Bindegewebsmembmnen verschlossen werden. 
Besonders bei den Säugetieren und beim Menschen (Fig. :kl7 und 368) 
wird das knorpelige Primordialcranium nur in unvollkommener Weise 
angelegt; seine Decke verknorpelt nur in der Umgebung des Hinter- 
hauptlochs , wfthrend sie in der Gegend , wo spftter die Stirn- und 
Scheitelbeine liegen, häutig bleibt. Eine «röisere Dicke erreicht der 
Knorpel an der Schädelbasis und in der l'mizehuup des Geriichsorgans 
und des häutigen LabyriuUis, wo er die Nasen- und Ohrkap^eln er- 
zeugt. Einen vortrefflichen Eiobtlek in die Beschaffenheit des knorpe- 
ligen menschlichen Primordialcranium geben die Fig. Mu und 368, 
welche nach l'hntoLrrnphien eines Wachsmodells vom Kopfskelctt eines 
Embryo aus dem dritten Monat angefertigt worden sind. Fig. 307 
gibt eine Ansicht des knorpeligen Schädelgnindes bei Betrachtung von 
oben, Fig. 308 dagegen eine Ansicht halb von der Seite und von unten. 
Alle Teile des Skelt tts wflrhe aus hyalineni Knorpel be>telien. haben, 
um eine bessere Unterscheidung zu ermögiiclien , einen blauen Farb- 
ton erhalten, während mehrere kleine Knochenplättchen , auf welche 
spftter noch «genauer eingegangen werden wird, teils 'in grauer, teils 
in gelber Farbe ausgefülut sind. 

Wie man auf den er&teji lilick sieht, felilt !>eim Menschen in der 
ganzen oberen Hiilfte des Schädels jede iSpur vuu Knorpelgewebe; 
hier findet sich nur eine dünne, bindegewebige Schicht, welche schon 
auf früheren Stadien die Hirnblasen einhüllt und als häutiges Prim- 
ordialcranium «nterschietlen wird. Sie giiit den Mutterboden für ver- 
schiedene Belegkuocheu ab, die in der Figur niclit mit abgebildet 
sind. Dagegen ist die ganze Schädelbasis mit einem angrensenden 
Teil der Seitenwand in Ilyalinknorpel unifiewandelt. In der Nasal- 
und Ethmoidalr< <.'i(in des Kopfskeletts sieht man nicht nur tlie Nasen- 
scheidewand (t ig. .j<J8 30), sondern auch die seitliche Begrenzung {29) 
und die Decke der Riechhöhlen durch dftnne Lamellen von Knorpel- 
gewebe gestützt. An der Nasenscheidewand finden sich die Jacobson- 
schen Knorpel (rjntilfi'jines paraseptales. Spuhcat) (Fig. 3r>8 31); „es 
sind stets zwei vorhanden, au jeder Seite ein grölseres und ein 
kleineres** (Mihalkovics); sie erhalten sich beim Menschen, obwohl 



Digiii^cu by Google 



Zw()lftes Kapitel. 




l'ig. .StiS, 



Digitized by Google 



Die Organe des Zwischenblatu:.-« oder Mesenchyius. 



381 



Fig. 'M~ II. Zwei Ansichten vom Kopfeltelett eines meiiHC'hlirhen 

Sknbryo von 8 cm Bteils - Bcheitellänge aus dem dritten Monat der 
Btiiwaagersohaft. 

An«; einer Sprit- von Querschnitten wurde das knorpelipc l'rimonlialcranium 
nebst den priniaroii und sekundären Knochen von dem Beamten iles Üerliner 
anatomisch - liioloijischen Instituts Jl. Spitz unter meiner Kontrolle nach dem 
BoBNScbeu l'lattenniodelliervertabren rekonstruiert und im /iKOLaaschen Atelier 
als Unterricbtsmodell ausgeführt. Die beiden Zinkographien sind nach pboto« 
prai)lii>cliei Anfnalime des Modells angefertigt. Das knorpelige Primordialcranium 
und tiie knori»elii:eu Teile der ersten Halswirbel haben einen blauen Farbton er- 
halten; die jinnuiren, aus knorpeliger Anlage entstandenen Knochen und die 
sekundären oder Belegknochen sind durch heilgcaue und durch gelbe Farbe von« 
tinaoder anterschieden. Das Kopfakelett ivt etwa um das Viernirhe verffrAftert. 

Fig. 807. Ansicht dea Kopfakeletta Venoben, naclulem die üele^'knuthen 
der Decke (Stirn- und Scheitelbein) beideraeits ond linkerseits alle Belegknochen 
entfernt sind. Rechts sind das Nasenbein das Jochbein {14% die Schuppe des 
Schläfenbeins (lU] nebst Pr()ces>nv ^vjomitifus (//i), der knöcherne Unterkiefer 
(i6^ uiul der Aiiuulus tynipunicus [itt) nui (iargestdU. Durch das aul^erordentlich 
weite Hinterbauptshu h (12) sieht man auch noch die drei ersten Halswirbel. 

Fij;. Ansicht dea Kopfakeletta halb von der Seite und von unten. 
Auf der linken lldlftc des Schädels sind alle IJelepknochen entfernt, mit Aus- 
nahme cles 'I ränenbeins (a's), des Ptlugscharbeins und lies ( launienbeins 
J>as Visceralskelett, bestehend aus Ambos (21), Hümmer (20), Steigbügel, Mkokkit 
Schern Knorpel (17), Processus styloideus (39), Zungenbein (43 u. 44), Kehlkopf 
(4Sn.46), ist mit tlarpestcllt. An da^ Hinterhauptsbein schliefsen sidi die oberen 
vier HalswirW'l an. Auf der rtchttu Hälfte des Schädels, von der man eiuzelne 
Teile noch überblii kt, sind die Belegknochen nicht entfernt worden. Man sieht 
daher den Zwischenkiefer (34)* den Oberkiefer (ßS) nnd das liaumenbein der 
rechten Seite (ohne Nuninert; »mer den knllcberBen ÜBteritielbr (16), ma daisen 
Innenfläche der dazu gehörige« ihm dichl anliegende Mncnauche Knorpel {IT*) 
seinen Weg »imiui. 

fTnbercuIum ephippii. Ifi Knöcherner Unterkiefer. 57 JAcoasoirscher Knorpel. 

2 Sattelgrube. 17 MKCKxLscher Knorpel. ^2 Vomer. 

3 Sattellehne. 18 .\nnulu8 tympanicus. SJ l'alatinum. 

4 Clivus Blumenbavhii. i'i Si^uama temporum* 34 Zwischenkiefer* 

5 Ata orbitaiis. JIO Hammer. 35 Oberkiefer. 

'<» Foramen opticnm. j92 Amhos. 39 Knorpelige Schidelbasis 

7 .Via temporalis. 32 Pars petrosa. fOieipiio-sphenoidalis). 

8 Canalis hypoglossL 23 Meatus auditorius inter- 37 Knurpelige Pars uiu&to- 

9 Knochenkern der Pars nua. idea. 

condyloidea. ' ^4 Foramen insulare oder ^ Processus styloideus. 

Knöcherner Teil der lacerum posterius. • 39AÜa». 

Hinterbauptschnppe. r«-*.«», A..r Wnm« *0 KnodienkemimWirbel- 
U Os nasale auf der knor- ^^^ff' , u?f>lult 

peligen Pars nasalis. . m Eniltropheus. 

/^Crista galli und knocütutun. ^jJHinterhaaptBloch. 

13 Foramina cribosa in Kegio petrosa. 41^ Kftrper des Znngcn- 

der knorpeligen rar> Regio occipitaiis. heins. 

ethmoidalis des Pri- ^ Iscriniale. 44 (irofse» Horn des Zun- 

mordialcraninm. ^Seitlulie Wand der genbeins. 

14 Os zygomatieuni. Nasenkapsel. i^cbildkuorpel. 

15 Processus zygomaticus 30 Knor{>elige Nasen- 46 Ringknorpel. 

der Sqnoma temporum. Scheidewand. 

rie nickt mehr die aelion froher fctr Säugetiere befN^hrlebeiie Be- 
ziehung zum jACoii.soNscheii Oi j^an haben, bis in das ]H)stfütaie Leben 
(E. Schmidt). Auch au der kiinr])olip'en Seiteuwand der Nase springt 
in der Gegend, wo sich das Träuenbein (Fig. lUiH JiS) entwickelt, ein 
kurzer runder Knorpelstab vor und umgreift den Trflnennaseitgaug von 
der Seite. „Er verhält siclr, wie Mihai.kovics bemerkt, „zum Ober- 
kieferfortsatz ähnlich \\\r (]rv Mkckki.scIic Kiioriu-l zum riiteikif>fVr- 
fortsatz; an der laterak'U ."^eile beider entwickelt t^icU Knochengewebe; 
und der Knorpelfortsatz atrophiert im sechsten bis siebenten Monat." 



382 



Zwölftes Kapitel. 



Der Rocken der äufeeren Nase ist knorpelig und setzt sieh nach 
hiliten kontinuierlich in die gleichfalls knorpelige Decke des Geruchs- 
labyrinths fort, welche von zahlreichen ()ffniinp;en für Asto dor Riech- 
iierveii durchbührt (Fig. 307 13) und in ihrer Mitte ruit einer weit 
vorspringenden Crista galli (J^) versehen ist. Seitwärts geht die 
Cartilago cribrosa in zwei düuue Knorpelplatten fther, welche die 
Gegend der Pars orbitalis <les Stirnheins einnehmen, die Aui/onbühlcn 
von oben decken und sich nach hinten und seitwärts in iiügeiiurmig 
beschaffene Knorpel {5) fortsetzen, welche den kleinen Keilbeinfiflgeln 
entsprechen und eine sehr weite Öffnung für den Durchtritt des 
Sehnerven enthalten (Canalis opticus) (Fig. -Vu und :'>i'>^ '^«). Der 
vordere, zur Seite der Cartilago cribrosa gelegene Teil dieser hori- 
zontalen Knorpelplatte mufs später rUckgebildet werden, während der 
hintere, seitwärts mehr vorspringende Abschnitt £tt den Alae orbitales 
verknöchert. 

In der Mitte der Schiideibasis ist die Keilheingegeod schou im 
knorpeligen Zustand in ihrer charakteristischen Form vorgebildet: die 
Sattelgrube (Fig. 367 Ji\ <ias davor gelegene Tuberculum ephippii {1) 
und ilie weit vorspringende Sattellehne (.9). Seitwärts von der Sattel- 
grulte gellt das Knorpel ?e\vehe kontinuierlich in zwei tiügelartige 
Knocheufurtsatze über, lu die Alae temporales {?) des Keilbeios, 
welche auf einem noch jQugeren Stadium ebenfalls aus Knorpel be> 
Standen (siehe hierüber auch S. 

Die ganze hintere Hälfte der Schädelbasis, welcher die Labvriuth- 
und üccipitalregion angehöreu, stellt einen dicken, nach vorn mit dem 
Keilbeinkörper kontinuierlich zusammenhängenden Ring von Knorpel* 
gewebe dar, welcher das bei jungen Embryonen aufserordentlicli weite 
Hinterhauptsloch (43) einschliefst. Nach den Kanälen, die den Knoriiel 
durchsetzen, und nach der Modellierung der Oberfiäche sind iu der 
Labyrinth- und Oecipitalregion deutlieh folgende Teile zu uoter- 
scheiden: der von der Sattellehne zum Hinterhauptsloch schräg ab- 
fallende Clivus Blumeubaehii (4), die Pars condyloiden mit dem Canalis 
hypüglossi {ö), die l'ars petrosa (22) mit dem Meatus auditorius in- 
ternus (23). Pars eondyloidea (8) und Pars petrosa (22) gehen teils 
mit ihrem Knorpelgewebe kontinuierlich ineinander und in den knor- 
peligen Kftrper des Keil- und Hinterhauptbeins (5 u. /) über, teils 
siud sie durch das Foramen lacerum posterius {24) schUrfer vonein- 
ander geschieden. Erwähnenswert an der Pars petrosa ist auch ein 
kleiner Forts^itz (25), welcher sich von oben her Uber Hammer (20) 
und Amliofs f^^i) hinüberlegt. Nach hinten geht die knorpelige Pars 
petrosa ohne Abgrenzung iu die Pars mastoidea (3?) und diese 
in die knorpelige Hinterhauptiädiuppe (27) Ober. Nur an xwei Stellen 
sind auch im hinteren Teil des. knorpeligen Primordialeraniums Ver- 
kn5cherungen .luf'it'treten , welche erst spjlter zu besprechen sind, 
nämlich in den Partes coudyloidcae {U) und in der Mitte <ler 
Schuppe (JO). 

b) Das häutige und das knorpelige Viseeralakelett. 

Aufser dem knorpeligen I'rimordialcranium entwickeln sich am 
Kopfe noch zahlreiche Kuorpelstücke (Fig. ätiO). welche den Wandungen 
der Kopfdarnil lile zur Stütze dienen, in ähnlicher, wenn auch nicht 
direkt vergleichbarer Weise, wie im Bereich der Wirbelsäule die iu 



Die Organe des Zvischenblattes oder Mesenchyms. 



den Rumpfwandungen entstandenen Rippen. Sie bilden zusammen 
einen Skelettapparat, der in der IJeihe der ^Virl)eltiere sehr tief- 
greifende, interessante Metamorplioseu erfährt. Während er bei den 
niederen Wirbeltieren eine mllchtige Entfaltung erreicht, verkttmmert 
er zum Teil l)ei den Reptilien , Vögeln und Säugetieren; mit dem 
Teil al>er, welcher bestehen bleilit , gil>t er die «Jrundlag'' für den 
(i esich tsscliädel ab. Ich beginne mit einer kurzen Skizze der 
urspranglichen VerlAltDiBse niederer Wirlieltiere, besonders der 
Seiach ier. 

Wie sdion in einem früheren Kapitel (S. li^'M lieschriehen worden 
ist, werden die Seitenwäude der Kopfdannhöhle von den Schlundspalten 
durchsetzt. Die Substanzstreifen zwisclien ihnen heifsen die hftiitigen 
Schlund- oder V isceralbogen. Sie bestehen aus einer binde- 
gewebigen (iniiullage . die nach aufsen von Kpithel überzogen wird, 
aus quer gestreiften Muskelfasern und aus den Schlundbogengefärsen 
(s. S. :^57). Sie werden, da sie verschiedene Aufgaben zn erfüllen 
haben und demgeinftfB auch eine 
verschiedene Form gewinnen, als 
K i e f «' r - . Zungenbein- und 
K i e m e n b 0 g e u unterschieden. 
Der vorderste von ihnen ist der 
Kieferbogen; er dient zur Be- 
grenzung der Mundhöhle. Ilnu 
folgt, nur durch eine rudimentäre 
Schlundspalte, das Spritzloch, ge- 
trennt, der Zungenbeinbogen, wel- 
cher zum Ursprung der Zunge in 
Beziehung steht. An ihn schliefseu 
sich gewöhnlich fttnf Kiemen- 
bogen an. 

Zur Zeit, wo das b&utige Pri- 
luordialcranium verknorpelt, tiuden 
auch Verknorpeluiigsprozesse im 
Bindegewebe der häutigen 
Scbinndbogen statt und lassen 
die knorpeligen Schlundbogen 
(Fig. 369) entstehen. Diese zeigen eine regelmftfsige Gliederung in 
IUI hl vre abereinandergelegene« durch Bindegewebe beweglich ver- 
bundene Sttlcke. 

Der Kieferbogen zerfällt, wie das Skelett des ausgebildeten Tieres 
zeigt (Fig. 3üGj, auf leder Seite in ein knorpeliges Palatoquadratum 
{<)) und in einen Fnterkiefer (U) (Mandibulare). Dieselben tragen 
in dvv sie überziehenden SchleimliMUt die Kief»'i-z;ihne. Die beiden 
I nterkiffer werden in der Mediauebene durch eine stratte Binde- 
gewebsmasse untereinander verbunden. Die folgenden Schlundbogen 
haben dagegen das Genieinsame, dafs ihre beiden, in mehrere Stücke 
gegliederten Seifenhälften ventralwärts durch ein uniuiares \ t rbin- 
dungsstück. die Copula. in ähnlicher Weise wie die ventralen Uippen- 
enden durch das Brustbein zusammenhängen. Die Stlicke des Zungen- 
beinbogens bezeichnet man in der Reihenfolge von oben nach unten 
als Hyomandibulare und Hyoid und die Co[)ula als Os entoglossuin. 

Bei den Siuiijetieren und dem Menschen (Fig. UMK 17S. 17'.>) 
werden im häutigen Zustand ähnliche (iebilde wie bei den Selachiern 




¥ig. 369. Kopf eines Haifsoh- 
Xmbryo von elf Linien Länge. .\us 
Park KB. 

Tr RATHKESfhcr Schädelbalken, P/.i't 
Palato-Qiuuiratutn, Mu Mandibular» 
knorpel. Hy Ilyoidbogen, Jir* erster 
Kidiienbufien, Sp Sprititlnrh. (7' ente 
Kiemenepalte , Lch linuw unter dem 
Auge, iva Nascnaolage, J£ Ausapf«i, Au 
Ohrblase, C. 1, 2, 8 Uebimbbsen, Hm 
Hemisphären» f.n,p Stirnnasenfortsate. 



384 



Zwdlftes Kapitel 



angelegt, gehen aber in der Folirzrit nur zum kleinen Teil in knor- 
pelige Stücke über, die aucli ihrerseits niemals eine ansehnlichere 
EutfaltUDg erlangen und zugleich ihre ursprüngliche Funktion eiu> 
geborgt haben. Sie helfen den Gesiehtsteil des Kopfakeletts bilden, 
^um Teil haben sie uns schon in früheren Kapiteln, bei BesprechliDg 
des Kopfdnrnis und des Geruchsorjians beschäftigt. 

Wie schon auf Seite 179 hervorgehoben ist, wird bei sehr jungen, 
mensehUchen und Saugetier -Embryonen die Mund(iffnung von der 
Seite und von unten durch die paarigen Oberkiefer- und T^nterkiefer- 
fortsiUze begrenzt (Fig. 178). Die ersteren stehen in der Mediau- 
ebene weit auseinander, iudem sich von oben her der unpaare Stiru- 
fortBatz sunftchst als ein breiter, hOgeliger Vorsprung zwiseben sie 
hinelnscbiebt Später wird der Rtirnfortsatz gegliedert, indem sich 
auf seiner gewölbten Fläche die beiden Gerurli^nrnlchen mit den zum 
oberen Mundrand führenden Nasenriunen entwickeln (vergl. S. 318); 
er zerfilllt dann in die iufteren und die inneren Kaaenforts&tze. Die 
äufseren NasenfortsAtze werden vom Oberkieferfortaatz dttieh eine 
Rinne g'trfnnt. \velche vom Auge zur Kasenfurehe fftbrt und die 
erste Anlage des Tranenkanals ist. 

Auf den ersten Bchlundbogen folgt nach hinten der Zungenbein- 
bogen (Fig. 178. 181, 87.'^ zb), getrennt durch eine kleine Schlund- 
Spalte, welclip zur P;nikfMihölil(' und (Mn-tronipetc wird. An ihn 
achliefsen sich noch drei weitere Schluudbogeu mit drei Schlundfurcheu 
(resp. Spalten), welche nur von kurzem Bestand sind. 

Auf einem sp&teren Stadium finden Verschmelzungen zwischen 
den (Vu' Mundöffnung umgebenden Fortsätzen statt (Fig. 322). Indem 
die Oherkieferfortsätze sich weiter nach innen vorschieben, treffen 
sie auf die inneren Nasenfortsiitze , verwachsen mit ihnen und er- 
zeugen einen zusammenhängenden oberen Mundrand. Dabei wird 
jedes (;eru(iisgrübch( Ii mit der Na-i-nrinne in (Miion Kanal umge- 
wandelt, der mit einer inneren uhriimg dicht hinter dem Oberkiefor- 
raud in die Muudhohle fülirt. Auch verlieren der häutige Ober- uu«l 
Unterkieferrand ihre oberflftchliche Lage, indem die sie aberziehenda 
Haut sich in Falten na( b aufscn erhebt und die Lippen bildet, welche 
von jetzt ah die Begrenzung der Mundöffnung ubeniclimen. 

Ein drittes Stadium führt mit <ler Entwicklung des Gau- 
mens die Anlage des Gesiehts im wesentliehen ihrer Vollendung 
entgegen (vergl. S. 321, 322). Vom häutigen Oberkiefer nehmen 
zwei nach innen in die Mundhöhle vorspringende Leisten ihre Ent- 
stehujig (Fig. 322, 323) und vergröfsern sich zu den in horizontaler 
Richtung sich ausbreitenden Gaumenplatten. In der Median- 
ebene treten dieselben zusammen und verschmelzen untereinander 
und mit dem mittleren Teil des Stirnfortsatzes, der sich mittlerweile 
unter Vergiorserung des Geruciisorgans zur Nasenscbeidewand ver- 
dttnnt hat (Fig. 325). Bo ist von der primären Mundhöfale ein oberer 
Kaum abgetrennt worden, ^veldier zur Yergröfserung der Nasenhöhlen 
heiträut und sich durch die Clioanen in die Rachenhöhle Öffnet; 
gleichzeitig ist eine neue Decke der Mundhöhle eutstandeo, der 
Gaumen, der sich weiter in harten und in weichen Gaumen sondert. 

An dem jeüt im häutigen Zustand ausgebildeten Gesicht führt 
der Verknorpolungsprozefs eine weitere Sonderung herbei. Indessen 
läfst er bei den Säugetieren im Vergleich zu den »Selachiem nur 
kleine und unbedeutende Skeletteile entstehen, welche teils wieder 



Die Organe des Zwischenblattes oder Mesencbyms. 



385 



12 3 5 7 6 8 




rückgehildet werden (MECKELscher Knorpel), teils als Gehörknöchelchen 
im Dienste des Gehörs Verwendung finden, teils sich zur Anlage des 
Zungenbeins und Schildknorpels umwandeln. 

Wie die Verhältnisse im einzelnen sich gestalten, soll nach Prä- 
paraten menschlicher Embryonen noch genauer beschrieben werden. 
Das schon oben besprochene Wachsmodell des menschlichen Ko])f- 
skeletts zeigt uns bei seitlicher Ansicht (Fig. 'MH) der Labyrinth- 
region von aufsen dicht anliegend ein kleines Knorpelchen, welches 
sich nach seiner Form leicht als Ambofs (<2i) erkennen läfst. Mit 
ihm artikuliert der Hammer (20), welcher mit seinem langen Fort- 
satz kontinuierlich in den MECKELschen Knorpel (17) übergeht. Dieser 
reicht ventralwärts bis zur Mittellinie herab und vereinigt sich mit 
dem gleichen Sttick der 
anderen Seite durch Binde- 
gewel)e zu einer Art Sym- 
physe. Noch deutlicher 
sind die genannten Teile 
in Fig. 370 zu sehen, in 
welcher die Labyrinth region 
des in Fig. 3<)8 abgebildeten 
Modells für sich allein 
starker vergrörsert ist. 

Sehr lehrreich für die 
Entwicklung des Visceral- 
skeletts ist auch die Figur 
371, welche den Kopf und 
Hals eines schon älteren 
menschlichen Embryo aus 
dem fünften Monat darstellt. 
Hier sind die kleinen Knor- 
pelchen des Visceralskeletts 
nach Abtragung der Haut 
durch Prftparation frei- 
gelegt: der Ambofs («wi), 
der Hammer {ha) und der 
mit ihm zusanmienhimgende 
MECKELsche Knorpel (MK). 
Nach hinten vom ersten 

Visceralbogen folgt in 
einiger Entfernung der 
zweite oder der Zungeu- 
beinbogen , welcher auch 
der REicHEKTsche Knorpel genannt wird, er ist in drei Abschnitte 
gesondert. Der oberste Al)schnitt ist mit der Labyrinthregion, dem 
noch knorpeligen Felsenbein, verschmolzen und stellt die Anlage des 
Griflfelfortsatzes (Proc. styloideus) dar (Fig. 3»i8 38, 370 371 grf); 
der mittlere ist beim Menschen bindegewebig geworden und bildet 
ein festes Band, das Ligamentum styloliyoideum (I'ig. 371 Isth), wäh- 
rend er bei vielen Säugetieren zu einem ansehnlichen Knorju'l wird; 
der dritte untere Absclinitt liefert das kleine Horn des Zungenbeins 
(Fig. 371 kh). Letzteres kann zuweilen, indem die untere Strecke des 
Ligamentum stylohyoideum verknorpelt, zu ansehnliclierLänge entwickelt 
sein und bis dicht zum unteren Ende des Griflelfortsatzes hinaufreichen. 





i 1 I 

4 .79 

V'ig. 370. Labyrinthreg^on eines mensch- 
lichen Embryo nach dem Modell Fig. 368, 

stärker vergröfsert. 

1 SteinltQgel, a Aiiil)()r>, 3 Ifainnier, 4 Maiiii- 
brium mailei, *> Langer llamuierfurtsatz, der 
sich in den MKCKKLSi-bcn Knorpel fortsetzt, 
6 i)s angiilare, / Anniiliis tytnpanicus, 8 Meckkl- 
scber Knorj»el, 9 Ciriffelfortsatz. 



<>, H«rtwig, Die Elemente üer EntwickIuni;slt-hro. -J. Aufl. 



25 



38G Zwölftes Kapitel. 

Im dritten Schlundhogen tritt nur in der ventralen Strecke ein 
Verknorpeluugsprozefs ein und läfst auf jeder Seite des Halses die 
grofsen Zungenheinliörncr (Fig. 3«>8 44 u. 'Sil gh) hervortreten, (iroise 
und kleine Hörner setzen sich an ein unpaares, median gelegenes 
Kuorpelstück an. welches einer Copula des Visceralskeletts der Sela- 
chier entspricht und /.inn Körper des Zungeul)eins wird (Fig. ;WH r/51. 

Auf Verknorpelungen endlich, die in der Gegend des ursprQnglii h 
vierten und fünften, häutigen Schlundhogeus entstehen, läfst sich der 
Ursprung des Schildkuori)els nach den ITutersuchungen von 
DuBOis und Gegenbaur zurückführen (Fig. 45). 

Nach neueren Untersuchungen (Baumgarten, Jacoby, Zondek) 
scheint mir der Steigbügel (Fig. 370 1) ein einheitliches Skelettstück 
zu sein, das sich im oberston Teil des häutigen Zungenbeinbogens in 
unmittelbarer Nähe der knorpeligen Ohrkapsel anlegt. Seine ring- 
förmige Beschaffenheit rührt daher, dafs sein Bildungsgewebe von 

einem kleinen Ast der Caro- 
tis interna, der Arteria 
mandibularis oder perforans 
Stapedia, durchbohrt wird. 
Diese bildet sich später bei 
dem Menschen und einigen 
Säugetieren vollständig 
zurück , während sie bei 
anderen (Nagern, Insekten- 
fressern etc.) als ziemlich 
ansehnliches Gefäfs er- 
halten bleibt. 

Für die hier vertretene 
Ansicht, dafs der Steig- 
bügel dem zweiten, Hammer 
und Ambofs dem ersten 
Schlundbogen angehören, 
spricht auch das wichtige 
Verhältnis der Nervenver- 
teilung am Musculus sta- 
pedius und am Tensor tyni- 
pani, wie kürzlich in zu- 
treffender Weise von Rabl 
hervorgehoben worden ist. 
Der Muskel des Steigbügels 
wird von dem Nerv des 
zweiten Schlundbogens, dem 
Facialis, versorgt; er bildet 
eine zusammengehörige 
Gruppe mit dem M. sty- 
lohyoideus und dem hinteren Bauch des Biventer: der Muskel des 
Hammers enipfängt einen Ast des Trigeminus, welcher der Nerv des 
Kieferbogens ist. 

Ursprünglich befinden sich alle Gehörknöchelchen, in weiches 
Gallertgewebe eingebettet, aufserhalb der Paukenhöhle, die noch als 
eine enge Spalte erscheint. Erst nach der Geburt ändert sich dieses 
Verhältnis. Unter Aufnahme von Luft weitet sich die Paukenhöhle 
aus, ihre Schleimhaut stülpt sich zwischen die Gehörknöchelchen aus. 




(frf Isth gh 



Fig. 371. Kopf und Hals eines menaoh- 
lichen Embryo von 18 Wochen mit frei- 
gelegtem Viaceralskelett. Vergrorsert. Kai-li 

KöLLIKKR. 

Dor ünterltiefer ist etwas abgehoben, um 
den MscKKLSchen Knorpel zu zeigen, der zum 
Hammer führt. Das Trommelfell ist entfernt 
und der Pankenring (.\nnulus tyni|)anicus) sicht- 
bar, ha Hammer, der noch ohne l'nterbrechunK 
in den MKCKKLschen Knorpel MK überj^eht, 
uk knöcherner Unterkiefer (Dentale) mit seinem 
am Srhlat'enbein artikulierenden (iclcnkiortsaty., 
am .\mbofs, at SteigbUnel, pr l'aukenring (Annu- 
lus tympanicus), (frf Grifl'elfortsatz, hth Liga- 
mentum stylohvoiileum , kh kleines Horn des 
Zungenbeins, .7)1 grofses Horn des Zungenbeins. 



j Google 



Die Organe des ZwischenblaUes oder Mescochyms. 



387 



w»)bei das ebeu erwähnte (jianrrtgpw(^l«^ cinom Schrumpfuii«jspro3^pfs 
anheiuifilUt. Gehörknöchelchen und Chorda tynipani kommen so 
scheinbar frei in die Paukenhöhle zu liegen; genau betrachtet aber 
sind sie nur in dieselbe vorgeschoben, da sie auch ht im Krwachsenen 
noch in Schleiinliaiitfalten ciiifreschlossen sind und dadur 1. mit der 
Wand der Paukenliohle ihren ursprUugUchen und genetisch begrdudetea 
Zusammenhang bewahren. 

c) Die Entwicklung des kndchernen Kopfskeletts. 

Bis jetzt ist im grolbeu und gauz-tn der Auf hau des Kopfskeletts 
noch ein einfacher. Dagegen erreicht er auf dem dritten Ent- 
wirkUinps'stadinm mit dem Kintritt des Verknöcherungsprozesses in 
kurzer Zeit oine sehr liohe Kom]ilikation. Die Komplikation wird 
namentlich dadurch herbeigeluiiri , dais sich zwei vollständig ver- 
schiedene Knoehenarten entwickeln, von denen man die eine als 
primordiale, die andere als Deck- oder Belegknochen bezeichnet hat. 

iM imordiaie Knochen sind solche, die sich aus dem 
knorpeligen Primordialskelett selbst entwickeln. Ent- 
weder entstehen hierbei, wie es bei der Verknöcherung der Wirbel- 
silule, der Rippen und des Brustbeins beschrieben wurde, Knochen- 
kerne im Innern des Knorpels nach Krweirhung und Auflösung 
seiner Grundsubstanz, oder es ändert die Kuorpeloberhaut (das Peri- 
chondrinm) ihre bildende Tätigkeit und scheidet anstatt Knorpel- 
schichten Knochengewebe auf den bereits vorhandenen Knorpel aus. 
Im ersten Fall kann man von einer entochondralen, im zweiten Fall 
von einer perichondralen Verknöcherung reden. Auf beide Weisen 
kann das knorpelige Primordialskelett verdr&ngt und durdi dn 
knöchernes ersetzt werden, wobei in d^ einzelnen Wirbeltierklassen 
Knorpelreste in bald gröfserem, bald geringerem Umfang erhalten 
bleiben. 

Am Kopfskelett menschlicher Embrjonen beginnen schon einzelne 
primordiale Knochen im dritten Monat aufzutreten; sie sind in den 
Fii:. ''iT u. :?<'.s' Icirlit nn dem hellLM-auen Ton von dem blau gefÄrbten 
Knorpel zu unterscheiden: die grolsen Keilheintiügel (7), die Knochen- 
kerne (.9) in den knorpeligen Partes condyloideae (ö) und ein Knochen- 
kern (10) in der Hinterhauptsschuppe. 

Die Deck- oder Rele^knochen dagepon npliiiicn anfser- 
halb des Pr i m o r d i a 1 s( hil del s in dem ihn einhüllenden 
Bindegewebe ihre n Ursprung entweder in der seine 
Oberfläche bedeckenden Haut oder in der die Kopf- 
darnihühle auskleidenden Schleimhaut. Sie sind daher 
Verknöcheruugeu , welche am ganzen tihriizcn Achsenskelett nirht 
vorkommen und welche auch dem Kopfskeleit ursprünglich fremd 
sind. Daher kann man sie auf frflheren Entwicklungsstadien und in 
manchen Wirbeltierklassen selbst beim erwachsenen Tier abprftparieren. 
ohne den Primordialschädel in irgend einer Weise 711 iM M-hädigen. 
Anders lie^t es bei den primären Knochen, deren Knileruung immer 
eine teilweise Zerstörung des Knorpelskeletts bedingt. 

Wenn die Belegknochen dem Kopfsk<Mett, wie oben 
gesagt wurde, ursprünglich fremd sind, so erwachst 
daraus die Frage nach ihrer Herkunft. Zu ihrer Beant- 
wortung mnlh ich etwas weiter ausholen. Bei niederen Wirbeltieren 

25* 



Digitizea by Google 



388 



Zwölftes Kapitel. 





entwickelt sich aufser dein inneren, knorpeligen Achsenskelett noch 
ein äufseres oder Hautskelett, welches zum Schutz <ler Körper- 
oberHache dient, sich aber am Mund auch noch eine Strecke weit in 
die Kopfdarmhöhle fortsetzt und hier als Schleimhautskelett bezeichnet 
werden kann. Im einfachsten Zustand besteht es, wie der Schuppeu- 
panzer der Selachier, aus kleinen, dicht beieinander gelegenen Zähu- 
chen, den I'lacoidschuppen, die durch Verknöcherung von Haut- und 
Schleimhautpapillen hervor^'egangen sind (siehe S. 191). In anderen 
Abteilungen der Fische setzt sich der Hautpanzer aus gröfseren oder 
kleineren Knochenplatten zusammen, die an ihrer freien Flüche zahl- 
reiche Zähnchen oder einfachere Stacheln tragen. Sie werden als 
Schuppen, Schilder, Tafeln, Hautknochen je nach ihrer Form und 
Grölse beschrieben ; sie lassen sich aus dem Placoidschuppenpanzer 
der Selachier in sehr einfacher Weise ableiten dadurch, dafs gröl'sere 
oder kleinere Gruppen von Zähnchen an ihrer Basis verschmolzen 
sind und so gröfsere oder kleinere Skelettstücke erzeugt haben. 
Gröfsere Knochenstücke entstehen meist im Bereich des Kopfskeletts 

und l)esonders an solchen Stellen, wo 
knorpelige Teile der Schädelkapsel oder 
der Schlundbogen dicht an die Ober- 
fläche herantreten. So findet man bei 
vielen Ganoiden und Teleostiern das Ge- 
hini von einer doppelten Kapsel 
eingehüllt, von einer inneren, rein knor- 
peligen oder mit Knochenkernen ver- 
sehenen Kapsel und von einem ihr un- 
mittelbar aufliegenden, knöchernen Pan- 
zer. Bei den höheren Wirbel- 
tieren wird das Hautskelett 
meist vollständig rUckgebildet. 
am Kopf aber bleibt es zum 
grofseuTeil erhalten und liefert 
die oben erwähnten Deck- und 
Belegknochen, die zur Ergän- 
zung und Vervollständigung des 
inneren Skeletts beitragen. 
In die ursprüngliche Entwicklung der Deckknochen kann man 
bei vielen Amphibien noch interessante Einblicke tun (Fig. M'l). 
Pflugschar- und Gaumenheine z. B., welche Belegknochen sind, ent- 
stehen bei sehr jungen Tritonlarven in der Weise, dals sich in der 
Schleimhaut der Mundhöhle kleine Zähnchen (/) bilden, und dals 
diese dann an ihrer Basis zu kleinen, zahntragenden Knocheuplatten 
(r, z) verschmelzen. Die Knocheuplatten vergrölseru sich eine Zeit- 
lang, indem in der benachbarten Schleimhaut weitere Zahnspitzeu 
angelegt werden und sich an ihren Rand neu ansetzen; später ver- 
lieren sie häutig den Besatz der Zähnchen, welche resorbiert und 
zerstört werden. Der hier geschilderte, ursprüngliche Entwicklungs- 
Cs der Deckknochen ist bei den meisten Amphibien, man kann 
bgekürzt. Bei ihnen werden an den Stellen der Schleimbaut, 
Pflugschar- und (iaumenlwin einnehmen, Zahnspitzen über- 
icht mehr angelegt , sondern es findet in der Gewebsschicht. 
Der sonst die Basen iler Zähnchen verschmolzen sein würden, 
knöcherungsprozels direkt statt. In derselben abgekürzten 



Pflugsch arbein 
langen 



Kig. :{72, 
(Vomer) einer 1,3 cm 
Axolotllarve 

Durch Verschmelzung von 
/ahnen z, e ist eine zahntragonde 
Knochenplatte in der Schieim- 
liaiit entstanden. z* in Knt- 
wickliing liegriifene Zahnspitz- 
chen, die sich später an den 
Hand der Knochenpiatie un- 
Hetzen und zu ihrem Wachstum 
lieitragen. 




j Google 



Die Org&ue des Zwiaclienblattea oder Metenchym». 



389 



Weise nehmen dann auch die Deckknoehen bei allen Reptilien, 

Vögeln und Säugetieren ihren Ursprung. 

Hei den linficrfn Wirbeltieren, iinrl namentlich l»ei den Säugetieren, 
sind das Priiuordiulcranium, die primären Verknöcherungen und die 
Belegknochen, die hei den Fisdien und Amphibien auch beim er- 
wachsenen Tiere leicht voneinander zu unterscheiden sind, nur auf 
sehr frühen Ent\vi' l;hnic:^^tadieD als gesonderte Teile zu eikemien 
Leicht ist ihre Uutei scheu! ung auch noch an dem Kopfskelett des 
menschlichen Embryo aus dem dritten Monat, wie aus den Fig. 367 
und /u ersehen ist. Hier sind die Belegknochen durch einen 
gel heu Farbton f?ut kenntlich ^^emaeht: in Fig. :?(!^^ das Nasale (Ji), 
das Zygomaticum (14). die Schuppe des Schläfenbeins (19) mit Pro- 
cessus zygomaticus (15), der Annulus tympanicus (18), der knöcherne 
Unterkiefer (10). Auf der linken Seite des Modells sind sie abgetrennt, 
damit die einzelnen 'H ile des knorpeligen Primordialfranium für sirh 
leichter zu Uberschauen sind. Bei der in Fig. dargestellten 
seitlichen Ansicht nimmt mau von Belcgknocheu noch das Trauen- 
bein (38)^ Pflu|S8chaT^ und Gaumenbein (32 u. 33), endlich den Zahn- 
fortsatz und die Gaumenplatte Tom Zwischen- und Oberkiefer (34 und 
55) wahr. 

Später wird am Kopfskelett des Menschen, wie Uberhaupt aller 
höheren Tiere, die Erkennung des verschiedenartigen Ursprungs der 

Skeletteile immer schwieriger, zuletzt unmöglich. Es hangt dies von 
\f>r<rhipfienen Faktoreu ab. Kitnnnl wird das knorpelige Priraordial- 
craumm von Anfang au in einem teilweise verkümmerten Zustande 
angelegt; ein gro(tor Teil seiner Decke fehlt; die so entstandene 
Öflfuung wird durch eine Bindegewebsmembran verschlossen. Zweitens 
schwindet das knorpelige Priniordialcranium spater teils durch Auf- 
lösung, teils durch Umwandlung in primordiale Knochen fast voll- 
stftndig bis auf geringe Reste, welche sieh allein in der 
knorpeligen Nasenscheidewand und den damit verbun- 
denen Knorpeln der äufseren Nase erhalten haben. 
Dritteus ist am ausgebildeten Schädel eine Unterscheidung der prim- 
ordialeii Kacdien und der Deckknochen nicht mehr mißlich, wdl 
letztere ihre oberflächliche Lage verlieren, sich innig mit den aus dem 
Primordifilschfldel entstandenen Knochen verbinden und mit ihnen, 
die Ltickeu ausfallend, ein festes, geschlossenes Knochengehäuse ge- 
mischten Ursprungs bilden. Viertens vorschmelzen beim er- 
wachsenen Tiere vielfach Knochen, die beim Embryo getrennt angelegt 
wonbMi und sieb bei niederen Wirbeltieren auch getrennt erhalten. 
Ks vcrschmelzeu nicht nur Knochen desselben Ursprungs, sondern 
auch Beleg- und primordiale Knochen, wodurch die Möglichkeit ihrer 
Unterscheidung später vollständig aufgehoben wird. VieleKnochen 
des menschlichen Schädels stellen somit K n o c b e n k n m - 
plexe dar. Im allgemeinen kann als Regel gelten, dal's 
die Verknöcherungen an der Basis und Seitenwand des 
Schädels primordiale sind, dafs dagegen an der Decke 
und im (lesicbt Pelegknorben auftreten. 

Im einzelnen gehören zu den primordialen Fh'uienten 
folgende Teile des menschlichen Schädels: l) das llmurhauptsheiu 
mit Ausnahme des oberen Teiles der Schuppe, 2> das Keilbein mit 
Ausnahme der inneren Lamelle des Flügelforts. itzes. 3) das Siebbein 
uud die Muscheln, 4) die Pyramide und der Warzenfortsatz des 



Digitizcü by Google 



390 



Zwölftes Kapitel. 



Schläfenbeins, 5) die Gehörknöchelchen: Hammer, Ambofs, SteigbOgeK 

6) der Körper des Zungenbeins mit grofsem und kleinem Horn. 

Dagegen sind Belegknocheo: 1) der obere Teil der Schuppe 
des Hinterhauptsl)eins, 2) das Scheitelbein, 3) das Stirnbein, 4) die 
Schuppe des Schlafenbeins, 5) die innere Lamelle des Flügel fortsetze» 
vom Keilbein, 6) der Annulus tympanicus 7) das Gaumenbein, Priut;- 
scharbein, 0) Naseabein, 10) Träoenbeiu, ii; Jochbein, 12) Uberltieter, 
13) Unterkiefer. 

Nach dieser Übersicht lasse ich einige genauere Details Ober die 
Entwicklung der oben aufgezfthlten Kopfknochen folgen. 

a) Knochen der Sciiädelkapsel. 

1) Das Hinterhauptsbein stellt zuerst einen das Hinterhaupts- 
loch umgebenden knorpeligen King dar, der am Anfang des dritten 
Monats von drei (Fig. 3(57), dann vier Punkten aus zu verknöchem 
beginnt. Ein Knochenkern bildet sich nach vom, ein anderer nach 
hinten vom Hinterhauptsloch (Fig. HC.? JO) , zwei weitere zu seinen 
Seiten (Fig. 3<>7 und :<(I8 .'/>. Auf diese Weise entstehen vier Knochen, 
die je nach dem Grad ihrer Entwicklung durch breitere, später 
sebmftlere Knorpelstreifen zusammenbftngen. Bei niederen Wirbel- 
tieren, Fischen, AmphibieD erhalten sie sich in diesem Zustand ge- 
trennt und werden als Occipitale basilare, supehus and laterale 
unterschieden. 

Zu ihnen gesellt sieb bei den Säugetieren und beim Menschen 

noch ein Deckknochen, der weit oberhalb des Hinterhauptslochs mit 
zwei getrennten Verknöcherungszentren im Bindegewebe seinen Ur- 
sprung nimmt, das In terparietale. Es beginnt schon im dritten 
Fötalmonat mit dem Occipitale superius zu ▼erschmelzen und mit ihm 

zusammen eine Schuppe zu bilden, doch so, daf% bis zur Geburt eine 
von links und rechts einspringende Furche die Grenze der beiden 
geueLiscü verschiedenen Teile andeutet. 

Beim Neugeborenen sind Schuppe. Occipitalia lateralia und O. 
basilare noch durch schmale Knorpelreste voneinander getrennt. Im 
ersten .lahre verschmilzt darauf die Schuppe mit den Seitenteilen 
(Partes condyloideae) , und zuletzt verbindet sich mit diesen noch im 
dritten bis vierten Jahre der Grundteil (Pars basilaris). Das Hinterhaupts- 
bein ist also ein aus fünf getrennten Knochen entstandener Komplex. 

2) Das Keilhein entsteht «,'lei( hfnlls aus zahlreichen, in der 
Basis des Priniordialcraniuni auftretenden Knochenkernen, die liei 
niederen Wirbeltierklassen getrennt bleibende Teile der Scbädelkapsel 
darstellen. In der Verlängerung der Pars basilaris des Hinterhaupts- 
beins nach vorn erscheinen in der (legend der Satteigruhe ein hinteres 
und ein vorderes Paar von Knochenkernen und hilden die Anlage iles 
vorderen und des hinteren Keilbeinkürpers. Zur Seite derselben ent- 
wickeln sieh besondere Knochenkeme für die kleinen und für die 
grofsen Flügel. Peiui Menschen treten die Knochenkeme di s letzteren 
in der knorpeligen Anlage des Keilbeins am frühzeitigsten auf (Fig. 3ü7 
und 3(38 7). 

Bei den meisten Säugetieren verschmelzen die kleinen Fifigel 

mit dem vorderen, die grolsen Flügel mit dem hinteren Körper Ks 
entstehen daher zwei durch einen dimnen Knorpelstreifen getrennte 
Keilbeine, ein vorderes und ein hinteres, welches sich nach vorn au 



Die Orguie des ZwUcheublattea oder Mesenchyms. 



391 



das Hinterhauptsbein anschliefst. Beim Menschen vereinigen sich 
schlielslich noch beide Anrch Verknöcherung des oben erwähnten 
Knon>el8treifeü zum uD^iaareu, einlachen, mit mehreren Fortsätzen 
versehenen Keilbein. Die Verschmelzung der zahlreichen Knochen- 
kerne geht hier in der Reihenfolge vor sich, dafs im sechsten fötalen 
Monat die kleinen Keilbeintlügel mit dem vorderen Körper verwachsen, 
kurz vor der Geburl dieser mit dem hinteren Körper verschmilzt 
und im ersten Lebemjahre sieh noch die grofeen Flügel hinzugesellen. 
Von diesen wachsen nach abwärts die ättl^eren Lamellen der Flttgel- 
fortsätze hervor, während die inneren als Do r k k ti oc ]i en an- 
gelegt werden. Im Bindegewebe der äeitenwand cutwickelt sich ein 
besonderer Verkndcheningsberd und liefert ein dflnnesKnochenplftttchen, 
das sich bei vielen Säugetieren als ein besonderes, dem Fltlgelfortsat« 
des Keilhoins anliegendes Skelettstück (Os pter}>'oi(!f'uin) erhält. Beim 
Menschen verschmilzt es frühzeitig mit dem Keilbeiu, obwohl es einen 
von ihm ganz verschiedenartigen Ursprung hat. 

3) Das Schläfenbein ist ein Komplex verschiedener Knochen, 
die noch heim Neugeborenen zum gröfsten Teil getrennt sind. Pi'' 
Felsenbein mit dem Warzenfortsatz entwickelt sich mit mehrereu 
Knochenkernen aus dem Teil des Primordialschädels, welcher das 
Gehörorgan einschliefst und daher aueh als knorpelige Ohrkapsel be- 
zeichnet worden ist. Mit ihm voreinigt sich nach der Gehurt der 
Griffelfortsatz, der l>eim Embryo ein Knorpelstück ist, das ans dem 
oberen Ende des zweiten Schluiidbogeus hervorgeht und dui t Ii einen 
eigenen Knochenkem selbständig verknöchert. 

Zu den primordialen gesellen sich heim Menschen noch zwei Deck- 
knochen, Schuppe und Pa uken t e i 1 . welche dem Primordialcraniuni 
ebenso fremd sind wie die Scheitel- oder Stirnbeine. Von ihnen ist 
der Paukenteil (Fig. 370 7, 371 pr) anftoglich ein schmaler Ring, 
welcher zur Einrahmung des Trommelfells dient. Kr entwickelt sich 
im Bindegeweh«' !kh !i aulsen von den Gehf'nkiiiu'helehen , besonders 
nach aufsen vom Hammer {ha) und des mit ilim verlmndenen Meckkl- 
sehen Knorpels (MK). So erklärt sich die Lage des langen Fortsatzes 
des Hammers in der Fissura petrotympanica , wenn bald nach der 
Geburt die primordialen und die Deckknoehen untereinander ver- 
schmelzen. Der Paukenriug nämlich verbreitert sich allmählich zu 
einer Knoehenplatte, welche dem ftniteren Gehörgang zur Stutze dient: 
die Platte verwächst dann mit dem Felsenbein bis auf eine enge S])alte, 
die Fissura petrotympanica oder Glaseri, welche offen bleibt, weil 
hier die Chorda tympaui und der lange Fortsatz des Hammers beim 
Embryo zwischen die Knochen, als sie noch getrennt waren, ein- 
geschoben waren. 

Dei niederen Wirbeltieren, aber auch bei vielen Säugern, bleiben 
die uugetüiirten Stücke getrennt und werden in der vergleichenden 
Anatomie als Os petrosum, Os tympanicum und Os squamoflum unter- 
schieden. 

4) Das Siebbeiii und die X.isenniuseliclii sind primordiale 
Knochen, die sich aus dem hinter» n 1 eil der knorpeligen Isaseukapsei 
entwickeln, während ihr vorderer Teil bestehen bleibt und die knor- 
pelige Nasenscheidewand und die äufseren Nasi nknori)!'! liefert. 

Von den Deckknochen des Primordialcranium, di< Imi Mll j^cnicinen 
am Anfange des dritten Monats zu verknöchern beginnen, erhalten 
sich getrennt: das Scheitelbein, das Stirnbein, Nasenbein, Tränenbein 



Digiii^cu by Google 



3d2 



Zwölftes Kapitel. 



uud Ptlujj;s( haii)(nn. Von flipspn ist das Stinibeiu ursprünglich eben- 
falh eine paarige Bildung und besteht als solcbe noch bis iui> zweite 
Lebensjahr hinein, in welchem die Verschmelzung in der Stimnaht 
beginnt. Nasen- und Triincnboino sind Belegknochen der kuorpclijzen 
Kasenkapsel (Fig. HfJT JJ u. :hi;s .vn). Das Pflugscharhein pntstelit 
zu beiden Seiten der kuurpeligeo Isaseuscbeidewaud im dritten Monat 
als paarige Bildung (Fig 368 3Ji). Die beiden Lamellen versebmelaen 
später unter Schwund des zwischen ihnen gelegenen Knorpels. 

ß) Knochen des Visceralskeletts. 

Die übrigen Kopfknochen, welche bisher nicht erwähnt wunlen, 
g« ]i()r(M) dem Visceralskelett an, teils als primordiale, teils als Be- 

legkuocheu. 

Primordiale Teile sind das Zungenbein und die Gehörknöchelchen, 
Ambofs, Hammer und Steigbügel, Sie zeichnen sich durch sehr ge- 
ringe Dimensionen aus und treten gegenüber den mächtig entwirkeltoii 
Belegknochen sehr in den Hintergruud. Das Zungenbein beginnt 
gegen Ende des embryonalen Lebens von mehreren Punkten aus zu 
verknöchern. Die Gehörknorpel enthalten schon im vierten Monat 
vom Periost aus einen knöchernen t Vrrzujj innprhalb dessen hier und 
da Knorpelreste auch beim Erwaciiseuen l)estehon bleilieu. Nach 
neueren Untersuchungen erweist sich der Hammer als ein zu- 
sammengesetztes Skelettst ü ck. Der lange Fortsatz nämlich 
entwickelt sich als ein BüloiU'kuochen (Fig. 37<) <1) auf dem Teil des 
MECKELSchen Knorpels (S). dei- zwischen Felsenbein und J'aukeuriug 
hindurchtritt. Während der Knorpel sich rückbildet, verschmilzt der 
Belegknocheu mit dem gröfteren primordialen Teil des Hammers. 
Wahrscheinlich entspriclit er dem Os .mgulare niederer Wirbeltiere. 

Die Belegknocheu des Visceralskeletts, Oberkiefer. 
Gaumenbein, Flügelbein, Jochbein und Unterkiefer entwickeln sich iu 
der Umgebung der Hundöflfnung im Bindegewebe des häutigen Ober- 
kiefer- und ünterkieferfortsatzes. 

Die Oberkiefer (Fig. 308 35) sind ein Komplex von zwei Paar 
Knochen, die sich bei den meisten Wirbeltieren auch getrennt er- 
halten. Ein Paar entwickelt sich aus den beiden Oberkieterfortsätzen 
lateral von der knorpeligen Nasenkapsol. Das andere Paar erscheint 
in der achten bis neunten Woche , wie Th. Köluker genau verfolgt 
bat, auf dem zwischen beiden Nasenlöchern gelegenen Teil Stirn- 
fortsatzes. Es entspricht einem wirklichen paarigen Zwisehea- 
kiefer (Intermaxillare, Praemaxillare) und schliefst später die 
Anlagen der vier Schneidezähne in sich ein (Fig. 368 .?/). 

Die zwei Zwischenkiefer verschmelzen beim Meusclien frühzeitig 
mit den Anlagen der zwei Oberkiefer, nachdem sich zuvor die zw« 
häutigen Oberkieferfortsätze mit den inneren Nasenfortsätzen ver- 
bunden haben. An juixendlichon Schädeln bezeichnet noch eine vom 
Forameu iucisivum quer nach aufsen ziehende, uahtartige stelle (die 
Sutura incisiva), welche znweflen auch beim Erwachsenen erhalten ist, 
die Grenze zwischen Maxillare und Intermaxillare. 

Von den zwei 01i(Mkifft-ni wachsen früli/eiti.^ horizontale Lamellen 
in die Gaumenfortsätze liinein und erzeugen mit entsprecheuden Fort- 
sätzen der beiden Gaumeubeiue den harteu oder knöchernen Gaumen 
(Fig. 368). 



Die Organe des Zwiscbeablattes oder Mesencbyms. 



393 



OaumeDbeine (Fig. 308 33) und Flügelbeine entwickeln sirli iu 
•der D^•fl^'e imd St'itt'nivnrid der Mundhöhle; sie siiirJ Häher Schleim- 
hautkuücheu. Die Hügelbeiue legen sich, wie schon auf 8. 3^1 er- 
wähnt wurde, den knorpeligen, nach vorn gerichteten Auswüchsen 
der grofeen KeilbeioflOgel an. Bei vielen Säugetieren erhalten sie sich 
zeitlebens getrennt vom Keilbein, \mm Menschen aber verwachsen sie 
mit ihm und werden nun als innere Lamelle des Flügelfortsatzes von 
der äufseren Lamelle unterschieden, welche durch Verknöcherung des 
Knorpels ihren Ursprung nimmt. 

Die VorjiSnpfp bei der b-ntwicklung des Viscn alskeletts . welche 
hier und in früheren Abschnitten (S. 180, 3;iij besprochen worden 
sind, gehen die Grundlage ab fttr das Verständnis von Mirsbildongen, 
welche beim Menschen zienilicli häutig in der Oberkiefer- untl (Jauracn- 
gegend beobachtet werden. Ich meine die Lippen-, Kiefer- und 
G a u me u spa 1 1 e u , welche nichts anderes als Hemmungsmifsbildungeu 
sind. Sie entstehen, wenn die einzelnen Anlagen, von welchen die 
Oberlippe, der Olierkiefer und der Gaumen gebildet werden, nicht lur 
normalen \ereinigung gelangen (Fig. 303, 322 — 325). 

Die UemmuDgsmii'sbildung kann sehr verschiedene Variationen 
' darbieten , je nadbdem die Verwachsung gftnzlich oder nur teilweise 
-auf beiden Seiten des Gesichts oder nur einseitig unterblieben ist. 

Bei totaler Hemmung, bei dopi^el^eitiger daumen-, Kiefer-, 
Lippenspalte stehen beide Nasenhöhlen mit der Mundhöhle durch 
eine von vorn nach hinten durchgehende, linke und rechte Spalte in 
weitem Zusammenhang. Von oben ragt die Nasenseheidewand frei in 
die Mundhöhle hinein . nach vorn verbreitert sie sich und trägt hier 
den mangelhaft ausgebildeten Zwiscbeokiefer mit den verkOmmerten 
Schneidezühnen. Vor ihm liegt ein kleiner Hautwulst, die Anlage 
des MittelstQcks der Oberlippe. Seitwärts von den Spalten und den 
Nasenlöchern, die nach unten keinen Alisclilufs eihalten haben, liegen 
die beiden geirennten Oberkieferforts^ttze mit den knöchernen Ober- 
kiefern und den Anlagen der Eck- und Backzähne. Von ihnen 
springen die horizontalen Gau nun platten nur eine kleine Strecke 
weit als T eistni in die Mundhöhle vor und haben den AnschlnlV an 
«lie Nascuscheuiewand nicht erreicht. Eine derartige Mifsbilduug ist 
sehr lehrreich auch fttr das Verständnis der früher beschriebenen 
normalen Entwicklungsprozesse. 

Wenn die Hemmung nur eine teilweise ist. so kann die Ver- 
schmelzung entweder nur an den Oherkieferfortsätzen oder nur an 
den Gaumeuplatteu auf einer oder auf beiden Seiten unterbleil)eu. 
Im ersten Fall entsteht die Kieferlippenspalte oder sogar nur 
eine Lippenspalte f H a s e n s c h a r t e) . während harter u iid weiclier 
Gaumen normal gebildet sind. Im anderen Kalle ist der ( )l)erki»'t\'v 
gut entwickelt und ilul'serlich von einer Mili^hilduug nichts wahizu- 
nehmen, während ein einseitiger oder doppelseitiger Spalt durch den 
weichen Gaumen oder gleichzeitig auch noch durch den harten Gaumen 
hindurchgeht (Wolfsrachen). 

Mit eingreifenden Metamorphosen ist die Entwieklungs- 

geschichte des Unterkiefers verbunden. Wie schon früher 
dargestellt wurde wird hfi den jOng-ttni Kmlnyoucn die Mundhöhle 
von unten her durcli die häutigen Unterkieferlortsalze begrenzt. In 



Digiii^cu by G(.)0^1c 



894 



Zwmta Kapitel. 



ihnen entwicliflt sich dann der ^^I:cKKLsch(^ Knorpel (Fig. 308 17. 
1570 5 u. 371 ]\IK). der mit seinem Scliiuielende dio Anlage dos Hanniicrs 
{^0 u. ha) liefert uutl dadurch wieder mit dem Ambols (J^l u. am) 
in Gelenkverbindung steht (vergl. S. 385). An seinem ventralen Ende 
verbindet er sich in der Mittellinie bei den SiUigetieren mit den» 
entsprechenden Teil (h^r anderen Seite, während beim Menschen eiu 
kleiner Zwischenraum zwischen ihnen bleibt. 

Da die oben genannten kleinen Knorpelchen Im ersten hilatigen 
Schlnndl'Ogen entstanden sind, entsjirechon sie in ihrer Lage, nicht 
minder auch in ihrer gegenseitigen Verbindung und in manchen anderen 
Beziehungen den grofseu Knorpelstücken, die wir oben bei denSelacbieru 
(Fig. 366) aU Palatoquadratum (0) und Mandibular« (17) kennen ge- 
lernt haben. Bei den Selachiern dienen Palatoquadratum und Mandi- 
bulare als e( Itter Kitferapparat, indem sie auf ihren Hiindern die nur 
in der Schleimhaut befestigten Zahne tragen und indem sich an ihre 
Oberfläche die Kaumuskeln ansetzen. 

Bei den Säugetieren und beim Menschen ist die Aufgalie der im 
ersten Schlundbogen entstandenen Knorpel eine wesentlicii andere 
geworden; sie sind in den Dienst des Gehörapparats getreten; eine 
tiefgreifende, in ihrem Endergebnis wunderbare und bOchst bedeutungs- 
volle Metamorphose hat sieb hier vollzogen. Um dieselbe zu ver- 
stehen, mufs ich ein paar veigleichend-anatomische Tatsachen kurs 
berühren. 

Mit dem Auftreten von Yerknöcheningen verliert der primäre 

Unterkiefer bei den Knochenfischen, Amphibien und Reptilien seine 
einfache Ik^chaflFenheit und wandelt sich zu einem oft sehr zusammen- 
gesetzten Ajiparat um. Die Verknöcheruugeu sind wieder in derselben 
Weise, wie es im Bereich des übrigen Kopfskeletts der Fall ist, von 
zweierlei verschiedener Art, priwüre und sekundäre. Primär ist ein 
Knochen, der im r,rfpnkteil des Knorpels auftritt und das Os artirnlnn« 
liefert. Dazu gesellen sich mehrere, im umgebenden Bindegewebe 
entstehende Belegknochen, von denen zweien, dem Angulare und dem 
Dentale, eine allgemeinere Bedeutung zukommt. Beide legen sich an 
der Aulsenseite des Knorpelstabes an, das Angulare nahe am (ielenk. 
das Dentale nach vorn von ihm bis zur Symphyse. Das F^entale wiid 
ein wichtiges Skclettstück , das eine beträchthclje Gröfse erreicht, iu 
seinem oberen Rande die Zftbne aufnimmt und den MzcEELsehen 
Knorpel derart nnnvächst. dafs er fast allseitig in einen knöchernen 
Cylinder eingeschlossen wird. Der ganze komplizierte Apjiarat. 
zusammengesetzt aut> mehreren Knochen und aus dem von ihnen 
eingeschlossenen, urfiprfinglichen Knorpel, bewegt sich im primftren 
Kiefergelenk zwischen Palatoquadratum und Os articulare. 

Denselben Anlagen begegnen wir auch bei den Säugetieren und 
beim M entgehen wieder. Im Gelenkteil des ünterkieferknorpcls, der 
die Form des Hammers angenommen hat (Fig. 368 20, 870 du. 371 ka)^ 
bildet sich ein besonderer Knochenkeni , der dem Articulare anderer 
Wirbeltiere entspricht. In seiner Nähe erscheint als Belegknnchen 
ein aurserordeiitlich kleines Angulare (Fig. 370 6), das später mit 
ihm verschmilzt und den langen Fortsatz des Hammers liefert. Der 
zweite Belegknochen oder das Dentale (Fig. 3<)8 16 n. 371 vJc) erreicht 
djifjefren eine hetr.lchtliclie riröfse und wird allein zum spiiter funktio- 
nierenden Unterkiefer, während die übrigen Teile, welche bei den 
Knochenfischen, Amphibien « Reptilien und Vögeln im zusammen- 



Die Ch^ne des Zwischeikbt^tes oder Mesenchynii. 



395 



gesetzten Kieferapparat beim Kaugeschäft mitwirken (Palntoquadra- 
tum resp. Quadratum, Articulare, Anpfulare und MECKELScher Knori)el), 
ihre ursprüngliche Funktion verlieren und eine anderweite Ver- 
wendung finden. 

Die wichtigste Veranlassung zu diesrr tiefgreifenden Umge- 
staltung ist wohl hauiitsächlich darin zu suchen, dal's bei den Säuge- 
tieren und beim Menschen sich an Stelle des primären Kiefer- 
gelenks ein neues sekund&res Kiefergelenk entwickelt 
Das primäre Kiefeigelenk, in welchem das zahntragende Dentale be- 
wegt wird, liegt, wie wir oben gesehen haben, zwischen Palato- 
quadratum und Articulare. 

Da nun bei den Säugetieren das Palatoquadratum und das 
j^rticnlare dem Ambofs und dem Hammer entsprechen, so ist im 
Hammer- A mbofsgelenk das pri m äre K iefergelen k nie- 
derer Wirbeltiere zu suchen. Vermittelst desselben wird bei den 
Sängetieien und dem Mensehen das Dentale nicht mehr bewegt, weil 
dieses selbst mit der Schädelkapsel eine direktere Gelenkverbindung 
eingeht. Es sendet nämlich einen Knochenfortsatz, den Processus 
cond^loideus (Fig. 371) nach oben empor und verbindet sich hierdurch 
mit der Schuppe des Schlftfenbeins in einiger Entfernung vor dem 
piimären Gelenk zum sekundären Kiefergelenk, an welchem 
nur Belegknochen teilnehmen. 

Die naturgemäfge Folge von der neuen Gelenkbildung ist, daA 
der primäre Uoterkieferapparat fflr den Kauakt oberflossig geworden 
ist und in seiner Entwicklung gehemmt wird. Ambofs, Hammer und 
<ias dem letzteren verbundene Angulp.re werden in Teile des Gehör- 
organs umgewandelt (siehe S. 385). Der übrige Teil des Mkckel- 
schen Knorpels (Fig. 3U8 17 u. 371 MK) beginnt beim Menschen vom 
sechsten Monat an zu verkQmmem. Kin(^ Strecke, welche vom langen 
Fortsatz des Hammers an oder von der Fissura petrotympanic a bis 
zur Eintrittsstelle in den knftchernen l'nterkiefer am I'orameu alveo- 
lare reicht, wandelt sich in einen Bindegewebsstreifen , das Liga- 
mentum laterale internum maxillae inferioris, um. Eine kleine Strecke 
nahe am vorrlrren Ende erhält schon frtlh einen besonderen Knochen- 
kern und verschmilzt mit dem Bclegknochen. Was sonst noeh vom 
MECKELSchen Knorpel im ivaual des L'uterkiefers vom Forauieu alveo- 
lare an eingeschlossen ist, wird allmählich zerstört and aufweitet, 
doch werden Reste des Knorpels noch beim Neugeborenen in der 
Symphyse aufgefunden. 

Ursprünglich ist der kuOchenie Unterkiefer eine paarige Bildung, 
bestehend aus zwei zahntragenden Hftlften. Diese erhalten sich bei 
vielen Säugetieren aurli getrennt und werden durrh Bindegewebe zu 
einer Symphyse verbunden. Beim Menschen vereiTnir»n sie sich im 
ersten Lebensjahr durch Verknöcherung des Zwisciiengewebes zu 
einem unpaaren Stack. 

8. fihtft die BteUung des Kopftkeletta sum Bumpftkelett. 

Schon in verschiedenen Abschnitten diesps Lehrbuchs, bei Be- 
sprechung der Ursegmente, des Nervensystems, besonders aber jetzt 
bei Besprechung des Achsenskeletts wurde auf vielfache ( berein- 
»tinimungen hingewiesen, welche zwischen Einrichtungen des ivoptes 
und des Bumpfes wahrgenommen werden. Auf die Übereinstimmungen 



Digiii^uu by G(.)0^1c 



396 



Zwölftes KapiteL 



und Verschiedeulieitcii, ^^eIclle zwischen beiden Regionen des Körpen 
im Laufe ihrer Entwicklung hervortreten« sei hier im Zusammenbang 
noch einmal kurz hingewiesen. 

Die Gliederung des Wirbeltierkorpers nimmt ihren Au>i^auj; von 
den 'Wandungen der priniilren Leibessäelte , deren dorsaler an die 
Chorda und das Nervenrohr angrenzender Abscliiiitt diircli Falten- 
bilduug in hintereinaudergelegene SiUikchen, die ürsegmeute, zerfällt 
(Fig. 129 u. 130). 

Da sieh ans der Wand der Ursegmente die willkfirliehe Mus- 
kulatur entwickelt, so stellt sie das am frtlhzeitijrsten segmentierte 
Orgaiisystem der Wirbeltiere dar. Die „Myomerie" ist nun wohl 
die direkte Ursache einer segmentalen Anordnung der peripheren 
Nervenbahnen, indem die ku einem Segment gehörenden Bewegungs- 
nerven sich zu einer vorderen Wurzel an ihrem Austritt aus dem 
Rückenmark vereinigen und ebenso die Emptindungsnerven , die von 
einer entsprechenden Uautstrecke herkommen, zusammen eine sensible 
Wuriel darstellen. 

Zur Zeit, wo sich die Segmentierung der Muskulatur und der 
peripheren Nervenbahnen schon ausgebildet hat, ist das Skelett noch 
ungegliedert ; denn es wird nur dargestellt durch die Chorda dorsalis. 
Das weiche Heaenchym, welches die Chorda und das Kerrenrohr 
einhüllt und zum Mutterboden für das später in die Erseheinuiig 
tretende, geczliederte Aehseaskelett wird, ist noch eine zosaminen- 
hängende Füllniasbe. 

In dieser Zeit ist die Sonderung von Kopf und Rumpf schon 
erfolgt. Sie wird erstens dadurch herbeigeführt, dafii sieh am vor- 
dcrst'ii Abschnitt des Körpers die höheren Sinnesorgane anlf^iren. 
zweitens dadurch, dais sich das Nerveurohr zu den anbehulichen 
Himblasen ausweitet, drittens dadurch, dafs die Wandungen des 
Kopfdarms von regelmäfsigen Schlundspalten durchbohrt werden und 
SO ebenfalls eine Art von Segment ierunp; (die Branchiomerie) erfahren. 

Der sich in dieser Weise zum Kopf umwandelnde 
Abschnitt des Körpers ist von Anfang an gegliedert 
und baut sich aus Segmenten auf, deren Zahl noch 
strittig ist. 

Die Entwicklung von Schlundspalten hat noch \veitere \'er- 
schiedeuheiten zwischen Kopf und Kumpf zur Folge, Der vorderste 
Teil der Leibeshöhle wird durch das Auftreten der Schlundspalten 
in mehrere, hintereinandergelegene Kopfhöhlen gegliedert, indem 
diese ihren Hohlraum verlieren, hat sich am Kopfe eine der Brust- 
uud Bauchhöhle entsprechende Einrichtung zurückgebildet. Ferner 
entwickeln sich aus den Wandzellen der Kopf hohlen ansehnliche, 
quergestreifte Muskelmassen zur Bcwe<iung und Verengerung der 
einzelnen Abschnitte des Kiementhirms, wahrend am I{nn!|>f die will- 
kürliche Muskulatur nur von den L'rsegmenten abstammt. Diese 
breiten sieh am Rumpf sowohl dorsal w&rts über das Nervenrohr, als 
auch ventral in die Brust- und Bauchwand aus, während sie am 
Kopf auf einen kleinen Kaum beschränkt bleiben und keine reichere 
Entwicklung erfahren. 

Nachdem so Kopf und Rumpf schon in hohem Grade 
verschiedenartig geworden sind, beginnt sich erst das 
knorpelige A r h s e n s k e 1 e 1 1 anzulegen. Es ist mithin eine 
Einrichtung von verhallnismaisig jungem Ursprung, wie sie denn 



Digiii^cu by Gdo^Ic 



Di« OrgAse des Zwiscbeabtatte« oder Mei«nchymi. 



397 



auch nur dem Stannii der Wirbeltiere eigentümlich ist und hier selbst 
ihrem einfachsten Vertreter, dem Amphioxus laiiceolatus, noch fehlt. 

Das knorpelige Acbsenskelett eotwickelt sich von vornherein in 
den beiden Hauptabschnitten des KOrpen zum Teil in gleichartiger, 

zum Teil in ungleichartiger Weise. 

(lleicharti ist die Entwicklung, insofern der Verknorpelungs- 
prozefs am Kopf und Rumpf im perichordalen Bindegewebe beginnt, 
sich dann von oben und unten um die Chorda erstredtt und sie ein* 
scheidet und schliefslich sich noch auf die Bindegewebsschicht fort- 
setzt, welche das Nervenrohr umhüllt 

Die U n g 1 e i c h a r t i p k e i t dagegen spricht sirh in der 
eintretenden oder ausbleibenden Segmentierung aus. 
Am Rumpf entsteht unter dem Einfiuft der Muskulatur eine Gliederung 
des knorpeligen Achsenskeletts, indem feste Wirbelsttlcko mit binde- 
gewebig bleibenden Zwischenwirbelbändem abwechseln. Am Kopf 
entwickelt sich gleich eine zusammenhängend e Knorpelkapsel um die 
Himblasen. Die Gliederung, welche sich hier in anderen Organ- 
systemen, in dem Auftreten der Ursegmente und in der Anordnung 
der Hirnnerven ausprägt, hat keine niiederung des zu ihnen ge- 
hörigen Achsenskeletts zur Folge, iiei keinem Wirbeltier ist im 
Laufe seiner Entwicklung eine wechselnde Folge von Knorpelstfieken 
und von bindegewebifien Zwischenscheiben als erste Anlage des Pri- 
mordialcranium beobachtet worden. Eine solche aber als ur^prOiitr- 
licheren Zustand vorauszusetzen, scheint keine Veranlassung vur- 
zuliegen. Lassen sieh doch in der geringen Entwicklung der aus den 
Ursegmenten des Kopfes henorgehenden Muskeln, in der voluminösen 
Kntfaltung des Gehirns und der Sinnesorgane Faktoren erblicken, 
weiche den Kopf schon früh zu einem minder beweglichen Abschnitt 
als den Rumpf gemacht haben. Damit aber kommt fOr den Kopf 
die Ursache, welche am Iiumiif die Segmentierung des Achsenskeletts 
notwendig gemacht hat, in Wegfall. 

In den letzten Jahren ist von inelirpren Seiten (Rosenberg, Stöhk, 
Fkürief) die Ansicht ausgesprochen wurden, dafs in einigen Wirbel- 
tierklassen die Occipitalregion des Primordialcranium einen Zuwachs 
durch Verschmelzung mit Wirbelanlagen der Halsregion erfahre und 
so gleichsam „in stetem kaudalen Vorrücken hcgrifTcn sei". 

Aufser der Gliederung in Wirbel spricht sich eine Segmentierung 
des Achsenskeletts noch in dem Auftreten von unteren Bogen aus, 
welche sich von vom nach hinten in regelmftfisiger Folge wiederholen. 
Sie werden am Kopf als Schlundbogen, am Rumpf als Rippen be- 
zeichnet. Auch die Lage dieser Skeletteile steht in Abhängigkeit zu 
den ersten Segmentierungen, von welchen der Organismus der Wirbel- 
tiere betrofren wurde. Denn die Ripi)en entwickeln sich zwischen 
den Muskelsegmenten durch Verknorpelungsprozesse iu den sie 
trennenden Bindefrewehsblflttern , den Zwischeumuskelbändern; die 
Scblundbogeu aber stehen in Abhängigkeit zu den Schlundspalten, 
durch welche die ventrale Kopfgegend in eine Summe aufeinander- 
folgender Segmente zerlegt worden ist. Aus dem Bestehen von 
Ripi)eTi und von ^chlundboHcn \lH\t sich nicht folgern, dafs die dazu 
genörige Skeletiachse gleichlails segmentiert gewesen sein müsse. Sie 
sind nur ein Zeichen flkr die Segmentierung der K6rperregion , zu 
welcher sie hinzugehören. 



Zwölftes KftpiteL 



Dals hei den ausgebihk toii Wirbeltieren die embryonal vorhanriene 
Segmentierung des Koj)fes mehr oder minder verloren geht . liangl 
besonders von zwei Momenten ab. Erstens entwickeln sich die Ur« 
segiii iiTc nur wenig, liefern unbedeutende Muskehi. liilden sich zum 
Teil ganz zurück, zweitens wird das Visceralskelett von tief ein- 
greifenden Metamorphosen betroffen. Namentlich bei den höheren 
^'irbeltieren erflkhit es solche Rflck- und Umbildungen, dafs scfalierslich 
nichts mehr von der ursprünglich segmentalen Anordnung seiner Teile 
(Kiefeigaumeuajiparat, Gehörknöchelchen, Zungenbein) zutage tritt. 

Ii. Die Entwicklung des £xtremitätenHkelett<. 

Die Gliedmafsen setzen sich bei den Wirbeltieren vorn und hinten 
tut Seite des Rumpfes als kleine, flossenartige Auswachse au (Fig. 
160, 221, 373). Dafs sie hier mehr der ventralen als der dorsalen 
Fl&che des Körpers angehören, geht daraus hervor, dafs sie von den 
ventralen Ästen der Rückenmarksuervcn innerviert werden. 

Ferner scheinen die Gliedmai'seu zu einer gröfseren 
Anzahl von Rumpfsegmenten zu gehören. Es Iftfst sieb 
dies sowohl aus der Art der Nerven Verteilung, als aueb 
auH der Abstammung ihrer Muskulatur erschl iefsen. 
Denn die vorderen und die hinteren Gliedmafsen beziehen ihre 
Nerven immer von einer grö Aperen Anzahl von Spinalnerven. Die 
Muskeln aber stammen aus derselben Quelle wie die ganze Rumpf- 
muskuliitnr lutndich von den Ursegmenten ab. Verhaltnisse, die bei 
Selaebier- Embryonen leicht festzustellen sind. Bei ihnen wachsen, 
wie Untersuchungen von Dohrn gelehrt haben, von einer gröfseren 
Anzahl von Ursegi u nton je zwei Knospen in das Gallertgewebe der 
Flossenanlage hinein, lösen sich daTin von ihrem Mutterboden ab 
und teilen sich in eine dorsale untl eine ventrale Hälfte, die Anlage 
der Streck- und der iieugemuskulatur. Jede Flosse enthält mithin 
eine Reihe hintereinandergelegener, segmental entstandener Muskel« 
anlafjen, eine Tatsache, welche noch bei manchen anderen Fragen, 
weiche den Ursprunc: d'^r (iliedmafsen betreffen, ins (iewicht fhWt. 

Beim Menschen nimiuL die Anlage der Glieduialseu in der fünften 
Woche schon eine bestimmtere Gestalt an. Der Hücker hat sich ver- 
gröfsert und in zwei Sttlcke geglindort , von denen das distale zu 
Hand und Fuls wird (Fijr. IHl). Auch beginnt an der vor^leren Ex- 
tremität bereits die Hund au ihrem vorderen Hand Einkerbungen zu 
erhalten, durch welche sich die ersten Rudimente der Finger mar- 
kieren. In der sechsten Woclie sind die drei Hauptabschnitte der 
Gliedmafsen zu erkennen, indem sich noch das pn»ximale Sttick durch 
eine Querfurche in Ober- und Unterarm, Ober- und Unterschenkel 
gesondert hat. Auch sind jetzt am Fnib die Zehen durch Ein- 
schnQrungen, aber weniger deutlich als an der Hand angedeutet. In 
der siebenten Woche benjerkt man an den Spitzen der Finirer krallen- 
artige, aus Epidermiszellen bestehende Ansätze, die üruägel. „An der 
Hand fällt aui diesem Stadium*, wie Bensen bemerkt, „die Ähnlichkeit 
mit der von der Sohle aus betrachteten Vorderextremität eines Kar- 
nivoren auf : die Polster sind bei zebenartiger Karze und Dicke der 
Fiuger stark eutwickelU** 

Bei ihrer Vergrößerung legen sich die Qliedmalhen der Bauch- 
fläche des Embryo an und sind dabei schräg von vom nach hinten 



Die Organe des Zwisclieiiblatte» oder Mesenchyiiis. 



390 



au 



ng 



gerichtet, und zwar die vorderen (iliedmafsen mehr als die hinteren. 
Bei beiden liegt ursprünglich die spätere Streckseite dorsal , die 
Beugeseito ventral. Sowohl der radiale wie der tibiale Hand mit 
dem Daumen und der grofsen Zehe sind koi)fwärts und der fünfte 
Finger und die fünfte Zehe sind schwänz wilrts gewandt. Hieraus, 
sowie aus der Annahme, dal's die Gliedmalsen mehreren Rumpf- 
segmenten angehören, erklären sich einige Verhältnisse in der Ver- 
teilung der Nerven der oberen Extremität. Es wird näm- 
lich am Arm „die radiale Seite von Nerven versorgt (Axillaris, 
Musculocutaneus), deren Fasern auf den fünften bis siebenten Cervical- 
nerven zurückzuführen sind. An der Ulnarseite finden wir dagegen 
Nerven (Nervus cutaneus medialis, medius und ulnaris), deren Ent- 
stehung aus dem un- 
teren, sekundären 
Stamme des Plexus 
ihre Abstammung aus 
dem achten Hals- und 
ersten Dorsalnerven 
unschwer erkennen 
läfst." (Schwalbe.) 

Im weiteren Fort- 
gang der Entwicklung 
verändern die beiden 
Gliedmafsen ihre Aus- 
gangsstellung, und 
zwar die vordere in 
höherem Grade als 
die hintere, indem sie 
sich um ihre Längs- 
achse in entgegen- 
gesetzter Richtung 
drehen ; auf diese 
WeisekommtamOl)er- 
arm die Streckseite 
nach hinten, am Ober- 
schenkel nach vorn zu 
liegen ; Radius und 
Daumen sind jetzt la- 
toralwärts, Tibia und 
grofse Zehe median- 
wärts gelagert. Diese 

Lageveränderungen 
durch Drehung sind 
bei Bestimmung der Homologien von vorderer und hinterer Extremität 
naturgemäls in Rechnung zu bringen, so dafs Radius und Tibia, lllna 
und Fibula einander entsprechen. 

In der ursprünglich gleichmäfsigen Zellenmasse setzen sich all- 
njählich Skelett- und Muskelanlagen schärfer voneinander ab, indem 
die Zellen einen bestimmteren , histologischen Charakter gewinnen. 
HierJ)ei ist folgende Erscheinung zu beobachten: Die Teile des Ex- 
tremitätenskeletts werden nicht alle gleichzeitig angelegt, sondern 
halten eine l)estimmte Reihenfolge ein. etwa in der Weise, wie bei 
der Entwicklung des Achsenskeletts der Gliederungsprozels vorn be- 



H8 



oe 




ue 



FiR. 873. Sehr jun«er menschlicher Embryo 
aus der vierten Woche von 4 mm Naokenstelfs- 
länge, der Oebärmutter einer Selbstmörderin 
acht Stunden nach ihrem Tode entnommen. 
Natb I{aiil. 

au Aupe, ng Nasen(;rube, uk l'nterkicfer, eb 
Zungenheinbogen, «* dritter, vierter Schlundbogen, 
h durch die Entwicklung des ller/ens verursachte 
Auftreiltung der Ituinpfwand , us (Jrcnze zweier L'r- 
segmente, oe, ue obere, untere Extremität. 



400 



ZwaUkes KAp{t«L 



ginnt und nach nukwSrts fortschreitet. So bilden sich an den Glied- 
niarsen die proximal, d. h. dem Rumpfe näher geiegeoeu Skelettstttcke 
froher aus, als die distal oder entfernter gelegenen. Am auffftlligsten 
tritt dies au den Fingern und Zehen hervor. Während die erste 
Phalanx sich schon vom iimcrehenden Gewehe bei Embryonen der 
fünften und sechsten Woche abgesetzt hat, ist die zweite und dritte 
noch nicht zu erkennen; das Ende der Finger' und Zehenanlagen 
wird noch von einer kleinzelligen, in Wucherung begrifibnen Masse 
darpeJ'tellt. In dieser sondert sich hierauf (W*' zweite, znletzt die 
dritte Phalanx. Ferner eilen die vorderen Gliedmalsen den hintereu 
in ihrer Ansbildung etwas voraus. 

Bei der Entstehung des Extremitatenskeletts sind 
ebenfalls wie bei der Wirbelsäule und dem l^chftdel 
drei verscli iedene Stadien zu unterscheiden, ein Sta- 
dium der häutigen, der knorpeligen und der knöchernen 
Anlage. 

1) Sehulfor- vniä Beekeugfirtel. IMe Extremitlltengttrtel be- 
stehen bei ihrer Anlage aus je einem Paar von gebogenen Ku()ri)e]- 
sttlcken, die unter der Haut in die Rumiifmuskeln eingebettet sind 
und etwa in ihrer Mitte eine GeieukHäche zur Aufnahme des Skeletts 
der freien Extreroitftt tragen. Hierdurch zerfällt jeder "Knonel in 
eine dorsale, der Wirbelsäule genäherte, und in eine ventrale Hülfte. 
Die erstere ist bei den Säu^'etieren und dem Menschen zu einem 
breiten, schaufeiförmigen Stück umgestaltet, die ventrale Hälfte da- 
gegen, welche entweder nahe oder bis zur Medianebene heranreicht, 
ist in zwei auseinanderweichende Fortsätze, einen vorderen und einen 
hinteren, gesondert. Die so unterscheidbaren Knoipelstücke ver- 
knöchern von besoTuleren Knochenkernen aus und gewinnen hierdurch 
noch einen höheren Grad von Selbätäudigkeit. 

Das Schulterblatt des Menschen ist anfangs ein Knorpel 
von Ähnlicher Gestalt wie beim Erwachsenen, nur dafs die Basis 
scapnl;ie wfnit'or entwickelt ist. im iliitten Monat !>ef^innt die Ver- 
knöclieruiig vom Collum scapulae aus. Doch blfibt-n lange Zeit die 
Ränder, die Schultergräte und das Acromion knorpelig, was Sie zum 
Teil auch noch beim Neugeborenen sind. In ihnen entstehen hier 
und da noch accessorische Kerne im Kindesalter. 

Vom Gelcnkteil des Schulterblattes geht ventralwärts ein knor- 
peliger Fortsatz aus, der beim Menschen kurz, bei anderen Wirbel- 
tieren aber von beträchtlicher GrOfse ist und dann bis zum Brust* 
bcdn heranreicht. Er entspricht der hinteren der oben erw&hnten 

Spangen, in welche sich der ventiale Teil des Knorpelbogens ge- 
sondert bat, und ist als Pars coracoidea in der vergleichendeD 
Anatomie bekannt. Beim Menschen ist er nur kümmerlich entwickelt. 
Seine grOfsere Selbständigkeit gibt sich aber noch darin zu erkennen, 
dafs er im ersten Lebensjalire einen eigenen Kuoilienkern erliält. Aus 
diesem entsteht allmählich ein Knochenstückchen (üs coracoideum), 
welches bis zum 17. Jahre durch einen Knorpelslreifen mit dem 
Schulterblatt verbunden ist und sich daher ablAsen läfst. S])äter ver- 
einijit es sich mit ihm durcli Knochenmassr und stellt den Raben- 
schujibelfortsatz dar. Noch später erfolgt die Verschmelzung der 
oben erwähnten Nebenkernc, welchen eine gröfsere, morphologische 
Bedeutung nicht beizulegen ist. 



Die Orgftn« de» Zwisehenblattes oder Meflenchyn«. 



401 



Ühvv die ^^tt'lluiig , welche das Schlüsselbein am Schulter- 
gttrtel eiDiuiumt, gelieu die Ansichten nach zwei Richtungen auweia- 
aoder. Nach GOtte und Hoffmann etc. gehört es zu den primordialen 
knorpelig vorgebildeten Skel -t teilen und entspricht der vorderai 
ventralen Spange, welche die Urform des Schulterpürtels besessen 
hat. Nach Gboenbauh isf es ein Belegknochen, der mit dem knor- 
peligen Skelett iu ähnlicher Weise wie am Schädel die Helegkuocben 
mit dem Priraordialerftnium in Verbindung getreten ist. Zu der 
verscliiedenen Auffassung hat die eigentOmliche Entwicklungsweise 
des Schlüsselbeins die Veranlassunji; gepehen. Es ist der erste Knochen, 
der beim Menschen, und zwar schon iu dei siebeuten VVuche, gebildet 
wird. Wie Gioenbadr zuerst gefunden hat, entwickelt er sich am 
Anfang aus einem völlig indifferenten Gewebe. Dann setzen sich an 
seinen beiden Enden Kuorpehnassen an, die weicher und mit weniger 
Zwischensubstanz verseben sind als die gewöhnlichen embryonalen 
Knorpel. Sie dienen, wie bei den anderen knorpelig voi^bildeten 
Knochen, dem Längenwachstum des Schlüsselbeins nach l)eiden Enden 
hin. Auch entwickelt sich im sternalcu Ende, wie Kölliker erwähnt, 
eine Art Epiphysenkern zwischen dem 15. und 20. Lebensjahre und 
ven'Chmilzt bis zum 25. Jahre mit dem HauptstOck. 

Der Becke ngürtel läfst auch beim Menschen und l)ei den 
Säugetieren die ursprünglichen Verhältnisse noch am getreuesten 
erkennen. Er besteht in seiner ersten Anlage aus einem linken und 
einem rechten Hoftbeinknorpel , die ventralwftrts in der Symphyse 
durch Bindegewel)e vereinigt werden und in ihrer Mitte die Gelenk- 
pfanne tragen. .Teder Iltlftbeinknorpel läfst einen dorsal von der 
Planne gelegenen, verbreiterten Teil, welcher sich mit dem Sakral- 
abfichnitt der Wirbels&ule verbindet, den Darmbeinknorpel, unter- 
scheiden sowie zwei ventrale, in der Symphyse zusammen st ofseiide 
Knorpelspaneren , Scham- und Sitzl)ein, welche das Hütt! . inlorh 
(loramen obturatorium) umschliefsen. Vom Schambeinkuorpel be- 
richtet RosRNBRRG. daHs er zuerst selbständig angelegt werde, aber 
sehr bald mit den anderen Knorpeln in der Pfanne verschmelze. 

Die Verknöcherung beginnt am Kn ie des dritten Monats von 
drei Stelleu aus, und so bildet sich ein knöchernes Darm-, Scham- 
und Sitzbein auf Kosten des Knorpels, der aber noch zur Zeit 
der (lel)urt in ansehnlichen Resten vorhanden ist. Denn noch ist 
knorpelig der ganze Darmbeinkamm, der Hand und ( irund der Pfanne, 
die ganze Strecke vom Sitzbeinhöcker zum Schambeinhöcker. 

Nach der Geburt schreitet das Wachstum der drei Knochensttlcke 
nach der Pfanne vor. wo sie untereinander zusammentretTen , aber 
noch bis zur l'nbertüt diiich KiiorpelsTreifen, welche eine dreistrahlige 
Figur zusaimuen bilden, getrennt !>leiben. Im achten Lebensjahre 
etwa verschmeUeu Scham- und Sitzbein mit iiiremab- und aufsleigeuden 
Ast untereinander, so dafs jetzt jedes Htlftbeiii aus zwei durch 
Knorpelgewehe in der Pfanne vereinijiten Stücken, dem Darmbein 
und einem Schamsitzbein, besteht. Die^e vert inigen sich zu einem 
Stück erst zur Zeit der Pubertät. Wie am Schulter-, kommen auch 
am BeckengQrtel Nebenkerne vor, von denen einer, der zuweilen im 
Knorpel der Pfanne iinftrift . der wichtigste ist und als Os acetabiili 
beschrieben wird. Andere entslehen im knorpeligen Darmheinkamm 
und iu den Spinae und Tubercula und im Tuber ischii. Sie gesellen 
sich zum Hauptknochen erst am £nde der Wachstumsperiode hinzu. 

O. Hartwig, DI» BlanMüt* der EntwfekliiB^lahr». 2. AnS. 26 



402 



2) Skelett der freien Extremität. Alle Sk^letteile voo Haml. 
Ober- uüd Liiterarm. ehen&o vou bui». Ober- uiui L uterscheokel biud 
urtpiUBglich solide, hyaline KBorpelstfteke , weklie im grofben und 
ganzen ziemlich frühzeitig die riuf>enn Fonueii dir später au ihre 
Stelle tretenden Knorlien pewinuen. Gegen ilirr I 'i!Jii> lni!)ii '•ithI sie 
durch eine fa$>eiige liiudcgewebsschicbt, die kuurptiuberbaut uder das 
Ptorieboiidriiiin, abgegrenzt 

Vom Anfang des dritten Monats beginnt an den gröfseien Skelett- 
slückeii der Verknöcherimpsprozefs, bei welchem i?» .ilmlicher "Weise 
wie iiii,der Wirbelsäule das Knorpelgewebe zerstört uud durch Knochen- 
gewebe ersetit wird. Hierbei treten mehrere, allgemein gesetsroarsige 
Erscheinungen hervor, auf welche ich noch näher eingehen will, ohne 
indessen dabei die kninpllzierten. histologischen Vorgänge zu berück- 
sichtigen, Uber welche Lehrlȟcher der Oe webelehre Auskunft geben. 

Der VerkoAeherungsprozefs gestaltet sich ftafserlich etwas ver- 
schieden, je nachdem die Knorpel klein und in den Terschiedenen 
Dimensionen mchi- gleichmäffsig entwickelt sind wie an der HuDd- 
und der Fulswurzel oder sich mehr in die Länge gestreckt 
haben. 

Im ersten Kalle ist der Hergang ein einfacherer. Von der Knorpel- 
oberhaut her wachsen hindegewebi^rf 7r!lpnt»'if ht' Fortsätze mit Ge- 
fäfsen in den Knorpel hinein, lösen die Orundsubstanz auf uud ver- 
einigen sich in dem Zeotrnm untereinander. Es entsteht ein Netsweric 
von Maikiäunieu, in deren Umgebung es zu einer AUftgerung tob 
Kiillv^ il/i 11 (einer proviVonsrhcn Verkalkung) kommt. Die M ^k räume 
dcliuen sich mehr uud mein durch Zerstörung von Knorpeli^ubstanz 
aus. Dann werden von den oberflächlich gelegenen Markzellen Knochen- 
lamellen, die sich nach und nach verdicken, abgeschieden. Der so 
entstandene Knochenkem vergröfsert sich langsam, bis »^rbHerslirh 
der Knorpel last ganz vcnlräiigt und von ihm nur noch eine dUnue 
Schicht als Überzug au der Oberfläche übrig geblieben ist. Die 
Verknöcherung der Hand- und Ful'swurzelknochen ist somit eine rein 
enchondrale nii<l !j;eht gewöhnlich von ciDem. zuweilen auch von 
zwei Kiinchenkeruen aus. Sie beL-innt erst sehr spfit , in den ersten 
Jalueii nach der Geburt Eine Aui>uahme niacheu nur am Fufs der 
Calcaneus und Talus, welche im sechsten und siebenten Monat einen 
Knochenkern erhalten, und das Cahnid, das kurz vor der cbnrt /u 
ossifizieren l>eginnt. Bei den ülnijieu findet die Verknöclicrung uach 
der Geburt, wie KOlukek angibt, iu folgender Reihenfolge statt. 

I. An der Hand: 1) Capitatum und Hamatum (1. Jabr). 2) Tri- 
qnrtrura i'X Jahr). Multangulum majus und Lunatum Jahr). 
4) Navi<-ulare und Multangulum minus (<i— 8. Jahr). 5) Pisiforme 
(12. Jahr). 

IL Am Fulb: 1) Naviculare (I. Jahr). Cuneiforme I und II 

(3. Jahr). :\) Cuneiforme III (4. Jahr). 

In einer komplizierteren Weise vollzieht sich der V^erknöcherungs- 
prozels an den langen Knorpeln, au denen er auch viel früher, meist 
schon vom dritten embryonalen Monat an, beginnt. Der Hergang ist 
«in ziemlich typischer. Zuerst findet eino perichondrale Verknöcheruug 
in der Mitte der einzelnen Knorpel. de> Hnnierus und des Femnr, 
der Tibia uud der Fibula, des Radius und der L Ina, sUtt. \ on der 
Kuorpeloberbaut wird anstatt knorpeliger GrundsubsUnt Knochen- 
gewebe auf den bereits vorhandenen Knorpel aufgelagert, so dafs er 





Dia Organe des Zviaehenblattm od«r Mesenehyma. 



403 



in seiner Mitte von einem imBier dicker werdonden Knoehencylioder 

©ingescheidet wird. 

Das Weiter Wachstum dos so aus zwei Gewcbeu zusammeugesetzteü 
SkelettstQcks geht in einer doppelten Wei»e vor sich: erstens durch 
Wucherung' des Knorpels und zweitens diii rli Vermehrung der Knociien- 
substanz. Das Knorpelf?ewel)e veriuehit sich an den beiden Enden 
des Skelcttstücks und (rügt zu seiner Verlängerung uud Verdickung 
bei. In der Mitte dagegen, wo es von einem Knocheneylinder ein- 
gehüllt ist, bleil)t es im Waclistum stellen. Iiier findet fortwahrend 
eine Auflap:erun^' neuer Knoclirnhunellen auf die bereits gel>ildeten 
von der ursprünglichen Knurpulliaut oder, wie man jetzt riclitiger 
sagt, von der Knoctienoberksut aus statt. Hierbei dehnen sich die 
spftter abgelagerten Lamellen immer weiter nach den beiden Enden 
des ^^kelettstücks aus: es werden immer neue Knorpelbezirke vom 
Knochen eingescheidet und in ihrem Wachstum gehemmt. Die 
periostale Knocbenscheide aber nimmt infolgedessen die Form zweier 
mit ihren Spitzen verbundener Trichter an. 

Der den Trichter ausftlllende Knoi erführt frühzeitig eine all- 
mähliciie üm- uud E&ckbildung. Vou der knöchernen Scheide aus 
wachsen Biodegewebszflge mit Blut^fkfsen in ihn hinein, UVaen die 
Grundsubstanz auf und « r/eu^^'n gröfsere und kleinere Markräume. 
Indem dann an der ( »' erHiu he derselben nuph Knochen^rewehe auf die 
stebengebliebeneu Knoipelreste ausgeschieden wird, entwickelt sich 
eine spongiöse, knöcherne Substanz, welche die trichterfbrmigen Hohlen 
des peri<)>tal entstandenen, kompakten Knochenmantels ausfüllt. Der 
spongiöse Knochen ist übrigens iinr eine vergängliche Bildung. Nach 
und nach wird er von der Mitte des Skelettstüfks aus wieder auf- 
gelöst, wobei an seine Stelle weiches, mit Blutgefäfsen reichlich ver- 
sehenes Mark tritt. Auf diese Weise entsteht in der ursprünglich 
ganz kompakten Knorpelaolage die grofse Markhöhle der Röhren- 
kuochen. 

Während dieser Vorgänge bleiben die beiden Enden immer noch 
knorpelig und dienen noch lange Zeit durch ihre Wucherung zum 
Längenwachstum des Skelettstüeks. Sie werden als die beiden 
Kpiplivsen bezeichnet, im Gegensatz zu dem zuerst verknöcherten 
Miltelstuck, welches den Namen der D i a p hy se erhalten hat. Letztere 
vergröl^ert sich auf Kosten des Epiphysenknorpels, indem sich der 
enchondrale Verknöcherungsprn/efs mit ein r ^i. h deutlich markierenden 
Verknöcherungslinie nach beiden Enden tortsetzt. 

Eine neue Komplikation tritt in der Entwicklung der iiöhren- 
knoehen entweder kurze Zeit vor der Geburt oder in den ersten 
Lebensjahren ein. Es bilden sich dann nilmlidi in der Mitte jeder 
Epiphyse besondere Verknöcherungscentren , die sogenannten 
Epipbysenkerne, aus, indem in der schon früher beschriebenen 
Weise blutgefilfsfnhrende Kanftle durch Auflösung der Knorpelsubstanz 
entstehen und sich zu gröfseren Markr[\umen verbinden . an deren 
Obertliiche dann Knochengewebe ausgesehieden wird. Durch langsam 
fortschreitende, auf Jahre sich erstreckende Vergröl'serung der Knochen- 
kerne wird der Epiphysenknorpel nach und nach in eine spongiöse 
Knochen Scheibe umgewandelt und sehliefslich bis auf geringe 
Üestp zerstört. Einmal erhält sich eine nur wenige Millimeter dicke 
Schicht als Überzug an der freien OberHäche und stellt den „Geleuk- 
knorpel* dar. Zweitens bleibt eine dttnne Knorpelschicht lange 

26« 



Digiii^cu by Google 



404 



Zwölftes KaptoL 



Zeit zwischen dem zuerst eutstaudenen , knöclierneu Mittelsttick und 
den kuücheinen .»-cheibenlörmigen Epiphysen bestehen und dient deiu 
Längenwachstum des Skelettstfieks. Der Knorpel nämlich ▼ermehrt 
sich durch Wucherung seiner Zellen in energischer Weise und wird 
in «leniselben Mafse immer wipfU"! neu ersetzt, wie er an seinen 
beiden Endflächen durch enchoudrale Verknöcherung aufgelöst wird; 
denn auf seine Kosten wachst sowohl die knöcherne Epiphyse als auch, 
und zwar in viel bedeutenderem Marto, die sich rascher Tergröftemde 
Diaphyse. 

So kommt es, dals muu Köhrenkuocheu , deren Wachstum noch 
nicht abgcbchlossen ist, in drei Knochenstucke zerlegen kann, wenn 
man die organischen Teile durch Fftulnis entfernt. Eine Verschmelzung 
zu einem einzigen KnocluMistüc]< erfol^'t erst, wenn zur Zeit der 
Geschlechtsreife das LÄngenwaclistuni des Körpers beendet ist. Dann 
werden die dünnen Knorpellamellen zwischen der Diaphyse und ihren 
beiden Epiphysen zerstört und noch in Knochensubstanz umgewandelt. 
Von (Hest I Zeit an ist eine weitere VeigröfeeruDg des Knochens in 
der Länf2;e nicht mehr möglich. 

Aulser den drei eben beschriebenen, typischen und hauptsäclilic-hen 
Centreu, von denen die Verknöcheruiig der knorpeligen Anlage eines 
Röhrenknochens ausgeht, legen sich in vielen Fftllen noch kleinere 
Verknöcherungscentren von einer mehr untergeordneten Bedeutung 
an, welche man als accessorische Knochenkerne oder als 
Neben kerne bezeichnet. Sie entstehen immer erst in späteren 
Jahren, wenn die Epiphysen weit entwickelt und zuweilen schon mit 
der Diai)liyse in Versfhmelzunfi begriffen sind. Sie treten dann an 
solclien Stellen auf, an denen <i!H knorpelige Anlage Höcker und Vor- 
Sprünge besitzt, wie in den lubercula des 01)erarms, in den Truch- 
anteren des Femur, den Epicondyli etc. Sie dienen zur Umwandlung 
derselben in Kuochenmasse und verschmelzen gewöhnlich am spfttesten 
mit dem Hauptkuocben. 

Angaben über don Beginn der VerknScberung in den etnselnen 
Skelettstückon. Das Oberarmbein verknöchert in der Diaphyse in der 
achten Woche. Epiph.vsenkeme bilden sich erst nach der Geburt aoi An- 
fang des ersten od«r am Anftog dea zweiten Lebensjahres. Im zweiten 
Jahre treten Nebenkrrno im Tuberculum majus und minus, vom fünften 
.Tahrp an in den EpicoiulN len auf. — Radius und Ulna vorknöcheni in der 
i>iapiiyse ebenfalls vou der achten Woche an, Epiphysenkerne erscheinen 
erst vom zweiten bis fünften Lebensjahre an. Nebenkeme werden ziemlieh 
spät in den Griifclfortsätzen beobachtet. — • Die Metacarpalia verknöchern 
Von dor neunten Woche an, doch so, dafs nur eine knorpelige Epiphyse, 
und zwar (mit Ausnahroe des Metacarpale des Daumens) am distalen Ende, 
entsteht. Diese erhalt im dritten Lebensjahre einen eigenen Knochenkem. — 
Die Verknöcherong in dt ii Phalangen beginnt zu derselben Zeit wie in den 
Metarari<alia. — Das Uberschinkt lliein verknöchert von der siebenten W^ochc 
au. tieriiigc Zeit vor der Geburt legt sich in der distalen Epiphyse ein 
Knochenkem an, welcher mit zu den Zeichen, dafs ein Kind ausgetragen 
ist, gehört und daher für forensische Zwecke eine gewisse Bedeutung besitzt. 
Nach der Geburt tritt bald oin Kpiiihyscnkorn im Kopf dos Femur auf. 
Mebenkerue bilden sich im tünlieu Lebensjahre im Trochanter maior, im 
13. bis 14. im Trochanter minor. — Tibia nnd Fibnla erhalten ihre £pi- 
physenkerae nach der Gebart »nerst am proximalen, dann am distalen Ende 



Die Organe de« ZvisehenbUtte» oder Mesenchyms. 405 

iin erbten und dritten Lebensjahre, und zwar so, duls die Verknoclierungeii 
In der Fibola etwa um ein Jahr später als in der Tibia erfolgen. Obobk- 

BAHR sieht hierin nine T'ntcrortlnunjz der funktionellen TJedcutung der Fibula 
im Vergleiche zur Tilna aus^'odrllrkt. — Die Kniescheilic verknöchert vom 
dritten Jahre an. — Für die Metaiar^aiia. uad die Zeheuphalaugeu gilt im 
aUgemeinen das fttr die entepreehendea Teile der Hand Gesagte. 

8) Eiitwicklnng der Gelenke. Dii sich die einzelueu Knorpel- 
»tOcke des Körpers in den Bindegewebssebictaten durch histologische 

Metamorphose iiiilefiPTi , sn werden sie ursprün^^lieh untereinander 
durch Reste des Muttergewehus verbunden. Dieses iiiinnit pewölinlich 
eine mehr derbfaserige liäschaffenheit an und gestaltet sich so zu 
einem besonderen Bande. Eine derartige Vereinigung der eim^lnen 
Skeletteile ist bei niederen Wirbeltieren, wie bei den Haien, die 
vorherrscliende Bei den höheren Wirbeitieren und dem Menschen 
erhält sie sicli uur an manchen Orten, wie au der Wirbelsäule, iu 
welcher die einzelnen WirbelkOrper durch bindegewebige Zwischen- 
scheiben ztisaniinenhangeu. An solchen Stellen dagegen , an welchen 
die aufeinanderstofseuden Skeletteile einen höheren (irad von Be- 
weglichkeit zueinander gewinnen, tritt an Stelle der einfacheren, 
bindegewebigen Vereinigung die kompliziertere Gelenkverbindung. 

Bei der Entwicklung der Gelenke sind folgende allgemeine Er-, 
scbeinungen zu beobachten: 

Junge Knorpelanlagen, wie z. B. vom Ober- und Untersciienkel. 
sind auf frühen Stadien au den Stellen, wo sich später die Geienk- 
höhle ausbildet, durch ein sehr zellenreiches Zwischengewebe getrennt 
(Zwischenscheibe von Henke und Brihkk). Das Zwischengewebe 
verliei t ; ])ater an Ausdehnung, inrii ni ;uif seine Kosten die Knorpel 
an ihreu Enden wachsen. In vicJeu Fillleu schwindet es vollständig, 
SO dafs dann die Endflächen der betreflfendeu Skeletteile sich un- 
mittelbar eine Strecke weit berühren. 

Jetzt hat sich jun Ii schon die spezifische Krümmung der Gclenk- 
Hächen mehr oder minder gut ausgebildet. Es ist dies zu einer Zeil 
geschehen, wo eine Gelenkhöhle noch nicht vorhanden ist, und wo 
auch Bewegungen der Skeletteile nicht ausgeführt werden können, 
da die Muskeln nicht funktionsfaliig in l Hieraus folgt, dafs wilhrend 
des eml>rvonalen Trebens die (ielenktiiirhen ihre speziti'^'-ho Fnrtn nicht 
unter dem Kiuiiuls der Muskeltäligkeit gewinnen kunuru, uuii dafs 
sie sich nicht gleichsam durch Abschleifung und Anpassung aneinander 
infolge bestimmter, wiederkehrender Verschiebungen auf einfach 
mechanischem Wege bilden, wie von manchen Seiten angenommen 
worden ist. Die frühzeitig eintreteude, typische Gestaltung der Gelenke 
erscheint daher als eine ererbte (Bebnats). Nur fttr Verftnderungen 
auf späteren Stadien kann die Muskeltätigkeit in Frage kommen, und 
wird sie auf <iie weitere Ausbildung und Formung der Geleuklläcbeu 
nicht ohne EiuHuls sein. 

Wenn nach Schwund des Zwischen ge wehes die Endflächen der 
sich entwickelnden Knori>el in unmittelbare Berührung kommen, tritt 
zwischen ihnen ein schmaler Spalt auf als erste Anlage der Gelenk- 
höhle. Er wird unmittelbar vom hyalinen Gelenkknorpel begrenzt, 
der in seinem Bereich keine besondere Knorpeloberhaut besitzt. Gegen 
das umgebende Bindegewehe findet hierauf allm&hlich eine schärfere 
Abgrenzung der Gelenkhdhle statt, indem sich von einem Knorpel zum 



Digiii^uu by G(.)0^1c 



40(i Zwdlftes KftpiteL 

anderen ( im' ff--teie Biiidefiewebsschiclit entwickelt und zum Kapsel- 
band w!i I uiui andere Faserzüge sieb zu einzelnen straffen Geleuk- 
oiiudeiu iurmen. 

Etwas abweichend gestaltet sieh der Entwicklungsprozefs . wenn 

die Gelenkfläclien niclit aufeinandcr[)assen. In ditsen Falleu können 
sich die Knd< ii der Knorpel nicht in der eben beschriebenen Weise 
unmittelbar berühren; sie bleiben jetzt durch mehr oder minder be- 
deutende Reste des zellenreiehen Zwischeogewebes getrennt, welches 
alsdann immer mehr eine derbfaserige Bei^chaflenheit annimmt. 

Wenn das Zwischengevrebe in ganzer Ausdehnung erhalten bleibt, 
entsteht eine feinknorpelige Zwischengelenkscheibe (Zwischeuknorpel), 
welche sich als ein elastisches Polster zwischen die SkelettstQcke 
hineinschiebt. Hier bildet sich je eine Gelenksj)alfe zwischen der 
Bandscheibe und den beiden Endflflchen der Gelenkknor|ieI aus, oder, 
mit anderen Worten: es .entwickelt sich eine Gclenkhöhle, welche durch 
eine Zwischenscheibe in zwei Rftume getrennt ist. 

Endlich fcomint noch eine besondere Modifikation der Gelenke 
zustande, wenn Bich die Knorpel teilweise berühren, teilweise durch 
Zwischen ge webe getrennt bleiben. In diesem Falle erscheint an der 
Bertthrungsstelle eine einfache Gelenkspalte; seitwärts aber vergrAftert 
sich dieselbe dadurch, dafs sich die nicht kongruenten Teile der 
Knorpeltlrichen von dem sie trennenden Zwischenpewcbe ahs|ialten. 
So entsteht zwar emu einheitliche Gelenkhöhle, doch schieben sich in 
sie von der Gelenkkapsel her die Umbildungsprodukte des Zwischen- 

Sewebes hinein und stellen die sogenannten nalhmondfftrmigen Faser« 
norpel oder Menisci, wio nin Kniegelenk, dar. 

Wie schon früher bei der Entwicklung der Extreinitiltunknochen 
beschrieben wurde, erhält sich ein aufserordentlich geringer Rest der 
Knorpelanlage audi nach Ahsclilufs des VerknOcherun^'sprozesses und 
bildet einen nur wenige Millimeter dicken Knnr|ielnber7u? an den 
Gelenktlächen. P'-inen solchen besitzen die Gelenktiächen aller Knochen, 
welche fich aus einer knorpeligen Anlage entwickeln. 

Anders liegen die Verhältnisse, wenn Knochen, die im Binde- 
gewebe direkt entstanden sind, wie die Belejjknochen. in eine wirkliche 
Gelenkverbindung miteinander treten. Kineo derartigen Fall bietet 
uns bei den Säugetieren das Kiefcrgelenk dar. An iiim wird der 
Gelenkfortsatz des Unterkiefers sowie die Gelenkgrube an der Schuppe 
des Schl.tfenl)eins von einer diVnnen. nicht vorknöfherten Gewebsschicht 
überzo}.'en. Sie sielit bei Hüchtitieni Anblick wie Knor]>el aus und 
wird auch gewoiiulicb als solcher beschrieben. Bei mikroskopischer 
Untersuchung aber zeigt sich, dafs sie sich nur aus Lagen von Binde« 
gewebsfasern zusammensetzt Wie es knorpelig und bindefiewebig 
prüfoi'mierte Knochen gibt, so hat man auch zu unterscheiden zwischen 
Gelenken mit einem Überzug von hyalinem Knorpel und Gelenken 
mit einem Überzug von faseriger Bindesubstanz. 

Bepotitotlam au Kapitel ZZL 

L EntwifUnng des Herzens. 1) In der ersten Anlage de« 

Herzens sind zv,ri \ r>chiedene Typen bei den Wirbeltieren zu anter- 
'^flifiden: a) Bei Cyklostonien, Selachiern, Ganoiden, Amphibien ent- 
wickelt sich das Herz von Anfang an unpaar an der unteren Fläche 
der Kopfdarmhöhle fan ventralen DarmgekrOse, wekbes dadnrdi in ein 



Die Organe des Zwischenblattes oder Meseacbyms. 



407 



Mesocardinm anterius und posterius zerlegt wird, b) Bei Vögeln und 
Säugetieren entwickelt sich das Herz ans zwei getrennten Hälfton, 
welche nachträglich untereinander zu einem einfachen und dann wie 
beim ersteu Typus geliigerteu Schlauch verschmelzen. 

2) Der zweite Typus ist von dem ersten abzuleiten und aus An- 
passung an den Dottergehalt des Eies zu erklären, indem sich djis 
Herz zu einer Zeit anlegt . wo die Darmplatte noch auf dem Dotter 
ausgebreitet uud uoch niciit zur Kopfdarmböhle zusammengefaltet ist. 

3) Das Herz legt sich bei allen Wirbeltieren zuerst in der Kopf« 
halsgegend hinter dem letzten Schlundbogen an. 

4) Das hiütere, venöse Ende des Hcrzschiauchs nimmt das Blut 
aus dem Kürper durch die Veoae omphalo-meseutericae auf, das 
vordere, arteneile Ende gibt es dureb den Truncus arteriosus an den 
KOrper ab. 

5) Der einfache Herzsclilaucb geht bei Amnioten: a) durch 
Krümmungen, Einschnürungen und Lagevcrauderuugeu und b) durch 
Bildung von Scbeidewftnden im Innern in das aus zwei Kammern und 
zwei Vorhöfen zusammengesetzte Herz über. 

♦») Der gerade Schlauch nimmt die Form eines S an. 

7) Der venöse Abschnitt des S kommt mehr dorsal, der arterielle 
mehr ventral zu liegen ; beide setzen sieh durch eine enge Stelle, den 
Obrkanal. als Vorbof und Kammer gegeneinander ab. 

8) Der Vorhof treibt seitliche Aus^tfilpunpen , die IlerzohreUt 
welche sich von hinten um den Truucuü arteriosus herumlegeu. 

9) Die Sebeidewandbildung , durch welche Vorbof, Kammer und 
Truncus arteriosus in eine linke und eine fechte Hftlfte abgeteilt 
werden, fiepinnt von drei verFchii'iienen Stellen ans. 

a) Zuerst zerfällt der Vorbof durch die Vorhofsscheidewand in 
eine linke und eine rechte Hälfte; die Trennung wird aber wieder 
eine unvollständige dadurch, dafs in der Scheidewand eine Durch- 
brechung entsteht, das Foran^Mi <n ale, das Iiis zur Geburt offen bleibt. 

b) indem die Vorhofsschcidewaud nach abwärts wächst (Septum 
intermedium, His), trifft sie den Ohrkaual uud zerlegt ihn in das 
linke und das rechte Ostium atrioventriculare. 

c) Die Kammer zerfällt flurrh das von der Herzspitze aus ent- 
stehende Septum ventriculi iu itne durch den Sulcus interventricularis 
auch äufserlicb gesonderten Hälften. 

d) Der Truncus arteriosus teilt sich in Pulmonalarterie und 
Aorta dnri Ii Entwicklung einer besonderen Scheidewand, welche zuerst 
oben be^uuit. nach abwärts wachst und sich mit der Kammerscheide- 
wand vereinigt. 

e) Die vollständige Trennung im Vorbof erfolgt ent nach der 
Geburt durch dauernden Verscliluls des Foramen ovale. 

10) Am Ostium atrioventriculare und amOstinm nrteriosum bilden 
sich die ersten Anlagen der Klappen als uach luueu vorspringende 
Verdickungen des Endokards (Enootbelkissen). 

n. EntwieUung der grolhen Arterien dea Menseheii. 1) Aus 

dem Truncus arteriosus entspringen sechs Paar Schlundbogengefäfse 
(Aortenbogen), welche an den Schhindbofjen verlaufen, die Kopfdarm- 
höhle umfassen und sich dorsal zu den beiden primitiven Aorten ver- 
einigen. 

2) Die beiden primitiven Aorten verschmelzen frühzeitig zu der 
unftaaren. unter der Wirbelsäule gelegenen Aorta. 



Digitizea by .Google 



408 



Zwölftes Kapitel. 



3) Von den sechs Paar Schlundbogcngefäfsen bildet sich das erste, 
/weite und fünfte Paar zurück, das dritte liefert das Anfan^HstOck 
der Karotis interna, der vierte Bogen wird auf der linken Seite zunoi 
Aortenbogen, auf der rechten Seite zur Arteria anonyma braebio- 
cephalica und zum Anfangsstück <kr Subclavia; der letzte Bogen gibt 
Äste zur Lunge ab und wird zur ruhnnnalarterie. bleibt aber liTik»M- 
»eits bis zur Geburt durch den Ductus Botaüi mit dem Aorteut>ügen 
in offener Verbindung, wfthrend er auf der rechten Seite verkammert. 

4) Nach der Geburt seblieDst sich der Ductus Botalli und liefert 

das gleichnamige Band. 

Von fler Aorta gehen zwei Paar Arterienstamme zu den em- 
bryonalen Anhaugsorganeu, die Arteriac oniphalo-niesentericae zu dem 
Dottersack, die Nabelarterien zum Hamsack und zum Mutterkuchen. 

6) Die Arteriae omphalo-mesentericae dienen dem Dotterkreislauf 

und verkümmern später uiit der Tlttckbildung des Nabelbläscbens. 

7) Die Nabelarterien, welche mit der EntwiLklun^ des Mutter- 
kucliens nnsehulicher werden, entspringen vom Lendenteil der Aorta, 
ziehen m der seitlichen Btckenwaiid uaeh vuru. dann zur Seite der 
Blase an der Innenfläche des Bauches zum Nabel und Nabelstrang. 

8) Die Nabelarterien geben die A. iliaca interna zur BeckenhOhle, 

die A. iliaca externa zur unteren Extremität ab. 

9) Nach der Geburt verkümmern die Nabelarterien ztini seit- 
lichen Blasennabeiband (Ligamentum vesico-umbilicale laterale), bis 
auf ihr Anfangsstfick, das als A. iliaca communis bestehen bleibt. 

III. Entwicklung der grofseu Yenen. 1) Mit Ausnahme der 
unteren Hohlvene werden alle Venenstftrame paarig angelegt 

2) Die beiden Venne jugulares sammeln das Blut vom Kopf, die 
beiden Kardinal venen vom Bnmpf. besonders aber von den IJrnieren. 

8) Jugular- und Kardinalveneu verbinden si( Ii jedpvseit> /m den 
CuviEBScheu Gängen, die in querer RichLung von der seitlichen Kumpl- 
wand zum hinteren Ende des Herzens ziehen, in eine Querfalte der 
vorderen Runipfwniid. das Septum transversnm. eingebettet. 

4) Die beiden Dottervenen siunnieln das Blut ans dem Dnttersack 
und verlaufen vom Nabel au in dem ventralen Darmgekröse gleich- 
falls zum Septum transversum. 

5) Die beiden Nabelvenen sammeln das Bhit aus dem Mutter* 
kuclien und verlanf ii von der Insertion der Nabelschnur anfangs in 
der Bauchwand zum Septum transversum. 

6) Im Septum transversum vereinigen sieb Cuviznsche Gftnge, 
Dotter- und Nabelvenen zum Sinus reunicns, welcher später als selb- 
ständiges (icliilde schwindet und in den Ilerzvorliot' einsezo^en wird. 

7) Die Kardinalveneu verlieren an Bedeutung a) infolge der Kück- 
bildung der Uruiere und b) dadurch, dal^ die untere Hohlvene das 
Blut aus der unteren Körperhftlfte zum Herzen zurückleitet. 

S) Die untere Ihdilvene entsteht mit ihrem oberen Teil als ein 
unpaares Ciefäfs zwischen bei«leu Kardinalveuen und verbindet sich 
darauf an der Kiumündungsstelle der Niereuvene mit der rechten 
Kardinalvene, die sich so zum unteren Abschnitt der unteren Hohl- 
vene umbildet. 

0) Die CuviKKsclien (iänge mit dem Anfang der Jugularveaen 
werden als obere Hohlveneu bezeichnet. 



Digiii^cu by Lj 



Die Organe des Zwischenblattes oder Mesenchymü. 



409 



10) Eine Agyminetrie der paarig aD gelegten YenenBtllinine wird 

dadurch luM vorfjenift n . dafs sich die beiden oberen Hohlvenen und 
die beiden KardiTnihenen in ihrer Mitte durch Queratämnie verbinden. 

11) Da durch die Queranastonioseu das Blut aus den Stämmen 
der linken Kftrperhftlfte in diejenigen der rechten Hälfte mehr und 
mehr übergeleitet wird, bildet sich das Endstück der oberen linken 
Hohlvene zurück bis auf einen kleinen, in der Kranzfurche des 
Herzens gelegenen Teil, der die Herzveneu aufnimmt und zum Sinus 
coronariiis cordis wird. Ebenso schwindet das Herzende der linken 
Kardinalvene. 

12) Aus patiripen Anlagon gehen so die un]vaare oberr Hohlvene, 
der Sinus coronarius cordis, die V. azygos und hemiazygos hervor. 

13) Die Dottervenen, die sfiäter nnpaar werden, eneugen, wenn 
sich die Leber entwickelt, den Pfortaderkreislauf (V. hepaticse ad- 
vehentes und rovrhciites). 

14) Die Isabelvenen, von denen die rechte früh verkümmert, 
gehen ursprünglich in der Rauchwand über der Leber zum Sinus 
reuniens, dann bildet die linke eine Anastomose mit der Dottervene 
II n t e r der Leber, wodurch ihr Blutstrom sich am Pfortaderkreislauf 
beteiligt. 

15) Aus einer Anastomose zwischen der Nabel vene und dem 
Herzende der unteren Hohlvene entstellt an der unteren Fl&che der 
Leber der Ductus venosus Arantii. was eine Teilung des Nabelvenen* 
blutes in zwei Strombahnen zur Fol^o hat. 

10) Nach der Geburt verküinmert die Nabelvene zum LimuneiUuui 
teres hepatis, der Ductus venosus Arantii obliteriert; die Venae he- 
paticao advrhentes erhalten ihr Blut nur noch vom Endstück der 
Dottervene, der späteren Pfortader, welche das Blut vom Darmkanal 
sammelt. 

17) Das Septum transversum, in welchem die zum Herzen treten- 
den Venenstömmo veilatifon. bildet don Aus^an? für die Entwicklung 
dfs Zwerchfells und dos Herzbeutels uud .stellt zuerst eine unvoll- 
ständige Scheidewand zwischen Bauchhöhle uud Herzbeutel brusthöhle 
dar, welche jederseits von der Wirbelsäule noch untereinander zu- 
sammenhllngen. 

18) Zuerst sondert sich der Herzbeutel von der Brusthöhle a) da- 
durch, dals die CuviEKschen Gänge (die oberen Holilven« n) anstatt 
quer, immer mehr schWlg von oben nach unten verlaufen, sich vom 
Septum transversum loslösen und das Brustfell zu der von oben nach 
unten verlaufenden . nach innen vorspringenden Herzbeutelfalte er- 
heben, b) dadurch, dals die Herzbeutelfalte mit dem Mediastinum 
posterius verschmilzt, in welchem Speiseröhre und Aorta einge- 
schlossen sind, wohei die oberon Hohlvenen in das Mediastinum mit 
überwanden!. 

lUj Die Brusthöhlen stellen eine Zeitlung <iorsal vom Herziieutel 
links und rechts von der Wirbelsäule gelegene, rdhrenfömiige Hohl- 
räume dar, welche die sich entwickeloden Lungen aufnehmen und 
kaudalwärts no( Ii mit der Bauchhöhle zusammenbflnfipn. 

20) Die beiden Brusthöhlen treuueu sich von der Bauchhöhle, 
indem der dorsale Rand des Septum transversum mit Bauehfellfalten 
der hinteren Rumpfwand (den Pfeilern UsKOWS) verschmilzt. 

21) Das Zwerchfell setzt sich ans einem ventialen Teil, dem 
Septum transversum, uud einem dorsalen Teil, den Pfeilern, zusammen. 



Digitized jDy Google 



410 



Zwölites Kapitel. 



22) In dits Sdptum traiMversum sowie in das mit ihm zusammeD- 

häDgende Mesopastrium anterius wächst die hehiT Ihm ihrer ersten 
Anhit'p hinein, löst sich aber später von ihm ah und hh iht nur uoeh 
durch inreu BHUchfellüberzug, das Kranzhand uud eiiien Teil des 
Ligamentiini Ruspensorittm mit dem Zwerchfell verbnndeii. 

Eiitwielüiaiig des Skelette« 

A. Die Wlrbelflftole. 1) Man unterscheidet drei verschiedene 

Eotwicklungsstufeü : a) die häutige Wirbelsäule mit Chorda dorsalis 
(Kücken Saite); h) die knnrpelifie und c) die knöcherne Wirbelsäule. 

2) Die Chonia entwickelt sich aus einein unterhalb des Kerven- 
rohrs gelegenen Zellenstreifen des inneren KeiraUattes (Chorda- 
entoblast, Chordaanlage) und trennt sich von ihm durch Absclinfining 
(Chordafalteu). 

3> Die Chorda bildet einen aus blasigen Zellen zusauiuien- 
gOMtzten, von einer festen Scheide abgegrenzten Stab, der unterhalb 

des MittelhirnMiischens (in der Gegend des Späteren Türkenaattels 

der Schiidelbasis) beginnt und bis ins Schwanzende reicht. 

4) Als bleibende Skelettaulage findet sich die Chorda nur bei 
AmphioiQS nnd den Gyklofttomen. 

5) Eine knorpelige Wirbelsäule bleibt nur bei Selachiem und 
einigen Ganoiden bestellen l ei den übrigen Wirbeltieren spielt sie 
nur als Vorläufer der Kiiodieiueu Wirbelsäule eine Bolle. 

(i) Die knorpelige Wirbelsftnle entwickelt f^ieh durch histologische 
Metamorphose nus embryonalem Bindegewebe, das a) als skelettogene 
Chordasciieide die Clinrda f^inschliefst, b) um das Kervenrohr eine 
Hülle (häutige Wirbelbo^en) herstellt, c) zwischen die Myomeren die 
Ligamenta intermuscularia entsendet. 

7) Der Verknorpelungsprozefs beginnt zu beiden Seiten der Chorda 
und bildet um sie einen knorpelring, den Wirbdkörper. von welchem 
der N t'rknorpeluugsprozels sieh in der hiUitigen Hülle des Nerven- 
rohrs ausbreitet, die Wirbeibügcii liefert uud mit der Entstehung des 
Wirbeldorns seineu Abschlufs findet. 

8) V.r-t diireli die Verknorpelung der Rkelettbildendcn Chorda- 
scheide erluiirt das Achsenskelett eine (iliedernng in einzelne Wirbel- 
abschuitte dadurch, dai's Reste <les MuUt>r{;e\vel>es nicht verkuorpeln 
und zwischen den Wirbelkörpem zu den Zwischenwirbelscheiben, 
zwischt n den Bogen zu den Ligamenta intorcruralia etc. werden. 

9) Die Segmentierung der Wirbelsäule i.st in Abhängigkeit von 
der Segmentierung der Muskulatur entstanden in der Weise, dal's 
Sk^ett- nnd Muskelsegmente miteinander alternieren, und dafs die 
neben dem Arhsenskelett gelegenen Li\n<ismuskelfjisern sieh mit ihren 
Enden an zwei Wirbel ansetzen uud sie gegeneinander zu bewegen 
imstande sind. 

10) Die von den knorpeligen Wirbelkftrpem eingeschlossene 

Chorda wird in ihrem Wachstum gehemmt und bei den einzelnen 
Klassen der Wirbeltiere in verschiedener Weise rückgebildet : bei den 
Säugetieren verkümmert ihr Abschnitt im Wirbelkörper vollständig, 
während sich in der Zwischenwirbelscheibe ein Rest alsGallertkem erhält. 

11) Die knorpelige Wirbelsäule wandelt sich bei den meisten 
Wirbeltierklassen in eine knöeliHiiu' um dadurch, dafs das Knorpel- 
gewebe zerstört und durch Knocheugcwel>e ersetzt wird. 



Die Organe des ZwiscbenbUttes oder Mesenchymi. 



411 



12) Jede knorpelige Wirbelanlage verknöchert beim Mensehen 

von drei Kernen aus, von einem Kern in dem Körper und von je 
einem Kern iü «Icn Bogen. (Später noch accessorische KnochtMikcrnc.) 

13) Zu uUeiu Wirbelsegment gesellt sich ein Paar Kippen hinzu, 
welche dural einen Verknorpelungsprozefls in den Ligamenta inter* 
muscularia ihren Ursprung nehmen. 

14) Beim Menschen bilden sich die verschiedenen Abschnitte der 
W irbels&ule durch Metamorphose der Wirbel- und Rippenanlagen. 

a) An der Brustwirbelsilttle gelangen die Bippen zu voller Avs- 
bildung, verbreitern sich zum Teil mit ihren ventralen Enden nnd 
vereinigen sieh zu den beiden Sterualleisten, aus deren VerFchmelzung 
das unpaare Brustbein hervorgeht (Fissura sterni). 

b) An der Hals- und LendeuwirhelsAule bleiben die Rippenanlagen 
klein und venehnielzen mit Auswflchsm der Wirbel, mit den Quer- 
fortsi\t7en. ZU den Seitenfortsatzen. Hierbei erliiilt sieh am Hals 
zwischen dem Querfortsatz und dem Hippenrudiment das Foramen 
transversarium für die Vertebralarterio. 

c) Atlas und Epist.ropheus nehmen eine besondere Gestalt dadurch 
an, dafs sich der Körper des Atlas von seiner Bogenanlage getrennt 
erbRlt . dagegen sich mit dem Kftrper des Fynstrophens vereinigt 
und seinen Zahnfortsatz (iarsfellt (Kuochenkeru im Zahufort^atz). 

d) Da« Kreuzbein geht aus der Verschmelzung von fünf Wirbeln 
und von den zu ihnen gehörigen Sakralrippen liervor» welche durch 
ihre Versf hmelzunpr die Massae laterales erzeugen. 

R. Das KopfKkelett. 1) Per Sehadel durchläuft wie die Wirbel- 
säule drei Furmzustände : a)hnutiges, b) knorpeliges Primordialcranium, 
c) knucherne Schildelkapsel. 

2) Das hflutige Primordialcraniura besteht: a) aus dem vordersten 
Ende der Chorda , welche bis zum vorderen Rand des Mittelhirn- 
blüschens reicht, und h) aus einer Bindegewebsschicht . wclehf als 
skelettogene Schiclit die Ghordu umgibt und nach oben eine iiuuLige 
UmhttUung um die fanf Hirnblasen liefert. 

3) Durch gewebliche Metamorphose des hftutigen Primordialeranium 
nimmt das knorpelifre seinen ürsprunp. 

a) Zu beiden Seiten der Chorda legen sich zuerst zwei kuor[)elige 
Parachordalia an, welche alsbald von oben nach unten die Chorda um- 
wachsen und sich zu einer Knorpelplatte verbinden. 

b) Nach vorn von den Parachordalia treten die KATUKKsehen 
Schädelbalken auf, vereinigen bich bald an ihren hinteren Enden mit 
den Parachordalknorpeln , verbreitern sich an ihren vorderen Enden 
und verschmelze zur Ethmoidalplatte ; in ihrer Mitte bleiben sie 
lungere Zeit getrennt und umfassen die Hypophysis (Gegend der 
Sattel grübe). 

c) Von der so eutstaudeuen knorpeligen Schädelbasis aus greift 
der Verknorpelungsprozefs wie bei der Fntwicklunn der Wirbelsäule 
zuerst auf die Seitenwand, zuletzt auf die Decke des häutigen Prim- 
ordialeranium über und nimmt hierbei zum Teil die höheren Sinnes- 
organe in sich aul. 

4) Bei den Selachiem stellt das knorpelige Priraordiolenmium 
eine bleibende Bildung dar mit dicken Wandungen ; bei den Säuge- 
tieren und lu ini ^fervchen dafjepcn dient es zur Grundlapie für die 
an seine Stelle treteude knöcherne Schädclkapsel ; es ist daher auch 



Digiii^uu by G(.)0^1c 



412 



Zwölftes Kapitel. 



weniger als bei den Se1a4;hiern entwickelt, indem nur Basis und 
Seitenteile knorpelig sinri. wilhieiid die Decke fprftÜ^ere, durch häutige 
Meuihranon vpischlossene Lücken aufweist. 

b) Aiii kuorpeligea Primordialcranium unterscheidet man: a) nach 
seinem Verhalten zur Chorda einen vertebralen (ehordalen) und einen 
rvrrte1)raleii (prächordalcn) Abschnitt; h) nach ReziehuiippD zu den 
Siniusorgauea eine Ethiuoidal-, Orbital-« Labyrinth- und Occipital- 
regiuu. 

0) Wie sich die Rippen als untere Bogenbihiungen zu der Wirbel- 
säule hinzugesollen, so verbindet sich am Kopf das Visceraldielett mit 

dem Primordialcranium. 

7) Das Visceralskelett setzt sich aus gegliederten Knorpelspangeu 
zusammen, die durch Verknorpelungsprozesse in den h&utigcn Schlund* 
bogen zwischen den Schlund- oder Kieraenspalten entstehen. 

8) Die knorpeligen Schlundhoijen oder VisroTalbnL'»>ii sind nur hei 
niederen Wirbeltieren (dauernd bei den beiaciiicru; wohl entwickelt 
und werden nach ihrer Lage and Gestalt als Kieferbogen, Zungenbein- 
bogen'und Kicmenhogen, deren Zalil schwankt, unterschieden. 

0) Der Kieferbogen zerfällt in den knorpeligen Oberkiefer (Talato- 
quadraturii) und den knorpeligen Unterkiefer (Mandibulare); der 
Zungenbeinhopen in das Hyomandibulare, das Hyoid und die unpaare 
Copula. 

10) Bei den Säugetieren inui hritn Mcn'^chen wird ein knor])e1iL'»'-< 
Yisceralskclett nur sehr verkümmert angelegt und wandelt sich in die 
Gehörknöchelchen und das Zungenbein um. 

11) Im häutigen Kieferbofzen entsteht: a) der Ambofs, welcher 
dem Palatoquadratum ni' ipr Wirbeltiere entspricht; b) der Hammer, 
der Repräsentant des Gelenkteils des knorpeligen Mandibulare; c) der 
MECKKLSche Knorpel, der dem übrigen Abschnitt des Mandibulare 
entspricht, sich aber später vollständig zurQckbildet. 

12) Df r häutige Zungenbeinbogen liefert: a) in seinem nherstcn 
Teil den bteigbtlgel , b) den Grit^elfortsatz . c) da? Ligamentum 
stylohoideum, <l) das kleine Horn und den Zuugeubeiukörper. 

13) Der dritte häutige Schlundbogen verknorpelt nur in seinem 
untersten Abschnitt zum grofsen Horn des Zungenbeins. 

14) Das rrimordialcraniuni /ciijt auf keinem Stadiuni seiner Ent- 
wicklung; eine Zusammensetzung aus Segmenten wie die Wirltelsäule. 

15) Die ursprOnglicbe Segmentierung des Kopfes spricht sich 
allein aus in dem Auftreten mehrerer T^rsegniente (Muskelabschnitte), 
in der Anordnung der Ilirunerveu und in der Anlage des Visceral* 
Skeletts. 

Id) Das Primordialcranium ist also eine unsegmentierte Skelett- 
anläge in einem anderweitig segmentierten Körperabschnitt. 

17) Die ^'erknöcherung des Kopfskelctts ist ein viel komplizierterer 
Prozefs als die Verkuöcherung der W irbelsäule. 

18) Während sieh an der Wirbelsäule nur Knochen einer Art 
durch Substitution des Knorpelgewebes entwickeln, sind bei der Ver^ 
knöcheriing des Kopfskeletts zwei verschiedene Arten von Knochen, 
primäre und sekundäre, zu unterscheiden. 

19) Die primären Kopfknochen entstehen aus knorpeliger Grund- 
lage, wie die Knochenkerne in der knorpeligen Wirbelsäule. 

2*1) Die sekundären Knochen, Beleg- oder Deckknochen, entstehen 
auiVerbalb des primordialen Koitfskeletts aus bindegewebiger Grund- 



Digiii^uu by G(.)0^1c 



Die Organe de« Zwischenblattes oder Me>eiicli7iDi. 



413 



läge als Haut- und Schleiniliautverknöchcninp'on und sind bei niederen 
Wirbeltieren Teile eioeB aber den ganzen Körper verbreiteten Haat- 

skeletts. 

21) Die Belegknochen entwickeln sieh id eiozeluen Fällen, die 

man als die ursprQn glichen auffassen kann, durch Vorschmelzung 
der Basis zahlreicher, in der Uaut und Schleimhaut entstehender 
Zäbocben. 

22) Primftre nnd sekundäre Knochen erhalten sich auf spftterra 

Statlit'u teils p trennt, teils verschmelzen sie untereinander saKnoehen- 
koinplexen. wie das SchlAfenbein und das Keithein. 

23) Vom Primordialcranium bleiben nur unbedeutende Reste als 
knorpelige Nasenscheidewand und als Kasenknorpel erhalten. 

C. Das Extremit&tenskelett. 1) Das Skelett der GltedmafKen 
legt sich mit Ausnahme des Schtttsselbeins, dess> :i l iitwicklung manche 
EigentOmlicJik« itf'Ti zeigt, in knorpeligem Zustand an (knorpeliger 
Schultergürlei, knorpeliger Beckengttrtel, Knorpel von Arm und Bein). 

2) Die VerknOcherunff erfolgt in derselben Weise wie an der 
Wirlielsftule and am Primordialcranium von Knochenkerneu aus unter 
Zerstdrun^ nnd Ersatz n^-^ Knori)elpewelK s duicli Knnehenfieweh»'. 

3) Die kleinen Knorpel der Fuls- und Handwurzel verknöchern 
zum grftferen Teil von einem Kuocbenkern aus, die gröfseren platten 
Knorpel des Schulter- und Beckengbrtels von mehreren Zentren aus. 

1) Die knorpeligen Anlagen d<n- TNilireiilctM^chen verknöchern 
zuerst in der Diaphyse, wahrend ihre beiden Enden, die Kpiphyaen, 
lange Zeit knorpelig bleibend, das Längenwachstum vermtttelu. 

5) Die knorpeligen Kpipbysen beginnen beim Menschen teils 
im letzten Monat vor der Geburt, teils erst nachher von eigenen 
Centren aus (Epiphysenkemen) zu verknöcliern. 

(I) Die Verschmelzung der knucherneu Diaphyse und der knöchernen 
Epiphyseu erfolgt mit Beendigung des Längenwachstums des Skeletts 
unter VerdranfiunK des trennenden Knorpelf^cwebes. 

7) Vor beendetem Wachstum lassen sich die Röhrenknochen in 
ein Mittelstück und zwei knöcherne Kpiphy>enscbeibeu zerlegen. 

8) Von der Knorpelanlage eines Röhrenknochens erh&lt sieh nur 
ein geringer Rest als Überzug der Gelenkenden (Gelenkknorpcl). 

9) Die Markhöhle der Röhrenknochen entwickelt sich durch 
Resorption der im Knorpel zuerst gebildeten, spongiöscn Kuochen- 
substanz. 

10) Wahrend die Gelenkenden der knorjielig angelegten Knochen 
von hyalinem Knorpel überzogen sind, zeigen die Gelenktlilchen der 
Knochen biudegewcbigen Ursprungs (Belegknocheu) einen Überzug 
faseriger Bindesuhstanz (Kiefergelenk). 



Digiii^uu by C(.)0^1c 



Register. 



Abortiveier 2L 
Acervulus cerebri 23iL 

Achscn-^kolctt SfiiL 
AdtTj^etlfCht, hintere^ 275. 

AdergeHecht, Tord»rcx 22L 
Adergetlecbt, Mitlicb«» SäiL 
Advrgeflechtsfalte 2M. 
Adergt'flechtsturche 205. 
Afteranlape 175, I78j 257. 
Aftergrube 17li. 
Aftennembran 177, 179, 253. 

Albuinen dm HtthnereJ«« 11, 

IM. 

Alecitbale Eier !L 
Allantois der KfptiltM und 

Allantois 4m- SAagotier«. dra 

M. n.i t., n 140. 155, 254. 
Allantuiskreislauf 354, liZifi. 
Ainbos IkJS. » 
Amtnonsfalte 
Ammonsfurcbe l'H4. 2jiÄ. 
Antmonshoru 284. 2äfi> 

Amnion dfr Ue|>tilicn nnd 

vftgM laij 135. 

Amnion d«r siairet(»r# 140. 

Amnion dt» Menschen 155, 
157. 

.Vmnionfalte l.'tM. 
Amnionscheidu der N*b«l- 

■ehanr 15«j 162i 
Amniontiere (AiDniot«n) 171. 

Amnion waüscr i^* Menschen 

1.57. 

.\ltlpulle dor kMlbkr«-i.fAn»)K<on 
Kanäle 

Ananuiia (AmnionloM') 170. 
AnimalculiKten HL 
.Animaler Eipol L 
Aniniale Zellen d<«« Keim«^ ÜL 
Aorta candali.'^ 3<il. 
Aorta, i.rimlliTf •'V>4. 359. 
Aorta, bleib*nilii Mb, 'MS. 
Aortenbogen .{-"»tf. 3.'>9. 
A i| uaeduct US S v Iv ii 272, 276. 
Arbeitsteilung tili. 
Area cmbryonalis RL 
Area npaea Sii» 



Area pellucida äfi. 
Area vasculosa 119- 
Arca vitellina 122. 
.\rteria carotis :{ü8. 
.\rteria centralis retinae 

295. 298. '.m. 
Arteria hyaloidea 298. 
Arteria iliara .'^fiO. 
.Arteria ompbalo -mesen- 

terica 354^ 
Arteria perforans stapedis 

Arteria pulmonalis 345. 

348. 359. 
Arteria sarralis media .381. 
.\rteria spcrmatica 244. 
Alteria subclavia ^i5H. 
Arteria umbilicalis 169, .356. 
Arteria vertebralis 3^ 
.Arteriensystem 357. 
Ascensus inedullae spinalis 

Atlas m 

Atresia pupillae congenita 

298. 

Atrioventricularklappe 'U4. 
Atrium bursae omeulalis 

2as. 

Auge 223. 
-Augenbecber 294. 
Augf'nhiase 293. , 
Augeubltiftcnäticl 2äL 
Augenhäute 222. 
Augenlid 3fi4. 
.\ugenkamiucr 299. 
.Augenspalte 295. 
.Aurii ulae cordis .344. 
I Aurserc tJeschleebtsteile 

.\ufseics Keimblatt ßiL 

Orgare d«-M9lben 2('>.'i. 



Balpdrüsen der Zunge 199. 
Haiken 'ML 

Ltasnl]ilatte Pla<>>nt« at«rina 

lt>r,. 

Bauchspeicheldruse 2ÖS. 



Baucbstiel »«ntchlic^cr Km- 
br]roo«n 154. 171. 

Beckendannhfthlp 13L 
BeckengQrtel 401. 
Befruchtungsprozels 2L 
Belegknochen iiSl. 

Anfkiblnng demelben 328. 

Bildungsdotter iL 
Bindegewebe, fibrillAr«« 337. 
Bindesubstanz 117, 121. 
Biogenesis 
Blaatula 35, 2iL 
Blinddarm m 
Blutbildung US. 
Blutgefil&system 338. 
Blutinseln, Blutpunkte 121^ 
35». 

Blutkörperchen , «mbryonftl«» 
12L 

Blutkreislauf, einhchn 345. 
Blutkreislauf, dopp#lt«r 345. 
359. 

Branchiomerie 394». 
Brück« 225. 
Brückenbeuge 271. 
Brustbein 323. 
liiustbeinleisten .373. 
Brusthohle 352. 
Bursa omentalis 187. 



Colcar avis ^ m 
Canalis auriciihiris 344. 
Canalis hyaloideus 2*.»'^. 
Canalis incisivus 322. 
Canalis neurentericus im 

Amphioxas 62; in AniphrbiM 
79, 17ti; der Vöjri. Rep- 
tilton f^te, 101, 104; der a^ngr- 
tiero 1(13; doc MeuKshen 104. 
Canalis reunicns 31iL 
(Janali K utriculo-saccularis 
311L 

Cardinal venen siehe Kar- 
dinalvenen. 
Caruncula lacrimalis 'VA. 
Cauda equina 268. 
Cavuin tynipani 316. 



j - - 



Register. 



415 



Centralkanal «le« RtekeBmarkn 

2fiL 

Centralfarche de* Oroikhtni« 
287. 

Centrolecithale Eier 12. 
Centrosoma 2L 
Cbalazen IL 
Chorda m 
Chordaanlage 6T lüL 
Chonlakunal 1^ liß. 
Chordarinne im Amphiosna 

fid; der Ampkibl«« 7t). 

Chordascbeide, «knietofeB« 

m 

Chorda tjmpani 817^ iJÖL 
Cboriorapillaris iiD2. 
Chorioidea 302. 
Chorioidealspalte 302. 

Chorion der Sia^etkerf lAiL 
Chorion dn« Moaxhen 15.S, 

Cborionepithel 165. 
Chorionzotten 14<i. 
Chromatin dM Ker» HL 
Chromosomen 2i 
Cicatricuia iL 
Ciliarfottsät7!e,Ciliarkön)pr 
■SQQ. 

Clitoris siehe Klitoris. 
Cloakc, Cloakenmembran 

siehe Kloake. 
Coelenteron 65. 
Coloboina chorioidcae 803. 
Colobuina iridis 'WS. 
Conarium 'Jüh, 
Conus medullaris 2fiL 
Corium 325. 

Corona radiata d<w Eies L 

Corpus luteum 240. 

Corpus papilläre 825. 

Corpus striatum 2M. 

Cortisches Organ Hll. 

Cotyledonen siehe Kotyle- 
donen. 

Crista acustica SOT, 31L 

Cuti.splatte IIS. 

Cuviersche (iänge ;S51, 352, 
3^>1. 

Damm 257. 
l)arml»ein 401. 
Darmilottersack 132» 
Dariiidrüsenblatt gg. 
Dannt'ollikcl 2IL 
Hann leibeshohle 65. 
Dannnabel 133. 
Daniipforte IM» 
Darmplatte 122. 
Dann rinne IIÜ. 
Darmrohr 125. 
Darmschleife 185, IM 
Darmstiel 1112. 

Decidua 148; df» Meniehrn 

153, 158; retlexa 153.161; 
serotina 153, 161; vera 

1 :>:'.■ 



Deciduazellen 160. 
Deckknochen 887. 
Dentale SM. 

Descensustesticulorum 2ÜL 
Descensus ovariorum 25'J. 
Deutoplasma 3. 

Diaphyse (Dwpkywnkm) 
403. 

Diencephalon 269, 222. 
Differenzierung, biNtoioginche 

62j 33S. 
Di^yodont 194. 
Discut« proligeruR ^ 239. 
Diverticulum Nuckii 252. 
Doppelbildungen 5& 
Dotter (DotterplUI«beB) 3. 
Dotterblatt 88. 
Dottergang 182^ 
Dotterhaut iL 
Dotterhof 
Dotterkerne iL 
Dotterkreislanf 354. 
Doiterpfropf 70j 1Ö5, 
Dottersack 1287132, 
Duttersack dm MeiiMken 157. 
Dottersvncytium 41. 
Ductus' Botalli Ä 308. 
Ductus corhlearis 308. 
Ductus Cuvieri 351, .S52. 

im 

Ductus cndolvmphaticus 
308. 

Ductus lingtialis 2ÜL 
Ductus pleuropericardia- 

rus 352. 
Ductus .Santorini 208. 
Ductus venosus Arantii 

366. 

Ductus vitello- intestinalis 
132. 

Ductus Wirsungianus 209. 
Du raischeide itm f^YLnrnm 
303. 

Durchbruch dw Z&kn<> 19ti. 



Ei 3; dor Anpbllit»!) 8^ 35; j 
der Echinoderroea 3j de« . 
Monnrhen 7^ ron Aecari« 21 ; 1 
der .*«i4n|it»tier» x; d«r V*gel 8. 

Eidotter 3. , 
Eierstock 235. I 
Eihäute ^2. ' 
Eihäute, hinfiiiiKo 153. 
Eihügel 232. 

Elhüllen der Reptilien und 
V«Kel Liß. 133; dfr S«n(Miet» 
140; de- MeiuieheB 150. 

Eiki'rn 2iL 
Eileiter dw Hnhns IL 
Eileiter de» Menscboo 1^5 1 . 
Eiiicster 237. 

Eiweifssack beim Hühnerei 

Eizelle 3; bolobla-üschp 34; . 
Di>Tobluti!-ehe iM.: kli'Citbale 



6j eentrolMitbal« 12l Mo* 
UcithAle 2. 

Ejaculat 15. 
Ektoblast 65. 
Ektoderni 65» 
Embryonalbezirk 12S. 
Embryonalfleck tlL 
Embryonalschild äL 
EmnfangnishUgel 2iL 
Enilocard 3:^U. 

Endolymphe de» Geböroryma« 

307. ' 

Entwicklungsprinzipien 5L 
Entoblast (>5j Entoaerm ß5» 
Enterocol 22. 
Epidermis 22A. 
Epididymis 244. 
Epigenese 2. 

Epiphyse (Epipbr*enkern) 
Epistropbeus 375. 
Epithelmuskelzellen 21fi. 
Epitrichinm 324. 
Eponychium 3^ 
Epoophoron Ü50. 
Ersatzhaar 327. 
Ersatzzähne 194; de« M«ii- 

Hcben 197. 

Ethmoidalregion dr« s«bideb 

379. 

Eustachische Röhre 3LL 
Evolutionstheorie 2. 
Extremitäten, Skelett .398; 
Mtbkeln 398; Herren 3Sä. 



Faltenbildung 5g^ 
Faltungsprozefe 58. 
FeiMur 4114. 

Fibrin, kan»li«iert«« der PIs- 
Cent« l<i,5. 

Fibula MiL 

Fissuren de« Oebira* ^i. 
Fissura cerebri transversa 
286. 

Fissura calcarina 284. 28fi. 
Fissura chorioidea •J84. 205. 
Fissura hippocampi 284, 
285. 

F'issura (ilaseri ,391. 
Fissura petrotympanica 

391. 

Fissura parieto-occipitalis 
284. 

Fissura stemi 373. 
Filum terminale 2R8. 
Flügelbein 393. ÜSL 

Follikelbildung dm EierKt«ek<i 

23L 

Follikelzcllen 23fi. 
Foramen coecuni 201. 
Foramen ovale 346, 3.'»ö, 3fi8, 
Fitramen parietale 2IiL 
Koramen incisivum iU12. 
Foramen Panizzae 349. 
F«)ramen Monroi 28;<. 
Foniix '284. 



4h) 



Register. 



KoHKS Svivii '^h4. 
Krcttim 'Ualli-ri M4, m 
Fru( hthol MlL 
Krurhlm-Iuniere H24. 
FriH'hlwiiHHer <1m lli-n<(b*ii 
157. 

Ktiniciiiiis umbilicalis 158, 

FurchungHh<ihle 
FurrliuiiKskcrn 2L 
Fiir(-h(ing!>|)ro7.erN Ul ; liqaai^r 

dUeoidaUr HH: parti«lter, «upiT- 

FlirchiinKKscIu'ina 
FurHwurzclknocIu'ii 402 



OallenRung 2u;L 
(iallonblasü 'Ml 
(iallertgewebe 'XUi. 
(iallürtkcrn d«r Krbinodi>rm«ii- 

(tullertkcrn der Zwixhcnwirbel- 
MChribvn 871. 

GaiiKlioii Bpiralü !U 1. 
(innKlioii Aciistii iiiii H06. 
(iai tllc^^cht> Kanäle 2^ 

(iaütrilla d«* Amphioxa* VA\ 
der Amphlbiao 70; d)>r 8t>U- 
cdlxr H3 ; d»w ||(thnchi<D» HO'. 
drr in«'roblaiti^ch»n Eier 8ij; 
der K»|iUlira Hi>^ dM •S4aca- 

(iainncii .'{'J'^, 'tH4. 
(lUiiineiibcin .'M:». :iflO. 
<iniinioii|)lutt4> :^S4 
(faillllL'IlSfgel, pr.miiiTf 179. 
'28 1. 

(iaumenspHlto 821. 
(icliikriiiiiltcr •-'■'") 1 . 
(;t'likf>bildung LÜL 
(n'tiifs»'n»l(»tbfl USL 
(irlursliaut a-r Llni><> '^1. 
liotafshol lüL 
(iftarnklliUiel d«r Umiorv 2-'t0. 
(lOlufsklllllU'l dt^ Vomirr.« 2'.'<). 

(M'hirn 

(teh>»i km<i'bt'li'btMi317, :t,S'>. 
(ii'boiorgan :<Ort. 
(iokio-«t' 1S4. 
Ui'lbor I»ottor Iii 
UrlbiM- Körper d»* Eirrttock. 

(loh iikbiMung 40,'i. 
(ioU-iikknoriH'l 40;t. 
(u'iiHaKlraiip 244. 
(iiTUt h>ci ub« bt'u •'^IS. 
lu'nub>UI>yrinth 
l.rrii»bst>ri;aii •U'-'. 
(M'srbU'ol»t>I;>lton 'J-'»". 



»M ,>blfv btsboi kt-r •-'■'»•'>- 
(iocbltM blMTiiaui' 2J4. 
(m'x lil> « ht^i mno •->■"»."»- 

(n'^i lllt i hl>>lt;lH;:i' der l r- 



(iCschlcchtSteii d«r Cmicto 

244. 24iL 
(ie(.chlecbti>tpile, iofa«« 2ää. 
Cm'»( blechtawulst 257. 
üesicbtKi>cbäael 38:^- 
Glandula pinealis 278. 
(iiandulae utrinilares l/tfl. 
Glaskörper 294. 2011 
Gliedniar»trn iiiiäx 
(ilomeniltlH der Draiar« 
(ilomeruluK dar Vomirr« 

22ü 

Graat:>cbe U]ät>chen dar 

Grenzrinne 129. 
Griflfclturtsat/ «W5. 
GrofMbirn 2H:l 
(iubernaculutii Hunteri 

24Ü 
Gvri 213. 



Huftrl)alR M2(i 
llaare :{2.'). 
Ilaarkciin i{25. 
Ilaarpapillc 32iL 
Haarw«-cb»el 321 
Haarzwiebel M26. 
llaftwurzeln d<« Chorion 16H. 
Hugelbchnüre LL 
llabneniritt 9. 
Ilalbkreii>t<>rniige Kanäle, 

b-iuti^ tH)8; kD6cfaorai' tUlL 

Halsbuibt 
IlabHsteln IM. 
Malxhöhle :j41^ 3aL 
Halsrippe 3LL 
Halswirbel 374, 
Hammer 385, 390. m 
Handwur/elknochen 402. 
Harnblase 2."i.'>. 
Harnleiter im. 2bL 
Harnorgane 1^24. 
Ilarnroure 'J^S. 

Harnsaik der RepUlipn nnd 
V«(<>l 13r>: drt .Siagrliora 140: 
dm M<>s>icb«n 1 55. 

Hasenst barte 3'J.3. 
Hassallsebe Kor]»ercben 

dar Thyma« 200. 
Haut 321 

Hautdottersatk 132. 
Hautiiie Obrkapsel 
Hauinabel 133, 
Hautskelett HS'^. 
Hautstiel 132. 
Hiini>pbarenblaschcn 269, 

Henufipbarenspalte 2>6. 
HeniuiuMv:smir>bilduußen 

2ü 2iS. 259. 302, 
373. .-vVS. 
HensenM her Knoten l^L 
H «' rill a p bi > ' I i 1 1 1 > ni II s --'v^ 
Hei/ ük 1^ 
ller/lit uttl ■ w >0. 



Herzbeutelbrusthöble 351. 
Herzbeutelfalte 352. 
Herzkontraktionen 3.'>4. 
Her/.endothel (Ab*uminw«)i 
121. 

Her/gekröse 204. 'iSd. 
Herzohren M4. 
Hfxentnilch 3:t0. 
HighiMoi>huhU' 3l'3. 
Hinterbaupttibeiii 390. 
liinterhauptsUppea 2ää. 
HinterbirnbläscheD 274. 
Hiriiiinbant: 2r^0. 
Hiinlilahi'u 2'»s. 
Hirnblasen, t<r*t* 277; iweit« 

27f); dritte 274. 
Hirnmantel 273. 
Hirn>aiid 2Iä. 
Hirnschlitz 222» 
Hirnntamm 223. 
Hoden 2iL 
Hodensark 2^ 

Hörbläseben der Wirbeltier« 
30r» : dar WirbelloMü 307. 

Höriieck, Horleisle ML 
Hörgrübchen 30H. 

Hörner da« SaiWnTrDtrik«-!« 

Hörstein 307. 

Hohlvene, unUr«- 'i»)2; ober» 
3li2. 

Holoblastij^che Kier Ms 
Hornblatt 2li^ 
Hornhaut 

Howtihipscbe Grübchen 
198. 

Hüllbildungen de8Hodaiu2i^ 
Humerus 404. 
HunterseheK Leitband 24ii. 
Hydatide da« X»banbftd«ia« 24fi : 
d#« Eilaiterw 1 . 

Hydramnion 1")7. 
Hyoid m 

Hvomandib-jlare 3^ 
: Hypuphysis 200. 
Hypophysensäckchen 281. 
Hypophysemasche 281. 
Hypospadie 25ä. 



Jaeobßonscher Knorpel 

323. .379. 
Jacobsonsches (trgan 322. 
Idioplusma AI. 
Implantation d#> nuB^cbUek*« 

v.l.* 1 .'>•-'■ 
Inlundibuluni 277. 
ln:>el ilnsula Heiiii) 
Insertio ceniraliii, margi- 

nalis. velamento&a dar 

m^atcblt bau !fabrVicki«r lfi8. 

IntervilKtse Käume dar Pi«- 

<»eta 167. 

Intraplarentar^ Häume 1^7. 
lntun)e<centia cervicalis u4 

liinib.ili!; 26^. 



Register. 



417 



ltitnine!<centiagaugliifoniiis 

Scarpae 811. 
.Jochbein aö£L 
Iris ML 
Irisspalte 2ü2. 
.Jiigularvenen 3<il. 

Kamnierscheidewand m8. 
Kardinalveneii 361^ 8(i8. 
Karunkel i^-* uunxii^hlviAt» 

Kehlkopf 2(12. 
Keilhein 

Keimbliischen 4, IH. 
Keimblase HSj 38. 4a, 142. 
Keimblasencueloni 132. 
Keimblätter 02; d«s Am- 

pbioxn« 64; d«r Anpbibien 69^ 
der \(ig<>\ and K^ptilien 80: d<>r 
Fi»ebo aX ; der S4iigotior«i SiiL. 

Kelmepithel 2.'{5. 
Keimtieck ä, 
Keimhaut M< 
Keimhoble IM. 
Keimkeru 2L 
Keimscheihe 9j .ISS. I 
Kernsegment 23. 
Kieferbogen -tSi^. 
Kiefergelenk, prinuircH 394; , 
wknadare« 394. 

Kieter^palle 393. 
Kienienartcrien 3.'>8. : 
KiemenblattL-hen IHI I 
Kiemenbogen 181. 'Miü. 
KieniendeckelfortHatz 1H.3. 
Kiemenlurchcn IHI. 
Kiemens palten 
Kiemen VfUüu 3.'>8. 
Kindspeth 208^ \ 
Kleinhirn '^'7.'>- , 
Kleinhirnaulagi- 275. 
Klitoris 2.')7. ' 
Kloake 203. 
Kluakenineiiibran 2.">^t. 
Kniescheibe 40,*). 
Knofhengt'webe 3:iH. 
Kno«'hfnkern :H7'i. 
Knörhernes Labyrinth 312. 
Knorjielgewebe •{37. 
Kolbenhaar 
Konjunktivalsatk ;ffl4. 
Konkresceuz liß. 
Kopfln-uge '271. 
Kopfdaruihöhle 
Kopffaltc. Kopfhöcker 129. 
Kopffortsatz d.>« Primiti»- 
strott'pTi» 9K. 

KopMiopker 122. 
Kopfhohkn 39ri. 
Kopfseheide li^^. 
Kopf>egmente lü :I90. 
Kopfskelett 37.'). 
Körperform , Kntstchung 
Ldfi. 

Kotyledon der Eihaot« d*r 
WuMlfrkiiucr \4^. 
<• II. itwiL;, Kl.-iiienti 



Kotyledon der ia<>R!<c)ilich(>n Linsen Wachstum 297. 



PWnU 163, m 
Kranxband dnr Leb«r 3ö:^. 
Kreuzbein 374. 
Kryptorchismus 24H. 



Lippeiispalte 39.3. 
Liquor amnii K-t.*). 
Lifjuor folliculi 239. 
Lobus frontalis, teniporalis 
285. 

Labia maioran. minora2.57. i Lobus parif tali^, nct ip.285. 
Labyrinth , bintig«» , 307 : [ Lobus ollactorius '2HH. 

knöchern«« 312. 

Labyrinthanhang 308. I 
Labynnthregion de« Schidoh 

m 382. 
Lamina spiralis ossea 31.'i. 
Laniina fusca 302. 
Laraina terminalis 28:^ 
Lanugo '32SL 

Lappen des Grofshirns 285. 



Luftkanuner dwi HAhMr«i«s 

Luftröhre 2Ü2. 

Lunge. Lungenanlage 202, 

m — 

Lung«!iiulveolen, Luftzellen 
Lungenblaischen 203. 



2^ Latcbra des Hühnereies HL Macula acustica 307. 311 



Leber 2äL 
Lebercyliuder 2tifi. 
Leberkreislauf .'{fi.'V. 
Lecifhophor SK. 
Lederhaut 32ö. 
Leibeshohle 69: .-luffMsrembryo- 
n*i« 132. 



Macula germinativa 3^ 5. 
Magen 184. 
Magensaftdrüse 210. 
Mamma -M^tO. 

.Manimalia deciduata 149; 
indecidiiata 149; achoria. 
choriata 171. 



Leistenhi'nd d« iJmiw 243, Mandibulare 38: {. 



m 

Leistenkanal 24S. 
Lendenwirbel 374. 
Liebet kühnsche Drüsen 
210. 

Ligamentum Arantii 367. 
Ligamentum Hotalli 369. 
Ligamentum coroniirium 

hepatis 3.''>:t. 
Ligamentum hepato-gustri- 

« um 207. 
Ligamentum hepato-duo- 

denale 2ÖL 
Ligamentum hepato-umhili- 

cale -'tiM. 
Liguiitcittum iiitcrniiiscu- 

lare 223. 370. 37.3. 
Ligamentum interverie- 

l»rale 371 
Ligamentum lut(>rale infer- 

num maxillae inf. t\9^. 
Ligamentum ovarii 2.'t2. 
Ligamentum phrenico-lie- 

nale m 
Ligamentum >tylo-hyoi- 

deum •'S.'). 
Ligamentum susjiensorium 
hepatis 21lL Hüii 



Mantelspalte 20^. 
Marksegel 27(>. 
Markstränge d»< Eifwtoek« 
241. 

Maulbeerkugel dp^ kim ilä- 
Meckelscher Knorpel 3Sä 
etc. 

Meconium 20)S. 
Mediastinum ^^.'i:!. 
Medulla oblongata 274. 
.Medullarfaiten , Medullär- 

platte 6<2, 2ß4. 
Mchrfachbilduugen b!L 
Meibomsche Drusen 304. 
Membrana adaraantina 195. 
Membrana chorii Iftt. 
.Membrana eboris 192, 195. 
Membrana granulosa 239. 
.Membrana limitans .301. 
Membrana reuniens su- 

perior 117 
Membrana reuniens in- 
ferior .'U.3. 
Membrana nictitans 304. 
Membrana pupillaris 298. 
Membrana vitellina 3^ 5. 
Meroblastische Eier 34. 
Merocyten IL 



Ligamentum teres hepatis Mesencephalon 270, 276. 



207. 367. 
Ligamentum teres uteri 24^1. 
202. 

I iigamentum vesico-umbili- 

cale medium 2.''i.^. 
Lig.iinentum vesico-umbili- 

cale laterale .•<fil- 
Limbus Vieussenii .369. 
Linse 294. 21iÖ- 
Linsensackcheii 294, 29(). 
Linseiisferne 297 
ili-r Km wii-fclnnii-lfhr«'. J. Aull 



Mesenchym ijl^ 117: Orfso.« 

d*»iN*lboii 3:U). 

Mesenterium 184^ 189^ 204. 
Mesoblast «UL 73, 
Meso4-ardium anterius und 

posterius 204^ 'ML 
.Mesocolon \W7 
Mesodermsackchen 94. 
Mesogastrium 184, 3ti9. 
Mesorchium 24^1 
Mesovarium 24:^ 

22 



418 



Register. 



Metencephalon 270. 225. 
Milchdrüsen iSjiä^ 
Milch/ähne, Milchzahnge- 

bife 12L 
Milz m 

MittflhirnMä9chen 'J70.27(». 
Mittt'lohr ÜIL 
Mittelplatte 222. 
Mittleres Keimblatt siebe 

Me8oblast. 
Modiolu!« 'Mh. 
Monrosches Loch 9.)<^. 
Mnrgagiiisrhe Hvdatide 

2^ 
Morula dw Ki« 
Mosaiktheorie 
Müllerscht r Gang 244, 

245. '2ML 
Muud, Entwicklung bi«l- 

bfnden Mond<'« 

Muskulatur, winknrrn^be 21«>. 

Muskulatur d«r Extr«iniUt«n 

Musculus creuiaster 248. 
Musculus obliquus uhdoni. 

int. 24il 
Muskelblalter 217i 213. 
Mu8kelkä>tchen 217i 21JL 
Muskelplatte LHL 
Mu>kelpnmitivhündel 217, 

222. 

Mutterhander 2.52. 
Mutterkuclien : siehe l'la- 
centa. 

Mvelencephalon 220. 211. 
Myocard m 
Myoniercn '-j'^rt. 
M\«tfoni UT^ 22L 

Nabelhlaschen de-. MpD-«ch«>n 
157. 

Nabfipetafsc IM. 
Nabelstruiig. N'alielschnur 

1.5H. Iß8. 
Nabelvene :{fifi. 
Nachfurchung 4_L 
Na<bgcburt ÜÜL 
Nackcnbeiige 271. 
Nackenhocker 271. 
Nagel, Nagelplatte K^'ü. 
Nahrungvdotter 8j 12tL 
Nase M24. 
Nasenhein •M9 1 . 
Nasenteld MH. 
Nasenlort>.at/e . inn«re und 

»nf.ern m><, :;s4. 
Nasenturche jiK aSi4. 
Nnseiigauinengang H22. 

Nasenlücil, inneri>f<. HorMTp« 

m 

Nasenmust helu :t21 , -i'S^. 

Nasenrachengang :<22. 
Ncl>eneiersto< k 2'>(). 
Nel)enhodon 244 
Neben knocheiikerne 4(14. 



' Nebenniere 259. 
Nephrostom 2M(>. 
Nej)hpitOMi 229 
Nerven 289. 
Ner^enleiste 290. 
: Nervenplatte, Nervenrohr 

siehe Medullarplatte. 
i Nervensystem 265. 
Nervenwurzeln 2S1. 
Nervus acusticus >tll- 
Nervus Cochleae 311. 
Nervus laryngeus inf. 'MiO. 
Nervus opticus 'M^i. 
Nervus vagus 187. 
Nervus vestihuli 31 1. 
Netzbeutel, ffrorwr liiX: kleiner 
207. 
I Netzhaut .JüL 
I Neuroblasteu 2*>6. 
I Neuromer, Neuromerie 274. 
' Nickhaut UM. 
Niere 2liL 
i Nicrentrichter 230. 
) 

I Oberarm liein 404. 
Oberhaut 324. 
Oberkieler im. 
. Oberkielerlortsalz l?*0,3i^ ! 
, Oberschenkel 4f>4. 
Occipitulregion d«- sch-idcU 
379. 

Odontoblasten 191. 
Ohr, iurser,-- 317 : innore-. 30<''> ; , 
raltller»« 3 1 (>■ I 
Ohrenschmalzdrüsen 32W 
Ohrkanal m 
Ohrmuschel 318 
Omentum malus IN7: minus 
207. 

Ooskoj» von l'reyer 13.'>. 
Orbitalregiuu d<>-< Sch;tdel^ ; 
379 

Os acetabuli 401. ; 
; Os angulare 392^ aJM. I 
i Os articulare 394. i 

Os coracoidi-um 4<)<>. 
! Os dentale lilli. 
: Os entoglo>suni j^^. 
i ()s inlerniaxillare 392. 
O.s inlernarietale 3tH). 
Os maxillare 3112. 
■ Os petrosuiii 391. i 
Os praemaxillare •'<92 I 
Os ptcrygoideum 391. 
Os st|uamosum -^91 
Os lympanicum 391. 
Osto'klasten 198. 
Ostium abdominale tubae 

23i 

Otolith aüi. I 

Ovisteii LL 

Pul»tiM|uadratum : 
l'anderscher Kern liL 
Pankreas 20"<. | 
Papille il. 1 Milchdnu.. Ji'tO. 



I'apillarkörner dpr luat 325 . 
Parachordalknorpel 377. 
Paradenn 88. 
Paradidymis 2iiL 
l'arapl.i^ina 3. 
I'aric'tähiuge 279. 
ParietJilhohle 341^ :tM- 
Paroophoron 2.'i0 
Parovarium 2.50. 
Pars mcmbranacea df- 

Harzen« ••M9. 
Partlienogenetische Hier 

13, 2L 29j 5a 
PaukenhoTITe 316. 
Paukeiltreppe 315. 
Penis 258, 
Periblast IL 
Perikard im 
Pcrilymi)hatische Kauine 

312. aiiL 

Ptlugscharbein .JÄL ifa2. 
Ptiügersche Schauche 2;u;- 
Pfortader 3!iL 
Pt'ortaderkrcislauf 3H5. 3ö2. 
3*i7. 

Piaischeide de«s<«hii«iT»n 
Placenta de- v«>nsch<>n 162: 

Avr .Siuet'tlerp 14<'>. 

Placenta praevia liLL 
Placenta toetalis 14r., üü 
Placenta uterina 146. 16.5. 
Placenta zonaria 149. 
Placenta discoidea 149- 
Placenta vera 149. 
Placentarkreislaut 35»j, •t-'U. 
Pleuroperikardialfalte y>2. 
3r.2 

Plexus chorioideus: siehe 

Tela »horioidea. 
Plica semilunari,> :W4. 

Pol Atr^ Kip^, knimalcr, trgpta- 

Polare IMft'erenzierung d»- 
Kif» I» 

Po).' landiges Dotteruiate- 

rial 12. 
Poivphvodont IM. 
Polzellen 20. 2JL 
Postaiialer Darm 177 
Postbranchiale Korpercheu 

2Ü2. 

PrätVirmatinnstbeorie 2. 

Primitivurgane Üä. 

Primitivplatte . Primitiv- 
knoten 87. 2L 

Primitivrinn«- . Primitiv- 
streilen ÜIL 105. 

Priniordialcranium , ^nU^ 

brali^, «vvrt^bril»«, cbordml«>. 
lirüchordaliK. hiotiKv», knor|<^ 
lilTM 376. 

]*rimordialo Knochen 387; 

Anfuthlniig drrw>lh4>Q 1^89. 
Prin/i|) d»<r or]ranl>iId>>nd*n k<- m 
bnirkn ^lL 

Proamnion i:i3. 



Register. 



419 



Processus vaginalis peri- 

tonei 247^ 252. 
Processus styloideus ^^5. 
Prorhorion 142. 
Pronufifus 2ös 
Proseiu ephalon 269. 221 
Prostata 258. 
Pulmonalarterie 345. ääSL 
Pupille IML 



Rabensrhnabell'ortsatj:400. 
Hachenhaut UiL 
Radius m. 
Handbogen 2th. 
Randkerbe der ä«Uchi«r 
Randsinus d»r Plawnt« l(i7. 
Randveiie (-sinus) des (Je- 

läfshots 122, 
Randwulst ütL 
Kand/one di>a Krim« üS< 
Ratbkesche Schudelbulken 

877. 

Rathkosihe Tasche 2a 1. 
Raubersi'he Schicht ÜL 
RccesBUh iabyrinthi 808. 
Reductionsteilung 
Regio oltuctoria. respiru- 

toria :t'^l. 
Rfifeerscheinungen d*« Eie." 

liL 

Reservestott'e ie> Eiw IL 
Rete testis 2i2. 
Retina LtüL 
Rhinencephalon 288. 
]{honibeiici plialon 274. 
Rifhtuiigskorper 2iL 
Riechlappon 'Av^- 
Ritrhnerv 

Riesenwellen der Piaeentu 
lfi7. 

Rindeniunben 281 
Rippen M '- i . 
Rückenmark 2ß^ 
Runiptplatte 1^ 
Rundes Mutterband 
Ruscunischer Dotterplropt' 
21L 



Sacculus sog, 
i>acralrippen 874. 
.Sanienani])ullen 241. 
bauienkaiialchen 2i2. 
Sanionbildung 'IL 
Samenfaden 
Sauienkern 2L 
Samenki^rper d«r Xematodrii 

Samenleiter 2^ 
Samenuiiillerzellen 2L 
Samen/eilen 2L 
Scalaei Scala tvwpani, vesti- 

buli) m aiiL 
Scapula ÜHL 
Schädel m 



Schiidelbalken 321 
Schafhautchen 

Schale d«» llahnereiM IL 
Schulenhaut de« Hfihn«roie>i LL 
Schambein 401. 
Schamlippen 2^ 
Scheide 2.'"il. 

Scheident'nrtsatz d«^. Bkncb- 

felU 247, 2ä2- 
Scheidenvorhof 2^">8. 
Scheitelbein 3äL 
Scheitelh«4cker 22L 221 
Scheitellappen 28ä. 
Schilddruse lÜiL 
Scbildknorpel !-}H<?. 
Schhifenbein 891. 
SchliUenlappen 285. 
Schlüsselbein 4üL 
Schlund bogen IHI. 
Schlundbogengeta.ise 358. 

Schlundfurchen 181. 
Schlundspalten m Jüfi. 
Schliifsitlalte d«r PlaccnU 
I lül 

I Schmel/keim IM. 

I Schmelzniembran 191. ISIL 

SchnielTiorgan 1^4. 

Schmel/piilpa liiS. 

Schnecke 'ML 
I Schneckengang, hiatigcrSOS: 

! kn'ichi'rnt'r 8 1 h. 
Schulterblatt ML 
Schultergürtel 400. 
Schwanzdarm 177. 
Schwanzfalte, Schwanz- 

höcker 180. 
Schwanzknospe 17fi. 
Schwanzscheidc 188. 
Scbweifsdrttsen 8'2S. 
Sehnerv 298. m 
Seitenfalten d«»» Kampfe" l.HO. 

Seitenfortsatz dnr Wirbel 

Seitenplatten 1 14. 
Seitenventrikel 2^3. 
Semiliinarklappen 34ä. 
Semiplacenta 149. 
Si'pta |ilacentiie IfiB- 
Septum atriornm 84.'i. 
Septum )ielluciduni 2S7. 
Septuni transversum 20r>. 

Septuni ventriculoruiii 848. 
Seröse Hlille 13fi. 
Siebbein ÜliL 
Siebbeinzellen 828. 
Sinnesorgane 2112. 
Sinus cervicalis (praecervi- 

calis) IM 
Sinus coronarius 849. 3fiJL 
Sinus ethmoidales 828. 
Sinus frontales 824. 
Sinus occipitale^ 824. 
Sinus sphenoidales ■<'^-' 
Sinus genitalis 2^ 



Sinus prostaticus 246. 258. 
251. 

Sinus reuniens 345. 

Sinus silperior der rertikalen 
Bogengänge 809. 

Sinus terniinalis 122. 
Sinus urogenitalis 2.V). 
Sitzbein 4ÜL 
Skelett m 

Skeletogenes Gewebe 117- 
Sklerotom LH 22L 
Smegnia fmbryonum !t24. 
Speicheldrüsen 200. 
Sj)ermacentrum 21 
Sperinakristalle liL 
Sperniatide 2L 
Spermatozoeii LL 
Spina bitida 8L 
Spinalknoten 28d. 
Spongioblaslen 'ififi. 

Spritzloch d«r Selachirr •iSÜ. 
Stammteil d«r Gror-himbcmi- 

«phnren 2H4. 
Steigbügel 8^ 832. 
Steifsbein 87.'>. 
Stensonscher (iang 322. 
Stirnbein 891. 
Stirnfortsatz 179^ 3M. 
Stirnlappen 'iS.'i 
Sticifenhngel 284. 
Subxtanzinseln 120. 
Sulcus centralis 287. 
Suicus interventricularis 

844, m 

Sulcus tubo - tympanicus 
81fi. 

Sutiira incisiva 392. 
Svlvische Wasserleitung 
97fi 

Syinpalhicus 2S2. 

Talgdrüsen 328. 
Teilungsebeneii dt-e Ei«w 33. 
Tela chorioidca inf. 9.1h 
Tela cborioidea sup. 277. 
Telencephalon 269, 203, 
Telolecithale Hier 1 
Tensor lympani 811 386. 
Testa LL 

i halamcnceidialon 269. 
Thera folli. uli 231». 
Thvniu> 20fi. 
Tiliia 4M. 
Tonsille LJIL 

Totalfurcben Gebim« 284. 
9x1 

Tränenaiistiihrungsapparat 
804. 

Tränenbein 891. 
Tränendrüse iW4. 
Tränenrohrcbon 305. 
Trommelfell 817. 
Truncus arteriosus 344. liAiL 

8.>4, '^^•t'l. 
TuTia Eustachii 311 
Tubuli recti de« Ilodtn« 2i2. 

•_'7* 



420 



Register. 



Tiibnli seminiferi 2^2. 
Tiinica vaginalis communis 
248. 

Tunica vnginalis propria 

testis 2^ 
Tunicii vasciilosa lentis 297. 

Ulna iM. 

ümwacbsnngsrand der Koim- 

UntHrkiefer 39iL 
Unterkieferfortsatz ISOiSMi 
Unterkii'feruelenk .S94. 
Urat hus 137, 255. 
L'idarm M. 
l'reier 2115- 
Ureter SäL 243. 
Urmnnd 64, 65i t)ö. 
Urmundst hlufs 65i 
Urniundspalle JüJ. 
UrnäKel ^21 3^^ 
Urniere 22iL 
Urniorenl)lasteni 222. 
Urnicrenkunitlchen 229. 
ürnierenganp 2'2S, 244, 249. 
Urnierenstrüngt' LL:ilL 
UroKenitalsvstem 224. 
Ursamenzellen 23ö. 241 
Uroefimente 69, 1 KL 1 LL ^ 
Urspgmente der. Kopf<>« 117. 
896. 

irrsegmentplatten 114. 
Urwirbel: siehe (,'rsegment. 
Uterindrühcn l.'i9. 
Uterinmilch d«r Wi*>.icTkaiuer 
14M. 

Uterus 2.'>I. ' 
Uterus masculinus 246, 251. 

25ä. i 

UtricuhlS d«« Ubyrinth'i -tOM. . 
Uvea der Irin üüiL 

Vagina 25L ' 
Valvula Eustachii ^ ' 
Valvula foraminis ovalis ' 

350, im 
Valvula Thebe8ii :{49. i 
Vas deferens 244 i 
Vegetativer Eipol L 
Vegetative Zellen 



Velum medulläre ant. und 

post. '-^6 
Vena azygos 365. 
Vena cardinaiis HfUS. 
Vena tava super. 862; int er. 

362. m 

Vena coronaria 3ü2. 
Vena hemiaz3'gos 3fi.'>- 
Vena liepaiica :^^6. :ifi5 
Vena jugularis 361. 
Vena omphalomesent. 206, 

354, .Mf>l. 
Vena terminaiis 122, 3.">4. 
Vena umbilicalis .H56. 361. 

atifi. 

Vena vitellina 3.'>4. 
Venensinws de* Honcn^ .^9. 
Venensystem '^1. 
Ventrales Mesenterium 204. 
Ventriculus septi pellucidi 
2S7. 

Ventrikel di« Hirn« 222 
Vererlningstlieorie 4fi. 
Verknoi-berung, <>ntochondral«> 

3£2 ; p<>riehondra1« '-^l. 
Vernix caseosa 324 
Vesicula geiminativa H 
Vesicula blastodeimica 2Ü 
Vesicula umbilicalis 157. 
Vestibulnm vjiginae 2.'>8. 
Vicrergrnppe d*w Kirns 2£i. 
Vierhügel 276. 
Visceralbogen 181. ;^3. 
Visceralskelett 382. 
Vitellus 3. formutivus, nii- 

tritivus iL 
Vogelklaue 284. 
Vorderbirnblüsrhen 

2IL 

Vorimf iicnMi" :t44 
Vorhofsscbeidewund 
350. 

Vorbofstreppe ^^^•'> 
Vorkern 2Q. 
Vorniere 224. 
Vornierengang 224. 
Vornierenglomerulus 
Vornierenkammer :i2L 
Vornierentrichter 2'J5. 
Vorstelierdi Ilse 2-58. 



262. 



Wachstum, Priuip dw an« 
gleichen 57. 

Warzenhof m 
Weifser Dotter lü. 
Whartonsche Sulze 168. 
Winslowsches Loch 208. 
Wirbelanlage 371. 
Wirbelkör]»er 502. 
Wirbelsftule , häutig« . k»or- 

Hw« üTQ. 3IL 
Wirbelverknöcherung 372. 
Wölfischer (iang 227, 22l<. 
Wolffscher Korper 228. 
Wolfsrachen m 
Wollhaar 32fi. 
Wurmfortsatz 188. 
Wurzelscheide des ftaarc^ 

326. 



Zahnanlage 121; d»r i^^»- 

chifr 191 ; d«» Meni<hen 194. 
Zahnfurcbe liLl 
Zahnleistc IM ÜiL 
Zabnpapille 12L IM. 
Zahnsackchen 19.5. 
Zahnwcchsel dw Um 194 ; 

di<r .S.<ugi'tierp and dP" NrcMhcn 

194. m 

Zirbeldrüse •*78. 
Zirbelfortsatz 278. 
Zona pellucida L 
Zonula Zinuii 300. 
Zottenepithel IM. 
Zottens) ncytium 164. 
Zungenanlage 1*>8 
Zungenbein 386, oi>2. 
Zungenbeinbogen 3s3. 385. 
Zwerchfell 3äL 
Zwercbfellsband dw rrnlpf 
243. 

Zwerchfellshernie 3-V2. 
Zwiscbenblatt ÜL 336. 
Zwischenhini 277. 
Zwischenkiefer v''.)J. 



346,! 243, 



Zwischenknorpel d*r o«lenkc 
40(?. 

Zwischenmuskelbänder 223, 

370. 373. 
Zwitterbildung 258. 



I 



d by Google